Bundesverwaltungsgericht
28.10.2020
W169 2150456-1
W169 2150457-1/10E
W169 2150456-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde der 1. römisch 40 , geb. römisch 40 , und 2. des mj. römisch 40 , geb. römisch 40 , beide StA Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.02.2017 (ad 1.) und 07.02.2017 (ad 2.), Zlen. 1076754904-150808329 (ad 1.) und 1119267003-160850025 (ad 2.), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.07.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß Paragraphen 3, Absatz eins,, 8 Absatz eins,, 10 Absatz eins, Ziffer 3,, 57 AsylG 2005 idgF, Paragraph 9, BFA-VG idgF und Paragraphen 52,,55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte, beide indische Staatsangehörige, stellten nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 07.07.2015 Anträge auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.07.2015 führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sie in Hoshiarpur geboren worden sei, traditionell verheiratet sei, die Sprachen Punjabi und Hindi in Wort und Schrift beherrsche, in Indien vom 02.09.1992 bis 2003 die Grundschule und von 2003 bis 2008 die Universität in Hoshiarpur besucht und zuletzt als Lehrerin gearbeitet habe. Zu ihren Fluchtgründen führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sie sich zum Hinduismus und ihr Gatte sich zur Sikh-Religion bekennen würden. Sie hätten heiraten wollen und deshalb seien sie von ihren Brüdern mehrmals geschlagen worden. Sie hätten am 18.06.2015 heimlich geheiratet und würden jetzt mit dem Tod seitens ihrer beiden Brüder bedroht werden.
2. Am römisch 40 wurde der Zweitbeschwerdeführer, Sohn der Erstbeschwerdeführerin und des in Österreich lebenden Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin, römisch 40 , im Bundesgebiet geboren und stellte die Erstbeschwerdeführerin für diesen im Rahmen eines Familienverfahrens am 17.06.2016 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.
3. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.12.2016 führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass ihre Familie mit ihrer Hochzeit nicht einverstanden gewesen sei, zumal sie einer anderen Religion angehöre als ihr Ehegatte. Sie gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindus und er der Religionsgemeinschaft der Sikhs an und alle ihre Verwandten, insbesondere ihr Vater und ihre beiden Brüder, seien gegen die Hochzeit gewesen. Ihre Eltern hätten sie mit einem anderen Mann verheiraten wollen, weshalb sie ihrer Familie von ihrer Hochzeit erzählt habe und „sie haben mich oft geschlagen.“ Niemand habe ihr geholfen. „Die haben mich immer geschlagen.“ Auch hätten diese ihr das Handy weggenommen. Dann hätte sie entschieden wegzulaufen. Sie und ihr jetziger Ehegatte seien nach Jalandhar gegangen und hätten dort ein paar Tage gewohnt. Ihr Bruder habe sie dort aber, sie wisse nicht wie, gefunden und habe zu ihr gesagt, sie solle mit ihm nach Hause gekommen. Sie sei dann nach Hause gebracht worden und ihr Mann sei mit ihrem Bruder in sein Haus gefahren. Ihr Bruder sei dann zurückgekommen und beide Brüder hätten sie geschlagen und ihr die Hand gebrochen; so habe sie auch ihr Kind verloren. Ihre Familie habe von der Heirat nichts gewusst und habe gesagt, wie sie schwanger werden könne, wenn sie nicht verheiratet sei. Daraufhin habe sie ihrer Familie gesagt, dass sie bereits verheiratet sei und deshalb auch keinen anderen Mann heiraten könne. Daraufhin habe sie mit ihrem Mann gesprochen und er habe alles für eine Ausreise organisiert. Sie seien gemeinsam nach Neu Dehli gefahren, wo sie sich ein paar Tage aufgehalten und dann mit Hilfe eines Schleppers Indien verlassen hätten. Im Falle einer Rückkehr befürchte sie, von ihrer Familie getötet zu werden.
Sie sei in Hoshiarpur geboren und habe bis zu ihrer Ausreise mit ihrer Familie zusammengelebt. Sie habe als Lehrerin gearbeitet, sie habe einen Master in Wirtschaft. Ihren Mann habe sie im Jahr 2006 kennengelernt und sei auch seit damals mit ihm liiert. Auf die Frage, wie es möglich gewesen sei, diese Beziehung fast zehn Jahre geheim zu halten, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie sich nie auf der Straße getroffen hätten. Sie sei manchmal zu ihm in den Hühnerstall gegangen. Sie hätten am 18.05.2014 geheiratet. Ihr Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, habe keine eigenen Fluchtgründe. Ihre zwei Brüder und ihre Eltern, würden in Hoshiarpur wohnen. Auch ihr Ehegatte habe zwei Brüder und seine Eltern in Indien. Von den Eltern ihres Ehegatten sei sie nicht angegriffen worden. Die Übergriffe seitens ihrer Familie hätten begonnen, als sie ihnen alles über ihre Hochzeit erzählt habe. Dies sei Anfang 2015 gewesen. Sie sei von ihrer Familie sehr oft bis zur Ausreise geschlagen worden. Auf die Frage, mit wem sie ihre Eltern verheiraten hätten wollen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre Eltern andere Verwandte angerufen und gesagt hätten, alle sollten einen Mann für die Erstbeschwerdeführerin suchen. Sie habe die Schule fertiggemacht und anschließend hätte man sie verheiraten wollen. Mit ihren Angehörigen in Indien habe sei keinen Kontakt. Nach Aufforderung, den Vorfall zu schildern, als ihr die Hand gebrochen worden sei, gab die Erstbeschwerdeführerin an: „Mein Bruder hat mich mit dem Kricket-Schläger geschlagen. Sie haben mich geohrfeigt. Eigentlich wollten sie mich töten, weil ich etwas Falsches getan habe.“ Sie sei in ihrer Wohnung in Hoshiarpur geschlagen worden.
Mit den Behörden in ihrem Heimatland habe sie keine Probleme gehabt. Sie sei auch nie politisch tätig gewesen. Eine Anzeige bei der Polizei habe sie nicht erstattet, da die Polizei in Indien ihnen nicht helfe, weil auch ein Minister seine Tochter umgebracht habe. Auf die Frage, warum sie nicht innerhalb Indiens an einem anderen Ort leben könnten, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie dies versucht hätten, aber ihr Bruder habe sie in Jalandhar gefunden. Auf die Frage, warum sie nicht nach Mumbai oder Kalkutta gegangen seien, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sei in Neu Dehli bleiben hätten wollen, aber Angst gehabt hätten, da sie auch in Jalandhar gefunden worden seien.
Zu den Lebensumständen in Österreich gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie in Österreich keiner Arbeit nachgehe. Sie lebe mit ihrem Ehegatten und ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt. Sie sei in Österreich nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation und habe hier keine Kurse oder Ausbildungen absolviert. Sie sei gesund.
Am Ende der Einvernahme wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt zu Indien übergeben und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer bestimmten Frist eine Stellungnahme abzugeben.
4. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß 3 Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurde gemäß Paragraph 57, AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und weiters gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß Paragraph 46, FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtkraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch IV.).
5. Gegen diese Bescheide erhob der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und ist der Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in den angefochtenen Bescheiden substantiiert entgegengetreten. Es wurde auch der Antrag gestellt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.
6. Am 31.07.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher die Erstbeschwerdeführerin, ihr rechtsfreundlicher Vertreter sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen haben. Im Rahmen der Verhandlung wurde die Erstbeschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen, Rückkehrbefürchtungen und Integrationsbemühungen in Österreich befragt (siehe Verhandlungsprotokoll).
Im Rahmen der Verhandlung legte die Erstbeschwerdeführerin weitere Integrationsunterlagen vor.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Indien, Angehörige der Volksgruppe der Punjabi und der Religionsgemeinschaft der Hindus. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des mj. Zweitbeschwerdeführers. Sie wurde in Hoshiarpur geboren, besuchte dort von 1992 bis 2003 die Grundschule und von 2003 bis 2008 die Universität und schloss diese mit einem Master in Wirtschaft ab. Danach unterrichtete sie als Lehrerin. Sie spricht Hindi und Punjabi und lebte mit ihren Eltern, ihren Geschwistern und ihrem Onkel im Elternhaus. Ihr Vater hat in Indien ein eigenes Geschäft, ihr älterer Bruder besitzt ein medizinisches Geschäft, der zweite Bruder verkauft medizinische Produkte. Die Erstbeschwerdeführerin lebte mit ihren Eltern bis Mai 2015 im Elternhaus. Danach ging sie mit ihrem jetzigen Ehegatten nach Delhi, wo sie sich bis Juli 2015 aufhielten. In dieser Zeit hatten sie keine Probleme mit einem Familienmitglied.
Die Erstbeschwerdeführerin ist mit römisch 40 , römisch 40 geb., indischer Staatsangehöriger, traditionell verheiratet. Auch ihr Ehegatte stammt aus Hoshiapur. Er besuchte dort zwölf Jahre die Schule und betrieb ein Restaurant und eine Hühnerfarm. Ihr Ehegatte lebte mit seiner Familie bis zur Ausreise in einem eigenen Haus in Hoshiapur. Sowohl die Eltern als auch die drei Brüder des Ehegatten haben im Restaurant des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin mitgearbeitet.
In Indien hat die Erstbeschwerdeführerin neben ihren Eltern und ihren beiden Brüdern zwei Onkel und eine Tante väterlicherseits, die ebenfalls in der Stadt Hoshiarpur leben. Ihre Verwandten mütterlicherseits halten sich in der Provinz Himachal Pradesh auf. Die Onkel und Tanten in Hoshiapur leben in eigenen Häusern und gehen einer Arbeit nach.
Die Beschwerdeführer sind gesund.
Die Erstbeschwerdeführerin hatte keine Probleme mit den Behörden im Heimatland. Die Fluchtgründe der Erstbeschwerdeführerin sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Den Beschwerdeführern steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.
Die Erstbeschwerdeführerin lebt in Österreich mit ihrem Ehegatten, Vater des Zweitbeschwerdeführers, Herrn römisch 40 , und dem Zweitbeschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt. Der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin/Vater des Zweitbeschwerdeführers stellte in Österreich am 07.07.2015 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2017 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel wurde ihm nicht erteilt, es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig ist und eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Da der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin/Vater des Zweitbeschwerdeführers dagegen keine Beschwerde erhob, erwuchs dieser in Rechtskraft.
Die Erstbeschwerdeführerin hat in Österreich den A1-, A2- und B1-Deutschkurs besucht und die jeweiligen Prüfungen erfolgreich abgelegt. Sie spricht Deutsch. Sie arbeitete vom 03.08. bis 31.08.2020 als Assistenzlehrerin in einem Sommercamp. Ansonsten ist die Erstbeschwerdeführerin in Österreich nicht erwerbstätig und nicht selbsterhaltungsfähig, zumal sie und der Zweitbeschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen. Die Erstbeschwerdeführerin hat abgesehen von den Deutschkursen keine sonstigen Kurse in Österreich besucht. Sie ist auch nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation; auch war sie nie ehrenamtlich tätig. Sie verfügt über einen Freundeskreis in Österreich.
Der Zweitbeschwerdeführer wurde in Österreich geboren und besucht seit 2018 den Kindergarten. Er spricht die Sprachen Deutsch, Englisch und Punjabi. Für den mj. Zweitbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Die Erstbeschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
Allgemeine Menschenrechtslage
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.9.2018). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.9.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.9.2018).
Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung bei, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit (USDOS 20.4.2018).
Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 18.9.2018). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 18.9.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niederer Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 12.2018).
Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im „Maoistengürtel“ begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 20.4.2018). In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laender
berichte/indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019
- ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018: Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion - USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
Ethnische Minderheiten
Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2018). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 18.9.2018; vergleiche FH 27.1.2018).
Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2018). Obwohl mit der Verfassung die Kastendiskriminierung verboten ist, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen, und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 20.4.2018). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit jedoch weit verbreitet (USDOS 20.4.2018).
Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (rd. 16,6 Prozent der Gesamtbevölkerung) sowie Indigene (Adivasi) eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5 Prozent für die sog. „Scheduled Castes“ und „Scheduled Tribes“ („scheduled“ = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, „Other Backward Castes“, vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Muslime oder Christen fallen dadurch häufig durch das Raster der positiven Diskriminierung. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für „rückständige“ Christen und Muslime (AA 18.9.2018).
Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von „Unberührbarkeit“ werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 18.9.2018; vergleiche FH 27.1.2018).
Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 20.4.2018).
Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf den wirtschaftlichen Entwicklungsdefiziten (AA 18.9.2019). Die Situation von Kindern aus sozial und wirtschaftlich marginalisierten Gemeinschaften bleiben weiterhin in ganz Indien ein ernsthaftes Problem (HRW 17.1.2019).
Konfliktfördernd ist v.a. auch der teilweise als Bedrohung wahrgenommene, illegale Zustrom von (muslimischen) Migranten, vor allem aus Bangladesch. Es gibt zahlreiche Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 18.9.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018
- HRW – Human Rights Watch(17.1.2019): World Report 2019 - India, https://www.ecoi.net/ de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
- USDOS - US Department of State (13.4.2016): India, Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 29.10.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
Relevante Bevölkerungsgruppen
Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 20.4.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018).
Quellen:
- BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laender
berichte/ indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
Frauen
Indien ist ein überwiegend patriarchalisches Land, in dem Frauen eine untergeordnete Rolle spielen. Mädchen und Frauen werden über ihr gesamtes Leben benachteiligt und sind dabei diversen Formen von Gewalt ausgesetzt. Dies beginnt mit der Abtreibung weiblicher Föten, der oft systematischen Vernachlässigung weiblicher Kinder, der geringeren Bildungschancen für Mädchen, die Notwendigkeit von Mitgiftzahlungen (dowry), der untergeordneten Rolle der Ehefrau in der Familie des Mannes und der noch immer vorkommenden Verstoßung von Witwen aus der Familie des Mannes. Trotz vieler Ansätze seitens der Regierung ist nur ein langsamer Kulturwandel zu erkennen (GIZ 3.2018a).
Trotz verfassungsmäßigen Schutzes, einer Vielzahl entsprechender Gesetze und einer breiten öffentlichen Debatte bleibt die soziale Realität von Frauen in Indien von z.T. krasser Diskriminierung bestimmt. Materielle Benachteiligung, Ausbeutung, Unterdrückung und fehlende sexuelle Selbstbestimmung prägen häufig den Alltag von Frauen. Mitgiftmorde, Entrechtung von Witwen, Analphabetentum und Unterernährung bleiben regional unterschiedlich, insgesamt aber stark verbreitet. Die Alphabetisierungsrate liegt nach den letzten verfügbaren Zahlen von 2011 bei etwa 74,1 Prozent (65,5 Prozent der Frauen, 82,1 Prozent der Männer). Frauen können seltener als Männer von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren (AA 18.9.2018).
Dennoch haben Frauen seit der Unabhängigkeit in der indischen Politik und Gesellschaft immer wieder eine entscheidende Rolle gespielt. Es gibt weithin respektierte Unternehmensführerinnen und in zahlreichen NGOs erheben Frauen ihre Stimme. Die Regierung bemüht sich gezielt um besondere Förderung von Frauen sowohl bei der Integration ins Erwerbsleben als auch in Bezug auf ihre sozialen Rechte –angefangen vom Recht auf ein Bankkonto bis zum Ausbau geschlechtsdifferenzierter Toiletten in Schulen (AA 18.9.2018). Mit der Verabschiedung der „Women´s Reservation Bill 2008“, sind 33 Prozent der Parlamentssitze für Frauen reserviert (ÖB 12.2018). Es gibt weithin respektierte Unternehmensführerinnen. In zahlreichen NGOs erheben Frauen ihre Stimme (AA 18.9.2018).
Gewalt und sexuelle Übergriffe gegen Frauen sind in Indien in nahezu allen Landesteilen und quer durch alle gesellschaftlichen Schichten weiterhin ein großes Problem (AA 18.9.2018). Frauen mit niedrigerer Kasten- und Stammeszugehörigkeit sind besonders anfällig Gewalt zu erleiden. Massendemonstrationen nach der tödlichen Gruppenvergewaltigung einer Frau in in Delhi im Jahr 2012 veranlassten die Regierung Gesetzesreformen durchzuführen. Erneute Vergewaltigungsfälle zeigen das Versagen des Strafrechtssystems auf und haben zu weiteren Protesten geführt (FH 27.1.2018; vergleiche HRW 17.1.2019).
Fast sechs Jahre nachdem die Regierung die Gesetze geändert und neue Richtlinien eingeführt hat, welche Gerechtigkeit für Überlebende von Vergewaltigung und sexueller Gewalt erwirken sollten, sehen sich Mädchen und Frauen weiterhin mit Schwierigkeiten bei der Anzeige solcher Verbrechen konfrontiert. Schuldzuweisungen an die Opfer sind weit verbreitet, und der Mangel an Zeugen- und Opferschutzgesetzen macht Mädchen und Frauen aus marginalisierten Gemeinschaften noch anfälliger für Belästigungen und Übergriffe (HRW 17.1.2019). Im April 2018 verabschiedete die Regierung eine Verordnung zur Einführung der Todesstrafe für Täter, die wegen Vergewaltigung eines Mädchens unter 12 Jahren verurteilt worden sind. Diese neue Verordnung erhöht auch die Mindeststrafe für Vergewaltigungen von Mädchen und Frauen (HRW 17.1.2019).
Ein Großteil sexueller Gewalt findet innerhalb der Familien statt. Im Oktober 2017 urteilte der Oberste Gerichtshof, dass innerehelicher erzwungener Geschlechtsverkehr mit einem minderjährigen Ehepartner grundsätzlich den Straftatbestand der Vergewaltigung erfüllt. Weiterhin legal bleibt de facto jedoch die Vergewaltigung einer volljährigen Ehefrau (AA 18.9.2018), d.h., wenn die Frau über 15 Jahre alt ist (DZ 11.10.2017).
Häusliche Gewalt bleibt ein ernstes Problem. Im Laufe des Jahres richtete Chhattisgarh als erster Staat in allen 27 Distrikten Krisenzentren für Frauen in Not, sogenannte "Sakhi- Zentren", ein, die mit Bundesmitteln des Ministeriums für Frauen und Kinderentwicklung unterstützt werden. Diese Zentren bieten medizinische, rechtliche, beratende und behördliche Dienstleistungen für Frauen, welche verschiedenen Formen von Gewalt konfrontiert sind, vor allem aber häusliche Gewalt im Zusammenhang mit Mitgiftstreitigkeiten und sexueller Gewalt (USDOS 20.4.2018). Das Gesetz zum Schutz der Frauen gegen häusliche Gewalt (Protection of Women From Domestic Violence Act 2005) sieht Strafsanktionen vor und soll die Ehefrau neben häuslicher Gewalt auch vor dem Verlust ihres in die Familie des Mannes eingebrachten Vermögens und vor dem Verstoß aus dem Familienhaushalt schützen. Das Gesetz wurde aber erst von vier der 28 Unionsstaaten ratifiziert (ÖB 12.2018). Mangelhafte Rechtsdurchsetzung und Rechtsschutz sowie allgegenwärtige Korruption schränkten die Effektivität des Gesetzes ein (USDOS 20.4.2018). Die Polizei geht Anzeigen wegen häuslicher Gewalt mit Zurückhaltung nach. Polizeibeamte versuchen manchmal, Vergewaltigungsopfer und ihre Angreifer zu versöhnen, in einigen Fällen ermutigten sie weibliche Vergewaltigungsopfer, ihre Angreifer zu heiraten (USDOS 20.4.2018).
In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen (BICC 12.2018), jedoch sind Rechtsdurchsetzung und legale Möglichkeiten für Vergewaltigungsopfer inadäquat. Die Polizeieinheiten sind überlastet und außerstande das Problem effizient anzugehen. Eine mangelnde Unterstützung der Opfer, der unzureichende Schutz von Opfern und Zeugen, wie auch die lange Verfahrensdauer breiten große Sorgen. Im Jahr 2015 hat die Regierung neue Richtlinien für Angehörige des Gesundheitswesens für die medizinische Untersuchung von Opfern sexueller Gewalt eingeführt. Sie enthielt Bestimmungen über die Einwilligung des Opfers in verschiedenen Phasen der Untersuchung, von denen einige NGOs behaupteten, dass sie die Erfassung von Vorfällen verbessern würden (USDOS 20.4.2018).
Die Anzahl polizeilich registrierter Fälle von Verbrechen gegen Frauen (insgesamt 14 Tatbestände, von Vergewaltigung über Gewalt durch den Ehemann/Verwandte bis hin zu Mitgift-Nötigung) hat in den letzten Jahren beständig zugenommen. Dies lässt jedoch nicht zwingend auf eine tatsächliche Zunahme solcher Straftaten schließen. Vielmehr dürfte steigendes Unrechtsbewusstsein, verbunden mit zunehmender Bereitschaft, solche Verbrechen anzuzeigen und zu verfolgen, der Hauptfaktor sein. Dennoch ist davon auszugehen, dass es eine große Dunkelziffer gibt, da viele Betroffene nach wie vor den Gang zur Polizei aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und mangelndem Vertrauen scheuen. Frauenorganisationen schätzen die Situation als unverändert schlecht ein (AA 18.9.2018; vergleiche USDOS 20.4.2018).
Das National Crime Records Bureau (NCRB), das nationale Büro für Kriminalitätsaufzeichnungen schätzte die Verurteilungsrate für Verbrechen gegen Frauen auf 18,9 Prozent (USDOS 20.4.2018).
Trotz des seit 50 Jahren geltenden gesetzlichen Verbots ist das Brautgeld ein selbstverständlich von der Brautfamilie geleisteter und von der Familie des Bräutigams erwarteter finanzieller und materieller Transfer, häufig in der Höhe mehrerer Jahreseinkommen. Mitgift wird nicht selten durch Beleidigungen, Misshandlungen und Hausverweise eingefordert. In extremen Fällen werden die Frauen genötigt oder fallen einem Mitgiftmord zum Opfer, der oft als häuslicher Unfall, Verkehrsunfall oder Selbstmord getarnt wird. Bei Todesfällen verheirateter Frauen innerhalb von sieben Jahren nach Eheschließung besteht gesetzlich unterstellter pauschaler Verdacht für Mitgiftmord und somit polizeiliche Verpflichtung, den Todesfall spezifisch zu untersuchen (AA 18.9.2018).
Arrangierte Ehen sind auch bei städtisch und westlich geprägten Jugendlichen akzeptiert. Scheinehen mit dem Ziel der Erlangung eines Aufenthaltstitels im Ausland kommen in Visumverfahren regelmäßig vor (AA 18.9.2018).
Das für Hindus geltende Erb- und Familienrecht wurde im Jahr 2005 von diskriminierenden Klauseln befreit, so dass verheirateten Töchtern und Söhnen die gleichen Erbanteile zustehen. In der Praxis wird diese Regelung aber weiterhin nicht durchgehend beachtet. Sie ist insbesondere in der ländlichen Bevölkerung nicht bekannt bzw. nicht akzeptiert und wird somit de facto ignoriert. Witwen bleiben oft unversorgt. Es kommt vor, dass sie von der Familie des Mannes verstoßen werden, ohne in ihre Ursprungsfamilie zurückkehren zu können. Die erbrechtlichen Regelungen für Muslime sehen vor, dass die Erbanteile der Töchter grundsätzlich nur halb so groß sind wie die der Söhne. Die nach islamischem Recht gegebene Möglichkeit der sofortigen Scheidung durch dreifache Lossagung („Triple Talaq“) des Ehemanns wurde durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichts im August 2017 verboten (AA 18.9.2018).
Ein Gesetz aus dem Jahr 2006 verbietet mit Mitgift verbundene Einschüchterungspraktiken und kriminalisiert Vergewaltigung in der Ehe und erweiterte die Definition von häuslicher Gewalt auf emotionalen oder verbalen Missbrauch. Berichte zeigen jedoch, dass die Durchsetzung unzureichend ist, muslimische Gesetze, wie auch traditionelle hinduistische Praktiken diskriminieren Frauen in Bezug auf Erbschaft, Adoption und Eigentumsrechten (FH 27.1.2018).
Frauen in Krisengebieten wie in Jammu und Kaschmir, im Nordosten, Jharkhand und Chhattisgarh sowie vulnerable Dalit- oder Stammesfrauen sind oft Opfer von Vergewaltigungen oder Bedrohungen mit Vergewaltigung ausgesetzt. Laut der nationalen Kriminalstatistik werden - verglichen mit anderen Kastenzugehörigkeiten - die meisten Vergewaltigungen gegen Dalit-Frauen verübt (USDOS 20.4.2018).
Auch im Rahmen der Religionsausübung wird Gewalt gegen Frauen ausgeübt. Nach glaubhaften Angaben indischer NGOs werden - trotz gesetzlicher Verbote - jährlich bis zu 15.000 meist noch sehr junge Mädchen, oft mit Dalit-Hintergrund, als „Devadasis“ einem Tempel geweiht oder mit einer Gottheit „verheiratet“ und de facto zur Prostitution im Tempel gezwungen. Das Oberste Gericht Indiens kritisierte im Februar 2016, dass einige Bundesstaaten - v.a. Karnataka, Maharashtra, Andhra Pradesh und Tamil Nadu - nicht ausreichend gegen die Devadasi-Praxis vorgingen (AA 18.9.2018).
Es gibt kein nationales Gesetz, dass sich mit weiblicher Genitalverstümmelung befasst. Menschenrechtsorganisationen zufolge wird weibliche Genitalverstümmelung von 70 Prozent bis 90 Prozent der Dawoodi Bohra Muslimen praktiziert. Deren Zahl wird auf eine Million geschätzt, die sich auf die Bundesstaaten Maharashtra, Gujarat, Madhya, Pradesh und Rajasthan verteilt. Der Oberste Gerichtshof fordert eine Stellungnahme der Regierung und den Staaten Gujarat, Maharashtra, Rajasthan und Delhi, nachdem in einer Petition im Rahmen eines Rechtsstreits ein Verbot von Genitalverstümmelungen gefordert wurde. Die nationale Ministerin für Frauen- und Kindesentwicklung betonte, dass Genitalverstümmelung eine Straftat ist (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laender
berichte/ indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019
- DZ – Die Zeit (12.10.2017): Minderjährige können Vergewaltigungen in der Ehe künftig anzeigen, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-10/indien-gerichtvergewal
tigung- heirat-ehe, Zugriff 1.2.2019
- FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.10.2018
- HRW – Human Rights Watch(17.1.2019): World Report 2019 - India, https://www.ecoi.net/ de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
- HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422455.html, Zugriff 23.10.2018
- ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
Kinder
Die Verfassung verbrieft das Recht der Kinder auf eine gesunde Entwicklung in Freiheit und Würde und auf Schutz vor Ausbeutung sowie moralischer und materieller Vernachlässigung. Gleichwohl bleibt die Lebenswirklichkeit von vielen Kindern in Indien schwierig, besonders für Mädchen: Schulabbrüche, Unterernährung, Kinder- und Zwangsarbeit sind - vor allem auf dem Land - keine Ausnahmeerscheinungen. Drei Prozent der unter 5-Jährigen sind nach aktuellen Zahlen der Regierung vom März 2018 untergewichtig. Auch Gewalt gegen Kinder bleibt in Indien - vor allem im familiären, aber auch im schulischen Umfeld - weit verbreitet. Eine groß angelegte Studie der NGO World Vision kam 2017 zu dem Ergebnis, dass landesweit etwa ein Drittel aller Kinder im Alter zwischen 12 und 18 Jahren Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Auch Sicherheitskräfte machen sich Übergriffe gegen Kinder schuldig. In Konfliktgebieten kommen immer wieder Kinder ums Leben, sei es bei Kämpfen oder weil sie z.B. als Informanten verdächtigt werden (AA 18.9.2018).
Die Verfassung garantiert freie Bildung für Kinder von sechs bis 14 Jahre, aber die Regierung kann diese Anforderungen nicht immer erfüllen (USDOS 20.4.2018). Zwar hat Indien in Bezug auf Zugang zu Bildung seit der Einführung des „Right to Education Act“ im Mai 2010 (Schulpflicht 6.-14. Lebensjahr) bedeutende Fortschritte gemacht (AA 18.9.2018), jedoch sind Kinder aus vulnerablen Gemeinden – wie der Dalits – auch im Bildungsbereich Diskriminierungen ausgesetzt (ÖB 12.2018).
Kinderarbeit, Kinderhandel und ein schlechter Zugang zu Bildung bleibt für Kinder aus sozial und wirtschaftlich marginalisierten Gemeinschaften in ganz Indien ein großes Problem (HRW 17.1.2019). Mädchen sind besonders benachteiligt. Analphabetismus ist bei ihnen deutlich weiter verbreitet als bei Jungen (AA 24.4.2015).
Indien ist nach wie vor das Land mit den meisten Kinderarbeitern weltweit: Nach offiziellen Zahlen arbeiten rund 10 Millionen Kinder im Alter zwischen 5 und 14 Jahren; in der Kategorie bis 18 Jahre sind es insgesamt 33 Mio. (Zensus 2011). Trotz gesetzlicher Verschärfungen und intensiver Bemühungen von Staat und Zivilgesellschaft, Kinderarbeit zu bekämpfen, gab es im Vergleich zum letzten Zensus 2001 eine drastische Zunahme bei den Fünf- bis Neunjährigen. Kinder werden in Indien vor allem zu besonders gefährdeten Tätigkeiten eingesetzt, z.B. in Steinbrüchen; auch heute noch in faktischer Leibeigenschaft. Kinderprostitution ist weit verbreitet. Kinder werden aus materieller Not verkauft, aber es kommt auch zu Entführungen. Die Opfer stammen zumeist aus den ärmsten Bundesstaaten (AA 18.9.2018).
Die Regierung verabschiedete 2016 ein umstrittenes Gesetz, das es Kindern unter 14 Jahren erlaubt, „Heimarbeit“ sowie andere Berufe ab einem Alter von 14 Jahren bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres auszuüben. Kindern ist es verboten, in potenziell gefährlichen Branchen zu arbeiten, obwohl das Gesetz in der Praxis regelmäßig missachtet wird. Es gibt anhaltende Berichte über die Komplizenschaft von Strafverfolgungsbehörden beim Menschenhandel (FH 27.1.2018).
Vorsichtigen Schätzungen zur Folge leben mindestens 40 Prozent der indischen Kinder in Lebenssituationen, welche sie anfällig für Missbrauch und Gewalt machen (CIF 15.3.2018). Tausende von Kindern werden aus den abgelegenen ländlichen Gebieten Indiens verschleppt und als Arbeitskräfte in den urbanen Zentren verkauft. Geschätzte 135.000 Kinder sollen jährlich in Indien verschleppt werden (TG 28.4.2015).
Ende Mai 2016 trat das reformierte Jugendstrafrecht (Juvenile Justice Act) in Kraft, demnach Kinder zwischen 16 und 18 Jahren bei „besonders abscheulichen“ Verbrechen wie z. B. Vergewaltigung als Erwachsene strafverfolgt werden können (AA 18.9.2018).
Zahlen zu Personen unter 18 Jahren in den Streitkräften dienen, liegen nicht vor. Schätzungen von NGOs zufolge werden mindestens 2.500 bewaffnete Kinder den Rebellengruppen in den Maoistengebieten zugeordnet. Es gibt Vorwürfe, wonach von der Regierung unterstützte Anti-Maoistische Dorfstreitkräfte Kinder rekrutieren und auch bewaffnete aufständische Gruppen, einschließlich der Maoisten in den nordöstlichen Staaten sowie islamistische Gruppen in Jammu und Kaschmir, Kinder einsetzen (USDOS 20.4.2018; vergleiche FH 27.1.2018). Dem indischen Innenministerium zufolge haben maoistische Gruppen Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis zwölf Jahren zu speziellen Kindereinheiten (Bal Dasta und Bal Sangham) in Bihar, Jharkhand, Chhattisgarh und Odisha zwangsrekrutiert und zu Kampf- und nachrichtendienstlichen Tätigkeiten herangezogen. Aufständische bilden Kinder auch als Spione und Kuriere sowie zum Waffeneinsatz, Informationsbeschaffung und Sprengstoffschmuggel aus. Regierungsquellen zufolge werden Kinder von Maoisten als menschliche Schutzschilde bei Auseinandersetzungen mit Regierungskräften verwendet (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
- ASER – Annual Status of Education Report (16.1.2018): Annual Status of Education Report 2017, http://img.asercentre.org/docs/Publications/ASER%20Reports/ASER %202017/aser
2017fullreportfinal.pdf, Zugriff 22.10.2018
- CIF - CHILDLINE India Foundation (15.3.2018): Annual Report 2016-2017, http://www.childlineindia.org.in/pdf/Annual-Report-16-17.pdf, Zugriff 22.10.2018
- FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018
- HRW – Human Rights Watch(17.1.2019): World Report 2019 - India, https://www.ecoi.net/ de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
- HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422455.html, Zugriff 23.10.2018
- HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 23.12.2016
- SHZ – Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (30.4.2018): Sexualmorde an Kindern rütteln Indien auf, https://www.shz.de/deutschland-welt/panorama/sexualmorde-ankindern- ruetteln-indien-auf-id19724156.html, Zugriff 23.1.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der „Naxaliten“ in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 18.9.2018).
Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 20.4.2018).
Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 18.9.2018).
In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten („high profile“ persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen („low profile“ people) (ÖB 12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
Meldewesen
Noch gibt es in Indien kein nationales Melde- bzw. Staatsbürgerschaftsregister. Die Regierung verfolgt seit einigen Jahren ein nationales Projekt zur Registrierung der Staatsbürger, und damit verbunden wird die Ausstellung von Personalausweisen („Aadhar Card“) sein. Von der Realisierung dieses Projektes ist man trotz einiger Vorarbeit aber noch weit entfernt. Es gibt kein Meldewesen in Indien (ÖB 12.2018; vergleiche AA 18.9.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien – Arbeitsversion
Grundversorgung und Wirtschaft
In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a).
2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).
Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten „informellen Sektor“ zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).
Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vergleiche PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die ländliche Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11.2018a).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).
Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).
55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 18.9.2018).
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar (HRW 17.1.2019). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 18.1.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/205976, Zugriff 17.1.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff 17.12.2018
- BBC British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 20.11.2018
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, https://www.ecoi.net/ de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 19.11.2018
- ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 20.11.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 20.11.2018
- SNRD - Sector Network Natural Resources and Rural Development Asia (26.3.2018): Environmental Benefits of the Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act (MGNREGA-EB), https://snrd-asia.org/environmental-benefits-of-the-mahatmagandhi- national-rural-employment-guarantee-act-mgnrega-eb/, Zugriff 29.1.2019
- WKO - Außenwirtschaft Austria (26.9.2018): Außen Wirtschaft Update Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-update.pdf, Zugriff 20.11.2018
Rückkehr
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. Auch in jüngerer Zeit wurden bei rückgeführten abgelehnten indischen Asylbewerbern keine Benachteiligungen nach Rückkehr bekannt. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 18.9.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Herkunft und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, über die Lebenssituation der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehegatten im Herkunftsstaat sowie die Feststellungen, dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich den A1-, den A2 und den B1-Deutschkurs besuchte, die entsprechenden Prüfungen erfolgreich legte, Deutsch spricht, keine sonstigen Kurse oder Ausbildungen absolvierte, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation ist, in Österreich nie ehrenamtlich gearbeitet hat, keiner erlaubten Erwerbsstätigkeit in Österreich nachgeht und über einen österreichischen Freundeskreis verfügt, sowie die Feststellung, dass der Zweitbeschwerdeführer in Österreich geboren wurde, seit 2018 den Kindergarten besucht und die Sprachen Punjabi, Deutsch und Englisch spricht, sowie beide gesund sind, beruhen auf den Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.12.2016 sowie im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 31.07.2020, den diesbezüglich im Verfahren bzw. in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Integrationsunterlagen sowie der Geburtsurkunde des Zweitbeschwerdeführers.
Dass die Beschwerdeführer in Österreich mit dem Ehegatten/Vater im gemeinsamen Haushalt leben, sowie die Feststellungen zum Asylverfahren des Ehegatten/Vaters ergeben sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 31.07.2020 sowie den Verwaltungsakten des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin/Vaters des mj. Zweitbeschwerdeführers.
Die Feststellung, dass für den mj. Zweitbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden, ergibt sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Verfahren.
Dass die Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen und die Erstbeschwerdeführerin strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.
Dass die Erstbeschwerdeführerin keine Probleme mit den Behörden im Heimatland hatte, ergibt sich aus ihren Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 31.07.2020.
Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen war – wie schon das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt hat – nicht glaubwürdig:
So gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen an, dass ihre Familie mit der Hochzeit mit ihrem jetzigen Ehegatten nicht einverstanden gewesen sei, zumal sie der Religionsgemeinschaft der Hindus und ihr Ehegatte der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehören würden und ihre Familie sie mit einem anderen Mann hätte verheiraten wollen. Dazu im Widerspruch gab jedoch der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin im Rahmen seines Asylverfahrens an, dass seine Familie nicht gewollt habe, dass er die Erstbeschwerdeführerin heirate und seine Familie ihn mit einer anderen Frau hätte verheiraten wollen (siehe Angaben des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2016). Dass die Erstbeschwerdeführerin von ihrer Familie mit einem anderen Mann hätte verheiratet werden sollen, hat der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin in seinem Verfahren jedoch mit keinem Wort erwähnt, wohingegen auch die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Verfahren nie angegeben hat, dass ihr Ehegatte in Indien mit einer anderen Frau hätte verheiratet werden sollen. Abgesehen davon, dass sich die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte in seinem Verfahren auch hinsichtlich des Datums der Eheschließung widersprachen (die Erstbeschwerdeführerin führte im Rahmen der Erstbefragung aus, dass sie am 18.06.2015 geheiratet hätten, im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab sie wiederum an, dass sie am 18.05.2014 geheiratet hätten; der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin führte in seiner Erstbefragung am 09.05.2015 aus, dass sie am 18.06.2015 geheiratet hätten, während er auch dieses Datum im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.12.2016 auf den 18.05.2014 korrigierte), finden sich auch im weiteren Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen Widersprüche. So gab sie im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 31.07.2020 an, dass sie ihrer Familie im Jänner 2015 erzählt habe, dass sie geheiratet habe. Damals habe sie ihr Studium abgeschlossen und es sei „in Indien so, dass man nach dem Studium das Mädchen sofort verheiratet. Meine Tanten waren da und haben über meine Ehe gesprochen und zu diesem Zeitpunkt habe ich es ihnen erzählt“ (siehe Verhandlungsprotokoll, Sitzung 7). Dazu im Widerspruch gab die Erstbeschwerdeführerin jedoch im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.12.2016 an, dass sie ihrer Familie erst nach ihrer Rückkehr aus Jalandhar, nachdem sie von ihren Brüdern geschlagen und ihr die Hand gebrochen sei, wobei sie auch ihr Kind verloren habe, gesagt habe, dass sie bereits verheiratet sei (siehe Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, AS 42.)
Ein weiterer Widerspruch im Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin findet sich darin, dass sie im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 31.07.2020 ausführte, dass sie mit ihrem Ehegatten im Herbst 2015 für drei Tage nach Jalandhar geflüchtet sei, dort von ihrem Bruder gefunden worden sei und mit diesem wieder nach Hoshiarpur gefahren sei, wobei ihr Ehegatte nicht gleich nach Hoshiarpur zurückgekehrt sei, sondern in Jalandhar geblieben sei, und zwar für eine Woche, bevor er nach Hoshiarpur zurückkehrte (siehe Verhandlungsprotokoll, Sitzung 8). Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.12.2016 jedoch gab die Erstbeschwerdeführerin dazu widersprüchlich an, dass ihr Ehegatte, nachdem der Bruder der Erstbeschwerdeführerin sie in Jalandhar gefunden habe, mit dem Bruder der Erstbeschwerdeführerin in sein Haus nach Hoshiarpur zurückgefahren sei und die Erstbeschwerdeführerin nach Hause gebracht worden sei. Dass ihr Ehegatte somit noch eine weitere Woche in Jalandhar verblieben sei, bevor er nach Hoshiarpur zurückgekehrt sei, hat sie jedenfalls nie angegeben (siehe AS 43).
Darüber hinaus ist es aber für das erkennende Gericht auch nicht nachvollziehbar, wie der Bruder der Erstbeschwerdeführerin diese und ihren Ehegatten in Jalandhar hat finden können. Diesbezüglich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht befragt, führte die Erstbeschwerdeführerin nur aus: „Als ich draußen war, um einzukaufen, hat mein Bruder mich gesehen.“ (siehe Verhandlungsprotokoll, Sitzung 6). Weitere diesbezügliche Ausführungen, wie sie ihr Bruder in Jalandhar, in einer Stadt mit knapp 864.000 Einwohnern, finden hätte sollen, blieb die Erstbeschwerdeführerin somit schuldig.
Das erkennende Gericht geht sohin angesichts des nicht nachvollziehbaren und widersprüchlichen Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin in zentralen Punkten unter Einbeziehung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht von der Erstbeschwerdeführerin gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Unglaubwürdigkeit der Angaben der Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen und davon aus, dass die angeblichen (fluchtauslösenden) Ereignisse in der von der Erstbeschwerdeführerin geschilderten Form in Wahrheit nicht stattgefunden haben und die behauptete Bedrohung für die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich nicht besteht. Nur der Vollständigkeit halber in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass auch dem Fluchtvorbringen ihres Ehegatten vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kein Glaube geschenkt wurde.
Darüber hinaus würde sich – wie im Bescheid zu Recht ausgeführt – auch bei Wahrunterstellung der Bedrohungsbehauptungen der Erstbeschwerdeführerin vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen über die Lage in ihrem Herkunftsstaat daraus keine ernsthafte Bedrohungssituation für die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer ableiten lassen. Aus den Länderberichten ergibt sich deutlich, dass in Indien volle Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Es kann grundsätzlich örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch Übersiedelung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Weiters gibt es kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Staatsangehörige und diese besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass diese Person ihr Identität verbergen muss. Die Beschwerdeführer würden daher auch bei Zugrundelegung ihrer Angaben über eine Bedrohungssituation die Möglichkeit haben, vor einer Verfolgung von dieser Seite durch Niederlassung außerhalb ihrer Herkunftsregion Sicherheit zu finden. Dies erscheint für die Beschwerdeführer aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in Punjabi und Hindi zumutbar, zumal die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten bereits drei Monate in Delhi verbrachte und dort keine wie immer gearteten Probleme vorbrachte und sie bereits im Heimatland ihren Lebensunterhalt als Lehrerin bzw. ihr Ehegatte als Besitzer eines Restaurants und einer Hühnerfarm sichern konnten. Darüber hinaus besteht auch gegen den Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin/Vater des Zweitbeschwerdeführers eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung, sodass die Beschwerdeführer nicht alleine, sondern im Familienverband mit dem Ehegatten/Vater nach Indien zurückkehren würden.
2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus obigen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.
Die Beschwerdeführer bzw. ihr bevollmächtigter Vertreter sind den Berichten nicht substantiiert entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
(Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 i.d.F. BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zum Spruchteil A)
3.1. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK (i.d.F. des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 78 aus 1974,) – deren Bestimmungen gemäß Paragraph 74, AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Auf¬enthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Ver-folgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde vergleiche VwGH 19.12.2007, 2006/¬20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ur¬sache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes sei¬nes vorigen Aufenthaltes befindet.
Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, Ziffer eins und Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Ak¬teuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherr¬schen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebie¬tes zugemutet werden kann („innerstaatliche Fluchtalternative“). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann vergleiche zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist – wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert – nicht das Erfor¬dernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer „inländischen Flucht- oder Schutzalternative“ (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Or-ganen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichen¬den Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen wer-den, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter prä¬ventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht „zu ver-stehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht“ (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Her¬kunftsstaat „nicht gewillt oder nicht in der Lage“ sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nicht, dass den Beschwerdeführern in ihrem Heimatland Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe droht, zumal die Fluchtgründe der Erstbeschwerdeführerin – wie vorhin unter Punkt 2.1. ausführlich dargestellt – nicht glaubwürdig waren.
Im Übrigen hätten die Beschwerdeführer auch bei Wahrunterstellung der behaupteten Bedrohungssituation, wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, nicht im gesamten Staatsgebiet Verfolgung zu befürchten, weshalb ihnen keine Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK zukommt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist in der Regel, insbesondere für die junge und arbeitsfähige Erstbeschwerdeführerin, zumutbar vergleiche auch z. B. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 11.06.1997, 95/21/0908; 06.11.1998, 95/21/1121). Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit im Fall der Beschwerdeführer, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Aus den Länderberichten geht auch hervor, dass die Möglichkeiten, sich außerhalb der engeren Heimat in Indien eine Existenzgrundlage zu schaffen, sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung abhängen und durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden können. Zudem garantieren die Gesetze die Reisefreiheit und die Regierung respektierte dies im Allgemeinen in der Praxis.
Im Lichte dieser Gegebenheiten ist nicht ersichtlich, weshalb es der Erstbeschwerdeführerin, die über eine Schulbildung und universitäre Ausbildung verfügt, in Indien vor Verlassen des Heimatlandes bereits als Lehrerin arbeitete, Punjabi und Hindi spricht sowie gesund ist, und dem Zweitbeschwerdeführer nicht möglich sein sollte, sich mit Unterstützung ihrer Verwandten bzw. ihres Ehegatten/Vaters eine Existenzgrundlage in einem anderen Teil Indiens zu schaffen.
Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass die Beschwerdeführer in ihrer Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wären, ist die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich des Status von Asylberechtigten durch das Bundesamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3.2. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch II. der angefochtenen Bescheide:
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, AsylG 2005 ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, leg.cit. zu verbinden (Absatz 2, leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Absatz 3, leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
Paragraph 8, AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Paragraph 8, AsylG 1997 in Verbindung mit Paragraph 57, FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürger-kriegspartei anzugehören – der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten (oder anderer in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun z.T. durch andere in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 57, FremdenG, dies ist nun auf Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427).
Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3, EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat vergleiche VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Artikel 3, EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind vergleiche EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).
Wie die Beweiswürdigung ergeben hat, ist das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich einer sie selbst betreffende Verfolgungsgefahr zur Gänze unglaubwürdig, weshalb auf Grund des konkreten Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin auch keinerlei Bedrohung für die Beschwerdeführer im Sinne des Paragraph 8, AsylG erkannt werden kann.
Zudem ist auch im gegebenen Zusammenhang die innerstaatliche Fluchtalternative einschlägig, sodass auf die bereits oben zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides getätigten und auch hier einschlägigen diesbezüglichen Ausführungen verwiesen wird. Es kommt daher auch aus dem Grunde des Vorliegens der innerstaatlichen Schutz- bzw. Fluchtalternative die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten nicht in Betracht.
Aus der allgemeinen Situation allein ergeben sich aber auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des Paragraph 8, AsylG bedroht wäre. Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, wonach die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, kann auch nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage gerieten. Die Erstbeschwerdeführerin ist in Indien aufgewachsen, hat dort eine langjährige Schulbildung und universitäre Ausbildung erfahren, hat dort als Lehrerin gearbeitet und ist arbeitsfähig. Auch sind die Beschwerdeführer gesund, haben soziale Anknüpfungspunkte in Indien und müssten auch nicht alleine, sondern könnten im Familienverband mit dem Ehegatten/Vater zurückkehren, da auch gegen ihn eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung für Indien vorliegt und er schon längst verpflichtet gewesen wäre, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Zudem wurde auch der Ehegatte/Vater der Beschwerdeführer in Indien geboren, er ist dort aufgewachsen, hat dort die Schule besucht und ein Restaurant und eine Hühnerfarm betrieben und verfügt auch über soziale Anknüpfungspunkte in Indien, weshalb auch von daher nicht angenommen werden kann, die Beschwerdeführer gerieten im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des Paragraph 8, AsylG nicht.
Ebenso führt die aktuelle COVID-19-Pandemie zu keinem anderen Ergebnis des Verfahrens, da die Letalität des Virus für junge, im wesentlichen gesunde Menschen wie die Beschwerdeführer, die nicht einer Risikogruppe angehören, äußerst gering ist. Dies gilt auch unter Miteinbeziehung einer etwaigen, aus der COVID-19-Pandemie resultierenden schlechteren wirtschaftlichen Lage im Herkunftsstaat vergleiche VwGH vom 23.06.2020, Ra 220/20/0188).
Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass die Beschwerdeführer im Heimatland im Sinne des Paragraph 8, AsylG bedroht wären, ist die durch das Bundesamt ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu beanstanden.
3.3. Zu den Beschwerden gegen die Spruchpunkte römisch III. und römisch IV. der angefochtenen Bescheide:
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Die Beschwerdeführer befinden sich seit Juli 2015 bzw Mai 2016 im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie sind nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.
Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Die Beschwerdeführer sind als Staatsangehörige von Indien keine begünstigten Drittstaatsangehörige und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach Paragraph 13, AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraph 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.
Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt vergleiche dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Artikel 8 ;, Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vergleiche auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Artikel 8, EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt vergleiche Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer leben mit dem Ehegatten bzw. Vater in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Da jedoch auch der Antrag des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin/Vaters des Zweitbeschwerdeführers mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2017 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen wurde und er dagegen auch kein Rechtsmittel erhob, weshalb auch gegen den Ehegatten/Vater der Beschwerdeführer bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung seit 2017 vorliegt, bildet die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Schutz des Familienlebens, da die Beschwerdeführer und der Ehegatte bzw. Vater im selben Umfang von der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sind.
Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Artikel 8, EMRK thematisiert.
In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Artikel 8, Absatz 2, EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.
Die Erstbeschwerdeführerin befindet sich – nach illegaler Einreise – seit der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz im Juli 2015, somit seit mehr als fünf Jahren, bzw. der Zweitbeschwerdeführer seit seiner Geburt im Mai 2016 in Österreich. Der Aufenthalt war bloß aufgrund eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts im Asylverfahren rechtmäßig. Die Maßgeblichkeit der zwar nicht als kurz, aber ebenso wenig als übermäßig lang zu bezeichnenden Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer wird durch diese Tatsachen bereits erheblich relativiert, zumal der Erstbeschwerdeführerin der unsichere Aufenthalt bewusst sein musste.
Ebenso weisen die Beschwerdeführer nur einen geringen Integrationsgrad in Österreich auf. Die Erstbeschwerdeführerin geht in Österreich keiner Arbeit nach, nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Sie war in Österreich nicht ehrenamtlich tätig und arbeitete lediglich im August 2020 für einen Monat in einem Sommercamp. Sie hat zwar den A1-, A2- und B1-Deutschkurs erfolgreich bestanden, spricht Deutsch und verfügt auch über einen österreichischen Freundeskreis. Weitere ausgeprägte private oder persönliche Interessen hat sie im Verfahren aber nicht dargetan. Sie hat in Österreich keine sonstigen Kurse oder Ausbildungen absolviert und ist auch nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Die Schutzwürdigkeit ihres Privat- und Familienlebens in Österreich ist zudem aufgrund des Umstandes, dass die Erstbeschwerdeführerin ihren Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur im geringen Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort ihre Eltern, ihre Geschwister sowie weitere Verwandte leben und sie zwei Sprachen des Herkunftsstaates beherrscht. Die Erstbeschwerdeführerin hat ihre Schul- und Universitätsausbildung im Herkunftsstaat abgeschlossen und ging auch einer Erwerbstätigkeit als Lehrerin nach, weshalb nichts darauf hindeutet, dass sich die Erstbeschwerdeführerin, wenn auch nach längere Abwesenheit von ihrem Heimatland, nicht wieder in die dortige Gesellschaft integrieren können wird.
Der Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen vergleiche VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112.)
Soweit, wie im vorliegenden Fall, Kinder von der Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind nach der Judikatur des EGMR die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen vergleiche dazu die Urteile des EGMR vom 18.10.2006, Üner gegen die Niederlande, Beschwerde Nr. 46410/99, Rz 58, und vom 06.07.2010, Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 41615/07, Rz 146). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; vergleiche dazu die Urteile des EGMR vom 31.07.2008, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Rz 66, vom 17.02.2009, Onur gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 27319/07, Rz 60, und vom 24.11.2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Rz 46) befinden vergleiche VwGH 21.04.2011, 2011/01/0132).
Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass dem minderjährigen Zweitbeschwerdeführer der objektiv unrechtmäßige Aufenthalt subjektiv nicht im gleichen Ausmaß wie seinen Eltern zugerechnet werden kann vergleiche VfGH 07.10.2014, U 2459/2012 u.a.).
Der bald viereinhalbjährige Zweitbeschwerdeführer wurde in Österreich geboren und ist im Familienverband mit seinen Eltern aufgewachsen, weshalb davon auszugehen ist, dass er mit den kulturellen Gegebenheiten seines Heimatlandes und seiner Muttersprache Punjabi vertraut gemacht wurde. Die Erstbeschwerdeführerin gab dazu befragt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 31.07.2020 an, dass der mj. Zweitbeschwerdeführer Punjabi, Englisch und Deutsch spreche. Der mj. Zweitbeschwerdeführer besucht seit 2018 im Bundesgebiet den Kindergarten und hat hier seine Sozialisation eben erst begonnen, weshalb diese nicht als dermaßen fortgeschritten angesehen werden kann, dass sie nicht auch in seinem Herkunftsstaat fortgesetzt werden könnte, zumal er im Heimatland weiter in Obsorge seiner Eltern sein wird und ihm deren Begleitung die Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtern wird (zur Sozialisation von Kindern etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres vergleiche VwSlg. 14972 A/1998 und VwGH 19.01.2006, 2005/21/0297).
Dass die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, ist nicht ersichtlich.
Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet wenig Gewicht haben und daher gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG stellt sohin keine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar.
Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach Paragraph 50, Absatz eins, FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).
Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des Paragraph 50, FPG ergeben würde.
Auch eine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte liegt für Indien nicht vor, weshalb die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Indien zulässig ist.
Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach Paragraph 55, Absatz 2, FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.
ECLI:AT:BVWG:2020:W169.2150456.1.00