Bundesverwaltungsgericht
29.12.2020
L525 2168824-3
L525 2168824-3/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA: Pakistan, vertreten durch DDr. Rainer Lukits, LL.M, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6.11.2020, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer – ein pakistanischer Staatsbürger – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 29.7.2014 eine Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde zunächst durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 28.7.2017 abgewiesen und wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen mit dem Auftrag binnen 14 Tagen das Bundesgebiet zu verlassen. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche mit dem hg Erkenntnis vom 26.8.2020, Zl. L506 2168824-1 vollinhaltlich abgewiesen wurde.
Der Beschwerdeführer verblieb weiterhin im Bundesgebiet.
Mit Schreiben vom 16.9.2020 übermittelte das BFA dem Beschwerdeführer einen Fragenkatalog und informierte den Beschwerdeführer, dass beabsichtigt sei eine neuerliche Rückkehrentscheidung zu erlassen und ein Einreiseverbot zu verhängen. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung eine Stellungnahme abzugeben.
Mit Mandatsbescheid vom 16.9.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 57, AVG in Verbindung mit Paragraph 56, FPG aufgetragen sich bis zur freiwilligen Ausreise beginnend ab dem 24.9.2020 jeden zweiten Tag zwischen 08:00 und 12:00 Uhr bei einer näher bezeichneten Polizeiinspektion zu melden. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Vorstellung, woraufhin die belangte Behörde mit Bescheid vom 2.11.2020 den Mandatsbescheid bestätigte und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß Paragraph 13, VwGVG aberkannte. Das Verfahren ist unter der hg Zahl L525 2168824-2 anhängig.
Ein HRZ wurde am 19.10.2020 bei der pakistanischen Botschaft in Wien beantragt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6.11.2020 erteilte das BFA keinen Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch II.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.) und wurde gemäß Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 2, Ziffer 6, FPG ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht erlassen (Spruchpunkt römisch fünf.) und wurde der Beschwerde gemäß Paragraph 18, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das BFA aus, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger von Pakistan, außerdem sei er gesund. Der Beschwerdeführer sei illegal in das Bundesgebiet eingereist und sei der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesenen worden. Der Beschwerdeführer sei nicht rückkehrwillig, er sei nicht vorbestraft, er habe bis dato keine Schritte unternommen der aufgetragenen Ausreise Folge zu leisten. Seit der Rechtskraft des Bescheides des BFA (offenbar gemeint: seit dem hg Erkenntnis vom 26.8.2020) habe sich das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers nicht nennenswert verändert. Der Beschwerdeführer habe seinen Aufenthalt größenteils durch Inanspruchnahme von öffentlichen Geldern finanziert. Der Beschwerdeführer habe nicht nachweisen können im Besitz von derartigen Mitteln zu sein um seinen Unterhalt in Österreich aktuell oder in Zukunft zu bestreiten. Der Beschwerdeführer gehe auch keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit einer Stellungnahme nicht genutzt. Eine berücksichtigungswürdige Integration habe nicht festgestellt werden können bzw. habe sich das Privat- und Familienleben seit dem Erkenntnis des BVwG im August 2020 nicht wesentlich geändert. Der Beschwerdeführer stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weshalb ein Einreiseverbot zu verhängen war und die aufschiebende Wirkung werde aberkannt.
Der Beschwerdeführer erhob durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde führte zunächst an, dass die Integrationsleistungen des Beschwerdeführers nach seinem sechsjährigen Aufenthalt überdurchschnittlich seien. So habe der Beschwerdeführer sehr beachtliche Deutschkenntnisse erworben und bereits im Jahr 2016 eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 mit gut bestanden. Die Beschwerde verwies dabei auf ein A2 Zertifikat vom 7.9.2016, welches auf AS 309 des Asylaktes liege. Im Wintersemester 2016/2017 habe der Beschwerdeführer einen B1 Kurs an der Uni Salzburg erfolgreich abgeschlossen (Kursbestätigung auf AS 297 des Aslylaktes). Einen Spracheinstufungstest im Juni 2020 habe beim Beschwerdeführer Sprachkenntnisse auf B2 Niveau ergeben vergleiche Asylakt, Zertifikat Sprachkenntnis Deutsch Level B2 vom 9.6.2020 bzw. Beilage 3 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020: offenbar gemeint: im Verfahren L506 2168824-1). Der Beschwerdeführer habe in der zweiten Jahreshälfte 2019 Gewerbeberechtigungen erworben (Asylakt, Beilage 4 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer habe für seine Tätigkeit äußerst engagiert Werbung gemacht (Asylakt, Beilage 5 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020 bzw. offenbar ein Schreiben der Frau des Vertreters vom 31.5.2020) und hätte der Beschwerdeführer auch mehrere Interessenten gefunden. Im Juli 2020 habe der Beschwerdeführer für den Monat August 2020 auf Leistungen aus der Grundversorgung verzichtet. Der Beschwerdeführer habe sich auf in einem näher bezeichneten Geschäft in Salzburg bzw. für eine Saisonarbeit in einem Hotel beworben (Asylakt, Beilage 8 bzw. Beilage 6 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer wäre sofort selbsterhaltungsfähig im Falle einer Aufenthaltsberechtigung. Der Beschwerdeführer habe mehrmals gemeinnützige Leistungen im Umfang von mindestens 225 Stunden erbracht (Asylakt AS 327, 329, 331, 341, 357, 361). Auch für die Stadt Salzburg habe der Beschwerdeführer bereits zweimal gemeinnützige Leistungen im Umfang von insgesamt 193 Stunden (Asylakt, Beilage 9 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Auch im August sei der Beschwerdeführer abermals einer gemeinnützigen Beschäftigung zugeteilt worden (Asylakt, Beilage 10 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer werde von seinem Quartiergeber als das beste Beispiel im Haus bezeichnet und habe der Beschwerdeführer etwa freiwillige geputzt, übersetzt und auch andere Asylwerber zum Arzt begleitet (Asylakt AS 333). ER habe auch bei der Reparatur von Fahrrädern geholfen (Asylakt AS 335). Auch die Rechtsberatung beim VMÖ habe er unentgeltlich unterstützt und habe er alte Menschen im Seniorenheim besucht (Asylakt, Beilage 12 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer habe sich auch in der Coronakrise nützlich gemacht und habe sich beim LKH Salzburg als freiwilliger Helfer bei den Zugangskontrollen angeboten (Asylakt, Beilage 12 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer habe an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen (Asylakt, Beilage 14 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020) und habe der Beschwerdeführer auch feste Freundschaften geschlossen (Asylakt, Beilagen 11, 12, 15 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer sei auch der einzige Mandant des Vertreters, mit welchem dieser eine „echte Freundschaft“ verbinde. Auch aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in seinem Herkunftsland und der sehr langen Aufenthaltsdauer müsse eine Interessensabwägung im vorliegenden Fall zugunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Außerdem sei bereits eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen worden. Der gegenständlichen Rückkehrentscheidung stehe der Einwand der entschiedenen Sache entgegen. Außerdem sei der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten und komme seiner aufgetragenen polizeilichen Meldung nach, eine Fluchtgefahr bestehe nicht. Auch der Rückkehrberatung sei der Beschwerdeführer bis dato immer nachgekommen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei daher nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und bestätigte das erkennende Gericht mit Mail vom 29.12.2020, dass die Beschwerde und die Akten des Verfahrens vollständig am 29.12.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt sind.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer spricht gut Deutsch und hat ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A2 erworben. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Juli 2014 im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer verfügte nie über ein anderes Aufenthaltsrecht als aufgrund seines Asylantrages. Der Beschwerdeführer hat einen Werte- und Orientierungskurs besucht, der Beschwerdeführer verfügt über mehrere Unterstützungsschreiben und leistete verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten. Der Beschwerdeführer verfügt seit Oktober 2019 über eine Gewerbeberechtigung für Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen und er verfügt über eine Einstellungszusage. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig, geht keiner Beschäftigung nach und hat den Großteil seines bisherigen Aufenthaltes Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Der Beschwerdeführer pflegt ein reges Sozialleben, jedoch ist dies auch dem mittlerweile sechsjährigen Aufenthalt in Österreich geschuldet. Der Beschwerdeführer setzte Integrationsbemühungen, wie etwa seine gemeinnützige Tätigkeit vom 3.7.2017 bis zum 11.8.2017 im Ausmaß von insgesamt 115 Stunden, vom 2.3.2020 bis zum 16.3.2020 im Ausmaß von 78 Stunden, sowie vom 3.8.2020 bis zum 21.8.2020 im Ausmaß von 120 Stunden. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer wurde in diversen Empfehlungsschreiben als gewinnend, positiv, hilfsbereit, aufgeschlossen, lernwillig und kinderlieb beschrieben. Besondere Tatsachen, die ein überdurchschnittliches Engagement zur Integration gezeigt hätte, liegen im Fall des Beschwerdeführers nicht vor. Das Asylverfahren wurde mit hg. Erkenntnis vom 26.8.2020, Zl. L506 2168824-1 als unbegründet abgewiesen und wurde die Rückkehrentscheidung samt 14 tägiger Frist für die freiwillige Ausreise bestätigt. Eine außergewöhnliche und damit berücksichtigungswürdige Integration stellte das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 26.8.2020 nicht fest und zwar weder in sprachlicher, noch beruflicher noch gesellschaftlicher Hinsicht. Der Beschwerdeführer reiste nicht freiwillig aus, sondern verblieb weiterhin im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer ist nicht rückkehrwillig und setzte bis dato keine Schritte seine Ausreise zumindest vorzubereiten. Der Beschwerdeführer kommt seiner Meldeverpflichtung bei der PI Salzburg Hauptbahnhof nach. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandten in Österreich oder lebt mit sonst ihm nahestehenden Personen zusammen. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers befindet sich in Pakistan.
Der Beschwerdeführer erstattete in der Beschwerde keinerlei neues Tatsachenvorbringen, welches seit dem hg Erkenntnis vom 26.8.2020, Zl. L506 2168824-1 entstanden wäre. Sämtliche in der Beschwerde vorgetragenen integrativen Schritte bestanden bereits zum Zeitpunkt der gerade angeführten Entscheidung vom 26.8.2020, wurden auch dort angeführt und im Vorverfahren auch entsprechend berücksichtigt.
1.2. Länderfeststellungen:
Sämtliche Länderfeststellungen entstammen aus dem angefochtenen Bescheid und wurden von dort übernommen.
1. Sicherheitslage
Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vergleiche USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vergleiche AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).
Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).
Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vergleiche EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).
Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vergleiche BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).
Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vergleiche PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vergleiche Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).
Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).
Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).
Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):
Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).
Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vergleiche UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vergleiche Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..
Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).
Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die „korrigierende religiöse Bildung“, Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).
Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).
Quellen:
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
● BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich (27.3.2019): Reiseinformation Pakistan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/pakistan/, Zugriff 3.4.2019
● Dawn (8.4.2019): India-Pakistan conflict: Experts warn of harmful implications, https://www.dawn.com/news/1474645/india-pakistan-conflict-experts-warn-of-harmful-implications, Zugriff 8.4.2019
● Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 3.4.2019
● Dawn (29.5.2018): Fata’s historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019
● DW – Deutsche Welle (28.2.2019): Opinion: India, Pakistan, and the remote but real threat of nuclear war, https://www.dw.com/en/opinion-india-pakistan-and-the-remote-but-real-threat-of-nuclear-war/a-47721752, Zugriff 8.4.2019
● EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
● EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019
● PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (9.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 9.4.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019
● Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019
● Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019
● Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019
● Standard, der (2.4.2019): Pakistan meldet mehrere Tote nach Beschuss aus Indien, https://derstandard.at/2000100638494/Pakistan-meldet-mehrere-Tote-nach-Beschuss-aus-Indien-in-Kaschmir, Zugriff 3.4.2019
● Time (28.2.2019): From Suicide Bombing to Captured Pilot: A Timeline of the Latest Crisis in Kashmir, http://time.com/5541090/india-pakistan-2019-tensions-timeline/, Zugriff 2.4.2019
● UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (7.3.2019): Foreign travel advice – Pakistan, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/pakistan, Zugriff 3.4.2019
● USDOS – US Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444941.html, Zugriff 2.4.2019
1.1. Khyber Pakhtunkhwa
Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Distrikte (PBS 2017d) und sieben Tribal Districts unterteilt (Dawn 31.5.2018). Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) wurden Ende Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert (AA 1.2.2019a). Die sieben Tribal Districts Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan waren bis 31. Mai 2018 Agencies der FATA (FRC 15.1.2019; vergleiche PBS 2017d, Dawn 31.5.2018). Die bis 31.5.2018 bestehenden Frontier Regions der FATA wurden als Subdivisions in die bestehenden Distrikte Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank eingegliedert (Dawn 31.5.2018; vergleiche PBS 2017d).
Laut Zensus 2017 hat die Provinz [im Gebietsstand ab 1.6.2018] ca. 35,5 Millionen Einwohner, wovon ca. fünf Millionen auf dem Gebiet der ehemaligen FATA leben. Die Hauptstadt Peschawar hat 4,3 Millionen Einwohner (PBS 2017d).
2009 begann die pakistanische Armee mit einer Reihe militärischer Einsätze gegen Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) in Khyber Pakhtunkhwa. Diese Offensive war gekennzeichnet durch Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Verhaftungen. Die militärischen Einsätze gegen Aufständische trugen auf lange Sicht zu mehr Sicherheit in der Provinz bei (EASO 10.2018 S 67); auch auf dem Gebiet der ehem. FATA hat sich die Lage verbessert und viele Gebiete sind von Aufständischen geräumt worden (EASO 10.2018 S 82; vergleiche FRC 15.1.2019). In den ehemaligen FATA konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018; vergleiche FRC 15.1.2019), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018).
Dennoch bleibt die Bedrohung durch Gewalttaten der TTP weiter aufrecht. Zahlreiche Taliban-Fraktionen konnten ihre Netzwerke auf afghanischer Seite der Grenze wieder herstellen und sind in der Lage, terroristische Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten in den Tribal Districts Nord- und Süd-Wasiristan durchzuführen (FRC 15.1.2019; vergleiche AA 21.8.2018). Andere Gruppen, die zur Instabilität in den Stammesdistrikten beitragen und ebenfalls grenzüberschreitend von Afghanistan aus operieren, sind der Islamische Staat, die Wazir- und Mahsud-Taliban, Lashkar-e-Islam und Tauheed-ul-Islam (FRC 15.1.2019). In Süd-Wasiristan wurde eine bewaffnete Gruppe, die als „gute Taliban“ bezeichnet wird, zu einer staatlich gestützten Miliz (EASO 10.2018 S 82). Eine lokale Talibangruppe um Mullah Nazir aus Nord-Wasiristan, die ebenfalls als „gute Taliban“ bezeichnet wurde, ist jetzt unter dem Deckmantel eines Friedenskommittees tätig und bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement (PTM, siehe auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) (PIPS 7.1.2019 S 75).
Als Folge der Mitte 2014 begonnenen Militäroperation Zarb-e-Azb, die sich im Wesentlichen auf das Gebiet der ehem. FATA konzentrierte, mussten rund 1,4-1,8 Mio. Menschen ihre Wohngebiete verlassen und galten seither als IDPs (ÖB 10.2018; vergleiche AA 21.8.2018). Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an Infrastruktur und privatem Eigentum, ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 21.8.2018; vergleiche Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).
Gegen die Ausdehnung des Rechtssystems auf die Tribal Districts gibt es starken Widerstand der Stammeseliten. Ebenso besteht Widerstand gegen die Finanzierung des infrastrukturellen und institutionellen Aufbaus von Gerichten und anderen Behörden (FRC 15.1.2019; vergleiche Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).
Nach der Aufnahme der Stammesgebiete in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa begann die Polizei gemeinsam mit den paramilitärischen Einheiten in den ehem. Stammesgebieten tätig zu werden. Die Provinzpolizei ist im Prozess der Aufnahme und der Ausbildung zusätzlichen Personals, um die Präsenz auf das gesamte Gebiet der ehem. FATA auszudehnen (USDOS 13.3.2019). Es gibt jedoch großen Widerstand gegen die Auflösung paramilitärischer Einheiten, die bis zur Eingliederung der FATA in die Provinz KP dort tätig waren und die Übernahme deren Personals in die Provinzpolizei (FRC 15.1.2019).
Die militärische Führung hat durch Zugangssperren u.a. zu Teilen von Khyber Pakhtunkhwa, sowie durch Aufforderungen zur Selbstzensur mittels direkter und indirekter Einschüchterungsmethoden auf unauffällige, jedoch sehr effektive Art, die Berichterstattung beschränkt (ÖB 10.2018). Es gibt Hinweise, dass nicht alle Zwischenfälle gemeldet werden, da Journalisten und Blogger Selbstzensur betreiben (EASO 10.2018 S 13).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Khyber Pakhtunhkwa 29 terroristische Angriffe mit 16 Todesopfern. Von diesen fanden 15 Anschläge mit drei Todesopfern auf dem Gebiet der ehemaligen FATA statt. 14 Anschläge zielten auf die staatlichen Sicherheitskräfte und acht auf Zivilisten. Unter den Toten waren zwölf Sicherheitskräfte und vier Zivilisten. Insgesamt zehn der 29 Vorfälle mit insgesamt zwei Toten entfielen auf den Tribal District Nord-Wasiristan. Für einen Großteil der Anschläge waren die Taliban verantwortlich (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Bei einem Angriff der Indischen Luftwaffe nahe Balakot im Februar 2019 kamen keine Menschen zu Schaden (PIPS 7.3.2019). Dies war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019).
Im Jahr 2018 war Khyber Pakhtunkhwa die Provinz, die von der höchsten Zahl terroristischer Angriffe betroffen war, wobei es im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang der Anzahl der Anschläge um 19 Prozent und Rückgänge bei der Zahl der Todesopfer und Verletzten um 43 bzw. 46 Prozent gab. Insgesamt wurden bei 125 terroristischen Anschlägen 196 Personen getötet und 376 Personen verletzt. Davon wurden 75 Anschläge mit 116 Todesopfern und 194 Verletzten in den sieben Tribal Districts verzeichnet (PIPS 7.1.2019 S 36).
Die Sicherheitslage im Tribal District Nord-Wasiristan war 2018 am volatilsten (FRC 15.1.2019). Die höchste Zahl an Anschlägen wurden in den Distrikten Nord-Wasiristan (33; 44 Tote), Dera Ismail Khan (18; 19 Tote), Peschawar (12; 28 Tote), Bannu (11; 10 Tote), Khyber (11; 7 Tote), Süd-Wasiristan (10; 9 Tote) und Bajaur (10; 8 Tote) registriert. Insgesamt wurde in 18 Distrikten, darunter in allen sieben Tribal Districts, Terroranschläge registriert (PIPS 7.1.2019 S 36).
Weiters waren im Jahr 2018 13 operative Schläge der Sicherheitskräfte sowie sechs bewaffnete Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen zu verzeichnen. Zudem fanden 15 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan statt, vorwiegend von pakistanischen Talibanmitgliedern, die sich dorthin zurückgezogen hatten, und es gab sechs Fälle von politischer bzw. wahlbezogener Gewalt (PIPS 7.1.2019 S 35-36).
Insgesamt 62, d.h. die Hälfte aller terroristischen Angriffe in Khyber Pakhtunkhwa, hatten im Jahr 2018 Sicherheitskräfte zum Ziel. Bei diesen Angriffen wurden 63 Sicherheitskräfte, zwölf Aufständische und zwei Zivilisten getötet. Im Vergleich zum Vorjahr fanden deutlich weniger High-Profile-Angriffe auf Sicherheitskräfte statt (PIPS 7.1.2019 S 36-37). Bei 27 gezielten Angriffen auf Zivilisten, die vorwiegend in den Tribal Districts stattfanden, wurden 28 Personen getötet; der deutliche Rückgang der Opferzahlen im Vergleich zum Vorjahr (130 zivile Todesopfer bei 32 Anschlägen auf Zivilisten 2017) lässt darauf schließen, dass es sich vorwiegend um Angriffe niederer Intensität handelte (PIPS 7.1.2019 S 38).
Es gab elf politisch motivierte terroristische Anschläge, die vorwiegend durch die Taliban verübt wurden, bei denen 34 Menschen ums Leben kamen. Im Vorfeld der Wahlen kam es im Juli 2018 in Peschawar zu einem Selbstmordanschlag auf eine politische Veranstaltung, bei dem 21 Menschen ums Leben kamen. Bei fünf konfessionell motivierten Anschlägen kamen 40 Personen ums Leben; alleine bei einem Anschlag in Orakzai durch den Islamischen Staat im November 2018 kamen 35 Personen, darunter ca. 25 Schiiten, ums Leben (PIPS 7.1.2019 S 39-40, 54).
Im Jahr 2017 wurden von PIPS 154 terroristische Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa registriert, bei denen 344 Personen getötet wurden. Von diesen fanden 83 Anschläge mit 253 Todesopfern auf dem Gebiet der damals noch existenten FATA statt. Im Tribal District Kurram (damals: Kurram Agency) kamen bei elf Terrorangriffen insgesamt 154 Menschen ums Leben (PIPS 7.1.2018).
Quellen:
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
● Dawn (29.5.2018): Fata’s historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019
● Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.com/news/1411061, Zugriff 26.2.2019
● EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
● FRC – FATA Research Center (15.1.2019): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual Security Report 2018, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2019/01/1-Revied-Draft-of-Security-Report-2018-converted-final.pdf, Zugriff 26.2.2019
● ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]
● PBS – Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 26.3.2019
● PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (10.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 10.4.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019
● Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019
● USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
2. Rechtsschutz / Justizwesen
Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019). Die pakistanische Verfassung und die Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 10.2018).
Der Aufbau des Justizsystems ist in der Verfassung geregelt. Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht und kann sich in Fällen von öffentlichem Interesse auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen. Die fünf High Courts (je einer pro Provinz und im Islamabad Capital Territory) fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll (ÖB 10.2018).
Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court, der zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen werden und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in – Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden – Teilen entschärft wurden (ÖB 10.2018).
Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Der Supreme Court und die High Courts gelten als chronisch überlastet (ÖB 10.2018).
Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).
Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019).
Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).
Zivile Streitigkeiten, insbesondere wegen Eigentum und Geld, sind ein häufiger Grund für Mordfälle in Pakistan. Die oftmals Jahrzehnte dauernden Verzögerungen bei Urteilen durch Zivilgerichte können zu außergerichtlicher Gewaltanwendung zwischen den Streitparteien führen (JPP 4.10.2018). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für normale Pakistaner kaum eine Rolle (AA 21.8.2018). Vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans bestehen informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen und die oft Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben (USDOS 13.3.2019; vergleiche ÖB 10.2018). Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gemäß Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas - PATA, und Federally Administered Tribal Areas - FATA; vergleiche Artikel 246, der Verfassung). Mit Ende Mai 2018 wurden die Stammesgebiete durch die 31. Verfassungsänderung v.a. in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert, wodurch das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem nach einer zweijährigen Übergangsfrist auf FATA und PATA ausgeweitet werden soll (ÖB 10.2018; vergleiche Dawn 31.5.2018). Außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2018). Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf den Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht stehende Zivilisten zu prozessieren (USDOS 13.3.2019; vergleiche News 19.1.2019). Für mehr Informationen zu den Militärgerichten siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.
Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann auf öffentliche Kosten ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 13.3.2019).
Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019). Für mehr Informationen zu Blasphemiegesetzen siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.
Auf dem Index des „World Justice Project“ zur Rechtsstaatlichkeit 2019 rangiert Pakistan auf Platz 117 von 126; gemäß Bereinigung um die 13 im Vergleich zum Vorjahr hinzugefügten Staaten würde das eine Verschlechterung um einen Rang darstellen (WJP 2019).
Quellen:
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan--innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
● Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.com/news/1411061, Zugriff 26.2.2019
● JPP – Justice Project Pakistan (4.10.2018): Counting the Condemned – Data Analysis of Pakistan’s Use of the Death Penalty, https://www.jpp.org.pk/wp-content/uploads/2018/10/2018_10_04_Counting-the-Condemned-Final.pdf, Zugriff 26.2.2019
● News, the (19.1.2019): Decision on military courts’ extension rests with parliament: DG ISPR, https://www.thenews.com.pk/latest/420639-decision-on-military-courts-extension-rests-with-parliament-dg-ispr, Zugriff 26.2.2019
● ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]
● USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
● WJP - World Justice Project (2019): Rule of Law Index 2019, https://worldjusticeproject.org/sites/default/files/documents/WJP-ROLI-2019-Single%20Page%20View-Reduced_0.pdf, Zugriff 8.4.2019
3. Sicherheitsbehörden
Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht (AA 21.8.2018), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.), militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO 10.2018) sowie den Geheimdiensten (AA 21.8.2018).
Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt (AA 21.8.2018). Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing - CTWI) (AA 21.8.2018).
Im Wesentlichen ist die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung Aufgabe der Provinzen, die über eigene Polizeieinheiten verfügen (Noureen/Sarfraz 2016; vergleiche AA 21.8.2018). Gegenüber den Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 21.8.2018). Die lokalen Einheiten der Provinzpolizei unterstehen dem District Nazim [~Bezirkshauptmann] (Noureen/Sarfraz 2016)
Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 21.8.2018). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des ISI gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).
Frontier Corps (FC) und Rangers sind militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und der Grenzsicherung. Der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen die Folter (UNCAT) ist der Ansicht, dass die FC an außergerichtlichen Tötungen und dem Verschwinden von Menschen beteiligt ist. Im April 2018 hat die Regierung in Sindh beschlossen, „die besonderen Befugnisse zur Polizeiarbeit“ für die Rangers in Sindh auszuweiten und ihren Einsatz und ihr Mandat zur Durchführung von „Operationen gegen militante Flügel, Erpresser, Auftragsmörder und aufständische Kämpfer“ in Karatschi zu verlängern (EASO 10.2018).
In Khyber Pakhtunkwa und den [ehem.] FATA setzen die pakistanische Armee und die Polizei mitunter illegale Milizen, sogenannte „Lashkars“, zur informellen Strafverfolgung ein. Berichten zufolge wenden sie willkürlich Gewalt an, zerstören Häuser, die mutmaßlichen Taliban und ihren Familien gehören, nehmen willkürliche Verhaftungen vor und führen rechtswidrige Tötungen durch. Die Regierung der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hat beschlossen, ihre Finanzierung einzustellen. Dem NAP zufolge werden die Lashkars aufgelöst (EASO 10.2018). Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 13.3.2019).
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 21.8.2018).
Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise Ahmadis, Christen, Schiiten und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu bieten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Einzelne lokale Behörden demonstrierten die Fähigkeit und den Willen, unter großer eigener Gefährdung Minderheiten vor Diskriminierung und Mob-Gewalt zu schützen (USDOS 13.3.2019).
Es gibt weiterhin Berichte, dass Sicherheitskräfte in Menschenrechtsverletzungen involviert sind, darunter Folter und andere Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Exekutionen und Verschwindenlassen. Diese bleiben aufgrund des Fehlens unabhängiger und unparteiischer Mechanismen, um gegen die Täter zu ermitteln und sie vor Gericht zu stellen, straflos (AI 21.2.2018). Berichten zufolge werden von einigen Einheiten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass viele paschtunische Aktivisten sowie Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan verschwanden oder grundlos verhaftet wurden (USDOS 13.3.2019).
Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 13.3.2019).
Im November 2018 wurde mit Unterstützung der USA ein modernes Trainingszentrum der Polizei eröffnet, um die Ausbildung von Führungskräften zu verbessern (USEC 27.11.2018). Im Jahr 2018 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge im Bereich Menschenrechte und Flüchtlingsrechte für ca. 200 Polizeibeamte in verschiedenen Städten von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) durchgeführt (SHARP 29.12.2018).
Quellen:
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
● AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018
● EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
● Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019
● MoD – Government of Pakistan – Ministry of Defense (o.D.): Ministry Overview, http://www.mod.gov.pk/, Zugriff 14.5.2019
● Noureen, Asima; Sarfraz, Zaigham (2016): Structural Organization of Police: Official Record of the Government of Pakistan Based on Cabinet Division and Secretariat, in: JPUHS - Journal of Punjab University Historical Society, Vol.29, No.2, July-December, 2016, http://pu.edu.pk/images/journal/HistoryPStudies/PDF-FILES/4-v29_2_16.pdf, Zugriff 9.4.2019.
● SHARP - Society for Human Rights and Prisoners' Aid (29.12.2018 – neuester Eintrag): Category: Activites & Events, https://sharp-pakistan.org/index.php/category/latest-news/activities-and-events/, https://sharp-pakistan.org/index.php/category/latest-news/activities-and-events/page/2/, Zugriff 12.3.2019
● USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
● USEC – U.S. Embassy & Consulates in Pakistan (27.11.2018): National Police Academy Improves Police Training, https://pk.usembassy.gov/national-police-academy-improves-police-training/, Zugriff 12.3.2019
4. Allgemeine Menschenrechtslage
Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert: Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz; Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist in Pakistan nach wie vor nicht abgeschafft) (AA 21.8.2018).
Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet. Die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 5.3.2019).
Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung sich Pakistan verpflichtet hat (AA 21.8.2018).
Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte sind u.a. extralegale und gezielte Tötungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Folter, willkürliche und überlange Untersuchungshaft, willkürliche und ungesetzliche Verletzung der Privatsphäre, Zensur, Blockieren von Webseiten, willkürliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Journalisten, schwere Schikanen und Einschüchterungen und medienwirksame Angriffe gegen Journalisten und Medienherausgeber, staatliche Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit inklusive übermäßig restriktive Gesetze gegen internationale NGOs, Einschränkungen der Religionsfreiheit und Diskriminierung religiöser Minderheiten, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Korruption in den Behörden, Rekrutierungen und Einsatz von Kindersoldaten durch nichtstaatliche militante Gruppen, fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht in Fällen von Vergewaltigung, sexueller Belästigung, sogenannter Ehrverbrechen, weiblicher Genitalverstümmelung und Gewaltverbrechen aufgrund von Geschlecht, Genderidentität und sexueller Orientierung, gesetzliches Verbot gleichgeschlechtlicher Handlungen, Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft, transnationaler Menschenhandel und die schlimmsten Formen von Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019). Wegen fehlender Rechenschaftspflicht der Regierung bleiben Vergehen oft ungeahndet, was zu einer Kultur der Straflosigkeit der Täter führt, unabhängig davon, ob es sich um staatliche oder nicht-staatliche Täter handelt. Die Behörden bestrafen Beamte nur selten für Verstöße gegen die Menschenrechte (USDOS 13.3.2019; vergleiche HRW 17.1.2019, AI 21.2.2018).
Gemäß Angaben der vom Innenministerium eingesetzten Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIOED) wurden im Zeitraum 2011 bis 31.1.2019 COIOED 5.777 Fälle zur Kenntnis gebracht und davon 3.599 Fälle abgeschlossen; 2.178 Fälle sind noch offen (COIOED 1.2.2019). Im Jahr 2018 wurden von COIOED 1.098 neue Fälle registriert und 671 Fälle abgeschlossen; 2017 wurden 868 neue Fälle aufgenommen und 555 Fälle abgeschlossen (COIOED 23.2.2019).
Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form der sogenannten „police encounters“ vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Laut der NGO „Human Rights Commission of Pakistan“ kamen 2017 landesweit hunderte Personen bei „police encounters“ ums Leben. In der Regel werden diese Fälle nicht gerichtlich untersucht (AA 21.8.2018). Im Jänner 2019 wurde im Punjab vier Personen, darunter Eltern und ihre Tochter, von der Polizei erschossen. Gemäß offiziellen Angaben waren die Toten Mitglieder des Islamischen Staates, Zeugenaussagen und Amateurvideos geben jedoch an, dass die Familie, die mit dem Auto unterwegs war, grundlos beschossen wurde. Nachdem die Videos veröffentlicht wurden, ordnete der Provinzminister eine Untersuchung, sowie die Verhaftung aller am Ereignis beteiligten Beamten an (Dawn 20.1.2019).
In zahlreichen Fällen bleiben Strafgefangene über viele Jahre hinweg widerrechtlich inhaftiert, obwohl ihre Haftstrafe bereits verbüßt ist. Ein häufiger Grund ist, dass die Strafgefangenen oder ihre Familienangehörigen nicht die notwendigen Mittel aufbringen können, die gleichzeitig mit der Haftstrafe verhängte Geldbuße nach Ablauf der Haftzeit zu begleichen. Ein anderer Grund ist, dass Gerichtsurteile nicht konsequent umgesetzt werden. Andere Personen werden, ohne dass gegen sie eine Haftstrafe verhängt wurde, nur deshalb in Haft genommen, weil sie nicht in der Lage sind, gegen sie verhängte Bußgelder zu begleichen (AA 21.8.2018).
Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind Blasphemiefälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 21.8.2018).
Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten halten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte ab. Per Gesetz von 2012 wurde 2015 die Nationale Kommission für Menschenrechte als unabhängiges Komitee eingerichtet. Im November 2015 wurde wieder ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte eingerichtet (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.3.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan--innenpolitik/205010, Zugriff 12.3.2019
● AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018
● COIOED – Commission of Inquiry on Enforced Disappearances (1.2.2019): Monthly Progress on Cases of Alleged Enforced Disappearances – January 2019, http://coioed.pk/wp-content/uploads/2019/02/20190101SUBMISSION-OF-MONTHLY-SUMMARY-JANUARY-2019.doc, Zugriff 12.3.2019
● COIOED – Commission of Inquiry on Enforced Disappearances (23.2.2019): Month Wise Receipt/Disposal of Cases by COIOED, http://coioed.pk/wp-content/uploads/2019/02/MONTH-WISE-RECEIPT-DISPOSAL-OF-CASES-BY-COIOED-2nd.doc, Zugriff 12.3.2019
● Dawn (20.1.2019): Outrage over family’s killing by Punjab police, https://www.dawn.com/news/1458676/outrage-over-familys-killing-by-punjab-police, Zugriff 12.3.2019
● HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019
● USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
5. Religionsfreiheit
Laut Volkszählung 2017 sind 96,28 % der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans muslimisch, 1,59 % Christen, 1,6 % Hindus, 0,22 % Ahmadi, 0,25 % gelistete Kasten („scheduled castes“) und 0,07 % gehören einer anderen Religion an (PBS 2017b). CIA World Factbook gibt an, dass von den Muslimen ca. 85-90 % Sunniten und 10-15 % Schiiten sind (CIA 5.2.2019); USDOS geht anhand der Volkszählung 1998 davon aus, dass 75 % der muslimischen Bevölkerung offiziell als Sunniten und 25 % als Schiiten geführt werden. Weitere Religionsgemeinschaften sind Zoroastrier, Bahai, Sikh, Buddhisten, und kleinere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten. Minderheitenvertreter schätzen die Anhängerzahl der religiösen Minderheiten auf 6-10 Millionen Menschen (USDOS 29.5.2018).
Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islam konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973/2016; vergleiche USDOS 29.5.2018). Die Verfassung verbietet Diskriminierung in religiösen Bereichen (USDOS 29.5.2018). Am 28.11.2018 wurde Pakistan vom US-Amerikanischen Außenministerium in Bezug auf Religionsfreiheit als besonders besorgniserregendes Land („Country of Particular Concern under the International Religious Freedom Act of 1998“) eingestuft, da systematische, ständige und schwerwiegende Verletzungen der Religionsfreiheit von staatlicher Seite durchgeführt oder toleriert werden (USDOS 11.12.2018).
Vertreter der Minderheiten berichten, dass die Regierung bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent sei und dass die Maßnahmen der Regierung zur Unterbindung von Zwangskonvertierungen religiöser Minderheiten zum Islam unzureichend seien (USDOS 29.5.2018).
Die Lage der religiösen Minderheiten - vor allem Christen und Hindus sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat nicht als Muslime anerkannt werden -, ist weiterhin schwierig. Viele sind Zwangsarbeit ausgesetzt und leben in Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten und Muslime, die nicht einer konservativen Islam-Auslegung folgen, wie die Sufis, aus (AA 1.2.2019). Das Antreten von extremistischen religiösen Parteien im Wahlkampf 2018 führte zu vermehrten Bedrohungen und verhetzender Sprache gegenüber religiösen Minderheiten (USCIRF 4.2019). [Anmerkung: Für eine detaillierte Lagebeschreibung der unterschiedlichen religiösen Gruppen siehe die Abschnitte Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.]
Laut PIPS wurden im Jahr 2018 bei insgesamt 16 religiös oder konfessionell motivierten Terroranschlägen 59 Menschen getötet (PIPS 1.2019 S 53, 59); im Jahr 2017 gab es 26 religiös oder konfessionell motivierte Terroranschläge mit insgesamt 87 Toten (PIPS 7.1.2018 S 60, 68).
Gemäß Menschenrechtsaktivisten haben weder Bundes- noch Provinzbehörden substanzielle Fortschritte bei der Umsetzung der Entscheidung des Obersten Gerichtes von 2014 gemacht, die die Regierung dazu verpflichtet, religiöse Minderheiten zu schützen (USDOS 29.5.2018). Gerichte und Polizei versagen oft darin, religiöse Minderheiten zu schützen. NGOs kritisieren die Behörden, dass die Polizei Angriffe auf Mitglieder der religiösen Minderheiten nicht erfolgreich verhindert bzw. erfolglos bei der Verhaftung der Täter ist. Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und einzelne Beispiele, wo lokale Behörden unter großem persönlichen Risiko Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und Mob-Gewalt schützen (USDOS 13.3.2019). Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei unterbunden werden konnten (USDOS 29.5.2018).
Die umstrittene Blasphemie-Gesetzgebung sieht für Gotteslästerung die Todesstrafe vor, die allerdings im Zusammenhang mit diesem Delikt noch nie vollstreckt wurde (AA 21.8.2018). Die Blasphemiegesetze werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis, Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten angewendet (USDOS 13.3.2019) und gemäß Interessenvertretungen sind Mitglieder religiöser Minderheiten überproportional von der Anwendung der Blasphemiegesetze betroffen (USDOS 29.5.2018). [Anmerkung: Für mehr Informationen zur Blasphemiegesetzgebung siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.]
Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung. Die Rechtsordnung schränkt die Freiheit, die Religion zu wechseln, nicht ein. Für Apostasie – Abfall vom Islam – gibt es in Pakistan keine strafrechtliche Bestimmung. Die Gesellschaft akzeptiert Apostasie aber in keiner Weise [vgl. dazu Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] (AA 21.8.2018).
Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Es wurde gesetzlich vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden oder direkt bei der Regierung registrieren lassen und ihre Finanzierung nachweisen müssen. Anführer der Zivilgesellschaft sagen, dass die Lehre religiöser Intoleranz weiterhin weit verbreitet ist. Es gibt Berichte, dass einzelne Madrassen Gewalt oder extremistische Inhalte lehren. Der nationale Aktionsplan gegen Terror sieht explizit die Bekämpfung von Hassreden vor. Einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die Bewegungs- und Redefreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird, religiösen Hass zu verbreiten (USDOS 29.5.2018).
Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden, jedoch verweigern lokale Behörden Ahmadis regelmäßig notwendige Baubewilligungen. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 29.5.2018).
Ehen, die gegen die Vorgaben des Islam geschlossen werden, werden nicht anerkannt. So wäre z.B. eine Heirat einer muslimischen Frau mit einem nicht-muslimischen Mann nicht gültig, der umgekehrte Fall dagegen schon. Im Allgemeinen gibt es in Pakistan keine dem österreichischen Rechtssystem vergleichbare zivile Ehe: Muslime heiraten nach islamischem Recht und lassen ihre Ehe in der Folge vor staatlichen Stellen registrieren; für andere Religionsangehörige gelten wiederum eigene Regelungen (ÖB 10.2018).
Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige religiöser Minderheiten reserviert (NAP 25.2.2019; vergleiche USDOS 29.5.2018). Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert – je einer für jede Provinz (USDOS 29.5.2018). Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen; vier in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan (Pakistan Constitution §106). Die gewählten Parteien und nicht die Minderheitenversammlungen bestimmen die Minderheitenvertreter (USDOS 29.5.2018). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014 S 75).
Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 21.8.2018). Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten und interkonfessionelle Harmonie organisiert die Teilnahme am Hajj und anderen islamischen Pilgerfahrten. Das Budget des Ministeriums deckt auch finanzielle Hilfen für autochthone Minderheiten ab; darunter die Renovierung von Glaubensstätten, kleine Entwicklungsprojekte, Stipendien und die Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 29.5.2018).
Die meisten Minderheitengruppen berichten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der öffentlichen Verwaltung und bei der Aufnahme an Hochschulen. Im staatlichen Bereich gilt auf nationaler Ebene eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht durchgesetzt. Vertreter religiöser Minderheiten berichten von einer „Gläsernen Decke“, die verhindert, dass Nicht-Muslime in höhere Positionen im öffentlichen Dienst befördert würden. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hinderungsgründe, jedoch würden Angehörige von religiösen Minderheiten nur selten in Dienstgrade höher als Colonel [Oberst] aufsteigen (USDOS 29.5.2018; vergleiche AA 21.8.2018).
Quellen:
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
● BBC News (12.7.2017): Pakistan’s secret atheists, https://www.bbc.com/news/magazine-40580196, Zugriff 25.2.2019
● BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (10.2014): Pakistan – Challenges and Perspectives, https://www.ecoi.net/en/file/local/1095862/1729_1413272641_pakistan.pdf, Zugriff 25.2.2019
● CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019
● NAP – National Assembly of Pakistan (25.2.2019): Composition, http://www.na.gov.pk/en/composition.php, Zugriff 25.2.2019
● ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]
● Pakistan Constitution (1973, amend. 2016): Constitution of the Islamic Republic of Pakistan (1973) As Amended by The Constitution Twenty Second Amendment Act, 2016 Article: 227 Provisions relating to the Holy Quran and Sunnah, https://pakistanconstitutionlaw.com/article-227-provisions-relating-to-the-holy-quran-and-sunnah/, Zugriff 25.2.2019
● Pakistan Constitution (o.D.): 106. Constitution of Provincial Assemblies, http://www.pakistani.org/pakistan/constitution/part4.ch2.html, Zugriff 25.2.2019
● PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017b): Population by Religion, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files//tables/POPULATION%20BY%20RELIGION.pdf, Zugriff 25.2.2019
● PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
● UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (1.2017): Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Members of Religious Minorities from Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1407844/90_1490341007_2017-01-unhcr-pakistan-religious-minorities.pdf, Zugriff 25.2.2019
● USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 1 Countries (Recommended for CPC Designation): Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008197/Tier1_PAKISTAN_2019.pdf, Zugriff 15.5.2019
● USDOS - US Department of State (11.12.2018): Religious Freedom Designations – Press Statement, https://www.state.gov/secretary/remarks/2018/12/288006.htm, Zugriff 25.2.2019
● USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 International Religious Freedom Report – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436800.html, Zugriff 25.2.2019
● USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
6. Ethnische Minderheiten
Pakistan ist ein multiethnischer und multilingualer Staat (GIZ o.D.). Laut Volkszählung 2017 leben in Pakistan ca. 207,7 Millionen Menschen (PBS 2017d). Laut CIA World Factbook ist die ethnische Zusammensetzung: Punjabi 44,7 %, Paschtunen 15,4 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 8,4 %, Muhajirs 7,6 %, Belutschen 3,6 %, andere ethnische Gruppen 6,3 % (CIA 5.2.2019). Laut Volkszählung 2017 ist die Bevölkerungsverteilung nach Muttersprache: Punjabi 44,15 %, Paschto 15,42 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 10,53 %, Urdu 7,57 %, Belutschisch 3,57 %, andere 4,66 % (PBS 2017c).
In Karatschi ging die Regierung seit 2013 u.a. gegen die radikalen Flügel von politischen Parteien vor, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten. Durch dieses Vorgehen konnten die Opferzahlen von politischer und religiös-konfessioneller Gewalt sowie durch Bandenkriminalität massiv verringert werden (PIPS 7.1.2018).
Das Pak Institute for Peace Studies (PIPS) berichtet für das Jahr 2018 von landesweit 22 Vorfällen ethnisch oder politisch motivierter Gewalt mit insgesamt 11 Todesopfern und 55 Verletzten (PIPS 7.1.2019).
Gemäß Menschenrechtsorganisationen wurden zahlreiche paschtunische Rechtsaktivisten sowie sindhi- und belutschische Nationalisten ohne Grund oder Haftbefehl verhaftet oder es kam zu Fällen von Verschwindenlassen. Nationalistische Parteien im Sindh beschuldigen Sicherheitsbehörden der Entführung und Tötung von sindhi-politischen Aktivisten (USDOS 13.3.2019).
Anmerkung: In den folgenden Unterabschnitten wird nur auf jene ethnischen Gruppen näher eingegangen, die für das Asylwesen in Österreich von besonderer Relevanz sind.
Quellen:
● GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (o.D.): LIPortal Pakistan, https://www.liportal.de/pakistan/, Zugriff 26.3.2019
● PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 26.3.2019
● PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
● USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
6.1. Paschtunen
Die von Großbritannien definierte Durand-Linie, heute Staatsgrenze zwischen Pakistan und Afghanistan, trennt das Siedlungsgebiet der Paschtunen (Monde 8.1.2015). Gemäß Volkszählung 2017 stellen paschtunische Muttersprachler mit 15,4 % der Bevölkerung Pakistans (ca. 32 Millionen Menschen) die zweitgrößte Sprachgruppe des Landes. Von ihnen leben ca. 22,6 Millionen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa [inkl. ehem. FATA], wo sie ca. 77,7 % der Bevölkerung ausmachen; sowie ca. 3,7 Millionen in der Provinz Belutschistan, wo sie ca. 29,6 % der Bevölkerung ausmachen. Etwa zwei Millionen Paschtunen leben im Sindh, 1,3 Millionen im Punjab und 0,2 Millionen im Hauptstadtterritorium Islamabad (aggregiert aus PBS 2017a und PBS 2017c). Hinzu kommen noch 1,4 Millionen registrierte und ca. eine Million nicht registrierte afghanische Flüchtlinge in Pakistan (EASO 10.2018; vergleiche Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.), von denen ca. 80-85 % ethnische Paschtunen sind (ICMC 7.2013; vergleiche UNHCR 24.8.2005).
Viele Pakistanis assoziieren die Aufständischenaktivitäten im Land mit Paschtunen, die auf beiden Seiten der pakistanisch-afghanischen Grenze leben (DW 20.3.2017). Weil die pakistanische Taliban-Bewegung vornehmlich eine paschtunische Bewegung ist, sind viele Paschtunen durch eine Art Sippenhaft als „Islamisten oder militante Kämpfer“ gebrandmarkt worden (EASO 10.2018). Weiters gibt es Ressentiments der pakistanischen Elite gegen Paschtunen aufgrund separatistischer Bestrebungen in der Anfangszeit des Staates Pakistan. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in Afghanistan hat die Idee der Vereinigung der paschtunisch besiedelten Gebiete zu einem „Groß-Paschtunistan“ unter den pakistanischen Paschtunen kaum noch Anhänger (DW 20.3.2017).
Im Zuge des Kampfes gegen islamistische Aufständische kam es seitens der Sicherheitskräfte zu einem ethnischen Profiling von Paschtunen, insbesondere Angehörigen einkommensschwacher Gruppen (DW 20.3.2017). Menschenrechtsgruppen wiesen darauf hin, dass Paschtunen im Rahmen des „Kriegs gegen den Terrorismus“ zum Ziel für Übergriffe, Verschleppungen und außergerichtliche Tötungen wurden (EASO 10.2018).
Im Jahr 2018 erlebte Pakistan den Aufstieg des Pashtun Tahafuz Movement, (Pashtun Protection Movement / paschtunische Schutzbewegung; PTM), einer Bürgerrechtsbewegung, die Schutz und Rechte für die paschtunische Minderheit im Land fordert (EASO 10.2018), beispielsweise Aufklärung der aussergerichtlichen Tötungen, ein Ende der willkürlichen Angriffe und Misshandlungen, die Rückkehr verschwundener Personen und das Räumen der Landminen in den ehem. Stammesgebieten (SAV 9.3.2018; vergleiche HRCP 3.2019). Die PTM führt einen „offenen verbalen Krieg mit der Armee“ (EASO 10.2018). Ihre Anführer und Anhänger werden als Verräter, unloyal und staatsfeindlich bezeichnet (Diplomat 5.2.2019).
In Wasiristan werden Mitglieder der PTM von einer lokalen Talibangruppe um Mullah Nazir, die sich heute als „Friedenskommittee“ bezeichnet, bedroht (PIPS 7.1.2019). Bei einem Angriff auf eine Versammlung der PTM in Süd-Wasiristan durch die Gruppe um Mullah Nazir wurden im Juni 2018 drei PTM-Anhänger getötet und 20 verletzt (DT 4.6.2018).
Die Behörden versuchen, Sympathisanten durch Verhaftungen, Einschüchterungen und Schikanen an der Teilnahme der friedlichen Veranstaltungen zu hindern (USDOS 13.3.2019; vergleiche HRCP 3.2019), systematische Gewaltanwendung gegen PTM-Anhänger wird von Seiten der Behörden laut Beobachtern jedoch nicht verübt (USDOS 13.3.2019). Seit Bestehen der Bewegung wurden hunderte PTM-Aktivisten verhaftet und gemäß Angaben der PTM sind Stand Februar 2019 18 Aktivisten weiterhin in Haft (Euronews 7.2.2019). Im Februar 2019 ist ein Anführer der PTM gestorben, nachdem er im Zuge einer Veranstaltung in Belutschistan von der Polizei zusammengeschlagen wurde (Diplomat 5.2.2019).
Die Veranstaltungen der PTM in der einjährigen Geschichte der Bewegung waren stets gewaltfrei und die PTM wurde von einem Sprecher der Armee im Jänner 2019 als „nicht gewalttätige Protestbewegung mit legitimen Anliegen“ bezeichnet (Diplomat 5.2.2019; vergleiche USDOS 13.3.2019). Gemäß inoffizieller Schätzungen wurden 2018 bis zu 300 Personen, die teilweise jahrelang ohne Anschuldigungen inhaftiert waren, als Reaktion auf die PTM-Proteste von der Armee freigelassen (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
● Diplomat, the (5.2.2019): Pakistan’s Pashtun Rights Movement Suffers First Casualty, https://thediplomat.com/2019/02/pakistans-pashtun-rights-movement-suffers-first-casualty/, Zugriff 27.3.2019
● DT – Daily Times (4.6.2018): Three PTM supporters dead, 20 injured in ‘Taliban’ attack, https://dailytimes.com.pk/248527/three-ptm-supporters-dead-20-injured-in-taliban-attack/, Zugriff 27.3.2019
● DW – Deutsche Welle (20.3.2017): Why Pakistan associates terrorism with Pashtuns and Afghans, https://www.dw.com/en/why-pakistan-associates-terrorism-with-pashtuns-and-afghans/a-38024338, Zugriff 27.3.2019
● EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
● Euronews (7.2.2019): Pashtun activists fear crackdown after arrests in Pakistan, https://www.euronews.com/2019/02/07/pashtun-activists-fear-crackdown-after-arrests-in-pakistan, Zugriff 27.3.2019
● HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
● ICMC – International Catholic Migration Commission Europe (7.2013): Welcome to Europe! - A comprehensive guide to resettlement, http://www.resettlement.eu/sites/icmc.tttp.eu/files/ICMC%20Europe-Welcome%20to%20Europe_0.pdf, Zugriff 27.3.2019
● Monde diplomatique, le (8.1.2015): Das Land der Paschtunen, https://monde-diplomatique.de/artikel/!242028, Zugriff 27.3.2019
● PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census – 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019
● PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017c): POPULATION BY MOTHER TONGUE, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files//tables/POPULATION%20BY%20MOTHER%20TONGUE.pdf, Zugriff 26.3.2019
● PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
● SAV – South Asian Voices (9.3.2018): The Political Awakening of Pakistan’s Pashtuns, https://southasianvoices.org/the-political-awakening-of-pakistans-pashtuns/, Zugriff 27.3.2019
● UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (24.8.2005): Pakistan’s census of Afghans provides first detailed profile of the population, https://www.unhcr.org/news/latest/2005/8/430c80954/pakistans-census-afghans-provides-first-detailed-profile-population.html, Zugriff 27.3.2019
● USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
7. Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vergleiche FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019)
Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein „no objection certificate“ einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 13.3.2019). Die NGO HRCP gibt an, dass Personen aus politischen Gründen auf die Exit Control List gesetzt werden und die genauen Voraussetzungen, wann eine Person auf diese Liste kommt, nicht transparent sind (HRCP 3.2019).
Reisebewegungen von bestimmten religiösen und Gender-Minderheiten bleiben gefährlich (HRCP 3.2019). Seit 2009 haben pakistanische Bürger das Recht, sich in Gilgit Baltistan anzusiedeln, jedoch gibt es weiterhin Einschränkungen für eine Ansiedlung in Azad-Jammu und Kaschmir (FH 1.2018). Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gibt es für Bewohner der ehemaligen FATA durch Ausgangssperren, Umzäunungen und eine starke Zunahme an Kontrollpunkten (ICG 20.8.2018).
Quellen:
● FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Pakistani Kashmir, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/pakistani-kashmir, Zugriff 26.2.2019
● FH – Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 – Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019
● HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
● ICG – International Crisis Group (20.8.2018): Shaping a New Peace in Pakistan’s Tribal Areas, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442284/5351_1535998887_b150-shaping-a-new-peace-in-pakistans-tribal-areas.pdf, Zugriff 19.3.2019
● USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
8. Grundversorgung
Pakistan ist mit ca. 207 Millionen Einwohnern (PBS 2017a) der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Erde. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, der Abhängigenquotient [Bevölkerung bis 14 und ab 65 Jahre / Bevölkerung 15-64 Jahre] liegt bei 65 % (CIA 5.2.2019).
Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine – trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 – teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).
Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. auch den überproportional großen öffentlichen Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig ist. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört unter anderem bei Getreideanbau und Viehzucht zu den weltweit größten Produzenten (AA 5.3.2019; vergleiche GIZ 2.2019a).
Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a).
Die Arbeitslosigkeit in Pakistan liegt Stand 2017 offiziell etwa bei 6 % (CIA 5.2.2019). CIA hält fest, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und die Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 5.2.2019a; vergleiche GIZ 2.2019). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Als Folge dieser hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen, vor allem auf dem Land, kommt es zu einer verstärkten Arbeitsmigration nicht nur in die großen Städte, sondern traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5% des BIP (GIZ 2.2019a). Für das Finanzjahr 2019 (Juli 2018 bis Juni 2019) werden Rücküberweisungen von 22 Milliarden US-Dollar erwartet (KT 30.10.2018).
Gemäß dem Global Education Monitoring Report 2017/18 der UNESCO stellen sich die Bildungserfolge Pakistans relativ schwach dar. Die Einschulungs- und Alphabetisierungsrate Pakistans zählt zu den niedrigsten der Welt, Lediglich rund 60 Prozent der Bevölkerung (Frauen: 46%) können lesen und schreiben. Nur etwas über zwei Prozent des Bruttosozialprodukts werden in Bildung investiert. Weiterhin bleiben große Diskrepanzen in der Alphabetisierungs- und Bildungspolitik zwischen Provinzen sowie zwischen ländlichen und städtischen Gebieten bestehen. Das pakistanische Bildungssystem spiegelt die anhaltende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft wider (GIZ 2.2019b).
Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind sie weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92 % des Bruttoinlandsprodukts (GIZ 2.2019b).
Das Programm Tameer-e-Pakistan soll Personen bei der Arbeitssuche unterstützen (IOM 2018). Das Kamyab Jawan Programme, eine Kooperation des Jugendprogrammes des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Anstellungsmöglichkeiten verbessern (Dawn 11.2.2019).
Etwa 7,1 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2016 Zugang zum Sozialversicherungssystem (HRCP 5.2017). Etwa drei Millionen Personen leben in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen (HRCP 3.2019).
Es gibt einen Mangel von zehn Millionen Wohnungen landesweit, was zu Obdachlosigkeit, illegalen Siedlungen und überhöhten Mieten führt (BTN 12.2.2019). Im Oktober 2018 kündigte Premierminister Imran Khan den Bau von fünf Millionen Wohneinheiten für Niedrigverdiener in den kommenden fünf Jahren an. Unter dem staatlichen Programm Naya Pakistan Housing Scheme (Dawn 10.10.2018; vergleiche NPHS 13.10.2018) soll ein Haus 1,65 bis 2,1 Millionen Rupien kosten (BTN 12.2.2019). Die Teilnehmer am Programm bezahlen 20 Prozent des Kaufpreises im Voraus und den restlichen Betrag über 20 Jahre (NPHS 6.11.2018; vergleiche BTN 12.2.2019) in monatlichen Raten zu ca. 18.500 Rupien, was ungefähr einer monatlichen Miete entspricht. Das Haus geht nach 18 Monaten ins Eigentum des Bewohners über (BTN 12.2.2019). Personen, die bereits ein Haus besitzen, können nicht am Naya Pakistan Housing Scheme teilnehmen (NPHS 13.10.2018). Der Baubeginn für die ersten 135.000 Wohneinheiten wurde für den 17.4.2019 in Islamabad und Belutschistan angekündigt (Dawn 9.4.2019).
Quellen:
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.3.2019): Pakistan: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/wirtschaft/204976, Zugriff 21.3.2019
● BTN Marketing Consultants (12.2.2019): The “Naya Pakistan Housing Scheme” and All There römisch eins s To Know About römisch eins t, https://btnconsultants.com.pk/naya-pakistan-housing-scheme-know/, Zugriff 9.4.2019
● CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019
● Dawn (10.10.2018): 'I will steer you out of this difficult time': PM Khan addresses economic uncertainty, https://www.dawn.com/news/1438116, Zugriff 9.4.2019
● Dawn (11.2.2019): Govt aims to create 'a million jobs' for youth under Kamyab Jawan Programme, https://www.dawn.com/news/1463174, Zugriff 15.5.2019
● Dawn (9.4.2019): 135,000 apartments to be built in first phase of Naya Pakistan Housing project: Fawad Chaudhry, https://www.dawn.com/news/1474958, Zugriff 9.4.2019
● GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2019a): Pakistan – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/pakistan/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 21.3.2019
● GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2019b): Pakistan – Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/, Zugriff 21.3.2019
● HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
● HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2019
● IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Pakistan 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 21.3.2019
● KT - Khaleej Times (30.10.2018): Pakistan remittances may hit $22 billion in 2018-19, https://www.khaleejtimes.com/business/economy/Pakistan-remittances-may-hit-$22-billion-in-2018-19-, Zugriff 9.4.2019
● NPHS – Naya Pakistan Housing Scheme (13.10.2018): Who is eligible to apply for Naya Pakistan Housing Scheme?, http://nphp.pk/who-is-eligible-to-apply-for-naya-pakistan-housing-scheme/, Zugriff 9.4.2019
● NPHS – Naya Pakistan Housing Scheme (6.11.2018): Buyers must pay 20pc upfront to join PM housing scheme, http://nphp.pk/buyers-must-pay-20pc-upfront-to-join-pm-housing-scheme/, Zugriff 9.4.2019
● PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census – 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019
8.1. Sozialbeihilfen
Die Provinzen sind für die Einhebung und Verteilung von Zakat und Ushr zuständig. Die Mittel sind für die Unterstützung bedürftiger Muslime vorgesehen und sollen die extreme Armut in Übereinstimmung mit den Regeln des Islam reduzieren. Ein Teil des Wertes von elf verschiedenen Vermögensarten wird durch Banken, Firmen und anderen Finanzinstitutionen verpflichtend eingehoben. Die Vergabe der Geldmittel erfolgt an die Zakat-Kommitees gemäß Bevölkerungszahl der Distrikte und die Auszahlung des Zakat wird auf lokaler Ebene entschieden (Gov PJ o.D.).
Mit einer Verfassungsänderung im Jahr 2010 wurde die Gesetzgebung im Arbeits- und Sozialbereich vom Bund an die Provinzen übertragen. Einige Provinzen haben bereits Gesetze dazu erlassen, dabei jedoch wichtige Bereiche vom ehemaligen Bundesgesetz übernommen. Das frühere Bundesgesetz bleibt in Provinzen gültig, die noch keine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen haben (ILO 2017).
Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren. Im Pensionssystem sind Angestellte von Unternehmen mit mehr als fünf Personen erfasst (USSSA 3.2017). Die Pensionsberechtigung ist auf den formellen Sektor beschränkt (HRCP 3.2019). In Pakistan kommen 2,3 % der Bevölkerung im Pensionsalter in den Genuss von Alterspension (ILO 2017). Es gibt Berichte, dass im formellen Sektor die Pensionsauszahlung verspätet erfolgt (HRCP 3.2019).
Bei Mutterschaft wird 12 Wochen lang durch den Arbeitgeber das volle Gehalt bezahlt (ILO 2017; vergleiche USSSA 3.2017).
Es gibt keine Arbeitslosenunterstützung (ILO 2017). Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern bezahlen den Gehalt der letzten 30 Tage des Dienstverhältnisses multipliziert mit der Dauer des Dienstverhältnisses in Jahren als Abfindung (USSSA 3.2017; vergleiche ILO 2017).
Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft an Hand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2018). Das Benazir Income Support Program und das Pakistan Bait-ul-Mal vergeben ebenfalls Unterstützungsleistungen (USSSA 3.2017).
Pakistan Bait-ul-Mal ist eine autonome Behörde, die Finanzierungsunterstützung an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige vergibt. Eine Fokussierung liegt auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).
Das Benazir Income Support Programme zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch ermächtigt werden (ILO 2017).
Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).
Quellen:
● Edhi (o.D.): About Edhi Foundation, https://edhi.org/about-us/, Zugriff 26.3.2019
● Gov PJ – Government of the Punjab (o.D., letztes Referenzdatum 2018): Zakat & Ushr Department - Overview & Functions, https://zakat.punjab.gov.pk/overview, Zugriff 26.3.2019
● HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
● ILO – International Labour Organization (2017): World Social Protection Report 2017–19 - Universal social protection to achieve the Sustainable Development Goals, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_604882.pdf, Zugriff 26.3.2019
● IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Pakistan 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 21.3.2019
● NRSP - National Rural Support Programme (o.D.b): About NRSP, http://www.nrsp.org.pk/about.html, Zugriff 26.3.2019
● PBM - Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.): Pakistan Bait-ul-Mal, http://www.pbm.gov.pk/pbm.html, Zugriff 26.3.2018
● USSSA – US Social Security Administration (3.2017): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016, S 187ff, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/ssptw16asia.pdf, Zugriff 22.2.2019
9. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 13.3.2019).
In Islamabad und Karatschi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau und damit auch teuer (AA 13.3.2019). In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018).
In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).
Im Verhältnis gibt es einen Arzt für 957 Personen, ein Krankenhausbett für 1.500-1.600 Personen und einen Zahnarzt für 9.730 Personen. Das relative Verhältnis des medizinischen Personals zur Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen Jahren leicht verbessert (HRCP 3.2019; vergleiche HRCP 18.4.2018).
Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) und Rural Health Centers mit einem Einzugsbereich von 25.000 bis 100.000 Menschen. Die Sekundärversorgung erfolgt in Tehsil Head Quarters und District Head Quarters mit einem Einzugsbereich von 500.000 bis 3 Millionen Menschen. Diese Einrichtungen bieten eine große Zahl ambulanter und stationärer Behandlungen an. Der tertiäre Sektor bietet eine hoch spezialisierte stationäre Versorgung; in der Regel werden Patienten vom primären und sekundären Einrichtungen überwiesen (IJARP 10.2017).
Zugänglichkeit und Leistbarkeit für Gesundheitsdienste sind insbesondere für die ländliche Bevölkerung problematisch, da es einen ernsten Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal und unzureichende Finanzierung der primären Versorgungsebene gibt (IJARP 10.2017). Eine ständig steigende Bevölkerungszahl in Zusammenhang mit ineffizienter und missbräuchlicher Verwendung ohnehin beschränkter finanzieller Mittel werden als Hauptgründe für den relativ schlechten Zustand des Gesundheitswesens gesehen (SBP 1.2018).
Trotz Verbesserungen in den letzten Jahren (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vergleiche HRCP 3.2019). Diese sind jedoch für die ärmere Bevölkerung unleistbar (Kurji et al 2016). Ebenso suchen viele Menschen traditionelle Heiler (Hakims), Homöopathen und Quacksalber auf (RPHS 19.6.2016).
Mehr als 15 Millionen Menschen in Pakistan leiden an einer psychischen Erkrankung, jedoch gibt es nur fünf staatliche psychiatrische Krankenhäuser und es gibt weniger als 300 qualifizierte Psychiater, die in Pakistan praktizieren. In konservativen Regionen ist eine psychische Erkrankung mit einem sozialen Stigma verbunden (BBC 29.9.2016).
73 % der Bevölkerung sind ohne staatliche Krankenversicherung; 57 % in den Städten und 83 % am Land (ILO 2017). Es gibt staatliche Sozialleistungen für Angestellte in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern und bis zu einem Gehalt von 15.000 Rupien pro Monat (18.000 in Punjab) sowie für von ihnen abhängige Personen. Ausgenommen von den Sozialleistungen sind Mitarbeiter in Familienbetrieben und Selbständige. Für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und der Eisenbahn sowie Mitglieder der Armee, der Polizei und der örtlichen Verwaltung gibt es eigene Systeme. Begünstigte erhalten allgemeinmedizinische Leistungen, Medikamente, Krankenhausbehandlungen und Krankentransporte. Während der Krankheit wird 75 % des Gehalts weiterbezahlt (100 % bei Tuberkulose und Krebs; in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa generell 50 % Gehaltsfortzahlung). Die Begünstigung setzt sich bei Beendigung des Dienstverhältnisses für sechs Monate oder für die Dauer der Krankheit (je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt) fort (USSSA 3.2017).
Das staatliche Wohlfahrts-Programm Bait-ul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.).
Die nichtstaatliche Entwicklungshilfeorganisation Aga Khan Development Network betreibt landesweit 450 Kliniken, fünf Krankenhäuser sowie ein Universitätskrankenhaus in Karatschi und fördert zahlreiche Projekte auf lokaler Ebene, um den Zugang zur Grundversorgung zu verbessern (AKDN o.D.).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt Deutschland (13.3.2019): Länderinformationen – Pakistan – Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/PakistanSicherheit_node.html#doc344284bodyText7, Zugriff 3.4.2019
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
● AKDN – Aga Khan Development Network (o.D.): Pakistan – Health, https://www.akdn.org/where-we-work/south-asia/pakistan/health-pakistan, Zugriff 22.2.2019
● BBC (29.9.2016): Why Pakistan's poor seek mental health cure at shrine, https://www.bbc.com/news/world-asia-37495538, Zugriff 22.2.2019
● HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
● HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (18.4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 10.4.2019
● IJARP – International Journal of Advanced Research and Publications (10.2017): Healthcare System of Pakistan, http://www.ijarp.org/published-research-papers/oct2017/Healthcare-System-Of-Pakistan.pdf, Zugriff 22.2.2019
● ILO – International Labour Organization (2017): World Social Protection Report 2017–19 - Universal social protection to achieve the Sustainable Development Goals, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_604882.pdf, Zugriff 26.3.2019
● Kujri Zohra, Zahra Shaheen Premani, Yasmin Mithani (2016): Analysis of the Health Care System of Pakistan: Lessons Learnt and Way Forward, https://pdfs.semanticscholar.org/178f/79039bb1c5cb826d957d27825f8a692020c9.pdf, Zugriff 22.2.2019
● PBM – Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.): How To Get Assistance, http://www.pbm.gov.pk/forms.html, Zugriff 22.2.2019
● RPHS – Research in Pharmacy and Health Sciences (19.6.2016): Health Care System in Pakistan – a Review, https://www.researchgate.net/publication/321376296_Health_Care_System_in_Pakistan_A_review, Zugriff 22.2.2019
● SBP – State Bank of Pakistan (1.2018): State of Health Sector in Pakistan, http://www.sbp.org.pk/publications/staff-notes/State-of-Health-Sector-in-Pakistan-(06-04-2018).pdf, Zugriff 22.2.2019
● USSSA – US Social Security Administration (3.2017): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016, S 187ff, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/ssptw16asia.pdf, Zugriff 22.2.2019
10. Rückkehr
Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979) oder gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt. Es sind vereinzelte Fälle an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden. Rückkehrende, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen um Schmiergelder zu zahlen, werden oft inhaftiert (ÖB 10.2018).
Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten nationalen Ersatzdokument möglich, nicht aber mit europäischen Passersatzdokumenten (AA 21.8.2018).
[Ungeachtet anderer Bedrohungslagen; vergleiche andere relevante Abschnitte des LIB; Anm.] hält die Österreichische Botschaft Islamabad fest, dass es bei oppositioneller Betätigung im Ausland bislang zu keinen ha. bekannten Problemen bei der Rückkehr gekommen ist. Dasselbe gilt für im Ausland tätige Journalist/innen und Menschenrechtsaktivist/innen. Auch der im Rückkehrbereich langjährig tätigen International Organization for Migration (IOM) liegen keine diesbezüglichen Fälle vor (ÖB 10.2018).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Rückkehrer erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z. B. das European Reintegraton Network (ERIN), sollen hier Unterstützung leisten (AA 21.8.2018).
Das Rückkehrprogramm ERIN wird von der pakistanischen NGO WELDO mit Finanzierung von AMIF und zahlreichen EU-Staaten durchgeführt (WELDO o.D.b). In 113 Bezirken werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Das Ausbildungsprogramm wird dem Bedarf am Arbeitsmarkt und der jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr (freiwillig oder unfreiwillig) aus den Partnerländern. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird in verschiedenen Sprachen geboten. Es gibt verschiedene Programme für verschiedene vulnerable Personengruppen (WELDO o.D.a).
Die der Österreichischen Botschaft in der Vergangenheit seitens der im Rückkehrbereich tätigen NGO WELDO mitgeteilten Probleme – wie etwa angespannte Familiensituation aufgrund finanzieller Notlagen, schleppende Berufsreintegration und unzureichendes Einkommen oder Fehlen psychosozialer Betreuung – wurden in einem rezenten Gespräch mit Vertretern der International Organization for Migration (IOM) nicht bestätigt. Auch das von WELDO kritisierte Fehlen psychosozialer Betreuung der Rückkehrenden bestehe laut IOM nicht (ÖB 10.2018).
IOM bietet im Rahmen ihres Programmes Assisted Voluntary Return & Reintegration (AVRR) die folgenden Leistungen an (Laufzeit von einem Jahr; entsprechendes Monitoring inkludiert): Betreuung bei Ankunft am Flughafen (Islamabad, Lahore); Unterbringung bis zur Fahrt nach Hause; Berufs- bzw. Bildungsberatung und in der Folge entsprechende Unterstützung; medizinische Hilfeleistungen; besondere Unterstützungsleistungen für vulnerable Personengruppen (alleinstehende Frauen, minderjährige Kinder) (ÖB 10.2018; vergleiche IOM o.D.).
IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch das Tameer-e-Pakistan Programm – einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen – erhalten können (IOM 2018).
Quellen:
● AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
● IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Pakistan 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 21.3.2019
● IOM – International Organization for Migration (o.D.): Assisted Voluntary Return and Reintegration (AVRR), https://pakistan.iom.int/assisted-voluntary-return-and-reintegration-avrr, Zugriff 21.2.2019
● ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]
● WELDO (o.D.a): About Us, http://www.weldo.org/about-us.php, Zugriff 26.3.2019
● WELDO (o.D.b): ERIN (Specific Action), http://www.weldo.org/erin.php, Zugriff 26.3.2019
Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte. In Ihrem Herkunftsstaat Pakistan wurden bisher 340.251 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 6.923 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 06.11.2020).
Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 06.11.2020).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststeht, ergibt sich daraus, dass er im Verfahren keine unbedenklichen Identitätsdokumente vorgelegt hat. Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist und Leistungen aus der Grundversorgung bezogen hat, ergibt sich aus den vom erkennenden Gericht durchgeführten Abfragen in den amtlichen Datenbanken. Vom Beschwerdeführer begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig. Sämtliche festgestellten integrativen Schritte wurden bereits im Vorverfahren ausreichend berücksichtigt und kam das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis, dass die Rückkehrentscheidung zu bestätigen war, da die integrativen Leistungen des Beschwerdeführers eben nicht derart herausragend waren, dass die Rückkehrentscheidung Artikel 8, EMRK verletzen würde vergleiche das bereits mehrmals angeführte hg Erkenntnis vom 26.8.2020). Der Beschwerdeführer erstattete weder vor der belangten Behörde ein neues Tatsachenvorbringen, noch vor dem erkennenden Gericht, weswegen das erkennende Gericht die Feststellungen im angefochtenen Bescheid übernimmt bzw. die Feststellungen und Ausführungen zum Privat- und Familienleben durch das Bundesverwaltungsgericht vom 26.8.2020. Dazu ist festzuhalten, dass auch die belangte Behörde davonausgeht, dass keine Änderungen im Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingetreten sind seit der Erlassung des hg Erkenntnis vom 26.8.2020. Dass im Übrigen auch der Beschwerdeführer selbst eingesteht, dass sich keine – für ihn ausschlaggebenden – Änderungen ergeben haben, lässt sich schon daraus erkennen, als dass die Beschwerde hinsichtlich der integrativen Leistungen ausschließlich Vorbringen widerholt, welches bereits im Asylverfahren erstattet wurde. Eine für den Beschwerdeführer ausschlaggebende Änderung ist daher nicht erkennbar und wurde auch nicht behauptet.
Dass der Beschwerdeführer nicht ausreisewillig ist, ergibt sich aus dem vorgelegten Schreiben vom 16.11.2020, wonach der Beschwerdeführer im Zuge seiner Rückkehrberatung bei der Caritas angegeben hat, dass er eben nicht rückkehrwillig ist. Dass der Beschwerdeführer die Frist für die freiwillige Ausreise nicht nutzte und seit Ablauf rechtswidrig im Bundesgebiet verharrt ist unbestritten. Dass der Beschwerdeführer keinerlei Schritte gesetzt hat seine Ausreise vorzubereiten, ist ebenso unbestritten und wirkte der Beschwerdeführer am Verfahren dahingehend nicht mit, als dass er die Möglichkeit einer Stellungnahme auf das Schreiben vom 16.9.2020 nicht nutzte. Dass der Beschwerdeführer seit dem 31.8.2020 bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen nicht mehr gemeldet ist und daher keiner – zumindest legalen – Beschäftigung nachgeht, blieb ebenso unbestritten.
2.2 Zu den Länderberichten:
Zu den Feststellungen zur relevanten Sicherheitslage in Pakistan wird festgehalten, dass die Zahl an relevanten Terrorvorfällen seit mehreren Jahren sinkt und der Staat sehr große Anstrengungen erfolgreich unternimmt, die Sicherheitslage zu stabilisieren, was schon der Umstand zeigt, dass die Terroranschläge zurückgegangen sind und eine Vielzahl an geflüchteten Pakistanis mittlerweile in ihre Heimatdörfer zurückkehrt.
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Die von der belangten Behörde herangezogenen und auch der Entscheidung des erkennenden Gerichtes zugrunde gelegten Länderberichte erweisen sich aus Sicht des erkennenden Gerichtes als aktuell und ausgewogen; so werden sowohl Berichte von staatlichen Stellen als auch Berichte von NGOs verwendet.
Soweit die Beschwerde auf die schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Pakistan verweist, zeigt sie damit nicht auf, dass die getroffenen Länderfeststellungen falsch oder unvollständig wären: Die herangezogenen Länderberichte setzen sich ausführlich mit der Sicherheitslage, der regionalen Verteilung der Gewalt sowie der allgemeinen Menschenrechtslage in Pakistan auseinander. Die Beschwerde konnte diesbezüglich keine Umstände aufzeigen, welche die Länderberichte in einem anderen Licht erscheinen lassen würden, zumal sie die Feststellungen der belangten strenggenommen nicht einmal bestreitet. Zu den seitens der belangten Behörde herangezogenen Zahlen zur Verbreitung des Corona-Virus in Pakistan ist festzuhalten, dass die Beschwerde dies überhaupt nicht aufgreift und daher auch nicht bestreitet.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
Das Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, in der geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
Paragraph 10, (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Ziffer eins bis 5 kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegt.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des Paragraph 58, Absatz 9, Ziffer eins bis 3 vorliegt.
...
Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
...
"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"
Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz eins, Ziffer 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Absatz 3 und Paragraph 73, AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Absatz eins, Ziffer 2, ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Absatz eins, Ziffer 3, ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."
...
Das BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, in der geltenden Fassung lautet:
"Schutz des Privat- und Familienlebens
Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraph 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß Paragraph 10, Absatz eins, des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß Paragraph 53, Absatz 3, Ziffer 6,, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraphen 52, Absatz 4, in Verbindung mit 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 4, FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß Paragraph 53, Absatz 3, FPG vorliegen. Paragraph 73, Strafgesetzbuch (StGB), Bundesgesetzblatt Nr. 60 aus 1974, gilt."
Das Fremdenpolizeigesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, in der geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"Abschiebung
Paragraph 46, (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. Paragraph 97, Absatz eins, gilt. Der Fremde hat an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken.
(2a) Die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Absatz 2, kann auch mit Bescheid auferlegt werden, Paragraph 19, Absatz 2 bis 4 AVG gilt sinngemäß. Der Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde, verbunden werden (Paragraph 19, AVG).
(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Absatz 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.
(4) Liegen bei Angehörigen (Paragraph 72, StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.
(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.
(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.
...
Verbot der Abschiebung
Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
…
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige
Rückkehrentscheidung
Paragraph 52, (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
....
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
...
Frist für die freiwillige Ausreise
Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. Paragraph 37, AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß Paragraph 18, Absatz 2, BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Absatz eins, ist mit Mandatsbescheid (Paragraph 57, AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht."
Artikel 8, Europäische Menschenrechtskonvention lautet:
"Artikel 8 - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."
Zum gegenständlichen Verfahren:
Vorweg ist festzuhalten, dass sich im gegenständlichen Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG angezeigt hätten, bzw. wurde weder im Verfahren vor dem BFA noch in der Beschwerde dahingehend etwas vorgebracht.
Der Beschwerdeführer verfügt über keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich und lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihm sonst nahestehenden Person zusammen. Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, sondern allenfalls einen solchen in das Privatleben.
Im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG ergibt sich anhand des dort aufgestellten Kriterienkatalogs folgendes Bild über den Beschwerdeführer:
Der Beschwerdeführer reiste im Juli 2014 illegal in Österreich ein und stellte am 29.7.2014 einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit dem hg Erkenntnis vom 26.8.2020 abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer hält sich seit etwas mehr als sechs Jahren im Bundesgebiet auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nehmen die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthalts zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren vergleiche VwGH vom 10.11.2015, Ro 2015/19/0001; vom 8.11.2018, Ra 2016/22/0120).
Im konkreten Fall ergibt sich über die Integration des Beschwerdeführers folgendes Bild:
Der Beschwerdeführer hat an einem Deutschkurs auf dem Niveau A2 teilgenommen und diesen auch abgeschlossen. Eine Unterhaltung mit dem Beschwerdeführer auf Deutsch ist möglich, das stellte bereits das Bundesverwaltungsgericht im Erk. vom 26.8.2020 fest. Der Beschwerdeführer machte zwar soziale und freundschaftliche Kontakte in Österreich geltend, doch erwiesen sich diese nicht als derart tiefgehend, dass eine überdurchschnittliche Integration aufgezeigt wurde. Der Beschwerdeführer war immer wieder ehrenamtlich tätig. Der Beschwerdeführer meldete zwar ein Gewerbe an, dass er tatsächlich auch seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, wurde jedoch nicht behauptet und hat sich an dieser Einschätzung seit dem Erk. des Bundesveraltungsgerichts vom 26.8.2020 nichts geändert, zumal der Beschwerdeführer ja auch am gegenständlichen Verfahren nicht mitwirkte. Auch sonst sind keine Hinweise auf eine Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich hervorgekommen; er bezog auf alle Fälle zu einem großen Teil seines Aufenthalts in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung. Das erkennende Gericht hält nochmals fest, dass diese Umstände bereits im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht L506 2168824-1, welches mit Erkenntnis vom 26.8.2020 abgeschlossen wurde, bekannt waren und auch berücksichtigt wurden. Neues Tatsachenvorbringen wurde seitens des Beschwerdeführers überhaupt nicht erstattet. Soweit die Beschwerde somit von einer "herausragenden Integration" spricht, stellt sich für das erkennende Gericht die Frage, worin diese erblickt wird, bedenkt man, dass keinerlei neues Tatsachenvorbringen hinsichtlich des Privat- und Familienlebens erstattet wurde und bereits eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen wurde. So brachte der Rechtsvertreter bereits im Schriftsatz vom 11.6.2020 vor, dass ihn mit dem Beschwerdeführer eine "echte Freundschaft verbindet, die weit über den beruflichen Kontakt hinausgeht". Vorbringen, das für den Beschwerdeführer spricht, wurde im Vergleich zum hg Erkenntnis vom 26.8.2020 nicht erstattet.
Insgesamt war damit weder ein persönliches Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet noch eine nennenswerte Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft festzustellen bzw insbesondere keine für den Beschwerdeführer relevante Änderung seit der letzten Rückkehrentscheidung gegen ihn Ende August 2020.
Dem gegenüber stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Der Beschwerdeführer hat keine nennenswerten privaten oder familiären Beziehungen geltend gemacht. Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist und keine von ihm begangenen Verwaltungsübertretungen aktenkundig sind, begründet noch keine für ihn ausschlaggebende Integration. Merkmale einer besonderen Integration in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht kamen nicht zu Tage. Soweit die Beschwerde vorbringt, der Beschwerdeführer sei der ihm auferlegten Meldeverpflichtung "vorbildlich" nachgekommen, so sei ihm an dieser Stelle ausgerichtet, dass die Befolgung von behördlichen Anordnungen (hier: Meldeverpflichtung gemäß Paragraph 56, FPG) eine Selbstverständlichkeit darstellen, die in der Interessensabwägung nicht für den Beschwerdeführer ausschlägt. Seit der Rückkehrentscheidung im August 2020 hat sich allerdings das öffentliche Interesse dahingehend geändert, als dass der Beschwerdeführer beharrlich im Bundesgebiet verweilt und keinerlei Anstalten macht der Ausreiseaufforderung nachzukommen. Wie die belangte Behörde auch richtig darlegt, ist nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer irgendwelche Schritte setzte seine Rückkehr nach Pakistan vorzubereiten. Die beharrliche Verweigerung endlich dem Ausreisebefehl nachzukommen stellt allerdings eine gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung dar. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer offenbar völlig mittellos ist und auch keinen Anspruch mehr auf Unterstützung aus der Grundversorgung hat.
Der Beschwerdeführer verbrachte den Großteil seines Lebens in Pakistan und ist mit den dortigen Gebräuchen und dem dortigen Leben vertraut. Er spricht Paschto auf muttersprachlichem Niveau. Die Aufnahme einer Beschäftigung im Heimatland ist unter diesem Gesichtspunkt gesichert. Es kann auch nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und die Wiedereingliederung des Beschwerdeführers in Pakistan nicht möglich wäre, brachte der Beschwerdeführer ja selbst vor, dass sein Freundeskreis aus Pakistani und Afghanen besteht. Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan und ist nicht ersichtlich, dass er den Kontakt zu diesen nicht wiederherstellen könnte. Allfällige soziale Anknüpfungspunkte in Österreich könnte der Beschwerdeführer auch nach seiner Ausreise weiterhin aufrechterhalten, z.B. über briefliche, telefonische oder elektronische Kontakte.
Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR erweisen sich die individuellen Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des Artikel 8, Absatz eins, EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse der Republik Österreich an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.8.2020, GZ: L506 2168824-1/15E, rechtskräftig abgewiesen.
Geänderte Verhältnisse wurden im gegenständlichen Verfahren nicht behauptet und hat sich im seither verstrichenen Zeitraum auch im Hinblick auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers kein maßgeblich geänderter Sachverhalt ergeben:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Artikel 2, oder Artikel 3, EMRK abgeleitet werden kann.
Dass sich der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befinde, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden; ebenso kann daher nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg. 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Artikel 3, EMRK subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Artikel 2, oder Artikel 3, EMRK oder die Zusatzprotokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur EMRK subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.
Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat der Todesstrafe unterworfen oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre, kann ebenso wenig festgestellt werden. Derartige Rückkehrbefürchtungen wurde im Verfahren weder substantiiert behauptet noch haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben. Weitere, in der Person des Beschwerdeführers begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Zur individuellen Versorgungssituation des Beschwerdeführers wird weiters festgehalten, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt, sich sprachlich verständigen kann und die Gebräuche und Sitten kennt. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen mobilen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen erwachsenen Mann. Einerseits stammt der Beschwerdeführer aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Der Beschwerdeführer verfügt über mehrere Jahre Schulbildung in Pakistan. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in Pakistan nicht einer Beschäftigung nachgehen könnte, immerhin versucht er dies ja auch in Österreich. Das erkennende Gericht geht demnach davon aus, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat der Lage sein wird, sich mit eigener Erwerbstätigkeit ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts und zur Befriedigung seiner Wohnbedürfnisse zu erwirtschaften, ohne dass es der Unterstützung durch ein familiäres Netzwerk bedürfte. Dem Beschwerdeführer steht es außerdem frei, um Unterstützung zu ersuchen, die Personen Unterstützung bei der Aufnahme und Reintegration zusichert. Aufgrund dieser Überlegungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
Der Beschwerdeführer ist gesund und gehört bei Berücksichtigung aller bekannten Umstände auch nicht der Risikogruppe für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung an. Abgesehen davon, dass die Beschwerde die Situation in Pakistan ohnehin nicht substantiiert thematisierte ist auch nicht ersichtlich, dass – ausgehend von den seitens der belangten Behörde verwendeten Zahlen in Pakistan – die Situation in Pakistan außer Kontrolle wäre.
Das erkennende Gericht verweist zum wiederholten Male darauf, dass eine Änderung der Sachlage durch den Beschwerdeführer weder im gegenständlichen Verfahren (an welchem er nicht mitwirkte) noch im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz behauptet wurde und begnügt sich die Beschwerde damit das Vorbringen aus dem Asylverfahren zu wiederholen.
3.2 Verhängung eines Einreiseverbotes:
Paragraph 53, Fremdenpolizeigesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, in der geltenden Fassung lautet:
"Einreiseverbot
Paragraph 53, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Anmerkung, Absatz eins a, aufgehoben durch Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2013,)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins, ist, vorbehaltlich des Absatz 3,, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß Paragraph 20, Absatz 2, der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, in Verbindung mit Paragraph 26, Absatz 3, des Führerscheingesetzes (FSG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 120 aus 1997,, gemäß Paragraph 99, Absatz eins,, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß Paragraph 37, Absatz 3, oder 4 FSG, gemäß Paragraph 366, Absatz eins, Ziffer eins, der Gewerbeordnung 1994 (GewO), Bundesgesetzblatt Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den Paragraphen 81, oder 82 des SPG, gemäß den Paragraphen 9, oder 14 in Verbindung mit Paragraph 19, des Versammlungsgesetzes 1953, Bundesgesetzblatt Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Absatz 3, genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins, ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Ziffer 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (Paragraph 278 a, StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (Paragraph 278 b, StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (Paragraph 278 c, StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (Paragraph 278 d, StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (Paragraph 278 e, StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (Paragraph 278 f, StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Absatz 3, maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Paragraph 73, StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Absatz 3, Ziffer eins,, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."
Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen vergleiche ErläutRV, 1078 BlgNR 24. Gesetzgebungsperiode 29 ff und Artikel 11, Absatz 2, Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzes-systematik insbesondere in den Fällen der Ziffer eins bis 9 des Paragraph 53, Absatz 2, FrPolG 2005 in der Fassung FrÄG 2011 anzunehmen. In den Fällen des Paragraph 53, Absatz 3, Ziffer eins bis 8 FrPolG 2005 in der Fassung FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Ziffer 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht.
Aus der Formulierung des Paragraph 53, Absatz 2, FPG ergibt sich, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ bzw. enumerativ zu sehen ist ("Dies ist insbesondere dann anzunehmen, "), weshalb die bB in mit den in Ziffer eins, - 9 leg. cit expressis verbis nicht genannten Fällen, welche jedoch in ihrer Interessenslage mit diesen vergleichbar sind, ebenso ein Einreisverbot zu erlassen.
Da die aktuelle Formulierung des Paragraph 53, FPG auch der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008 dient vergleiche Regierungsvorlage 1078 römisch 24 Gesetzgebungsperiode, "Mit dem vorgeschlagenen Paragraph 53, wird Artikel 11, der RückführungsRL Rechnung getragen") und europarechtlichen Grundsätzen folgend nationale Rechtvorschriften richtlinienkonform zu interpretieren sind vergleiche Artikel 11, der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008: "Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. In anderen Fällen kann eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen."), ist davon auszugehen, dass schon aufgrund des Umstandes, dass im gegenständlichen Fall keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht, ein unter Paragraphen 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz , FPG zu subsumierender Sachverhalt vorliegt, auch wenn dieser in Absatz 2, leg cit nicht expressis verbis aufgezählt wird.
Die belangte Behörde war im gegenständlichen Fall schon aufgrund Artikel 11, der Rückführungsrichtlinie berechtigt, die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu verbinden. Zum gegenständlichen Verfahren sei festgehalten, dass die belangte Behörde in nicht zu beanstandender Weise ausführt, dass der Beschwerdeführer während seines gesamten Aufenthalts in Österreich bzw. im Schengenraum nicht gezeigt hat, dass er gewillt ist den Anweisungen der österreichischen Fremdenbehörden Folge zu leisten bzw. die österreichischen fremdenrechtlichen Bestimmungen anzuerkennen. Dies ergibt sich zunächst bereits daraus, dass der Beschwerdeführer den rechtskräftigen Auftrag Österreich zu verlassen ignoriert und weiterhin illegal im Bundesgebiet verweilt. Der Beschwerdeführer unternahm keinerlei Schritte seine Ausreise vorzubereiten oder sind sonstige Schritte zu sehen, die auf eine baldige Befolgung der Rückkehrentscheidung schließen lassen. Aus Sicht des erkennenden Gerichtes ist eher das Gegenteil der Fall, zumal der Beschwerdeführer auch im letzten Rückkehrberatungsgespräch am 16.11.2020 seine Rückkehrunwilligkeit betonte. Der belangten Behörde ist daher nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt und hat der Beschwerdeführer kein Verhalten an den Tag gelegt, das eine positive Zukunftsprognose zulässt. In Zeiten des illegalen Migrationsstromes nach Europa ist das Interesse der Republik Österreich an der Einhaltung von fremdenrechtlichen Bestimmungen besonders hoch einzustufen. Darüber hinaus ist der belangten Behörde auch zuzustimmen, wenn sie ausführt, dass der Beschwerdeführer keinerlei Mittel zum Unterhalt nachgewiesen hat. Der Beschwerdeführer geht keiner Erwerbstätigkeit nach und hat keinen Anspruch mehr auf Leistungen aus der Grundversorgung, wobei sich ersteres bereits aus der Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger ergibt und trat der Beschwerdeführer dem nicht entgegen. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn sie darlegt, dass die Weigerung das Bundesgebiet zu verlassen eine gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt. Ebenso ist ihr zuzustimmen, wenn sie ausführt, dass die Mittellosigkeit die Gefahr der illegalen Beschaffung von Unterhaltsmitteln birgt und nicht ersichtlich ist, wie der Beschwerdeführer seinen weiteren Aufenthalt eigentlich finanzieren will. Auch dazu verschweigt sich im Übrigen die Beschwerde. Soweit die belangte Behörde das Einreiseverbot auf zwei Jahre befristet, so ist dazu festzuhalten, dass sie damit nicht einmal die Hälfte der möglichen Dauer ausschöpft. Auch der Dauer tritt die Beschwerde nicht entgegen.
Die belangte Behörde zeigt ein seitens des Beschwerdeführers gesetztes Verhalten auf, das die Verhängung eines zweijährigen Aufenthaltsverbotes rechtfertigt, nämlich das Ignorieren der Rückkehrentscheidung des ersten Asylverfahrens und den illegalen Aufenthalt sowie die festgestellte Mittellosigkeit.
Soweit die Beschwerde ausführt, der Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung stehe das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen, so sei auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach dies gegenständlich eben nicht der Fall ist vergleiche das Erkenntnis des VwGH vom 12.11.2019, Zl. Ra 2019/21/0209).
3. Ausreisefrist und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
Soweit die belangte Behörde ausführt, die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers sei im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich und stelle der Beschwerdeführer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, so schließt sich das erkennende Gericht dem im Wesentlichen an. Die belangte Behörde legte ausreichend dar, dass der Beschwerdeführer eben nicht gewillt ist dem Ausreisebefehl nachzukommen und hänge von einem funktionierenden Fremdenwesen auch das wirtschaftliche Wohl und der soziale Frieden ab. Dem tritt die Beschwerde mit dem Hinweis entgegen, dass selbst im angefochtenen Bescheid festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer keine strafrechtlich relevanten Vormerkungen aufweist und auch der Meldeverpflichtung nach Paragraph 56, FPG bisher nachkommt. Der Beschwerdeführer habe dadurch bereits unter Beweis gestellt, dass keine Fluchtgefahr von ihm ausgehe. Dementsprechend sei die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht erforderlich.
Hier ist der Beschwerde entgegenzuhalten, dass es auf die Fluchtgefahr nicht ankommt. Paragraph 18, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG stellt nämlich "nur" darauf ab, dass der weitere Aufenthalt des Fremden eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt und daher die sofortige Ausreise notwendig ist. Dass der Beschwerdeführer aber durch seine Mittellosigkeit und seine beharrliche Weigerung auszureisen eine solche Gefahr darstellt, ist für das erkennende Gericht erwiesen. Dem tritt die Beschwerde nicht mehr substantiiert entgegen und zeigt nicht auf, weswegen der Beschwerdeführer eben keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
3.4. Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
Paragraph 24, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013, in der geltenden Fassung lautet:
"Verhandlung
Paragraph 24, (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6, Absatz eins, der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, noch Artikel 47, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 Sitzung 389 entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."
Das erkennende Gericht hat keine ergänzende Beweiswürdigung vorgenommen, sondern stützt sich die gegenständliche Entscheidung auf die von der belangten Behörde vorgenommenen tragenden Beweiswürdigung. Das seitens des Beschwerdeführers erstattete Vorbringen hinsichtlich seines Privatlebens in Österreich wurde übernommen und als wahr unterstellt, dies insbesondere bereits aus dem Umstand, dass die letzte Rückkehrentscheidung erst wenige Monate zurückliegt. Neues Tatsachenvorbringen wurde in der Beschwerde nicht erstattet.
Aufgrund der oa. Ausführungen konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
ECLI:AT:BVWG:2020:L525.2168824.3.00