Bundesverwaltungsgericht
22.12.2020
W251 2158983-1
W251 2158983-1/33E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. SOMALIA, vertreten durch Diakonie und Flüchtlingsdienst gem. GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2017, Zl. 1080337401-150967168, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 29.07.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 31.07.2015 fand vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdiensts die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er eine Frau geheiratet habe, welche nicht zu seinem Stamm gehört habe. Er habe daher Probleme mit der Familie der Frau bekommen. Der Ehemann seiner Schwester sei deswegen getötet worden. Bei einer Rückkehr befürchte er, dass die Familie der Frau ihn töten würde.
3. Am 24.03.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Dabei gab er an, dass er verachtet worden sei, weil er eine Frau geheiratet habe, die dem Isaaq Clan angehört habe. Er sei deswegen geschlagen und schwer verletzt worden. Später habe man ihn auch umringen wollen. Statt dem Beschwerdeführer sei aber dann sein Schwager umgebracht worden. Daraufhin sei der Beschwerdeführer geflüchtet.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt römisch eins. und römisch II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch IV.).
Begründend führte das Bundesamt aus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft einzustufen war. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Eine Rückkehr nach Somaliland gestalte sich als unproblematisch. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte dagegen im Wesentlichen vor, dass er im Fall einer Rückkehr fürchte, von der Familie seiner Frau umgebracht und von den Mitgliedern des Clans der Isaaq verfolgt zu werden. Zudem brachte er vor, dass das Bundesamt es zur Gänze unterlassen habe, sich mit Mischehen zwischen Mehrheits- und Minderheitenclans der Madhiban auseinanderzusetzen und auch die Ermittlungen des Bundesamts zur Situation der Madhiban als Minderheitenclan sehr oberflächlich gewesen seien. Zudem führte er an, dass Mischehen zwischen Minderheitengruppen und Hauptclans traditionell nur eingeschränkt möglich seien. Minderheitengruppen würden oft über keine bewaffneten Milizen verfügen und seien unverhältnismäßig oft von Tötung, Folter, Vergewaltigung, Entführung und Plünderungen durch Milizen und Angehörige von Hauptclans betroffen. Diese könnten diese Taten zudem ungestraft verüben. Viele Minderheiten würden in großer Armut leben und von zahlreichen Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sein. Die Madhibaan/Midgan würden eindeutig zu den gefährdeten Gruppen in Somalia zählen. Minderheiten würden täglich Gewalt und Verfolgung erleiden und es gebe keinen staatlichen Schutz für Minderheiten in Somalia inklusive Somaliland und Puntland. Der Beschwerdeführer könne aufgrund seiner Heirat einer Angehörigen des Issaq-Clans weder die Unterstützung des Staates noch jene seines Clans beanspruchen, da dieser über keine bewaffnete Miliz und über kein Schutzsystem verfüge. Für ihn bestehe angesichts der wirtschaftlichen Lage, der hohen Arbeitslosigkeit im Norden Somalias, der hohen Armut und der anhaltenden Dürre sowie der damit einhergehenden Nahrungsmittelknappheit keine Möglichkeit, bei einer Rückkehr nach Somalia seine Existenz zu sichern. Dem Beschwerdeführer drohe daher im Fall einer Rückkehr eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, was eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten würde. Der Beschwerdeführer bemühe sich, sich in Österreich zu integrieren. Er besuche zweimal pro Woche einen Deutschkurs und bereite sich auf die A1 Prüfung vor.
6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.09.2017 wurde das Verfahren des Beschwerdeführers eingestellt, da der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts war und sich so dem Verfahren entzogen hat.
7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.02.2018 wurde das eingestellte Beschwerdeverfahren fortgesetzt.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.10.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch.
9. Mit Parteiengehör vom 20.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer eine vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend die Madhiban-Mohamed, in Burco in Somalia/Somalliland übermittelt. Das Bundesverwaltungsgericht gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen eine Stellungnahme diesbezüglich abzugeben.
10. Mit Stellungnahme vom 04.12.2019 wiederholte der Beschwerdeführer zunächst sein Fluchtvorbringen. Zudem gab er an, dass er psychisch belastet sei und er sich für eine Therapie angemeldet habe. Zu dem Ergebnis der Anfragebeantwortung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er die Kompetenz der Vertrauensperson in Somalia, auf deren Informationen die Anfragebeantwortung aufbaut sowie ob die von ihr befragten Personen einen allumfassenden Einblick gehabt hätten, bezweifle. In der Aufzählung der Abtirsiimomo sei es zudem zu Verwechslungen gekommen, da es verschiedene Arten des „Vater-Zählens“ gebe, der Beschwerdeführer Analphabet und möglicherweise kognitiv beeinträchtigt sei. Beim Ermittlungsergebnis eines Verbindungsbeamten handle es sich um ein Beweismittel eigener Art, das nicht mit einem Sachverständigengutachten im Sinne des AVG gleichzusetzen sei. Verwiesen wurde auf den Bericht „Focus Somalia – Clans und Minderheiten“ des SEM (Staatssekretariat für Migration) vom 31.05.2017. Zudem wies er darauf hin, dass die Versorgungs- und die Sicherheitslage in Somalia volatil sei.
11. Mit Parteigehör vom 10.12.2020 wurden den Parteien aktuelle Länderinformationen übermittelt und den Parteien aufgetragen bekannt zu geben, ob sich seit der letzten Verhandlung etwas an den Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung, an der Situation des Beschwerdeführers in Österreich bzw. im Herkunftsland oder an der Situation im Herkunftsland geändert hat.
12. Mit Stellungnahme vom 18.12.2020 verwies der Beschwerdeführer auf seine Fluchtgründe und seine bisherigen Angaben im Verfahren. Es stehe ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, da eine Reisewarnung für Somalia bestehe. Es habe sich zudem die Ernährungssicherheit in Somalia verschlechtert. Ohne familiäre Unterstützung und da er aufgrund seiner psychischen Belastung und seines Analphabetismus vulnerabel sei würde er bei einer Rückkehr in eine aussichtslose Lage geraten. Er nehme in Österreich an einem Alphabetisierungskurs teil, der jedoch aufgrund der COVID-Maßnahmen vorübergehend eingestellt worden sei. Er arbeite auch weiterhin freiwillig für ein Magistrat.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Er ist somalischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Somali als Muttersprache (AS 3, AS 34, AS 38; Protokoll vom 15.10.2019, = PS 6-7).
Der Beschwerdeführer ist kein Angehöriger des Clans der Gabooye bzw. Madhiban oder eines anderen Minderheitenclans. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger eines Mehrheitsclans. Es kann nicht festgestellt werden, welchem Mehrheitsclan der Beschwerdeführer tatsächlich angehört.
Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt Burco, im Distrikt Togdheer in Somaliland geboren. Er hat mit seiner Familie etwa von 1988 bis 1991 in Äthiopien gelebt (PS 7-8). Nach seiner Rückkehr nach Burco hat er bis zu seiner Ausreise im März 2015 dort gelebt (AS 3, AS 34).
Der Beschwerdeführer war traditionell verheiratet (AS 3, AS 38). Die Frau des Beschwerdeführers hat sich von ihm scheiden lasse und nach seiner Ausreise wieder geheiratet (PS 7). Er ist Vater zweier Söhne und einer Tochter. Die Kinder des Beschwerdeführers leben im Haus der Familie des Beschwerdeführers. Sie werden von der Cousine des Beschwerdeführers betreut (PS 10). Alle drei Kinder sind minderjährig (AS 3, AS 7, AS 35).
Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben (AS 7, AS 36, PS 9). Der Vater des Beschwerdeführers arbeitete als Waldaufseher in einem Wald, der dem somalischen Staat gehörte und kontrollierte, dass keine Rodungen stattfanden (PS 11). Er kam als Soldat ums Leben (AS 42). Seine Mutter hat nicht gearbeitet (PS 11). Die frühere Frau des Beschwerdeführers sowie seine Kinder leben noch in Burco. Auch die zwei Schwestern, zwei Brüder, der Halbbruder und die Cousine des Beschwerdeführers leben in Burco (AS 7, AS 35 und 36, PS 10 und 11). Ein Bruder arbeitet als Schweißer, einer als Frisör und der Halbbruder des Beschwerdeführers arbeitet im gleichen Frisörgeschäft. Die beiden Schwestern des Beschwerdeführers sind Hausfrauen (AS 36). Ein Bruder lebt im Sudan und arbeitet als LKW-Fahrer (AS 36). Die Cousine des Beschwerdeführers arbeitet als Reinigungskraft (PS 13). Ein Bruder des Beschwerdeführers ist verstorben (PS 10).
Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat zusammen mit seinen Geschwistern sowie seinen Eltern, die mittlerweile verstorben sind, in einer Hütte gelebt (PS 9). In dieser Hütte leben jetzt ein Bruder, eine Schwester, eine Cousine und die Kinder des Beschwerdeführers sowie die Kinder eines Bruders des Beschwerdeführers und die verwitwete Frau dieses Bruders (PS 11).
Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seinen Familienangehörigen (PS 11).
Der Beschwerdeführer besuchte in Äthiopien für einige Monate eine Koranschule (PS 7). Er besuchte zudem von 1992 bis 1993 die Grundschule in Burco in Somalia (AS 3, PS 7). Er verfügt über keine Berufsausbildung (AS 5). Er hat Berufserfahrung im Herkunftsstaat, da er diverse Hilfstätigkeiten ausgeübt hat (AS 5, AS 35, PS 8 und 9).
Der Beschwerdeführer ist ca. am 08.03.2015 mit einem Bus aus Somalia ausgereist (AS 7).
Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und er stellte am 29.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (AS 3 ff).
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist arbeitsfähig (AS 33; OZ 30). Der Beschwerdeführer wurde in Österreich am Auge operiert (AS 33, AS 47). Der Beschwerdeführer leidet an einer Anpassungsstörung sowie an Schlafproblemen, ansonsten ist er gesund (Beilage ./A).
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
1.2.1. Der Beschwerdeführer ist kein Angehöriger des Clans der Madhiban, sondern Angehöriger eines Mehrheitsclans. Die Eheschließung mit einer Clanangehörigen der Isaaq stellte somit keine Mischehe zwischen Angehörigen eines Minderheiten- und eines Mehrheitsclans dar. Der Beschwerdeführer wurde weder aus diesem noch aus einem anderen Grund von der Familie seiner Frau oder von Clanangehörigen der Isaaq am Körper verletzt oder mit dem Tod bedroht. Der Schwager des Beschwerdeführers wurde nicht aus selbigem Grund ermordet.
Der Beschwerdeführer hat Somaliland weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
Im Falle einer Rückkehr nach Somaliland droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Familienangehörige seiner Frau, Clanangehörige der Isaaq oder durch andere Personen.
1.2.2. Der Beschwerdeführer hatte in Somalia und Somaliland selber keine konkret und individuell gegen ihn gerichteten Probleme aufgrund seiner Clanzugehörigkeit.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Burco, Togdheer, kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.
Der Beschwerdeführer ist männlich, jung, arbeitsfähig sowie im erwerbsfähigen Alter. Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Somaliland vertraut und spricht Somalisch als Muttersprache. Die leiblichen Kinder des Beschwerdeführers werden in Burco von Verwandten des Beschwerdeführers versorgt, sodass dieser bei einer Rückkehr zunächst nicht sofort für den Unterhalt seiner Kinder aufkommen muss. Er verfügt über eine geringe Schulbildung, keine Berufsausbildung, aber langjährige Berufserfahrung als Hilfsarbeiter in diversen Tätigkeiten. Er hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Burco verbracht, sodass er über Ortskenntnisse verfügt, ihm sind städtische Strukturen bekannt. Das gesamte familiäre Netzwerk des Beschwerdeführers befindet sich in Burco. Er kann zumindest anfänglich von seinen Familienangehörigen in Somalia, nämlich von seinen Geschwistern, durch die Zurverfügungstellung einer vorübergehenden Unterkunft sowie bei der Arbeitssuche, unterstützt werden. Er kann auch Unterstützung von seinem Clan erhalten. Zudem kann er Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Er kann anschließend selber für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Der Beschwerdeführer kann in Burco grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr nach Somalia in Burco wieder Fuß zu fassen und dort sein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 29.07.2015 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG in Österreich durchgehend aufhältig.
Der Beschwerdeführer war bei seiner Ankunft in Österreich Analphabet (AS 46). Er hat in Österreich im Jahr 2017 zweimal wöchentlich einen Deutschkurs besucht (AS 43 und 45). Er hat allerdings keine Deutschprüfung abgelegt. Er verfügt über geringe Deutschkenntnisse (PS 13 und 14). Er hat im Juli 2019 an einem Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen(Beilage ./D).
Der Beschwerdeführer geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung. Er war im Zeitraum von 30.09.2019 bis 18.10.2019 bei einer Stadt 40 Stunden pro Woche ehrenamtlich beschäftigt (Beilage ./B). Der Beschwerdeführer erbrachte Tätigkeiten der Straßenreinigung und erhielt dafür einen Anerkennungsbeitrag von € 5,-- pro Stunde (Beilage ./C). Auch im Zeitraum von 21.09.2020 bis 09.10.2020 erbrachte er für eine Stadt gemeinnützige Leistungen im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche. Im Zuge dieser erbrachte er ebenfalls Tätigkeiten der Straßenreinigung (OZ 30).
Der Beschwerdeführer hat in Österreich freundschaftliche Beziehungen knüpfen können. Er verfügt jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (AS 36; PS 15).
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Somaliland und Somalia:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 17.09.2018 (LIB),
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somaliland vom 17.09.2018 (LIB Somaliland),
- FFM Report Somalia, Sicherheitslage in Somalia, August 2017 (FFM),
- Focus Somalia Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 (Focus Somalia),
- Analyse der Staatendokumentation, Somalia, Ashraf 2011 vom 05.11.2011 (Ashraf),
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Madhiban – Mohamed, Burco vom 18.11.2019 (Anfragebeantwortung Madhiban)
- ACCORD Anfragebeantwortung zu Somalia: Auswirkungen der Covid-19-Pandemie: Ausgangs- und Reisebeschränkungen, Versorgungslage, medizinische Versorgung, Umgang mit Erkrankten vom 07.08.2020 (COVID-19)
- Famine Early Warning Systems Network – Key Message Update aus September 2020 (FEWSN 09/20)
- Famine Early Warning Systems Network – Key Message Update aus November 2020 (FEWSN 11/20)
1.5.1. Politische Situation:
Somalia ist faktisch zweigeteilt in die somalischen Bundesstaaten und Somaliland, einen selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird, aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert (LIB Kapitel 2).
Seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 war Süd-/Zentralsomalia immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen. Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. In vielen Bereichen handelt es sich bei Somalia um einen „indirekten Staat“, in welchem eine schwache Bundesregierung mit einer breiten Palette nicht-staatlicher Akteure (z.B. Clans, Milizen, Wirtschaftstreibende) verhandeln muss, um über beanspruchte Gebiete indirekt Einfluss ausüben zu können (LIB Kapitel 2)
Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, wurden im Rahmen eines international vermittelten Abkommens von 2013 bis 2016 die Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und HirShabelle neu gegründet. Allerdings hat keine dieser Verwaltungen die volle Kontrolle über die ihr nominell unterstehenden Gebiete (LIB Kapitel 2).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (LIB Kapitel 2).
Somaliland gilt als Vorbildstaat am Horn von Afrika. Seit 1997 herrschen Frieden und politische Stabilität. Die Regierung Somalilands bekennt sich zu Demokratie und Marktwirtschaft (LIB Somaliland Kapitel 2).
1.5.2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Süd- und Zentralsomalia bleibt instabil und unvorhersagbar. Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen. Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen. Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (LIB Kapitel 3).
Viele Städte stehen unter der Kontrolle somalischer Armee und AMISOM sowie der Regierung, wobei diese Städte oft vom Gebiet der Als Shabaab umgeben ist (LIB Kapitel 3).
In Somaliland herrscht Friede und politische Stabilität. Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus, nur das Randgebiet zu Puntland ist umstritten bzw. hat die Regierung dort nicht die volle Kontrolle. Die Sicherheitskräfte können ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa und Berbera. Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden (LIB Somaliland Kapitel 3).
Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfer fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährde. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans (LIB Somaliland Sitzung 15).
Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clan-Konflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (LIB Somaliland Sitzung 15).
Die Stadt Hargeysa (Nordsomalia) verfügt über einen Flughafen. Über die Stadt Hargeysa ist die Stadt Burco sicher erreichbar. Die Einwohner von Nordsomalia können sich in Nordsomalia sicher und frei bewegen.
1.5.3. Sicherheitsbehörden in Somaliland:
Somaliland verfügt über eine eigene Armee und über eigene Polizeikräfte. Der staatliche Schutz stellt sich in Somaliland besser dar, als in Süd-/Zentralsomalia. Die Sicherheitsorgane haben in Somaliland eine besonders starke Stellung. Ihre zivile Kontrolle durch die politischen Führer ist stärker als im Rest des Landes, aber gleichwohl lückenhaft. Die Sicherheitskräfte in Somaliland können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die westlichen Gebiete (Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa und Berbera). Insgesamt arbeiten die Polizei und andere Regierungsinstitutionen ausreichend gut (LIB Somaliland Sitzung 21 f).
Weitere Sicherheitsinstitutionen sind die Special Police Units (SPU; zuständig für den Schutz internationaler Organisationen und NGOs); die Rapid Reaction Unit; und der nationale Geheimdienst. Daneben besteht eine National Coast Guard, eine Spezialeinheit zur Terrorismusbekämpfung (LIB Somaliland - Sitzung 22).
Die somaliländische Armee wird von einem zentralen Kommando mit Sitz in Hargeysa geführt. Sie verfügt über Regionalkommanden und ist nach westlichem Vorbild in Groß- und Kleinverbänden organisiert. Die Mannschaften der Armee sind diszipliniert, Vergehen werden i.d.R. verfolgt und bestraft (LIB Somaliland - Sitzung 22).
1.5.4. Clanstruktur
In Somalia ist die Bevölkerung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans zersplittert, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeits-empfinden bestimmt. Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (LIB Kapitel 17.1.).
Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalier. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt. Darum kennen Somalier üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem. Allerdings gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LIB Kapitel 17.1). In Mogadischu und anderen großen Städten ist es daher nicht automatisch nachvollziehbar, welchem Clan eine Person angehört. Die (Clan-)Zusammensetzung der Bevölkerung von Mogadischu ist sehr heterogen. Dort können sich Angehörige jedes Clans niederlassen (LIB Kapitel 19).
Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf (bottom-up-Aufzählung). Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt. Kinder ab dem Alter von acht bis elf Jahren können diese üblicherweise auswendig (Focus Somalia, Sitzung 22).
Als "noble" Clanfamilien gelten die traditionell nomadischen Hawiye, Darod, Dir und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben (LIB Kapitel 17.1).
Die Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene, die sogenannte Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe (Jilib), die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt (Focus, Sitzung 8 f; LIB Kapitel 4).
Clanschutz bedeutet für eine Einzelperson die Möglichkeit vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Ein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Kompensation zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Die Mitglieder eines Jilib sind verpflichtet, einander bei politischen und rechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen, die im Xeer-Vertrag festgelegt sind - insbesondere bei Kompensations-zahlungen (Mag/Diya). Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. (LIB Kapitel 4).
Große Clans in Somaliland: In der Region Awdal wohnen v.a. Angehörige der Dir/Gadabursi und Dir/Issa. In den Regionen Woqooyi Galbeed und Togdheer wohnen v.a. Angehörige der IsaaqSubclans Habr Jeclo, Habr Yunis, Idagala und Habr Awal. In der Region Sool wohnen v.a. Angehörige der Darod/Dulbahante (Taleex, Xudun, Laascaanood), Isaaq/Habr Yunis (Xudun, Laascaanood) und Isaaq/Habr Jeclo (Caynabo). In der Region Sanaag wohnen v.a. Angehörige der Darod/Warsangeli (Laasqoray, Ceerigaabo), Isaaq/Habr Yunis (Ceerigaabo) und Isaaq/Habr Jeclo (Ceel Afweyn). Die Minderheiten der Berufskasten in Somaliland werden unter dem Begriff „Gabooye“ zusammengefasst (Muse Dheriyo, Tumal, Madhiban, Yibir) (LIB Somaliland Kapitel 17).
Es gibt einige NGOs, die sich explizit um Minderheiten kümmern. Hinsichtlich berufsständischer Gruppen sind dies u.a.: Daami Youth Development Organization (DYDO), Somaliland National Youth Organization (SONYO Umbrella), Ubax Social and Welfare Organization (USWO), Voices of Somaliland Minority Women Organization (VOSOMWO) (LIB Somaliland Kapitel 17).
Clankonflikte bestehen auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährdet. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren (LIB Somaliland Kapitel 3).
Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie unterscheiden sich in ethnischer, sprachlicher und kultureller Hinsicht nicht von der Mehrheitsbevölkerung, sind aber traditionell in Berufen tätig, die von den Mehrheitsclans als "unrein" oder "unehrenhaft" angesehen werden. Diese Berufe und andere ihrer Praktiken (z.B. Fleischverzehr) gelten darüber hinaus als unislamisch (Focus Somalia, Sitzung 14). Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert (LIB - Sitzung 98).
Die Clans der berufsständischen Gruppen sind gleich strukturiert wie die Mehrheitsclans, mit dem einzigen Unterschied, dass sie ihre Abstammung nicht auf die Gründerväter Samaale bzw. Saab zurückverfolgen können, sondern "nur" auf den "Vater" ihres Clans. Gleich wie die Mehrheitsclans haben das Aufzählen der Väter (Abtirsiimo) und die Zugehörigkeit zu einem Clan eine große Bedeutung (Focus Somalia, Sitzung 15 f).
Jüngere Somalier im urbanen Raum oder in der Diaspora sind heute häufig nur noch in der Lage, ihre Clanzugehörigkeit bis zur Stufe Sub-Clan sowie vier oder fünf Generationen im Abtirsiimo (Abstammungslinie) aufzuzählen. Es kommt aber selbst bei jungen Somalier in der Diaspora nicht vor, dass sie gar keine Ahnung von ihrem Clan und ihrem Abtirsiimo haben. Sogar wenn sie sich für das Clansystem nicht interessieren, können sie zumindest ihren Clan und Sub-Clan sowie den Abtirsiimo bis zum Urgroßvater nennen. Fast alle Somalier kennen zumindest ihren Clan-Ältesten (Focus Somalia, Sitzung 24).
Aufgrund der wahrgenommenen Bevorzugung der berufsständischen Gruppen im Asylverfahren in westlichen Staaten sind andere Somalier dazu übergegangen, sich als Angehörige von Berufsgruppen auszugeben. Da andere Somalier aber im Durchschnitt gebildeter sind als die Angehörigen berufsständischer Gruppen, sind sie in der Lage, sich mehr Wissen über die berufsständischen Gruppen anzueignen, als diese selbst haben (Focus Somalia, Sitzung 25).
Einzig in der Frage der Mischehen besteht noch eine gesellschaftliche Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Als besonders problematisch wird es angesehen, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch (LIB Somalia 17.09.2018 - Sitzung 99).
Minderheiten/Clans in Somaliland
In den Regionen Woqooyi Galbeed und Togdheer wohnen v.a. Angehörige der Isaaq/Habr Jeelo, Isaaq/Habr Yonis, Isaaq/Idagala und Isaaq/Habr Awal. Die Minderheiten der Berufskasten in Somaliland werden unter dem Begriff „Gabooye“ zusammengefasst (Musa Dheriyo, Tumal, Madhiban, Yibir) (LIB Somaliland - Sitzung 29).
Wie in den restlichen Landesteilen bekennt sich die Verfassung zum Gebot der Nichtdiskriminierung. Clan-Zugehörigkeit spielt jedoch eine große Rolle, Minderheitenschutz besteht offiziell nicht. Das bedeutet, dass Angehörige v.a. der Gabooye weiterhin marginalisiert bleiben. Auch weiterhin kommt es zur Diskriminierung bzw. Marginalisierung der Angehörigen ethnischer Minderheiten. Eine aktive Verfolgung findet allerdings nicht statt. Die Gabooye leiden unter sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung und werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Dabei kommt es zu keiner systematischen Benachteiligung durch Polizei und Gerichte, wiewohl es vorkommt, dass Vergehen gegenüber Minderheiten-Angehörigen seitens der Polizei nicht nachgegangen wird (LIB Somaliland - Sitzung 30; Focus Somalia, Sitzung 38 f). Die offizielle Anerkennung von Gabooye-Suldaans hat zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Ihr gesellschaftlicher Ruf hat sich dadurch generell verbessert. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im xeer (traditionelles Recht) ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im xeer meist nicht korrumpierbar und fairer. Auch von den somaliländischen Gerichten werden die Minderheiten in den letzten Jahren mehrheitlich fair behandelt. In Somaliland sind die Clan-Ältesten der Minderheiten gleich wie jene der Mehrheitsclans offiziell anerkannt, und die Minderheiten sind in den politischen Parteien vertreten (LIB Somaliland - Sitzung 30).
Es kommt zur Tabuisierung von Mischehen. In Somaliland lehnen die Clanfamilien Isaaq und Darod Mischehen vehement ab, während sie die Dir eher akzeptieren (LIB Somaliland 17.09.2018 - Sitzung 30).
Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Madhibaan in Somaliland allein aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind. Jedoch sind diese Diskriminierungen ausgesetzt.
1.5.5. Grundversorgung:
Es gibt kein nationales Mindesteinkommen. Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar, wohingegen der tertiäre Bildungsbereich in Mogadischu boomt. Aufgrund des Fehlens eines formellen Banksystems ist die Schulden-Kredit-Beziehung (debt-credit relationship) ein wichtiges Merkmal der somalischen Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei spielen Vertrauen, persönliche und Clan-Verbindungen eine wichtige Rolle – und natürlich auch der ökonomische Hintergrund. Es ist durchaus üblich, dass Kleinhändler und Greissler anschreiben lassen (LIB Kapitel 21.1).
Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft, sei es als Kleinhändler, Viehzüchter oder Bauern. Zusätzlich stellen Remissen für viele Menschen und Familien ein Grundeinkommen dar. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt von der Viehzucht abhängig. Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8%). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (14,1%). 6,9% arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8% als Handwerker, 4,7% als Techniker, 4,1% als Hilfsarbeiter und 2,3% als Manager (LIB Kapitel 21.1).
Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. Eine Arbeit zu finden ist mitunter schwierig, verfügbare Jobs werden vor allem über Clan-Netzwerke vergeben. Generell ist das Clan-Netzwerk vor allem außerhalb von Mogadischu von besonderer Relevanz (LIB Kapitel 21.1).
Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose keinerlei Unterstützung. Insgesamt ist das traditionelle Recht (Xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfall- bzw. Haftpflichtversicherung. Die Mitglieder des Qabiil (diya-zahlende Gruppe; auch Jilib) helfen sich bei internen Zahlungen – z.B. bei Krankenkosten – und insbesondere bei Zahlungen gegenüber Außenstehenden aus. Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (LIB Kapitel 21.1).
Frauen stoßen immer mehr in ehemals männlich dominierte Wirtschaftsbereiche vor – etwa bei Viehzucht, in der Landwirtschaft und im Handel. Frauen tragen nunmehr oft den Hauptteil zum Familieneinkommen bei. Gerade auch die Hungersnot von 2011 und die Dürre 2016/17 haben den Vorstoß von Frauen in männliche Domänen weiter vorangetrieben. In Süd-/Zentralsomalia und Puntland sind Frauen in 43% der Haushalte mittlerweile die Hauptverdiener (LIB Kapitel 21.1).
Trotzdem bietet sich für vom Land in Städte ziehende Frauen meist nur eine Tätigkeit als z.B. Wäscherin an, da es diesen Frauen i.d.R. an Bildung und Berufsausbildung mangelt. Allerdings können sie z.B. auch als Kleinhändlerin tätig werden. Sie verkaufen Treibstoff, Milch, Fleisch, Früchte, Gemüse oder Khat auf Märkten oder auf der Straße. 80%-90% des derart betriebenen Handels wird von Frauen kontrolliert. Außerdem arbeiten Frauen in der Landwirtschaft. Andere arbeiten als Dienstmädchen, Straßenverkäuferin, Köchin, Schneiderin, Müllsammlerin oder aber auch auf. Für Frauen gibt es auch weiterhin kulturelle Einschränkungen bezüglich der Berufsausübung, z.B. können sie nicht Taxifahrer werden (LIB Kapitel 21.1).
Für viele Haushalte sind Remissen aus der Diaspora eine unverzichtbare Einnahmequelle. Diese Remissen, die bis zu 40% eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens ausmachen, tragen wesentlich zum sozialen Sicherungsnetz bei und fördern die Resilienz der Haushalte (LIB Kapitel 21.1).
Hauptfaktoren der Wirtschaft und des BIP in Somaliland sind Viehzucht und Dienstleistungen. Somaliländer, die im Ausland an Geld und materielle Ressourcen gekommen sind, kehren zunehmend aus der Diaspora zurück und sind vor allem am wirtschaftlichen Vorankommen des Landes interessiert. Der Handel und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt haben einen spürbaren Aufschwung genommen, von dem jedoch fast ausschließlich die Stadtbevölkerung profitiert. Die Jugendarbeitslosigkeit in Somaliland beträgt mindestens 60%, die Arbeitslosigkeit insgesamt beträgt ca. 47% (LIB Somaliland Kapitel 21.1.).
Die maßgeblichen Entwicklungsindikatoren sind in Somaliland durchweg besser, als im Rest des Landes: Mehr Mütter überleben Schwangerschaft und Geburt, mehr Kinder gehen zur Schule, mehr Menschen haben Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Allerdings herrscht im Land noch immer ein hohes Maß an Armut. Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem. Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz bilden die erweiterte Familie und der Clan. Auch Remissen aus dem Ausland tragen zu diesem Netz bei (LIB Somaliland Kapitel 21.2.).
In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten. Allerdings hat das Land in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren Dürre durchlebt. Vielen Menschen ist dadurch ihr Lebensunterhalt verloren gegangen. Hilfe gegen akute Unterernährung wird u.a. von USAID, Wasserversorgung über lokale Partner von UNICEF angeboten. An Wasserknappheit leidende IDPs (ca. 10.000 Familien) in Saraar, Sool, Togdheer und Sahil wurden in der Trockenzeit mit Tanklastwagen versorgt (LIB Somaliland Kapitel 21.2.).
1.5.6. Aktuelle Grundversorgungslage (Nahrungsmittelversorgung, Dürre, Überflutung)
Aufgrund der kombinierten Auswirkungen von weit verbreiteten und schweren Überschwemmungen, der Heuschreckenplage in der Wüste, den sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 und den kumulativen Auswirkungen früherer Schocks wird erwartet, dass bis Dezember 2020 bis zu 2,1 Millionen Menschen in ganz Somalia mit Lücken beim Nahrungsmittelkonsum oder der Erschöpfung von Vermögenswerten, die auf eine Krise hindeuten (IPC-Phase 3), oder mit schlechteren Ergebnissen konfrontiert sein werden, wenn keine humanitäre Hilfe geleistet wird (FEWSN 09/20).
Die Auswirkungen des tropischen Wirbelsturms Gati im Nordosten, zusätzliche Überschwemmungen im Süden und der zunehmende Befall mit Wüstenheuschrecken verschärfen die Ernährungsunsicherheit in den betroffenen Gebieten (FEWSN 11/20).
Am 22. November landete der tropische Wirbelsturm Gati im Nordosten Somalias. Es fielen innerhalb von zwei Tagen mindestens 10 cm Niederschlag, was dem Jahresdurchschnitt 2000-2018 entspricht. Die rasche Ansammlung von Regen und starken Winden verursachte Sturzfluten in Küsten- und Binnengebieten, insbesondere im Bezirk Iskushuban in der Region Bari. Durch den Wirbelsturm wurden in den betroffenen Regionen Viehverluste, Zerstörung von Haushaltseigentum, Schäden an Wasser, Straße und Telekommunikationsinfrastruktur sowie Schäden an Schifffahrts- und Fischereiausrüstung hervorgerufen. Die meisten armen Haushalte im Nordosten Somalias hatten bereits vor dem Sturm Probleme, ihren Mindestnahrungsbedarf zu decken, da während der Dürreperioden 2016/17 und 2018/19 große Verluste an Viehbeständen zu verzeichnen waren und die COVID-19-Pandemie wirtschaftliche Auswirkungen auf die Fischerei-Branche hatte. Außerhalb der Region Bari brachte der zerstreuende Zyklon dringend benötigte Niederschläge in den weiteren Nordosten und Nordwesten. Aufgrund der unterdurchschnittlichen Deyr-Regenfälle wurden die Weide- und Wasserverfügbarkeit für Nutztiere zunehmend eingeschränkt, was den Lebensunterhalt der Hirtenhaushalte unter Druck setzte. Es wird jedoch erwartet, dass sich die Verfügbarkeit von Weiden und Wasser verbessert und die Tiergesundheit und Milchproduktion zu einem kritischen Zeitpunkt in der Produktionssaison unterstützt. Während des Deyr wurde im ganzen Land ein mittlerer bis hoher Anteil an Schaf- und Ziegengeburten sowie ein mittlerer Anteil an Kamel- und Rinderkalbungen gemeldet (FEWSN 11/20).
Die Aussichten für die Deyr-Pflanzenproduktion sind aufgrund der Auswirkungen von übermäßigem Niederschlag und Wüstenheuschrecke unterdurchschnittlich. Anfang November verstärkten starke Deyr-Niederschläge das Ausmaß der Überschwemmungen in den Flussgebieten Shabelle und Juba. Die meisten betroffenen armen Haushalte haben nicht genügend Nahrung und Einkommen, um ihren täglichen Kalorienbedarf zu decken, da die Überschwemmungen den Anbau in der Rezession weiterhin einschränken und die Nachfrage nach Arbeitskräften unterdrücken. Überschwemmungen traten auch in mehreren tief gelegenen agropastoralen Gebieten im Süden auf. Die Getreidekulturen in Bakool, Bay, Lower Shabelle sind jedoch in einem guten Zustand. Die Wüstenheuschrecke hat bisher nur begrenzte Schäden an Getreide im Süden verursacht. Der Befall mit Wüstenheuschrecken nimmt in zentralen agropastoralen und pastoralen Gebieten zu (FEWSN 11/20).
Die Preise für Grundnahrungsmittel zeigten im Oktober und November landesweit einen steigenden Trend, obwohl die Einzelhandelspreise in den meisten zentralen und nördlichen Märkten nahe dem Durchschnitt von 2019 und dem Fünfjahresdurchschnitt blieben. In einigen Teilen des Südens trugen jedoch starke Regenfälle und Unsicherheit zu einem moderaten Anstieg der Lebensmittelpreise bei. Beispielsweise führten hochwasserbedingte Störungen der Handelsströme im Bardheere-Distrikt von Gedo, im Beletweyne-Distrikt von Hiiraan und in Middle Shabelle zu einem Anstieg der Getreidepreise um 10 bis 21 Prozent im Vergleich zu Oktober 2019 und zu einem Anstieg von 13 bis 28 Prozent gegenüber dem fünf-Jahresdurchschnitt. Die Preise werden höchstwahrscheinlich bis Dezember überdurchschnittlich bleiben, bis die Marktzuführungsstraßen wieder geöffnet werden und die normalen Transportbewegungen wieder aufgenommen werden. In Baidoa of Bay kam es von September bis Oktober aufgrund der von den Aufständischen auferlegten Bewegungsbeschränkungen zu einem atypischen Preisanstieg von 11 Prozent (FEWSN 11/20).
Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen. Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung. In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Dort wird für August/September 2019 in einigen Teilen mit IPC 3 und IPC 4 gerechnet. Das gleiche gilt für den Süden, wo aufgrund einer unterdurchschnittlichen Ernte die Lebensmittelpreise steigen werden (LIB Kapitel 21.2).
Für Hargeysa gilt die IPC-Stufe 2 (stressed); für IDP’s die IPC-Stufe 3 (crisis). Für den süd-westlichen Teil in Somaliland gilt überwiegend die IPC-Stufe 2. Für den Distrikt Togdheer gilt IPC-Stufe 2 sowie IPC-Stufe 3. Nach derzeitigen Prognosen bleibt die Nahrungsversorgung im Distrikt Togdheer bis Mai 2021 auf diesem Niveau stabil (FSNAU Projection Oct-Dec 2020, FEWSN 11/20).
In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten (LIB Somaliland - Sitzung 36).
1.5.7. Binnenflüchtlinge (IDPs)
IDPs gehören in Somalia zu den am meisten gefährdeten Personengruppen. Diese sind besonders benachteiligt, da sie kaum Schutz genießen und Ausbeutung, Misshandlung und Marginalisierung ausgesetzt sind. Ihre besondere Schutzlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit werden von allerlei nichtstaatlichen – aber auch staatlichen – Stellen ausgenutzt und missbraucht. Schläge, Vergewaltigungen, Abzweigung von Nahrungsmittelhilfen, Bewegungseinschränkungen und Diskriminierung aufgrund von Clan-Zugehörigkeiten sind an der Tagesordnung; es kommt auch zu willkürlichen Tötungen, Vertreibungen und sexueller Gewalt. Für Vergewaltigungen sind bewaffnete Männer - darunter Regierungssoldaten und Milizionäre - verantwortlich. Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung besonders gefährdet (LIB Kapitel 20).
IDPs sind über die Maßen von der Dürre und daher von Unterernährung betroffen (LIB Kapitel 20 und 21.2). Für sie ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen. Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel – v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LIB Kapitel 21.1).
Somaliland kooperiert mit dem UNHCR und IOM, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern, Asylwerbern oder Staatenlosen Unterstützung zukommen zu lassen. Die für Flüchtlinge verantwortliche National Displacement and Refugee Agency arbeitet mit UNHCR zusammen. Kosten für medizinische Behandlung von Flüchtlingen werden von UNHCR getragen. Alleine am Hargeysa Group Hospital werden im Durchschnitt täglich 25 Flüchtlinge behandelt. Flüchtlinge dürfen in Somaliland arbeiten (LIB Somaliland Kapitel 20).
1.5.8. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft. Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus ist erheblich schlechter. In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind (LIB Kapitel 22).
Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer. Medikamente, die Kindern oder ans Bett gebundenen Patienten verabreicht werden, sind kostenlos (LIB Kapitel 22).
Es gibt nur fünf bei der WHO registrierte Zentren zur Betreuung psychischer Erkrankungen und nur drei Psychiater in Somalia. Diese befinden sich in Berbera, Bossaso, Garoowe, Hargeysa und Mogadischu. Von der Regierung gibt es so gut wie keine Unterstützung für diese Einrichtungen, sie sind von Spenden abhängig. Psychisch Kranken haftet meist ein mit Diskriminierung verbundenes Stigma an. Nach wie vor ist das Anketten psychisch Kranker eine weit verbreitete Praxis (LIB Kapitel 22; LIB Somaliland Kapitel 22).
Grundlegende Medikamente sind verfügbar, darunter solche gegen die am meisten üblichen Krankheiten sowie jene zur Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie und von Geschwüren. Auch Schmerzstiller sind verfügbar. Medikamente können ohne Verschreibung gekauft werden. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in erster Linie über private Apotheken. Für Apotheken gibt es keinerlei Aufsicht (LIB Kapitel 22).
1.5.9. Bewegungsfreiheit
Reisende sind durch die zahlreichen, von unterschiedlichen Gruppen betriebenen Straßensperren einer Gefahr ausgesetzt. Neben den Straßensperren kann auch das Aufflammen bewaffneter Auseinandersetzungen ein Risiko darstellen. Viele der Hauptstraßen werden nur teilweise von AMISOM und Armee kontrolliert. Trotzdem bereisen Zivilisten und Wirtschaftstreibende tagtäglich die Überlandverbindungen. Bei Reisen von Gebieten der Regierung in jene von al Shabaab besteht das Risiko, von beiden Seiten der Kollaboration verdächtigt zu werden (LIB Kapitel 19).
Die Einwohner Somalilands bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden (LIB Somaliland Kapitel 3). Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind. Reisen in Somaliland sind möglich. Eine der Sicherheitsmaßnahmen, mit denen Somaliland versucht, Verbrechen und Terrorismus entgegenzutreten, sind umfassende Kontrollen an den Verbindungsstraßen. An der somaliländisch-puntländischen Grenze kann es bei der Einreise nach Somaliland zu Grenzkontrollen oder auch zu Behinderungen kommen (LIB Somaliland Kapitel 19).
1.5.10. Rückkehrer
Schon nach den Jahren 2011 und 2012 hat die Zahl der aus der Diaspora nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehrenden Menschen stark zugenommen. Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft. Im Jahr 2017 sind 245 Personen aus der EU und anderen europäischen Staaten nach Somalia zurückgebracht worden. Im ersten Halbjahr 2018 waren es 208. Bis Juli 2019 sind insgesamt 90.058 Somalis über AVR-Programme des UNHCR zurückgeführt worden, mehrheitlich aus Kenia, aber auch aus Dschibuti, Libyen und dem Jemen (LIB Kapitel 23).
Rückkehrer werden nicht von somalischen Behörden misshandelt. Mit technischer und finanzieller Unterstützung haben sich verschiedene westliche Länder über die letzten Jahre hinweg für die Schaffung und anschließende Professionalisierung eines speziell für Rückführung zuständigen Returnee Management Offices (RMO) innerhalb des Immigration and Naturalization Directorates (IND) eingesetzt. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge der Rückkehrer. Rückkehrer werden vom RMO/IND grundsätzlich mit Respekt behandelt. Am Flughafen kann es zu einer Befragung von Rückkehrern durch das RMO hinsichtlich Identität, Nationalität, Familienbezügen sowie zum gewünschten zukünftigen Aufenthaltsort kommen. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (LIB Kapitel 23).
Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein. Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld gestaltet sich die Situation schwierig. Ein Netzwerk ist z.B. hinsichtlich Arbeitssuche wichtig (LIB Kapitel 21.3).
Rückkehrer nach Mogadischu haben dort einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Hinzu kommen Remissen von Verwandten im Ausland. Hingegen erhalten IDPs vergleichsweise weniger Remissen (LIB Kapitel 21.3).
Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Diesbezüglich auftretende Probleme können durch ein vorhandenes Netzwerk abgefedert werden. Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an (LIB Kapitel 21.3).
Prinzipiell gestaltet sich die Rückkehr für Frauen schwieriger als für Männer. Eine Rückkehrerin ist auf die Unterstützung eines Netzwerks angewiesen, das in der Regel enge Familienangehörige – geführt von einem männlichen Verwandten – umfasst. Für alleinstehende Frauen ist es mitunter schwierig, eine Unterkunft zu mieten oder zu kaufen (LIB Kapitel 21.3).
Allein die Tatsache, dass eine Person nach Somalia zurückkehrt, macht diese nicht zum Ziel - auch nicht für die Al Shabaab. Rückkehrern in Gebiete der Al Shabaab könnte vorgeworfen werden, als Spione zu dienen. Ob ein Rückkehrer zum Ziel der Al Shabaab wird, hängt maßgeblich von seinem eigenen Verhalten ab. Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der Al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur Al Shabaab. Al Shabaab richtet sich nicht gegen Rückkehrertransporte oder –Lager (LIB Kapitel 23).
IOM Länderbüros unterhalten Rückkehrprogramme nach Somaliland. Das Land akzeptiert nur aus Somaliland stammende Rückkehrer. Das Ministry of Resettlement, Rehabilitation and Reconstruction (MRRR) versucht, vor der Rückkehr Familie und Verwandte ausfindig zu machen und führt ein Screening durch. Nur dann wird von Somaliland die Genehmigung zur Rückkehr erteilt (LIB Somaliland Kapitel 23).
Nach Somaliland, Hargeysa, gibt es Linienflüge aus Dubai, Jeddah, Addis Abeba und Dschibuti. Rückführungen werden aber meist über Mogadischu mit Weiterreise nach Hargeysa durchgeführt. Die Behörden Somalilands werden aber von der Regierung in Mogadischu nicht über die Hintergründe in Kenntnis gesetzt, sodass eine weitere Betreuung der Rückkehrer durch somaliländische Behörden unwahrscheinlich scheint (LIB Somaliland Kapitel 23).
1.5.11. Zur aktuellen Covid-19-Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 21.12.2020, 337.690 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 1.268 Todesfälle (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Neuartiges-Coronavirus-(2019-nCov).html); in Somalia wurden mit Stand vom 21.12.2020 insgesamt 4.662 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 124 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://covid19.who.int/region/emro/country/so).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf.
Somalia hat am 15. März 2020 die Einreise von Passagieren verboten, die sich in den vorangegangenen 14 Tagen in China, Iran, Italien oder Südkorea aufgehalten hätten. Am 18. März 2020 hat die Regierung Flugbeschränkungen für zunächst 15 Tage umgesetzt. Ausreise und Einreise entlang der Küste sind ebenso beschränkt worden. Am 28. März 2020 ist das Verbot internationaler Flüge ausgeweitet worden. Für Transportflüge mit Nahrungsmitteln und medizinischen Gütern ist 24 Stunden vor Abflug eine besondere Erlaubnis nötig. Lastwägen dürfen nur einreisen, wenn sie Nahrungsmittel oder medizinische Güter transportieren. Bereits am 29. März hat Somalia Inlandsflüge ausgesetzt. Am 6. April 2020 ist das Verbot internationaler Flüge um weitere 30 Tage verlängert worden. Am 10. April 2020 haben die lokalen Behörden in Gedo nach Verordnungen der Regierung die Grenzübergänge zu Kenia und Äthiopien bis auf Weiteres geschlossen. Die Grenzübergänge in El Wak und Bila Hawo sowie in Doolow sind geschlossen worden (COVID-19).
Die somalische Regierung hat im April 2020 in Mogadischu eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Ab 15. April 2020 ist die Ausgangssperre zwischen 20 Uhr abends und fünf Uhr morgens gültig. Die Ausgangssperre betrifft den Verkehr und Geschäfte. Krankenhäuser, Apotheken und Geschäfte, die Nahrungsmittel („dry foods“) verkaufen, sind nicht davon betroffen (COVID-19).
50 der 67 Covid-19-Regelungen, die seit 16. März 2020 verkündet wurden, sind mit Stand 22. Juli 2020 weiterhin in Kraft. Am 5. Juli 2020 sind Inlandsflüge in Somalia wiederaufgenommen worden, nachdem sie am 18. März 2020 ausgesetzt wurden. Moscheen und religiöse Zentren haben ihre Tätigkeiten wieder voll aufgenommen, nachdem die Schließungsmaßnahmen jedoch nie gänzlich umgesetzt worden sind. Einige Bundesstaaten haben teilweise Schulen wieder geöffnet. Es wird erwartet, dass am 1. August 2020 alle Schulen wieder geöffnet werden (COVID-19).
Die Handelstage an der äthiopisch-somalischen Grenze wurden von zwei Tagen auf einen Tag verringert. Im Distrikt Belet Xaawo in der Region Gedo ist der grenzübergreifende Handel zwischen Äthiopien und Somalia weiterhin eingestellt. Diese Einschränkungen haben zu steigenden Nahrungsmittelpreisen in den Distrikten Luuq, Doolow und Belet Xaawo für unter anderem Kartoffeln und Tomaten geführt. In Galmudug und Somaliland ist der grenzüberschreitende Handel mit Äthiopien aktiv. Der Handel über alle anderen Grenzen ist aktiv (COVID-19).
Nach einer viereinhalbmonatigen Unterbrechung wurden am 3. August 2020 internationale Flüge in Somalia wiederaufgenommen. Somalische Inlandsflüge sind am 5. Juli wiederaufgenommen worden. Die somalische Regierung hat zudem mit 15. August die Wiedereröffnung von Schulen und Universitäten angeordnet (COVID-19).
In Somalia spüren sowohl die Aufnahmegemeinschaften als auch die Vertriebenen, wie MigrantInnen und Binnenvertriebene, unverhältnismäßig die Auswirkungen der Pandemie. Die Gründe dafür sind die geschwächten Strukturen zur sozialen Unterstützung, düstere sozio-ökonomische Aussichten, ungleicher Zugang zu Gesundheitsversorgung und grundlegenden sozialen Diensten, prekäre Wohnverhältnisse, dürftige Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Anfälligkeit für Falschinformation und gesellschaftliche Stigmatisierung, Bedrohung durch Ausbeutung und Misshandlung. Dies führt in weiterer Folge zu einem steigenden Level von Unsicherheit und Not und zur Instabilität von Personen, Familien und Gemeinschaften. Es gibt nur eingeschränkt Bereitstellung von und Zugang zu Unterstützungsleistungen für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung. Durch Falschinformationen hervorgerufene gesellschaftliche Stigmatisierung kann möglicherweise Auswirkungen auf gefährdete Gruppen wie MigrantInnen, vertriebene Gemeinschaften und zuvor von Covid-19 betroffene Personen haben (COVID-19).
Der Großteil der Flüchtlinge, Asylwerber und Rückkehrer lebt in armen städtischen Gebieten mit eingeschränkten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, schlechter Wasser- und Sanitärversorgung, unangemessenen Unterkünften sowie eingeschränkten sozialen Sicherungssystemen und ist mit bestimmten Hindernissen und Gefährdungen konfrontiert, die aufgrund der Covid-19-Lage ihre Vulnerabilität erhöhen würden (darunter auch genderbasierte Gewalt). Viele Flüchtlinge und Asylwerber werden vernachlässigt, stigmatisiert und sind mit Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesundheitsdiensten, sozialen Schutz und anderen Diensten, die für die allgemeine Bevölkerung verfügbar sind, konfrontiert (COVID-19).
Die Kapazitäten der IDP-Lager sind erschöpft und viele vertriebene Familien daher gezwungen, informell auf privatem Land zu wohnen, wo sie ständig von Zwangsräumungen betroffen sind. Sowohl städtische als auch weiter abseits gelegene Binnenvertriebenenlager sind aufgrund von Überbelegung und engen Lebensverhältnissen weiterhin von Covid-19-Übertragung bedroht (COVID-19).
Die Kapazität Somalias, eine globale Gesundheitsbedrohung zu verhindern, zu erkennen und darauf zu reagieren, ist im Jahr 2016 mittels des Health Emergency Preparedness Index mit sechs von 100 bewertet worden. Auf 100.000 Personen kommen zwei MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen, im Vergleich zum globalen Standard von 25 pro 100.000 Personen. Krankheitsausbrüche wie der seit Dezember 2017 andauernde Choleraausbruch belasten die Gesundheitssysteme des Landes. Weniger als 20 Prozent der eingeschränkt vorhandenen Gesundheitseinrichtungen verfügen über die notwendige Ausrüstung und Vorräte, um auf Epidemien zu reagieren (COVID-19).
Der Zugang zu Gesundheitsversorgung ist eingeschränkt und es gibt in den IDP-Lagern keine Covid-19-Testeinrichtungen. Aufgrund der nächtlichen Ausgangssperren und weiterer Einschränkungen sind die Gesundheitsdienste in bedeutendem Ausmaß aufgrund fehlender Finanzierung, Bewegungseinschränkungen und Maßnahmen zur Vermeidung von Gedränge in Gesundheitseinrichtungen heruntergefahren worden (COVID-19).
Bewegungseinschränkungen und weitere in Verbindung mit Covid-19 stehende Regierungsverordnungen, Unterbrechung von Importen und lokalen Versorgungsketten und Herausforderungen beim Zugang aufgrund von Überflutungen haben Auswirkungen auf die Verfügbarkeit grundlegender Güter und haben zu steigenden Preisen geführt. Trotz der Aussetzung der Steuern auf grundlegende Güter durch die somalische Bundesregierung zwischen April und Juni 2020, um einen möglichen Nahrungsmittelmangel sowie einen Preisanstieg zu entschärfen, hat sich die Kaufkraft vieler SomalierInnen, insbesondere von TagelöhnerInnen und GelegenheitsarbeiterInnen, bedeutend verringert. Das Fehlen kommerzieller Flüge und der eingeschränkte Transport auf den Straßen hat zudem Auswirkungen auf die Fähigkeiten der humanitären Gemeinschaft, die betroffenen Bevölkerungsgruppen zu erreichen (COVID-19).
Der Arbeitsmarkt stagniert aufgrund der Covid-19-Beschränkungen weiterhin, insbesondere im Hinblick auf die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen, darunter die Binnenvertriebenen (IDPs). Bestimmte Zugangsbeschränkungen haben die Arbeitsmöglichkeiten von IDPs geschmälert. Viele IDPs, wie auch andere arme Menschen in Mogadischu, ihr Einkommen zuvor mittels informeller Arbeit verdient haben. Durch die Covid-19-Maßnahmen sind sie nun arbeitslos und können grundlegende Bedürfnisse, wie etwa den Kauf von Wasser, nicht mehr decken (COVID-19).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die im Verfahren vorgelegten Urkunden.
Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers und seiner Muttersprache sowie zu seinem Lebenslauf (seinem Aufwachsen sowie seine familiäre und wirtschaftliche Situation in Somalia, seine Schulbildung sowie seine Berufserfahrung), sowie zu seinem Familienstand gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Zu seiner Schulbildung gab der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung an, dass er von 1992 bis 1993 in Burco zur Schule gegangen sei (AS 3), in der mündlichen Verhandlung aber, dass er zuerst in Äthiopien eine Koranschule besucht habe (PS 7). Dies ist insofern nicht nachvollziehbar, als der Beschwerdeführer beim Bundesamt explizit angab, in Burco geboren worden zu sein und dort bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 gelebt zu haben (AS 34). In der mündlichen Verhandlung gab er erstmalig an, dass seine Familie 1988 vorübergehend nach Äthiopien geflüchtet sei (PS 8). Zeitlich sind seine Angaben jedoch insofern nachvollziehbar, als der Beschwerdeführer angab, dass er mit seiner Familie etwa 1991 nach Somalia zurückgekehrt sei und er in der Erstbefragung angab, von 1992 bis 1993 die Schule in Somalia besucht zu haben (PS 7, AS 3). Insofern war davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer und seine Familie etwa drei Jahre in Äthiopien aufgehalten haben und der Beschwerdeführer dort auch zur Koranschule gegangen ist. Auch seine einjährige Schulbildung in Somalia sowie seine Angabe, dass er Analphabet sei, waren aufgrund seiner dahingehend konstanten Angaben glaubhaft.
Zu seiner Berufserfahrung gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung an, dass er Hilfsarbeiter gewesen sei (AS 5), beim Bundesamt gab er hingegen an, dass er KFZ-Mechaniker gewesen sei und er später für die Müllabfuhr gearbeitet habe (AS 35 und 36). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er als Schuhputzer, Schaffner und „Mechaniker-Assistent“ gearbeitet habe. Zudem habe er Autos, Sand und Heu transportiert (PS 8 und 9). Die Angaben des Beschwerdeführers, welche beruflichen Tätigkeiten er erbracht hat, entsprechen sich in den einzelnen Einvernahmen somit nicht. Es konnte allerdings jedenfalls festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über mehrere Jahre im Herkunftsstaat gearbeitet und Hilfstätigkeiten erbracht hat. Um welche Hilfstätigkeiten es sich dabei gehandelt hat, konnte nicht festgestellt werden.
Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach somalischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er in Somalia mit seiner somalischen Familie aufgewachsen ist. Er ist dort zur Schule gegangen und hat dort in verschiedenen Bereichen gearbeitet (AS 3, AS 35-36, PS 7-9).
Die Feststellung zur Einreise sowie das Datum der Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.1.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, gründet sich auf die diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung (AS 33; PS 4) sowie auf den Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.
Der Beschwerdeführer brachte beim Bundesamt vor, am Auge operiert worden zu sein (AS 33) und legte diesbezüglich auch einen Operationsbericht vom 22.12.2015 vor (AS 47). Seinen eigenen Angaben ist zu entnehmen, dass sein linkes Auge derzeit über 70% Sehkraft verfügt (AS 33).
Zudem gab der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 05.12.2019 auch an, dass er sich für eine psychotherapeutische Behandlung angemeldet habe und verwies dabei auf einen Befundbericht vom 28.12.2017 (OZ 24, Sitzung 1). Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Untersuchung des Arztes an, dass er kaum schlafen könne, immer an seine in Somalia zurückgebliebene Familie denken müsse und er Albträume habe. Dem Befundbericht ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer mit einer Anpassungsstörung diagnostiziert wurde, wobei zum Therapievorschlag ausgeführt wurde, dass die Symptome des Beschwerdeführers in erster Linie auf seine Lebensumstände zurückzuführen seien und auch medikamentös nur eingeschränkt behandelbar seien. Zusätzlich wurde angeführt, dass der Beschwerdeführer versuchsweise mit Quetiapin therapiert werden könne, um das Gedankenkreisen zu beenden und etwas Schlaf anzustoßen (Beilage ./A).
Bei diesen Erkrankungen handelt es sich um keine schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Diese vermindern oder beeinträchtigen die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht. Der Beschwerdeführer verrichtet in Österreich Arbeiten in einer Gemeinde, nämlich im Bereich der Straßenreinigung. Er gab auch in der mündlichen Verhandlung an, dass er arbeitsfähig ist und es ihm sogar schlecht gehe, wenn er keine Arbeit ausüben könne (PS 14).
2.1.3. Der Beschwerdeführer gab sowohl in seiner Erstbefragung als auch in der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt an, traditionell (nach islamischen Recht) verheiratet zu sein (AS 3, AS 35). In der mündlichen Verhandlung führte er jedoch erstmalig an, dass er zwar verheiratet gewesen sei, seine Frau jedoch nach seiner Ausreise einen anderen Mann geheiratet habe (PS 7). Dies habe er von seinem Bruder erfahren, der an einem elektrischen Schock gestorben sei und der ihm dies kurz vor seinem Tod mitgeteilt habe (PS 10). Da seine Frau vier Kinder hat und ohne den Beschwerdeführer in Somalia alleinstehend ist, liegt es jedenfalls im Bereich des Möglichen, dass diese wieder geheiratet hat. Davon war daher auszugehen.
Er gab sowohl in der Erstbefragung als auch in der niederschriftlichen Einvernahme an, dass er mit besagter Frau vier Kinder habe, wobei er der biologische Vater von drei Kindern und der Stiefvater einer Tochter sei, die die Frau in die Ehe mitgebracht habe (AS 35). In der mündlichen Verhandlung gab er jedoch an, nur drei Kinder zu haben, er zählte seine Stieftochter also nicht mehr zu seinen Kindern. Es ist davon auszugehen, dass dies in Verbindung mit seinem Vorbringen steht, nicht mehr mit der Mutter der Kinder verheiratet zu sein bzw. dass diese einen anderen Mann geheiratet habe (PS 7). Es war daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Sorgepflichten für drei minderjährige Kinder hat, wobei die Kinder derzeit und auch unmittelbar nach einer Rückkehr des Beschwerdeführers von der Familie des Beschwerdeführers versorgt werden.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Kontakt zu seinen Familienangehörigen steht, ist auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zurückzuführen (PS 11):
„R: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie?
BF: Die letzten zwei drei Monate, seitdem römisch 40 gestorben ist, nicht mehr. Davor haben Sie mich am Handy von römisch 40 angerufen.
R: Warum nicht mehr?
BF: Ich weiß es nicht. Anscheinend sind sie beschäftigt.“
Dieser Aussage ist zu entnehmen, dass die Familie des Beschwerdeführers die Nummer des Beschwerdeführers hat und ihn auch jederzeit kontaktieren kann. Auch der Beschwerdeführer hat die Möglichkeit, am Handy seines Bruders anzurufen, da er schon zuvor auf diese Weise Kontakt zu seiner Familie aufgenommen hat. Seine Aussage, dass seine Familie wahrscheinlich beschäftigt sei, lässt nicht darauf schließen, dass es ihr unmöglich wäre, den Beschwerdeführer zu kontaktieren. Die Kontaktaufnahme mit seiner Familie sollte dem Beschwerdeführer daher ohne große Schwierigkeiten möglich sein. Dass er zuvor zu seinem Bruder römisch 40 den meisten Kontakt hatte, weil sich dieser um seine Kinder gekümmert habe, konnte er ebenfalls glaubhaft machen (AS 36). Es ergab sich kein Grund daran zu zweifeln, dass sein Bruder tatsächlich aufgrund eines elektrischen Schocks während einer Überschwemmung gestorben ist (PS 10).
Dass seine drei Kinder im Haus seiner Familie in Burco gemeinsam mit einem Bruder, einer Schwester, einer Cousine sowie den Kindern eines Bruders des Beschwerdeführers und dessen verwitweter Frau leben und von der Cousine des Beschwerdeführers betreut werden, konnte aufgrund seiner konstant gleichgebliebenen Angaben im Verfahren glaubhaft machen (PS 10-11).
2.1.4. Unklar ist jedoch, wie der Beschwerdeführer seine Flucht aus Somalia finanzieren konnte und wie hoch seine Fluchtkosten waren. In seiner niederschriftlichen Einvernahme gab er die Höhe seiner Fluchtkosten mit 6.000 USD (AS 37), in seiner Erstbefragung aber mit 4.900 USD an (AS 11). Zur Finanzierung seiner Fluchtkosten führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme an, dass er ein Grundstück, welches er von seinem Vater geerbt habe, verkauft habe (AS 38). Auch in der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass er selbst in Somalia ein Grundstück verkauft habe (AS 11). In der mündlichen Verhandlung führte er jedoch an, dass sein Vater außer der Hütte, in der die Familie gelebt habe, kein Eigentum gehabt habe und sein Bruder einen Teil des Grundstückes verkauft habe, auf dem die Hütte der Familie steht (PS 12 und PS 16). Sein Bruder habe ihm an jedem Ort, an dem er gewesen sei, Geld geschickt und diese Geldsendungen hätten insgesamt einen Betrag von 6.000 USD ergeben (PS 17). Es konnte nicht festgestellt werden, wie der Beschwerdeführer seine Fluchtkosten aufgebracht hat. Jedenfalls festgestellt werden konnte, dass die Familie des Beschwerdeführers ihn bei der Aufbringung der Fluchtkosten unterstützt hat.
2.1.5. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht dem Clan der Gabooye und keinem Minderheits- sondern einem Mehrheitsclan angehört, gründet sich darauf, dass seine Angaben zur Clanzugehörigkeit großteils vage waren und keine Deckung in den Länderinformationen, insbesondere in der Anfragebeantwortung vom 18.11.2019, finden. Den Länderberichten sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.11.2019 ist zu entnehmen (siehe Punkt römisch II.1.5.), dass Angehörige der Mehrheitsclans – aufgrund einer wahrgenommenen Bevorzugung der Minderheitenclans – dazu übergegangen sind, sich als Angehörige von Berufsgruppen auszugeben um über ihre tatsächliche Clanzugehörigkeit im Asylverfahren zu täuschen.
Zwar gab der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren an, den Madhiban anzugehören (AS 3, AS 34, PS 6). Seine Angaben stellten sich jedoch als vage und insbesondere bezüglich der Abtirsiimo, seines Jilib und den von ihm genannten Clanältesten vor dem Hintergrund der Länderinformationen als unrichtig dar.
Zu seinem Clan gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt an, dass er dem Clan der „Madiban-Mohamed“ angehöre (AS 34). In der mündlichen Verhandlung gab er dahingegen an, dass er den Gabooye, Madhiban, Mohamed, Arsade, Arsade Gargate angehöre. (PS 6) In der mündlichen Verhandlung auf diesen Widerspruch angesprochen, gab der Beschwerdeführer an, dass er beim Bundesamt nicht nach seinem Clan und seinem Subclan befragt worden sei. Dem steht jedoch die diesbezüglich gestellte und vom ihm beantwortete Frage im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt entgegen (AS 34):
„LA: Welchem Clan bzw. Subclan gehören Sie an?
VP: MADIBAN – Mohamed“
Als seine Abstammungslinie (Abtirsiimo/Abtirsiin) gab der Beschwerdeführer XXXX-Isman-Qodah-Fidhin-Abdi-Farah-Raale-Araare-Roble-Gargate/Arsade(unklar)-Arsade/Gargate(unklar)-Mohamed-Madhiban-Gabooye an (PS 6). Eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.11.2019 ergab, dass der erste Teil des Abtirsiimo korrekt sei, die letzten vier Namen hingegen falsch seien. Die korrekte Aufzählung würde demnach „Arsade-Mohamed-Gargaarte-Madhiban“ heißen Ausschussbericht 18.11.2019, Sitzung 2).
Der Beschwerdeführer führte diesbezüglich in seiner Stellungnahme vom 05.12.2019 an, dass er mehr als fünf Vorfahren aufzählen habe können und dadurch schon die Minimalanforderungen an durchschnittliche Somalis übererfüllt hätte. Zudem wären Verwechslungen gerade bei wenig gebildeten Somalis, die geächteten Clans angehören würden, üblich. Weiters gebe es verschiedene Arten des „Vater-Zählens“: Man könne entweder bei einem selbst anfangen oder sehr weit in der Vergangenheit beginnen. Dem sind jedoch die Länderinformationen entgegenzuhalten, denen zu entnehmen ist, dass Somali, wenn sie ihre Herkunft beschreiben, tatsächlich bei sich selbst anfangen und dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinaufsteigen (bottom-up-Aufzählung) (siehe Punkt römisch II.1.5.; OZ 24, S.2).
Zusätzlich brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Analphabet sei und möglicherweise kognitiv beeinträchtigt sei, da er selbst angegeben habe, dass der Lehrer aufgehört habe, mit ihm zu arbeiten, da er nichts verstanden habe (OZ 24, Sitzung 2). Zwar wird nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer Lernschwierigkeiten gehabt hat. Die Aufzählung seiner Abtirsiimo sollte ihm jedoch dennoch möglich gewesen sein, da den Länderinformationen zu entnehmen ist, dass Kinder ab dem Alter von acht bis elf Jahren diese üblicherweise auswendig aufsagen können (siehe Punkt römisch II.1.5.).
Als seinen Jilib gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung römisch 40 an (PS 6). Der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.11.2019 ist zu entnehmen, dass die richtige Reihenfolge „ römisch 40 “ sei und der vom Beschwerdeführer angegebene Abtirsiimo somit falsch sei. Zudem ist der Anfragebeantwortung zu entnehmen, dass es in Burco keine Haushalte der römisch 40 gebe, sondern Haushalte des Subclans der römisch 40 sowie Angehörige der römisch 40 Ausschussbericht 18.11.2019, S: 2). Den vom Beschwerdeführer angegebenen Jilib gibt es in Burco somit nicht.
Nach dem Clanältesten in Nordsomalia befragt, nannte der Beschwerdeführer Ahmed Imam Warsame. Als Clanoberhaupt nannte er Mohamed Imam Warsame. Der nächste Unterclan sei Ine Balakes (PS 6). In der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt führte er dagegen an, dass der Führer seines Clans in Burco „In Blekeisi“ heiße (AS 37). Der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.11.2019 ist zu entnehmen, dass Ahmed Iimaan Warsame zwar ein Clanältester sei, allerdings nicht der Madhiban sondern der Muuse Dheriyo – Talaab Cade und dieser in Hargeysa lebt. Zudem gebe es noch den obersten Caaqil/Aqiil des Subclans der Madhiban – Mohamed in Burco, der Caaqil Kaariye Hirsi Samatar „Kariye-Tuug“ heiße Ausschussbericht 18.11.2019, Sitzung 3). Diesen hat der Beschwerdeführer jedoch weder in der mündlichen Verhandlung, noch in der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt genannt. Weiters war der Anfragebeantwortung zu entnehmen, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer angegebenen „Ine Balakes“ um Sultaan Sahardiid Faraah, den Sultan der Madhiban-Mohamed in Burco handeln könnte, dessen Spitzname „Ina Budeeya“ ist Ausschussbericht 18.11.2019, Sitzung 3). Insgesamt waren die Angaben des Beschwerdeführers zu den Clanältesten vage und großteils inkorrekt. Dies ist nicht nachzuvollziehen, da den Länderinformationen zu entnehmen ist, dass fast alle Somalier ihren Clanältesten kennen würden (Beilage ./IV, Sitzung 24).
In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 05.12.2019 äußerte der Beschwerdeführer Zweifel am Ergebnis der Anfragebeantwortung vom 18.11.2019, da die Informationen von einer Vertrauensperson mit unbekanntem Bildungshintergrund, die sich als Aktivist bezeichne, eingeholt worden seien. (OZ 24, Sitzung 1). Die Vertrauensperson habe in der Beantwortung der Fragen bezüglich des Clans der Madhiban Schlussfolgerungen gezogen, die nicht zwingend die einzig richtigen seien und die ihre Kompetenz überschreiten würden. Zudem wurde in Frage gestellt, ob die befragten Personen einen so umfassenden Einblick haben hätten können, um die Fragen beantworten zu können. Zudem sei davon auszugehen, dass auch hochrangige Vertreter bestimmter Gruppen nicht alle Mitglieder kennen würden (OZ 24, Sitzung 2). Dem ist zu entgegnen, dass es sich bei der Vertrauensperson um einen Aktivisten einer NGO handle, der eigens dazu ausgebildet worden ist, Verfolgungshandlungen und andere Arten von Menschenrechtsverletzung an Minderheiten zu beobachten und zu melden sowie Minderheitenangehörige bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich diese intensiv mit Clans auseinandergesetzt hat und tatsächlich ein umfassendes Wissen zu diesen aufweist. Jede Antwort der Vertrauensperson wurde mit einer Quelle belegt. Zusammenfassend handelte es sich bei diesen Quellen um Einwohner Burcos sowie Hargeysas, die den Madhibaan, Musse Dheriyo, Tumal und Yibir angehörten. Darunter befanden sich auch hochrangige Älteste der Madhiban Mohamed in Burco, ein hochrangiger Vertreter der Gabooye, der in Hargeysa lebt und ein bedeutender Clanälteste, den die Vertrauensperson persönlich kennt Ausschussbericht 18.11.2019, Sitzung 2-4). Die Kompetenz und das Wissen der Vertrauensperson waren daher nicht in Frage zu stellen. Zudem ist anzumerken, dass sich auch außerhalb der Angaben des Beschwerdeführers, die im Zuge der Anfragebeantwortung überprüft wurden, Widersprüche in den Angaben zu seiner Clanzugehörigkeit im Vergleich zu den Länderinformationen ergeben haben.
So führte der Beschwerdeführer als Besonderheiten des Clans beim Bundesamt an, dass sie sich handwerklich betätigen und als Schuhmacher oder Schweißer arbeiten oder Haare schneiden würden (AS 35). In der mündlichen Verhandlung gab er diesbezüglich an, dass die Gabooye Schmiede, Frisöre und Mechaniker seien oder Schuhe nähen würden (PS 6). Dem ins Verfahren eingebrachten Bericht Focus Somalia-Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 ist diesbezüglich zu entnehmen, dass die Madhibaan ursprünglich als Jäger, heute aber als Färber, Gerber Schuhmacher und in anderen Berufen tätig seien (Beilage römisch IV., Sitzung 23). Den Länderberichten konnte somit nicht entnommen werden, dass die Madhibaan als Frisöre oder Mechaniker tätig seien.
Zudem sind auch seine Angaben zum Beruf seines Vaters mit einer Clanzugehörigkeit zu den Madhiban nicht in Einklang zu bringen. Da die Clanzugehörigkeit in Somalia vom Vater vererbt wird, war davon auszugehen, dass auch der Vater des Beschwerdeführers Madhiban war. Nicht nachvollziehbar ist in der Folge aber, dass dieser in einem Wald, der dem somalischen Staat gehört habe, Förstertätigkeiten für die Regierung ausgeübt habe (PS 11). Es ist nicht plausibel, dass sein Vater, der nach den Angaben des Beschwerdeführers im Jahr 1988 verstorben ist, zur damaligen Zeit, als die Madhiban in Somalia verstärkt diskriminiert wurden, in einer hohen und bedeutenden Position in Nordsomalia für die Regierung bzw. den somalischen Staat arbeiten hätte können.
Es ist auch nicht plausibel, wie der Beschwerdeführer als Angehöriger des Clans der Madhiban Fluchtkosten in Höhe von 6.000€ aufbringen hätte können (AS 37). Der Beschwerdeführer gab auf die Frage, woher er das Geld habe, an, dass er von seinem Vater ein Grundstück geerbt habe, das er verkauft habe (AS 38). Daraus ließe sich schließen, dass die Familie zumindest einige Besitztümer gehabt haben muss, was wiederum dafür sprechen würde, dass sie keine Clanangehörigen der Gabooye sind. Die Finanzierung der hohen Fluchtkosten ist nicht nachvollziehbar, da die Gabooye in Somalia wirtschaftlich benachteiligt wurden und der Beschwerdeführer im Verfahren angab, als Hilfsarbeiter gearbeitet zu haben (AS 5). Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer ein Angehöriger eines Mehrheitsclans ist und er bei der Ausreise von seiner Familie insbesondere finanziell unterstützt wurde.
Zwar gab der Beschwerdeführer an, dass er nur ein Jahr bzw. nur wenige Monate die Schule besucht habe, was für seine Zugehörigkeit zu den Gabooye sprechen könnte (AS 3, PS 7). Der Beschwerdeführer gab jedoch zum einen an, dass er nicht mehr zur Schule gegangen sei, weil er Lernschwierigkeiten gehabt habe und er nichts verstanden habe (PS 7), zum anderen, dass die Diskriminierung und rassistische Behandlung des Beschwerdeführers zu seiner „Flucht“ aus der Schule geführt habe (PS 8). Da der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung jedoch zum ersten Mal vorbrachte, wegen seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert worden sei und zu einer solchen Diskriminierung keine Angaben zu konkreten Fällen, sondern nur vage und abstrakte Aussagen treffen konnte, war er diesbezüglich nicht glaubhaft. Aus der mangelnden Schulbildung des Beschwerdeführers kann somit nicht geschlossen werden, dass er ein Angehöriger der Gabooye ist.
Aus all diesen Gründen geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich ein Angehöriger eines Mehrheitsclans ist und er im Asylverfahren die Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan nur vortäuscht. Da es in Somalia mehrere Mehrheitsclans gibt, kann nicht festgestellt werden, welchem Mehrheitsclan der Beschwerdeführer tatsächlich angehört.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1 Sofern der Beschwerdeführer angegeben hat, ihm drohe Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Familie seiner Ehefrau, da er Angehöriger der Madhiban und seine Frau Angehörige der Isaaq sei und die Familie der Ehefrau ihn deswegen verfolge, sowie dass er aus selbigem Grund vom Clan der Isaaq und vom neuen Ehemann der Frau verfolgt werde, kommt seinem Vorbringen aus folgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:
Das Bundesverwaltungsgericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund seines persönlichen Eindrucks über den Beschwerdeführer davon aus, dass ihm hinsichtlich seines Vorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht worden. Er präsentierte lediglich eine grobe Rahmengeschichte und es sind in den wesentlichen Angaben des Beschwerdeführers erhebliche Ungereimtheiten und Widersprüche enthalten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurück liegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen, widersprüchlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität.
2.2.2. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers zentriert sich darauf, dass er aufgrund der Heirat mit einer Angehörigen des Isaaq-Clans in Somalia verfolgt werde. Zwar deckt sich das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach Mischehen oft nicht akzeptiert werden, mit den Länderinformationen, denen zu entnehmen ist, dass in der Frage der Mischehen noch eine gesellschaftliche Diskriminierung besteht und Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Zudem wird es als besonders problematisch angesehen, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet, der umgekehrte Fall wäre weniger problematisch (siehe Punkt römisch II.1.5.). Da der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft machen konnte, dass er tatsächlich ein Angehöriger der Madhiban sei und stattdessen davon auszugehen war, dass er einem Mehrheitsclan angehört, mangelt es seinem Fluchtvorbringen an jeglicher Grundlage (siehe Punkt römisch II.2.1.4.).
Zusätzlich ist das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auch aufgrund von Widersprüchen und nicht nachvollziehbaren Schilderungen des Beschwerdeführers betreffend der behaupteten Ereignisse im Herkunftsstaat nicht glaubhaft:
So widersprach sich der Beschwerdeführer in seinen Schilderungen zu einem Vorfall, im Zuge dessen sein Schwager erschossen worden sei. In der niederschriftlichen Einvernahme gab er diesbezüglich an, dass Clanangehörige der Isaaq an seine Tür geklopft hätten, sein Schwager diese geöffnet habe, er bewaffnete Leute gesehen und die Türe wieder geschlossen habe. Während der Schwager die Türe geschlossen habe, sei er umgebracht worden (AS 39). In der mündlichen Verhandlung schilderte er den Vorfall jedoch so, dass sein Schwager die Türe versperrt und verriegelt habe. Dass er diese geöffnet und im Zuge des Schließens der Türe erschossen worden sei, schilderte er nicht (PS 16). Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer ein derart einschneidendes und einprägsames Ereignis wie die Ermordung seines Schwagers derart widersprüchlich schildern sollte, wenn es wirklich passiert wäre.
Zudem änderte er seine Ausführungen auch dahingehend, wer die bewaffneten Männer gewesen seien, die zu seinem Haus gekommen wären. Beim Bundesamt gab er an, dass es sich um Isaaq-Clanangehörige gehandelt habe (AS 39). In der mündlichen Verhandlung führte er jedoch an, dass es sich um die Brüder seiner Ehefrau in Somalia gehandelt habe (PS 16). Wäre er tatsächlich von diesen Männern aufgesucht worden, so könnte er genaue Angaben dazu machen, wer diese gewesen seien und würde keine derart widersprüchlichen Angaben machen.
Zusätzlich widersprach sich der Beschwerdeführer darin, ob seine Flucht abrupt oder geplant war. In seiner niederschriftlichen Einvernahme gab er an, dass die Männer zu seinem Haus gekommen seien, er auf die Toilette gegangen, über die Mauer gesprungen und ins freie gelaufen sei (AS 39). Dabei erläuterte der Beschwerdeführer eine plötzliche Flucht ohne jegliche Vorbereitung. In der mündlichen Verhandlung gab er allerdings an, dass seine Frau ihm gesagt habe, dass er flüchten solle und er nach Hause gegangen sei, um zu packen (PS 16). Dies spricht für eine – wenn auch nur kurz – geplante Flucht, die der Beschwerdeführer so beim Bundesamt nicht geschildert hat.
Zudem schilderte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, dass ihn nach seiner Flucht aus dem Haus ein Mann mit einem Auto bis an die äthiopische Grenze mitgenommen habe (PS 16). Seinen Angaben in der Erstbefragung ist jedoch zu entnehmen, dass er selbstständig mit einem Bus von Burco nach Äthiopien gereist sei (AS 9). Diese Angabe des Beschwerdeführers spricht dafür, dass keine plötzliche Flucht des Beschwerdeführers stattgefunden habe, die erfordert hätte, dass ihn ein fremder Mann mit dem Auto mitnimmt. Stattdessen war davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seine Ausreise aus Somalia geplant hat und tatsächlich mit einem Bus aus Somalia ausgereist ist.
2.2.3. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er seine Verletzung am Auge (siehe Punkt römisch II.2.1.2.) in Somalia erlitten habe, da er mit einem Gewehrkolben geschlagen und im Bereich der Schläfe verletzt worden sei, er dabei das Bewusstsein verloren habe und seine Netzhaut verletzt worden sei (AS 33). Zusätzlich gab er an, dass ihm diese Verletzung von der Familie seiner Ehefrau zugefügt worden sei (AS 39). In der mündlichen Verhandlung steigerte er sein Vorbringen noch dahingehend, dass ihm auch das Bein gebrochen worden sei und die Familie der Frau beschlossen habe, ihn zu töten und seine Frau ihn gewarnt habe (PS 16 und 17). Auch diese Steigerung seines Fluchtvorbringens beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers stark.
2.2.4. Zusätzlich konnten die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Frau und den Konflikten dieser mit ihrer Familie nicht nachvollzogen werden.
So gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt an, dass die Familie seiner Frau sie gefunden habe, als sie mit ihrem zweiten Kind schwanger gewesen sei und sie sie mitgenommen hätten (AS 39). Im Oktober oder November 2014 sei die Frau wieder zum Beschwerdeführer gekommen und am 05.03.2015 von ihrer Familie wieder mitgenommen worden (AS 39). Nicht nachvollziehbar ist, warum die Familie der Frau so lange warten hätte sollen, um sie wieder mitzunehmen, zumal sie wissen mussten, wo der Beschwerdeführer lebte, da dieser noch in derselben Hütte und an derselben Adresse gelebt hat. Sollte das Interesse der Familie der Frau an der Beendigung der Beziehung zum Beschwerdeführer tatsächlich derart groß gewesen sein, so ist davon auszugehen, dass sie die Frau schon zu einem früheren Zeitpunkt geholt hätten.
2.2.5. Der Beschwerdeführer änderte seine Angaben auch dahingehend, vor wem er aus Somalia geflüchtet sei. In seiner Erstbefragung gab er an, dass er vor der Familie seiner Frau geflüchtet sei, die ihn aufgrund seiner Clanzugehörigkeit nicht akzeptiert habe (AS 13). Auch beim Bundesamt gab er an, von der Familie seiner Frau verfolgt zu werden (AS 38). Zudem bejahte er auf Nachfrage, dass er nur in Konflikt mit der Familie der Frau und nicht in Konflikt mit dem Isaaq Clan stehe (AS 40). Daher ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zum ersten Mal – außerhalb der Vorbringen betreffend seiner Heirat - auch eine Verfolgung durch den gesamten Isaaq Clan vorbrachte (PS 17). Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer dies nicht in seinen vorigen Einvernahmen sowie seiner Beschwerde vorgebracht hat. Insofern liegt eine nicht glaubhafte Steigerung seines Fluchtvorbringens vor.
Der Beschwerdeführer konnte auch keine konkreten Angaben zu Vorfällen machen, in denen er diskriminiert worden sei. In der mündlichen Verhandlung beschränkte er sich auf die allgemeinen Aussagen, dass er in der Schule gemobbt worden sei, man ihm gegenüber rassistisch gewesen sei, ihn diskriminiert hätte und er deswegen auch aus der Schule „geflüchtet“ sei (PS 8 und 18). Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer konkrete Angaben zu solchen Vorfällen machen könnte, wenn er im Herkunftsstaat tatsächlich diskriminiert worden sei.
Die Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung zu seinem Clan machten insbesondere nicht den Eindruck, als hätte er in Somalia jemals selber eine Clandiskriminierung erlebt. Aus den Länderberichten geht hervor, dass Angehörige der berufsständischen Gruppen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft stehen und Diskriminierungen im Alltag sowie Stigmatisierungen ausgesetzt sind. Der Beschwerdeführer hat jedoch keine Angaben über tatsächliche Stigmatisierungen oder Diskriminierungen im Alltag machen können. Seine Angaben zu behaupteten Benachteiligungen machen nicht den Eindruck, als würde es sich um tatsächliche Erlebnisse handeln.
Zudem ist den Länderinformationen zu entnehmen, dass nicht festgestellt werden kann, dass Angehörige der Madhibaan in Somaliland allein aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind (siehe Punkt römisch II.1.5.).
2.2.6. Da der Beschwerdeführer den Konflikt mit der Familie seiner Frau nicht glaubhaft schildern konnte und auch seine Zugehörigkeit zu den Madhiban nicht glaubhaft machen konnte, war eine Bedrohung bzw. Verfolgung durch den neuen Ehemann seiner Frau als Angehöriger des Isaaq-Clans auszuschließen (PS 17).
2.2.7. Zusammenfassend konnte der Beschwerdeführer eine Verfolgung durch die Familie seiner Frau und durch den Isaaq-Clan nicht glaubhaft machen. Ein Vorfall, im Zuge dessen diese sein Haus aufgesucht und seinen Schwager erschossen hätten, hat nicht stattgefunden. Der Beschwerdeführer wurde auch nicht aufgrund seiner Clanzugehörigkeit in Somalia diskriminiert oder verfolgt, er gehört einem Mehrheitsclan an.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatstadt Burco ergeben sich aus den o.a. Länderberichten.
In Somaliland herrscht Friede und politische Stabilität. Die Sicherheitskräfte können ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. Die Sicherheitslage in Somaliland steht daher einer Rückkehr des Beschwerdeführers nicht entgegen.
Die sichere Erreichbarkeit der Stadt Burco ist durch den örtlichen Flughafen in der Stadt Hargeysa gewährleistet.
Aufgrund der kombinierten Auswirkungen von weit verbreiteten und schweren Überschwemmungen, der Heuschreckenplage in der Wüste, den sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 und den kumulativen Auswirkungen früherer Schocks wird erwartet, dass bis Dezember 2020 bis zu 2,1 Millionen Menschen in ganz Somalia mit Lücken beim Nahrungsmittelkonsum oder der Erschöpfung von Vermögenswerten, die auf eine Krise hindeuten (IPC-Phase 3), oder mit schlechteren Ergebnissen konfrontiert sein werden, wenn keine humanitäre Hilfe geleistet wird.
Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen. Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung. In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Für Zentralsomalia gilt derzeit überwiegend IPC-Stufe 2 (stressed). Für Südsomalia gilt eine Mischung aus IPC-Stufe 1 (minimal), IPC-Stufe 2 (stressed) und in der Region Bay sowie in der Region um den Shabelle teilweise IPC-Stufe 3 (crisis) (LIB Kapitel 21.2,FEWS 11/2020).
Für Hargeysa gilt die IPC-Stufe 2 (stressed); für IDP’s die IPC-Stufe 3(crisis). Im Süd-Westen von Somalialand gilt überwiegend die IPC-Stufe 2 (stressed). Für den District Togdheer gilt teilweise IPC-Stufe 2 und teilweise IPC-Stufe 3 (FSNAU Projection Oct-Dec 2020, FEWS 11/2020).
Ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen ist für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist. Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration hängt in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person ab. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem, wenn sie aus dem Westen zurückkehren. Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise; die Dauer der Abwesenheit; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann. Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist vergleiche Punkt römisch II.1.5.).
Der Beschwerdeführer ist in Somaliland geboren und ist bis zu seiner Ausreise dort aufgewachsen, sodass er mit den kulturellen Gepflogenheiten sozialisiert wurde. Der Beschwerdeführer ist jung, männlich, im erwerbsfähigen Alter und arbeitsfähig. Er spricht Somalisch als Muttersprache. Er ist in Burco geboren und hat dort gelebt, sodass er über Ortskenntnisse verfügt. Ihm sind städtische Strukturen bekannt. Der Beschwerdeführer hat nach wie vor Familienangehörige in Somaliland und regelmäßig Kontakt zu diesen. Der Beschwerdeführer wurde von seinen Verwandten mehrfach unterstützt, diese versorgen derzeit auch die Kinder des Beschwerdeführers. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr – wie bereits vor seiner Ausreise – wieder von seiner Familie bei der Verpflegung und Arbeitssuche unterstützt werden kann. Außerdem stammt der Beschwerdeführer aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird. Daher geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer auch im Falle seiner Rückkehr – zumindest vorübergehend – mit Unterstützung durch seine Verwandten und seines Clans rechnen kann. Da der Beschwerdeführer tatsächlich einem Mehrheitsclan angehört, kann er auch von seinem Clan unterstützt werden.
Insbesondere im Süd-Westen von Somalialand gilt hinsichtlich der Nahrungsmittelversorgung die IPC-Stufe 2 bis 3 (stressed bis crisis), wobei bis Mai 2021 dort mit keinen Verschlechterungen zu rechnen ist. In dieser Region wäre der Beschwerdeführer nicht wesentlich von Nahrungsmittelunsicherheiten betroffen, da er auf familiäre Unterstützung zurückgreifen kann.
Es ist daher für das Gericht weder ersichtlich, dass der Beschwerdeführer von der Nahrungsmittelknappheit betroffen wäre, noch, dass es diesem unmöglich wäre sich in Somaliland - nach anfänglicher Unterstützung durch sein familiäres Netzwerk - selber durch eigene Arbeit zu erhalten. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten, trotz des durch die Corona-Pandemie bedingten Lockdowns und der damit für Rückkehrer verbundenen Probleme in der Stadt Burco ansiedeln kann und sich dort wieder eine Existenz ohne unbillige Härten aufbauen kann. Dafür spricht insbesondere, dass der Beschwerdeführer zumindest vorübergehend von seinem familiären Netzwerk finanziell unterstützt werden kann.
2.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zu Aufenthaltsdauer und -titel, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage vergleiche insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (PS 13ff) sowie auf die von ihm im Verfahren vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten und nicht übersetzten Fragen teilweise verstanden und nur in Stichworten auf Deutsch beantwortet hat (PS 13-14). Anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, einen Alphabetisierungskurs besucht zu haben. Er ist als Analphabet nach Österreich gekommen und hat im Jahr 2017 zweimal wöchentlich am Deutschkurs teilgenommen (AS 45, PS 14). Er gab an, dass er keinen sonstigen Deutschkurs besucht habe und auch keine Prüfungen abgelegt habe (PS 14).
Die Feststellungen zu den freundschaftlichen Kontakten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den diesbezüglich schlüssigen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung (PS 12-13).
Die Feststellung zur ehrenamtlichen Arbeit des Beschwerdeführers vom September bis November 2019 in einer Gemeinde stützt sich auf die diesbezügliche Angabe des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und die von ihm vorgelegte Bestätigung (PS 14; Beilage ./B; Beilage ./C). Gleich verhält es sich auch zu seiner ehrenamtlichen Tätigkeit vom 21.09.2020 bis 09.10.2020 im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche (OZ 30).
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. Paragraph 3, Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
Paragraph 3, (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.3. Es wurde weder eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch Familienmitglieder seiner Ex-Frau, durch Angehörige des Clans der Isaaq oder durch andere Personen noch eine begründete Furcht festgestellt. Der Schwager des Beschwerdeführers wurde nicht von Familienangehörigen der Frau des Beschwerdeführers bzw. von Angehörigen des Clans der Isaaq getötet. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle haben sich nicht ereignet. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurde jemals in Somalia bedroht. Es ist daher keine Verfolgung des Beschwerdeführers und auch keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund erkennbar.
3.1.4. Da der Beschwerdeführer, entgegen seinem Vorbringen, nicht dem Minderheitenclan der Gabooye, sondern einem Mehrheitsclan angehört, konnte auch keine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers in Somalia aufgrund seiner Clanzugehörigkeit festgestellt werden. Der Beschwerdeführer gehört tatsächlich einem Mehrheitsclan an von dem er auch Schutz erhält.
3.1.5. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
Da insgesamt weder eine individuell-konkrete Verfolgung, eine Gruppenverfolgung oder Verfolgungsgefahr noch eine begründete Furcht festgestellt wurden, liegen die Voraussetzungen des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG nicht vor.
Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
3.2.1. Paragraph 8, AsylG lautet auszugsweise:
Status des subsidiär Schutzberechtigten
Paragraph 8, (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
3.2.2. Gemäß Artikel 2, Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573).
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).
Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird vergleiche EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).
Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Asylwerber nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen (VwGH vom 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134).
3.2.3. In Somaliland herrscht Frieden, auch in Burco gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die somaliländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus. Politische Konflikte und Machtkämpfe werden gewaltlos ausgetragen. Somaliland war in der Lage, die Bedrohung durch Al Shabaab einzudämmen. Anschläge oder Kampfhandlungen der Al Shabaab gibt es keine, die Terrorgruppe kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Aus Burco wurden nur eine temporäre Präsenz und sporadische Aktivitäten von Al Shabaab gemeldet. Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. Darüber hinaus ist Burco über die Stadt Hargeysa über einen internationalen Flughafen sicher erreichbar
3.2.4. Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der somalischen Bevölkerung im Süd-Westen von Somaliland dennoch zumindest grundlegend gesichert. Dabei wird auch berücksichtigt, dass es derzeit, bedingt durch die COVID-19 Pandemie auch in Städten in Somaliland zu Ausgangsbeschränkungen kommt, welche die Situation für Rückkehrer und Binnenvertriebene zusätzlich verschärfte.
Für Togdheer gelten die IPC-Stufe 2 (stressed) bis IPC-Stufe 3 (crisis).
Wie festgestellt wurde, ist der Beschwerdeführer männlich, jung, arbeitsfähig sowie im erwerbsfähigen Alter. Er verfügt zwar nur über eine geringe Schulausbildung, dafür allerdings über langjährige Berufserfahrung als Hilfsarbeiter in unterschiedlichen Bereichen. Der Beschwerdeführer kann daher auch leichter wieder eine Arbeit in Somaliland finden. Der Beschwerdeführer hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Somalia verbracht, wodurch er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist. Er ist in Burco aufgewachsen, sodass er über Ortskenntnisse verfügt. Ihm sind städtische Strukturen bekannt, sodass er sich dort leicht wieder zurecht finden kann. Zudem spricht der Beschwerdeführer die Landessprache Somalias als Muttersprache Der Beschwerdeführer gehört auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Der Beschwerdeführer verfügt nach wie vor über Familienangehörige in Somalia, die alle weiterhin in Burco leben. Diese haben ihn auch bei der Aufbringung seiner Fluchtkosten unterstützt. Die zwei Brüder und der Halbbruder des Beschwerdeführers sowie seine Cousine sind zudem berufstätig. Auch dem Beschwerdeführer ist es möglich in Somaliland einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Für seine Arbeitssuche ist seine Berufserfahrung als Hilfsarbeiter in unterschiedlichen Bereichen jedenfalls von Vorteil. Er kann im Falle einer Rückkehr zumindest anfänglich mit Unterstützung durch seine Familie, insbesondere hinsichtlich der Zurverfügungstellung einer Unterkunft, rechnen. Seine in Burco lebenden Familienangehörigen leben weiterhin in der gleichen Hütte, in der auch der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise mit seiner Familie gelebt hat. In dieser Hütte kann auch der Beschwerdeführer – zumindest in der ersten Zeit nach seiner Rückkehr – wieder Unterkunft nehmen. Die Kinder des Beschwerdeführers werden seit mehreren Jahren von seiner Familie versorgt, sodass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nicht umgehend auch die Versorgung seiner Kinder sicherstellen muss. Es ist davon auszugehen, dass seine Familie zunächst auch die Versorgung seiner Kinder weiterhin sicherstellen wird. Er kann auch von seinem Clan insbesondere bei der Suche nach einer Unterkunft und Arbeit sowie bei der Versorgung Unterstützung erhalten. Es ist daher für das Gericht nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in ein IDP-Camp müsste.
Der Beschwerdeführer kann auch durch die Inanspruchnahme von österreichischer Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Burco das Auslangen finden. Es ist deshalb auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würde.
Dem Beschwerdeführer ist es daher aufgrund der dargelegten Umstände möglich, sich dort - etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.
3.2.5. Kein Fremder hat das Recht in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden. Dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielland gibt, ist es unerheblich ob die Behandlung dort nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK.
Solche außergewöhnlichen Umstände liegen vor, wenn ein Fremder bei einer Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, da eine tödliche Erkrankung in der Endphase vorliegt, im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar ist und zudem Grundbedürfnisse mangels Angehöriger nicht gesichert sind. Außergewöhnliche Umstände liegen auch dann vor, wenn anzunehmen ist, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH vom 25.09.2019, Ra 2018/19/0585; VwGH vom 18.10.2018, Ra 2018/19/0139; EGMR vom 13.12.2016, P./Belgien, 41738/10).
Zwar gab der Beschwerdeführer im Verfahren an, am Auge operiert worden zu sein an einer Anpassungsstörung bzw. Schlafproblemen zu leiden (siehe Punkt 2.1.2.). Dabei handelt es sich jedoch um keine lebensbedrohlichen Erkrankungen, außergewöhnliche Umstände liegen nicht vor. Zudem ist die medizinische Versorgung in Somaliland grundlegend sichergestellt.
Eine Rückführung des Beschwerdeführers nach Somalia stellt keine Verletzung nach Artikel 3, EMRK dar. Anlässlich einer Abschiebung wird von der Fremdenpolizeibehörde stets der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit der Fremden beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.
Auch unter Berücksichtigung der Covid-19 Pandemie ergibt sich hierzu keine andere Beurteilung. Dass der Beschwerdeführer derzeit an einer Covid-19-Infektion leiden würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit Covid-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1%. Es fehlen daher bei einer Infektion mit Covid-19 die geforderten außergewöhnlichen Umstände im Sinn des Artikel 3, EMRK.
Es haben sich bei dem Beschwerdeführer zudem keine besonderen Immunschwäche-erkrankungen oder sonstige lebensbedrohliche Erkrankungen ergeben. Es gehört der Beschwerdeführer daher keiner Risikogruppe an. Es wurde von dem Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht, dass er wegen der derzeitigen Covid-19-Pandemie besonders gefährdet oder einer Risikogruppe zugehörig wäre.
In jedem Fall setzt eine durch die Lebensumstände im Zielstaat bedingte Verletzung des Artikel 3, EMRK aber eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr voraus. Die bloße Möglichkeit eines dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Nachteils reicht hingegen nicht aus, um Abschiebungsschutz zu rechtfertigen (VwGH vom 06.11.2009, 2008/19/0174). Nach der derzeitigen Sachlage wäre daher eine mögliche Ansteckung des Beschwerdeführers in Somalia mit Covid-19 und ein diesbezüglicher außergewöhnlicher Krankheitsverlauf allenfalls spekulativ. Eine reale und nicht auf Spekulationen gegründete Gefahr ist nicht zu erkennen.
3.2.6. Die Angaben des Beschwerdeführers legen somit eine Exzeptionalität der Umstände oder eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers nicht dar.
Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es die Rückkehr nach Somalia sein kann, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben. Der Beschwerdeführer hat für seinen Einzelfall keine individuellen, konkret ihre Person treffenden exzeptionellen Umstände aufgezeigt bzw. diese glaubhaft gemacht.
Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist diesem eine Ansiedlung in der Stadt Burco trotz der COVID-19-Pandemie möglich und auch zumutbar.
3.2.7. Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Somalia und einer Ansiedlung in der Stadt Burco in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Es liegen keine exzeptionellen Gründe vor, die einer Ansiedlung in der Stadt Burco entgegenstehen würden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in der Stadt Burco möglich und auch zumutbar ist.
3.2.8. Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.
3.3. Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides – Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG
3.3.1. Paragraph 57, AsylG lautet auszugsweise:
„Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, …,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
…“
3.3.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
3.3.3. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.
3.4. Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides - Rückkehrentscheidung
3.4.1. Paragraph 52, Fremdenpolizeigesetz (FPG), Paragraph 9, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG), und Paragraphen 58, Absatz 2 und 52 AsylG lauten auszugsweise:
„Rückkehrentscheidung (FPG)
Paragraph 52, …
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn,
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird,
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
…“
„Schutz des Privat- und Familienlebens (BFA-VG)
Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
…“
„Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln
Antragstellung und amtswegiges Verfahren (AsylG)
Paragraph 58, …
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
…“
„Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK (AsylG)
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn,
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
…“
3.4.2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.
Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
Unter „Privatleben“ im Sinne von Artikel 8, EMRK sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554).
Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Artikel 8, EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (VwGH vom 25.04.2018, Ra 2018/18/0187). Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so muss die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich sein, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (VwGH vom 18.09.2019). Die Kombination aus Fleiß, Arbeitswille, Unbescholtenheit, dem Bestehen sozialer Kontakte in Österreich, dem verhältnismäßig guten Erlernen der deutschen Sprache sowie dem Ausüben einer Erwerbstätigkeit stellt bei einem Aufenthalt von knapp vier Jahren im Zusammenhang mit der relativ kurzen Aufenthaltsdauer keine außergewöhnliche Integration dar (VwGH vom 18.09.2019, Ra 2019/18/0212). Es ist im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH vom 28.02.2019, Ro 2019/01/003).
Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben (VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407).
3.4.3. Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Artikel 8, EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.
3.4.4. Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen und somit illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung im Juli 2015, somit seit über fünf Jahren, im Bundesgebiet auf. Dieser Zeitraum ist als relativ kurz zu werten. Die Verfahrensdauer ist zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass das Beschwerdeverfahren zunächst eingestellt wurde, da sich der Beschwerdeführer auch über einige Monate dem Verfahren entzogen hat. Der Beschwerdeführer durfte sich in Österreich bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war.
Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Der Beschwerdeführer hat von September bis Oktober 2019 ehrenamtliche Tätigkeiten für eine Gemeinde erbracht, wobei er einen Anerkennungsbeitrag in Höhe von 5,-- pro Stunde erhalten hat. Auch im Zeitraum von 21.09.2020 bis 09.10.2020 erbrachte er gemeinnützige Leistungen im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche. Der Beschwerdeführer bezieht die staatliche Grundversorgung, ist am Arbeitsmarkt nicht integriert und verfügt auch nicht über verbindliche Einstellungszusagen. Der Beschwerdeführer hat zwar freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern, verfügt jedoch weder über Verwandte noch sonstige enge soziale Bindungen in Österreich.
Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Kontakte ist dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste.
Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen.
Es ist auch nach wie vor von einer engen Bindung des Beschwerdeführers nach Somaliland auszugehen, zumal er dort den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat. Er wurde in Somaliland sozialisiert und bestritt dort seinen Lebensunterhalt. Er spricht auch die Landessprache als Muttersprache. Hinzu kommt, dass er nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte, seine Geschwister, seine Cousine sowie seine drei Kinder, in Somalia hat.
3.4.5. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Der Beschwerdeführer konnte während der relativ kurzen Aufenthaltsdauer zwar mehrere Integrationsschritte setzen, es liegen jedoch keine außergewöhnlichen Umstände vor.
3.4.6. Bei Gesamtbetrachtung all der oben behandelten Umstände und der Abwägung dieser im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden oder die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG erforderlich machen würden.
Der Beschwerdeführer hat weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen, noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.
Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.
3.4.7. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.
3.5. Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides – Zulässigkeit der Abschiebung
3.5.1. Paragraphen 52, Absatz 9 und 50 FPG lauten auszugsweise wie folgt:
„Rückkehrentscheidung
Paragraph 52, …
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
…
Verbot der Abschiebung
Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
…“
Voraussetzungen des Paragraph 50, Absatz eins, FPG entsprechen jenen des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG. Die Voraussetzungen des Paragraph 50, Absatz 2, FPG entsprechen jenen des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.
Es besteht auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, welche eine Abschiebung nach Somalia für unzulässig erklärt. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia ist daher zulässig.
3.5.3. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.
3.6. SpruchpunktIV. des angefochtenen Bescheides – Ausreisefrist
3.6.1. Paragraph 55, FPG lautet auszugsweise:
„Frist für die freiwillige Ausreise
Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
…
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.“
3.6.2. Besondere Umstände im Sinne des Paragraph 55, Absatz 2, FPG sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden. Die Beschwerde richtet sich zwar gegen sämtliche Spruchpunkte, der Beschwerdeführer hat jedoch weder substantiierte Beschwerdegründe hinsichtlich dieses Spruchpunktes vorgebracht, noch eine Abänderung dieser Frist beantragt.
3.6.3. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
ECLI:AT:BVWG:2020:W251.2158983.1.00