Bundesverwaltungsgericht
08.01.2021
W251 2162101-2
W251 2162101-2/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch den Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2018, Zl. 1047465509 - 140258143, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides wird insoweit abgewiesen, als der Beschwerdeführerin keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilt wird.
römisch III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, als die Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß Paragraph 9, BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 58, Absatz 2, in Verbindung mit 55 Absatz 2 und 54 Absatz eins, Ziffer 2 und Absatz 2, AsylG der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt wird.
römisch IV. In Erledigung der Beschwerde wird der Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine weibliche Staatsangehörige Somalias, stellte am 07.12.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am selben Tag fand vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdiensts die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Dabei gab sie zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass ihr erster Ehemann und Vater ihrer drei Kinder von Al Shabaab Leuten entführt worden sei und sie ihn seitdem nicht mehr gesehen habe. Ihr Vater sei nach Bosasso gegangen, um dort zu arbeiten und auch er sei verschwunden. Sie habe daraufhin die Familie versorgt und Al Shabaab Mitglieder hätten sie mit einem Mitglied der Gruppe verheiraten wollen. Zudem hätte die Al Shabaab ihr mit Vergewaltigung gedroht für den Fall, dass sie sich geweigert hätte. Ihre Mutter habe ihr daraufhin geraten, zu flüchten und ihre drei Kinder seien bei ihrer Mutter unter der Versicherung, dass diese auf sie aufpassen werde, geblieben. Nach ihren Rückkehrbefürchtungen befragt gab sie an, dass sie Angst habe, von der Al Shabaab zwangsverheiratet und vergewaltigt zu werden.
3. Am 02.03.2017 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer 3, B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Begründend führte sie aus, dass sie seit 15 Monaten in Österreich sei, ihr Antrag noch nicht behandelt worden sei und die Entscheidungsfrist von 15 Monaten gemäß Paragraph 22, Absatz eins, AsylG daher abgelaufen sei.
4. Am 12.04.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt.
5. Mit Bescheid vom 26.05.2017 wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt römisch eins. und römisch II.) und erteilte der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen. Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch IV.).
6. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.
7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.06.2017 wurde der angefochtene Bescheid vom 26.05.2017 aufgehoben und die Angelegenheit gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG zur neuerlichen Befragung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen, da die Beschwerdeführerin beim Bundesamt zwingend von einer weiblichen Organwalterin und einer weiblichen Dolmetscherin einvernommen hätte werden müssen.
8. Am 15.09.2017 wurde die Beschwerdeführerin ein zweites Mal beim Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Nach ihren Fluchtgründen befragt gab sie an, dass bewaffnete Al Shabaab Mitglieder zu ihrem Haus gekommen seien und ihren Mann entführt hätten. Auch die Beschwerdeführerin sei von Al Shabaab Männer entführt, neun Tage lang in einem Haus gefangen gehalten und körperlich misshandelt worden. Erst als die Al Shabaab Mitglieder sie mit dem Auto in eine Sackgasse gebracht hätten und dort ein Schusswechsel mit anderen bewaffneten Männern stattgefunden habe, hätte die Beschwerdeführerin flüchten können. Ihr Vater sei von denselben Al Shabaab Mitgliedern, die die Beschwerdeführerin entführt hätten, ermordet worden. Zudem brachte sie vor, wegen ihrer Clanzugehörigkeit diskriminiert worden zu sein.
9. Mit Bescheid vom 02.07.2018 wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt römisch eins. und römisch II.) und erteilte der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen. Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch IV.).
Begründend führte das Bundesamt aus, dass die Beschwerdeführerin ihren Fluchtgrund aufgrund zahlreicher Widersprüche nicht glaubhaft machen konnte und sie tatsächlich keiner asylrelevanten Verfolgung in Somalia ausgesetzt sei. Zudem wurde festgestellt, dass keine individuellen Umstände vorliegen, die dafür sprechen würden, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in eine extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung gemäß Artikel 3, EMRK darstellen würde. Zudem habe die Beschwerdeführerin kein gesichertes Aufenthaltsrecht, ihr Aufenthalt sei somit unsicher gewesen und es sei in Hinblick auf Artikel 8, EMRK nicht erforderlich gewesen, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob während des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin ein Privatleben entstanden sei.
10. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde. Sie wiederholte im Wesentlichen ihr Fluchtvorbringen und beanstandete, dass das Bundesamt zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass ihre Schilderungen widersprüchlich und erfunden seien und ihr das Bundesamt auch völlig zu Unrecht vorwerfe, dass ihre Erzählung deckungsgleich mit der einer anderen Asylwerberin sei. Zudem sei die Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau, die aus dem Westen zurückkehre einer weiteren Gefahr ausgesetzt. Ihr drohe aufgrund der Hungerlage und der schlechten Chancen am Arbeitsmarkt ein Eingriff in Artikel 2 und 3 EMRK. In Kismayo würden derzeit Kämpfe zwischen der Al Shabaab, dem Staat und diversen Warlords stattfinden.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.06.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung durch.
12. Mit Stellungnahme vom 12.09.2019 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie ein Kind von ihrem in Österreich asylberechtigten Mann erwarte, sowie, dass sie im Falle einer Rückkehr auf sich alleine gestellt wäre, da ihre gesamte Familie Somalia verlassen habe und in Äthiopien lebe. Die Beschwerdeführerin müsste somit für ihre drei minderjährigen Töchter und ihr Baby alleine sorgen. Sie wäre vor gewalttätigen Übergriffen aufgrund ihrer Stellung als alleinstehende, alleinerziehende Frau nicht sicher. Sie könne keinen Schutz durch männliche Verwandte erhalten und ihr drohe daher in Somalia geschlechtsspezifische Gewalt von hoher Intensität.
13. Am 28.09.2019 kam der Sohn der Beschwerdeführerin zur Welt. Mit Bescheid vom 18.10.2019 wurde diesem, abgeleitet von seinem Vater, der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
14. Mit Beschwerdenachreichung vom 24.03.2020 informierte das Bundesamt darüber, dass die Beschwerdeführerin mit 01.03.2020 wieder in die Grundversorgung des Landes Salzburg aufgenommen wurde.
15. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 18.06.2020 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin eine zweite mündliche Verhandlung durch.
16. Den Parteien wurden Länderinformationen zur Stellungnahme bis 22.12.20.20 übermittelt und den Parteien aufgetragen bekannt zu geben, ob sich seit der letzten Verhandlung etwas an den Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung, an der Situation des Beschwerdeführers in Österreich bzw. im Herkunftsland oder an der Situation in Somalia geändert hat.
Die Beschwerdeführerin brachte in einer Stellungnahme vom 22.12.2020 vor, dass sich die Versorgungslage in Somalia verschlechtert habe. Es sei zu Stürmen, Überflutungen und einer Heuschreckenplage gekommen. Zudem habe sich die Versorgungslage aufgrund der Dürresituation der letzten Jahre und der Auswirkungen durch die Covid-19-Pandemie verschlechtert. Davon sei insbesondere Süd-Somalia betroffen. Die Beschwerdeführerin verfüge in Somalia über keinen Schutz und sei als alleinstehende Frau von sexueller Ausbeutung betroffen. Als alleinstehende Frau sei die Beschwerdeführerin besonders vulnerabel.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin führt in Österreich den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Sie ist somalische Staatsangehörige, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Somali als Muttersprache.
Die Beschwerdeführerin wurde im Distrikt römisch 40 geboren, da ihre Mutter ebenfalls aus römisch 40 stammt und in ihrer Schwangerschaft zu ihren Eltern zurückgegangen ist. Die Beschwerdeführerin ist in Lower Juba in einer Siedlung neben der Stadt Kismayo aufgewachsen, in der sie gelebt hat, bis sie mit 14 Jahren geheiratet hat. Die Familie hatte Kühe und Schafe. Sie verkaufte Milch und hatte einen eigenen Esel zum Milchtransport. Die Familie konnte ein gutes Leben führen. Die Beschwerdeführerin hat die Tiere gehütet und wurde vier Jahre von einem Koranlehrer unterrichtet. Sie hat keinen Beruf erlernt. Bis zu ihrer Heirat wurde die Beschwerdeführerin von ihrer Familie versorgt (AS 3; AS 95; AS 751; AS 755; Protokoll vom 04.06.2019 = VP römisch eins Sitzung 11).
Im Jahr 2009 hat die Beschwerdeführerin in Somalia ihren ersten Ehemann traditionell geheiratet. Mit diesem hat sie drei minderjährigen Töchtern, die derzeit bei der Mutter der Beschwerdeführerin in der Stadt Kismayo leben. Nach ihrer Heirat ist sie von der Nomadensiedlung in den Bezirk römisch 40 in die Stadt Kismayo gezogen. Ihr Mann hat in Kismayo als Mechaniker in einer Werkstatt gearbeitet (AS 3; AS 95; AS 751; AS 755; VP römisch eins Sitzung 11). Die Beschwerdeführerin hat von 2009 bis 2014 in Kismayo gelebt (AS 753). Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Mann ein Zimmer in einem Haus gemietet (AS 755, VP römisch eins Sitzung 11). Der erste Ehemann und die Beschwerdeführerin haben sich im Jahr 2012 in Somalia getrennt.
Die Beschwerdeführerin hat im Jahr 2013 begonnen, als Putzfrau in Kismayo zu arbeiten. Diese Tätigkeit hat sie bis 2014 ausgeübt (AS 97, 1. VP Sitzung 11).
Die Beschwerdeführerin hat in Österreich nach der Scharia traditionell einen somalischen Asylberechtigten geheiratet. Mit diesem hat sie einen Sohn, der am römisch 40 in Österreich geborenen wurde (AS 1, AS 95, AS 751, Protokoll vom 04.06.2019 = VP römisch eins Sitzung 10 und 12, Protokoll vom 18.06.2020 = VP römisch II Sitzung 5 – 6, Beilage ./B). Ihr Sohn ist ebenfalls in Österreich asylberechtigt (OZ 12, Sitzung 3ff).
Die Mutter, der Vater, die Geschwister und die drei Töchter der Beschwerdeführerin leben alle in Kismayo in Somalia. Eine Tante arbeitete als Gemüseverkäuferin und half mit, die Familie zu versorgen. Die Tante lebte in römisch 40 , 15 km von Kismayo entfernt (AS 97, VP römisch II Sitzung 12). Seit Mai 2019 lebt eine Tante in Kanada (VP römisch II Sitzung 12). Eine Tante väterlicherseits der Beschwerdeführerin ist verstorben (VP römisch II Sitzung 6). Die Beschwerdeführerin steht in Kontakt zu ihren Familienmitgliedern (VP römisch II Sitzung 7). Zudem hat die Beschwerdeführerin einen Großonkel mütterlicherseits (AS 107). Der Bruder ihres Vaters ist schon verstorben, die Schwester ihres Vaters ist vermisst. Die Schwester ihrer Mutter lebt in Kanada (VP römisch II Sitzung 7, AS 755). Die Beschwerdeführerin hat Cousins von ihrem Onkel väterlicherseits, weiß jedoch nicht, wo sich diese aufhalten (AS 755).
Die Beschwerdeführerin ist keine Angehörige des Clans der Tumal (AS 1, AS 97, VP römisch II Sitzung 6) oder eines anderen Minderheitenclans. Die Beschwerdeführerin ist Angehörige eines Mehrheitsclans. Es kann nicht festgestellt werden, welchem Mehrheitsclan die Beschwerdeführerin tatsächlich angehört. Die Beschwerdeführerin kann von ihrem Clan unterstützt werden.
Die Beschwerdeführerin ist am 11.02.2014 aus Somalia ausgereist (AS 9; AS 99, AS 755). Ihre Ausreise wurde von ihrer Familie finanziert.
Die Beschwerdeführerin ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und sie stellte am 07.12.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (AS 1 ff).
Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, sie ist gesund und arbeitsfähig. Sie hat an einer römisch 40 gelitten. All diese Erkrankungen waren nicht lebensbedrohlich und sind mittlerweile ausgeheilt.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:
Das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Fluchtvorbringen konnte nicht festgestellt werden.
1.2.1. Der erste Mann der Beschwerdeführerin wurde nicht von der Al Shabaab bedroht, körperlich misshandelt und entführt. Er hatte keine Probleme mit der Al Shabaab aufgrund einer Tätigkeit als Automechaniker und der Reparatur eines Regierungsautos gegeben. Weder er noch die Familie der Beschwerdeführerin wurden jemals von der Al Shabaab bedroht.
1.2.2. Die Beschwerdeführerin wurde nicht von der Al Shabaab entführt. Sie wurde von dieser nicht bedroht, angegriffen, entführt oder gefangen gehalten. Ihr wurde auch nicht mit Zwangsverheiratung und Vergewaltigung durch die Al Shabaab gedroht. Die Beschwerdeführerin hatte keine Probleme mit der Al Shabaab aufgrund der Tätigkeit ihres Mannes. Sie hatte auch keine sonstigen Probleme mit der Al Shabaab und wird von dieser nicht bedroht oder verfolgt.
1.2.3. Der Vater der Beschwerdeführerin wurde nicht von Al Shabaab Männern ermordet. Der Vater der Beschwerdeführerin hatte keine Probleme mit der Al Shabaab aufgrund der beruflichen Tätigkeit seines Schwiegersohnes. Der Vater der Beschwerdeführerin ist nicht bei einem Anschlag der Al Shabaab auf einen Autobus ums Leben gekommen. Der Vater der Beschwerdeführerin hat auch keine sonstigen Probleme mit der Al Shabaab und wird von dieser nicht bedroht bzw. verfolgt. Der Vater der Beschwerdeführerin lebt weiterhin in Kismayo.
Die Mutter, fünf Geschwister und drei Töchter der Beschwerdeführerin mussten nicht aufgrund von Problemen des Mannes der Beschwerdeführerin mit der Al Shabaab das Land verlassen. Ihre Familie hat auch keine sonstigen Probleme mit der Al Shabaab und wird von dieser nicht bedroht bzw. verfolgt. Ihre Familie lebt weiterhin in Kismayo.
1.2.4. Die Beschwerdeführerin ist in Somalia allein aufgrund ihres Geschlechts keinen psychischen oder physischen Eingriffen in die körperliche Integrität oder Lebensgefahr ausgesetzt.
Die Beschwerdeführerin verfügt in Somalia über Familienangehörige, sodass sie über ein soziales und familiäres Netzwerk verfügt. Die Beschwerdeführerin müsste bei einer Rückkehr nach Somalia nicht in ein IDP-Lager gehen, sondern kann bei ihrem Clan und ihrer Familie Schutz, Unterkunft und Verpflegung vorfinden.
Der Beschwerdeführerin droht keine sexuelle Ausbeutung durch die Al Shabaab.
1.2.5. Die Beschwerdeführerin wurde in Somalia kein Opfer häuslicher Gewalt durch Mitglieder ihrer Familie.
1.2.6. Bei der Beschwerdeführerin ist kein auf Eigenständigkeit bedachter Lebensstil zu erkennen, der bei einer Rückkehr nach Somalia einen nachhaltigen und wesentlichen Bruch mit den dortigen Gegebenheiten und Sitten darstellen würde. Der Beschwerdeführerin droht aufgrund ihres in Österreich ausgeübten Lebensstils in Somalia weder Lebensgefahr noch psychische oder physische Gewalt.
Der Beschwerdeführerin ist es möglich, sich wieder in das somalische Gesellschaftssystem zu integrieren.
1.2.7. Der Beschwerdeführerin droht in Somalia kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit aufgrund einer Genitalverstümmelung oder einer Reinfibulation (Wiederverschließung).
1.2.8. Die Beschwerdeführerin hat Somalia weder aus Furcht vor Eingriffen in ihre körperliche Unversehrtheit noch wegen Lebensgefahr verlassen.
Im Falle einer Rückkehr nach Somalia droht der Beschwerdeführerin weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch Angehörige der Al Shabaab noch durch andere Personen.
1.2.9. Die Beschwerdeführerin hatte in Somalia selber keine konkret und individuell gegen sie gerichtete Probleme aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführerin droht bei einer Rückkehr in die Stadt Kismayo kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit.
Die Beschwerdeführerin kann in Kismayo grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Die Beschwerdeführerin ist mit den Gepflogenheiten in Somalia vertraut und spricht Somali als Muttersprache. Sie kann lesen und schreiben. Sie ist jung, arbeitsfähig und selbsterhaltungsfähig. Sie verfügt über ein familiäres Netzwerk in Kismayo. Sie kann zumindest anfänglich von ihren Familienangehörigen in Somalia, insbesondere von ihren Eltern, ihren Geschwistern und ihrem Großonkel, unterstützt werden und dann selber für ihr Auskommen und Fortkommen sorgen. Sie kann wieder bei ihrer Familie in Somalia wohnen. Sie kann zudem auch auf die Unterstützung ihres Clans zurückgreifen und auf Rückkehrunterstützung zurückgreifen.
Es ist der Beschwerdeführerin möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr nach Somalia in Kismayo wieder Fuß zu fassen und dort ihr Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.4. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:
Die Beschwerdeführerin ist seit ihrer Antragsstellung am 07.12.2014 aufgrund einer vorübergehenden Asylberechtigung nach dem AsylG in Österreich durchgehend aufhältig.
Die Beschwerdeführerin hat mehrere Deutschkurse für die Stufe A1 besucht und die ÖSD-Prüfung für die Stufe A1 bestanden (AS 289 – 301; Beilage ./C). Sie hat auch einen Deutschkurs für die Stufe A2 Teil 1 besucht (Beilage ./D). Sie verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Die Beschwerdeführerin hat zudem einen Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds besucht (Beilage ./E).
Die Beschwerdeführerin geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und konnte auch keine Einstellungszusage vorweisen (VP römisch II Sitzung 8). Sie lebt von der Grundversorgung sowie dem Verdienst ihres Ehemannes. Ihr Ehemann hat vor Verlust seines Arbeitsplatzes (aufgrund der Corona-Krise) 1.200 bis 1.3000 EUR verdient. Aktuell erhält er pro Tag 34,50 EUR Arbeitslosengeld. Ihr Mann ist auch dazu bereit, sie weiterhin finanziell zu unterstützen und zu versorgen (VP römisch II Sitzung 13).
Sie ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert. Sie hat für ein Römisch-Katholisches Pfarramt freiwillig verschiedene Hilfsdienste ausgeübt. Diese erbrachte die Beschwerdeführerin zuverlässig und man konnte sich mit ihr sehr gut verständigen. Sie hat in bescheidener und höflicher Art nachgefragt, ob sie sich irgendwie nützlich machen könnte (Beilage ./F). Zudem hat sie in ihrem Wohnheim unentgeltlich Reinigungstätigkeiten erbracht, für ihre Mitbewohnerinnen gekocht und bei Bedarf Hilfe angeboten. Dabei war sie hilfsbereit und zuvorkommend (Beilage ./H).
Die Beschwerdeführerin konnte in Österreich einige freundschaftliche Beziehungen knüpfen. Zudem leben ihr Ehemann und ihr 2019 geborener Sohn in Österreich, mit denen sie im gemeinsamen Haushalt lebt (VP römisch eins Sitzung 7).
Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Somalia basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 17.09.2019 (LIB),
- FFM Report Somalia, Sicherheitslage in Somalia, August 2017 (FFM),
- Focus Somalia Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 (Focus Somalia),
- ACCORD Anfragebeantwortung zu Somalia: Auswirkungen der Covid-19-Pandemie: Ausgangs- und Reisebeschränkungen, Versorgungslage, medizinische Versorgung, Umgang mit Erkrankten vom 07.08.2020 (COVID-19)
- FSNAU - Somalia Food Security Outlook Oktober bis Dezember 2020 (FSNAU)
- Famine Early Warning Systems Network – Key Message Update aus September 2020 (FEWSN 09/20)
- Famine Early Warning Systems Network – Key Message Update aus November 2020 (FEWSN 11/20)
1.5.1. Politische Situation
Somalia ist faktisch zweigeteilt in die somalischen Bundesstaaten und Somaliland, einen selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird, aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert (LIB Kapitel 2).
Seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 war Süd-/Zentralsomalia immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen. Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. In vielen Bereichen handelt es sich bei Somalia um einen „indirekten Staat“, in welchem eine schwache Bundesregierung mit einer breiten Palette nicht-staatlicher Akteure (z.B. Clans, Milizen, Wirtschaftstreibende) verhandeln muss, um über beanspruchte Gebiete indirekt Einfluss ausüben zu können (LIB Kapitel 2)
Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, wurden im Rahmen eines international vermittelten Abkommens von 2013 bis 2016 die Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und HirShabelle neu gegründet. Allerdings hat keine dieser Verwaltungen die volle Kontrolle über die ihr nominell unterstehenden Gebiete (LIB Kapitel 2).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (LIB Kapitel 2).
1.5.2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar. Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen. Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen. Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (LIB Kapitel 3).
Viele Städte stehen unter der Kontrolle somalischer Armee und AMISOM sowie der Regierung, wobei diese Städte oft vom Gebiet der Als Shabaab umgeben ist (LIB Kapitel 3).
1.5.3. Kismayo:
Der Verwaltung von Jubaland ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Ogadeni kooperieren auch mit anderen Clans und binden sie in die Struktur ein. Dadurch wurde die Machtbalance verbessert. Diese Inkorporation funktioniert auch weiterhin, die Verwaltung von Kismayo hat sich weiter gefestigt (LIB Kapitel 2).
KIsmayo wird von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert. Kismayo kann hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (LIB Kapitel 3.1.1.).
Die Bevölkerung von Kismayo ist in kurzer Zeit um 30% auf ca. 300.000 gewachsen. Der Aufbau der Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und bewaffneten Kräften. Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde. Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Die al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv, es kommt nur selten zu Anschlägen oder Angriffen. Die Stadt gilt als ruhig und sicher, auch wenn die Unsicherheit wächst (LIFOS 3.7.2019, S.27f). Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Aufgrund der gegebenen Sicherheit ist Kismayo das Hauptziel für Rückkehrer aus Kenia. Der Stadt Kismayo – und damit der Regierung von Jubaland – wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der Regierung ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren. Regierungskräfte kontrollieren die Stadt, diese ist aber von al Shabaab umgeben; allerdings hat Jubaland die Front bis in das Vorfeld von Jamaame verschieben können. So ist al Shabaab zumindest nicht mehr in der Lage, entlang des Juba in Richtung Kismayo vorzustoßen. Trotzdem ist es der Gruppe möglich, punktuell auch in Kismayo Anschläge zu verüben (LIB Kapitel 3.1.1.).
1.5.4. Al-Shabaab:
Ziel der Al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß- Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Dabei ist auch die Al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (LIB Kapitel 3.1.6.).
Die Al Shabaab zwangsrekrutiert in den von ihr kontrollierten Gebieten in Süd-/Zentralsomalia Kinder. Im Zeitraum Mai-August 2019 waren davon 187 Kinder betroffen. Die Gruppe führt zu diesem Zweck Razzien gegen Schulen, Madrassen und Moscheen durch. Außerdem wurden Älteste und Koranschullehrer in ländlichen Gebieten Süd-/Zentralsomalias wiederholt dazu aufgerufen, Kinder an die Gruppe abzugeben. Al Shabaab bedroht und erpresst Eltern, Gemeinden, Lehrer und Älteste, damit diese der Gruppe Schüler zuführen. Es kommt in diesem Zusammenhang auch zu Gewalt und Inhaftierungen. Eltern rekrutierter Kinder haben keine Möglichkeit Protest einzulegen, ihnen droht bei Widerstand Bestrafung oder sogar der Tod (LIB Kapitel 10.1).
(Zwangs-)Rekrutierung: Im Jahr 2017 begann al Shabaab noch intensiver, arbeitslose junge Männer zu rekrutieren. Es gibt sehr unterschiedliche Gründe, al Shabaab beizutreten: die Aussicht auf Gehalt und Status, Abenteuerlust und Rachegefühle. Jugendliche selbst geben an, dass der Hauptgrund zum Beitritt zu al Shabaab oder zur Armee das Einkommen ist. Meist erfolgt ein Beitritt zur al Shabaab aufgrund ökonomischer, sicherheitsbedingter und psycho-sozialer Motivation. Nur wenige der befragten Deserteure gaben an, al Shabaab aufgrund einer religiösen Motivation beigetreten zu sein; dahingegen maßen mehr als die Hälfte gesellschaftlichen Erwägungen eine besondere Rolle zu, darunter Status (inkl. Eheschließung) und Macht. Auch Abenteuerlust spielt eine große Rolle. Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab die Möglichkeit einer Rache an Angehörigen anderer Clans. Für Angehörige marginalisierter Gruppen bietet der Beitritt zu al Shabaab zudem die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern. Die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet. Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen oft um eine Mischung aus Druck und Anreizen (LIB Kapitel 10.1).
Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab (LIB Kapitel 10.1).
Sexualisierte Gewalt wird von al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt. Es kommt zu Zwangsehen, die diesbezügliche Zahl hat in jüngerer Vergangenheit zugenommen. Solche Zwangsehen gibt es nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten. Das Ausmaß ist unklar. Manchmal werden die Eltern der Braut bedroht. Zwangsehen der al Shabaab in städtischen Zentren sind nicht bekannt. Viele Eltern bringen ihre Töchter in Städte, um sie vor dem Zugriff durch al Shabaab in Sicherheit zu bringen. Die meisten Ehen mit Mitgliedern der al Shabaab werden jedoch freiwillig eingegangen, auch wenn der Einfluss von Eltern und Clan sowie das geringe Alter bei der Eheschließung nicht geringgeschätzt werden dürfen. Eine solche Ehe bietet der Ehefrau und ihrer Familie ein gewisses Maß an finanzieller Stabilität, selbst Witwen beziehen eine Rente (LIB Kapitel 18.1).
1.5.5. Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates:
Im somalischen Kulturraum existieren drei Rechtsquellen: traditionelles Recht (Xeer), islamisches Schariarecht (v.a. für familiäre Angelegenheiten) sowie formelles Recht. Bürger wenden sich aufgrund der Mängel im formellen Justizsystem oft an die traditionelle oder die islamische Rechtsprechung. Staatlicher Schutz ist in Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar. Der Clan-Schutz ist in Gebieten unter Kontrolle oder Einfluss von al Shabaab eingeschränkt, aber nicht inexistent. Abhängig von den Umständen können die Clans auch in diesen Regionen Schutz bieten (LIB Kapitel 4).
1.5.6. Clanstruktur:
In Somalia ist die Bevölkerung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans zersplittert, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeits-empfinden bestimmt. Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (LIB Kapitel 17.1.).
Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalier. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt. Darum kennen Somalier üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem. Allerdings gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LIB Kapitel 17.1). In Mogadischu und anderen großen Städten ist es daher nicht automatisch nachvollziehbar, welchem Clan eine Person angehört. Die (Clan-)Zusammensetzung der Bevölkerung von Mogadischu ist sehr heterogen. Dort können sich Angehörige jedes Clans niederlassen (LIB Kapitel 19).
Als "noble" Clanfamilien gelten die traditionell nomadischen Hawiye, Darod, Dir und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben (LIB Kapitel 17.1).
Die Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene, die sogenannte Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe (Jilib), die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt (Focus, Sitzung 8 f; LIB Kapitel 4).
Clanschutz bedeutet für eine Einzelperson die Möglichkeit vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Ein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Kompensation zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Die Mitglieder eines Jilib sind verpflichtet, einander bei politischen und rechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen, die im Xeer-Vertrag festgelegt sind - insbesondere bei Kompensations-zahlungen (Mag/Diya). Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. (LIB Kapitel 4).
Minderheiten
Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie unterscheiden sich in ethnischer, sprachlicher und kultureller Hinsicht nicht von der Mehrheitsbevölkerung, sind aber traditionell in Berufen tätig, die von den Mehrheitsclans als "unrein" oder "unehrenhaft" angesehen werden. Diese Berufe und andere ihrer Praktiken (z.B. Fleischverzehr) gelten darüber hinaus als unislamisch (Focus, Sitzung 14).
Die Clans der berufsständischen Gruppen sind gleich strukturiert wie die Mehrheitsclans, mit dem einzigen Unterschied, dass sie ihre Abstammung nicht auf die Gründerväter Samaale bzw. Saab zurückverfolgen können, sondern "nur" auf den "Vater" ihres Clans. Gleich wie die Mehrheitsclans haben das Aufzählen der Väter (Abtirsiimo) und die Zugehörigkeit zu einem Clan eine große Bedeutung (Focus, Sitzung 15 f).
Für die Berufsgruppen gibt es zahlreiche somalische Bezeichnungen, bei denen regionale Unterschiede bestehen. Häufig genannt werden Waable, Sab, Madhibaan und Boon. Die landesweit geläufige Bezeichnung Midgaan ist negativ konnotiert (er bedeutet "unberührbar" oder "ausgestoßen") und wird von den Berufsgruppen-Angehörigen als Beleidigung empfunden; sie bevorzugen Begriffe wie Madhibaan oder Gabooye. Der Ausdruck Gabooye wird besonders im Norden des somalischen Kulturraums als Dachbegriff benutzt. Der Begriff umfasst nicht alle Berufsgruppen, aber zumindest vier untereinander nicht verwandte Clans berufsständischer Gruppen: Tumaal, Madhibaan, Muse Dheriyo und Yibir. Der Begriff Gabooye kann auch als Begriff für einen eigenen Clan der berufsständischen Gruppen unter vielen gebraucht werden. Ursprünglich bezeichnete Gabooye nur einen Clan aus dem Süden, dessen Angehörige sich als Jäger betätigten. Madhibaan sind ursprünglich Jäger, heute aber als Färber, Gerber, Schuhmacher und in anderen Berufen tätig. Sie leben im ganzen somalischen Kulturraum (Focus, Sitzung 16 f).
1.5.7. Grundversorgung:
Es gibt kein nationales Mindesteinkommen. Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar, wohingegen der tertiäre Bildungsbereich in Mogadischu boomt. Aufgrund des Fehlens eines formellen Banksystems ist die Schulden-Kredit-Beziehung (debt-credit relationship) ein wichtiges Merkmal der somalischen Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei spielen Vertrauen, persönliche und Clan-Verbindungen eine wichtige Rolle – und natürlich auch der ökonomische Hintergrund. Es ist durchaus üblich, dass Kleinhändler und Greissler anschreiben lassen (LIB Kapitel 21.1).
Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft, sei es als Kleinhändler, Viehzüchter oder Bauern. Zusätzlich stellen Remissen für viele Menschen und Familien ein Grundeinkommen dar. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt von der Viehzucht abhängig. Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8%). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (14,1%). 6,9% arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8% als Handwerker, 4,7% als Techniker, 4,1% als Hilfsarbeiter und 2,3% als Manager (LIB Kapitel 21.1).
Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. Eine Arbeit zu finden ist mitunter schwierig, verfügbare Jobs werden vor allem über Clan-Netzwerke vergeben. Generell ist das Clan-Netzwerk vor allem außerhalb von Mogadischu von besonderer Relevanz (LIB Kapitel 21.1).
Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose keinerlei Unterstützung. Insgesamt ist das traditionelle Recht (Xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfall- bzw. Haftpflichtversicherung. Die Mitglieder des Qabiil (diya-zahlende Gruppe; auch Jilib) helfen sich bei internen Zahlungen – z.B. bei Krankenkosten – und insbesondere bei Zahlungen gegenüber Außenstehenden aus. Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (LIB Kapitel 21.1).
Frauen stoßen immer mehr in ehemals männlich dominierte Wirtschaftsbereiche vor – etwa bei Viehzucht, in der Landwirtschaft und im Handel. Frauen tragen nunmehr oft den Hauptteil zum Familieneinkommen bei. Gerade auch die Hungersnot von 2011 und die Dürre 2016/17 haben den Vorstoß von Frauen in männliche Domänen weiter vorangetrieben. In Süd-/Zentralsomalia und Puntland sind Frauen in 43% der Haushalte mittlerweile die Hauptverdiener (LIB Kapitel 21.1).
Trotzdem bietet sich für vom Land in Städte ziehende Frauen meist nur eine Tätigkeit als z.B. Wäscherin an, da es diesen Frauen i.d.R. an Bildung und Berufsausbildung mangelt. Allerdings können sie z.B. auch als Kleinhändlerin tätig werden. Sie verkaufen Treibstoff, Milch, Fleisch, Früchte, Gemüse oder Khat auf Märkten oder auf der Straße. 80%-90% des derart betriebenen Handels wird von Frauen kontrolliert. Außerdem arbeiten Frauen in der Landwirtschaft. Andere arbeiten als Dienstmädchen, Straßenverkäuferin, Köchin, Schneiderin, Müllsammlerin oder aber auch auf. Für Frauen gibt es auch weiterhin kulturelle Einschränkungen bezüglich der Berufsausübung, z.B. können sie nicht Taxifahrer werden (LIB Kapitel 21.1).
Für viele Haushalte sind Remissen aus der Diaspora eine unverzichtbare Einnahmequelle. Diese Remissen, die bis zu 40% eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens ausmachen, tragen wesentlich zum sozialen Sicherungsnetz bei und fördern die Resilienz der Haushalte (LIB Kapitel 21.1).
1.5.8. Aktuelle Grundversorgungslage (Nahrungsmittelversorgung, Dürre, Überflutung)
Aufgrund der kombinierten Auswirkungen von weit verbreiteten und schweren Überschwemmungen, der Heuschreckenplage in der Wüste, den sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 und den kumulativen Auswirkungen früherer Schocks wird erwartet, dass bis Dezember 2020 bis zu 2,1 Millionen Menschen in ganz Somalia mit Lücken beim Nahrungsmittelkonsum oder der Erschöpfung von Vermögenswerten, die auf eine Krise hindeuten (IPC-Phase 3), oder mit schlechteren Ergebnissen konfrontiert sein werden, wenn keine humanitäre Hilfe geleistet wird (FEWSN 09/20).
Die Auswirkungen des tropischen Wirbelsturms Gati im Nordosten, zusätzliche Überschwemmungen im Süden und der zunehmende Befall mit Wüstenheuschrecken verschärfen die Ernährungsunsicherheit in den betroffenen Gebieten (FEWSN 11/20).
Am 22. November landete der tropische Wirbelsturm Gati im Nordosten Somalias. Es fielen innerhalb von zwei Tagen mindestens 10 cm Niederschlag, was dem Jahresdurchschnitt 2000-2018 entspricht. Die rasche Ansammlung von Regen und starken Winden verursachte Sturzfluten in Küsten- und Binnengebieten, insbesondere im Bezirk Iskushuban in der Region Bari. Durch den Wirbelsturm wurden in den betroffenen Regionen Viehverluste, Zerstörung von Haushaltseigentum, Schäden an Wasser, Straße und Telekommunikationsinfrastruktur sowie Schäden an Schifffahrts- und Fischereiausrüstung hervorgerufen. Die meisten armen Haushalte im Nordosten Somalias hatten bereits vor dem Sturm Probleme, ihren Mindestnahrungsbedarf zu decken, da während der Dürreperioden 2016/17 und 2018/19 große Verluste an Viehbeständen zu verzeichnen waren und die COVID-19-Pandemie wirtschaftliche Auswirkungen auf die Fischerei-Branche hatte. Außerhalb der Region Bari brachte der zerstreuende Zyklon dringend benötigte Niederschläge in den weiteren Nordosten und Nordwesten. Aufgrund der unterdurchschnittlichen Deyr-Regenfälle wurden die Weide- und Wasserverfügbarkeit für Nutztiere zunehmend eingeschränkt, was den Lebensunterhalt der Hirtenhaushalte unter Druck setzte. Es wird jedoch erwartet, dass sich die Verfügbarkeit von Weiden und Wasser verbessert und die Tiergesundheit und Milchproduktion zu einem kritischen Zeitpunkt in der Produktionssaison unterstützt. Während des Deyr wurde im ganzen Land ein mittlerer bis hoher Anteil an Schaf- und Ziegengeburten sowie ein mittlerer Anteil an Kamel- und Rinderkalbungen gemeldet (FEWSN 11/20).
Die Aussichten für die Deyr-Pflanzenproduktion sind aufgrund der Auswirkungen von übermäßigem Niederschlag und Wüstenheuschrecke unterdurchschnittlich. Anfang November verstärkten starke Deyr-Niederschläge das Ausmaß der Überschwemmungen in den Flussgebieten Shabelle und Juba. Die meisten betroffenen armen Haushalte haben nicht genügend Nahrung und Einkommen, um ihren täglichen Kalorienbedarf zu decken, da die Überschwemmungen den Anbau in der Rezession weiterhin einschränken und die Nachfrage nach Arbeitskräften unterdrücken. Überschwemmungen traten auch in mehreren tief gelegenen agropastoralen Gebieten im Süden auf. Die Getreidekulturen in Bakool, Bay, Lower Shabelle sind jedoch in einem guten Zustand. Die Wüstenheuschrecke hat bisher nur begrenzte Schäden an Getreide im Süden verursacht. Der Befall mit Wüstenheuschrecken nimmt in zentralen agropastoralen und pastoralen Gebieten zu (FEWSN 11/20).
Die Preise für Grundnahrungsmittel zeigten im Oktober und November landesweit einen steigenden Trend, obwohl die Einzelhandelspreise in den meisten zentralen und nördlichen Märkten nahe dem Durchschnitt von 2019 und dem Fünfjahresdurchschnitt blieben. In einigen Teilen des Südens trugen jedoch starke Regenfälle und Unsicherheit zu einem moderaten Anstieg der Lebensmittelpreise bei. Beispielsweise führten hochwasserbedingte Störungen der Handelsströme im Bardheere-Distrikt von Gedo, im Beletweyne-Distrikt von Hiiraan und in Middle Shabelle zu einem Anstieg der Getreidepreise um 10 bis 21 Prozent im Vergleich zu Oktober 2019 und zu einem Anstieg von 13 bis 28 Prozent gegenüber dem fünf-Jahresdurchschnitt. Die Preise werden höchstwahrscheinlich bis Dezember überdurchschnittlich bleiben, bis die Marktzuführungsstraßen wieder geöffnet werden und die normalen Transportbewegungen wieder aufgenommen werden. In Baidoa of Bay kam es von September bis Oktober aufgrund der von den Aufständischen auferlegten Bewegungsbeschränkungen zu einem atypischen Preisanstieg von 11 Prozent (FEWSN 11/20).
Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen. Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung. In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Dort wird für August/September 2019 in einigen Teilen mit IPC 3 und IPC 4 gerechnet. Das gleiche gilt für den Süden, wo aufgrund einer unterdurchschnittlichen Ernte die Lebensmittelpreise steigen werden (LIB Kapitel 21.2).
Für die Bevölkerung in Lower Juba gilt überwiegend IPC-Stufe 1 (minimal) bis IPC-Stufe 2 (stressed). In Kismayo gilt für die urbane Bevölkerung IPC-Stufe 2(stressed), für Personen in IDP-Lagern die IPC-Stufe 3 (crisis) (FEWS 11/20; FSNAU).
1.5.9. Binnenflüchtlinge (IDPs):
IDPs gehören in Somalia zu den am meisten gefährdeten Personengruppen. Diese sind besonders benachteiligt, da sie kaum Schutz genießen und Ausbeutung, Misshandlung und Marginalisierung ausgesetzt sind. Ihre besondere Schutzlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit werden von allerlei nichtstaatlichen – aber auch staatlichen – Stellen ausgenutzt und missbraucht. Schläge, Vergewaltigungen, Abzweigung von Nahrungsmittelhilfen, Bewegungseinschränkungen und Diskriminierung aufgrund von Clan-Zugehörigkeiten sind an der Tagesordnung; es kommt auch zu willkürlichen Tötungen, Vertreibungen und sexueller Gewalt. Für Vergewaltigungen sind bewaffnete Männer - darunter Regierungssoldaten und Milizionäre - verantwortlich. Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung besonders gefährdet (LIB Kapitel 20).
IDPs sind über die Maßen von der Dürre und daher von Unterernährung betroffen (LIB Kapitel 20 und 21.2). Für sie ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen. Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel – v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LIB 21.1).
1.5.10. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft. Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus ist erheblich schlechter. In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind (LIB Kapitel 22).
Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer. Medikamente, die Kindern oder ans Bett gebundenen Patienten verabreicht werden, sind kostenlos (LIB Kapitel 22).
Es gibt nur fünf bei der WHO registrierte Zentren zur Betreuung psychischer Erkrankungen und nur drei Psychiater in Somalia. Diese befinden sich in Berbera, Bossaso, Garoowe, Hargeysa und Mogadischu. Von der Regierung gibt es so gut wie keine Unterstützung für diese Einrichtungen, sie sind von Spenden abhängig. Psychisch Kranken haftet meist ein mit Diskriminierung verbundenes Stigma an. Nach wie vor ist das Anketten psychisch Kranker eine weit verbreitete Praxis (LIB Kapitel 22).
Grundlegende Medikamente sind verfügbar, darunter solche gegen die am meisten üblichen Krankheiten sowie jene zur Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie und von Geschwüren. Auch Schmerzstiller sind verfügbar. Medikamente können ohne Verschreibung gekauft werden. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in erster Linie über private Apotheken. Für Apotheken gibt es keinerlei Aufsicht (LIB Kapitel 22).
1.5.11. Bewegungsfreiheit:
Die Übergangsverfassung schützt das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte sind in einigen Landesteilen eingeschränkt.
Reisende sind durch die zahlreichen, von unterschiedlichen Gruppen betriebenen Straßensperren einer Gefahr ausgesetzt. Neben den Straßensperren kann auch das Aufflammen bewaffneter Auseinandersetzungen ein Risiko darstellen. Viele der Hauptstraßen werden nur teilweise von AMISOM und Armee kontrolliert. Trotzdem bereisen Zivilisten und Wirtschaftstreibende tagtäglich die Überlandverbindungen. Bei Reisen von Gebieten der Regierung in jene von al Shabaab besteht das Risiko, von beiden Seiten der Kollaboration verdächtigt zu werden (LIB Kapitel 19).
In Mogadischu gibt es keine Probleme bei der Bewegungsfreiheit (LIB Kapitel 19).
Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen für einen Teil der somalischen Bevölkerung mit Sicherheit. Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind.
Die sicherste Arte des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen. Mogadischu kann international (mit Ethiopian Airlines und Turkish Airlines) erreicht werden (LIB Kapitel 19).
1.5.12. Rückkehrer:
Schon nach den Jahren 2011 und 2012 hat die Zahl der aus der Diaspora nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehrenden Menschen stark zugenommen. Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft. Im Jahr 2017 sind 245 Personen aus der EU und anderen europäischen Staaten nach Somalia zurückgebracht worden. Im ersten Halbjahr 2018 waren es 208. Bis Juli 2019 sind insgesamt 90.058 Somalis über AVR-Programme des UNHCR zurückgeführt worden, mehrheitlich aus Kenia, aber auch aus Dschibuti, Libyen und dem Jemen (LIB Kapitel 23).
Rückkehrer werden nicht von somalischen Behörden misshandelt. Mit technischer und finanzieller Unterstützung haben sich verschiedene westliche Länder über die letzten Jahre hinweg für die Schaffung und anschließende Professionalisierung eines speziell für Rückführung zuständigen Returnee Management Offices (RMO) innerhalb des Immigration and Naturalization Directorates (IND) eingesetzt. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge der Rückkehrer. Rückkehrer werden vom RMO/IND grundsätzlich mit Respekt behandelt. Am Flughafen kann es zu einer Befragung von Rückkehrern durch das RMO hinsichtlich Identität, Nationalität, Familienbezügen sowie zum gewünschten zukünftigen Aufenthaltsort kommen. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (LIB Kapitel 23).
Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein. Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld gestaltet sich die Situation schwierig. Ein Netzwerk ist z.B. hinsichtlich Arbeitssuche wichtig (LIB Kapitel 21.3).
Rückkehrer nach Mogadischu haben dort einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Hinzu kommen Remissen von Verwandten im Ausland. Hingegen erhalten IDPs vergleichsweise weniger Remissen (LIB Kapitel 21.3).
Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Diesbezüglich auftretende Probleme können durch ein vorhandenes Netzwerk abgefedert werden. Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an (LIB Kapitel 21.3).
Prinzipiell gestaltet sich die Rückkehr für Frauen schwieriger als für Männer. Eine Rückkehrerin ist auf die Unterstützung eines Netzwerks angewiesen, das in der Regel enge Familienangehörige – geführt von einem männlichen Verwandten – umfasst. Für alleinstehende Frauen ist es mitunter schwierig, eine Unterkunft zu mieten oder zu kaufen (LIB Kapitel 21.3).
Allein die Tatsache, dass eine Person nach Somalia zurückkehrt, macht diese nicht zum Ziel - auch nicht für die Al Shabaab. Rückkehrern in Gebiete der Al Shabaab könnte vorgeworfen werden, als Spione zu dienen. Ob ein Rückkehrer zum Ziel der Al Shabaab wird, hängt maßgeblich von seinem eigenen Verhalten ab. Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der Al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur Al Shabaab. Al Shabaab richtet sich nicht gegen Rückkehrertransporte oder –Lager (LIB Kapitel 23).
1.5.13. Zur aktuellen Covid-19-Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 07.01.2021, 371.983 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 6.568 Todesfälle (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Neuartiges-Coronavirus-(2019-nCov).html); in Somalia wurden mit Stand vom 21.12.2020 4.726 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 130 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://covid19.who.int/region/emro/country/so).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf.
Somalia hat am 15. März 2020 die Einreise von Passagieren verboten, die sich in den vorangegangenen 14 Tagen in China, Iran, Italien oder Südkorea aufgehalten hätten. Am 18. März 2020 hat die Regierung Flugbeschränkungen für zunächst 15 Tage umgesetzt. Ausreise und Einreise entlang der Küste sind ebenso beschränkt worden. Am 28. März 2020 ist das Verbot internationaler Flüge ausgeweitet worden. Für Transportflüge mit Nahrungsmitteln und medizinischen Gütern ist 24 Stunden vor Abflug eine besondere Erlaubnis nötig. Lastwägen dürfen nur einreisen, wenn sie Nahrungsmittel oder medizinische Güter transportieren. Bereits am 29. März hat Somalia Inlandsflüge ausgesetzt. Am 6. April 2020 ist das Verbot internationaler Flüge um weitere 30 Tage verlängert worden. Am 10. April 2020 haben die lokalen Behörden in Gedo nach Verordnungen der Regierung die Grenzübergänge zu Kenia und Äthiopien bis auf Weiteres geschlossen. Die Grenzübergänge in El Wak und Bila Hawo sowie in Doolow sind geschlossen worden (COVID-19).
Die somalische Regierung hat im April 2020 in Mogadischu eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Ab 15. April 2020 ist die Ausgangssperre zwischen 20 Uhr abends und fünf Uhr morgens gültig. Die Ausgangssperre betrifft den Verkehr und Geschäfte. Krankenhäuser, Apotheken und Geschäfte, die Nahrungsmittel („dry foods“) verkaufen, sind nicht davon betroffen (COVID-19).
50 der 67 Covid-19-Regelungen, die seit 16. März 2020 verkündet wurden, sind mit Stand 22. Juli 2020 weiterhin in Kraft. Am 5. Juli 2020 sind Inlandsflüge in Somalia wiederaufgenommen worden, nachdem sie am 18. März 2020 ausgesetzt wurden. Moscheen und religiöse Zentren haben ihre Tätigkeiten wieder voll aufgenommen, nachdem die Schließungsmaßnahmen jedoch nie gänzlich umgesetzt worden sind. Einige Bundesstaaten haben teilweise Schulen wieder geöffnet. Es wird erwartet, dass am 1. August 2020 alle Schulen wieder geöffnet werden (COVID-19).
Die Handelstage an der äthiopisch-somalischen Grenze wurden von zwei Tagen auf einen Tag verringert. Im Distrikt Belet Xaawo in der Region Gedo ist der grenzübergreifende Handel zwischen Äthiopien und Somalia weiterhin eingestellt. Diese Einschränkungen haben zu steigenden Nahrungsmittelpreisen in den Distrikten Luuq, Doolow und Belet Xaawo für unter anderem Kartoffeln und Tomaten geführt. In Galmudug und Somaliland ist der grenzüberschreitende Handel mit Äthiopien aktiv. Der Handel über alle anderen Grenzen ist aktiv (COVID-19).
Nach einer viereinhalbmonatigen Unterbrechung wurden am 3. August 2020 internationale Flüge in Somalia wiederaufgenommen. Somalische Inlandsflüge sind am 5. Juli wiederaufgenommen worden. Die somalische Regierung hat zudem mit 15. August die Wiedereröffnung von Schulen und Universitäten angeordnet (COVID-19).
In Somalia spüren sowohl die Aufnahmegemeinschaften als auch die Vertriebenen, wie MigrantInnen und Binnenvertriebene, unverhältnismäßig die Auswirkungen der Pandemie. Die Gründe dafür sind die geschwächten Strukturen zur sozialen Unterstützung, düstere sozio-ökonomische Aussichten, ungleicher Zugang zu Gesundheitsversorgung und grundlegenden sozialen Diensten, prekäre Wohnverhältnisse, dürftige Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Anfälligkeit für Falschinformation und gesellschaftliche Stigmatisierung, Bedrohung durch Ausbeutung und Misshandlung. Dies führt in weiterer Folge zu einem steigenden Level von Unsicherheit und Not und zur Instabilität von Personen, Familien und Gemeinschaften. Es gibt nur eingeschränkt Bereitstellung von und Zugang zu Unterstützungsleistungen für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung. Durch Falschinformationen hervorgerufene gesellschaftliche Stigmatisierung kann möglicherweise Auswirkungen auf gefährdete Gruppen wie MigrantInnen, vertriebene Gemeinschaften und zuvor von Covid-19 betroffene Personen haben (COVID-19).
Der Großteil der Flüchtlinge, Asylwerber und Rückkehrer lebt in armen städtischen Gebieten mit eingeschränkten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, schlechter Wasser- und Sanitärversorgung, unangemessenen Unterkünften sowie eingeschränkten sozialen Sicherungssystemen und ist mit bestimmten Hindernissen und Gefährdungen konfrontiert, die aufgrund der Covid-19-Lage ihre Vulnerabilität erhöhen würden (darunter auch genderbasierte Gewalt). Viele Flüchtlinge und Asylwerber werden vernachlässigt, stigmatisiert und sind mit Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesundheitsdiensten, sozialen Schutz und anderen Diensten, die für die allgemeine Bevölkerung verfügbar sind, konfrontiert (COVID-19).
Die Kapazitäten der IDP-Lager sind erschöpft und viele vertriebene Familien daher gezwungen, informell auf privatem Land zu wohnen, wo sie ständig von Zwangsräumungen betroffen sind. Sowohl städtische als auch weiter abseits gelegene Binnenvertriebenenlager sind aufgrund von Überbelegung und engen Lebensverhältnissen weiterhin von Covid-19-Übertragung bedroht (COVID-19).
Die Kapazität Somalias, eine globale Gesundheitsbedrohung zu verhindern, zu erkennen und darauf zu reagieren, ist im Jahr 2016 mittels des Health Emergency Preparedness Index mit sechs von 100 bewertet worden. Auf 100.000 Personen kommen zwei MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen, im Vergleich zum globalen Standard von 25 pro 100.000 Personen. Krankheitsausbrüche wie der seit Dezember 2017 andauernde Choleraausbruch belasten die Gesundheitssysteme des Landes. Weniger als 20 Prozent der eingeschränkt vorhandenen Gesundheitseinrichtungen verfügen über die notwendige Ausrüstung und Vorräte, um auf Epidemien zu reagieren (COVID-19).
Der Zugang zu Gesundheitsversorgung ist eingeschränkt und es gibt in den IDP-Lagern keine Covid-19-Testeinrichtungen. Aufgrund der nächtlichen Ausgangssperren und weiterer Einschränkungen sind die Gesundheitsdienste in bedeutendem Ausmaß aufgrund fehlender Finanzierung, Bewegungseinschränkungen und Maßnahmen zur Vermeidung von Gedränge in Gesundheitseinrichtungen heruntergefahren worden (COVID-19).
Bewegungseinschränkungen und weitere in Verbindung mit Covid-19 stehende Regierungsverordnungen, Unterbrechung von Importen und lokalen Versorgungsketten und Herausforderungen beim Zugang aufgrund von Überflutungen haben Auswirkungen auf die Verfügbarkeit grundlegender Güter und haben zu steigenden Preisen geführt. Trotz der Aussetzung der Steuern auf grundlegende Güter durch die somalische Bundesregierung zwischen April und Juni 2020, um einen möglichen Nahrungsmittelmangel sowie einen Preisanstieg zu entschärfen, hat sich die Kaufkraft vieler SomalierInnen, insbesondere von TagelöhnerInnen und GelegenheitsarbeiterInnen, bedeutend verringert. Das Fehlen kommerzieller Flüge und der eingeschränkte Transport auf den Straßen hat zudem Auswirkungen auf die Fähigkeiten der humanitären Gemeinschaft, die betroffenen Bevölkerungsgruppen zu erreichen (COVID-19).
Der Arbeitsmarkt stagniert aufgrund der Covid-19-Beschränkungen weiterhin, insbesondere im Hinblick auf die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen, darunter die Binnenvertriebenen (IDPs). Bestimmte Zugangsbeschränkungen haben die Arbeitsmöglichkeiten von IDPs geschmälert. Viele IDPs, wie auch andere arme Menschen in Mogadischu, die ihr Einkommen zuvor mittels informeller Arbeit verdient haben, sind durch die Covid-19-Maßnahmen nun arbeitslos und können grundlegende Bedürfnisse, wie etwa den Kauf von Wasser, nicht mehr decken (COVID-19).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtskat sowie durch Einvernahme der Beschwerdeführerin in den mündlichen Verhandlungen und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden. Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:
2.1.1. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführerin gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person der Beschwerdeführerin im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführerin, ihrer Muttersprache sowie zu ihrem Lebenslauf (ihrem Aufwachsen sowie ihre familiäre und wirtschaftliche Situation in Somalia, ihre Schul- und mangelnde Berufsausbildung sowie ihre Berufserfahrung), sowie zu ihrem Familienstand, ihrer ersten traditionellen Ehe und ihren drei Töchtern aus dieser Ehe sowie ihrer zweiten traditionellen Ehe und dem aus dieser entstammenden Sohn gründen sich auf ihre diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen der Beschwerdeführerin zu zweifeln.
Die Feststellung, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin nicht entführt und ermordet wurde, ist auf die widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführerin diesbezüglich zurückzuführen (siehe Punkt 2.2.2.). Es war stattdessen davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin und ihr erster Mann getrennt haben.
2.1.2. Es haben sich keine Zweifel an der Angabe der Beschwerdeführerin ergeben, dass sie aus Kismayo stammt, da sie die Umgebung ihrer Wohngegend beim Bundesamt glaubhaft und nachvollziehbar beschreiben konnte. Sie konnte zwei Moscheen, ein Café, zwei Hotels, zwei Märkte, eine italienische Kirche, ein Spital und weitere Gebäude nennen (AS 99). Auch in ihrer zweiten niederschriftlichen Einvernahme konnte sie die Umgebung glaubhaft beschreiben (AS 755). Dass sie in römisch 40 geboren wurde und in einer Nomadensiedlung neben Kismayo aufgewachsen ist, ist ihren gleich gebliebenen Angaben im Verfahren zu entnehmen.
2.1.3. Das Geburtsdatum des Sohnes der Beschwerdeführerin ist auf die im Verfahren vorgelegte Geburtsurkunde sowie ihre Angaben in der zweiten mündlichen Verhandlung zurückzuführen (VP römisch II Sitzung 5). Der Asylstatus des Sohnes sowie des Mannes der Beschwerdeführerin ist dem Akteninhalt, der die beiden positiven Asylbescheide enthält, zu entnehmen.
2.1.4. Bezüglich ihrer Angaben zu den Aufenthaltsorten ihrer Familie war die Beschwerdeführerin nicht glaubwürdig.
Zunächst konnte die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer widersprüchlichen Angaben nicht glaubhaft schildern, dass ihr Vater von der Al Shabaab entführt und ermordet worden sei (siehe Punkt 2.2.4.). Es war daher davon auszugehen, dass ihr Vater noch am Leben ist und weiterhin in Kismayo aufhältig ist.
Auch ihre Angabe, dass ihre Mutter, ihre drei Schwestern sowie ihre drei Töchter in Äthiopien leben würden, war nicht glaubhaft (VP römisch II Sitzung 6). Sie begründete die Ausreise ihrer Familie damit, dass die Probleme des ersten Mannes der Beschwerdeführerin nicht nur sie, sondern auch ihre gesamte Familie betroffen hätten und sie daher das Land verlassen hätten müssen. Dies ist insofern nicht nachvollziehbar, als die Beschwerdeführerin Somalia bereits im Jahr 2014 verlassen hat und die Familie der Beschwerdeführerin nach ihren Angaben mindestens noch bis 15.09.2017 (Datum der zweiten niederschriftlichen Einvernahme) in Somalia gelebt hat (AS 755; VP Sitzung 12). Warum ihre Familie aufgrund der Probleme ihres Mannes bzw. der Probleme der Beschwerdeführerin erst über drei Jahre nachdem die Beschwerdeführerin ausgereist ist, flüchten hätte sollen, ist nicht nachvollziehbar. Zudem konnte die Beschwerdeführerin die Probleme ihres ersten Mannes mit der Al Shabaab nicht glaubhaft schildern, weswegen dieser Ausreisegrund von vornherein wegfällt (siehe Punkt 2.2.2.).
Zusätzlich brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihre Familie ausgewandert sei, weil ihr Vater getötet worden sei (VP römisch eins Sitzung 12). Auch dies konnte sie im Verfahren jedoch nicht glaubhaft schildern (siehe Punkt 2.2.4.). Somit war davon auszugehen, dass die Mutter, die Geschwister und die Töchter der Beschwerdeführerin noch in Kismayo leben.
Ihre Angabe, dass eine Schwester der Beschwerdeführerin in Saudi-Arabien und ein Bruder der Beschwerdeführerin in Südafrika lebt, war somit aus den eben angeführten Gründen ebenfalls nicht glaubhaft (VP römisch II Sitzung 7).
Nicht glaubhaft machen konnte die Beschwerdeführerin auch, dass ihre Tante mütterlicherseits alleine mit ihrem Verdienst als Gemüseverkäuferin ihre gesamte Familie ernährt habe. So gab die Beschwerdeführerin an, dass ihre Tante sich um die Familie gekümmert und ihr sogar eine Hütte gebaut habe (AS 755). Zudem gab sie an, dass niemand in ihrer Familie außer ihrer Tante gearbeitet habe (AS 753). Dies ist insofern nicht nachvollziehbar, als die Tante mit ihrem Verdienst als Gemüseverkäuferin nicht sich selbst, die Mutter der Beschwerdeführerin, ihre Geschwister und ihre drei Töchter ernähren habe können. Ihre Angabe, dass die Tante und andere aus ihrer Gemeinschaft für die Familie sorgen, lässt darauf schließen, dass die Familie der Beschwerdeführerin von ihrem Clan unterstützt wird und auch sie Unterstützung von ihrem Clan erwarten kann (AS 753). Naheliegend ist auch, dass auch der Vater der Beschwerdeführerin bei ihnen lebt und gemeinsam mit den erwachsenen Geschwistern der Beschwerdeführerin für das Auskommen der Familie sorgt.
Dass ihre Tante mütterlicherseits nun in Kanada lebt, konnte die Beschwerdeführerin in der zweiten mündlichen Verhandlung mit der Begründung glaubhaft schildern, dass ihr Sohn in Kanada lebe und sie nachgeholt habe (VP römisch II Sitzung 12).
Die Beschwerdeführerin gab beim Bundesamt auch an, dass sie einen Großonkel mütterlicherseits habe, der ebenfalls in Kismayo lebe (AS 105).
Dass ihre Töchter bei ihrer Mutter leben, ist ihrer dahingehend im Verfahren konstant gleichgebliebenen Angabe zu entnehmen.
Dass eine ihre Schwestern verstorben ist, konnte sie aufgrund ihrer gleich gebliebenen Angaben ebenfalls glaubhaft machen (AS 97).
Die Feststellung, dass sie in regelmäßigem Kontakt zu ihren Familienmitgliedern steht, ist auf ihre diesbezügliche Angabe in der mündlichen Verhandlung zurückzuführen (VP römisch II Sitzung 7).
2.1.5. Anzuführen ist auch, dass die Beschwerdeführerin den Namen ihres ersten Ehemannes unterschiedlich angegeben hat. In der Erstbefragung bezeichnete sie ihn als römisch 40 (AS 1), beim Bundesamt jedoch als römisch 40 (AS 95, AS 753). Diesen Widerspruch konnte sie jedoch in ihrer ersten niederschriftlichen Einvernahme glaubhaft aufklären, da sie als Fehler in der Rückübersetzung angab, dass ihr Cousin römisch 40 heiße, dieser aber als ihr Ehemann protokolliert worden sei, ihr Ehemann aber tatsächlich römisch 40 heiße (AS 95).
2.1.6. Zu Ihrem Schulbesuch führte die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Erstbefragung an, dass sie in Somalia vier Jahre die Grundschule besucht habe, wobei sie als Namen römisch 40 angab (AS 1). In ihrer ersten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt gab sie an, dass sie im Alter von 10 bis 14 Jahren vier Jahre die Koranschule besucht habe, sie und ihre Familie jedoch als Nomaden gelebt hätten und ihr Vater einen Lehrer ausgesucht habe, der mit ihnen als Nomade unterwegs gewesen sei und dafür im Gegenzug etwas von ihren Tieren bekommen habe. Der Spitzname dieses Lehrers sei römisch 40 gewesen sei (AS 95). Dass die Beschwerdeführerin vier Jahre von diesem Lehrer unterrichtet wurde, konnte sie aufgrund ihrer gleichbleibenden Angaben somit glaubhaft machen.
2.1.7. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin nicht dem Clan der Tumal und auch keinem anderen Minderheitenclan, sondern stattdessen einem Mehrheitsclan angehört, ist auf ihre widersprüchlichen Angaben betreffend der Tumal im Verfahren zurückzuführen.
Nach Diskriminierungen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Clan der Tumal befragt, brachte die Beschwerdeführerin in der zweiten mündlichen Verhandlung Folgendes vor (VP römisch II Sitzung 6 bis 7):
„R: Ist der Clan der Tumal auch unter einen anderen Namen bekannt?
BF: Ja, man nennt uns auch Midghan und Bon, also viele andere Namen. Wir sind kein Clan, der Macht hat. Die anderen Somalier unterdrücken uns. Sie sind rassistisch gegenüber uns und sie heiraten niemanden der zu meinem Clan gehört.
R: Hatten Sie in Somalia wegen Ihrer Clanzugehörigkeit Probleme?
BF: Ja, die Somalier haben mir Probleme gemacht. Sie heiraten keine Angehörigen meines Clans. Wir haben keine Macht dort. Sie bringen uns um. Sie beschimpfen uns, dass wir schlechte Sachen essen.
R: Bitte erzählen Sie mir ganz genau und detailliert über konkrete Vorfälle die Ihnen wegen Ihrer Clanzugehörigkeit passiert sind?
BF: Nachdem mein Mann eingesperrt wurde, habe ich dann begonnen zu arbeiten. Er wurde verschleppt. Ich habe versucht einen Job zu bekommen. Jedes Mal als ich vorbeigegangen bin, haben sie mich beleidigt. Sie haben gesagt, die Midghan kommt jetzt vorbei, die die Pech bringt. Sie sagten, dass sie Angst haben, dass deren Kinder einen bösen Blick von mir bekommen würden. Man bekommt als Midghan keinen Job. Ich habe als Putzfrau in den Häusern gearbeitet. Ich habe es schwer gehabt. Sie beleidigen mich auch. Die Familie meines Mannes wissen nicht von meiner Clanzugehörigkeit. Er gehört zu einem anderen Clan. Wenn sie anrufen, sagte er ihnen das nicht. Sie haben nachgefragt. Wir dürften nicht weiter verheiratet sein, wenn sie das erfahren. Die Familie meines Mannes wird mir Probleme in Somalia machen, wenn ich zurückkehre.“
In ihrer zweiten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt sprach sie ebenfalls davon, wegen ihrer Clanzugehörigkeit benachteiligt worden zu sein, dass sie oft beleidigt worden und Midghan genannt worden sei und dass ihre Familie keine derartigen Probleme mit der Dürre gehabt hätte, wenn sie einem stärkeren Clan angehört hätte (AS 757). In ihrer ersten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt brachte sie zudem vor, dass sie mit anderen Leuten nichts unternehmen habe können und sie mehrmals von anderen Frauen aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit geschlagen worden wäre (AS 101). Dies brachte sie jedoch weder in ihrer zweiten niederschriftlichen Einvernahme, noch in den beiden mündlichen Verhandlungen vor.
Wäre die Beschwerdeführerin tatsächlich Opfer von Anfeindungen und Diskriminierungen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan geworden, so ist davon auszugehen, dass sie konkrete Vorfälle nennen könnte und sich nicht auf allgemeine, abstrakte Aussagen beschränken müsste, die nicht den Eindruck erwecken, als sei die Beschwerdeführerin tatsächlich diskriminiert worden.
Zudem gab die Beschwerdeführerin im Verfahren auch an, dass sie vier Jahre von einem Koranlehrer unterrichtet worden ist und lesen und schreiben gelernt hat (AS 1, AS 95). Da sie im Alter von 10 bis 14 Jahren unterrichtet wurde, entspricht dies dem Zeitraum von 2005 bis 2010. Dem ins Verfahren eingebrachten Bericht Focus Somalia-Clans und Minderheiten ist jedoch zu entnehmen, dass zum von der Beschwerdeführerin angegebenen Zeitpunkt ihres Schulbesuches, also um die Jahrtausendwende, Angehörige von Berufsgruppen keine normalen Schulen besuchen konnten (Beilage ./III, Sitzung 38). Dies ist ein Indiz dafür, dass die Beschwerdeführerin keine Angehörige eines Minderheitenclans ist.
Auch die Finanzierung der hohen Fluchtkosten als Clanmitglied der Tumal war nicht nachvollziehbar. Bei einem Durchschnittgehalt von rund 100 USD entsprechen Kosten von 1.700 USD mehr als einem Jahresgehalt. Da Angehörige von Minderheitenclans finanziell und wirtschaftlich erheblich benachteiligt sind, ist nicht plausibel, wie die Beschwerdeführerin dieses Geld als Angehörige eines Minderheitenclans habe auftreiben können.
Zudem waren die Angaben der Beschwerdeführerin betreffend ihres Subclans widersprüchlich. In der Erstbefragung sowie in den Einvernahmen beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung ist ihre Angabe gleichbleibend, dass sie dem Clan der Tumal und dem Subclan der römisch 40 Ade angehöre (AS 1, AS 97, AS 753, VP römisch II Sitzung 6). Sie widerspricht sich jedoch in der Angabe ihres Sub-Sub-Clans. Beim Bundesamt führte sie zum einen an, dass sie den römisch 40 angehöre (AS 97), aber auch, dass die römisch 40 ihr Sub-Sub-Clan seien (AS 753). In der mündlichen Verhandlung nannte sie als ihren Sub-Sub-Clan die römisch 40 (was phonetisch wohl den römisch 40 entspricht; VP römisch II Sitzung 6) und führte zusätzlich (erstmals) die römisch 40 als ihren Sub-Sub-Sub- Clan und die römisch 40 als ihren Sub-Sub-Sub-Sub-Clan an (VP römisch II Sitzung 6). Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass der Clan für Somalier ein identitätsstiftender Faktor ist, sodass sich Somalier immer selbst im Clansystem verorten können. Den Länderinformationen ist jedoch auch zu entnehmen, dass jüngere Somalier im urbanen Raum oder in der Diaspora heute häufig nur noch in der Lage sind, ihre Clanzugehörigkeit bis zur Stufe Sub-Clan aufzuzählen. Es kommt aber selbst bei jungen Somaliern in der Diaspora nicht vor, dass sie gar keine Ahnung von ihrem Clan und ihrem Abtirsiimo haben. Sogar wenn sie sich für das Clansystem nicht interessieren, können sie zumindest ihren Clan und Sub-Clan nennen (Focus, Sitzung 24). Warum die Beschwerdeführerin derart unterschiedliche Angaben macht, kann somit nicht nachvollzogen werden.
Ihre weiteren Angaben zum Clan der Tumal waren äußert vage und ließen nicht darauf schließen, dass sie dem Clan tatsächlich angehört. So gab sie an, dass ihr Mann ebenfalls Tumal gewesen sei, dieser aber als Automechaniker in einer Werkstatt gearbeitet habe (AS 105). Traditionell sind die Tumal als Schmiede tätig, sie üben mittlerweile allerdings auch andere Berufe aus (Beilage ./III, Sitzung 17). Auf die Nachfrage beim Bundesamt, warum ihr Mann einen so qualifizierten Job als Mechaniker bekommen habe, gab sie an, dass er es gelernt habe, andere aber mehr Geld bekommen hätten, als er (AS 105). Sie gab auch an, dass ihre Familie sehr gut gelebt habe und eigene Tiere und einen Esel zum Milchtransport gehabt hätte, sowie Milch verkauft habe. Zudem hätten sie Tiere verkaufen können, wenn sie Kleidung gebraucht hätten (AS 755). Die Beschwerdeführerin und ihre Familie wurden somit wirtschaftlich nicht benachteiligt, was für Clanmitglieder der Tumal untypisch ist (Beilage ./II, LIB Sitzung 86).
Nach den Besonderheiten der Tumal beim Bundesamt befragt gab sie an, dass diese als Metallarbeiter, als Friseure und in Garagen arbeiten sowie Schuhe herstellen und Vieh züchten würden (AS 109). Die Tätigkeit als Schuhmacher trifft gemäß den Länderinformationen nur auf die Madhibaan, die ebenfalls eine berufsständische Gruppe sind, zu, die die Beschwerdeführerin jedoch nicht genannt hat (Beilage ./III, Focus Somalia – Clans und Minderheiten, Sitzung 17; AS 109). Dass die Tumal als Friseure tätig seien, konnte den Länderinformationen nicht entnommen werden. Die Angabe der Beschwerdeführerin, dass eine andere Bezeichnung der Tumal „Boon“ sei, ist grundsätzlich richtig und stimmt mit dem in ihrer Heimatregion Juba verwendeten Begriff überein (Minderheiten in Somalia, Sitzung 24; AS 109). Dies lässt jedoch nicht darauf schließen, dass die Beschwerdeführerin dem Clan tatsächlich angehört. Zudem führte die Beschwerdeführerin an, dass sich die Tumal in ganz Somalia befinden würden (AS 109). Dies steht in Widerspruch zu den Länderinformationen, denen zu entnehmen ist, dass das Wort Tumal in den Regionen zwischen Shabelle und Juba verwendet wird und den Beruf des Schmieds bezeichnet (Minderheiten Somalia, Sitzung 24).
Laut Länderberichten geben sich im Asylverfahren Angehörige von Mehrheitsclans als Angehörige von Minderheitenclans aus, um bessere Chancen im Asylverfahren zu haben. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan nur vortäuscht und sie tatsächlich Angehörige eines Mehrheitsclans ist (Focus Somalia, Sitzung 21).
2.1.8. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leide, ist ihren Angaben im Verfahren sowie zahlreichen vorgelegten medizinischen Befunden zu entnehmen.
Den vorgelegten medizinischen Befunden ist zusammenfassend zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin am 12.10.2015 einer römisch 40 unterzogen hat (AS 53).
Weiters ist den in der ersten niederschriftlichen Einvernahme vorgelegten medizinischen Unterlagen zusammenfassend folgendes zu entnehmen (AS 119 – AS 265): Die Beschwerdeführerin nahm diverse Medikamente ein (AS 119), sie litt im März und April 2016 an einer römisch 40 und wies einen römisch 40 auf, wobei das Röntgen unauffällig war (AS 133, AS 145), sie litt im Juli bzw. August 2016 an römisch 40 und wurde diesbezüglich therapiert (AS 163, AS 185), sie litt im August 2016 außerdem an Rückenschmerzen (AS 165), eine römisch 40 konnte im November 2016 ausgeschlossen werden (AS 171), sie litt im Mai 2016 auch nach sechs Monaten weiterhin an einer römisch 40 sowie an Gastritis (AS 179).
In der zweiten niederschriftlichen Einvernahme legte die Beschwerdeführerin einen medizinischen Befund vom Juli 2017 vor, in dem vorgeschlagen wurde, die römisch 40 Therapie zu beenden (AS 777). Die weiteren vorgelegten medizinischen Befunde entsprechen den in der ersten niederschriftlichen Einvernahme vorgelegten Befunden aus den Jahren 2015 und 2016 (AS 777 – 781, AS 815 – 867, AS 871 - 897). Aktuelle Befunde wurden jedoch nicht vorgelegt.
Den Befunden ist auch zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin in gutem Allgemeinzustand bzw. gesund sei (AS 133, AS 147, AS 181). Dies entspricht auch den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung wonach sie gesund ist (VP römisch eins Sitzung 5; VP römisch II Sitzung 4). Zudem ist anzuführen, dass der letzte medizinische Befund aus dem Jahr 2017 stammt und seitdem im Verfahren das Vorliegen von weiteren Erkrankungen nicht vorgebracht wurde.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde, dass das Bundesamt in Bezug auf ihre Tuberkuloseerkrankung übersehen habe, dass die Erreger lange Zeit im Körper überdauern, ohne Symptome zu verursachen und die Krankheit bald nach der Erstinfektion, mehrere Jahre später oder gar nicht mehr ausbrechen könnte, kann entgegengehalten werden, dass die Beschwerdeführerin in der zweiten mündlichen Verhandlung nichts davon erwähnte und angab, gesund zu sein (Beschwerde Sitzung 3, VP römisch II Sitzung 4). Ihre Angabe, dass die Behandlung von Tuberkulose in Somalia kaum möglich sei, stimmt mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation nicht überein, dem zu entnehmen ist, dass es neun Tuberkulose-Eindämmungseinheiten in Somalia gibt (Beilage ./II - LIB Sitzung 113, Beschwerde Sitzung 3).
2.1.9. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergaben sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I - Strafregisterauszug vom 18.06.2020).
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Sofern die Beschwerdeführerin angegeben hat, ihr erster Mann sei von der Al Shabaab entführt worden, sie selbst sei von der Al Shabaab entführt und neun Tage gefangen gehalten sowie misshandelt und vergewaltigt worden, ihr sei von der Al Shabaab Zwangsverheiratung angedroht worden und ihr Vater sei von denselben Männern ermordet worden, kommt ihrem Vorbringen aus folgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:
Das Bundesverwaltungsgericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund seines persönlichen Eindrucks über die Beschwerdeführerin davon aus, dass ihr hinsichtlich ihres Vorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Die Beschwerdeführerin wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, ihr Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht gerecht worden. In den wesentlichen Angaben der Beschwerdeführerin sind erhebliche Ungereimtheiten und Widersprüche enthalten, die ihre Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurück liegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass die Beschwerdeführerin die Ereignisse jedoch in einer derart widersprüchlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität.
Bereits beim Bundesamt waren die Angaben der Beschwerdeführerin äußerst widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Die Angaben der Beschwerdeführerin beim Bundesamt machen auf das Gericht nicht den Eindruck, als würde es sich um tatsächliche Erlebnisse handeln.
2.2.2. Die Beschwerdeführerin war hinsichtlich ihrer Schilderungen zur Entführung ihres Ehemannes nicht glaubhaft.
Beim Bundesamt gab die Beschwerdeführerin diesbezüglich Folgendes an (AS 761):
„F: Warum hatte Ihr Mann angeblich Probleme mit Al Shabaab?
A: Bevor er verschleppt wurde, hat er mir gesagt, er habe Drohanrufe erhalten, weil er ein Regierungsauto repariert hat. Al Shabaab hat ihn angerufen.
F: Wie viele solche Anrufe gab es?
A: Er sah so krank aus, ich habe ihn gefragt, was los ist.
Frage wird wiederholt.
A: Das hat er mir nicht gesagt.
F: Wann waren diese Anrufe?
A: Mitte August.
F: Wann und wie ist er angeblich verschleppt worden? Beschreiben Sie mir genau die Situation.
A: Er kam heim von der Arbeit, als er an unsere Türe klopfte, wollte ich aufmachen, und plötzlich fielen Schüsse. Ich öffnete die Tür, Schüsse fielen, ich hatte Angst und sperrte mich wieder im Raum ein mit den Kindern, ich bin dann zusammengebrochen. Nachbarn kamen zu uns, ich war fast ohnmächtig. Ich bin dann aufgewacht und mein Mann wurde verschleppt. Ich weiß es nicht, bis heute, ob er am Leben ist.
F: Sie haben also nicht gesehen, was passiert ist, da Sie sich nach den Schüssen ja wieder eingesperrt haben. Woher wollen Sie also wissen, dass er verschleppt wurde angeblich?
A: Sie nahmen ihn mit einem Auto mit.
V: Auch das können Sie nicht wissen.
A: Nachdem ich die Tür geöffnet habe, habe ich gesehen, dass Sie meinen Mann an den Schultern gepackt hatten, ich wollte ihn festhalten und dann haben sie das Feuer eröffnet und ich bin ins Zimmer gelaufen.
V: Den Ablauf haben Sie eben völlig verändert. Vorhin wollen Sie nach dem Öffnen der Türe Angst bekommen haben, sich eingesperrt haben und fast ohnmächtig gewesen sein, jetzt wollen Sie am Handgemenge selbst teilgenommen haben.
A: Das ist das Gleiche. Und das Auto, das habe ich auch gesehen.
V: Warum sollte Ihr Partner überhaupt an seine eigene Wohnungstür klopfen?
A: Er hat an die Eingangstür geklopft, nicht an die unseres Zimmers.
Anmerkung: Die AW wird aufgefordert, die Wohnungssituation aufzuzeichnen.
F: Welche Entfernung war zwischen der Eingangstür, an die Ihr Mann geklopft hat, und der Tür des Zimmers, in dem Sie und er lebten?
A: Zwei Schritte.
F: Wo fand das angebliche Handgemenge mit Ihrem Mann statt?
A: Hier.
Anmerkung: Die AW zeigt die Positionen der Kämpfenden und des Autos in Ihre Skizze ein. Sie fügt Ihrer Zeichnung noch einen Kreis hinzu vor der Lage der Eingangstür, den sie zu verzieren beginnt.
F: Was stellt dieses Element dar, das Sie eben dazu gezeichnet haben?
A: Nichts. Ich dachte, Sie (Referentin) brauchen das nicht mehr, da habe ich ein wenig gezeichnet.
Anmerkung: Die AW wirkt gelangweilt.
F: Wie viele Leute haben Ihren Mann angegriffen?
A: Ich habe mindestens vier gesehen.
V: Auch mit Ihren wiederholten Modifikationen des angeblichen Ablaufs ist dieser nicht möglich. Sie haben geschildert, eine Tür geöffnet zu haben. Später haben Sie außer der Tür Ihres Zimmers noch eine Eingangstür angegeben, an die Ihr Mann geklopft habe. Sie hätten also mindestens zwei Türen öffnen müssen, um auch nur etwas zu sehen, wenn sich der Kampf wie von ihnen gezeichnet vor der Eingangstür abgespielt hätte.
A: Wenn mein Mann von der Eingangstür kam, konnte er direkt rein. Ich war gerade vor unserer Zimmertür und habe draußen gekocht, die Kinder waren im Zimmer und die Tür zu unserem Zimmer geschlossen.“
In der zweiten mündlichen Verhandlung gab sie zur Entführung ihres Mannes Nachstehendes an (VP römisch II Sitzung 9 und 11):
„R: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend und detailliert alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen. (freie Erzählung):
BF: Mein Mann war ein Automechaniker und er hat mir erzählt, dass ihn Al Shabaab Männer angerufen haben und ihm gedroht haben. Er sagte mir, dass er flüchten wird, er wurde von ihnen bedroht, sie sagten ihm, dass er für die Regierung, also die Ungläubigen, ein Auto repariert hätte. Ich war damals schwanger und hatte bereits zwei Kinder. Mein Mann hat mir öfter gesagt, dass er bedroht wird und er flüchten wird. Am letzten Abend ist er zurück nachhause gekommen. Er hat an der Tür geklopft. Das war nach der Arbeit. Ich wollte ihm die Tür öffnen, weil er keinen Schlüssel hatte. Als ich die Tür aufgemacht habe, habe ich meinen Mann mit 4 anderen Männern gesehen, sie haben seine Arme nach hinten gehalten und sie hatten Gewehre. Mein Mann hat geschrien und sagte, dass ich hineingehen soll, sonst werden mich die Männer töten. Dann habe ich begönne zu schreien. Die Nachbarn sind dann hinausgekommen. Als die Nachbarn gekommen sind, waren die Männer schon mit meinem Mann verschwunden. Es war niemand mehr da. Nach drei Tagen hat meine Mutter, die damals am Land lebte, davon gehört und sie ist dann zu mir gekommen. Ich war sehr besorgt. Meine Mutter hat gesagt, dass sie davon gehört hat, von den Problemen und sie sagte, sie würde mir helfen und bei mir bleiben und nicht zurück aufs Land kehren und wir würden wegziehen. Meine Mutter war dabei bis ich das Kind zur Welt gebracht habe, sie hat mich unterstützt. Zwei Monate nach der Geburt im 5. Monat 2013, habe ich begonnen zu arbeiten, damit ich meine Kinder versorgen konnte. Mein Mann war nicht da, ich hatte niemanden, der mir helfen konnte, meine Mutter ist ein älterer Mensch.
(…)
R: Bitte beschreiben Sie die Situation, als die Al Shabaab Ihren Mann entführt haben ganz detailliert und ganz genau.
BF: Sie sind gekommen, als er gerade an der Tür geklopft hat. Sie waren mit einem Auto unterwegs. Sie haben seine Arme nach hinten gehalten. Sie haben ihn ins Auto gesteckt, er hat geschrien und als ich die Tür aufgemacht habe, sagte er mir, dass ich laufen soll, sie werden mich töten. Zwei Männer haben seine Arme nach hinten gehalten und zwei haben ihre Gewehre an den Kopf gesetzt. Als Ich geschrien habe, haben sie dann Schüsse abgegeben. Ich bin dann zurückgegangen und habe geschrien, dann sind die Nachbarn hinausgekommen. Ca. 15 Minuten haben sie geschossen. Alle Nachbarn sind rausgekommen. Die Nachbarn sind vor unser Haus gekommen. Ich war damals schwanger und hatte 2 Kinder. Ich habe dann kurz das Bewusstsein verloren. Die Leute haben mich mit Wasser übergossen und dann bin ich aufgewacht. Seitdem habe ich meinen Mann nicht mehr gesehen.“
2.2.2.1. In einer Gesamtbetrachtung kann die Schilderung der Beschwerdeführerin betreffend der Entführung ihres Mannes als stark widersprüchlich und schlicht nicht nachvollziehbar gewertet werden. So hat die Beschwerdeführerin beim Bundesamt angegeben, dass ihr Mann von der Al Shabaab Drohanrufe erhalten habe (AS 761), in der mündlichen Verhandlung aber, dass er sowohl Anrufe, als auch Nachrichten, genauer SMS, erhalten habe (VP römisch II Sitzung 12 und 13). In ihrer ersten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt gab sie allerdings an, dass er ein Schreiben von der Al Shabaab erhalten habe, in dem gestanden sei, dass er ein Auto der Regierung repariert habe, er deswegen ein Ungläubiger sei und getötet werde (AS 101).
2.2.2.2. Sowohl beim Bundesamt, als auch in der mündlichen Verhandlung gab sie an, dass ihr Mann von der Arbeit nach Hause gekommen sei und an die Tür geklopft habe (AS 761, VP römisch II Sitzung 9). Warum der Partner der Beschwerdeführerin an seine eigene Wohnungstür geklopft habe, ist nicht nachvollziehbar und konnte von ihr auch auf Nachfrage in ihrer Einvernahme beim Bundesamt auch nicht verständlich erklärt werden (AS 763). Erst in der mündlichen Verhandlung brachte sie in der freien Erzählung vor, dass ihr Mann keinen Schlüssel gehabt habe und sie ihm öffnen habe wollen (VP römisch II Sitzung 9).
2.2.2.3. Was passiert ist, nachdem sie die Tür geöffnet habe, schilderte sie ebenfalls stark widersprüchlich:
Beim Bundesamt gab sie zum einen an, dass sie die Tür geöffnet habe, Schüsse gefallen seien, sie Angst gehabt habe und sich in einem Raum mit ihren Kindern eingesperrt habe und zusammengebrochen sei. Unmittelbar darauf schilderte sie, dass sie die Tür geöffnet und gesehen habe, dass die Männer ihren Partner an den Schultern gepackt hätten, sie versucht hätte, ihren Mann festzuhalten und dann das Feuer eröffnet worden sei und sie ins Zimmer gelaufen sei (AS 761). So brachte sie in ihrer ersten Erzählung vor, das Ereignis bis zu ihrer Ohnmacht nur passiv wahrgenommen zu haben, in ihrer zweiten Erzählung aber, sich aktiv an der Auseinandersetzung beteiligt zu haben. In der zweiten mündlichen Verhandlung schilderte sie, dass sie die Tür aufgemacht habe, sie ihren Mann mit vier anderen Männern mit Gewehren gesehen habe, die seine Arme nach hinten gehalten hätten. Ihr Mann habe geschrien, dass sie in das Haus gehen solle, weil die Männer sie sonst töten würden. Sie habe daraufhin begonnen zu schreien und die Nachbarn seien herausgekommen. Als sie geschrien habe, hätten die Männer Schüsse abgegeben (VP römisch II Sitzung 9 und 11). In dieser Erzählung schilderte die Beschwerdeführerin erstmalig, dass sie geschrien habe und die Männer erst dann die Schüsse abgegeben hätten. In der mündlichen Verhandlung schilderte sie weder, dass sie in das Haus zurückgegangen sei, noch dass sie sich darin mit ihren Kindern versperrt habe. Eine aktive Beteiligung an der Auseinandersetzung durch Festhalten ihres Mannes schilderte sie ebenfalls nicht. Auch ihre Schilderung in ihrer ersten niederschriftlichen Einvernahme unterscheidet sich von den anderen beiden stark. So schildete sie hier nicht, das Klopfen ihres Mannes an die Tür, sondern eine Stimme vor ihrer Tür gehört und deswegen nachgesehen zu haben. Ihr Mann sei festgehalten worden und die Männer hätten gesagt, dass sie in das Haus gehen solle. Daraufhin habe sie einen Schuss gehört und geschrien und als sie herausgekommen sei, sei außer den Nachbarn niemand mehr anwesend gewesen (AS 101). Hier berichtet sie also von einem Schuss und nicht von einer 15 minütigen Schießerei. Zudem gab sie hier an, im Haus gewesen zu sein und hätte somit nicht gesehen können, wie ihr Mann entführt worden sei.
Sowohl in der zweiten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt als auch in der zweiten mündlichen Verhandlung spricht sie von einem Auto, in dem ihr Mann mitgenommen worden sei, das sie in der ersten niederschriftlichen Einvernahme nicht erwähnt hat (AS 761, VP römisch II Sitzung 12).
2.2.2.4. Ein weiterer Widerspruch ergibt sich aus der Angabe der Beschwerdeführerin während der Rückübersetzung in der ersten niederschriftlichen Einvernahme, dass ihr Mann nicht ein Auto der Regierung repariert habe, sondern dass er ein Auto der Al Shabaab repariert habe, dieses von der Regierung beschlagnahmt worden sei und die Al Shabaab ihn beschuldigt habe, sie bezüglich des Autos an die Regierung verraten zu haben. Dies ist zum einen widersprüchlich, weil dies bedeuten würde, dass ihr Mann mit der Al Shabaab zusammengearbeitet hätte. Zum anderen bestätigte der Dolmetscher, dass die Beschwerdeführerin die Änderung erst im Zuge der Rückübersetzung vorgenommen hat und sie zuvor eindeutig gesagt hat, dass das reparierte Auto der Regierung gehört habe (AS 103). Dies steht in Widerspruch zu ihrer Angabe in der zweiten niederschriftlichen Einvernahme sowie in der zweiten mündlichen Verhandlung, dass ihr Mann ein Auto der Regierung repariert hätte (AS 761, VP römisch II Sitzung 9). Ein Übersetzungsfehler ist diesbezüglich auszuschließen, da ihr beide Protokolle rückübersetzt wurden und sie diesbezüglich nichts korrigierte.
2.2.2.5. Zudem geht aus den Erzählungen der Beschwerdeführerin nicht hervor, ob sie selbst gesehen habe, wie ihr Mann verschleppt worden sei. So gab sie beim Bundesamt zum einen an, dass sie ohnmächtig geworden sei und ihr Mann verschleppt worden sei, aber auch, dass sie gesehen habe, wie die Männer ihren Mann mitgenommen hätten und sie auch das Auto, in dem sie ihn mitgenommen hätten, sehen hätte können (AS 763).
Die Beschwerdeführerin schilderte die Szene genauer und fertigte auch eine Skizze an. Diese Angaben sind ebenfalls stark widersprüchlich zumal sie den Ablauf und ihre eigenen Handlungen mehrmals verändert hat. Sie sagte beim Bundesamt zum einen, dass sie die Eingangstüre geöffnet habe und sich, nachdem Schüsse gefallen seien, wieder im Zimmer versteckt habe und zusammengebrochen sei. Was mit ihrem Mann passiert sei, hätte sie somit gar nicht sehen können. Dann sagte sie jedoch, dass sie das Handgemenge zwischen ihrem Mann und den Männern beobachtet habe, sowie, dass sie auch das Auto der Männer gesehen habe (AS 763). Die Angaben der Beschwerdeführerin zur behaupteten Entführung ihres ersten Ehemannes in Somalia bzw. zur Auseinandersetzung mit der Al Shabaab oder einer Bedrohung durch die Al Shabaab ist nicht glaubhaft.
2.2.2.6. Die Beschwerdeführerin gab in der zweiten mündlichen Verhandlung auch an, dass die Männer der Al Shabaab 15 Minuten lang geschossen hätten (VP römisch II Sitzung 11). Es ist nicht nachvollziehbar, warum vier bewaffnete Al Shabaab Männer 15 Minuten auf einen einzelnen, unbewaffneten Mann schießen hätten sollten, zumal es für die vier Männer leicht gewesen sein muss, den körperlichen Widerstand des Mannes der Beschwerdeführerin zu überwinden (VP römisch II Sitzung 11). Die Beschwerdeführerin erweckt in ihrer Erzählung dadurch den Eindruck, dass es sich nicht um tatsächlich Erlebtes, sondern ein von ihr fingiertes Vorbringen handelt.
2.2.2.7. Sowohl beim Bundesamt, als auch in der mündlichen Verhandlung erzählte die Beschwerdeführerin, dass die Nachbarn herausgekommen seien. Beim Bundesamt schilderte sie lediglich, dass die Nachbarn zu ihnen gekommen seien, als sie fast ohnmächtig gewesen sei. Sie sei dann aufgewacht und ihr Mann sei verschwunden gewesen (AS 761). In der mündlichen Verhandlung führte sie an, dass die Nachbarn gekommen seien, als die Männer schon mit ihrem Mann verschwunden gewesen wären. Alle Nachbarn seien gekommen und seien vor ihr Haus gekommen. Dann habe sie kurz das Bewusstsein verloren, die Leute hätten sie mit Wasser übergossen und sie sei wieder aufgewacht (VP römisch II Sitzung 9 und 11). Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Nachbarn alle aus den Häusern kommen sollten, wenn tatsächlich 15 Minuten Schüsse gefallen wären, vor allem auch nicht vor dem Hintergrund der Angabe der Beschwerdeführerin, dass sie einem Minderheitenclan angehöre (AS 761, VP römisch II Sitzung 11).
2.2.3. Auch die Schilderungen zu ihrer eigenen Entführung sowie dem zeitlichen Konnex ihrer Entführung zu jener ihres Mannes sind nicht nachvollziehbar.
2.2.3.1. So gab sie in der zweiten mündlichen Verhandlung an, dass ihre Entführung am 02.02.2014, jene ihres Mannes jedoch schon 2012 passiert sei (VP römisch II Sitzung 11). Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Al Shabaab nach der Entführung des Mannes zwei Jahre warten hätte sollen, um die Beschwerdeführerin zu entführen.
2.2.3.2. Die Beschwerdeführerin gab im Verfahren an, dass sie am 02.02.2014 von Männern der Al Shabaab entführt worden sei (AS 753 und AS 759, VP römisch II Sitzung 11). Sie machte aber unterschiedliche Angaben dazu, wie das passiert sei. So gab sie zwar grundsätzlich gleichbleibend an, dass sie einkaufen und auf ihrem Weg nach Hause gewesen sei, als Männer in einem Auto sie angesprochen und ihren Namen genannt hätten, ihr eine Ohrfeige gegeben und sie mehrmals auf das Brustbein geschlagen hätten (AS 103, VP römisch II Sitzung 9). Widersprüchlich ist ihre Angabe allerdings dahingehend, dass sie den Vorfall in der ersten niederschriftlichen Einvernahme so schilderte, dass beide Männer ihren Namen gerufen und sie geschlagen hätten (AS 103), in der zweiten mündlichen Verhandlung aber, dass nur ein Mann aus dem Auto ausgestiegen und einer im Auto sitzen geblieben sei (VP römisch II Sitzung 9). Gleichbleibend war ihre Angabe dahingehend, dass ihr die Augen verbunden worden seien und sie in ein Haus bzw. eine Wohnung gebracht worden sei, in der sich schon zwei Frauen befunden hätten sowie, dass sie mit Reifenteilen bzw. einer Peitsche, die aus einem Autoreifen gemacht worden sei, geschlagen worden wären (AS 103, VP römisch II Sitzung 9). Es ist jedoch anzumerken, dass sie dieses Vorbringen in der Erstbefragung nicht erwähnte (AS 9).
2.2.3.3. Widersprüchliche Angaben machte sie auch zu ihrer Flucht vor den Al Shabaab Männern. So gab sie in der zweiten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt an, dass ihr sowie den zwei weiteren Frauen, die mit ihr festgehalten worden seien, die Augenbinden und die Fesseln entfernt worden seien sowie ihnen gesagt worden sei, dass sie vor den Al Shabaab Männern gehen sollten und erschossen werden würden, sollten sie weglaufen (AS 759). In der zweiten mündlichen Verhandlung und der ersten niederschriftlichen Einvernahme gab sie in Widerspruch dazu jedoch an, dass die Männer ihnen nur die Augenbinde entfernt hätten, die Fesseln an ihren Händen seien jedoch geblieben und die Beschwerdeführerin habe die Fesseln mit den Zähnen geöffnet (AS 103, VP römisch II Sitzung 10).
Die Beschwerdeführerin gab an, dass andere Männer auf sie zugekommen seien, sie aufgefordert hätten, stehen zu bleiben, und diese sowie die Al Shabaab Männer gegenseitig das Feuer aufeinander eröffnet hätten (AS 103, AS 759, VP römisch II Sitzung 10). Zudem gab sie an, dass sie weggelaufen sei. Beim Bundesamt gab sie dazu an, dass es ihr egal gewesen sei ob sie sterben würde oder nicht und sie einfach weggelaufen sei (AS 759). In der zweiten mündlichen Verhandlung führte sie aber im Widerspruch dazu an, dass sie Angst gehabt habe, dass die Männer sie erwischen würden oder sie von einem Schuss getroffen worden wäre und sie deswegen weggelaufen sei (VP römisch II Sitzung 10). Während das noch nicht zwingend einen Widerspruch darstellen muss, ist dennoch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin mitten in das von mehreren bewaffneten Männern eröffnete Kreuzfeuer laufen sollte und trotzdem unverletzt bis zu ihrem Haus weiterlaufen hätte können, nicht nachvollziehbar und nicht glaubhaft. Zudem gab sie im Verfahren auch an, dass es sich um eine Sackgasse gehandelt habe (AS 109). Es ist davon auszugehen, dass es bei einer Schießerei in einer Sackgasse noch unwahrscheinlicher ist, unverletzt entkommen zu können, als beispielsweise auf einem freien, offenen Platz.
Wie lange sie gelaufen sei, schilderte sie widersprüchlich. Beim Bundesamt gab sie zum einen an, dass die Schießerei um 19:00 gewesen sei und sie um 21:00 nach Hause gekommen sei, sowie, dass sie sich versteckt habe und herumgelaufen sei, weil sie gedacht habe, dass die Al Shabaab Männer sie verfolgen würden (AS 765). In der zweiten mündlichen Verhandlung sowie in der ersten niederschriftlichen Einvernahme gab sie dahingehend an, dass sie die ganze Nacht lang gelaufen sei (AS 103, VP römisch II Sitzung 10).
2.2.3.4. Zur Gefangenschaft im Haus der Al Shabaab Männer gab sie beim Bundesamt an, dass sie beim Toilettengang immer von zwei Männern mit Gewehren bewacht worden sei, wobei sie mehrmals hintereinander ihre Angabe änderte, ob die Toilette im Haus oder außerhalb des Hauses gewesen sein soll (AS 765). In der zweiten mündlichen Verhandlung gab sie in Widerspruch dazu an, dass immer ein Mann mitgegangen und an der Tür der Toilette gewartet habe (VP römisch II Sitzung 10).
2.2.3.5. Die Beschwerdeführerin konnte auch nicht glaubhaft und nachvollziehbar schildern, warum die Al Shabaab gerade an ihrer Person so großes Interesse zeigen sollte.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Al Shabaab die Beschwerdeführerin alleine aufgrund der Tatsache, dass ihr Mann ein Regierungsauto repariert habe, entführen und töten wolle, da sie offensichtlich keine Gefahr für die Al Shabaab darstellt. Dies gilt auch für die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Bedrohung ihrer Familie durch die Al Shabaab. Dass die Beschwerdeführerin sowie ihre gesamte Familie aufgrund der Mechanikertätigkeit des Mannes bedroht werden sollte, war schlicht nicht nachvollziehbar.
2.2.3.6. Zwar gab die Beschwerdeführerin auch an, dass sie mit ihren Kindern nach der Entführung ihres Mannes weggezogen sei. Sollte sie ab diesem Zeitpunkt tatsächlich große Angst gehabt haben, von der Al Shabaab verfolgt zu werden, so ist jedoch nicht einleuchtend, warum sie in eine Wohnung gezogen ist, die nur 10 Minuten von ihrem alten Wohnsitz entfernt gewesen sei und sie ihr Leben normal fortgesetzt habe und sogar täglich an Türen geklopft habe, um Arbeit zu finden (AS 99, AS 755, AS 757, AS 763).
2.2.3.7. Zudem unterscheiden sich die Schilderungen der Beschwerdeführerin zu ihrem Fluchtvorbringen in der Erstbefragung und in ihren weiteren Einvernahmen stark. So gab sie in ihrer Erstbefragung als ihren Fluchtgrund an, dass ihr Mann entführt worden sei und ihr Vater verschwunden sei, sowie, dass die Al Shabaab sie an ein Mitglied der Gruppe zwangsverheiraten habe wollen und sie ihr für den Fall, dass sie sie sich weigern hätte sollen mit Vergewaltigung gedroht hätten (AS 9). In ihrer ersten niederschriftlichen Einvernahme sprach sie erst von einer Zwangsverheiratung und einer Vergewaltigung, als sie explizit danach gefragt wurde, warum sie ihr diesbezügliches Vorbringen in der Erstbefragung in der niederschriftlichen Einvernahme nicht erwähnt habe (AS 107).
In ihrer zweiten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt erwähnte sie weder eine Zwangsverheiratung, noch eine Drohung der Al Shabaab, sie zwangszuverheiraten. Danach beim Bundesamt befragt gab sie Folgendes an:
„V: Ihr Vorbringen heute hat mit Ihrer Geschichte von 2014 nicht mehr viel zu tun. Damals gaben Sie an, Sie hätten von Al Shabaab zwangsverheiratet werden bzw. sei Ihnen im Fall einer Weigerung mit Vergewaltigung gedroht worden. Heute war davon keine Rede. Warum ändern Sie Ihr Vorbringen?
A: Sie haben mir gesagt, ich sei die Frau eines Ungläubigen und müsste tun, was sie wollten. Es hätte sein können, dass sie das mit mir tun wollen.
V: Es hätte sein können? Der Polizei haben Sie 2014 explizit gesagt, man habe Ihnen konkret mit Zwangsheirat und Vergewaltigung gedroht.
A: Sie sagten, ich sei die Frau eines Ungläubigen, das kann vieles bedeuten. Es hätte sein können.
V: Auch die angebliche Gefangenschaft bei Al Shabaab ist haben Sie 2014 mit keinem Wort erwähnt.
A: Ich habe das angegeben, aber sie haben gesagt, es gäbe eine zweite Befragung. Ich habe auch gesagt bei der Polizei, dass ich neun Tage bei Al Shabaab gefangen war.
V: Das steht nicht in dem Protokoll, das Sie nach Rückübersetzung als korrekt unterschrieben haben, und gerade heute haben Sie mir gesagt, Sie hätten der Polizei die Wahrheit gesagt, Ihre Aussagen seien korrekt protokolliert und für Sie rückübersetzt worden.
A: Steht das nicht in dem Protokoll der Polizei? Ich dachte, ich hätte das da so drin gesehen.
Da die Beschwerdeführerin beim Bundesamt lediglich angab, dass es sein hätte können, dass die Al Shabaab sie zwangsverheiraten bzw. vergewaltigen wollen würde, würde dies bedeuten, dass es sich um eine ledigliche Vermutung der Beschwerdeführerin gehandelt habe. Zudem hat sie die beim Bundesamt geschilderte Entführung und Gefangenschaft bei der Al Shabaab in ihrer Erstbefragung mit keinem Wort erwähnt. Ihre Behauptung, dass sie dies vorgebracht habe und es nicht protokolliert worden sei, ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ihr die Erstbefragung rückübersetzt wurde und sie auch beim Bundesamt angegeben hat, dass sie die Wahrheit gesagt habe und alles richtig protokolliert worden sei, nicht nachvollziehbar (AS 765).
Dass die Al Shabaab sie zwangsverheiraten habe wolle, brachte sie in der zweiten mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht mehr vor (VP römisch II Sitzung 10-11). Zudem gab die Beschwerdeführerin im Verfahren an, dass sie Angehörige der Tumal sei und niemand diese heiraten wolle. Es ist somit nicht nachvollziehbar, warum die Al Shabaab gerade sie unter Zwang verheiraten hätte sollen.
Zudem ist den Länderinformationen zu entnehmen, dass Zwangsverheiratungen durch die Al Shabaab nur in den Gebieten vorkommt, die unter Kontrolle der Al Shabaab stehen. Kismayo steht jedoch nicht unter Kontrolle der Al Shabaab. Zwangsverheiratungen durch die Al Shabaab kommen zudem nicht in Städten vor. Die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen sind nicht glaubhaft.
In der zweiten mündlichen Verhandlung schilderte sie zudem erstmalig, dass die Männer sie vergewaltigt hätten. Die Männer hätten sie jede Nacht mitgenommen, als die anderen geschlafen hätten. Sie hätten sie in der Früh nach dem Frühgebet zurückgebracht, sie neun Nächte bei sich behalten und hätten sie unmenschlich und gnadenlos behandelt und sie vergewaltigt und geschlagen (VP römisch II Sitzung 10). Sie habe davon bisher nicht erzählt, weil es ihr peinlich gewesen sei und sie Angst gehabt habe, dass man es weitererzählen würde sowie, weil es eine Schande sei.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführerin diesen Vorfall nicht bereits in ihrer zweiten niederschriftlichen Einvernahme geschildert hat, zumal eine weibliche Referentin, unter Beiziehung einer weiblichen Dolmetscherin, die Einvernahme geleitet hat (AS 749).
Es handelt sich beim Vorbringen der Beschwerdeführerin, vergewaltigt worden zu sein, somit um eine unglaubhafte Steigerung ihres Fluchtvorbringens.
2.2.4. Auch hinsichtlich ihres Vorbringens, dass dieselben Männer der Al Shabaab, die sie entführt hätten, auch ihren Vater ermordet hätten, war die Beschwerdeführerin nicht glaubwürdig.
Zwar gab die Beschwerdeführerin im Verfahren gleichbleibend an, dass die Al Shabaab ihren Vater ermordet habe. Dies konnte sie aufgrund ihrer widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Schilderungen im Verfahren jedoch nicht glaubhaft machen. So gab sie an, dass ihr Mann im Jahr 2012 und sie im Jahr 2014 entführt worden sei, ihr Vater jedoch erst im Jahr 2016 ermordet worden sei (AS 753). Dass die Al Shabaab jeweils zwei Jahre zwischen den Ereignissen verstreichen lassen würde, ist nicht plausibel. Die Beschwerdeführerin gab beim Bundesamt auch an, dass es sich bei den Männern, die ihren Vater ermordet hätten um die gleichen Männer gehandelt habe, die auch sie entführt hätten (AS 753). Zu diesem Zeitpunkt sei die Beschwerdeführerin allerdings bereits ausgereist und auch ihr Mann bereits entführt gewesen und das „Ziel“ der Al Shabaab erreicht. Warum nun auch der Vater der Beschwerdeführerin ermordet werden sollte, ist nicht schlüssig.
Dass ihr Vater ermordet worden sei, habe sie zudem von ihrer Tante, die dies wiederum von „Leuten“ erfahren habe, erzählt bekommen (AS 753). Auf den Vorhalt des Bundesamts, dass aus ihren Schilderungen weder hervorgehe, dass ihre Tante, noch dass die „Leute“, die die Tante informiert hätten, den Entführern begegnet seien und es sich somit um ein Gerücht aus dritter Hand handeln müsse, entgegnete sie: „Sie müssen es gewesen sein, wir hatten gar keine anderen Feinde.“ (AS 763). Dies lässt darauf schließen, dass die Beschwerdeführerin keine sichere Angabe dazu machen kann, dass die Männer, die sie entführt hätten auch ihren Vater ermordet hätten und es sich somit um eine Mutmaßung handelt. Zudem gab sie in ihrer ersten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt an, dass sie nicht wisse, von wem oder wieso er getötet worden sei (AS 87). Die Angaben der Beschwerdeführerin sind nicht glaubhaft und nicht in Einklang zu bringen.
Ausschließlich in der ersten mündlichen Verhandlung schilderte sie, dass ihr Vater mit dem Bus auf dem Heimweg zu seiner Familie gewesen sei, der Bus von Mitgliedern der Al Shabaab angegriffen worden sei und ihr Vater sowie einige Mitfahrer ums Leben gekommen seien. Zusätzlich sei ihrer Tante von den Mitfahrern gesagt worden, dass der Vater der Beschwerdeführerin das Ziel des Angriffs gewesen sei und seinetwegen auch die anderen Menschen ums Leben gekommen seien (VP römisch eins Sitzung 12). Dies hätte der Beschwerdeführerin ihre Tante telefonisch erzählt (VP römisch eins Sitzung 13). Diesbezüglich ist nicht verständlich, warum die Beschwerdeführerin dies in keiner anderen Befragung angegeben hat.
Auch ihre Aussage in der ersten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt, dass ihre Mutter vom Tod ihres Vaters nur erfahren habe, weil ihr Vater sie angerufen und ihr davon erzählt habe, weist darauf hin, dass es sich um kein Ereignis handelt, das tatsächlich stattgefunden hat (AS 107). Auch ihre korrigierende Angabe, dass die Tante vom Tod des Vaters von Leuten gewusst hätte, die im selben Auto gesessen seien und allgemein viele Leute davon gewusst hätten, ist nicht nachvollziehbar, da die Beschwerdeführerin den Anschlag im Autobus nur in der ersten niederschriftlichen Einvernahme erwähnte und auch nicht glaubhaft ist, dass die Mitfahrer den Vater der Beschwerdeführerin gekannt haben und diese wiederum zufällig der Tante der Beschwerdeführerin davon erzählt hätten (AS 107).
Aufgrund ihrer stark widersprüchlichen Angaben hinsichtlich der Ermordung ihres Vaters konnte nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Ereignisse tatsächlich wie von der Beschwerdeführerin geschildert zugetragen haben. Es war daher davon auszugehen, dass der Vater der Beschwerdeführerin noch am Leben ist und nach wie vor in Kismayo mit ihrer Familie lebt.
2.2.5. Auf die Frage, wann sie den Entschluss zu ihrer Ausreise gefasst hat, gab die Beschwerdeführerin im Verfahren drei verschiedene Zeitpunkte an. In ihrer Erstbefragung am 07.12.2014 gab sie an, den Entschluss zur Ausreise ca. ein Jahr zuvor gefasst zu haben (AS 5). Beim Bundesamt führte sie an, dass sie den Entschluss am Tag der Entführung ihres Mannes, also im August 2012 gefasst habe, aber auch, dass sie den Entschluss am 11.02.2014 gefasst habe (AS 757). Sie gab aber auch an, dass sie immer schon dort weggewollt habe, aber sie nicht gewusst habe, wie (AS 765). Die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen sind nicht glaubhaft.
2.2.6. Auch die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren Reisekosten waren nicht glaubhaft. So gab sie in ihrer Erstbefragung an, dass ihr andere Somalier geholfen hätten und sie bis Libyen nichts bezahlt hätte sowie, dass die Reisekosten 1.700 USD betragen hätten (AS 9).
In ihrer ersten und zweiten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt gab sie an, dass ihre Schleppung 1.750 USD gekostet habe, was grundsätzlich mit ihren Angaben in der Erstbefragung gut übereinstimmen würde. Nicht nachvollziehbar ist jedoch ihre Angabe, dass sie das Geld von einem Mann, den sie in Bossaso getroffen hätte und der ihrem Clan angehört habe, bekommen hätte. Dieser hätte ihr zuerst 500 USD gegeben und ihr anschließend 1200 USD geschickt, als sie in Libyen bei ihrem Schlepper gewesen sei. Sie sei zu diesem Mann gegangen, weil sie gehört habe, dass er ihrem Clan angehöre und sie habe auch bei diesem gewohnt (AS 103, AS 759). Diese Angabe ist zum einen nicht glaubhaft, da die Beschwerdeführerin angab, dem Minderheitenclan der Tumal anzugehören und nicht davon auszugehen ist, dass ein Mann der gleichen Clanzugehörigkeit 1.700 USD nicht benötigt hätte und diese der Beschwerdeführerin geben hätte können, um ihr zu helfen. Bei einem Durchschnittsgehalt von ca. USD 100 pro Monat entspricht der Betrag von USD 1.700 mehr als einem Jahresgehalt. Dass ein Clanmitglied der Tumal dies aufbringen könnte ist nicht plausibel. Zum anderen handelt es sich um einen der Beschwerdeführerin unbekannten Mann, es ist daher nicht plausibel, dass dieser Betrag einer Unbekannten geschenkt werden würde. Es ist nicht glaubhaft, dass dieser eine fremde Person unentgeltlich bei sich aufnehmen und ihr zusätzlich 1.700 USD schenken sollte. Weiters sprach sie von „Leuten“, die immer wieder für sie gesammelt hätten und den Schlepper gebeten hätten, sie mitzunehmen, obwohl sie kein Geld gehabt hätte (AS 761). Dass der Schlepper die Beschwerdeführerin trotz Unsicherheit, ob diese für die Schleppung bezahlen könnte, auf Bitten anderer Leute mitnehmen würde, ist schlicht nicht glaubhaft und nicht nachvollziehbar.
Dass die Reisekosten 1.750 USD betragen haben, konnte festgestellt werden. Es war jedoch davon auszugehen, dass die Familie der Beschwerdeführerin ihre Ausreise finanziert hat und nicht fremde, vermeintlich hilfsbereite Personen.
2.2.7. Es ist auch nicht plausibel, warum die Al Shabaab die gesamte Familie der Beschwerdeführerin aufgrund einer Mechanikertätigkeit ihres Mannes für die Al Shabaab bedrohen und töten wollen sollte, vor allem weil die Beschwerdeführerin immer angab, dass die Probleme mit der Al Shabaab nur aufgrund dieser Tätigkeit ihres Mannes entstanden seien und sie keine eigenen Probleme der Familie mit der Al Shabaab im Verfahren vorgebracht hat.
Auch besteht kein zeitlicher Konnex zwischen der Entführung des Mannes der Beschwerdeführerin, der Beschwerdeführerin selbst, der Ermordung ihres Vaters und der Ausreise ihrer Familienmitglieder. Da die Beschwerdeführerin angab, 2014 aus Somalia ausgereist zu sein, beim Bundesamt am 15.09.2017 aber noch davon spricht, dass sich ihre Familie in Somalia aufhält (AS 753), kann bei einer Zeitspanne von etwa drei Jahren nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Fluchtvorbingen der Beschwerdeführerin einen Ausreisegrund ihrer Familienmitglieder darstellen könnte.
Die Beschwerdeführerin brachte ebenfalls vor, dass die Familie aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit geflüchtet sei (VP römisch eins Sitzung 12). Da die Beschwerdeführerin allerdings nicht glaubhaft machen konnte, dass sie dem Clan der Tumal angehört, ist auch nicht glaubhaft, dass ihre Familie diesem angehöre.
Somit war auszuschließen, dass die Al Shabaab oder die Clanzugehörigkeit ein Grund für eine Ausreise der Familienmitglieder der Beschwerdeführerin gewesen sein könnten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Familie der Beschwerdeführerin weiterhin in Kismayo lebt.
2.2.8. Abschließend ist anzuführen, dass die Beschwerdeführerin auch keine sonstigen Gründe einer Verfolgung glaubhaft machen konnte:
2.2.8.1. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde, wäre die Beschwerdeführerin in Somalia keine alleinstehende Frau. Sie bekommt nämlich Schutz von männlichen, älteren Verwandten in Form ihres Vaters und ihres Großonkels. Da sie auf Unterstützung und Schutz durch ihre Kernfamilie zurückgreifen kann bzw. sie auch Schutz von ihrem Clan bekommen kann, liegt bei der Beschwerdeführerin diesbezüglich keine Vulnerabilität vor.
2.2.8.2. Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Somalia haben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle somalischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Somalias einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von solchen Einschränkungen und Diskriminierungen kann bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, jedoch Asylrelevanz erreichen.
Die Beschwerdeführerin kann jedoch auf familiäre Unterstützung in ihrer Herkunftsstadt zurückgreifen. Sie kann im Falle einer Rückkehr auch wieder bei ihrer Familie leben. Zudem gehört die Beschwerdeführerin einem Mehrheitsclan an. Sie kann auch auf Unterstützung durch ihren Clan zurückgreifen. Nach den Länderberichten ist die Zugehörigkeit zu einem Clan der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalier, dieser bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Die Beschwerdeführerin kann daher auch auf den Schutz ihres Clans zurückgreifen.
Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin Gefahr laufen würde, in ein IDP-Lager gehen zu müssen. Der Beschwerdeführerin droht daher auch keine sexuelle Ausbeutung durch die Al Shabaab, zumal sie eben in keinem IDP-Lager Unterschlupf suchen muss und sie auf den Schutz ihrer Familie und ihres Clans zurückgreifen kann. Zudem ist Kismayo eine relativ sichere Stadt mit einer gut funktionierenden Polizei und unter der Kontrolle der Regierung. Zwangsverheiratung durch die Al Shabaab findet – nach den Länderinformationen – zudem nur in Gebieten, die unter Kontrolle der Al Shabaab stehen, statt und nicht in Städten. Auch dies steht einer Zwangsverheiratung durch die Al Shabaab in Kismayo entgegen.
2.2.8.3. Soweit in der Beschwerde erstmals vorgebracht wurde, dass die Beschwerdeführerin aktuell gefährdet sei, da sie aus dem Westen zurückkehre, ist dies aus folgenden Gründen nicht erkennbar:
Aufgrund des persönlichen Eindrucks, der in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin gewonnen werden konnte, geht das Gericht nicht davon aus, dass die Beschwerdeführerin sich bei ihrer Lebensweise am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert, geschweige denn dieses bereits Bestandteil ihrer Identität geworden ist. Sie führte in ihrer Beschwerde auch nicht aus, dass sie in ihrem Herkunftsstaat als westlich orientiert angesehen werden könnte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu, dass ihr deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte vergleiche VwGH 05.08.2019, Ra 2018/20/0320 bis 0325, mwN).
Ausgehend vom persönlichen Eindruck der Beschwerdeführerin sind im gesamten Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die darauf schließen ließen, dass die Beschwerdeführerin in Österreich bereits in einem solchen Maße eine ("westliche") Lebensweise führt, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Somalia darstellt. So verfügt die Beschwerdeführerin lediglich über geringe Deutschkenntnisse. Sie hat in Österreich zwar Freundschaften geschlossen, ihre Bezugsperson ist aber ausschließlich ihr Mann (VP römisch eins Sitzung 8). Bei ihren Freunden handelt es sich um Personen, die sie in ihrer Unterkunft kennengerlernt hat, ihre Unterkunftgeber, Personen, die dort gearbeitet haben bzw. Personen, die sie in Deutsch unterrichtet haben (VP römisch eins Sitzung 15, VP römisch II Sitzung 8).
Die Beschwerdeführerin hat in Österreich zwar gelegentlich ehrenamtliche Hilfsarbeiten bei einem Römisch-Katholischen Pfarramt und in ihrer Unterkunft erbracht (Beilage ./F, Beilage ./H). Sie gab auch an, im Kindergarten arbeiten und Kinder betreuen zu wollen (VP römisch eins Sitzung 14). Diese Aussage weicht jedoch erkennbar von ihrer Lebenswirklichkeit ab, zumal die Beschwerdeführerin über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügt. Zudem stellt dies auch keinen Bruch zu den Gepflogenheiten in Somalia dar, zumal den Länderberichten zu entnehmen ist, dass Frauen in einer Vielzahl von beruflichen Feldern aktiv sind.
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen und aus dem im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen Gesamteindruck, den die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, lässt sich eine Verinnerlichung einer "westlichen Lebensweise", die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Somalia darstellt, somit nicht ableiten.
Aus den Länderberichten ergibt sich, dass Rückkehrer von somalischen Behörden nicht misshandelt werden. Allein die Tatsache, dass eine Person nach Somalia zurückkehrt, macht diese nicht zum Ziel - auch nicht für die Al Shabaab (siehe Punkt römisch II. 1.5.12). Es gibt daher aus den Länderberichten keine Hinweise, dass Rückkehrer aus dem Westen einer besonderen Gefährdung bzw. Verfolgung ausgesetzt wären.
2.2.8.4. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat keinerlei familiärer häuslicher Gewalt ausgesetzt ist, ist darauf zurückzuführen, dass sie im Verfahren nichts Diesbezügliches vorgebracht hat.
2.2.8.5. Auch die Gefahr einer Beschneidung oder einer Reinfibulation wurde von der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht vorgebracht. Auch diesbezüglich droht ihr aus folgenden Gründen keine Gefahr:
Es sind ca. 98% aller Frauen und Mädchen in Somalia beschnitten. Frauen in Somalia sind daher, wenn diese bereits beschnitten sind, aufgrund dieses Umstandes in Somalia keiner Verfolgung ausgesetzt.
Es kann nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführerin in Somalia, weitere Eingriffe in die persönliche Integrität drohen würden. Die Beschwerdeführerin ist verheiratet und hat bereits vier Kinder geboren. Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass es sich bei einer Reinfibulation um eine persönliche Entscheidung der jeweiligen Frau handelt, die Gesellschaft hat kein Problem damit, wenn eine Defibulation nach einer Geburt bestehen bleibt. Es besteht daher für die Beschwerdeführerin kein Risiko – gegen ihren Willen – in Somalia einer Reinfibulation ausgesetzt zu werden.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Somalia aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Somalia eingetreten ist.
2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:
2.4.1. Die Beschwerdeführerin hat die letzten Jahre vor ihrer Ausreise mit ihrer Familie in Kismayo gelebt. Ihre Familie wohnt immer noch in der Stadt Kismayo. Es ist daher die Stadt Kismayo als Herkunftsort der Beschwerdeführerin zu betrachten.
2.4.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihrer Heimatstadt Kismayo ergeben sich aus den o.a. Länderberichten. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Stadt Kismayo relativ sicher ist. Der Verwaltung von Jubaland ist es gelungen, in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren (LIB Sitzung 11). Die Kriminalität ist auf einem niedrigen Niveau, es lässt sich sagen, dass die Polizei entsprechend gut funktioniert. Die Al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv, es kommt nur selten zu Anschlägen oder Angriffen. Die Stadt gilt daher als ruhig und sicher, Zivilsten können sich in ihr frei und relativ sicher bewegen. Der Al Shabaab ist es aber trotzdem möglich, auch in Kismayo Anschläge zu verüben (LIB, Sitzung 22).
Die sichere Erreichbarkeit der Stadt Kismayo ist durch den örtlichen Flughafen gewährleistet.
2.4.3. Von der Nahrungsmittelunsicherheit sind am meisten IDPs und marginalisierte Gruppen betroffen. Der humanitäre Bedarf ist in Teilen von Somalia nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung. In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Für die Bevölkerung in Lower Juba gelten die IPC Stufen 1 bis 2 (minimal bis stressed), für die urbane Bevölkerung in Kismayo gilt die IPC-Stufe 2 (stressed); für IDP’s in Kismayo die IPC-Stufe 3 (crisis) (siehe Punkt römisch II.1.5., FEWS 11/2020, FSNAU). Durch die COVID-19 Pandemie kam es auch in Städten in Somalia zu Ausgangsbeschränkungen, welche die Situation für Rückkehrer und Binnenvertriebene zusätzlich verschärfte. Der Arbeitsmarkt stagniert aufgrund der Covid-19-Beschränkungen weiterhin, insbesondere im Hinblick auf die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen, darunter die Binnenvertriebenen (IDPs). Bestimmte Zugangsbeschränkungen haben die Arbeitsmöglichkeiten von IDPs geschmälert. Viele IDPs, wie auch andere arme Menschen in Städten, die ihr Einkommen zuvor mittels informeller Arbeit verdient haben, sind durch die Covid-19-Maßnahmen nun arbeitslos und können grundlegende Bedürfnisse, wie etwa den Kauf von Wasser, nicht mehr decken.
Ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen ist für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist. Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration hängt in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person ab. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem, wenn sie aus dem Westen zurückkehren. Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise; die Dauer der Abwesenheit; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann. Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist vergleiche Punkt römisch II.1.5.).
Die Beschwerdeführerin ist jung, gesund, selbstständig und auch arbeitsfähig. Dass die Beschwerdeführerin mit den Gepflogenheiten in Somalia vertraut ist und sie über Ortskenntnisse der Stadt Kismayo verfügt, ergibt sich daraus, dass sie in einer Noamdensiedlung neben Kismayo aufgewachsen ist und nach ihrer Heirat von 2009 bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2014 in Kismayo gelebt hat und somit dort einen beträchtlichen Teil ihres Lebens verbracht hat. Zudem ist Somali ihre Muttersprache. In Kismayo leben auch der Vater, die Mutter, die Geschwister, die drei Töchter und der Onkel mütterlicherseits der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin hat regelmäßig Kontakt zu ihrer Familie (siehe Punkt römisch II 1.1.). Da sie bereits in der Vergangenheit mit ihrer Familie zusammengelebt hat, ist nicht erkennbar, warum die Beschwerdeführerin nicht zumindest vorübergehend bei ihnen wohnen können sollte. In ihrem Onkel und ihrem Vater findet die Beschwerdeführerin zusätzlich Schutz durch ein männliches Familienmitglied vor. Es steht daher fest, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Kismayo von ihrem eben genannten familiären Netzwerk bei der Beschaffung einer Arbeit und Unterkunft sowie der Verpflegung unterstützt werden kann. Sie kann wieder bei ihrer Familie wohnen, sodass sie sich nicht in einem IDP-Camp ansiedeln muss.
Wie bereits unter Punkt 2.1.4. angeführt, hat die Beschwerdeführerin nach wie vor regelmäßigen Kontakt zu ihrer Familie. Sie wurde von ihrer Familie auch bei ihrer Ausreise aus Somalia finanziell unterstützt. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr bei ihrer Familie im Haus wohnen kann und von ihrer Familie versorgt wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Familie die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Somalia nicht (finanziell) unterstützen kann und wird, liegen nicht vor. Zudem gibt es auch keine häusliche Gewalt in der Familie der Beschwerdeführerin, die ihrer Rückkehr nach Kismayo entgegenstehen würde. Die Beschwerdeführerin gab in der Beschwerdeverhandlung zwar an, dass ihre gesamte Familie Somalia verlassen habe. Sie begründete dies damit, dass sich die Probleme ihres Mannes auch auf ihre Familienmitglieder ausgewirkt hätten sowie, dass sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan ausgereist seien und weil ihr Vater getötet worden sei (VP Sitzung 12). Diese Angaben konnte die Beschwerdeführerin jedoch nicht glaubhaft machen. Es war daher davon auszugehen, dass die Eltern und die Geschwister der Beschwerdeführerin weiterhin in Somalia aufhältig sind. Die Beschwerdeführerin wurde vor ihrer Heirat von ihrer Familie und danach von ihrem Mann versorgt (AS 95; AS 751; AS 755; VP römisch eins Sitzung 11). Nach der Trennung von ihrem Mann versorgte sie sich durch ihre Tätigkeit als Reinigungskraft selbst (AS 97, 1. VP Sitzung 11). Es ist davon auszugehen, dass ihr dies auch bei ihrer Rückkehr nach Somalia möglich und zumutbar ist.
Die Beschwerdeführerin verfügt über eine vierjährige Schulausbildung der Koranschule und sie hat lesen und schreiben gelernt. Sie hat keinen Beruf erlernt, hat aber Berufserfahrung als Reinigungskraft (siehe Punkt römisch II.1.1.).
Zwar hat die Beschwerdeführerin drei Kinder, die in Somalia leben. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Somalia auch sofort für deren Lebensunterhalt aufkommen müsse, zumal ihre Kinder während des Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich von ihrer Familie in Somalia, genauer von ihrer Mutter, versorgt wurden (VP römisch eins Sitzung 12, VP römisch II Sitzung 6). Es ist daher davon auszugehen, dass die Familie auch nach der Rückkehr der Beschwerdeführerin für den Lebensunterhalt ihrer Kinder sorgen wird. Zudem geht aus den Länderberichten hervor, dass die Clans bzw. die Familie die zentrale soziale Institution in Somalia bilden und zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder beiträgt vergleiche Punkt römisch II.1.5.). Die Beschwerdeführerin müsste daher im Falle ihrer Rückkehr nicht umgehend auch den Unterhalt für ihre Kinder sicherstellen.
Aus den Länderberichten geht hervor, dass die Clans die zentrale soziale Institution in Somalia bilden und zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder beiträgt vergleiche Punkt römisch II.1.5.). Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Somalia von ihrem Clan insbesondere bei der Suche nach einer Unterkunft und Arbeit sowie bei der Verpflegung unterstützt werden kann. Die Beschwerdeführerin gehört entgegen ihren Angaben einem Mehrheitsclan an, von dem sie ebenfalls unterstützt werden kann. Sie kann daher im Falle ihrer Rückkehr nach Kismayo mit Unterstützung durch ihren Clan – insbesondere bei der Arbeitssuche – rechnen.
Die Beschwerdeführerin wurde in der mündlichen Verhandlung auch befragt, was sie konkret bei einer Rückkehr befürchte. Die Beschwerdeführerin gab dazu Nachstehendes an:
„R: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Somalia wären?
BF: Die Al Shabaab Männer sind noch immer dort, sie werden mich töten, ich habe keine Familie dort. Ich habe dort niemanden der mich schützen kann. Diese Männer haben meine Familie verfolgt, meinen Mann entführt und er ist bis heute noch vermisst und mich haben sie schlecht und unmenschlich behandelt. Sie haben mich auch schwer geschlagen. Ich leide deshalb jetzt stark und bin fast wie behindert geworden.
R: Möchten Sie noch etwas sagen, was Sie bis jetzt noch nicht angegeben haben?
BF: Nein, ich habe alles erzählt.“ (VP römisch II Sitzung 13)
Die Beschwerdeführerin erwähnte von sich aus auf diese Fragen nicht, dass sie aufgrund einer Nahrungsmittelversorgungsunsicherheit bei einer Rückkehr in ihrer körperlichen Integrität beeinträchtigt sein könnte. Grundsätzlich obliegt es der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Die Beschwerdeführerin brachte solche gewichtigen Gründe im Hinblick auf die Nahrungsmittelversorgung jedoch nicht substantiiert vor.
Die Feststellungen zur Rückkehrhilfe ergaben sich aus den Länderberichten.
Das Gericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich die Beschwerdeführerin nach anfänglichen Schwierigkeiten wieder in Kismayo niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann. Es ist für das Gericht weder ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin von der Nahrungsmittelknappheit betroffen wäre, noch, dass es dieser unmöglich wäre sich in Somalia - nach anfänglicher Unterstützung durch ihr familiäres Netzwerk und ihren Clan - selber durch eigene Arbeit zu erhalten.
2.4. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:
Die Feststellungen zum Leben der Beschwerdeführerin in Österreich (insbesondere zu Aufenthaltsdauer und -titel, ihren Deutschkenntnissen, den besuchten Deutschkursen, ihre fehlende Integration am Arbeitsmarkt, ihren Leistungsbezug aus der Grundversorgung, ihren familiären oder sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und ihrer Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage vergleiche insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem und die Information über die Wiederaufnahme in die Grundversorgung, OZ 14), auf die Angaben der Beschwerdeführerin sowie ihres Mannes in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VP römisch eins 7-8; VP römisch eins Sitzung 13 – 15; VP römisch II Sitzung 8; VP römisch II 13-14) sowie auf die von ihr im Verfahren vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da die Beschwerdeführerin in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten und nicht übersetzten Fragen teilweise verstanden und nur in Stichworten auf Deutsch beantwortet hat (VP römisch eins Sitzung 11).
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin keine Integrationsprüfung abgelegt hat, stützt sich darauf, dass sie in der mündlichen Verhandlung zwar behauptet hat, eine solche unterschrieben zu haben, jedoch weder sie, noch ihre Rechtsvertretung eine diesbezügliche Bestätigung vorlegen konnte (VP römisch II Sitzung 8).
Die Feststellung zu den gelegentlichen ehrenamtlichen Hilfstätigkeiten der Beschwerdeführerin stützt sich auf die von ihr vorgelegten Bestätigungen (Beilage ./F; Beilage ./H).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten
3.1.1. Paragraph 3, Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
Paragraph 3, (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.3. Es wurde weder eine Verfolgung der Beschwerdeführerin durch die Al Shabaab oder durch andere Personen noch eine begründete Furcht festgestellt. Auch eine Entführung und Ermordung des ersten Mannes der Beschwerdeführerin sowie die Ermordung ihres Vaters durch dieselben Männer, die auch sie entführt hätten, konnte nicht festgestellt werden. Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Vorfälle haben sich nicht ereignet. Weder die Beschwerdeführerin noch ihre Familie wurde jemals in Somalia bedroht. Es ist daher keine Verfolgung der Beschwerdeführerin und auch keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund erkennbar.
3.1.4. Da die Beschwerdeführerin, entgegen ihrem Vorbringen, nicht dem Minderheitenclan der Tumal, sondern einem Mehrheitsclan angehört, konnte auch keine konkrete individuelle Verfolgung der Beschwerdeführerin in Somalia aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit festgestellt werden.
3.1.5. Es konnte festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin kein Opfer familiärer häuslicher Gewalt in Somalia geworden ist.
3.1.6. Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Somalia haben sich zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle somalischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Somalias einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von solchen Einschränkungen und Diskriminierungen könnte bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere der Zugehörigkeit zu einem niederen Clan oder bei Fehlen eines sozialen oder familiären Netzwerkes, jedoch Asylrelevanz erreichen.
Die Beschwerdeführerin gehört entgegen ihren Angaben keinem Minderheits- sondern einem Mehrheitsclan an. Zudem verfügt die Beschwerdeführerin in Kismayo über ihre Eltern, ihre beiden Kinder, ihre Geschwister sowie über einen Großonkel mütterlicherseits, sodass die Beschwerdeführerin auch auf ein soziales und familiäres Netzwerk zurückgreifen kann. Es ist daher auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin in ein IDP-Lager müsste, da diese jedenfalls bei ihrer Familie Schutz, Unterkunft und Verpflegung vorfindet. Da die Beschwerdeführerin einem Mehrheitsclan angehört, kann sie auch auf den Schutz und die Unterstützung ihres Clans zurückgreifen. Es ist daher für die Beschwerdeführerin in Mogadischu Clanschutz vorhanden. Es liegt daher im gegenständlichen Fall keine individuelle Verfolgung der Beschwerdeführerin aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen vor.
Dass der Beschwerdeführerin eine sexuelle Ausbeutung durch die Al Shabaab droht, kann vor dem Hintergrund, dass sie eben in keinem IDP-Lager Unterschlupf suchen muss und sie auf den Schutz ihrer Familie und ihres Clans zurückgreifen kann, nicht erkannt werden. Zudem steht die Stadt Kismayo unter Kontrolle der Regierung.
3.1.7. Die Beschwerdeführerin hat seit ihrer Einreise nach Österreich im Jahr2014 keine Lebensweise angenommen, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Somalia darstellen würde. Infolgedessen verletzt die Beschwerdeführerin mit ihrer Lebensweise die herrschenden sozialen Normen in Somalia nicht in einem Ausmaß, dass ihr bei einer Rückkehr nach Somalia (unter Beibehaltung des derzeitigen Lebensstils) eine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde. Aufgrund der Kürze ihres Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihr in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin eine westliche Lebenseinstellung in einer sie in Somalia exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, durch welches Verhalten die Beschwerdeführerin in eine exponierte Lage geraten soll, sodass sie auf Grund ihres Lebensstils oder auf Grund ihres Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Somalia ausgesetzt wäre.
3.1.8. Es ist den Länderinformationen auch nicht zu entnehmen, dass Mädchen und Frauen alleine aufgrund des Merkmals der Beschneidung einer Verfolgung in Somalia ausgesetzt sind. Da in Somalia ca. 98% aller Frauen und Mädchen beschnitten sind, kann alleine auf Grund des Merkmals des Vorliegens der Beschneidung keine (Gruppen-)Verfolgung in Somalia erkannt werden.
Es besteht für die Beschwerdeführerin auch kein Risiko – gegen ihren Willen – in Somalia einer Reinfibulation ausgesetzt zu werden. Es gibt nach den beigezogenen Länderberichten in Somalia keinen Druck auf somalische Frauen, sich einer Reinfibulation zu unterziehen. Es handelt sich um eine persönliche Entscheidung der jeweiligen Frau. Die Gesellschaft hat kein Problem damit, wenn eine Defibulation nach einer Geburt bestehen bleibt.
3.1.9. Auch eine asylrelevante Verfolgung aufgrund der COVID-19-Situation konnte bei der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden. Diese ist derzeit nicht an COVID-19 erkrankt. Es gibt keine konkreten Hinweise darauf, dass diese bei einer Rückkehr tatsächlich an COVID-19 erkranken würde und ihr aus diesem Grund eine asylrelevante Verfolgung dort drohen würde.
3.1.10. Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Lage der Herkunftsregion der Beschwerdeführerin ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen.
Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion der Beschwerdeführerin erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
3.1.11. Im Ergebnis droht der Beschwerdeführerin aus den von ihr ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.
3.1.12. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten
3.2.1. Paragraph 8, AsylG lautet auszugsweise:
„Status des subsidiär Schutzberechtigten
Paragraph 8, (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
…“
3.2.2. Gemäß Artikel 2, Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573).
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).
Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird vergleiche EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).
Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der - Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Asylwerber nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen (VwGH vom 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134).
3.2.3. Die Beschwerdeführerin hat bis zum Alter von 14 Jahren in einer Siedlung neben der Stadt Kismayo gelebt. Die Beschwerdeführerin hat nach ihrer Heirat im Jahr 2009 bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2014 mit ihrer Familie in der Stadt Kismayo gelebt. Die Familie der Beschwerdeführerin wohnt immer noch in der Stadt Kismayo. Es ist daher die Stadt Kismayo als Herkunftsregion der Beschwerdeführerin zu betrachten. Die Stadt Kismayo stellt daher für die Beschwerdeführerin keine innerstaatliche Fluchtalternative, sondern den Herkunftsort dar.
3.2.4. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Somalia in im Hinblick auf die regional differenzierende Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Beschwerdeführerin kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts wieder in ihre Heimat Kismayo zurückkehren:
Was die Sicherheitslage betrifft, ist seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderfeststellungen anzuführen, dass Kismayo von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert wird. Kismayo kann hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Die Bevölkerung Kismayos ist stark gewachsen, es herrscht eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften. Das verhängte Waffentrageverbot wird umgesetzt. Die Kriminalität ist auf niederigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde. Daraus lässt sich somit schließen, dass die Polizei in Kismayo gut funktioniert. Die Al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv, Angriffe finden nur selten statt. Auch wenn die Unsicherheit wächst gilt Kismayo als ruhige und sichere Stadt. Zivilisten können sich in KIsmayo frei und relativ sicher bewegen. Kismayo und allgemein der Regierung von Jubaland wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der Regierung ist es gelungen eine Verwaltung zu etablieren. Die Stadt wird von Regierungskräften kontrolliert und ist von Al Shabaab umgeben. Al Shabaab ist allerdings nicht dazu in der Lage, entlang des Juba Richtung Kismayo vorzustoßen. Dennoch ist es der Al Shabaab möglich, punktuell auch in Kismayo Anschläge zu verüben.
Darüber hinaus ist Kismayo eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens sicher erreichbare Stadt.
Die Situation in Kismayo ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre vergleiche EGRM vom 10.09.2015 R.H. gegen Schweden, Nr. 4601/14). Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Im konkreten Fall ist nicht ersichtlich, dass exzeptionelle Umstände vorliegen würden, die eine Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Gegebenheiten in Kismayo hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage gemäß Artikel 3, EMRK unzulässig scheinen lassen.
Für die urbane Bevölkerung in Kismayo selbst gilt die IPC-Stufe 2 (stressed), für IDP Lager die IPC-Stufe 3 (crisis). Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der somalischen Bevölkerung in Kismayo dennoch zumindest grundlegend gesichert. Dabei wird auch berücksichtigt, dass es derzeit, bedingt durch die COVID-19 Pandemie in den Städten zu Ausgangsbeschränkungen kam, welche die Situation für Rückkehrer und Binnenvertriebene zusätzlich verschärfte. Der Arbeitsmarkt stagniert aufgrund der Covid-19-Beschränkungen weiterhin, insbesondere im Hinblick auf die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen, darunter die Binnenvertriebenen (IDPs). Bestimmte Zugangsbeschränkungen haben die Arbeitsmöglichkeiten von IDPs geschmälert. Viele IDPs, wie auch andere arme Menschen in Mogadischu, die ihr Einkommen zuvor mittels informeller Arbeit verdient haben, sind durch die Covid-19-Maßnahmen nun arbeitslos und können grundlegende Bedürfnisse, wie etwa den Kauf von Wasser, nicht mehr decken.
3.2.5. Wie festgestellt wurde, ist die Beschwerdeführerin im erwerbsfähigen Alter sowie gesund. Sie verfügt über eine vierjährige Schulbildung einer Koranschule und über Berufserfahrung als Reinigungskraft. Die Beschwerdeführerin hat den überwiegenden Teil ihres Lebens in Somalia, in bzw. in einer Siedlung neben Kismayo, verbracht, wodurch sie mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates vertraut ist. Zudem spricht die Beschwerdeführerin die Landessprache Somalias als Muttersprache. Die Beschwerdeführerin ist arbeits- und anpassungsfähig. Die Beschwerdeführerin gehört auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Die Beschwerdeführerin verfügt nach wie vor über Familienangehörige in Somalia, insbesondere in Kismayo. Die Beschwerdeführerin steht mit ihren Familienmitgliedern in Kontakt. Im Falle einer Rückkehr bekommt die Beschwerdeführerin - zumindest anfänglich – Unterstützung durch ihre Kernfamilie. Sie kann bei ihren Eltern und Geschwistern mit ihren Kindern wohnen und ist daher nicht gezwungen in einem IDP-Lager eine Unterkunft zu suchen und sich dort niederzulassen. Die Beschwerdeführerin kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Es ist daher für das Gericht nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in ein IDP-Camp müsste, da sie finanziell abgesichert ist und sie eine Wohnmöglichkeit außerhalb eines IDP-Camps finden kann. Zwar gestaltet sich die Rückkehr für Frauen schwieriger als für Männer. Eine Rückkehrerin ist demnach auf die Unterstützung eines Netzwerks angewiesen, das in der Regel enge Familienangehörige – geführt von einem männlichen Verwandten – umfasst und für alleinstehende Frauen ist es mitunter schwierig eine Unterkunft zu mieten oder zu kaufen. Die Beschwerdeführerin verfügt über ein solches Netzwerk sowie auch über zwei ältere männliche Verwandte. Auch hinsichtlich einer Unterkunft war von der Unterstützung durch ihre Familie auszugehen.
Die Beschwerdeführerin kann auch durch die Inanspruchnahme von österreichischer Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kismayo das Auslangen finden. Es ist deshalb auch nicht zu befürchten, dass sie bereits unmittelbar nach ihrer Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würde.
Der Beschwerdeführerin ist es daher aufgrund der dargelegten Umstände möglich, sich dort - etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass die Beschwerdeführerin in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.
3.2.5. Kein Fremder hat das Recht in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden. Dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielland gibt, ist es unerheblich ob die Behandlung dort nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK.
Solche außergewöhnlichen Umstände liegen vor, wenn ein Fremder bei einer Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, da eine tödliche Erkrankung in der Endphase vorliegt, im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar ist und zudem Grundbedürfnisse mangels Angehöriger nicht gesichert sind. Außergewöhnliche Umstände liegen auch dann vor, wenn anzunehmen ist, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH vom 25.09.2019, Ra 2018/19/0585; VwGH vom 18.10.2018, Ra 2018/19/0139; EGMR vom 13.12.2016, P./Belgien, 41738/10).
Eine Rückführung der Beschwerdeführerin nach Somalia stellt keine Verletzung nach Artikel 3, EMRK dar. Anlässlich einer Abschiebung wird von der Fremdenpolizeibehörde stets der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit der Fremden beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.
Auch unter Berücksichtigung der Covid-19 Pandemie ergibt sich hierzu keine andere Beurteilung. Dass die Beschwerdeführerin derzeit an einer Covid-19-Infektion leiden würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit Covid-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1%. Es fehlen daher bei einer Infektion mit Covid-19 die geforderten außergewöhnlichen Umstände im Sinn des Artikel 3, EMRK.
Es haben sich bei der Beschwerdeführerin zudem keine besonderen Immunschwächeerkrankungen oder sonstige lebensbedrohliche Erkrankungen ergeben. Sie ist gesund. Der Beschwerdeführer gehört daher keiner Risikogruppe an. Es wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht vorgebracht, dass sie wegen der der derzeitigen Covid-19-Pandemie besonders gefährdet oder einer Risikogruppe zugehörig wäre. Zwar litt die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit an einer Lymphknotentuberkulose, Rückenschmerzen und einer Wundheilstörung nach Entfernung eines Abszesses sowie an einer Gastritis. Diese Erkrankungen sind jedoch mittlerweile ausgeheilt und die Beschwerdeführerin ist, nach Angabe in der letzten mündlichen Verhandlung, gesund. Zudem handelte es sich bei keiner dieser Erkrankungen um lebensbedrohliche Erkrankungen.
In jedem Fall setzt eine durch die Lebensumstände im Zielstaat bedingte Verletzung des Artikel 3, EMRK aber eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr voraus. Die bloße Möglichkeit eines dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Nachteils reicht hingegen nicht aus, um Abschiebungsschutz zu rechtfertigen (VwGH vom 06.11.2009, 2008/19/0174). Nach der derzeitigen Sachlage wäre daher eine mögliche Ansteckung der Beschwerdeführerin in Somalia mit Covid-19 und ein diesbezüglicher außergewöhnlicher Krankheitsverlauf allenfalls spekulativ. Eine reale und nicht auf Spekulationen gegründete Gefahr ist nicht zu erkennen.
Die Beschwerdeführerin hat auch nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass gerade ihr im Falle einer Rückführungsmaßnahme eine Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 19.0.2017, Ra 2017/19/0095).
Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation der Beschwerdeführerin ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass sie im Fall ihrer Abschiebung nach Somalia und einer Ansiedlung in der Stadt Kismayo in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung ihrer durch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Es liegen keine exzeptionellen Gründe vor, die einer Ansiedlung in der Stadt Kismayp entgegenstehen würden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin eine Ansiedlung in der Stadt Kismayo möglich und auch zumutbar ist.
Zudem ist die Versorgung der Beschwerdeführerin in Kismayo abgesichert, da sie dort auf familiäre Unterstützung ihrer Eltern, fünf Geschwister sowie ihres Onkels und auf die Unterstützung ihres Clans zurückgreifen kann.
Betreffend die Familienangehörigen der Beschwerdeführerin wurden seit der Ausreise der Beschwerdeführerin aus Somalia keine existenziellen Schwierigkeiten geltend gemacht und die Beschwerdeführerin musste ihre Familie auch in den letzten Jahren nicht finanziell unterstützen. Diese wurde lange Zeit von einer Tante mütterlicherseits unterstützt, die ihnen auch eine Hütte gebaut hat. Zwar verstarb eine Schwester der Beschwerdeführerin nach ihren Angaben, weil sie verhungert und verdurstet war und Cholera gehabt habe. Die Beschwerdeführerin gab allerdings explizit an, dass dieses Problem nur diese eine Schwester betroffen habe, den Rest der Familie aber nicht. Da sie im Verfahren auch angab, dass die Familie ein gutes Leben geführt habe, ist davon auszugehen, dass ihre Schwester an einer Erkrankung, wie die von der Beschwerdeführerin genannte Cholera, verstorben ist. Bei einer Rückkehr muss die Beschwerdeführerin daher nicht für die Existenz ihrer Familie sorgen, so dass diesbezüglich keine wirtschaftliche Erschwernis für sie bei einer Rückkehr gegeben ist.
Es ist daher - auch unter Berücksichtigung der derzeitigen Covid-19-Pandemie und der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in Kismayo - kein Grund für die Annahme einer Verletzung von Artikel 3, EMRK gegeben.
3.2.6. Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.
3.3. Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides – Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG
3.3.1. Paragraph 57, AsylG lautet auszugsweise:
„Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, …,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
…“
3.3.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführerin weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch die Beschwerdeführerin Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, FPG wurde. Weder hat die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
3.3.3. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher teilweise als unbegründet abzuweisen.
3.4. Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides - Rückkehrentscheidung
3.4.1. Paragraph 52, Fremdenpolizeigesetz (FPG), Paragraph 9, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG), und Paragraphen 58, Absatz 2 und 52 AsylG lauten auszugsweise:
„Rückkehrentscheidung (FPG)
Paragraph 52, …
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn,
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird,
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
…“
„Schutz des Privat- und Familienlebens (BFA-VG)
Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
…“
„Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln
Antragstellung und amtswegiges Verfahren (AsylG)
Paragraph 58, …
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
…“
„Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK (AsylG)
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn,
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
…“
3.4.2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.
Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen vergleiche VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198; VwGH vom 25.01.2018 Ra 2017/21/0218).
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt vergleiche dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Artikel 8 ;, Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vergleiche auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Artikel 8, EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt vergleiche Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt eine Rückkehrentscheidung, die zwangsläufig zu einer Trennung eines Kleinkindes von Mutter oder Vater (die in Lebensgemeinschaft leben) führt, in jedem Fall eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls dar. Kontakte der Mutter über Telefon oder E-Mail können das nicht wettmachen (VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0108 mwN).
3.4.3. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung würde unverhältnismäßig in die Rechte der Beschwerdeführerin gemäß Artikel 8, EMRK eingreifen:
Der minderjährige Sohn sowie der Partner der Beschwerdeführerin, mit dem sie traditionell verheiratet ist, leben in Österreich und sind in Österreich asylberechtigt. Die Beschwerdeführerin lebt mit den beiden in einem Haushalt zusammen. Die Beschwerdeführerin ist Obsorgeberechtigte für ihren Sohn. Dieser ist etwas über ein Jahr alt und daher noch besonders auf seine Mutter angewiesen, die somit die wichtigste Bezugsperson für das minderjährige Kind ist. Es ist daher insbesondere auf das Kindeswohl des minderjährigen Sohnes der Beschwerdeführerin abzustellen. Es wäre für das Kindeswohl des minderjährigen Sohnes der Beschwerdeführerin jedenfalls schädlich, ihn von der Beschwerdeführerin zu trennen. Aufgrund des Alters des Kindes kann der Kontakt jedenfalls nicht ausschließlich über E-Mail oder Telefon aufrechterhalten werden. Eine räumliche Trennung der Beschwerdeführerin von ihrem Sohn wäre daher für das Kindeswohl schädlich.
Die zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn bestehende Bindung stellt daher ein schützenswertes Familienleben iSd Artikel 8, EMRK dar. Im Hinblick auf die Judikatur des EGMR würde im Falle einer Rückkehrentscheidung für die Beschwerdeführerin daher ein Eingriff in ihr Familienleben mit ihrem minderjährigen Sohn vorliegen. Die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens würden auf Umständen beruhen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind, da dem Sohn der Beschwerdeführerin in Österreich der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Da die Beschwerdeführerin nicht vorbestraft ist und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, stehen diesbezügliche öffentliche Interessen dem schützenswerten Familienleben nicht entgegen.
3.4.4. Der Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides war daher betreffend die vom Bundesamt erlassene Rückkehrentscheidung und hinsichtlich dem Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung sattzugeben und festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
3.4.5. Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig erklärt wird.
Paragraph 55, AsylG und Paragraph 9, Absatz 4, Integrationsgesetzt (IntG) lauten wie folgt:
„Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn,
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017,, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“
„Modul 1 der Integrationsvereinbarung
Paragraph 9 …,
(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß Paragraph 11, vorlegt,
Anmerkung, Ziffer 2, aufgehoben durch Art. römisch III Ziffer 15,, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 41 aus 2019,)
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des Paragraph 64, Absatz eins, Universitätsgesetz 2002, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 120 aus 2002,, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4.einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß Paragraph 41, Absatz eins, oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß Paragraph 43 a, NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins bis 3 Kunstförderungsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 146 aus 1988,, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
…“
Die Beschwerdeführerin geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach. Sie hat die ÖSD Prüfung auf dem Niveau A1 bestanden aber keine Prüfung auf dem Niveau A2 positiv absolviert. Sie hat weder eine Integrationsprüfung abgelegt noch eine Integrationsvereinbarung unterschrieben.
Da im konkreten Fall die Voraussetzungen des Paragraph 55, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG nicht vorliegen war, gemäß Paragraph 55, Absatz 2, dem Erstbeschwerdeführer eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Gemäß Paragraph 54, Absatz 2, AsylG ist diese für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.
3.5. Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides:
Auf Grund der Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung“ war der Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos - gemäß Paragraph 28, Absatz eins und 2 VwGVG vergleiche VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162) - zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
ECLI:AT:BVWG:2021:W251.2162101.2.00