Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

16.11.2020

Geschäftszahl

W242 2193805-1

Spruch

W242 2193805-1/20E

W242 2193803-1/19E

W242 2193808-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerden des 1.) römisch 40 , geb. römisch 40 , der 2.) römisch 40 alias römisch 40 alias römisch 40 , geb. römisch 40 alias römisch 40 , und des 3.) römisch 40 alias römisch 40 alias römisch 40 , geb. römisch 40 alias römisch 40 alias römisch 40 , alle Staatsangehörigkeit Iran, der minderjährige Drittbeschwerdeführer vertreten durch den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, alle vertreten durch Mag. römisch 40 , Rechtsanwältin in römisch 40 , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018, 1.) Zl. 1124061701-161043549/BMI-BFA_NOE_RD, 2.) Zl. 1121191005-160921998/BMI-BFA_NOE_RD, 3.) Zl. 1121191103-160922072/BMI-BFA_NOE_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.10.2019 und 30.09.2020, zu Recht:

A)           Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)           Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2), beide iranische Staatsangehörige, sind verheiratet und die Eltern des Drittbeschwerdeführers (im Folgenden: BF3).

Der BF1 überquerte am 02.04.2015 erstmals in Griechenland illegal die Außengrenze der EU (EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „2“), stellte am 20.05.2015 einen Asylantrag in Ungarn (EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „1“), reiste anschließend weiter nach Deutschland, wo er am 13.07.2015 einen weiteren Asylantrag stellte (EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „1“) und sich bis 23.07.2016 aufhielt. Am selben Tag begab sich der BF1 in das österreichische Bundesgebiet und stellte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi die niederschriftliche Erstbefragung des BF1 statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er im Iran Mitglied der kurdischen Partei „KIFA“ gewesen sei, die von Israel unterstützt werde und gegen das iranische Regime sei. Das iranische Regime habe von seiner Mitgliedschaft erfahren, weshalb er das Land verlassen habe. Im Falle der Rückkehr fürchte er verhaftet zu werden.

Die BF2 und der BF3 gelangten gemeinsam unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten und stellten am 30.05.2016 in Bulgarien sowie am 28.06.2016 in Ungarn Asylanträge (EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „1“). In weiterer Folge reisten die BF2 und der BF3 in das österreichische Bundesgebiet und stellten hier am 03.07.2016 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Am selben Tag wurde die BF2 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch/Sorani einer niederschriftlichen Erstbefragung unterzogen. Zu den Fluchtgründen führte sie aus, dass sie zu ihrem Mann wolle, der in Deutschland lebe.

Mit Schreiben vom 07.07.2016 gab die BF2 bekannt, dass sie bei ihrer Erstbefragung aus Angst vor etwaigen Konsequenzen sowie Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Asylverfahren des BF1 in Deutschland falsche Angaben zu ihrer wie auch der Identität des BF3 gemacht habe und korrigierte sowohl die Namen als auch die Geburtsdaten.

Nach Durchführung eines Verfahrens gemäß Paragraph 5, AsylG zur Feststellung des zuständigen Staates wurden die Asylverfahren der Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.07.2017, 1.) W241 2162704-1/3E, 2.) W241 2162702-1/3E und 3.) W241 2162705-1/3E, zugelassen.

Am 22.02.2018 wurden der BF1 und die BF2 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch/Sorani sowie ihres gewillkürten Vertreters vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Der BF1 gab zu seinen Fluchtgründen an, dass er Mitglied in der „Komallai Dostayati Kurdistan und Israel“ („Kurdistan-Israel Friendship Association“; im Folgenden: KIFA) gewesen sei und deren Flugblätter und Broschüren im Iran verteilt habe. Am 14.03.2015 habe er von seinem Nachbarn in einem Telefonat erfahren, dass die Polizei das Haus durchsucht und den iranischen Geheimdienst verständigt habe. Der Geheimdienst habe die Unterlagen und Bücher über seine Tätigkeit im Verein gefunden und diese sowie seine Computer-Festplatte mitgenommen und die Satellitenanlage beschlagnahmt. Auch seine Frau habe ihm davon erzählt, sodass er nicht nach Hause gekommen sei, sondern sich bei einem Freund versteckt habe. Dort habe er seinen Bruder angerufen, der ihm erzählt habe, dass ihn der Geheimdienst auch bei ihm sowie bei seiner Mutter gesucht habe. Daraufhin habe er jemanden gebeten, ihm einen Schlepper zu organisieren, der ihn am 16.03.2015 in die Türkei gebracht habe.

Die BF2 führte zu ihren Fluchtgründen aus, dass sie den Iran verlassen habe, weil sie mit dem BF1 leben wolle. Im Iran würden Frauen unterdrückt, hätten keine Rechte und könnten sich nicht frei bewegen. Die Polizei sei am 14.03.2015 wegen der Satellitenanlage zu ihnen nach Hause gekommen, weil dies im Iran verboten sei. Die Polizei habe die Romane und kurdischen Bücher im Zimmer des BF1 durchsucht und darin lose Blätter gefunden. Die BF2 habe ihnen gesagt, sie wisse nicht, wem diese gehören würden. Daraufhin habe die Polizei den Geheimdienst verständigt, der die Festplatte sowie die Satellitenanlage mitgenommen und wiederum nach dem Aufenthaltsort des BF1 gefragt habe. Die BF2 habe daraufhin gelogen und ihnen mitgeteilt, dass er in Täbris sei. Nachdem der Geheimdienst das Haus verlassen habe, habe der BF1 um 19.00 Uhr aus einer Telefonzelle angerufen und mitgeteilt, dass er nicht nach Hause kommen werde. Am nächsten Tag sei der Geheimdienst wieder zu ihr nach Hause gekommen. Der BF1 habe sie um 21.00 Uhr desselben Tages wieder von einer Telefonzelle angerufen und ihr gesagt, dass er den Iran verlassen werde. Drei Tag danach sei sie zu ihren Eltern gezogen. Danach habe der Geheimdienst das Haus ihrer Eltern in Abständen von einem bis eineinhalb Monaten aufgesucht und nach dem BF1 gefragt.

Mit ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 08.03.2018 übermittelten die Beschwerdeführer Beweismittel zur Untermauerung ihres Fluchtvorbringens sowie Integrationsunterlagen, beantragten die telefonische Einvernahme eines in Deutschland wohnhaften Zeugen zum Beweis für die Mitgliedschaft sowie die Aktivitäten des BF1 in der KIFA, wiederholten im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und führten ergänzend aus, dass die KIFA international tätig und in Deutschland als gemeinnütziger Verein ins Vereinsregister eingetragen sei, der Vereinszweck durch öffentliche Veranstaltungen und Vortragsreihen verwirklicht werden solle und die Organisation einen öffentlichen Facebook-Account mit über 5.000 Abonnenten betreibe, auf dem sie regelmäßig Beiträge veröffentliche. Die BF2 verwies zudem darauf, dass sie westlich orientiert sei.

Für den BF3 brachten der BF1 und die BF2 keine eigenen Fluchtgründe vor.

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 14.03.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt römisch II.) ab und erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III.). Gegen sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dem BF1 sei es nicht gelungen, seine Fluchtgründe glaubhaft darzulegen. Die BF2 habe eine Verfolgung im Herkunftsstaat ausdrücklich verneint und auch für den BF3 seien keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden. Der BF1 und die BF2 hätten familiäre Anknüpfungspunkte im Iran, würden über Schulbildung verfügen, an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten leiden und für die lebensnotwendigen Grundbedürfnisse des BF3, der sich seit seiner Geburt in ihrer Obhut befinde, sorgen. Der BF1 habe darüber hinaus Berufserfahrung, weshalb ihm insgesamt zuzutrauen sei, ein für ihren Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und nicht zu erwarten sei, dass der BF1, die BF2 und die BF3 im Falle der Rückkehr einer Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK ausgesetzt wären. Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich würden nicht bestehen und liege auch keine besondere integrative Bindung vor, weshalb die Rückkehrentscheidung zulässig sei.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachten im Wesentlichen vor, dass das Bundesamtamt für Fremdenwesen und Asyl den Beweisantrag der Beschwerdeführer auf zumindest telefonische Befragung des Präsidenten der KIFA völlig ignoriert habe, die Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar sei und das Vorbringen der BF2, wonach sie aufgrund ihrer „westlichen Orientierung“ im Iran einer Verfolgung ausgesetzt sei, überhaupt nicht gewürdigt worden sei.

Mit Schriftsätzen vom 05.03.2019 und 02.07.2019 übermittelten die Beschwerdeführer diverse Integrationsunterlagen.

Mit Schreiben vom 17.10.2019 legten die Beschwerdeführer Lichtbilder zum exilpolitischen Engagement des BF1 vor und beantragten die Einvernahme des Präsidenten der KIFA zum Beweis seiner politischen Aktivitäten.

Mit Schriftsatz vom 22.10.2019 übermittelten die Beschwerdeführer ein Schreiben des Präsidenten der KIFA vom 21.10.2019 zur Mitgliedschaft des BF1.

Am 24.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch/Sorani sowie der rechtsfreundlichen Vertreterin der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF1 und die BF2 ausführliche zu ihrer Identität, Herkunft und ihren persönlichen Lebensumständen im Iran befragt wurden. Zusätzlich wurde der BF1 zu seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich einvernommen.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2019 übermittelten die Beschwerdeführer weitere Integrationsunterlagen sowie Beweismittel zu den exilpolitischen Aktivitäten des BF1 und der BF2.

Über Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.11.2019 sowie Urgenz vom 06.12.2019 übermittelte das Amtsgericht Köln mit Schreiben vom 11.12.2019 die im Vereinsregister eingetragenen Informationen der KIFA.

Mit Schriftsatz vom 03.03.2020 übermittelten die Beschwerdeführer ihren Mietvertrag und beantragten die Einvernahme einer Zeugin zur fortschreitenden Integration der Beschwerdeführer sowie einer weiteren Zeugin zur Integration und westlichen Orientierung.

Am 25.08.2020 gab das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern Gelegenheit, binnen zwei Wochen die Einvernahme von Zeugen zu beantragen, als Beweismittel beabsichtigte Urkunden und Dokumente sowohl im Original wie auch in Kopie vorzulegen und wies darauf hin, dass fremdsprachigen Dokumenten eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen ist.

Mit Schriftsatz vom 09.09.2020 wiederholten die Beschwerdeführer ihre Beweisanträge auf Einvernahme der mit Schreiben vom 17.10.2019 und 03.03.2020 genannten Zeugen und übermittelten weitere Integrationsunterlagen.

Am 30.09.2020 wurde die am 24.10.2019 begonnene Beschwerdeverhandlung fortgesetzt, die BF2 ausführlich zu ihrer Integration in Österreich sowie ihren Fluchtgründen befragt und die mit Schriftsatz vom 03.03.2020 beantragten Zeuginnen einvernommen.

Mit Schriftsatz vom 02.10.2020 verwiesen die Beschwerdeführer auf einen Link zu einem TV-Beitrag eines kurdischen TV-Kanals und übermittelten dazu Screenshots.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten und sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Iran. Ihre Identität steht nicht fest. Die Beschwerdeführer gehören der Volksgruppe der Kurden an. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Kurdisch/Sorani. Der BF1 und die BF2 sind verheiratet. Der BF3 ist ihr gemeinsamer Sohn.

Der BF1 besuchte im Iran 12 Jahre die Schule und schloss diese mit Matura ab. Der BF1 arbeitete anschließend im Lebensmittelgroßhandel seines Onkels und handelte mit verschiedenen Second-Hand-Waren. Von 2006 bis zur Ausreise im Jahr 2014 war der BF1 als selbständiger Bauunternehmer tätig. Zudem importierte er in den letzten beiden Jahren vor seiner Ausreise hydraulische Pumpen aus dem Irak, die er im Iran weiterverkaufte.

Die BF2 verfügt ebenfalls über 12 Jahre Schulbildung mit Matura und absolvierte die Aufnahmeprüfung für die Universität. Nachdem sie zum Studium nicht zugelassen wurde, war die BF2 Hausfrau.

Der BF3 besuchte im Iran zumindest die erste Klasse der Volksschule.

Im Iran leben die Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder der BF2, zu denen regelmäßiger Kontakt besteht. Die Mutter, der Bruder und zwei Schwestern des BF1 leben im Irak. Zu seinem Bruder hatte der BF1 seit seiner Ausreise zweimal Kontakt, zu seiner Mutter und seinen Schwestern besteht seither kein Kontakt mehr. Die BF2 lebte mit dem BF3 nach der Ausreise des BF1 bis zu ihrer eigenen Ausreise bei ihren Eltern.

Der BF1 und die BF2 sind gesund und arbeitsfähig. Der BF3 leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und ist seit 15.03.2019 regelmäßig in psychotherapeutischer Behandlung. Die Erkrankung erreicht jedoch nicht das Ausmaß einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigung.

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Der BF1 reiste im Jahr 2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Deutschland, wo er am 13.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am 23.07.2016 begab sich der BF1 in das österreichische Bundesgebiet und stellte am selben Tag einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF2 und der BF3 reisten im Jahr 2016 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellten am 03.07.2016 Anträge auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführer leben gemeinsam in einer Mietwohnung und beziehen Leistungen aus der Grundversorgung.

Der BF1 und die BF2 besuchten mehrere Deutschkurse, nahmen am 20.02.2018 an einem Werte- und Orientierungskurs teil und verdienen sich durch diverse Hilfstätigkeiten bis zu EUR 270,00 im Monat dazu. Sie nahmen im Jahr 2018 und 2019 an Veranstaltungen der „Demokratischen Partei Kurdistan-Iran“ sowie der „Demokratischen Partei Kurdistan“ teil.

Der BF1 bestand die ÖSD-Deutschprüfung auf Niveau A2, besitzt einen österreichischen Führerschein und hat zwei Einstellungszusagen. Er verrichtete zwei Jahre Renovierungstätigkeiten in Asylwerberunterkünften, reinigte von 12.09.2018 bis zumindest 24.10.2019 einmal wöchentlich verschiedenen Parkplätze einer Immobiliengesellschaft und leistet hin und wieder Hilfstätigkeiten für seine Nachbarn.

Die BF2 bestand am 15.06.2019 die ÖIF-Deutschprüfung auf Niveau B1. Sie wirkte beim Verein „ römisch 40 “ an der Gestaltung eines Kochbuchs mit und nahm von Oktober 2018 bis zumindest 22.01.2019 wöchentlich am Integrationsprojekt „Frauengruppe“, von September 2018 bis zumindest 14.01.2019 am Integrationsprojekt Nähwerkstatt sowie am 31.03.2020 an der Weiterbildung „noe-book Schulung“ teil. Im Rahmen des Pilotprojekts „ römisch 40 “ der römisch 40 GmbH besuchte die BF2 drei Kunstworkshops, absolvierte seit September 2019 einen Basisbildungskurs, in welchem Grundbildung in Lesen, Schreiben, Hören sowie Verstehen vermittelt wurden, aufbauend darauf einen Computerkurs, den sie mit der PC-Startprüfung der Österreichischen Computergesellschaft abschloss und besucht derzeit den Berufsorientierungskurs für Frauen. Sie leistete von Oktober 2019 bis Juni 2020 regelmäßig ehrenamtliche Hilfstätigkeiten im Rahmen der Fachstelle für Integration – römisch 40 Interkulturell sowie des Nähprojekts „Covid Mund-Nasen-Schutzmasken für einen guten Zweck“ und unterstützt seit September 2019 eine Freundin ab und zu im Haushalt, wofür sie mit Dienstleistungsschecks entschädigt wird.

Der BF3 schloss in Österreich die dritte und vierte Klasse der Volksschule jeweils mit sehr guten Noten ab. Derzeit besucht er die erste Klasse eines Gymnasiums. Im Juli 2019 besuchte der BF3 die Junge Uni der Fachhochschule römisch 40 . Seit 2018/19 trainiert der BF3 regelmäßig in der U12-Fußballmanschaft des römisch 40 .

Die Beschwerdeführer haben keine Familienangehörigen in Österreich, verfügen über einen Freundes- und Bekanntenkreis und sind um ihre Integration bemüht.

Der BF1 und die BF2 sind in Österreich unbescholten, der BF3 ist strafunmündig.

Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Fest steht, dass die Beschwerdeführer keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt sind, aufgrund ihrer (unterstellten) politischen Gesinnung im Iran verfolgt zu werden.

Weiters steht fest, dass die BF2 keine „westliche“ Orientierung angenommen hat und daher im Iran keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt ist, aus politischen oder religiösen Gründen oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Auch sonst sind die Beschwerdeführer keiner Gefahr ausgesetzt, aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Iran mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Weiters steht fest, dass die Beschwerdeführer im Iran keiner unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen wären sowie im Falle ihrer Rückkehr in keine existenzgefährdende Notsituation geraten würden und als Zivilpersonen auch keiner ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wären.

Zur maßgeblichen Situation im Iran:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 19.06.2020 wiedergegeben:

1.           Politische Lage

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 2.2020a; vergleiche BTI 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche US DOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vergleiche FH 4.3.2020, US DOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche FH 4.3.2020). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wieder gewählt (ÖB Teheran 10.2019). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 2.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2019). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 2.2020a). Während bei der Parlamentswahl 2016 die Reformer und Moderaten starke Zugewinne erreichen konnten (ÖB Teheran 10.2019), drehte sich dies bei den letzten Parlamentswahlen vom Februar 2020 und die Konservativen gewannen diese Wahlen. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020).

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche GIZ 2.2020a, FH 4.3.2020, BTI 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2.2020). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 4.3.2020a; vergleiche GIZ 2.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 2.2020a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 2.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 2.2020a; vergleiche AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).

Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte (ÖB Teheran 10.2019).

2.           Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vergleiche AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018). Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vergleiche AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

2.1.       Verbotene Organisation

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2019) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wird, es ist aber schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

2.2.       Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Orga-nization of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)

Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran (AA 26.2.2020). Die KDPI wurde 1945 in der iranischen Stadt Mahabad gegründet (DIS 7.2.2020) und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt (TRAC o.D.). Das Ziel der KDPI besteht darin, die kurdischen nationalen Rechte innerhalb eines Bundes und eines demokratischen Iran zu erlangen (DIS 7.2.2020; vergleiche TRAC o.D., MERIP o.D.). Die KDPI wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die von ihrem irakischen Hauptquartier aus das Regime bekämpft (BMI 2015; vergleiche MERIP o.D., ACCORD 7.2015). Die KDPI wird traditionell als die größte iranisch-kurdische Partei angesehen. Die Partei KDP-Iran hat sich 2006 von der KDPI getrennt und ist eine separate Partei (DIS 7.2.2020). Die kurdischen Oppositionsparteien, insbesondere die KDPI, sind in Iran nicht sehr stark durch Mitglieder repräsentiert, sondern am ehesten durch Sympathisanten (ACCORD 7.2015).

Die Komala-Partei wurde 1969 gegründet. Ihre Mitglieder bestanden zu dieser Zeit aus kurdischen linken Studenten und Intellektuellen, hauptsächlich aus Teheran, aber auch aus anderen kurdischen Städten. Komala basiert auf sozialistischen Werten und kämpft für kurdische Rechte und einen demokratischen, säkularen, pluralistischen und föderalen Iran. Komala besteht aus drei oder mehr getrennten Parteien (DIS 7.2.2020).

Das Ausmaß der zivilpolitischen Aktivitäten der iranisch-kurdischen Oppositionsparteien, insbesondere der KDPI und Komala in Iran, ist aufgrund der Kontrolle, mit der sie konfrontiert sind, im Allgemeinen begrenzt. Wenn die Parteien zivilpolitische Aktivitäten durchführen, geschieht dies unter Geheimhaltung, um zu verhindern, dass die Behörden gegen sie vorgehen. Die Parteien unterstützen jedoch die Aktivitäten anderer, beispielsweise von Organisationen, die sich sowohl auf Umweltfragen als auch auf soziale Fragen konzentrieren. Die kurdischen politischen Parteien führen Propaganda-Aktivitäten durch, um ein Bewusstsein für die Politik der iranischen Regierung zu schaffen und die Menschen zu ermutigen – durch verschiedene friedliche und entschlossene Maßnahmen wie Demonstrationen, Generalstreiks und symbolische Mittel wie das Tragen kurdischer Kleidung zu besonderen Anlässen – gegen die Regierung zu protestieren. Die meisten Aktivitäten der kurdischen Parteien finden im öffentlichen Raum, einschließlich Schulen, statt. Die Parteien ermutigen ihre Mitglieder, Unterstützer und die Öffentlichkeit, Maßnahmen über soziale Medien, Fernseh- und Radiokanäle zu ergreifen. In Bezug auf die Rekrutierung von Mitgliedern ist zu sagen, dass die Regeln für die Mitgliedschaft in den iranisch-kurdischen politischen Parteien (KDPI und Komala) nicht immer geradlinig sind und die Mitgliedschaft durch verschiedene Verfahren erlangt werden kann. Menschen in der kurdischen Region des Iran können über die geheimen Netzwerke dieser Parteien Mitglieder werden oder sie können selbst Mitglieder der Partei in der Autonomen Kurdischen Region Irak kontaktieren und dadurch Mitglieder werden. Zukünftige Mitglieder durchlaufen eine Überprüfung um z.B. Spione der iranischen Regierung ausschließen zu können. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass das Geheimdienstministerium und die Revolutionsgarden Personen bedrohen oder bestechen, um sie als Kundschafter einzusetzen (DIS 7.2.2020).

Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der kommunistischen Komala-Partei und der KDP-Iran und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 10.2019). Ende April 2017 stationierte eine der Komala-Parteien ihre Streitkräfte im Grenzgebiet zwischen der Autonomen Kurdischen Region Irak und Iran (DIS 7.2.2020). Zuletzt wurden im September 2018 drei angebliche Komala-Mitglieder wegen Terrorismus nach unfairen Verfahren und trotz internationaler Proteste hingerichtet (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche DIS 7.2.2020), zeitgleich fanden Raketenangriffe auf einen Stützpunkt der KDPI in Nord-Irak statt (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche DIS 7.2.2020, BTI 2020).

3.           Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2019). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vergleiche BTI 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.3.2020).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 11.3.2020). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 14.1.2020; vergleiche AA 26.2.2020, HRC 28.1.2020). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 18.2.2020; vergleiche HRW 14.1.2020).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

Wenn sich Gesetze nicht mit einer Situation befassen, dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ für schuldig erklären (US DOS 11.3.2020).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vergleiche BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

-             Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

-             Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

-             Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

-             Spionage für fremde Mächte;

-             Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

-             Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes („Diya“) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht (AA 26.2.2020).

Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).

4.           Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert (US DOS 11.3.2020). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2019).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.3.2020). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vergleiche BTI 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).

Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2020).

Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (US DOS 11.3.2020).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2019).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).

5.           Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Artikel 38, der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vergleiche US DOS 11.3.2020, DIS 7.2.2020). Dies betrifft vorrangig nicht registrierte Gefängnisse, aber auch „offizielle“ Gefängnisse, insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020; vergleiche US DOS 11.3.2020). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt (AI 18.2.2020; vergleiche US DOS 13.3.2019, FH 4.3.2020). Zahlreiche Personen wurden wegen Diebstahls oder Überfällen zu Peitschenhieben verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche Beziehungen, Alkoholkonsum oder Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Frauen als auch Männer anwesend waren. (AI 18.2.2020).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2019). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen – teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018; vergleiche US DOS 11.3.2020).

Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vergleiche DIS 7.2.2020), um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vergleiche HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vergleiche HRW 14.1.2020, HRC 28.1.2020). Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.3.2020).

6.           Allgemeine Menschenrechtslage

Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Artikel 4, IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene „Hohe Rat für Menschenrechte“ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ (AA 26.2.2020).

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

-             Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

-             Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

-             Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

-             Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)

-             Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie

-             Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

-             Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

-             UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen

-             Konvention über die Rechte behinderter Menschen

-             UN-Apartheid-Konvention

-             Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020)

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:

-             Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

-             Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention

-             Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe

-             Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

-             Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

-             Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).

Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2019). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition (GIZ 2.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen und ohne einen fairen Prozess, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (US DOS 11.3.2020; vergleiche AI 18.2.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, Gewalt gegen ethnische Minderheiten, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (US DOS 11.3.2020; vergleiche FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Die Regierung unternahm wenige Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 11.3.2020).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände vergleiche Artikel 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte, insbesondere Artikel eins bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2019). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (HRW 14.1.2020; vergleiche BTI 2020).

7.           Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen. Geschätzt gibt es ca. eine Viertelmillion Häftlinge (US DOS 11.3.2020). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.4.2020).

In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 10.2019).

Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse. Es kommt regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen (AA 26.2.2020). Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in „sichere Häuser“ gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 10.2019). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche FH 4.3.2020).

Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, z. B. in Form von Einzelhaft über lange Zeiträume hinweg. Die größte Gefahr droht Inhaftierten bei Verhören. Die Behörden gingen Foltervorwürfen grundsätzlich nicht nach und zogen die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft. Folter soll zu mehreren Todesfällen in Gewahrsam geführt oder dazu beigetragen haben (AI 18.2.2020).

8.           Todesstrafe

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche HRW 14.4.2020, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vergleiche ÖB Teheran 10.2019). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).

Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2019) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche AA 26.2.2020, HRW 14.4.2020, FH 4.3.2020, HRC 28.1.2020, AI 18.2.2020). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018; vergleiche AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. 2018 wurden mindestens vier zur Tatzeit minderjährige Täter/innen hingerichtet. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung. 2019 wurden erstmals auch zwei zum Zeitpunkt der Hinrichtung Minderjährige verzeichnet (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2019). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 4.3.2020).

Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder zwei Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2019). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 4.3.2020) und die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen sank (AI 10.4.2019; vergleiche HRW 14.1.2020, FH 4.3.2020, HRC 8.2.2019). Das neue Gesetz gilt rückwirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Nichtsdestotrotz hat Iran im Laufe des Jahres 2019 fast 300 Menschen hingerichtet, darunter mindestens zwei jugendliche Straftäter (FH 4.3.2020).

Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei „politischen“ oder die „nationale Sicherheit“ betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste“. Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019).

9.           Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Artikel 13, der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vergleiche ÖB Teheran 10.2019).

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2019). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018; vergleiche FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018; vergleiche FH 4.3.2020) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2019).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).

Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt (US DOS 21.6.2019).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen „Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini“ und 20 wegen „Korruption auf Erden“ (US DOS 21.6.2019).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 18.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2019).

9.1.       Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vergleiche AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vergleiche AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 21.6.2019).

10.         Ethnische Minderheiten

Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,1%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das fünftgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 12.2019c).

Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt (ÖB Teheran 10.2019). Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch u.a. gegen Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche FH 4.3.2020).

Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 26.2.2020). Die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, sind allerdings zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015; vergleiche AA 26.2.2020, FH 4.3.2020, AI 18.2.2020). Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren und Gefängnisstrafen. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (AI 18.2.2020).

10.1. Kurden

Die Kurden (überwiegend Sunniten) sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen (so gibt es eine kurdischstämmige Vize-Innenministerin). Der iranische Staatsrundfunk sendet stundenweise kurdischsprachige Sendungen auf dem Regionalsender IRIB Kurdistan. In der Verfassung vorgesehener Schulunterricht sowie Studiengänge in kurdischer Sprache sind seit Erlass von Rohani im Jahr 2016 rechtlich möglich. Es ist jedoch nicht nachprüfbar, in welchem Umfang Unterricht an Schulen und Universitäten tatsächlich angeboten wird, da er nicht aktiv vom iranischen Staat gefördert wird (AA 26.2.2020). Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein (HRW 14.1.2020). Problematisch sind vor allem kulturelle Aktivitäten, die politisch werden (DIS/DRC 23.2.2018). Zahlreiche Kurden wurden willkürlich inhaftiert, darunter auch Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten (AI 18.2.2020).

Die kurdische Region des Iran ist militarisiert und die iranische Regierung überwacht die kurdische Bevölkerung durch regelmäßige Checkpoints ebenso wie durch die Nutzung von Telekommunikation und sozialen Medien. Die iranische Regierung sieht jede Art von politischem oder zivilem Aktivismus als potenzielle Bedrohung an, insofern können sowohl politische als auch zivilgesellschaftliche Aktivisten von Verfolgung bedroht sein (DIS 7.2.2020). Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden im September 2017 wurde die Präsenz von Militär und Revolutionsgarden deutlich erhöht (AA 26.2.2020; vergleiche DIS 7.2.2020) und einige Mitglieder der lokalen Bevölkerung arbeiten als Informanten für die iranischen Behörden (DIS 7.2.2020). Die militärische und geheimdienstliche Präsenz ist nicht immer sichtbar. Die Überwachung in diesem Gebiet ist nicht systematisch, aber strukturiert und auch nicht zufällig, sondern gezielt (DIS/DRC 23.2.2018).

Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet (AA 26.2.2020; vergleiche DIS 7.2.2020). Unter den politisch Verfolgten sind daher verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“, Schwesterorganisation der PKK in Iran), der kommunistischen Komala-Partei, oder der KDP-Iran – und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß. Derzeit sollen etwa 100 Kurden auf ihre Hinrichtung warten. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche DIS/DRC 23.2.2018). Im ersten Halbjahr 2019 wurden 651 Personen wegen Drogenschmuggel und –konsum verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

11.         Relevante Bevölkerungsgruppen

11.1.     Frauen

Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 12.2019c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot) (AA 26.2.2020).

In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020; vergleiche ÖB Teheran 10.2019). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden (ÖB Teheran 10.2019). Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2019). Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BTI 2020).

In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vergleiche HRW 14.1.2020, ÖB Teheran 10.2019, AI 26.2.2019). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 14.1.2020; vergleiche FH 4.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 14.1.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet (AA 26.2.2020) und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (FH 4.3.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).

Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020).

Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 11.3.2020). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vergleiche AI 22.2.2018), jenes für Jungen bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der „Wert“ der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2019).

Im Oktober 2019 genehmigte der Wächterrat eine Änderung des Zivilgesetzbuchs des Landes, die es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, für ihre Kinder die Staatsbürgerschaft zu beantragen (US DOS 11.3.2020; vergleiche HRW 14.1.2020, AI 18.2.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (AI 18.2.2020).

Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht imstande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 10.2019).

Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen oder Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2019).

Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 10.2019).

Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 26.2.2020). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (US DOS 11.3.2020). Das Gesetz betrachtet Sex innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (US DOS 11.3.2020; vergleiche ÖB Teheran 10.2019). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie offizielle Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (US DOS 11.3.2020).

Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen (AI 22.2.2018). Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden (AI 18.2.2020). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen "unislamisch" kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. "Sünderinnen" droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine hohe Geldstrafe. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vergleiche Kurier.at 27.12.2017).

Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2019). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2019, BTI 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2019). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche FH 4.3.2020).

12.         Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (US DOS 11.3.2020). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker und Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (US DOS 11.3.2020; vergleiche FH 4.3.2020).

Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs).

Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020). Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).

13.         Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).

Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2019).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 3.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BTI 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 3.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BTI 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2020b). Die letzten Proteste diesbezüglich entfachten sich im November 2019, als der Treibstoffpreis erhöht wurde. Dies war das jüngste Zeichen einer Wirtschaftskrise, die durch eine Kombination aus von den USA geführten Handelssanktionen und Misswirtschaft durch das Regime ausgelöst wurde. Die Krise bereitet der iranischen Bevölkerung ernsthafte Schwierigkeiten und macht sie anfälliger für Ausbeutung (FH 4.3.2020).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 3.2020b; vergleiche BTI 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 3.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BTI 2020).

13.1.     Sozialbeihilfen

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 10.2019). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2019).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2019).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die „sadeqe“, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2020b).

14.         Medizinische Versorgung

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2019; vergleiche IOM 2019). Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2019). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2019).

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2019).

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2019). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2019).

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 10.2019). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2019c).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten, insofern gibt es zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2019).

Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter (IOM 2019).

Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig (IOM 2019).

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html. Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2019).

Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/. Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung. Notwendige Dokumente: Eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2019).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2019).

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2019; vergleiche ÖB Teheran 10.2019). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2019).

15.         Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2019).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

-             Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, insbesondere in die Protokolle der Erstbefragungen vom 03.07.2016 und 23.07.2016, der niederschriftlichen Einvernahmen vom 22.02.2018, in die Beschwerden vom 17.04.2018, sowie die Urkundenvorlagen vom 05.03.2019, 02.07.2019, 17.10.2019, 22.10.2019, 21.11.2019, 03.03.2020, 09.09.2020 und 02.10.2020;

-             Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt zum Iran;

-             Einsichtnahme in die von den Beschwerdeführern im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Integrationsunterlagen;

-             Einvernahme des BF1 und der BF2 am 24.10.2019 und 30.09.2020;

-             Einvernahme der Zeuginnen römisch 40 und Mag. römisch 40 am 30.09.2020;

-             Einsicht in das Grundversorgungsinformationssystem;

-             Einsicht in das Strafregister.

Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:

Die Identität der Beschwerdeführer steht mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht fest. Eine Feststellung der Identität alleine aufgrund der Angaben des BF1 und der BF2 scheidet nach Ansicht des Gerichts aus, da die BF2 ihn ihrer Erstbefragung völlig andere Namen und Geburtsdaten der Beschwerdeführer nannte, in ihrer schriftlichen Richtigstellung vom 07.07.2016 die Vornamen des BF1 und des BF3 mit ihren Nachnamen vertauschte und in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.02.2018 wiederum ein anderes Geburtsdatum des BF3 nannte.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, ihrer Muttersprache, zu ihrer Ausbildung und Arbeitserfahrung im Iran, zum Aufenthalt ihrer Angehörigen im Herkunftsstaat und ihrem Gesundheitszustand gründen sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.10.2019 und 30.09.2020. Das Gericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleichgebliebenen Angaben zu zweifeln. Die posttraumatische Belastungsstörung und die psychotherapeutische Behandlung des BF3 beruhen auf der diesbezüglichen Bestätigung seines Psychotherapeuten vom 07.09.2020.

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die Feststellungen zur Einreise der Beschwerdeführer in das Bundesgebiet ergeben sich aus den Angaben des BF1 in der Erstbefragung am 23.07.2020 sowie jener der BF2 am 03.07.2020.

Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen der Beschwerdeführer und dem Bezug von Grundversorgungsleistungen beruht auf den glaubhaften und übereinstimmenden Ausführungen des BF1 und der BF2 sowie amtswegig eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem Grundversorgungsinformationssystem. Die Teilnahme an Veranstaltungen kurdischer Parteien ergibt sich aus den vorgelegten Fotos in Verbindung mit den Ausführungen des BF1 und der BF2 in der Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des BF1 und der BF2 konnten aufgrund einer in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2019 und 30.09.2020 durchgeführten kurzen Befragung in deutscher Sprache getroffen werden. Die Verrichtung verschiedener Hilfstätigkeiten des BF1 und der BF2, ihre Teilnahme an diversen Kursen, der Führerschein und die Einstellungszusagen des BF1, der Schulbesuch des BF3, sein Fußballtraining sowie seine Teilnahme an der Jugend Uni der Fachhochschule römisch 40 sind den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Unterlagen zu entnehmen.

Der Freundes- und Bekanntenkreis der Beschwerdeführer und ihre Integrationsbemühungen stützen sich auf die vorgelegten Unterstützungsschreiben, die Angaben der Zeuginnen römisch 40 und Mag. römisch 40 sowie die dargelegten Aktivitäten der Beschwerdeführer in Österreich.

Die Unbescholtenheit des BF1 und der BF2 ist aus den amtswegig eingeholten Strafregisterauszügen ersichtlich. Die Strafunmündigkeit des BF3 beruht auf dem Umstand, dass er das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

Soweit der BF1 und die BF2 vorbrachten, sie würden aufgrund ihrer (exil-)politischen Aktivitäten verfolgt, kommt ihrem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Zum Zweck der Glaubhaftmachung ist der Beschwerdeführer verpflichtet, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und hat er diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auf seine Glaubhaftigkeit hin zu überprüfen. Im Zuge dieser Überprüfung ist auch auf das Kriterium der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers abzustellen. Diese persönliche Glaubwürdigkeit kann dadurch eingeschränkt werden, wenn der Beschwerdeführer sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel stützt, wichtige Tatsachen verheimlicht bzw. diese bewusst falsch darstellt, sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet, keine Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Hinzu kommt, dass das Vorbringen genügend substantiiert sein muss. Ungenügende Substantiierung ist dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer den Sachverhalt sehr vage schildert, seine Angaben auf Gemeinplätze beschränkt, nicht in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine behaupteten Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein. D.h. es muss mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Schließlich muss ein Vorbringen auch in sich schlüssig sein, was nicht gegeben ist, wenn sich der Beschwerdeführer in wesentlichen Aussagen widerspricht.

Der BF1 führte zu seinem Fluchtgrund vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, er habe im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit im Irak römisch 40 kennengelernt, für den er Flugblätter und Broschüren des Vereins „KIFA“ verteilt habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war der BF1 allerdings nicht in der Lage, nachvollziehbar darzulegen, wie er römisch 40 kennengelernt habe. Der BF1 behauptete nämlich zum einen, dass er ihn im Irak in den Geschäften, in denen er die Hydraulikpumpen für den Weiterkauf im Iran erworben habe, kennengelernt habe, führte in Widerspruch dazu allerdings aus, dass er die Hydraulikpumpen nicht in Geschäften, sondern entweder auf dem Markt oder bei Händlern, die diese bei sich zu Hause aufbewahrt hätten, gekauft habe. Zudem führte der BF1 aus, dass er die Pumpen bei mehreren Anbietern erworben habe, was wiederum mit der Behauptung, er habe römisch 40 jedes Mal, als er im Irak eingekauft habe, getroffen, nicht in Einklang zu bringen ist, zumal der BF1 ausführte, dieser lebe gewöhnlich in Deutschland und aus seinen Angaben weder hervorgeht, aus welchen Gründen sich dieser dort aufhielt noch abzuleiten ist, dass es sich dabei um geplante Treffen gehandelt hätte. Schon vor diesem Hintergrund erscheint das vom BF1 behauptete politische Engagement im Iran nicht glaubhaft.

Zu den Unterlagen, die er im Iran verteilt habe, führte der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass sich darauf unter anderem die Fahnen von Israel und Kurdistan befunden hätten. Das erste Mal habe er die Unterlagen auf einem USB-Stick bekommen, danach über das soziale Netz VIBER. Demgegenüber gab der BF1 vor dem Bundesverwaltungsgericht zu Protokoll, dass er die Unterlagen über Whatsapp erhalten habe und konnte diesen Widerspruch auch nicht aufklären, sondern behauptete, er habe die Unterlagen jedenfalls über Whatsapp erhalten, sodass es sich um einen Übersetzungsfehler des Dolmetschers handeln müsse. Im Hinblick darauf, dass der BF1 noch vor der Befragung zu den Fluchtgründen ausdrücklich angab, das Protokoll der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei ihm rückübersetzt worden, er den Dolmetscher verstanden habe und zudem in Anwesenheit seines rechtsfreundlichen Vertreters befragt wurde, ist dies nicht plausibel. Auch aus diesen Unstimmigkeiten ist sohin auf ein unglaubwürdiges Fluchtvorbringen zu schließen.

Hinzu kommt, dass der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Protokoll gab, er habe die Unterlagen sowohl verteilt und – sofern der „Verein“ dies verlangt habe – dessen Ziele anderen Leuten erklärt. In der Beschwerdeverhandlung beschränkte er seine Tätigkeit für die KIFA hingegen auf das bloße Verteilen der Flugblätter und führte – abweichend von seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – aus, dass er sich über das Vereinsprogramm lediglich dann unterhalten habe, wenn es zu einem persönlichen Gespräch oder persönlichen Treffen „mit ihm“ gekommen sei, wobei bei Gesamtbetrachtung des Vorbringens des BF1 davon auszugehen ist, dass er mit „ihm“ römisch 40 meinte. Auch führte der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass er die Broschüren und Flugblätter in den Stadtteilen römisch 40 und römisch 40 verteilt habe, während er vor dem Bundesverwaltungsgericht von sich aus nur noch die Stadteile römisch 40 und römisch 40 erwähnte. Der BF1 verstrickte sich sohin auch hinsichtlich der für die KIFA angeblich ausgeübten Tätigkeit in Widersprüche und ergänzte den fehlenden Stadtteil erst über Suggestivfrage seiner Vertreterin, womit ihm die Antwort schon vorweggenommen wurde, sodass für das Gericht abermals der Eindruck eines konstruierten Fluchtvorbringens entstand.

Im Übrigen decken sich die vom BF1 behaupteten Aktivitäten für die KIFA, nämlich das Verteilten von Flugblättern, nicht mit den Länderfeststellungen. Daraus geht nämlich hervor, dass es für die Frage, ob wegen politischer Aktivität Anklage erhoben wird, auf die Art dieser Aktivität ankommt und bei Aktivitäten auf niedrigem Niveau, wie insbesondere dem Verteilen von Flyern, eine Anklageerhebung unwahrscheinlich ist. Möglich ist eine Inhaftierung demgegenüber, wenn jemand mit politischem Material oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Ein solcher Sachverhalt geht aus dem Vorbringen des BF1 jedoch nicht hervor, zumal er mehrfach ausführte, dass er selbst mit den iranischen Behörden nicht in Kontakt gekommen sei und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Protokoll gab, die Behörden seien lediglich wegen der Satellitenanlage gekommen.

Zwar gaben der BF1 und die BF2 weitgehend übereinstimmend sowohl bei ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der Beschwerdeverhandlung an, dass ihre Wohnung zunächst von der Polizei und anschließend vom iranischen Geheimdienst durchsucht worden sei und sie die Bücher, den Computer sowie die Satellitenanlage mitgenommen hätten, doch konnten der BF1 und die BF2 nicht nachvollziehbar darlegen, wie der BF1 vom konkreten Vorgehen der Polizei bzw. des Geheimdienstes innerhalb ihrer Wohnung erfahren haben soll. Der BF1 selbst gab nämlich durchwegs an, dass er bei der Durchsuchung selbst nicht anwesend gewesen sei und von seinem Nachbarn, der unter ihnen im Erdgeschoß gewohnt habe, davon erfahren habe. Jedoch ergibt sich aus den Ausführungen des BF1 und der BF2, dass sich der Nachbar während der Durchsuchung nicht in der Wohnung der Beschwerdeführer aufhielt und gab der BF1 in der Beschwerdeverhandlung am 24.10.2019 an, dass dieser lediglich beobachtet habe, wie die Polizei und der Geheimdienst mit der Satellitenanlage, dem Computer und den Büchern, die nicht verpackt gewesen seien, das Haus verlassen hätten und durch den Hof gegangen seien. Auch ergaben sich aus dem Vorbringen des BF1 und der BF2 keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF1 mit der BF2 über die konkreten Details der Durchsuchung gesprochen hätte. Vielmehr führte der BF1 zum Gespräch mit seiner Frau unmittelbar nach den behaupteten Ereignissen aus, dass sie ihm ausschließlich erzählt habe, der Geheimdienst habe seine Bibliothek und seinen Computer durchsucht und er anschließend darauf hingewiesen habe, dass er am Telefon nicht über Einzelheiten sprechen könne. Die BF2 gab zum Inhalt desselben Gesprächs an, dass ihr der BF1 vom Telefonat mit dem Nachbarn berichtet und ihr mitgeteilt habe, dass er ihr die Situation am Telefon nicht erklären könne. Ein Gespräch über die konkreten Details der Durchsuchung schilderte jedoch auch die BF2 nicht. Die Angaben des BF1 und der BF2 zur behaupteten Hausdurchsuchung sind daher nicht schlüssig, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass es sich dabei um ein tatsächliches Geschehen handelt.

Ebenso wenig lässt sich aus den vorgelegten Bestätigungen der KIFA über die Mitgliedschaft des BF1 vom 02.11.2017 sowie 21.10.2019 auf eine bereits im Iran erfolgte politische Betätigung schließen. Aus der Bestätigung vom 02.11.2017 geht nämlich einerseits hervor, dass die Mitgliedschaft den BF1 insbesondere dazu berechtigt, mit anderen Mitgliedern der Partei in römisch 40 , wo der BF1 vor seiner Ausreise lebte, zu kooperieren, um eine eigene „Zweigstelle“ der KIFA zu etablieren. Dies steht allerdings in offensichtlichem Widerspruch zu den Angaben des BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wonach er lediglich zu römisch 40 Kontakt gehabt habe und andere Parteimitglieder nicht kenne, weil sich diese alle im Ausland aufhalten würden. Andererseits wird darin bestätigt, dass der BF1 bereits seit März 2015 Mitglied sei, doch wurde die Bestätigung erst mehr als zwei Jahre nach diesem Zeitpunkt ausgestellt. Aus der vom BF1 vorgelegten Satzung und den vom Bundesverwaltungsgericht beim Amtsgericht Köln amtswegig eingeholten Vereinsunterlagen der KIFA geht zudem hervor, dass die Mitgliedschaft unter anderem eines schriftlichen Aufnahmeantrages und der Einzahlung eines Mitgliedsbeitrages bedarf. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Satzung später dahingehend angepasst wurde, dass der Vereinsbeitrag entfällt, doch erfolgte dies erst am 21.01.2016, sohin nach dem Zeitpunkt der vom BF1 behaupteten Begründung der Mitgliedschaft im März 2015. Weder in der Bestätigung vom 02.11.2017, noch in jener vom 21.10.2019 wird jedoch festgehalten, dass der BF1 diese Voraussetzungen erfüllt hätte und wurden vom BF1 dazu auch keinerlei Nachweise vorgelegt, obwohl er mit Parteiengehör vom 24.08.2020 ausdrücklich zur Vorlage sämtlicher Beweismittel aufgefordert wurde. Im Übrigen enthält die Bestätigung vom 21.10.2019 weder Angaben zur Dauer, noch zum Umfang der Mitgliedschaft oder den damit verbundenen Verpflichtungen. Die vorgelegten Bestätigungen sind daher nicht geeignet, einen Nachweis über die vom BF1 im Iran behaupteten politischen Aktivitäten zu liefern.

Insgesamt betrachtet kann aus den Ausführungen der BF1 und des BF2 sohin nicht abgeleitet werden, dass der BF1 bereits im Herkunftsstaat regimekritische politische Aktivitäten gesetzt hätte, die den iranischen Behörden bekannt geworden wären. Damit erweisen sich aber auch die von der BF2 aufgestellten Behauptungen, wonach die Wohnung durchsucht worden sei und sie – nach der Flucht des BF1 – von den Behörden in regelmäßigen Abständen unter Druck gesetzt worden sei – als haltlos.

Aus den vom BF1 und der BF2 behaupteten exilpolitischen Tätigkeiten in Österreich kann aus folgenden Gründen keine Gefährdung im Falle der Rückkehr abgeleitet werden:

Zum BF1 ist zunächst auszuführen, dass er sich vor seinem Asylantrag in Österreich ein Jahr in Deutschland aufhielt, allerdings weder in seiner Erstbefragung noch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.02.2018 vorbrachte, dass er bisher auch in Europa politische Aktivitäten gesetzt hätte. Erstmals mit Schriftsatz vom 17.10.2019 legten die Beschwerdeführer Fotos zum Nachweis der Teilnahme des BF1 und der BF2 an politischen Veranstaltungen vor und wurden politische Aktivitäten in Österreich vom BF1 erstmals in der Beschwerdeverhandlung am 24.10.2019 näher ausgeführt. Da sich der BF1 während des gesamten Verfahrens vor allem auf die Behauptung stützt, die politischen Aktivitäten im Iran seien als Sympathisant bzw. Mitglied der KIFA erfolgt, ist nicht nachvollziehbar, dass er seine politischen Aktivitäten in Deutschland, wo der Verein KIFA seinen Sitz hat, überhaupt nicht fortsetzte und auch in Österreich seine politische Überzeugung erst mehr als drei Jahre nach seiner Ausreise wiederaufnahm, wo doch gerade diese Anlass für seine Flucht gewesen sein soll. Für das Gericht entstand dadurch der Eindruck, dass die Teilnahme an kurdischen Veranstaltungen in Österreich nicht aus politischer Überzeugung erfolgte, sondern der BF1 dadurch vollendete Tatsachen schaffen wollte, um in Österreich bleiben zu können. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF1 im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat ihn gefährdende regimekritische politischen Aktivitäten setzen würde und dadurch von den Behörden wahrgenommen werden könnte.

Die BF2 behauptete noch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass sie von den politischen Aktivitäten des BF1 nichts wisse und sich in seine Tätigkeiten nicht einmische. Demgegenüber führte sie in der mündlichen Verhandlung am 30.09.2020 aus, dass sie nunmehr politisch aktiv sein wolle. Außerdem sei sie beim Singen der kurdischen Hymne anlässlich des 74. Jahrestages der Gründung der kurdischen Republik gefilmt worden und sei dies von einem kurdischen Sender ausgestrahlt worden. Im Hinblick auf die Behauptung der BF2, dass sie seit 2018 an insgesamt fünf Veranstaltungen kurdischer Parteien teilgenommen habe, in der mündlichen Verhandlung am 30.09.2020 jedoch zu Protokoll gab, dass sie nicht Mitglied einer der Parteien sei, ihr bisher keine Aufgaben übertragen worden seien, sie – trotz der Teilnahme an diesen Veranstaltungen – keinerlei Angaben zum Parteiprogramm erstatten konnte und die einvernommenen Zeuginnen angaben, dass sie sich mit der BF2 zwar über allgemeine politische Themen unterhalten würden, ein besonderes politisches Engagement in Zusammenhang mit ihrem kurdischen Hintergrund jedoch nicht erwähnten, ist auch bei ihr nicht anzunehmen, dass die Teilnahme an den Veranstaltungen nicht aus einer politischen Überzeugung erfolgte, sie diese im Falle der Rückkehr in den Iran fortsetzen wird und daher nicht die Gefahr besteht, dass sie von den iranischen Behörden als regimekritisch wahrgenommen werden könnte.

Zu den mit Schriftsätzen vom 17.10.2019 und 21.11.2019 vorgelegten Fotos zum Nachweis der Teilnahme des BF1 und der BF2 an kurdischen Veranstaltungen ist auszuführen, dass die BF2 darauf nur einmal – gemeinsam mit dem BF1 – vor einer Gedenktafel abgebildet ist, woraus eine besondere politische Betätigung nicht abgeleitet werden kann. Der BF1 ist auf mehreren Fotos gemeinsam mit einzelnen anderen Personen oder in einer Gruppe abgebildet, hält auf zwei der Fotos die kurdische Fahne in seinen Händen und trägt auf drei der Fotos traditionelle kurdische Kleidung. Aus den Fotos ergibt sich zwar, dass der BF1 und die BF2 an verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen haben, doch ist diesen nicht zu entnehmen, dass sie Aktivtäten gesetzt hätten, die sie als „auffällig regierungskritisch“ identifizieren würden. Den Fotos ist nämlich weder zu entnehmen, dass die BF1 und der BF2 die Veranstaltungen organisiert hätten oder sonst führend daran beteiligt gewesen wären, noch geht daraus hervor, welche Themen im Rahmen der Veranstaltungen angesprochen bzw. propagiert wurden. Auch ist aus den Fotos nicht abzuleiten, dass der BF1 oder die BF2 regierungskritische Unterlagen verteilt hätten. Zudem ist weder aus dem Vorbringen des BF1 und der BF2 noch den Fotos zu entnehmen, dass sie diese selbst im Internet für jedermann zugänglich veröffentlicht hätten oder die iranischen Behörden im Zuge der Teilnahme an diesen Veranstaltungen sonst auf sie aufmerksam geworden wären. Das Gericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21.11.2019 auch Screenshots vom Facebook-Einträgen übermittelten, doch können auch diese nicht dem BF1 oder der BF2 zugeordnet werden, zumal sie eindeutig auf dem Facebook-Profil einer anderen Person veröffentlicht wurden, die vom BF1 und der BF2 während des gesamten Verfahrens nicht einmal erwähnt wurde. Insgesamt ist daher nicht davon auszugehen, dass die iranischen Behörden von der Teilnahme des BF1 und der BF2 an Veranstaltungen in Österreich erfahren hätten.

Die Einvernahme des mit Schriftsatz vom 17.10.2019 beantragten Zeugen zum Beweis für die politischen Aktivitäten des BF1 sowie die in der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2020 beantragte Einsichtnahme in ein Video zum Beweis für die Öffentlichkeit der politischen Aktivitäten des BF1 und der BF2 konnte aus folgenden Gründen unterbleiben:

Bereits in der mündlichen Verhandlung am 24.10.2019 wurde den Beschwerdeführern aufgetragen, den beantragten Zeugen für die nächste Verhandlung stellig zu machen. Da dies aus dem Bundesverwaltungsgericht nicht bekannt gegebenen Gründen scheiterte, wurde dem Zeugen eine förmliche Ladung für den Verhandlungstermin am 30.09.2020 zugestellt, wobei aus dem am 23.09.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Rückschein abzuleiten ist, dass ihm die Ladung rechtzeitig vor Verhandlungstermin zuging. Dennoch ist der Zeuge zur Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen, obwohl er in der Ladung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, wichtige Gründe, die seinem Erscheinen entgegenstehen, unverzüglich bekanntzugeben. Zwar gaben die Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass der Zeuge coronabedingt nicht nach Österreich reisen wolle, doch ist davon auszugehen, dass ihm dieser Umstand schon vor der Verhandlung bekannt war, zumal es sich dabei nicht um ein plötzlich auftretendes Ereignis handelte und die deutschen Behörden Wien bereits am 16.09.2020 zum Risikogebiet erklärten vergleiche Robert Koch Institut, Informationen zur Ausweisung internationaler Risikogebiete, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Transport/Archiv_Risikogebiete/Risikogebiete_16092020.pdf?__blob=publicationFile, Stand 16.09.2020). Da der Zeuge sohin von den Beschwerdeführern nicht stellig gemacht werden konnte, trotz Ladung unentschuldigt nicht erschienen ist, obwohl ihm die Hinderungsgründe schon vor der Verhandlung bekannt waren und er auf die Verpflichtung zur unverzügliche Bekanntgabe in der Ladung hingewiesen wurde, und eine zwangsweise Durchsetzung der Ladung aufgrund des Wohnsitzes des Zeugen außerhalb Österreichs ausscheidet, war dessen persönliche Einvernahme unmöglich und konnte schon aus diesem Grund unterbleiben.

Zur beantragten Einvernahme über Videokonferenz ist auszuführen, dass die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 25.08.2020 aufgefordert wurden, binnen zwei Wochen sämtliche Beweisanträge zu stellen und in ihrer Stellungnahme vom 09.09.2020 auf der persönlichen Einvernahme bestanden. Zudem ist davon auszugehen, dass auch die Beschwerdeführer den Grund für das Nichterscheinen des Zeugen aufgrund der schon vor Verhandlung bekannten Coronasituation wussten, zumal der BF1 während des Verfahrens mehrmals behauptete, dass er regelmäßig Kontakt zu dem Zeugen habe, weshalb sie dazu verpflichtet gewesen wären, dessen Fernbleiben unverzüglich nach Bekanntwerden des Hinderungsgrundes – und nicht erst in der mündlichen Verhandlung – mitzuteilen und den entsprechenden Beweisantrag auf Einvernahme über Videokonferenz zu stellen. Durch die verspätete Beantragung der Videokonferenz sowie die verspätete Bekanntgabe, dass der Zeuge nicht erscheinen wird, haben die Beschwerdeführer ihre Mitwirkungspflichten verletzt. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführer selbst nicht in der Lage waren, den beantragten Zeugen stellig zu machen und dennoch an dessen persönlicher Einvernahme festhielten. Insgesamt entstand für das Gericht dadurch der Eindruck, dass die Beschwerdeführer den Beweisantrag stellten, um die Dauer des Verfahrens hinauszuzögern, weshalb von einer Einvernahme über Videokonferenz abzusehen war.

Im Übrigen geht aus dem Vorbringen des BF1 hervor, dass der beantragte Zeuge ihn zu den politischen Aktivitäten im Iran veranlasst haben soll, weshalb es für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit vor allem darauf ankommt, welchen persönlichen Eindruck der Richter in Bezug auf das Verhältnis des BF1 zum genannten Zeugen gewinnen kann. Da ein solcher Eindruck über einen Bildschirm nicht vermittelt werden kann, weil es dem Richter nicht möglich ist, zu beobachten, wie die genannten Personen untereinander agieren, dies im konkreten Fall aber aufgrund der behaupteten politischen Beziehung zwischen dem BF1 und dem Zeugen aber besonders bedeutsam ist und aus der gerichtlichen Praxis bekannt ist, dass es bei Videokonferenzen immer wieder zu Problemen mit der Tonqualität kommt, kann die persönliche Einvernahme, die sich als unmöglich erwies, nicht durch die Einvernahme über Videokonferenz ersetzt werden.

Zur erst in der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2020 beantragten Einsichtnahme in das von den Beschwerdeführern angebotene Video ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom 25.08.2020 ausdrücklich aufgefordert wurden, binnen zwei Wochen sämtliche Beweisantrag zu stellen und Beweismittel zur Verfügung zu stellen und wurde mit der Vorlage des Videos dennoch bis zur mündlichen Verhandlung zugewartet. Da die Beschwerdeführer über ihre Verpflichtung, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mitzuwirken sowie die Folgen der mangelnden Mitwirkung bereits in der Verhandlung vom 24.10.2019 ausdrücklich belehrt wurden, das Video erstmals in der Verhandlung vom 30.09.2020 erwähnten, die tatsächliche Vorlage des Videos erst mit Schriftsatz vom 02.10.2020 – sohin nach Schluss der mündlichen Verhandlung – erfolgte und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie an der rechtzeitigen Vorlage des Videos – spätestens über ausdrückliche Aufforderung des Gerichts mit Schreiben vom 25.08.2020 – gehindert gewesen wären, zumal sich die Beschwerdeführer ausschließlich darauf stützten, dass ihre rechtsfreundliche Vertreterin nichts davon gewusst habe, ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer den Beweisantrag in der Absicht, das Verfahren zu verzögern und daher rechtsmissbräuchlich nicht rechtzeitig gestellt haben. Auch die Einsichtnahme in das Video konnte daher unterbleiben.

Soweit die BF2 behauptete, ihr drohe im Iran aufgrund einer angenommenen „westlichen Orientierung“ Verfolgung, kommt ihrem Vorbringen auch dahingehend keine Glaubhaftigkeit zu:

Die BF2 führte in der Beschwerdeverhandlung vom 30.09.2020 zu ihrem Alltag aus, dass sie mehrere Deutschkurse besucht habe und derzeit dreimal wöchentlich von 08:30 Uhr bis 13:00 Uhr einen Kurs namens „we work“ besuche. Jeweils einmal wöchentlich nehme sie an einem Nähkurs sowie einer Kochgruppe teil und unterstütze samstags eine Freundin bei der Reinigung ihres Hauses. Sonntags würden sie Familienausflüge unternehmen. Nachmittags sei sie mit dem Haushalt beschäftigt, koche, kaufe ein und kümmere sich um den BF3.

Der von der BF2 dargelegte Tagesablauf deutet nicht auf ein Verhalten hin, dass im Iran verpönt ist oder die Gefahr einer Verfolgung aufgrund unterstellter politischer beziehungsweise religiöser Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe birgt:

Die BF2 lebte bereits im Iran mit dem BF1 und dem BF2 im gemeinsamen Haushalt zusammen und kümmerte sich um den Haushalt. Da sie ihren Alltag auch in Österreich vorwiegend mit der Haushaltsführung verbringt, sich um den BF3 kümmert und Freizeitaktivitäten mit ihrer Familie unternimmt, ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Rückkehr in den Iran ihre in Österreich verfestigte Lebensführung ändern würde. Hinzu kommt, dass sich der BF1, den Angaben der BF2 zufolge, wonach das Geld auf dessen Konto überwiesen werde und er es ihr anschließend übergebe – wie auch im Iran – nach wie vor um die finanziellen Belange der Familie kümmert. Soweit die BF2 auf die in Österreich absolvierten Kurse verwies, ist festzuhalten, dass sich diese überwiegend auf Kochen und Nähen beziehen, sohin auf Aktivitäten, die auch im Iran uneingeschränkt ausgeübt werden können.

In Bezug auf die von der BF2 ins Treffen geführten Freizeitaktivitäten wie Schwimmen und Radfahren ist auszuführen, dass den Länderinformationen zu entnehmen ist, dass für Frauen im Iran ein Radfahrverbot besteht und Sportveranstaltungen für Frauen generell nicht zugänglich sind. Die BF2 brachte allerdings vor, dass es sich dabei um Aktivitäten handle, die sie ausübe, um mit ihrer Familie Zeit zu verbringen, sodass auch darin kein Verhalten zu erblicken ist, dass der Inanspruchnahme ihrer Grundrechte besonderen Ausdruck verleihen würde, zumal Familienausflüge auch auf andere Weise verwirklicht werden könnten.

Das Gericht verkennt nicht, dass sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass Frauen im Iran in verschiedenen Bereichen nach wie vor Diskriminierung erfahren und dem Ehemann ungeordnet wie auch strengen Kleidungsvorschriften unterworfen sind, bei deren Missachtung weitreichende Strafen (unter anderem auch Peitschenhiebe) drohen. Jedoch gab die BF2 am 30.09.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass sie nach wie vor Sehnsucht nach ihrer Heimat und ihren Eltern habe und lieber dort geblieben wäre, wenn sie nicht gezwungen gewesen wäre, das Land zu verlassen, woraus abzuleiten ist, dass sich die BF2 mit den in ihrem Herkunftsstaat herrschenden Gegebenheiten nach wie vor identifizieren kann. Selbst wenn die BF2 ihr äußeres Erscheinungsbild im Falle der Rückkehr den im Iran geltenden Regelungen anpassen müsste, würde dies vor dem Hintergrund ihrer nach wie vor bestehenden Verbundenheit mit ihrem Heimatland nicht dazu führen, dass sie wesentliche Bestandteile ihrer Identität nicht mehr leben könnte und einer Verfolgung aufgrund ihres Lebensstils ausgesetzt wäre.

Die Zeugin römisch 40 verwies vor dem Bundesverwaltungsgericht auf die von der BF2 absolvierten Kurse, die sie im Iran nicht habe absolvieren können und führte aus, dass sie die BF2 noch nie mit einem Kopftuch gesehen habe, diese sehr modisch gekleidet sei und ihr die Gleichberechtigung in Österreich sei wichtig sei. Doch legte auch die Zeugin keine besondere Lebensführung der BF2 dar, die im Iran nicht gelebt werden könnte, sondern verwies ebenso auf die regelmäßige Teilnahme der BF2 im Näh- bzw. Kochkurs und legte nicht dar, woraus sie ableitet, dass der BF2 die Gleichberechtigung besonders wichtig sei. Die Ausführungen der Zeugin sind sohin nicht geeignet, auf einen „westlich orientierten“ Lebensstil der BF2 zu schließen, zumal ein solcher nicht bloß aus dem Umstand, dass die BF2 kein Kopftuch trägt, abgeleitet werden kann.

Auch aus den Angaben der Zeugin Mag. römisch 40 können keine Rückschlüsse auf eine „westlich orientierte“ Lebensweise der BF2 gezogen werden, weil sich deren Angaben auf die von der BF2 geleistete Unterstützung im Haushalt sowie die Gesprächsthemen, die sie und die BF2 teilen, beschränkten und damit keine Tätigkeiten dargelegt wurden, die im Iran verpönt wären oder im Falle der Rückkehr der BF2 nicht fortgesetzt werden könnten, zumal die Aufrechterhaltung der freundschaftlichen Beziehung auch im Wege moderner Kommunikationsmittel möglich ist.

Aufgrund der aufgezeigten Unstimmigkeiten der Ausführungen des BF1 und der BF2 hinsichtlich der politischen Aktivitäten des BF1 im Iran sowie des behaupteten exilpolitischen Engagements in Österreich und des Umstandes, dass schon eine grundlegende Änderung der Lebensführung der BF2 nicht abgeleitet werden konnte, ist insgesamt der Argumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu folgen, wonach eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht werden konnte.

Soweit der BF1 in der Beschwerdeverhandlung am 24.10.2019 angab, dass er ohne Bekenntnis sei und damit eine Verfolgung aus religiösen Gründen andeutete, ist festzuhalten, dass er dazu keinerlei Ausführungen erstattete und auch sonst keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen sind, dass er einer Verfolgung wegen Apostasie ausgesetzt sein könnte.

Zur Beschwerde des BF3 ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass für ihn keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden, sondern vollinhaltlich auf die Verfahren der Eltern verwiesen wurde, sodass sämtliche Ausführungen hinsichtlich des BF1 und der BF2 auch auf den BF3 zutreffen und eine asylrechtlich relevante Verfolgung des BF3 ebenso wenig vorliegt.

Der BF1 verfügt über einen Schulabschluss und mehrjährige Berufserfahrung. Die BF2 hat ebenfalls einen Schulabschluss. Der BF1 und die BF2 verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat und sind daher mit den dort herrschenden Gepflogenheiten vertraut. Sie kümmern sich gemeinsam um den BF3, der im Iran geboren ist und zumindest eine Klasse Schule besuchte. Der BF1 war im Iran in der Lage, den Lebensunterhalt für sich, die BF2 und den BF3 zu bestreiten. Die BF2 lebte mit dem BF3 nach der Ausreise des BF1 bei ihren Eltern, zu denen nach wie vor regelmäßiger Kontakt besteht, weshalb davon auszugehen ist, dass sie auch im Falle der Rückkehr über eine Unterkunft verfügen. Außerdem sind die Beschwerdeführer jung und – abgesehen von der posttraumatischen Belastungsstörung – gesund und fallen daher nicht unter jene Personengruppe, bei der im Falle einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlaufes üblicherweise erhöht ist. Es sind daher keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in eine ausweglose oder existenzgefährdende Notlage geraten würden.

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die den Länderfeststellungen zu Grunde liegenden Berichte wurden den Beschwerdeführern mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt und in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Den Beschwerdeführern wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben in die Länderberichte Einsicht zu nehmen und allenfalls spätestens in der mündlichen Verhandlung dazu Stellung zu nehmen, wovon die Beschwerdeführer zuletzt keinen Gebraucht gemacht haben. Im Übrigen sind die Beschwerdeführer den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 in der Fassung BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 59, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-VG, BGBl. römisch eins 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Zu A)

Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.):

Vorauszuschicken ist, dass im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß Paragraph 34, AsylG vorliegt, weil der BF1 und die BF2 die Eltern des minderjährigen BF3 sind.

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche etwa VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht vergleiche VwGH 23.01.2019, Ra 2018/01/0442, mwN). Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden vergleiche VwGH 28.06.2018, Ra 2018/19/0262, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen vergleiche VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. - im vorliegenden Fall - des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste vergleiche VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274, mwN).

Im Rahmen einer "Wahrunterstellung" wird geprüft, ob im Fall der hypothetischen Richtigkeit des Vorbringens zum Sachverhalt aus den geltend gemachten Tatsachen - allenfalls in Verbindung mit bereits feststehenden Sachverhaltselementen - der behauptete Rechtsanspruch überhaupt begründet werden kann. Ist dies nicht der Fall, bedarf es keiner Ermittlungen und Feststellungen zur Richtigkeit des (allenfalls: übrigen, noch keinen Feststellungen unterworfenen) sachverhaltsbezogenen Vorbringens vergleiche VwGH 25.06.2019, Ra 2019/19/0032, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrmals festgehalten, dass eine exilpolitische Betätigung im Ausland einen asylrelevanten Nachfluchtgrund gemäß Paragraph 3, Absatz 2, zweiter Satz AsylG 2005 bilden kann vergleiche VwGH 07.10.2020, Ra 2019/20/0358, mwN).

Bei der Beurteilung der Gefährdungssituation von "Rückkehrern" kommt es regelmäßig entscheidend darauf an, ob der Asylwerber infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit ins Blickfeld der zuständigen Behörden seines Herkunftsstaates geraten konnte. Bei Beurteilung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte auseinander zu halten. Zunächst geht es darum, ob der Asylwerber so in Erscheinung getreten ist, dass er als auffällig regierungskritisch identifizierbar war. Die Bejahung führt zur zweiten Frage, ob die Behörden des Herkunftsstaates in irgendeiner Form - zB durch Informanten oder Medienberichte - von seinem Auftreten Notiz genommen haben oder nehmen könnten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber aus der Sicht dieser Behörden eine ernst zu nehmende politische Gefahr darstellen könne. Eine derartige subjektive Einschätzung kann nämlich nicht ohne weiteres extern vorweg genommen werden, insbesondere dann, wenn der Asylwerber schon in seinem Heimatland politisch tätig gewesen ist. Entscheidend ist vielmehr, wie die exilpolitische Tätigkeit von den Behörden des Herkunftsstaates bewertet würde und welche Konsequenzen sie für den Asylwerber hätte (VwGH 18.05.2020, Ra 2019/18/0503, mwN).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, konnten der BF1 und die BF2 nicht glaubhaft darlegen, dass der BF1 bereits im Iran politische Aktivitäten setzte. Ebenso ist nicht davon auszugehen, dass der BF1 und die BF2 wegen der in Österreich erfolgten Teilnahme an verschiedenen kurdischen Veranstaltungen in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten wären oder geraten könnten, zumal sie dazu lediglich Fotos vorlegten, deren Veröffentlichung ihnen nicht zugerechnet werden kann und auf den Fotos auch keine Aktivitäten, wie etwa das Verteilen von regierungskritischen Unterlagen, abgebildet sind, die zu einer Anklage führen könnten.

Aus den Länderberichten ist zwar ersichtlich, dass regimekritische Aktivitäten in Zusammenhang mit den vom BF1 und der BF2 genannten kurdischen Parteien von den iranischen Behörden geahndet werden und es insbesondere immer wieder zu Anklagen wegen Terrorismus kommt, wobei nicht zwischen Mitglieder und Sympathisanten unterschieden wird. Doch geht aus den Länderfeststellungen ebenfalls hervor, dass es für eine Anklageerhebung auf die Art der gesetzten Aktivitäten ankommt und solche von niedrigem Niveau nicht zu einer Anklage führen. Wie beweiswürdigend dargestellt, ist die BF2 nur auf einem Foto abgebildet, das sie vor einer Gedenktafel zeigt, woraus regimekritische Tätigkeiten überhaupt nicht abgeleitet werden können, und haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Teilnahme des BF1 und der BF2 an den Veranstaltungen den iranischen Behörden bekannt geworden wäre oder bekannt geworden ist, zumal diese nicht jeden ihrer Staatsangehörigen ununterbrochen überwachen können.

Im Zusammenhang mit der von der BF2 behaupteten „westlichen Orientierung“ ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass ihr deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte vergleiche VwGH 01.07.2020, Ra 2020/20/0196, mwN).

Wie beweiswürdigend ausgeführt, ist im gegenständlichen Fall nicht zu erkennen, dass die BF2 in Österreich einen Lebensstil angenommen hätte, der im Herkunftsstaat nicht mehr gelebt werden könnte, sodass ihr auch aus diesem Grund im Iran keine Verfolgung droht.

Dem BF1 und der BF2 ist es deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift sowie dem ergänzenden Vorbringen in der mündlichen Verhandlung insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK, nicht gegeben. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht, anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem BF1 und der BF2 aus den von ihnen ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

Zum BF3 ist festzuhalten, dass für ihn keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden und mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens seiner Eltern auch für ihn keine asylrelevante Verfolgung abgeleitet werden kann.

Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Die allgemeine Lage im Iran ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide sind daher als unbegründet abzuweisen.

Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch II.):

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Artikel 2, EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen vergleiche etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3, EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat vergleiche VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG) offen steht. Dies ist gem. Paragraph 11, Absatz eins, AsylG dann der Fall, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerberin zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (Paragraph 11, Absatz 2, AsylG).

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Artikel 3, EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung daher dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (Paragraph 11, AsylG). Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden vergleiche Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 11, AsylG 2005, K15).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016 mwN).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle vergleiche VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] Paragraph 8, Absatz eins, AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre vergleiche VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

Eine besondere Vulnerabilität - etwa aufgrund von Minderjährigkeit - ist bei der Beurteilung, ob den revisionswerbenden Parteien (hier: beschwerdeführenden Parteien) bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, im Speziellen zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung mit der Situation, die eine solche Person bei ihrer Rückkehr vorfindet vergleiche VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336, mwN).

Für den vorliegenden Fall ist daher Folgendes festzuhalten:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, lebensbedrohende Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, bzw. 3 EMRK hieraus nicht abgeleitet werden kann.

Da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der BF1 und die BF2 wegen regimekritischer Betätigung von den iranischen Behörden wahrgenommen wurden oder wahrgenommen werden könnten, scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat der Beschwerdeführer nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer in einigen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

Weitere, in den Beschwerdeführern begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Der BF1 und die BF2 verfügen im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage. Beim BF1 handelt es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann, der einen Schulabschluss und mehrjährige Berufserfahrung als selbständiger Bauunternehmer sowie im Handel hat. Zudem leben die Eltern der BF2, mit denen die BF2 und der BF3 schon nach der Ausreise des BF im Iran zusammenlebten, nach wie vor im Iran und besteht auch regelmäßiger Kontakt zu ihnen, sodass anzunehmen ist, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr zumindest anfänglich über eine Wohnmöglichkeit verfügen. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer auch in ihre bisherige Wohnung zurückkehren können, zumal die vom BF1 behauptete Beschlagnahme vor dem Hintergrund des insgesamt unglaubwürdigen Fluchtvorbringens ebenso wenig glaubwürdig ist. Die BF2 hat einen Schulabschluss und ist gesund, sodass auch bei ihr die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Einerseits stammen die Beschwerdeführer aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören sie keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Zudem kam der BF1 schon vor ihrer Ausreise selbständig für den Lebensunterhalt für sich und seine Familie auf. Es ist ihm daher auch in Zukunft zuzutrauen, dass er für sich und seine Familie sorgen wird. Die Beschwerdeführer haben den überwiegenden Teil ihres Lebens im Iran verbracht, wodurch sie mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates und der Sprache vertraut sind. Da sich der zwölfjährige BF3 in der Obhut seiner Obsorgeberechtigten befindet und von diesen versorgt und behütet wird, ist auch bei ihm eine Gefährdung, in eine existenzielle Notlage zu geraten, nicht ersichtlich.

Zur posttraumatischen Belastungsstörung des BF3 ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt vergleiche aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 23.09.2020, Ra 2020/01/0146, mwN und Hinweis auf EGMR 13.12.2016, Paposhvili gegen Belgien, 41738/10).

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass es auch im Iran psychosoziale Betreuung gibt und medizinischen Behandlungen im Allgemeinen für iranische Staatsangehörige auch kostenfrei zur Verfügung steht, sodass die in Österreich begonnene psychotherapeutische Behandlung im Herkunftsstaat zugänglich ist und die posttraumatische Belastungsstörung des BF3 einer Rückkehr nicht entgegensteht.

Auch steht es dem BF1 und der BF2 frei, beispielsweise in Mahabad, wo sie bereits vor ihrer Ausreise wohnten, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Ebenso kam hervor, dass im Herkunftsstaat zahlreiche Familienangehörige, insbesondere die Eltern der BF2, leben, von denen die Beschwerdeführer zumindest anfänglich unterstützt werden können, zumal die BF2 nach wie vor Kontakt zu ihren Angehörigen im Iran hat und die BF2 und der BF3 schon vor ihrer Ausreise mit den Eltern der BF2 zusammenlebten.

Darüber hinaus ist es den Beschwerdeführern unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch II. der angefochtenen Bescheide sind daher als unbegründet abzuweisen.

Rückkehrentscheidung – Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt römisch III. bis römisch fünf.):

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt wird.

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG

Gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1.           wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,

2.           zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.           wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführer weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, AsylG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG wurden. Weder haben die Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, AsylG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Die Beschwerden gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sind sohin ebenfalls als unbegründet abzuweisen.

Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG

Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG ist, dass dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG überhaupt in Betracht (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.           die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.           das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.           die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.           der Grad der Integration,

5.           die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.           die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.           Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.           die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.           die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen vergleiche VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen vergleiche EGMR, Cruz Varas/Schweden, 20.03.1991, 15576/89).

Der BF1 und die BF2 sind verheiratet. Der BF3 ist deren leiblicher Sohn. Da die Beschwerdeführer darüber hinaus keine Familienangehörigen oder relevanten engen Nahebeziehungen in Österreich haben und über ihr Verfahren gemeinsam entschieden wird, ist ein Eingriff in ihr Recht auf Familienleben iSd Artikel 8, EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben der Beschwerdeführer eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Artikel 8, EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt vergleiche dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist vergleiche Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt vergleiche VwGH 18.08.2019, Ra 2019/18/0212, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen worden vergleiche VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0340, mwN).

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist vergleiche VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Soweit Kinder von der Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind nach der Judikatur des EGMR die Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen vergleiche EGMR, Jeunesse/Niederlande, 03.10.2014, 12738/10, Paragraph 109, mwN). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter („adaptable age“; vergleiche dazu die Urteile des EGMR, Darren Omoregie und andere/Norwegen, 31.07.2008, 265/07, Paragraph 66,, Onur/das Vereinigte Königreich, 17.02.2009, 27319/07, Paragraph 60,, und vom Omojudi/das Vereinigte Königreich, 24.11.2009, 1820/08, Paragraph 46,) befinden vergleiche VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070; 21.04.2011, 2011/01/0132). Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass den minderjährigen beschwerdeführenden Parteien der objektiv unrechtmäßige Aufenthalt subjektiv nicht im gleichen Ausmaß wie ihren Eltern zugerechnet werden kann vergleiche VfGH 07.10.2014, U 2459/2012 ua.).

Im gegenständlichen Fall sind der BF1 und die BF2 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist, sodass sie bloß über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht aufgrund ihrer Anträge auf internationalen Schutz verfügen. Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ erscheinen zu lassen vergleiche VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09).

Zur Integration des BF1 und der BF2 in Österreich ist auszuführen, dass sie während ihres Aufenthaltes Deutschkenntnisse erworben haben, einen Werte- und Orientierungskurs besuchten, ehrenamtliche Tätigkeiten verrichten, im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ein geringfügiges Einkommen zum Grundversorgungsbezug hinzuverdienen und sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut haben. Die BF2 besuchte darüber hinaus diverse Fortbildungskurse und engagiert sich regelmäßig innerhalb eines Vereins. Der BF1 hat einen österreichischen Führerschein und kann zwei Einstellungszusagen vorweisen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist dem BF1 und der BF2 daher eine gewisse Integration zuzugestehen.

Dies wird allerdings dadurch maßgeblich relativiert, dass sie sich während sämtlicher ihrer Integrationsschritte ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten vergleiche VwGH 28.02.2020, Ra 2019/14/0545, mwN).

Außerdem ist nach wie vor von einer engen Bindung des BF1 und der BF2 im Iran auszugehen, zumal sie dort den Großteil ihres bisherigen Lebens verbracht haben. Sie wurden im Iran sozialisiert und bestritten dort ihre gesamte Schulbildung. Hinzu kommt, dass sie nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte im Iran haben und der BF1 umfangreiche Berufserfahrung im Herkunftsstaat sammelte. Demgegenüber halten sie sich mit etwas über vier Jahren erst verhältnismäßig kurze Zeit in Österreich auf. Es besteht daher nach wie vor eine größere Bindung des BF1 und der BF2 zu ihrem Herkunftsstaat als zu Österreich und ist davon auszugehen, dass sie mit den dort herrschenden Gepflogenheiten nach wie vor vertraut sind.

Darüber hinaus kommt dem Zeitraum des Aufenthalts der Beschwerdeführer mit etwas über vier Jahren im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH) und der oben getroffenen Ausführungen noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu.

Dass die Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten sind, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Das Gericht verkennt nicht, dass der BF3 in Österreich sehr gut integriert ist, zumal er die Volksschule mit sehr guten Noten abschloss, ein Gymnasium besucht und regelmäßig in einem Fußballverein trainiert. Allerdings ist auch er im Iran geboren, hat die ersten acht Jahre seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht und zumindest ein Jahr die Schule besucht, woraus abzuleiten ist, dass er seine schulische Ausbildung auch im Herkunftsstaat fortsetzen kann. Zudem bedarf der BF3 aufgrund seines Alters weiterhin der Unterstützung seiner Eltern, welche wiederum ebenfalls von einer Rückkehr in den Iran betroffen sind, da die in deren Verfahren durchgeführte Interessenabwägung nach Artikel 8, Absatz 2, EMRK zugunsten einer Aufenthaltsbeendigung ausgegangen ist, woraus eine beträchtliche Relativierung der privaten Interessen der Minderjährigen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet resultiert. Wenngleich sich der BF3 im Falle der Rückkehr in den Iran seinen Freundeskreis zurücklassen und sich ein neues soziales Umfeld aufbauen müsste und die Rückkehr für ihn daher mit einer anfänglichen Umstellungsphase verbunden ist, erscheint eine Resozialisierung im Herkunftsstaat dennoch möglich und zumutbar und ist von keiner Entwurzelung vom Herkunftsstaat auszugehen ist, zumal er dort geboren ist und mehrere Jahre verbrachte.

Trotz der Integration der Beschwerdeführer überwiegt daher bei Gesamtbetrachtung der dargestellten Umstände, insbesondere der Setzung der Integrationsschritte während unsicheren Aufenthaltes und des nach wie vor bestehenden größeren Bezugs zum Herkunftsstaat das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Vorschriften die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer am weiteren Verbleib im Bundesgebiet.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG liegt durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vor. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG stellt sohin keine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar.

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG ist ebenfalls nicht geboten.

Die Voraussetzungen des Paragraph 10, AsylG liegen vor: Da die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz abgewiesen wurden, ist die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG von Amts wegen zu erteilen.

Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG setzt weiters voraus, dass den Beschwerdeführern kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Die Beschwerdeführer haben weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch III. der angefochtenen Bescheide sind als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit der Abschiebung

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, leg.cit. in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG. Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des Paragraph 3, AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.

Die Abschiebung ist nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für den Iran nicht.

Die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Iran ist daher zulässig und die dagegen gerichteten Beschwerden sind als unbegründet abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber ist allerdings anzumerken, dass die Vollzugsbehörde bei der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme verpflichtet ist, Artikel 3, EMRK insbesondere im Hinblick auf die COVID-19-Situation im Iran zu beachten vergleiche VfGH 14.07.2020, E 2040/2020).

Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG war die Entscheidung des Bundesamtes daher mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden und ist die Rückkehrentscheidung jedenfalls zulässig. Eine Abschiebung in den Iran ist im gegenständlichen Fall zulässig.

Es liegen somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.

Ausreisefrist Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG (Spruchpunkt römisch VI. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach Paragraph 55, Absatz 2, FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß Paragraph 55, Absatz 3, FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

Da derartige Umstände weder von den Beschwerdeführern behauptet wurden noch im Ermittlungsverfahren hervorkamen, wurde die Frist für die freiwillige Ausreise zu Recht mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Auch die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch VI. der angefochtenen Bescheide sind sohin als unbegründet abzuweisen.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2020:W242.2193805.1.00