Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

30.09.2020

Geschäftszahl

W251 2183451-1

Spruch

W251 2183440-1/40E

W251 2183447-1/48E

W251 2183444-1/45E
W251 2183456-1/44E
W251 2183451-1/43E
W251 2183445-1/65E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

römisch eins. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) römisch 40 , geb. römisch 40 , 2.) römisch 40 , geb. römisch 40 , 3.) römisch 40 , geb. römisch 40 alias römisch 40 , 4.) römisch 40 , geb. römisch 40 sowie 5.) römisch 40 , geb. römisch 40 , alle StA. Afghanistan und vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen Spruchpunkte römisch II. bis römisch VI. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 13.12.2017, Zl. 1096774402 - 151841014, 2.) vom 14.12.2017, Zl. 1096774707 - 151841278, 3.) vom 14.12.2017, Zl. 1096775704 - 151841345, 4.) vom 14.12.2017, Zl. 1096776102 - 151841634 und 5.) vom 14.12.2017, Zl. 1096776200 – 151841537, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Den Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und römisch 40 sowie römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG sowie römisch 40 , römisch 40 und römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 3, AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wird den Beschwerdeführern jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.09.2021 erteilt.

In Erledigung der Beschwerden werden die Spruchpunkte römisch III. bis römisch VI. der angefochtenen Bescheide gemäß Paragraph 28, Absatz eins und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde römisch 40 , geb. am römisch 40 alias römisch 40 alias römisch 40 alias römisch 40 , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen Spruchpunkt römisch II. bis römisch VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zl. 1096775301 - 151841448, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer, alle Staatsangehörige Afghanistans, reisten gemeinsam in das Bundesgebiet ein und stellten am 23.11.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Diese haben drei leibliche Söhne, den Drittbeschwerdeführer, den Viertbeschwerdeführer und den Fünftbeschwerdeführer. Der Sechstbeschwerdeführer ist der Neffe des Erstbeschwerdeführers.

2. Die niederschriftliche Erstbefragung der Erst- bis Drittbeschwerdeführer fand am 23.11.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

Am 28.11.2017 wurden die Erst- bis Drittbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen.

3. Das Bundesamt wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit Bescheiden vom 13.12.2017 bzw. 14.12.2017 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt römisch II.) ab und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III.). Gegen die Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt römisch IV. und römisch fünf.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevanten Fluchtgründe geltend bzw. glaubhaft gemacht haben. Es drohe den Beschwerdeführern auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Die Beschwerdeführer würden in Österreich – abgesehen voneinander – zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehr-entscheidung entgegenstehe, verfügen.

4. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diese Bescheide fristgerecht Beschwerde.

5. Der Viertbeschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach straffällig. Er wurde dreimal von einem Landesgericht und einmal von einem Bezirksgericht verurteilt.

6. Das Bundesamt erließ am 09.10.2018 eine Abänderung der mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.12.2017, Zl. 1096775301 - 151841448 erlassene Entscheidung im laufenden Beschwerdeverfahren. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch eins.), festgestellt, dass die Abschiebung des Viertbeschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.) und, dass er sein Recht zum Aufenthalt ab dem 04.07.2018 verloren habe (Spruchpunkt römisch III.). Es wurde gegen den Viertbeschwerdeführer ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 8 Jahren erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und ihm eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für seine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt römisch fünf.).

Das Bundesamt führte begründend aus, dass der Beschwerdeführer kein schützenswertes Privatleben in Österreich habe. Es bestehe in Afghanistan keine Gefährdung des Viertbeschwerdeführers, sodass seine Abschiebung zulässig sei. Gegen den Viertbeschwerde-führer sei eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft, wegen vorsätzlich begangener gerichtlich strafbarer Handlungen, erhoben worden. Zudem sei der Viertbeschwerdeführer straffällig geworden, sodass ihm das Aufenthaltsrecht zu entziehen gewesen sei. Es sei gegen den Viertbeschwerdeführer ein Einreiseverbot zu verhängen gewesen, da dieser die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Viertbeschwerdeführer Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass eine Abänderung des Bescheides nur dann zulässig sei, wenn sich dadurch die Rechtslage der Partei günstiger gestalte. Aus dem nunmehr abgeänderten Bescheid ergebe sich eindeutig eine für den Viertbeschwerdeführer ungünstigere Rechtslage, weshalb die amtswegige Abänderung unzulässig sei.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.12.2018 sowie am 21.12.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Verfahren der Beschwerdeführer wurden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.09.2019 wurden die Beschwerden der Beschwerdeführer gegen die Bescheide vom 13.12.2017 bzw. 14.12.2017, betreffend die Anträge auf internationalen Schutz, zur Gänze als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 09.10.2018, betreffend eine Abänderung des Bescheides vom 14.12.2017, wurde stattgegeben und dieser Bescheid zur Gänze ersatzlos behoben.

10. Die Beschwerdeführer erhoben Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27.02.2020 wurden die angefochtenen Erkenntnisse soweit damit deren Beschwerde gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, gegen die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln, gegen die erlassenen Rückkehrentscheidungen und gegen die Aussprüche der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wurden, aufgehoben.

Im Übrigen wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Es wurde keine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.09.2020 eine mündliche Verhandlung durch.

12. Gegenständlich sind nunmehr die Beschwerden gegen Spruchpunkte römisch II. bis römisch VI. der Bescheide vom 13.12.2017 bzw. 14.12.2017, da betreffend Spruchpunkt römisch eins. dieser Bescheide (Abweisung der Anträge auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten) die Behandlung der Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt wurde und keine Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.09.2019 erfolgt ist.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Diese haben drei leibliche Söhne, den Drittbeschwerdeführer, den Viertbeschwerdeführer und den Fünftbeschwerdeführer sowie eine leibliche Tochter, römisch 40 , die verheiratet ist und im Iran lebt (Verwaltungsakt des Erstbeschwerdeführers – BF 1 AS 179; Verwaltungsakt der Zweitbeschwerdeführerin – BF 2 AS 87). Der Sechstbeschwerdeführer ist der Neffe des Erstbeschwerdeführers. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin haben keinen weiteren leiblichen minderjährigen Sohn.

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Hazara an und bekennen sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Die Beschwerdeführer sprechen Dari als Muttersprache (BF 1 AS 3, 175 ff; BF 2 AS 3, 85; Verwaltungsakt des Drittbeschwerdeführers – BF 3 AS 3, 29 ff; Verhandlungsprotokoll vom 03.12.2018 = OZ 10, Sitzung 11, 30, 48; Verhandlungsprotokoll vom 21.12.2018 = OZ 13, Sitzung 15).

1.1.1. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin:

Der Erstbeschwerdeführer führt in Österreich den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Er wurde in der Stadt Kabul geboren und ist dort im 8. Bezirk Baghrami im Stadtteil Qalacha gemeinsam mit seinem Vater und seinen vier Geschwistern (ein Bruder und drei Schwestern) in einem Eigentumshaus aufgewachsen (OZ 10, Sitzung 49). Die Mutter des Erstbeschwerdeführers ist schon früh verstorben (OZ 10, Sitzung 12). Der Erstbeschwerdeführer hat keine Schule besucht, er ist Analphabet. Der Erstbeschwerdeführer hat in Afghanistan jahrelang am Markt Gemüse verkauft sowie Felder bewirtschaftet und war gelegentlich als Taxifahrer tätig (BF 1 AS 181; OZ 10, Sitzung 11, 16).

Die Zweitbeschwerdeführerin führt in Österreich den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Sie wurde in der Stadt Kabul geboren und ist dort im Stadtteil Qala Wazir gemeinsam mit ihren Eltern und ihren vier Geschwistern (zwei Brüder und zwei Schwestern) aufgewachsen. Die Zweitbeschwerdeführerin hat ab dem Alter von 7 Jahren die Schule bis zur fünften Klasse in Afghanistan besucht. Nach dem Tod ihres Vaters hat sie ihren Schulbesuch beendet. Sie hat dann zuhause Papiertüten für Trockenfrüchte gefaltet, die ihre Brüder verkauft und damit den Lebensunterhalt der Familie bestritten haben (BF 2 AS 90 f; OZ 10, Sitzung 31).

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin haben am 29.10.1990 geheiratet (BF 2 AS 90). Die Zweitbeschwerdeführerin ist nach der Heirat zum Erstbeschwerdeführer und seiner Familie in das Haus des Vaters des Erstbeschwerdeführers gezogen und war dort Hausfrau. Die Tochter des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin wurde in Afghanistan geboren. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind gemeinsam mit ihrer Tochter, als diese ca. zwei Jahre alt war, in den Iran nach Isfahan gezogen. Sie haben in Folge ca. 15 Jahre im Iran gelebt (BF 2 AS 91; OZ 10, Sitzung 13, 31). Der Erstbeschwerdeführer hat im Iran jahrelang als Hilfsarbeiter auf Baustellen gearbeitet (BF 1 AS 181; OZ 10, Sitzung 11). Die leiblichen Söhne des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin wurden im Iran geboren (OZ 10, Sitzung 13). Nach ca. 15 Jahren im Iran sind der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam mit ihren Söhnen und den Geschwistern des Erstbeschwerdeführers samt nach Kabul zurückgekehrt, wo sie wieder im Haus des Vaters des Erstbeschwerdeführers gelebt haben (BF 1 AS 181; BF 2 AS 92; OZ 10, Sitzung 22 f). Die Schwester des Erstbeschwerdeführers ist mit ihrem Ehemann durch einen Bombenanschlag in Kabul ums Leben gekommen. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin haben daraufhin deren Sohn, den Sechstbeschwerdeführer, bei sich aufgenommen und sind gemeinsam mit ihren Kindern nach ca. vier Monaten in Kabul wieder in den Iran zurückgekehrt (OZ 10, Sitzung 13, 22 f, 26, 31). Ca. 4 ½ - 5 Jahre nach ihrer Rückkehr in den Iran sind der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam mit ihren drei leiblichen Söhnen und dem Neffen des Erstbeschwerdeführers aus dem Iran in Richtung Europa ausgereist (AS 183).

Die Beschwerdeführer sind unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellten am 23.11.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Der Erstbeschwerdeführer verfügt in Kabul noch über das Haus seines bereits verstorbenen Vaters. Das Haus ist einstöckig und verfügt über mindestens vier Zimmer (BF 1 AS 181; BF 2 AS 92; OZ 10, Sitzung 12).

Die Tochter des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin ist verheiratet und lebt im Iran als Hausfrau (BF 1 AS 179; BF 2 AS 7, 87). Die Zweitbeschwerdeführerin telefoniert fast täglich mit ihrer Tochter im Iran (BF 2 AS 92).

Die Eltern des Erstbeschwerdeführers sind bereits verstorben (BF 1 AS 183). Ein Bruder und zwei Schwestern des Erstbeschwerdeführers leben im Iran. Der Bruder des Erstbeschwerdeführers arbeitet als Hilfsarbeiter. Der Erstbeschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seinen Geschwistern im Iran (BF 1 AS 183; OZ 10, Sitzung 14).

Eine Tochter und ein Sohn der bereits verstorbenen Tante mütterlicherseits des Erstbeschwerdeführers sowie zwei Söhne und eine Tochter seines verstorbenen Halbonkels mütterlicherseits leben im Iran. Die Söhne des verstorbenen Onkels väterlicherseits leben ebenfalls im Iran, in Isfahan (OZ 10, Sitzung 14).

Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist bereits verstorben (BF 2 AS 91 f). Ein Bruder und eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin leben nach wie vor in Kabul. Dieser Bruder der Zweitbeschwerdeführerin hat ein Süßigkeitengeschäft sowie zwei Söhne und drei Töchter. Die in Kabul lebende Schwester der Zweitbeschwerdeführerin ist verheiratet, Hausfrau und hat vier Töchter sowie einen Sohn (BF 2 AS 92; OZ 10, Sitzung 15).

Ein weiterer Bruder der Zweitbeschwerdeführerin lebt im Iran, in Teheran als Schneider und hat eine Tochter sowie einen Sohn. Die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin lebt bei diesem Bruder der Zweitbeschwerdeführerin in Teheran (BF 2 AS 92; OZ 10, Sitzung 15).

Eine weiter Schwester der Zweitbeschwerdeführerin lebt in Deutschland, ist verheiratet und hat zwei Söhne sowie eine Tochter (BF 2 AS 92; OZ 10, Sitzung 15, 32).

Die Zweitbeschwerdeführerin hat regelmäßig Kontakt zu ihren Geschwistern und ihrer Mutter (BF 2 AS 92; OZ 10 Sitzung 15, 32).

Eine Tante väterlicherseits der Zweitbeschwerdeführerin lebt im Iran (OZ 10, Sitzung 32).

Der Erstbeschwerdeführer leidet an Diabetes und erhöhten Cholesterinwerten. Er benötigt derzeit Medikamente (BF 1 AS 197-205; OZ 10, Sitzung 20). Dem Erstbeschwerdeführer war seine Diabeteserkrankung bereits im Iran bekannt (BF 1 AS 7). Der Erstbeschwerdeführer ist arbeitsfähig (BF 1 AS 189). Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie ist arbeitsfähig. Sie leidet an Kopfschmerzen, an Schmerzen im linken Arm sowie im rechten Ellenbogen und an einer chronischen Ohrenentzündung (BF 2 AS 96; OZ 10, Sitzung 39; OZ 44, Sitzung 14, Beilage ./C1).

1.1.2. Der Drittbeschwerdeführer:

Der Drittbeschwerdeführer führt in Österreich den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 alias römisch 40 . Der Drittbeschwerdeführer hat entgegen seinem geführten Geburtsdatum bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeverhandlungen am 03. und 21.12.2018 das 18. Lebensjahr vollendet (OZ 10, Sitzung 30, 47).

Der Drittbeschwerdeführer wurde im Iran, in Rafsanja geboren und ist im Iran, in Teheran – ausgenommen den viermonatigen Aufenthalt seiner Familie in Afghanistan – aufgewachsen (BF 3 AS 31). Er hat im Iran vor und nach dem viermonatigen Aufenthalt seiner Familie in Afghanistan eine inoffizielle (afghanische) Schule mindestens bis zur 6. Klasse besucht. Er hat im Iran in einem Fast Food Restaurant, in einer Sporthalle sowie als Werbeverteiler gearbeitet (BF 3 AS 33; OZ 10, Sitzung 48).

Der Drittbeschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder (BF 3 AS 31; OZ 10, Sitzung 48).

Der Drittbeschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Drittbeschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund und arbeitsfähig (OZ 15, Sitzung 9).

1.1.3. Der Viertbeschwerdeführer:

Der Viertbeschwerdeführer führt in Österreich den Namen römisch 40 . Seine Eltern gaben für ihn bei der Asylantragstellung als Geburtsdatum den römisch 40 an. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung befand sich der Viertbeschwerdeführer im Altersbereich von mindestens 13,15 Jahren bis höchstens 17,05 Jahren. Das tatsächliche Geburtsdatum des Viertbeschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Am römisch 40 hatte der Viertbeschwerdeführer das 16 Lebensjahr bereits vollendet. Zum Zeitpunkt der Untersuchung zur Altersfeststellung am römisch 40 betrug das wahrscheinliche Alter des Viertbeschwerdeführers römisch 40 Jahr. Das spätestmögliche fiktive Geburtsdatum ist der römisch 40 .09.2002 (OZ 17). Der Viertbeschwerdeführer ist jetzt jedenfalls volljährig.

Der Viertbeschwerdeführer wurde im Iran, in Teheran geboren und ist dort – ausgenommen den viermonatigen Aufenthalt seiner Familie in Afghanistan – aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat vor und nach dem viermonatigen Aufenthalt seiner Familie in Afghanistan insgesamt fünf Jahre lang eine offizielle Schule besucht. Danach hat er im Iran in einem Fast Food Restaurant gearbeitet (OZ 15, Sitzung 15 f).

Der Viertbeschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder (OZ 15, Sitzung 15).

Der Viertbeschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Viertbeschwerdeführer konsumierte öfters Drogen. Er leidet weder an einer schwerwiegenden noch an einer tödlichen Erkrankung. Er ist arbeitsfähig (OZ 15, Sitzung 20; OZ 44, Sitzung 22; OZ 44, Sitzung 9, Sitzung 14).

1.1.4. Der Fünftbeschwerdeführer:

Der Fünftbeschwerdeführer führt in Österreich den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 , er ist minderjährig.

Er wurde im Iran geboren und ist dort – ausgenommen den viermonatigen Aufenthalt seiner Familie in Afghanistan – aufgewachsen (OZ 10, Sitzung 13). Er hat im Iran die Schule bis zur vierten Klasse besucht (OZ 10, Sitzung 23).

Der Fünftbeschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund.

1.1.5. Der Sechstbeschwerdeführer:

Der Sechstbeschwerdeführer führt in Österreich den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Er ist minderjährig. Er ist der Neffe des Erstbeschwerdeführers (BF 1 AS 3, 179; OZ 10, Sitzung 11). Dem Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin wurde in Österreich mit Beschluss vom 15.01.2016 eines Bezirksgerichtes die Obsorge für den Sechstbeschwerdeführer übertragen (Beilage ./A und B).

Der Sechstbeschwerdeführer wurde in Afghanistan geboren (OZ 10, Sitzung 13). Seine Eltern sind bereits kurz nach der Geburt des Sechstbeschwerdeführers bei einem Bombenattentat in Kabul ums Leben gekommen (BF 1 AS 25 ff; OZ 10, Sitzung 22 f, 26). Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin haben sodann die Obhut des Sechstbeschwerdeführers übernommen (Beilage ./B) und sind zurück in den Iran gereist, wo der Sechstbeschwerdeführer sodann gemeinsam mit den Erst- bis Fünftbeschwerdeführern aufgewachsen ist (OZ 10, Sitzung 11, 22 f, 26).

Der Sechstbeschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Sechstbeschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund.

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Der Erstbeschwerdeführer wurde (insbesondere aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den schiitischen Hazara) weder von den Taliban schikaniert noch geschlagen oder bedroht. Der Erstbeschwerdeführer ist nicht ins Blickfeld der Taliban geraten.

Die Beschwerdeführer haben Afghanistan beim ersten Mal weder aus Furcht vor konkreten Eingriffen in ihre körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Während dem viermonatigen Aufenthalts der Beschwerdeführer in Afghanistan wurde weder nach dem Erstbeschwerdeführer durch die Taliban gesucht noch war der Erstbeschwerdeführer einer Verfolgung oder Bedrohung durch die Taliban ausgesetzt.

Die Beschwerdeführer hatten in Afghanistan keine konkret und individuell gegen sie gerichteten Probleme aufgrund ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit zu den schiitischen Hazara.

1.2.2. Die Beschwerdeführer wurden während ihres viermonatigen Aufenthaltes in Afghanistan niemals konkret bedroht und waren keiner Verfolgung durch die Taliban, staatliche Organe oder sonstige Personen ausgesetzt. Der Bombenanschlag in Kabul, bei dem die Eltern des Sechstbeschwerdeführers ums Leben gekommen sind, war weder gezielt auf diese gerichtet noch waren sie davor einer individuellen und konkreten Bedrohung ausgesetzt.

Die Beschwerdeführer haben Afghanistan beim zweiten Mal aufgrund der allgemeinen schlechten Sicherheitslage verlassen.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan droht den Beschwerdeführern weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch die Taliban oder staatliche Organe.

1.2.3. Darüber hinaus gelten die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass sie im Iran aufgewachsen sind und sich in Europa aufgehalten haben in Afghanistan nicht als westlich orientiert. Die Dritt- und Sechstbeschwerdeführer werden auch aufgrund ihrer Aussprache bzw. einem Farsi-Dialekt in Afghanistan nicht diskriminiert. Die Beschwerdeführer sprechen Dari.

Die Beschwerdeführer sind in Afghanistan aufgrund ihres Aufenthaltes im Iran und Europa keiner psychischen oder physischen Gewalt ausgesetzt.

Ebenso wenig droht dem Dritt- und Viertbeschwerdeführer die konkrete und individuelle Gefahr einer zwangsweisen Rekrutierung durch die Taliban in Afghanistan.

1.2.4. Die Beschwerdeführer verließen den Iran aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen für dort aufhältige Afghanen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat:

Den Beschwerdeführern wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in ihre sichere Herkunftsstadt Kabul kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage drohen. Der Herkunftsort der Beschwerdeführer, nämlich die Stadt Kabul, ist sicher erreichbar und ausreichend sicher.

Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer können in der Stadt Kabul ihre grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft für sich befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Die Beschwerdeführer können in Kabul im Eigentumshaus des Vaters des Erstbeschwerdeführers, wie bereits vor ihrer Ausreise, oder im Eigentumshaus der Eltern der Zweitbeschwerdeführerin wohnen. Der Viertbeschwerdeführer kann auch von seinen in Kabul lebenden Verwandten bei der Suche nach einer Arbeitsstelle, Verpflegung sowie medizinischer Versorgung unterstütz werden.

Die Fünft- und Sechstbeschwerdeführer sind noch unmündige Minderjährige. Diese können ihre grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht selber befriedigen. Durch die COVID-19-Situation hat sich die wirtschaftliche Lage in Kabul angespannt, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen und besonders Familien sowie Gelegenheitsarbeiter sind von den wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Situation betroffen. Es sind auch die Preise für Lebensmittel erheblich gestiegen. Es ist dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin aufgrund der COVID-19-Situation und der damit zusammenhängenden wirtschaftlich angespannten Versorgunglage (trotz familiärer Unterstützung in Kabul) derzeit nicht möglich den notwendigen Lebensunterhalt für den minderjährigen Fünftbeschwerdeführer und den minderjährigen Sechstbeschwerdeführer in der Stadt Kabul ausreichend sicher zu stellen.

Es ist den Fünft- bis Sechstbeschwerdeführern somit nicht möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr nach Afghanistan in der Stadt Kabul Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Der Viertbeschwerdeführer ist ein junger, gesunder und erwerbsfähiger Mann. Der Viertbeschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen. Er verfügt über Schulbildung und Berufserfahrung. Er hat bereits einmal – wenn auch nur für wenige Monate – in der Stadt Kabul gelebt. Er ist in einer großen Stadt im Iran aufgewachsen, sodass ihm städtische Strukturen bekannt sind. Er kann sich innerhalb kurzer Zeit in afghanischen Städten Ortkenntnisse aneignen.

Der Viertbeschwerdeführer kann zudem vom Erstbeschwerdeführer, von der Zweitbeschwerdeführerin sowie vom Drittbeschwerdeführer – denen mit diesem Erkenntnis eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich erteilt wurde und die verbindliche Arbeitseinstellungszusagen haben – finanziell bei einer Rückkehr nach Afghanistan unterstützt werden. Diese sind unterstützungsfähig und unterstützungswillig. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der Viertbeschwerdeführer kann sich zudem auch in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif ansiedeln. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der Viertbeschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten sowie durch seine Familie in Österreich finanziell unterstützt werden. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat oder Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem Viertbeschwerdeführer auch möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die Beschwerdeführer sind unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und halten sich seit zumindest 23.11.2015 durchgehend in Österreich auf.

Die Cousine der Zweitbeschwerdeführerin mütterlicherseits lebt in Österreich. Die Beschwerdeführer haben weder Kontakt zu dieser noch stehen sie zu ihr in einem Abhängigkeitsverhältnis (BF 2 AS 92; OZ 10, Sitzung 19, 36 f; OZ 15, Sitzung 8). Darüber hinaus verfügen die Beschwerdeführer über keine weiteren Verwandten in Österreich.

1.4.1. Der Erstbeschwerdeführer:

Der Erstbeschwerdeführer hat zwar Deutschkurse besucht (BF 1 AS 207-211; Beilage ./F, ./i und ./Y), er verfügt jedoch nur über geringe Deutschkenntnisse (OZ 10, Sitzung 16).

Der Erstbeschwerdeführer geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (BF 1 AS 187 ff; OZ 10, Sitzung 17; Beilage ./I). Der Erstbeschwerdeführer hat eine verbindliche Einstellungszusage bei einer Textilfabrik in Österreich, dort kann er nach Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung EUR 1.200 bis EUR 1.300 pro Monat verdienen. Er wird diese Arbeit bei Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung umgehend annehmen und dadurch über ein Einkommen verfügen (OZ 44, Sitzung 11).

Er hat ehrenamtlich bei der Renovierung einer Kirche mitgeholfen und sich an ehrenamtlichen Aktivitäten beteiligt (Beilage ./H und ./X, OZ 10, Sitzung 17; Bestätigung gemeinnützige Tätigkeit vom 30.08.2019; OZ 44, Sitzung 8). Er geht in seiner Freizeit regelmäßig laufen (BF 1 AS 189; OZ 10, Sitzung 17).

Der Erstbeschwerdeführer hat in Österreich freundschaftlichen Beziehungen zu anderen afghanischen Familien geknüpft (OZ 10, Sitzung 19, OZ 44, Sitzung 11).

Der Erstbeschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./VIII).

1.4.2. Die Zweitbeschwerdeführerin:

Die Zweitbeschwerdeführerin hat Deutschkurse besucht (BF 2 AS 61-67; Beilage ./C, ./D und ./Z; BF 2 Beilage zu OZ 25), sie verfügt jedoch nur über geringe Deutschkenntnisse (OZ 10, Sitzung 33).

Die Zweitbeschwerdeführerin geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (BF 2 AS 96; OZ 10, Sitzung 17, 38; Beilage ./I). Sie ist im Rahmen der „Nachbarschaftshilfe“ der Caritas (nunmehr „Integrationstätigkeiten“) mittels Dienstleistungsschecks als Haushaltshilfe in privaten Haushalten fünfmal die Woche für zwei Stunden tätig (Beilage ./E; OZ 10, Sitzung 34). Die Zweitbeschwerdeführerin hat sich an ehrenamtlichen Aktivitäten beteiligt (Beilage ./X).

Die Erstbeschwerdeführerin hat eine verbindliche Einstellungszusage bei einer Textilfabrik in Österreich, dort kann sie nach Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung ca. EUR 1.300 pro Monat verdienen. Sie hat auch eine Einstellungszusage bei einem Supermarkt, bei dem sie in Teilzeit arbeiten könnte, dort würde sie ohne Überstunden EUR 700 verdienen. Bei einer Arbeit beim Supermarkt würde die Zweitbeschwerdeführerin eine zweite Schicht dazu nehmen, um mehr Geld zu verdienen. Sie wird eine dieser Arbeiten bei Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung umgehend annehmen und dadurch über ein Einkommen verfügen (OZ 44, Sitzung 12, 14).

Die Zweitbeschwerdeführerin ist kein Mitglied in einem Verein.

Sie hat in Österreich freundschaftliche Kontakte zu einer Deutschlehrerin und Kontakte über die Freunde ihrer Kinder geknüpft (OZ 10, Sitzung 37).

Die Zweitbeschwerdeführerin bedrohte am 27.08.2018 eine Flüchtlingsbetreuerin in deren Büro in der Unterkunft mit dem Umbringen indem sie sich vor die Betreuerin stellte, sagte: „Du, Daniela, 3 Kinder, so“ und mit der flachen Hand die Geste „Kehle durchschneiden“ zeigte. Es erging deshalb eine Anzeige wegen des Verdachts der gefährlichen Drohung an die Staatsanwaltschaft (BF 2 OZ 9; OZ 10, Sitzung 39).

Die Zweitbeschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./VIII).

1.4.3. Der Drittbeschwerdeführer

Der Drittbeschwerdeführer hat Deutschkurse besucht (Beilage ./W) und die ÖSD Deutschprüfung Niveau A1 sehr gut (BF 3 AS 43), jene für das Niveau A2 zunächst jedoch nicht bestanden (BF 3 AS 45). Der Drittbeschwerdeführer verfügt über ausreichende Deutschkenntnisse (OZ 15, Sitzung 5 f). Er hat am 22.12.2018 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 bestanden (OZ 42).

Der Drittbeschwerdeführer hat im Sommersemester im Schuljahr 2015/16 eine Polytechnische Schule als außerordentlicher Schüler besucht (BF 3 AS 47). Der Drittbeschwerdeführer hat im Schuljahr 2017/18 die Übergangsklasse einer Neuen Mittelschule zur Absolvierung des Pflichtschulabschlusses besucht (Beilage ./N und ./P). Er hat die Pflichtschulabschluss-Prüfung nicht bestanden (Beilage ./O). Er hat an einem Erste-Hilfe-Grundkurs teilgenommen (BF 3 Beilage zu OZ 24).

Der Drittbeschwerdeführer geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (Beilage ./I). Er ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen (BF 3 AS 37). Er hat eine verbindliche Einstellungszusage für eine Arbeit bei einer Security-Firma. Dort würde er monatlich EUR 1.500 verdienen. Er hat auch eine verbindliche Einstellungszusage in einem Restaurant als Kellner in Teilzeit. Zusätzlich zu diesem Job würde er auch Reinigungsarbeiten in einer nahegelegenen Tennishalle annehmen, sodass er in diesem Fall monatlich ca. EUR 1.300 verdienen würde. Er wird eine dieser Arbeiten bei Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung umgehend annehmen und dadurch über ein Einkommen verfügen (OZ 44, Sitzung 17).

Der Drittbeschwerdeführer hat sich an freizeitpädagogischen Aktivitäten in einem Jugendzentrum beteiligt. Die Betreuer des Jugendzentrums haben den Drittbeschwerdeführer sehr geschätzt (Beilage ./G). Er hat durch das Jugendzentrum viele freundschaftliche Kontakte geknüpft. Seit dem Wechsel des Wohnortes hat der Drittbeschwerdeführer nur noch gelegentlich Kontakt zu diesen (OZ 15, Sitzung 8).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./VIII).

1.4.4. Der Viertbeschwerdeführer:

1.4.4.1. Der Viertbeschwerdeführer hat in Österreich ein halbes Jahr eine Volkschule, ein Jahr lang eine Hauptschule und ein halbes Jahr eine Sonderschule besucht. Er hat auch eine polytechnische Schule besucht (OZ 15, Sitzung 15; BF4, römisch eins, AS 31-37). Von Jänner 2020 bis Juli 2020 hat der Viertbeschwerdeführer als außerordentlicher Schüler die neunte Schulstufe an einer Fachschule für wirtschaftliche Berufe mit dem Pflichtgegenstand Gastronomie besucht (OZ 42).

Der Viertbeschwerdeführer hat sich Deutschkenntnisse aneignen können (OZ 15, Sitzung 17f). Er möchte demnächst einen Deutschkurs A2 besuchen (OZ 44, Sitzung 21).

Der Viertbeschwerdeführer geht keiner legalen, regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Er übt auch keine ehrenamtliche oder gemeinnützige Tätigkeit aus (OZ 15, Sitzung 18). Der Viertbeschwerdeführer lebt von der Grundversorgung (Beilage ./I).

Der Viertbeschwerdeführer verfügt in Österreich über keine engen sozialen Freundschaften oder eine Lebensgemeinschaft (OZ 15, Sitzung 20). Seine engsten Bezugspersonen sind seine Eltern und seine Brüder, zu diesen hat er ein enges VErhältnis (OZ 44).

Der Viertbeschwerdeführer ist derzeit in keiner Therapie – weder in einer Drogentherapie noch in einer Aggressionstherapie (OZ 15, Sitzung 23; OZ 44, Sitzung 14, Sitzung 20ff). Er hat im Jahr 2017 eine von seiner Flüchtlingsbetreuerin organisierte Therapie abgebrochen (OZ 15, Sitzung 24). Er hat Ende 2018 zwei Wochen eine stationäre Therapie, Aggressionstherapie, gemacht, wobei er nach dieser Therapie von seinen Eltern weggelaufen ist und in einer Stadt beim Verkauf von Drogen angehalten wurde (Der Viertbeschwerdeführer hat von Oktober 2018 bis zumindest Ende Dezember 2018 und von zumindest 25.02.2019 bis 28.02.2019 anderen gewinnbringend und zumindest teils an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich zumindest 370 Gramm Cannabis vorschriftswidrig gegen Entgelt überlassen). Danach hat er keine Therapien, weder eine Aggressionstherapie, noch eine Suchttherapie, in Angriff genommen (OZ 44, Sitzung 20ff).

1.4.4.2. Der Viertbeschwerdeführer war bereits mehrfach von der Asylunterkunft abgängig und ist mehrere Tage abgetaucht und hat mehrfach den Schulunterricht geschwänzt (BF 4 I-OZ 2 und OZ 32; BF 4 II-AS 37f).

Der Viertbeschwerdeführer hat bereits ca. ein Jahr nach seiner Einreise in Österreich begonnen Drogen zu konsumieren. Seit 2017 verkaufte der Viertbeschwerdeführer Drogen um sich dadurch Geld zu verdienen (OZ 15, Sitzung 20, Sitzung 24). So hat der Viertbeschwerdeführer im Zeitraum vom 12.10.2017 bis 12.12.2017 von einem Suchtgiftdealer an einem Drogenumschlagsplatz in Wien insgesamt 60 Gramm Cannabis zu einem Gesamtpreis von EUR 360,00 erworben um das Suchtmittel gewinnbringend weiter zu verkaufen. Der Viertbeschwerdeführer hat 30 Gramm von diesem Suchtmittel an einen Abnehmer weiterverkauft, wobei vom Abnehmer nur 15 Gramm des bezogenen Cannabis zum Preis von EUR 150,00 bezahlt wurden. Die übrigen 30 Gramm Cannabis hat der Viertbeschwerdeführer zu einem Grammpreis von je EUR 10,00 weiterverkauft (BF 4 II-AS 27ff).

Am 07.03.2018 fand, aufgrund des nicht-konformen Verhaltens des Viertbeschwerdeführers in Österreich, auf einer Polizeiinspektion mit dem Viertbeschwerdeführer ein Normverdeutlichungsgespräch statt. Der Viertbeschwerdeführer wurde auch auf seine Schulpflicht hingewiesen. Der Viertbeschwerdeführer gab gegenüber der Polizei an, dass ihn das nicht interessiere, er bereits 16 Jahre alt sei und er ohnehin in ein anderes EU-Land ziehen würde (BF 4 I-OZ 2).

Der Viertbeschwerdeführer verschickte ca. Anfang März 2018 ein Video, bei dem er in bedrohlicher Art und Weise mit einem Messer hantierte an eine andere Jugendliche. Weiters schrieb er folgende Nachrichten an diese: „Eh du kennst mich so gut, ok du kleina ich finde euch i Suche jeden Schule.“ Es wurde um die Erteilung eines Waffenverbots gegen den Beschwerdeführer ersucht. Der Beschwerdeführer verfasste zudem nachstehende Nachrichten, die er an eine Jugendliche verschickte: „Ich ficke euch morgen warte“, „Oh Hure, mach mich nicht aggressiv, ich schwöre bei Gott, dass ich ein Messer nehme und komme“, „i Lasse euch den weil Helai hat geschifft von meine Mutter schwör alles i ficke euch i hab keine Angst du Polizei und…“ (BF 4 I-OZ 2; OZ 15, Sitzung 22).

Der Viertbeschwerdeführer ist am 06.03.2018 in eine ihm fremde Schule gestürmt und hat dort in aggressiver Weise die Bekanntgabe der Klassenzimmer bzw. die Personaldaten zweier Schülerinnen gefordert. Er hat mit den Fäusten auf ein Pult geschlagen. Der Viertbeschwerdeführer hat sich auch dem männlichen Direktionspersonal gegenüber sehr aggressiv verhalten, sodass die Polizei verständigt werden musste. Es wurde gegen den Viertbeschwerdeführer ein Betretungsverbot betreffend diese Schule sowie für eine zusätzliche Schutzzone erlassen (BF 4 I-OZ 3).

Der Beschwerdeführer stieg am 05.05.2018, abends, mit einem Freund in einen ÖBB-Zug. Im Zuge einer Fahrscheinkontrolle konnten diese kein gültiges Ticket vorweisen, woraufhin vom Zugbegleiter nach einem belehrenden Gespräch zunächst von einer Anzeige abgesehen wurde. Kurz vor Mitternacht verließen beide bei einem planmäßigen Halt den ÖBB-Zug. Um 05:00 Uhr traf derselbe Zugbegleiter in einem anderen ÖBB-Zug erneut auf beide Fahrgäste. Beide wurden aufgefordert ihr Ticket vorzuweisen. Der Viertbeschwerdeführer wurde bei der Kontrolle immer aggressiver und drohte dem Zugbegleiter im Zug in einer lautstarken Auseinandersetzung mit Schlägen. Es kam dem einen Zugbegleiter ein weiterer zur Hilfe. Als der Viertbeschwerdeführer sich in Kampfstellung vor beide Zugbegleiter aufstellte, flüchteten die Zugbegleiter in Richtung Dienstabteil. Der Viertbeschwerdeführer warf eine volle 1,5l Plastikflasche in Richtung der Zugbegleiter und traf einen von diesen im Bereich des Rückens unterhalb des Genicks. Der Viertbeschwerdeführer folgte den Zugbegleitern und schlug mehrmals mit den Fäusten und den Füßen gegen das verriegelte Dienstabteil und bedrohte die Zugbegleiter mit den Worten: „Es feigen Arschlöcher, macht auf, ich bring euch alle um! Ich werde in Linz auf euch warten.“ Nachdem der Zug aufgrund einer Baustelle im Bereich eines Bahnhofs zum Stillstand kam flüchteten der Viertbeschwerdeführer und sein Freund mit einem Sprung aus dem Zug, beide konnten durch eine Fahndung der Polizei im Nahbereich aufgefunden werden. Durch den Wurf mit der Plastikflasche erlitt der eine Zugbegleiter eine Prellung der Wirbelsäule. Dieser Zugbegleiter war aufgrund dieser Verletzung zumindest bis Ende Juni 2018 berufsunfähig, der Zugbegleiter hatte aufgrund dieser Verletzung am 19.06.2018 noch immer Schmerzen und war deswegen auch in medizinischer Therapie (BF 4 II-AS 91ff; 103ff).

1.4.4.3. Der Viertbeschwerdeführer hat am 03.07.2018 in der Asylunterkunft lautstark mit seinen Eltern gestritten. Er hat im Zuge des Streits zwei Türen, einen Kasten und eine Wand beschädigt. Er hat mit einem Sessel in der Unterkunft herumgeschlagen. Aufgrund des aggressiven Verhaltens des Viertbeschwerdeführers wurde gegen diesen am 03.07.2018, 09:50 Uhr ein Betretungsverbot gemäß Paragraph 38 a, SPG für die Asylunterkunft (seiner Familie) sowie für einen Umkreis von 50 Metern um diese Asylunterkunft erlassen. (BF 4 II-AS 117-149; 173f). Es wurde gegen den Viertbeschwerdeführer auch eine einstweilige Verfügung erlassen (BF4 II-AS 200). Es wurde gegen den Viertbeschwerdeführer auch ein vorläufiges Waffenverbot erlassen. Der Viertbeschwerdeführer wurde in eine andere Unterkunft verbracht (BF 4 I-OZ 9).

Der Viertbeschwerdeführer war trotz einstweiliger Verfügung am 27.08.2018 in der Asylunterkunft seiner Familie aufhältig. Er wurde von Polizeibeamten im Zimmer seiner Eltern angetroffen. Der Viertbeschwerdeführer wurde nach der Aufforderung die Unterkunft zu verlassen immer aggressiver. Er wurde nach mehrmaliger Abmahnung unter Zwang festgenommen. Er trat beim Verbringen in das Dienstfahrzeug gegen eine Tür der Asylunterkunft und bedrohte die Polizeibeamten mehrmals. Der Viertbeschwerdeführer zeigte sich nicht kooperativ. Er schimpfte und wollte sich nicht zum Dienstfahrzeug verbringen lassen, wodurch er mit Körperkraft angeschoben wurde. Er schrie zu seinen Familienangehörigen, dass diese die Amtshandlung filmen sollen. Sein aggressives Verhalten setzte der Viertbeschwerdeführer auch auf der Polizeistation fort. Der Viertbeschwerdeführer kündigte der Polizei gegenüber an, dass er nach dem Gefängnis weiterhin Drogen konsumieren und verkaufen werde, es könne auch gut sein, dass er sich im Drogenrausch Waffen kaufen und damit jemanden erschießen werde (BF 4 II-AS 187f; AS 207ff).

1.4.4.4. Der Viertbeschwerdeführer hat mehrmals Deos in einem Supermarkt verwendet und die Deo-Dosen anschließend wieder in das Regal zurückgestellt. Der Beschwerdeführer hatte am 11.12.2018 insgesamt 11 kleine Päckchen mit Cannabis bei sich, insgesamt 13g für EUR 100,00. Der Beschwerdeführer konsumiert über mehrere Jahren Cannabis, dabei konsumiert er ca. 1 Gramm am Tag (BF 4 I-OZ 25).

1.4.4.5. Der Viertbeschwerdeführer hat am 14.12.2018 im Schulunterricht einem anderen Mitschüler eine Ohrfeige versetzt und diesen dadurch leicht verletzt (BF 4 I-OZ 14).

1.4.4.6. Der Viertbeschwerdeführer wurde am 20.08.2018 von einem Landesgericht wegen des Vergehens des Diebstahls, der Vergehen der Nötigung, der Vergehen der Sachbeschädigung, des Vergehens der Körperverletzung (Paragraphen 15, Absatz eins,, 127 Absatz eins, StGB; Paragraphen 15, Absatz eins,, 105 Absatz eins, StGB; Paragraphen 15, Absatz eins,, 125 StGB; Paragraph 83, Absatz eins, StGB) zu einer Freiheitsstrafe von acht Wochen, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Diese Verurteilung umfasst nachstehende Taten des Viertbeschwerdeführers: Der Viertbeschwerdeführer hat am 15.01.2018 mit einer anderen Person im bewussten und gewollten Zusammenwirken versucht einem Bekleidungsgeschäft eine Jogginghose, eine Trainingsjacke und ein Paar Socken im Gesamtwert von 45,00 EUR wegzunehmen um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Der Viertbeschwerdeführer hat am 06.05.2018 versucht Glasscheiben eines ÖBB-Euronight-Zuges zu beschädigen, indem er mit der Faust gegen die Glasscheibe des Zugabteils schlug und indem er mit den Füßen und den Fäusten gegen die Glasscheibe des Dienstabteils trat bzw. schlug. Der Viertbeschwerdeführer hat am 03.07.2018 in der Asylunterkunft zwei Eingangstüren und eine Rigipswand beschädigt, indem er mit den Füßen gegen die Türen trat und mit der Faust gegen die Wand schlug. Der Viertbeschwerdeführer hat einen Zugbegleiter vorsätzlich am Rücken verletzt, nämlich indem er eine befüllte 1,5l Plastikflache gegen dessen Rücken schleuderte. Dadurch erlitt der Zugbegleiter eine Prellung der Wirbelsäule. Der Viertbeschwerdeführer hat versucht zwei Zugbegleiter am 06.05.2018 jeweils durch eine gefährliche Drohung zu einer Unterlassung bzw. Handlung zu nötige, und zwar:

a)           Zur Abstandnahme von einer Fahrscheinkontrolle, indem er äußerte „Lass mich in Ruhe, ich will schlafen, ich bring euch alle um!“

b)           Zum Öffnen der Türe des Dienstabteils, indem er äußerte „Ihr feigen Arschlöcher! Macht auf, sonst bringe ich euch alle um!“.

Es lagen keine mildernden Umstände vor. Als erschwerend wurde vom Strafgericht das Zusammentreffen von fünf Vergehen gewertet. Dem Viertbeschwerdeführer wurde für die Dauer der Probezeit eine Bewährungshilfe angeordnet, ihm wurde zudem aufgetragen eine Beratung bei der muslimischen Jugend in Österreich in Anspruch zu nehmen (BF 4 II-AS 229f).

1.4.4.7. Der Viertbeschwerdeführer wurde am 19.09.2018 von einem Landesgericht wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels, der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften, der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und des Vergehens der versuchten Sachbeschädigung (Paragraph 28 a, Absatz eins,, 5. Fall. SMG; Paragraph 27, Absatz eins, Ziffer eins, 1. Und 2. Fall und Absatz 2, SMG; Paragraphen 15, Absatz eins,, 269 Absatz eins, 1. Fall StGB; Paragraphen 15, Absatz eins,, 125 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, die hinsichtlich eines Teiles von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Diese Verurteilung umfasst nachstehende Taten des Viertbeschwerdeführers: Der Viertbeschwerdeführer hat ab 02.01.2018 bis zumindest Ende Juni 2018 zumindest 1,5 kg Cannabis unbekannten Abnehmern überlassen, er hat in diesem Zeitraum zudem Cannabis und Kokain zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen. Der Beschwerdeführer hat am 27.08.2018 Polizeibeamte mit Gewalt und gefährlicher Drohung an der Durchsetzung einer Festnahme bzw. weiterer Amtshandlungen zu hindern versucht, indem er sich körperlich zur Wehr setze, sich drohend gebärdete und folgende Aussagen tätigte:

a)           gegenüber einem Polizeibeamten, dass er ihn schlagen werde, sobald er einmal seine Uniform nicht tragen werde;

b)           gegenüber einem Polizeibeamten, dass er zu seiner Familie kommen werde und er dann sehe werde, was er davon habe, sollte er mit seiner Familie etwas machen;

c)           gegenüber einem Polizeibeamten „Ich bin zwar an den Händen gefesselt, aber ich kann mit dem Kopf alles machen!“, wobei der Viertbeschwerdeführer zugleich einen Kopfstoß andeutete.

Der Beschwerdeführer wurde zudem verurteilt, weil er am 27.08.2018 versuchte eine Türe in der Asylunterkunft zu beschädigen, indem er mit dem Fuß gegen diese Türe trat.

Die mit Strafurteil vom 20.08.2018 verhängte Probezeit wurde auf fünf Jahre verlängert.

Als mildernd wurde gewertet, dass Vorliegen eines Geständnisses sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist. Als erschwerend wurde vom Strafgericht das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall gewertet (Strafurteil vom 19.09.2018, BF 4 I-OZ11; II-AS 245).

1.4.4.8. Der Viertbeschwerdeführer wurde am 24.04.2019 von einem Landesgericht wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (Paragraph 27, Absatz eins, Ziffer eins und Ziffer 2, 2. Fall und Absatz 2 a, SMG; Paragraph 27, Absatz eins, Ziffer eins, 1. und 2. Fall und teils Absatz 2, SMG) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Diese Verurteilung umfasst nachstehende Taten des Viertbeschwerdeführers: Der Viertbeschwerdeführer hat von Oktober 2018 bis zumindest Ende Dezember 2018 und von zumindest 25.02.2019 bis 28.02.2019 anderen gewinnbringend und zumindest teils an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich zumindest 370 Gramm Cannabis vorschriftswidrig gegen Entgelt überlassen. Zudem hat er von Anfang Oktober 2018 bis 28.02.2018 teils zum ausschließlichen Gebrauch Cannabiskraut in einer insgesamt unbekannten Menge erworben und besessen.

Die mit Strafurteil vom 19.09.2018 verhängte Probezeit wurde auf fünf Jahre verlängert.

Als mildernd wurde die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes sowie das überwiegende Geständnis gewertet. Als erschwerend wurde vom Strafgericht das Zusammentreffen von Vergehen, die zwei einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall sowie das Handeln in Gewinnerzielungsabsicht gewertet (Strafurteil vom 24.04.2019, BF 4 I-30).

1.4.4.9. Der Viertbeschwerdeführer wurde am 11.07.2019 von einem Bezirksgericht wegen des Vergehens der Körperverletzung (Paragraph 83, Absatz 2, StGB) verurteilt, wobei im Hinblick auf das Urteil des eines Landesgerichts vom 24.04.2019 auf die Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen wurde.

Diese Verurteilung umfasst nachstehende Tat des Viertbeschwerdeführers: Der Viertbeschwerdeführe hat am 14.12.2018 einer anderen Person eine Ohrfeige gegen die rechte Gesichtshälfte versetzt und diese dadurch in Form von Schmerzen am Körper verletzt. Mildernd wurde das Geständnis, erschwerend die Vorstrafen gewertet.

1.4.4.10. Der Viertbeschwerdeführer kann weder durch Normverdeutlichungsgespräche, noch durch die Einbindung von Sozialarbeitern und Bewährungshilfen noch durch Haftstrafen zu einem rechtskonformen Verhalten bewegt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Viertbeschwerdeführer auch in Zukunft weiterhin Straftaten begehen wird. Der Viertbeschwerdeführer ist nicht einsichtig und er kann weder durch Haftstrafen noch durch Verurteilungen zu rechtskonformen Verhalten angehalten werden. Es besteht durch die hohe Rückfallgefahr des Viertbeschwerdeführers eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

1.4.5. Der Fünftbeschwerdeführer:

Der Fünftbeschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2015/16 die zweite Klasse der Volksschule (BF 5 AS 31-33) und im Schuljahr2016/17 die erste Klasse der Neuen Mittelschule als außerordentlicher Schüler (BF 5 AS 23-29). Im Schuljahr 2017/2018 wiederholte er die erste Klasse der Neuen Mittelschule als ordentlicher Schüler und besuchte im Schuljahr 2018/19 die zweite Klasse der Neuen Mittelschule als ordentlicher Schüler (Beilage ./U; Verwaltungsakt des Fünftbeschwerdeführers – BF 5 Beilage zu OZ 25). Er besuchte im Schuljahr 2019/2020 die dritte Klasse in einer Neuen Mittelschule (OZ 42).

Der Fünftbeschwerdeführer verfügt über gute Deutschkenntnisse (OZ 15, Sitzung 27 f).

Der Fünftbeschwerdeführer nimmt an schulischen Aktivitäten teil (Beilage ./Q bis ./T; BF 5 AS 19-21). Er spielt Fußball in einem Verein (OZ 15, Sitzung 27).

Der Fünftbeschwerdeführer hat freundschaftliche Kontakte in Österreich geknüpft (OZ 15, Sitzung 27). Der Fünftbeschwerdeführer verbringt die Wochenenden immer wieder bei seinem Freund „Dennis“ und dessen Familie (OZ 10, Sitzung 37). Er steht zu diesen jedoch nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis.

Der Fünftbeschwerdeführer versetzte am 04.04.2019 einem Jugendlichen einen Faustschlag ins Gesicht und brach ihm dabei das Nasenbein, weil ihn dieser zuvor provoziert hat (BF 5 OZ 21 und 22). Das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung wurde eingestellt (BF 5 OZ 23).

Der Fünftbeschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.4.6. Der Sechstbeschwerdeführer:

Der Sechstbeschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2016/17 die Vorschulklasse und im Schuljahr 2017/18 die erste Klasse der Volksschule als außerordentlicher Schüler (BF 5 AS 19; Beilage ./J bis ./M) sowie im Schuljahr 2018/19 die zweite Klasse der Volksschule als ordentlicher Schüler (Verwaltungsakt des Sechstbeschwerdeführers – BF 6 Beilage zu OZ 21). Er besuchte im Schuljahr 2019/2020 die dritte Klasse einer Volksschule (OZ 42).

Der Sechstbeschwerdeführer hat freundschaftliche Kontakte zu einem seiner ehemaligen Kindergarten-Kollegen „Rafi“ sowie dessen Großmutter, die der Sechstbeschwerdeführer ebenfalls als „Großmutter“ bezeichnet, geknüpft (OZ 10, Sitzung 18; Beilage ./AA). Der Sechstbeschwerdeführer verbringt die Wochenenden immer wieder bei seinem Freund und dessen Großmutter (OZ 10, Sitzung 37). Er steht zu diesen jedoch nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis.

Der Sechstbeschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

-             Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 13.11.2019 mit Kurzinformation vom 21.07.2020 (LIB),

-             UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR),

-             EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (EASO),

-             FFM Report der Staatendokumentation, Afghanistan aus April 2018 (Beilage ./III)

-             EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Stand Jänner 2018 (Beilage ./IV),

-             Artikel aus dem Standard.at vom 08.07.2011 (Beilage ./VIII),

-             Stellungnahme von Dr. Rasuly vom 19.07.2017 (Beilage ./IX),

-             Dossier der Staatendokumentation Grundlage der Stammes- und Clanstruktur,

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Frauen in urbanen Zentren vom 18.09.2017 (Frauen in urbanen Zentren),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Anzahl an Kindern in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vom 03.05.2019 (Anzahl der Kinder),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Bildungsmöglichkeiten für Kinder in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vom 06.05.2019 (Bildungsmöglichkeiten für Kinder),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Erpresserischer Entführung von Kindern vom 06.05.2019 (Erpresserische Entführungen von Kindern),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Kinderarbeit und Ausbeutung Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vom 03.05.2019 (Kinderarbeit und Ausbeutung),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Kinderehen und Zwangsehen vom 03.05.2019 (Kinderehen und Zwangsehen),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Kinderschutzprogramme vom 03.05.2019 (Kinderschutzprogramme),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Medizinische und psychosoziale Leistungen für Kinder in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vom 03.05.2019 (Medizinische und psychosoziale Leistungen für Kinder),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Rückkehrleistungen für Familien bzw. Kinder vom 14.05.2019 (Rückkehrleistungen für Familien bzw. Kinder),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Sexuellen Missbrauch, körperliche Übergriffe auf Kinder in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vom 06.05.2019 (Sexueller Missbrauch, körperliche Übergriffe auf Kinder),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Sicherheitslage von Kindern in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vom 09.05.2019 (Sicherheitslage für Kinder),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Wasserversorgung und Sanitäranlagen für Kinder in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vom 10.05.2019 (Wasserversorgung und Sanitäranlagen für Kinder),

-             Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Zugang zu Lebensmitteln vom 03.05.2019 (Zugang zu Lebensmitteln),

-             Bericht ACCORD und Sozioökonomische Lage von Herat und Mazar-e Sharif vom 26.11.2019 (Beilage ./XVIII);

1.5.1. Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019 - LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 2). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel römisch II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 4).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen (LIB, Kapitel 2).

1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 20).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 20).

In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlingsund Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses Systemfunktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 20).

Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf). Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von „Teehäusern“, die mit 30 Afghani (das sind ca. € 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. € 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. „Teehäuser“ werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf). Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Kapital 4.2.).

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

1.5.3. Medizinische Versorgung

Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, römisch fünf).

90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 21).

1.5.4. Ethnische Minderheiten und Sprachen

In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 16).

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es werden keine bestimmten sozialen Gruppen ausgeschlossen.

Bei den Sprachen Farsi und Dari handelt es sich um dieselbe Sprache, zwischen denen es keine trennenden Merkmale gibt. Besonders unter der afghanischen Bevölkerung wird das Politikum Farsi/Dari wenig bis gar nicht wahrgenommen. Die meisten verstehen sich als Farsi-sprechendes Volk (derStandard-Artikel – Beilage ./VIII).

Schon mit dem Beginn des Bildungssystems und Entstehung von Presse und Lesekultur in Afghanistan wurden Bücher und Zeitschriften aus dem Iran importiert und ein großer Teil der Filme in den Kinos waren iranische Filme. Es wurde schon immer gerne die iranische Musik in Afghanistan gehört. Der Iran unterstützte den schiitisch-Hazara-Wiederstand gegen die Sowjettruppen in den 80-iger Jahren und gegen die Taliban in den 90-iger Jahren aktiv und der Iran hat mehr als 2 Millionen Schiiten bzw. Hazara als Flüchtlinge im Iran aufgenommen bzw. zugelassen. Die meisten Dari/Farsi-sprachigen Journalisten und Moderatoren im Radio und Fernsehen sprechen heute mit iranischem Akzent, damit sie beweisen, dass sie Hochfarsi sprechen können. Daher werden die Rückkehrer in Afghanistan, die aus dem Iran kommen, weder ausgelacht noch beschimpft (Stellungnahme Dr. Rasuly – Beilage ./IX).

1.5.4.1. Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan. Jahrzehntelange Kriege und schwierige Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Die Stadt Kabul ist in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen und ethnisch gesehen vielfältig. Neuankömmlinge aus den Provinzen tendieren dazu, sich in Gegenden niederzulassen, wo sie ein gewisses Maß an Unterstützung ihrer Gemeinschaft erwarten können (sofern sie solche Kontakte haben) oder sich in jenem Stadtteil niederzulassen, der für sie am praktischen ist. Viele Hazara leben unter anderem in Stadtvierteln im Westen der Stadt, insbesondere in Kart-e Se, Dasht-e Barchi sowie in den Stadtteilen Kart-e Chahar, Deh Buri , Afshar und Kart-e Mamurin (LIB, Kapitel 16.3).

Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre turko-mongolide Physiognomie, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (Dossier der Staatendokumentation Grundlage der Stammes- und Clanstruktur).

Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (LIB, Kapitel 16.3).

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Sollte der Haushalts vorstehende Mann versterben, wird die Witwe Haushaltsvorständin, bis der älteste Sohn volljährig ist. Es bestehen keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, was im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter steht (LIB, Kapitel 16.3).

Während des Jahres 2018 intensivierte der IS Angriffe gegen die Hazara. Angriffe gegen Schiiten, davon vorwiegend gegen Hazara. Das von schiitischen Hazara bewohnte Gebiet Dasht-e Barchi in Westkabul ist immer wieder Ziel von Angriffen. Die Regierung hat Pläne zur Verstärkung der Präsenz der afghanischen Sicherheitskräfte verlautbart. Angriffe werden auch als Vergeltung gegen mutmaßliche schiitische Unterstützung der iranischen Aktivitäten in Syrien durchgeführt (LIB, Kapitel 16.3).

1.5.5. Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten und c.a 10 – 19% Shiiten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 15, 15.1).

Die Schiiten Afghanistans sind mehrheitlich Jafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen; dennoch existieren lokale Diskriminierungsfälle (LIB Kapitel 15.1).

In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden durch den Islamischen Staat (IS) und die Taliban 51 terroristischen Angriffe auf Glaubensstätten und religiöse Anführer der Schiiten bzw. Hazara durchgeführt. Im Jahr 2018 wurde die Intensität der Attacken in urbanen Räumen durch den IS verstärkt. Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (LIB Kapitel 15.1).

1.5.6. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 10).

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel römisch II. C. 1).

Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel römisch II. C. 2).

1.5.7. Bewegungsfreiheit und Meldewesen

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 18).

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschaftsbzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 18.1).

1.5.8. Korruption, Dokumente

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2018 von Transparency International belegt Afghanistan, von 180 untersuchten Ländern den 172. Platz, was eine Verbesserung um fünf Ränge im Vergleich zum Jahr davor darstellt (LIB, Kapitel 6).

Korruption findet in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens statt. Beamte gehen oft ungestraft korrupten Praktiken nach. Es kam jedoch in den vergangenen Jahren zu leichten Verbesserungen bei der Wahrnehmung der Rechenschaftspflicht in der öffentlichen Verwaltung (LIB, Kapitel 6).

Das Personenstands- und Beurkundungswesen in Afghanistan weist gravierende Mängel auf und stellt aufgrund der Infrastruktur, der langen Kriege, der wenig ausgebildeten Behördenmitarbeiter und weitverbreiteter Korruption ein Problem dar. Von der inhaltlichen Richtigkeit formell echter Urkunden kann nicht in jedem Fall ausgegangen werden. Gefälligkeitsbescheinigungen und/oder Gefälligkeitsaussagen kommen sehr häufig vor. Sämtliche Urkunden in Afghanistan können problemlos gegen finanzielle Zuwendungen oder aus Gefälligkeit erhalten werden (LIB, Kapitel 23).

1.5.9. Kabul, Herat und Mazar-e Sharif:

Kabul:

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans. Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Die Stadt Kabul ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, sie hat 5.029.850 Einwohner. Kabul ist Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt (LIB, Kapitel 2.1). Die Stadt Kabul ist über Hauptstraßen mit den anderen Provinzen des Landes verbunden und verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB Kapitel 2.1 und Kapitel 2.35).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele durch, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Die Hauptursache für zivile Opfer in der Provinz Kabul (596 Tote und 1.270 Verletzte im Jahr 2018) waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (LIB, Kapitel 2.1).

Kabul zählt zu jenen Provinzen, in denen es zu willkürlicher Gewalt kommt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an Einzelelementen erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, römisch III.3).

Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Es gibt eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten. Die besten (Arbeits-)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul. Trotz der niedrigeren Erwerbsquoten ist der Frauenanteil in hoch qualifizierten Berufen in Kabul (49,6 %) am größten (LIB, Kapitel 20).

Mazar-e Sharif:

Die Hauptstadt der Provinz Balkh ist Mazar-e Sharif. In dieser Stadt findet willkürliche Gewalt auf einem niedrigen Niveau statt. Im Allgemeinen besteht kein reales Risiko, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer individuelle Risikoelemente berücksichtigt werden, da sie den Antragsteller in risikoreichere Situationen bringen könnten (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, römisch III.3).

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 2.5).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch III).

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 2.35). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabil. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten, wobei dies durch die COVID-Krise Einschränkungen unterliegt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76 %), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92 % der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

Herat:

Die Hauptstadt der Provinz Herat ist Herat-Stadt. In dieser Stadt findet willkürliche Gewalt auf einem niedrigen Niveau statt. Im Allgemeinen besteht kein reales Risiko, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer individuelle Risikoelemente berücksichtigt werden (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, römisch III.3).

Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen. Sie hat 556.205 Einwohner (LIB, Kapitel 2.13).

Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen sicher und legal erreichbar (LIB, Kapitel 2.13). Der Flughafen Herat (HEA) liegt 13 km südlich der Stadt im Distrikt Gozara. Die Straße, welche die Stadt mit dem Flughafen verbindet wird laufend von Sicherheitskräften kontrolliert. Unabhängig davon gab es in den letzten Jahren Berichte von Aktivitäten von kriminellen Netzwerken, welche oft auch mit Aufständischen in Verbindung stehen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten auszuüben. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als „sehr sicher“ gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Herat so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch III).

Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB, Kapitel 20).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Herat, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Herat besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten, wobei dies durch die COBID-Pandemie Einschränkungen unterworfen ist (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

Die meisten Menschen in Herat haben Zugang zu Elektrizität (80 %), zu erschlossener Wasserversorgung (70%) und zu Abwasseranlagen (30%). 92,1 % der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen und 81,22 % zu besseren Wasserversorgungsanlagen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, römisch fünf).

1.5.10. Situation für Rückkehrer

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück. Vom 01.01.2020 bis 18.05.2020 kehrten 279.738 Afghanen aus dem Iran nach Afghanistan zurück (LIB, Kapitel 22).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke – der Familie, der Freunde und der Bekannten – ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 22).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 22).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 22).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 22).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 22).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 22).

Die „Reception Assistance“ umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 22).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 22).

1.5.11. COVID-Situation:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf.

Es haben sich mehr als 35.000 Menschen in Afghanistan mit dem COVID-Virus angesteckt, davon sind 1.280 am COVID-Virus gestorben. Kabul ist am stärksten von COVID-Erkrankungen betroffen. Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen. Mit dem Dastarkhan-e-Milli-Programm möchte die afghanische Regierung Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken. Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten.

Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen. Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen.

Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht.

Der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs wurde in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung. Am meisten betroffen sind Menschen mit Behinderungen oder Familien, die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen. Der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli ist um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind. 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden (LIB, Seite 8ff).

1.5.12. Frauen

Die konkrete Situation von Frauen in Afghanistan ist erheblich von Faktoren wie Herkunft, Familie, Bildungsstand, finanzieller Situation und Religiosität abhängig. Obwohl sich die Lage afghanischer Frauen in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, kämpfen viele weiterhin mit Diskriminierung auf einer Vielzahl von Ebenen, wie rechtlich beruflich, politisch und sozial. Gewalt gegen Frauen bleibt weiterhin ein ernsthaftes Problem. Frauen im Berufsleben und in der Öffentlichkeit müssen oft gegen Belästigung und Schikane kämpfen und sehen sich oft Drohungen ausgesetzt (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Frauen in urbanen Zentren vom 18.09.2017).

Frauenkleidung umfasst in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung – diese unterscheiden sich je nach Bevölkerungsgruppe. Während Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat häufig den sogenannten „Manteau shalwar“ tragen, d.h. Hosen und Mantel mit verschiedenen Arten der Kopfbedeckung, bleiben konservativere Arten der Verschleierung, wie der Chador und die Burka (in Afghanistan Chadri genannt) weiterhin, auch in urbanen Gebieten, vertreten (Frauen in urbanen Zentren, Sitzung 2).

In Kabul- Stadt gibt es ein Familienkino für Frauen und den „Frauen-Garten“ (Bagh-e zanan) — ein öffentlicher Park für Frauen mit verschiedenen Unterhaltungs-, Bildungs- und Sportmöglichkeiten. Der Garten, der sich über 13 Hektar Land streckt und vom Frauenministerium verwaltet wird, erlebt täglich einen großen Ansturm, vor allem am Wochenende (Frauen in urbanen Zentren, Sitzung 29 f).

Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind in einer Vielzahl von beruflichen Feldern aktiv. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen, usw. Sie sind jedoch mannigfaltigen Schwierigkeiten im Berufsleben ausgesetzt, die von Diskriminierung in der Einstellung und im Gehalt, über Schikane und Drohungen bis zur sexuellen Belästigung reichen. Frauen der Mittel- und Unterschicht kämpfen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt und Lohnungleichheit. Dazu müssen Frauen unverhältnismäßig oft unbezahlte Arbeit leisten (Frauen in urbanen Zentren Sitzung 22). In urbanen Zentren werden zudem vermehrt Freizeitangebote speziell für Frauen angeboten (Frauen in urbanen Zentren Sitzung 29 ff).

Traditionen, Rollenbilder, die Sicherheitslage, ländliche Umgebungen und die Armut bzw. beschränkte finanzielle Ressourcen sind Faktoren dafür, dass Mädchen seltener die Schule besuchen als Buben. Die Anzahl weiblicher Studierender hat sich seit 2015 erhöht. Es gibt Bildungsprogramme für Mädchen und junge Frauen, die sich auch mit sicheren Transportmöglichkeiten für diese befassen. Es gibt auch Stipendien für Frauen (LIB Kapitel 17.1).

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert. Der Anteil der Erwerbsbeteiligung bei Frauen hat sich auf 27% erhöht. Bemühungen der afghanischen Regierung, Schlüsselpositionen mit Frauen zu besetzen und damit deren Präsenz zu erhöhen, halten weiter an Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent, weshalb viele Frauen im ländlichen Afghanistan, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nachgehen (LIB Kapitel 17.1).

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Der Großteil der gemeldeten Fälle von Gewalt an Frauen stammt aus häuslicher Gewalt. Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Shura/Schura und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden) (LIB Kapitel 17.1).

Für Frauen ist ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes kaum möglich und wird gemeinhin als unvorstellbar oder gänzlich unbekannt beschrieben. Es existieren gewisse Sicherheitsbedenken, wenn Frauen alleine reisen, doch hat sich die Situation wesentlich verbessert. So kann eine alleinstehende Frau selbst in unsichere Gegenden reisen, solange sie sich dabei an die örtlichen Gegebenheiten hält, also lokale Kleidungsvorschriften einhält (z. B. Tragen einer Burqa) und sie die lokale Sprache kennt. In den Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif können sich Frauen auch ohne männlichen Begleiter in der Öffentlichkeit bewegen (LIB Kapitel 17.1).

Trotz eines Gesetzes, das das minimale Heiratsalter auf 18 Jahre für Männer und 16 Jahre bei Mädchen (bzw. 15 Jahren bei Einverständnis der Eltern oder eines Richters) festlegt, ist die Praxis von erzwungenen Heiraten und Kinderehen in Afghanistan verbreitet. Armut, Analphabetismus, Genderdiskriminierung und fehlender Zugang zu Gesundheit und Bildung sind die wichtigsten treibenden Faktoren für Kinderheirat. Für eine Kinderehe bedarf es der Zustimmung der Eltern (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Kinderehen, Zwangsehen vom 03.05.2019; LIB, Kapitel 17.1)

1.5.13. Kinder

Die Stadt Kabul hat über vier Millionen Einwohner. Die Bevölkerungszahl für die Stadt Herat beträgt 507.000 Einwohner, für die Stadt Mazar-e Sharif 428.000 Einwohner. In der Provinz Kabul sind ca. 41% der Bevölkerung zwischen 0 und 14 Jahren alt, 24% entfallen auf die Altersgruppe 15-24 Jahre, 18% auf die Altersgruppe 25-39 Jahre, 14% auf die Altersgruppe 40-59 Jahre und 3% auf die Altersgruppe der über 60jährigen. In der Provinz Herat sind ca. 49% der Bevölkerung zwischen 0 und 14 Jahren alt, 20% entfallen auf die Altersgruppe 15-24 Jahre, 15% auf die Altersgruppe 25-39 Jahre, 13% auf die Altersgruppe 40-59 Jahre und 3% auf die Altersgruppe der über 60jährigen. In der Provinz Balkh (Hauptstadt Mazar-e Sharif) sind ca. 44% der Bevölkerung zwischen 0 und 14 Jahren alt, 22% entfallen auf die Altersgruppe 15-24 Jahre, 17% auf die Altersgruppe 25-39 Jahre, 14% auf die Altersgruppe 40-59 Jahre und 3% auf die Altersgruppe der über 60jährigen (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 06.05.2019 betreffend die Anzahl der Kinder).

Sicherheitslage für Kinder in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif

Im Jahr 2018 waren 28% aller zivilen Opfer Kinder (3.062 Opfer – 927 Tote und 2.135 Verletzte), davon waren 71% Buben und 27% Mädchen. 39% der Opfer unter Kinder gehen auf Bodeneinsätze zurück, 17% auf improvisierte Bomben (Nicht-Selbstmord), 16% auf Luftangriffe, 14% auf explosive Kampfmittelrückstände, 9% auf Selbstmord- und komplexe Angriffe und 3% auf die Taliban (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 09.05.2019 betreffend Sicherheitslage für Kinder, Sitzung 26 f). Die Sicherheitslage in den einzelnen Polizeidistrikten Kabuls hängt davon ab, ob es sich um Wohngebiete oder um Distrikte mit Regierungsstandorten, Sicherheitseinrichtungen (Militärakademie), ausländischen Organisationen oder um Gebiete an wichtigen Infiltrationswegen der Aufständischen oder der Autobahn handelt. In Distrikten mit wichtigen Einrichtungen ist die Präsenz der Sicherheitskräfte entsprechend hoch. Reine Wohngebiete sind relativ sicher. Die allgemeine Kriminalität ist in vielen Distrikten Kabuls hoch (Sicherheitslage für Kinder, Sitzung 29 ff). In Kabul und Herat kam es zu Angriffen auf Ausbildungseinrichtungen und Schülerinnen (Sicherheitslage für Kinder, Sitzung 36, 40).

Im Jahr 2018 gab es 492 Opfer (150 Tote und 342 Verletzte) durch explosive Kampfmittelrückstände im gesamten Staatsgebiet Afghanistans, was einer Abnahme an Opfern um 23% gegenüber dem Jahr 2017 entspricht. Der Rückgang geht auf Faktoren wie der Bergung von explosiven Kampfmittelrückständen auf Schlachtfeldern, kombiniert mit Aufklärungsprogrammen und der Markierung von vermuteten Gefahrenbereichen zurück. Kinder wurden überproportional Opfer von explosiven Kampfrückständen. Im Jahr 2018 machten sie 87% aller Opfer aus (136 Tote und 290 Verletzte) (Sicherheitslage für Kinder, Sitzung 3). Die meisten Opfer von explosiven Kampfmittelrückständen im Jahr 2018 sind in Afghanistan auf kürzlich stattfindende Kampfhandlungen zurückzuführen. Vertriebene Familien sind einem großen Risiko ausgesetzt, wenn sie in Gebiete zurückkehren, in denen schwere Kämpfe stattgefunden haben (Sicherheitslage für Kinder, Sitzung 2). Die 14 der 16 Distrikte der Provinz Herat – einst eine der am stärksten kontaminierten Gebiete Afghanistans – wird nach zehnjähriger Entminungstätigkeit nun als sicher eingestuft (Sicherheitslage für Kinder, Sitzung 2, 9). in den Jahren 2018 und 2019 (bis 7.5.)

Versorgungssituation der Kinder in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif

Kabul importiert den Großteil des Bedarfs an Lebensmitteln aus umliegenden Regionen und dem Ausland, weshalb es weniger von Lebensmittelnotständen betroffen ist. Es kommt zu großen Schwankungen bei der Lieferung und somit zu Knappheit bei bestimmten Lebensmitteln. Die Lebensmittelversorgung in Kabul und Mazar-e Sharif ist (mit Stand Dezember 2018) angespannt, sodass trotz humanitärer Unterstützung mindestens ein Fünftel der Haushalte einen minimal ausreichenden Lebensmittelkonsum aufweist, aber nicht in der Lage ist notwendige Ausgaben abseits von Lebensmitteln zu bestreiten. Herat befindet sich betreffend die Lebensmittelversorgung in der Krise, sodass trotz humanitärer Hilfe mindestens ein Fünftel der Haushalte Mängel in der Lebensmittelversorgung oder überdurchschnittliche Mangelernährung aufweisen bzw. kaum in der Lage waren das Minimum des Lebensmittelbedarfs zu decken (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 03.05.2019 betreffend Zugang zu Lebensmitteln, Sitzung 3 f).

Ca. 70% der Kabuler Bevölkerung lebt in informellen Siedlungen (= Wohngebiete, die entweder auf Grundstücken errichtet wurden, auf die die Bewohner keinen Rechtsanspruch haben und/oder Wohngebiete, die nicht den Planungs- und Bauvorschriften entsprechen). Die Stadt Kabul hat zwar kein zentrales Abwassersystem, jedoch verfügt fast die Hälfte der Bevölkerung in Kabul über grundlegende sanitäre Einrichtungen (= Einrichtungen, die nicht gemeinsam genutzt und durch welche Exkremente entweder sicher entsorgt oder entfernt werden). Die Qualität des Grundwassers ist auch durch das in den Kabul-Fluss eingeleitete häusliche und industrielle Abwasser gesunken (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 03.05.2019 betreffend Wasserversorgung und Sanitäranlagen für Kinder, Sitzung 3).

Ca. 65.000 Wohnungen in Kabul sind an das kommunale Wassersystem angeschlossen. Viele der 213.000 Brunnen in der Stadt haben die Menschen selbst gegraben (Zugang zu Lebensmitteln, Sitzung 8 f). Viele Bewohner Kabuls sind auf öffentliche Wasserhähne angewiesen, die von ihren Häusern oft weit entfernt sind. Es ist in der Regel Aufgabe von kleinen Kindern (oft Mädchen) das Wasser zu holen (Wasserversorgung und Sanitäranlagen für Kinder, Sitzung 4). Die Stadtverwaltung hat zum Wassersparen aufgerufen und verfolgt Pläne um die durch die steigende Nachfrage und den Wasserverbrauch gesunkenen Grundwasserspeicher wieder aufzufüllen (Zugang zu Lebensmitteln, Sitzung 8 f). Städtische Rückkehrer und Binnenvertriebene haben gleichberechtigten Zugang zu Wasser wie die aufnehmende Gesellschaft (Wasserversorgung und Sanitäranlagen für Kinder, Sitzung 2).

In der Stadt Herat leben ca. 5% der Bevölkerung in weichen Strukturen oder Zelten. Herat-Stadt hat kein zentrales Abwassersystem. 80% der Einwohner der Stadt Herat haben Zugang zu Netzstrom, 70% zu Wasser und 30% zu Abwasserentsorgung. Herat war das Ziel von rund 60.000 Menschen, die aufgrund von Dürre vertrieben wurden. Diese Menschen leben in überfüllten Lagern in und um Herat-Stadt (Wasserversorgung und Sanitäranlagen für Kinder, Sitzung 4 f).

In Mazar-e Sharif leben 66,5% in Eigentumshäusern, während 24,5% ihre Wohnung mieten. 76% der Bewohner Mazar-e Sharifs haben Zugang zu verbesserten Trinkwasserquellen aus Rohrleitungen oder Brunnen und 92% der Haushalte verfügen über verbesserte sanitäre Einrichtungen (Wasserversorgung und Sanitäranlagen für Kinder, Sitzung 5).

Bildungsmöglichkeiten, Kinderarbeit und Ausbeutung von Kindern in Kabul, Herat und Mazer-e Sharif

In Afghanistan gibt es öffentliche und kostenlose Grundschulen. Alle Kinder haben ein Recht auf den Schulbesuch, aber die Eltern sind nicht verpflichtet ihre Kinder in die Schule zu schicken (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 06.05.2019 betreffend Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Sitzung 9). Es gibt auch kostenpflichtige private Schulen, in Herat kann die Schulgebühr für private Schulen bis zu 1.500 USD kosten. Der Anteil an Privatschülern in Afghanistan beträgt zwischen 2% und 5% (Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Sitzung 2, 5). Kabul ist der gebildetste Teil von Afghanistan, die Provinz Kabul hat eine der höchsten Schulbesuchsraten unter den Elementarschülern. In der Stadt Kabul gingen ca. 22% der Kinder nicht in die Schule, der Anteil von Mädchen, die keine Schule besuchen, liegt unter 30% (Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Sitzung 3 f). In der Stadt Herat besuchen 79,6% der Buben und 76,2% der Mädchen eine Elementarschule, 42,3% der Buben und 41,7% der Mädchen besuchen eine Sekundarschule. Die Alphabetisierungsrate ist in der Stadt Mazar-e Sharif höher als in der Stadt Herat. Die Provinz Balkh hat eine der höchsten Einschulungsraten für Mädchen in Afghanistan (Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Sitzung 5). Mädchen, Kinder die in ländlichen Gebieten wohnen, Kuchis, Kinder mit Behinderungen und Kinder in schlechten wirtschaftlichen Lagen haben schlechtere Bildungschancen (Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Sitzung 3). Die schlechte wirtschaftliche Lage einer Familie kann dazu beitragen, dass Kinder die Schule nicht besuchen. Das traditionelle Rollenverständnis bei Mädchen, die eine ablehnende Einstellung der Familie eines Mädchens zur Notwendigkeit der Schulbildung für Mädchen und die Verheiratung von Mädchen im jungen Alter, führt dazu, dass Mädchen seltener die Schule besuchen (Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Sitzung 2, 10). Rund 60% der Kinder in Afghanistan, die keine Schule besuchen, sind Mädchen. Ein Großteil der Kinder, die keine Schule besuchen, lebt im ländlichen Raum (Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Sitzung 4). Binnenvertriebene und Rückkehrer haben erschwerten Zugang zu Bildung, wobei im Städtischen Bereich die Schulbesuchsrate höher als im ländlichen Gebiet ist. Auch das Fehlen einer Tazkira kann einen Schulbesuch erschweren oder verhindern (Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Sitzung 4). An Schulen kommt physische Gewalt nur selten vor (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 06.05.2019 betreffend Sexueller Missbrauch, körperliche Übergriffe auf Kinder, Sitzung 18 f)

Ökonomische Zwänge, mangelnde Qualität der gebotenen Schulbildung sowie tradierte Vorstellungen altersgemäßer Beschäftigung der Kinder veranlasst Eltern ihre Kinder anstelle eines Schulbesuchs arbeiten zu lassen. In den Städten gibt es Arbeitsmöglichkeiten ähnlich einem Lehrlingsverhältnis. Hierbei kann es jedoch zu Misshandlungen durch den Arbeitgeber kommen, es besteht für die Lehrlinge nur wenig Schutz. Die Bezahlung der Lehrlinge ist – verglichen mit anderen Formen der Kinderarbeit – sehr gering. Da Kinder, die gleichzeitig arbeiten und zur Schule gehen mit unterschiedlichen Problemen konfrontiert sind (Ausgrenzung in der Schule, negative Einstellung der Schule und des Arbeitgebers, Doppelbelastung, etc), begünstigt dies einen Schulabbruch der Kinder (Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Sitzung 2, 11 f).

In den Städten Herat, Kabul und Mazar-e Sharif kommt es trotz gesetzlichen Verboten zu Kinderarbeit und Ausbeutung (= eine Verrichtung von Tätigkeiten, für welche die eingesetzten Kinder zu jung sind, Schwerarbeit und gesundheitsschädliche Tätigkeiten oder sexuelle Ausbeutung) (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 03.05.2019 betreffend Kinderarbeit und Ausbeutung, Sitzung 1). In Afghanistan sind 29% der Kinder im Alter von 5 und 17 Jahren von Kinderarbeit betroffen (Kinderarbeit und Ausbeutung, Sitzung 11). Das Risiko von Ausbeutung und Gewalt ist für arbeitende Kinder besonders groß, da die Einhaltung von Arbeitsgesetzen kaum überwacht wird (Kinderarbeit und Ausbeutung, Sitzung 6 f). Rund ein Fünftel der Binnenvertriebenen im städtischen Raum sind auf Kinderarbeit angewiesen. Insbesondere in Kabul ist Kinderarbeit weit verbreitet, was sowohl auf die größere ökonomische Verwundbarkeit der Binnenvertriebenen, wie auch die „relativ dynamische“ Wirtschaft der Hauptstadt, welche eine höhere Nachfrage nach Kinderarbeit schafft, zurückzuführen ist (Kinderarbeit und Ausbeutung, Sitzung 2, 3 f). Treibender Faktor von Kinderarbeit ist der ökonomische Zwang. Zudem ist ausschlaggebend, ob Familien intakt sind oder ob bedeutsame Ernährer der Familie (Väter) fehlen und weiters ist die Haltung der Familien, insbesondere der Eltern, gegenüber Kinderarbeit und Bildung von Bedeutung. Die Familien, die ihre Kinder arbeiten schicken, verfügen über keine sozialen Netzwerke oder gemeinschaftliche Unterstützung, wodurch die Notwendigkeit von Kinderarbeit für diese Familien verringert werden könnte (Kinderarbeit und Ausbeutung, Sitzung 2, 5 f). Entgegen dem Willen der Eltern findet keine Kinderarbeit statt (Kinderarbeit und Ausbeutung, Sitzung 2).

Kinder- und Zwangsehen

Das afghanische Zivilgesetzbuch sieht ein gesetzliches Mindestalter für eine Heirat vor, dieses liegt bei Mädchen bei 16 Jahren und bei Jungen bei 18 Jahren (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 03.05.2019 betreffend Kinderehen, Zwangsehen, Sitzung 3). Erzwungene und Baad-Heiraten (die Übergabe eines Mädchens zur Konfliktbereinigung) sind verboten. Dennoch sind in Afghanistan frühe oder erzwungene Heiraten weit verbreitet (Kinderehen, Zwangsehen, Sitzung 2). Wenn die Familie oder eine Jirga eine Swara-Heirat (die Übergabe des Mädchens wird statt der Zahlung von Blutgeld vereinbart) beschließt, müssen betroffene Mädchen oder Frauen sich fügen (Kinderehen, Zwangsehen, Sitzung 6, 9 ff). Kinder, überwiegend Mädchen, werden gegen Geld (zwangs)verheiratet. Armut, Analphabetismus, Genderdiskriminierung und fehlender Zugang zu Gesundheit und Bildung sind die wichtigsten treibenden Faktoren für eine Kinderheirat. Der Anteil an Kinderehen erhöht sich stark in Lagern für Binnenvertriebene, da dort extreme finanzielle Not, Analphabetismus, fehlender Zugang zu Gesundheit und wirtschaftlichen Möglichkeiten noch mehr verbreitet ist (Kinderehen, Zwangsehen, Sitzung 3, 6 f).

Sexueller Missbrauch, körperliche Übergriffe und Erpresserische Entführung von Kindern

In den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat kommt es nach wie vor zu körperlichen Übergriffen bzw. physischer Gewalt gegenüber Kindern im familiären Umfeld. Sexueller Missbrauch findet innerhalb der Familie nur sehr selten statt, jedoch geht man von einer hohen Dunkelziffer aus (Sexueller Missbrauch, körperliche Übergriffe auf Kinder, Sitzung 16 ff).

Es gibt auch seitens der Sicherheitskräfte sexuelle Übergriffe auf Kinder, insbesondere in Form von Bacha Bazi. Während Offiziere von niedrigem Rang und Soldaten aufgrund von Kindesmissbrauchs angeklagt werden, fällt es höherrangigen Offizieren, die über Macht und Geld verfügen leicht, mittels Drohungen für Schweigen über ein Verbrechen zu sorgen (Sexueller Missbrauch, körperliche Übergriffe auf Kinder, Sitzung 10 f).

In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif kommt es vermehrt zu Entführungen. Davon sind insbesondere, aber nicht nur als wohlhabend wahrgenommene Personen bzw. deren Familien, darunter auch Kinder, betroffen (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 06.05.2019 betreffend Erpresserische Entführungen von Kindern, Sitzung 2). Entführer sind nicht Mitglieder einer bewaffneten Gruppierung und ihre Motive sind nicht ideologisch motiviert (Erpresserische Entführungen von Kindern, Sitzung 16). Die Polizei verfolgt jeden Entführer, doch die Unfähigkeit der Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung lässt viele Leute denken, dass einige Kriminelle mit der Polizei zusammenarbeiten würden (Erpresserische Entführungen von Kindern, Sitzung 14).

Medizinische und psychosoziale Leistungen für Kinder in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif

Beim Zugang zu Gesundheitseinrichtungen bestehen erhebliche geografische Unterschiede, wobei die Versorgungslage in den Städten besser ist als am Land. Auch die wirtschaftliche Lage einer Familie hat wesentliche Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung der Kinder. Routineuntersuchungen von Kindern sind aus finanziellen, kulturellen und religiösen Gründen unüblich. Der Zugang zu Impfungen ist im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Viele Kinder und Jugendliche leiden an unbehandelten psychischen Störungen aufgrund von Traumata und Stress wegen Konflikten, Binnenvertreibung, Armut und Gewalt. (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 06.05.2019 betreffend Medizinische und psychosoziale Leistungen für Kinder, Sitzung 2, 12 f).

In Kabul gibt es zwei öffentliche Einrichtungen die eine stationäre psychiatrische Versorgung kostenlos bieten. Entsprechende private Einrichtungen bieten keine stationäre, jedoch ambulante psychiatrische Behandlung an. Medikamente sind in den Krankenhäusern nicht immer kostenlos erhältlich (Medizinische und psychosoziale Leistungen für Kinder, Sitzung 4 f). In der Stadt Kabul gibt es drei Krankenhäuser mit Kinderfachärzten sowie zwei Einrichtungen mit Kinderpsychologen (Medizinische und psychosoziale Leistungen für Kinder, Sitzung 13, 21).

In der Stadt Herat ist die stationäre Behandlung durch einen Psychologen nur in einem privaten Krankenhaus möglich. Ambulante psychiatrische Behandlungen werden auch im öffentlichen Herater Regionalkrankenhaus kostenlos angeboten (Medizinische und psychosoziale Leistungen für Kinder, Sitzung 4, 6).

In Mazar-e Sharif gibt es ca. 10-15 Krankenhäuser, die meisten davon privat sowie 30-50 Gesundheitskliniken und zwei Einrichtungen die psychiatrische Dienste bereitstellen (Medizinische und psychosoziale Leistungen für Kinder, Sitzung 6 f).

Obwohl die Behandlung in öffentlichen Einrichtungen kostenlos sein sollte, werden in der Praxis dennoch Gebühren verlangt und ist es auch übliche Praxis, dass Patienten den Arzt bestechen um qualitativ besser behandelt zu werden. Ein Elternteil kann ohne zusätzliche Kosten mit einem stationär aufgenommenem Kind im Krankenhaus übernachten, da sich diese ein Bett teilen müssen (Medizinische und psychosoziale Leistungen für Kinder, Sitzung 16 f).

Kinderschutzprogramme

Das afghanische Frauenministerium hat gemeinsam mit dem Ministerium für Information und Kultur Initiativen zur Vorbeugung und Beendigung von Kinderheiraten sowie Gesetze und Unterstützungen für Menschen, die davon betroffen sind geplant (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 03.05.2019 betreffend Kinderschutzprogramme, Sitzung 2).

Die afghanische Regierung hat folgende Maßnahmen gesetzt um Kinder zu schützen:

1.           Gründung des Child Protection Action Network in über 100 Distrikten und 33 Provinzen. Im Programm wurden 2014-2015 5.411 Fälle vulnerabler Kinder behandelt und 492 Kinder wurden vor den schlimmsten Formen der Kinderarbeit geschützt.

2.           Einrichtung eines Systems für Reintegration vulnerabler Kinder in ihre Familien. 2014-15 erhielten 264 Kinder temporäre soziale Unterstützung und wurden mit ihren Familien wieder vereint.

3.           Einrichtung von 39 Waisenhäusern, zusätzlich zu 52 privaten Waisenhäusern, die Unterstützung und Schutz für insgesamt 20.220 Waisenkinder bieten.

4.           Einrichtung eines sozialen Sicherheitsnetzes mit finanzieller Unterstützung für arme Familien mit Kindern. 2016 wurden über 15.000 solcher Familien mit Kindern unter fünf Jahren identifiziert.

5.           Im Jahr 2014-15 wurden 19.000 Straßenkinder in Schulen aufgenommen (Kinderschutzprogramme, Sitzung 8 f).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die Verwaltungs- und Gerichtsakten, durch Einvernahme der Erst- bis Fünftbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden und Länderberichte.

Dem Erkenntnis werden die UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 sowie EASO Country Guidance Afghanistan aus 2019 zugrunde gelegt.

Die Beschwerdeführer gaben in der Verhandlung vom 23.09.2020 übereinstimmend an, dass sich – abgesehen von weiteren Integrationsschritten und Veränderungen im Gesundheitszustand bei dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin – keine Änderungen oder Ergänzungen zu den Angaben in der Verhandlung im Dezember 2018 ergeben haben. Es werden daher die Protokolle aus Dezember 2018 sowie aus September 2020 dem Erkenntnis zu Grunde gelegt.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:

2.1.1. Bei der Beurteilung des Vorbringens der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer findet in die Beweiswürdigung Eingang, dass es sich bei ihnen bei den Einvernahmen teilweise um Minderjährige handelte, sodass die Dichte des Vorbringens der Beschwerdeführer nicht mit "normalen" Maßstäben gemessen werden kann vergleiche VwGH 24.09.2014, 2014/19/0020). Der Drittbeschwerdeführer war bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme beim Bundesamt minderjährig, spätestens bei den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht war der Drittbeschwerdeführer bereits volljährig. Der Viert- und der Fünftbeschwerdeführer war bei den mündlichen Verhandlungen im Dezember 2018 noch minderjährig. Der Viertbeschwerdeführer war bei der Verhandlung im September 2020 volljährig bzw. würde dieser (ausgehende vom fiktiven Mindestalter) spätestens am römisch 40 09.2020 das 18. Lebensjahr vollenden. Das erkennende Gericht nimmt deshalb darauf Bedacht, dass die Angaben des Drittbeschwerdeführers in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt sowie des Viert- und Fünftbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung im Dezember 2018 aus der Perspektive eines Minderjährigen erfolgten.

Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

2.1.2. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführer gelten ausschließlich zur Identifizierung der Personen der Beschwerdeführer im Asylverfahren.

Die Feststellungen betreffend die familiären Verhältnisse der Beschwerdeführer zueinander sowie, dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin eine Tochter im Iran haben und der Sechstbeschwerdeführer der Neffe des Erstbeschwerdeführers ist, ergibt sich aus den im gesamten Verfahren übereinstimmenden Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerde-führerin. Sofern der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesamt angegeben haben einen weiteren leiblichen Sohn zu haben, der im Iran bei der Cousine der Zweitbeschwerdeführerin lebe (BF 1 AS 179; BF 2 AS 87), ist dies nicht glaubhaft. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin erwähnten den angeblich weiteren Sohn lediglich beim Bundesamt, wohingegen die Zweitbeschwerdeführerin bereits in der Erstbefragung ihre leibliche Tochter erwähnte. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Zweitbeschwerdeführerin in der Erstbefragung zwar ihre Tochter nennt und anführt, dass der Erstbeschwerdeführer vergessen habe sie zu erwähnen, jedoch einen weiteren ebenfalls im Iran verbliebenen Sohn nicht einmal mit einem Wort erwähnt (BF 2 AS 7). Zudem fällt auf, dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin einen weiteren Sohn in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht anführten, ihre im Iran verbliebene Tochter jedoch immer wieder nannten (OZ 10, Sitzung 11, 13, 30 f). Darüber hinaus hat der Drittbeschwerdeführer beim Bundesamt lediglich eine Schwester im Iran erwähnt und einen weiteren Bruder nicht genannt (BF 3 AS 33). Da es absolut nicht nachvollziehbar ist, dass Eltern zwar stringent ihre im Iran verbliebene Tochter nennen, einen weiteren im Iran verbliebenen leiblichen Sohn jedoch lediglich einmal im Verfahren vorbringen und diesen sodann mit keinem Wort mehr erwähnen, ist das diesbezügliche Vorbringen nicht glaubhaft.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf den diesbezüglich im gesamten Verfahren übereinstimmenden Aussagen der Beschwerdeführer.

Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer gaben im Verfahren jeweils an Dari als Muttersprache zu sprechen (BF 1 AS 3, 175; BF 2 AS 3, 85; BF 3 AS 3, 27; OZ 15, Sitzung 12). Da die Beschwerdeführer im Familienverband aufgewachsen sind und vom Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin erzogen wurden, ergibt sich auch für die anderen Beschwerdeführer nichts Gegenteiliges. Betreffend das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers in Beschwerdeverhandlung, wonach seine Kinder nur Farsi und nicht Dari sprechen würden, wird auf die Ausführungen unter Punkt römisch II.2.2.3. verwiesen. Es wurden auch die Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht mit der Dolmetscherin ausschließlich in der Sprache Dari durchgeführt und es gab diesbezüglich keine Verständigungsschwierigkeiten.

2.1.3. Die Feststellungen zu den jeweiligen Geburtsorten und dem Lebenslauf der Beschwerdeführer (ihr Aufwachsen und ihre familiäre und wirtschaftliche Situation im Iran sowie die jeweilige Schulbildung und berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführer) stützt sich auf die diesbezüglich schlüssigen Angaben der Beschwerdeführer. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen der Beschwerdeführer zu zweifeln.

Dass die Beschwerdeführer während ihres viermonatigen Aufenthaltes in Kabul im Haus des verstorbenen Vaters des Erstbeschwerdeführers gewohnt haben, ergibt sich aus den diesbezüglich schlüssigen Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesamt (BF 1 AS 181; BF 2 AS 94). Die in der Beschwerdeverhandlung getätigten Angaben des Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführers bezüglich dem viermonatigen Aufenthalt ihrer Familie in Afghanistan scheinen hingegen konstruiert. So gab der Erstbeschwerdeführer an, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Kabul im ersten Bezirk der Stadt Kabul an dem Ort Chindaul in einem Miethaus gewohnt hätten. Dadurch dass sich der Erstbeschwerdeführer in Kabul auskenne, habe er das Haus gefunden, welches er gemietet habe (OZ 10, Sitzung 13). Der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer gab hingegen an, dass sie nicht genau sagen könnten, wo sie während ihres viermonatigen Aufenthaltes in Afghanistan gelebt hätten. Der Drittbeschwerdeführer gab an, dass sie nicht in der Stadt Kabul in einem Miethaus mit Garten gewohnt hätten (OZ 15, Sitzung 14). Der Viertbeschwerdeführer führte hingegen aus, dass sie zunächst einige Tage in der Stadt Kabul bei einer anderen Familie, die Stammesangehörige gewesen seien, geblieben und danach in ein ländliches Gebiet gezogen seien. Am Land hätten sie in einem Haus mit Garten gelebt (OZ 15, Sitzung 17). Aufgrund der widersprüchlichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung, sind diese nicht glaubhaft und wird hingegen den beim Bundesamt schlüssigen und übereinstimmenden Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin gefolgt. Zudem entspricht es der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH).

In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass es den Beschwerdeführern nach ihrem ca. 15-jährigen Aufenthalt im Iran somit möglich war wieder in das Haus des Vaters des Erstbeschwerdeführers zurückzukehren. Der Erstbeschwerdeführer hatte daher offenkundig keine Probleme betreffend das Eigentum des Hauses. Sofern der Erstbeschwerdeführer hingegen in der Beschwerdeverhandlung angegeben hat über kein Eigentum in Afghanistan zu verfügen (OZ 10, Sitzung 15), weil sein Vater das Haus bereits verkauft habe als dieser noch gelebt habe, ist dies nicht damit vereinbar, dass die Beschwerdeführer während ihres viermonatigen Aufenthaltes in Kabul im Haus des Vaters des Erstbeschwerdeführers gewohnt haben. Dass der Vater des Erstbeschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt schon verstorben war, ergibt sich daraus, dass weder der Erst- noch die Zweitbeschwerdeführerin je angegeben haben, dass sie den Vater des Erstbeschwerdeführers in Afghanistan besucht oder bei ihm gewohnt haben, sondern lediglich die Rede davon gewesen ist, dass sie in dessen Haus untergekommen sind. Zudem scheint es unplausibel, dass der Erstbeschwerdeführer und seine sämtlichen Geschwister in den Iran gegangen seien, jedoch deren Vater alleine in Afghanistan zurück geblieben sei. Der Erstbeschwerdeführer hat nie erwähnt, dass sein Vater mit ihnen in den Iran oder vom Iran zurück nach Afghanistan gegangen sei. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass der Vater des Erstbeschwerdeführers bereits vor der ersten Ausreise der Beschwerdeführer in den Iran verstorben ist. Da die Beschwerdeführer jedoch während ihres viermonatigen Aufenthaltes in Kabul im Haus des bereits verstorbenen Vaters gewohnt haben, ist das Vorbringen, wonach der Vater des Erstbeschwerdeführers sein Haus bereits zu Lebzeiten verkauft habe, nicht glaubhaft. Zudem ist nicht plausibel, dass der Erstbeschwerdeführer zwar über ca. 15 Jahre lang das Eigentum am Haus seines Vaters aufrechterhalten habe, jedoch nunmehr nicht mehr über das Haus verfüge. Vielmehr hat der Erstbeschwerdeführer versucht seine Eigentumsverhältnisse in Afghanistan vor dem Bundesverwaltungsgericht zu verschleiern. Es ist daher festzustellen, dass der Erstbeschwerdeführer noch über das einstöckige Haus mit mindestens vier Zimmern seines bereits verstorbenen Vaters in Kabul verfügt und die Beschwerdeführer wieder dorthin zurückkehren können.

Dass eine Schwester des Erstbeschwerdeführers bzw. die Eltern des Sechstbeschwerdeführers in Kabul bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen sind, ergibt sich aus den diesbezüglich stringenten Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin (BF 1 AS 13, 183 ff; BF 2 AS 95; OZ 10, Sitzung 13, 22 f, 31, 42)

Die Feststellungen zur Einreise sowie das Datum der Antragstellung ergeben sich aus den Akteninhalten.

2.1.4. Die Feststellungen zur im Iran lebenden Tochter des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin und dem häufigen Kontakt der Zweitbeschwerdeführerin mit dieser, ergibt sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin (BF 1 AS 179; BF 2 AS 7, 87, 92).

Die Feststellungen zu den bereits verstorbenen Eltern und im Iran lebenden Verwandten des Erstbeschwerdeführers und dessen regelmäßigen Kontakt zu seinen Geschwistern stützen sich auf die diesbezüglich schlüssigen Angaben des Erstbeschwerdeführers beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung (BF 1 AS 183; OZ 10, Sitzung 14).

Die Feststellungen zu den in Kabul lebenden Geschwistern der Zweitbeschwerdeführerin stützen sich auf die diesbezüglich schlüssigen Angaben des Erstbeschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht, die im Wesentlichen auch mit den Angaben der Zweitbeschwerde-führerin vor dem Bundesamt übereinstimmen. Die Zweitbeschwerdeführerin hat in der Beschwerdeverhandlung hingegen angegeben, dass nunmehr alle ihre Geschwister im Iran leben würden und sie keine Verwandten mehr in Afghanistan habe (OZ 10, Sitzung 31). Zum Widerspruch zu den Angaben ihres Ehemannes befragt, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass der Erstbeschwerdeführer keinen Kontakt zu ihren Verwandten habe und sie ihm nicht erzählt habe, dass diese in den Iran gegangen seien (OZ 10, Sitzung 32). Auf nochmaligen Vorhalt der detaillierten Angaben ihres Ehemannes betreffend ihre Verwandten in Kabul und zu ihren Familienverhältnissen, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie nicht gewusst habe, dass damit ihre Geschwister gemeint gewesen seien. Es sei richtig, dass eine ihrer Schwestern fünf Kinder habe und ihre andere Schwester in Deutschland lebe und drei Kinder habe. Der Erstbeschwerdeführer habe richtige Angaben gemacht (OZ 10, Sitzung 32). Da die Zweitbeschwerdeführerin betreffend ihre Familienverhältnisse offenkundig nicht der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht hat, geht das Gericht davon aus, dass sie versucht hat ihre Familienverhältnisse zu verheimlichen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage der Zweitbeschwerdeführerin, dass sie ihrem Mann nichts von dem Umzug ihrer Geschwister in den Iran erzählt habe und er deshalb detaillierte Angaben zum Aufenthalt ihres Bruders und ihrer Schwester in Kabul getätigt habe, nicht glaubhaft. Auch die Angaben der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 23.09.2020, wonach diese keine Verwandten mehr in Afghanistan haben würden, war unter Berücksichtigung der bisherigen massiven Widersprüche ebenfalls als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Die Beschwerdeführer Vielmehr ist festzustellen, dass ein Bruder und eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin nach wie vor in Kabul leben.

Die Feststellungen zur Mutter und zum im Iran aufhältigen Bruder sowie zur Tante väterlicherseits der Zweitbeschwerdeführerin ergeben sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin (BF 2 AS 92; OZ 10, Sitzung 15, 31).

Die Feststellungen zur in Deutschland lebenden Schwester der Zweitbeschwerdeführerin ergeben sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der auf Vorhalt getätigten Angaben der Zweitbeschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung (OZ 10, Sitzung 15, 32).

Dass die Zweitbeschwerdeführerin regelmäßig Kontakt zu ihrer Mutter und ihren Geschwistern hat, ergibt sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin (BF 2 AS 92; OZ 10 Sitzung 15, 32).

2.1.5. Dass der Erstbeschwerdeführer Diabetes und erhöhte Cholesterinwerte hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglich stringenten Angaben (BF 1 AS 179, OZ 10, Sitzung 20) und aus den beim Bundesamt vorgelegten medizinischen Unterlagen (BF 1 AS 197-205). Entgegen den Ausführungen des Erstbeschwerdeführers beim Bundesamt, wonach er erst an Diabetes leide seit er in Österreich sei und er das Problem im Iran nicht gehabt habe, sondern erst fünf Monate nach seiner Einreise in Österreich Diabetes diagnostiziert worden sei (BF 1 AS 179), hat der Erstbeschwerdeführer bereits unmittelbar nach seiner Einreise in Österreich bei der Erstbefragung gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angegeben zuckerkrank zu sein (BF 1 AS 7). Es ist daher festzustellen, dass dem Erstbeschwerdeführer seine Erkrankung bereits im Iran bekannt war. Dass der Erstbeschwerdeführer arbeitsfähig ist, stützt sich auf seine entsprechende Angabe (BF 1 AS 189) sowie auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der Zweitbeschwerdeführerin gründen auf ihren diesbezüglich glaubhaften Aussagen in der Beschwerdeverhandlung und auf die vorgelegten medizinischen Bestätigungen.

2.1.6. Zum Alter des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers ist folgendes auszuführen: Das Geburtsdatum des Viertbeschwerdeführers wird im Asylverfahren mit 01.01.2004 geführt. Während der Erstbeschwerdeführer beim Bundesamt am 28.11.2017 angab, dass der Viertbeschwerdeführer 13 Jahre alt sei (BF 1 AS 179), nannte die Zweitbeschwerdeführerin am selben Tag beim Bundesamt das Alter des Viertbeschwerdeführers mit 14 Jahren (BF 2 AS 87). Es ist somit bereits zu diesem Zeitpunkt ein Widerspruch betreffend das Alter des Viertbeschwerdeführers erkennbar. Am 07.03.2018 gab der Viertbeschwerdeführer gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass er bereits 16 Jahre alt sei (BF 4 I-OZ 2), womit ein Geburtsdatum spätestens am 07.03.2002 anzunehmen wäre. In der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung am 21.12.2018 gab der Viertbeschwerdeführer sein Geburtsdatum mit 14.06.2003 an (OZ 15, Sitzung 14), was einem Alter zum Verhandlungszeitpunkt von 15 Jahren entspräche. Nach Vorhalt seiner Angaben, führte der Viertbeschwerdeführer aus, dass er der Polizei gegenüber ein falsches Alter von 16 Jahren genannt habe, weil er eine Zigarette in der Hand gehabt habe und keine Strafe habe zahlen wollen (OZ 15, Sitzung 15). Das Gericht wertet dies als bloße Schutzbehauptung, zumal das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Altersfeststellungsgutachten vom 12.11.2018 ausführte, dass nur das gegenüber der Polizei am 07.03.2018 geäußerte Alter, wonach er bereits das 16. Lebensjahr vollendet habe, mit dem Befundergebnis vereinbar sei. Der Viertbeschwerdeführer machte zudem nicht den Eindruck als würde er sein Verhalten gegenüber Polizeibeamten deeskalierend oder konfliktvermeidend gestalten. Laut Gutachten betrug das geringstmögliche „wahrscheinliche“ Alter des Viertbeschwerdeführers zum Untersuchungszeitpunkt am römisch 40 11.2018 bereits römisch 40 Jahre Anmerkung BVwG: was einem Geburtsdatum im Jahr 2001 entspräche) und laute das spätestmögliche „fiktive“ Geburtsdatum auf den römisch 40 (BF 4 I-OZ 17). In Zusammenschau der Ergebnisse des eingeholten Altersfeststellungsgutachtens und der Angabe des Viertbeschwerdeführers gegenüber der Polizei am 07.03.2018 geht das Gericht daher davon aus, dass der Viertbeschwerdeführer spätestens am 07.03.2020 das 18. Lebensjahr vollendet hat. Selbst ausgehend vom im Gutachten festgestellten fiktiven Mindestalter, hat der Viertbeschwerdeführer spätestens am römisch 40 .09.2020 das 18 Lebensjahr vollendet. Es steht daher fest, dass der Viertbeschwerdeführer zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht volljährig ist.

Die Beschwerdeführervertreterin konnte mit Ihrem pauschalen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2020 (OZ 44, Sitzung 24), wonach die Richtigkeit des Gutachtens bestritten werde, da der Sachverständige kein eindeutiges Alter des Viertbeschwerdeführers hätte feststellen könne, an der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des eingeholten Gutachtens keine Zweifel hervorrufen. Der Gutachter konnte nach Durchführung von multifaktoriellen Untersuchungen die vom Gericht gestellten Fragen nach dem höchstmöglichen Mindestalter, dem fiktiven spätestmöglichen Geburtsdatum sowie dem wahrscheinlichen Alter des Viertbeschwerdeführers beantworten (BF1, OZ 17, Sitzung 17f). Mit der pauschalen Bestreitung ist die Beschwerdeführervertreterin dem Gutachten nicht auf gleicher Ebene entgegengetreten. Das Gericht kann sich daher auf ein schlüssiges und nachvollziehbares Sachverständigengutachten stützen, dass dem Erkenntnis zugrunde gelegt wird.

Aufgrund des Ergebnisses des Altersfeststellungsgutachtens betreffend den Viertbeschwerdeführer und der im gesamten Verfahren gleichgebliebenen Aussage der Beschwerdeführer, dass es sich beim Drittbeschwerdeführer um den älteren Bruder des Viertbeschwerdeführers handelt, steht für das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Drittbeschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeverhandlungen am 03. und 21.12.2018 volljährig war. Dies insbesondere auch deshalb, weil laut Altersfeststellungs-gutachten betreffend den Viertbeschwerdeführer vom 12.11.2018 das geringstmögliche „wahrscheinliche“ Alter des Viertbeschwerdeführers zum Untersuchungszeitpunkt am römisch 40 .2018 römisch 40 Jahre ergab. Biologisch ist es somit nicht möglich, dass der Drittbeschwerdeführer als der ältere Bruder des Viertbeschwerdeführers am 21.12.2018 ebenso noch 17 Jahre alt war, es handelt sich nicht um Zwillinge. Auch die Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin, wonach zwischen der Geburt des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers 1 Jahr und 6-8 Monate liegen würden (OZ 10, Sitzung 31), sowie jenen des Drittbeschwerdeführers, dass er drei Jahre älter sei als der Viertbeschwerdeführer (OZ 10, Sitzung 47), sind vor dem Hintergrund des Altersfeststellungsgutachten betreffend den Viertbeschwerdeführer nicht mit den Altersangaben des Drittbeschwerdeführers vereinbar. Darüber hinaus gab auch die Zweitbeschwerdeführerin in der Verhandlung am 03.12.2018 an, dass der Drittbeschwerdeführer bereits 18 Jahre alt ist (OZ 10, Sitzung 30). Zudem zeigt sich, dass der Drittbeschwerdeführer seine Angaben betreffend sein Geburtsdatum immer wieder abänderte. So gab er beim Bundesamt sein Geburtsdatum mit römisch 40 1380 (entspricht dem römisch 40 2001) an (BF 3 AS 29), in der Beschwerdeverhandlung nannte er hingegen den römisch 40 1381 oder 1382 (entspricht dem römisch 40 2002 bzw. 2003) als sein Geburtsdatum, was mit seinem angegebenen Alter von 17 Jahren jedoch nicht in Einklang zu bringen ist (OZ 10, Sitzung 46 f). In der Beschwerdeverhandlung gab er wiederholt an das 18. Lebensjahr mit Sicherheit noch nicht vollendet zu haben, führte gleichzeitig jedoch aus, dass es in Afghanistan keine Dokumente über die Geburt gäbe (OZ 10 Sitzung 47). Es ist daher unplausibel, dass der Beschwerdeführer mit Sicherheit wisse, dass er noch nicht volljährig sei, zumal auch seine Mutter die Vollendung des 18. Lebensjahr betreffend den Drittbeschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung am 03.12.2018 bestätigte (OZ 10, Sitzung 30).

Der Fünft- und der Sechstbeschwerdeführer sind jünger als der Viertbeschwerdeführer und daher noch minderjährig. Da jedoch auch betreffend diese Beschwerdeführer keine Nachweise über genaue Geburtsdaten vorliegen, kann auch hier das tatsächliche Geburtsdatum oder das tatsächliche Alter nicht festgestellt werden.

2.1.7. Der derzeitige Familienstand des Dritt- und Viertbeschwerdeführers ergibt sich aus ihren diesbezüglich schlüssigen Angaben (BF 3 AS 31; OZ 10, Sitzung 48; OZ 15, Sitzung 15).

2.1.8. Die Eltern der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer – der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin – sind afghanische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie schiitische Muslime (BF 1 AS 179; BF 2 AS 87; OZ 10, Sitzung 11, 30). Da der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin somit selbst mit der afghanischen Kultur groß geworden sind und die afghanischen Gepflogenheiten vermittelt bekommen haben, ist davon auszugehen, dass diese den Dritt- bis Sechstbeschwerdeführern (zumal der Sechstbeschwerdeführer beim Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin aufgewachsen ist) nicht nur die afghanische Landessprache, sondern auch die afghanische Kultur vermittelt haben. Darüber hinaus hat der Drittbeschwerdeführer eine inoffizielle afghanische Schule besucht, weshalb dieser auch deshalb mit der afghanischen Kultur vertraut wurde. Die Beschwerdeführer haben einen großen Teil ihres Lebens im Iran, sohin in einem ebenfalls muslimisch geprägten Land, dass sich in der Kultur und den Gepflogenheiten ebenfalls am Islam ausrichtet, verbracht. Sie sind daher mit den islamischen Gepflogenheiten, die ebenso in Afghanistan praktiziert werden und auch dort den Lebensalltag bestimmen sozialisiert. Es ist daher festzustellen, dass die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer mit der afghanischen Kultur vertraut sind.

Die pauschalen und unsubstantiierten Angaben der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 23.09.2020 (OZ 44), wonach diese nicht mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten vertraut wären, ist nicht glaubhaft und nicht nachvollziehbar.

2.1.9. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Drittbeschwerdeführers stützen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung (BF 3 AS 37; OZ 15, Sitzung 9) sowie auf dem Umstand das im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Dass der Viertbeschwerdeführer regelmäßig Drogen konsumiert hat, ergibt sich aus seiner Aussage in der Beschwerdeverhandlung (OZ 15, Sitzung 20) sowie aus dem Urteil eines Landesgerichtes vom 24.04.2019, wonach der Beschwerdeführer bis zumindest 28.02.2019 und somit nach der Beschwerdeverhandlung Suchtgift zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen hat (BF 4 I-OZ 43).

Dass der Viertbeschwerdeführer an einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit leidet oder nicht arbeitsfähig ist, hat er weder vorgebracht noch ist entsprechendes im Verfahren hervorgekommen (OZ 44, Sitzung 21-22).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Fünft- und Sechstbeschwerdeführers stützen sich darauf, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist. So wurde weder von den Eltern bzw. den Obsorgeberechtigten des Fünft- und Sechstbeschwerdeführers eine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Krankheit geltend gemacht noch entsprechende medizinische Unterlagen vorgelegt. Sofern die Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesamt vorgebracht hat, dass der Sechstbeschwerdeführer an Konzentrationsschwäche leide und sehr schnell erschöpft sei, habe sie dies weder durch entsprechende medizinische Attests bestätigt noch in der Beschwerdeverhandlung aufrechterhalten.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

2.2.1. Soweit der Erstbeschwerdeführer vorbrachte, er sei (aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den schiitischen Hazara) von den Taliban schikaniert, geschlagen und bedroht worden, weshalb er Afghanistan zum ersten Mal verlassen habe, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Das Gericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgrund des persönlichen Eindrucks des Erstbeschwerdeführers davon aus, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Erstbeschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Erstbeschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Erstbeschwerdeführer tätigte insbesondere betreffend seine angebliche Verfolgung durch die Taliban vor dem Bundesverwaltungsgericht ein unsubstantiiertes Vorbringen, dass er auch auf Nachfrage nicht weiter ausführte. So gab der Erstbeschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung diesbezüglich lediglich an, dass er Afghanistan zum ersten Mal verlassen habe, weil er von den Taliban bedroht worden sei. Er habe ein Geschäft gehabt und habe sich nicht mehr sicher gefühlt (OZ 10, Sitzung 22). Die Angaben des Erstbeschwerdeführers bezüglich einer angeblichen Verfolgung durch die Taliban blieben trotz mehrfacher Nachfrage gänzlich detaillos und vage. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Erstbeschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität.

Beim Bundesamt hat der Erstbeschwerdeführer ausgeführt, dass ihn die Taliban zweimal geschlagen hätten, weil er Angehöriger der schiitischen Hazara sei. So seien eines Tages vier oder fünf Mitglieder der Taliban zu seinem Geschäft am Markt gekommen und hätten ihn zu einer Polizeistation gebracht und dort mit Stöcken geschlagen. Ca. 10 Tage später sei er von den Taliban erneut geschlagen und für eine Nacht festgehalten worden (AS 185 ff). Die Zweitbeschwerdeführerin hat zum Fluchtgrund ihres Ehemannes befragt beim Bundesamt angegeben, dass zwischen den zwei Vorfällen mit den Taliban nur ein Tag gelegen sei (BF 2 AS 96).

Zudem fällt auf, dass der Erstbeschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung Schläge durch die Taliban oder eine Anhaltung durch diese mit keinem Wort erwähnte. Wäre der Erstbeschwerdeführer tatsächlich physischer Gewalt durch die Taliban ausgesetzt gewesen, ist davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer dies vor dem Bundesverwaltungs-gericht zumindest erwähnt hätte. Das Vorbringen betreffend eine konkrete Verfolgung des Erstbeschwerdeführers durch die Taliban ist daher nicht glaubhaft.

Es ist daher nicht erkennbar, dass der Erstbeschwerdeführer oder seine Familie ins Blickfeld der Taliban geraten ist. Die Beschwerdeführer haben Afghanistan beim ersten Mal somit weder aus Furcht vor konkreten Eingriffen in ihre körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Sofern der Erstbeschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung nunmehr vorgebracht hat, dass die Taliban während seines viermonatigen Aufenthaltes in Afghanistan auf der Suche nach ihm gewesen seien und ihm mitgeteilt worden sei, dass die Taliban ihn verfolgen würden (OZ 10, Sitzung 26 f), ist dies vor dem Hintergrund, dass der Erstbeschwerdeführer und seine Familie nicht ins Blickfeld der Taliban geraten sind, nicht glaubhaft. Entgegen seinem nunmehrigen Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung haben der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesamt auch ausdrücklich angegeben während ihres viermonatigen Aufenthaltes in Afghanistan nie direkt bedroht worden zu sein (BF 1 AS 187; BF 2 AS 95). Es fällt auch auf, dass der Erstbeschwerdeführer Schwierigkeiten mit den Taliban während seines viermonatigen Aufenthaltes erst auf konkrete und mehrfache Nachfrage vorgebracht hat (OZ 10, Sitzung 26 f). Das diesbezügliche Vorbringen des Erstbeschwerdeführers ist daher nicht glaubhaft und ist vielmehr festzustellen, dass während des viermonatigen Aufenthalts der Beschwerdeführer in Afghanistan weder nach dem Erstbeschwerdeführer durch die Taliban gesucht wurde noch, dass der Erstbeschwerdeführer einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt war.

Auch darüber hinaus sind keine konkret und individuell gegen die Beschwerdeführer gerichteten Probleme aufgrund ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit zu den schiitischen Hazara im Verfahren hervorgekommen (BF 2 AS 98).

2.2.2. Wie soeben ausgeführt haben der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesamt angegeben, dass sie während ihres viermonatigen Aufenthaltes in Afghanistan keiner konkreten Bedrohung ausgesetzt gewesen seien (BF 1 AS 187; BF 2 AS 95).

Dass die Eltern des Sechstbeschwerdeführers bei einem Bombenanschlag in Kabul ums Leben gekommen sind, der nicht gezielt auf diese gerichtet war und sie davor auch keiner individuellen und konkreten Bedrohung ausgesetzt waren, ergibt sich aus den diesbezüglich stringenten und übereinstimmenden Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesamt (BF 1 AS 187; BF 2 AS 95). Gegenteiliges ist auch in der Beschwerdeverhandlung nicht hervorgekommen. Es kann daher auch daraus keine konkrete individuelle Bedrohung der Beschwerdeführer durch die Taliban, staatliche Organe oder durch andere Personen erkannt werden.

Die Beschwerdeführer haben Afghanistan nach ihrem viermonatigen Aufenthalt zum zweiten Mal nicht aufgrund einer persönlichen Bedrohung (BF 1 AS 187; BF 2 AS 95), sondern aufgrund der allgemein schlechten Sicherheitslage verlassen (BF 2 AS 95).

2.2.3. Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer brachten in der Beschwerdeverhandlung erstmals vor, dass ihre Kinder (Erst- und Zweitbeschwerdeführer) bzw. der Drittbeschwerdeführer und seine Brüder während ihres viermonatigen Aufenthaltes Schwierigkeiten gehabt hätten, weil sie als Farsi-sprechende Rückkehrer diskriminiert und als „verwestlicht“ angesehen worden seien (OZ 10, Sitzung 22 ff, 43; OZ 15, Sitzung 11). Sie müssen sich diesbezüglich eine Steigerung ihres Vorbringens vorwerfen lassen, die ihr entsprechendes Vorbringen insgesamt in Zweifel zieht. So ist den jeweiligen Niederschriften beim Bundesamt lediglich zu entnehmen, dass insbesondere der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer nach dem Bombenanschlag, bei dem die Eltern des Sechstbeschwerdeführers ums Leben gekommen sind, unruhig und nervös gewesen seien sowie große Angst gehabt haben (BF 1 AS 187; BF 2 AS 95 f). Dass es zu Diskriminierungen gegenüber dem Dritt- und Viertbeschwerdeführer gekommen sei, wurde jedoch mit keinem Wort erwähnt. Der Drittbeschwerdeführer führte beim Bundesamt aus, dass er sich nicht mehr an den Aufenthalt in Afghanistan erinnern könne (BF 3 AS 33). In der Beschwerdeverhandlung gab er hingegen an, Probleme in Afghanistan gehabt zu haben (OZ 15, Sitzung 11). Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführer nicht bereits in der Einvernahme vor dem Bundesamt Ausführungen zur behaupteten Diskriminierung der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer in Afghanistan wegen ihrer „verwestlichten Lebensweise“ tätigten, zumal sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie nicht in der Lage gewesen wären, bereits im behördlichen Verfahren ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer damit versuchen, ihrem Vorbringen einen zusätzlichen Aspekt hinzuzufügen.

Aufgrund der Kürze des Aufenthalts der Beschwerdeführer in Österreich ist in Zusammenhang mit dem vom Dritt- und Viertbeschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Dritt- und Viertbeschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Dritt- und Viertbeschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten sollen, dass sie auf Grund ihres Lebensstils oder auf Grund ihres Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wären.

Sofern vorgebracht wurde, dass der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer nur Farsi sprechen würden und deshalb Diskriminierungen und Schwierigkeiten in Afghanistan ausgesetzt seien (OZ 10, Sitzung 22 f, 43; OZ 15, Sitzung 11), ist dies nicht mit den Länderberichten in Einklang zu bringen. Aus diesen geht hervor, dass es sich bei den Sprachen Farsi und Dari um dieselbe Sprache handelt, zwischen denen es keine trennenden Merkmale gibt. Besonders unter der afghanischen Bevölkerung wird das Politikum Farsi/Dari wenig bis gar nicht wahrgenommen. Die meisten verstehen sich als Farsi-sprechendes Volk. Die meisten Dari/Farsi-sprachigen Journalisten und Moderatoren im Radio und Fernsehen sprechen heute mit iranischem Akzent, damit sie beweisen, dass sie Hochfarsi sprechen können. Daher werden die Rückkehrer in Afghanistan, die aus dem Iran kommen, weder ausgelacht noch beschimpft vergleiche Punkt römisch II.1.5.). Es wurden zudem alle Verhandlungen mit einer Dolmetscherin in der Sprache Dari durchgeführt, diese Sprache wurde von den Beschwerdeführern selber gesprochen und von diesen auch sehr gut verstanden. Das diesbezügliche Vorbringen ist daher nicht glaubhaft.

Lediglich aus dem Umstand, dass sich die Dritt- und Viertbeschwerdeführer modern kleiden (OZ 15, Sitzung 11), kann nicht abgeleitet werden, dass sie deshalb als "verwestlicht" gelten oder eine Verfolgung in Afghanistan zu befürchten haben. So umfasst die männliche Kleidung in den urbanen Zentren Afghanistans ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über moderne Haarschnitte bis hin zur afghanischen Tracht. Es ist daher bezüglich des Kleidungsstils der Dritt- und Viertbeschwerdeführer kein Bruch mit den gesellschaftlichen Normen in Afghanistan erkennbar.

Der Drittbeschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung an, dass er in Afghanistan keine Arbeit finden könnte (OZ 15, Sitzung 11), begründete dies jedoch lediglich mit der allgemein schlechten wirtschaftlichen Situation in Afghanistan (OZ 15, Sitzung 13). Dass es dem Beschwerdeführer als jungen Mann in Afghanistan nicht möglich wäre, ein selbstständiges und eigenständiges Leben mit Schulausbildung und außerhäuslicher Erwerbsarbeit sowie freier Lebensgestaltung (im Rahmen der islamischen Religion) zu führen, wurde damit vom Beschwerdeführer hingegen nicht substantiiert dargetan. Eine freie selbständige Lebensführung stellt sich für Männer nicht als substanzieller Bruch mit den gesellschaftlichen Normen in Afghanistan dar. Zudem ist es Männern in Afghanistan grundsätzlich möglich ein selbstständiges und eigenständiges Leben mit Schulausbildung und außerhäuslicher Erwerbsarbeit sowie freier Lebensgestaltung (im Rahmen der islamischen Religion) zu führen.

Die Dritt- und Viertbeschwerdeführer wurden im Iran geboren und sind dort – bis auf ihren viermonatigen Aufenthalt in Afghanistan – aufgewachsen, so dass sie bis zu ihrer Ausreise aus dem Iran stets in einem muslimisch geprägten Land gelebt haben. Im Ergebnis lässt das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführer nicht erkennen, welche - als "westlich" erachteten - Verhaltensweisen sie sich nunmehr in Österreich angeeignet hätten, die für sie im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würden und die ein solch wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden seien, dass es für sie eine Verfolgung bedeuten würde, diese zu unterdrücken.

Der Viertbeschwerdeführer war mehrfach von der Asylunterkunft abgängig, ist mehrere Tage abgetaucht, hat mehrfach den Schulunterricht geschwänzt und ist bereits mehrfach straffällig geworden. Aufgrund des nicht-konformen Verhaltens des Viertbeschwerdeführers in Österreich, fand ein Normverdeutlichungsgespräch statt, bei dem der Viertbeschwerdeführer angegeben hat, dass ihn das nicht interessiere (BF 4 I-OZ 2). Es ist daher offenkundig, dass der Viertbeschwerdeführer das westliche Wertesystem nicht verinnerlicht hat.

Folglich vermochten die Dritt- und Viertbeschwerdeführer schon mangels Vorliegens einer "westlichen Lebenseinstellung" nicht darzutun, dass ihnen aufgrund einer solchen bei einer Rückkehr nach Afghanistan psychische oder physische Gewalt drohe.

Darüber hinaus ist den beigezogenen Länderberichten auch nicht zu entnehmen, dass Rückkehrer aus dem Iran oder Europa in besonderer Form von Gewalt und Bedrohungen betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus dem Iran und Europa nicht festgestellt werden konnte (Punkt römisch II.1.5.).

2.2.4. Beim Fünft- und Sechstbeschwerdeführer handelt es sich um unmündige minderjährige Burschen im Alter von ca. vierzehn (Fünftbeschwerdeführer) und ca. zehn (Sechstbeschwerdeführer) Jahren, die bis zu ihrer Ausreise in Afghanistan bzw. im Iran – einem ebenfalls sehr streng muslimisch geprägten Land – aufgewachsen sind. Dass sich insbesondere der Sechstbeschwerdeführer in einem anpassungsfähigen Alter befindet, ergibt sich zweifelsfrei aus der einschlägigen Judikatur des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes vergleiche VfGH 07.10.2014, U 2459/2012 ua., sowie VwGH 19.09.2012, 2012/22/0143 ua.).

Der Fünftbeschwerdeführer ist nunmehr zwar bereits ca. vierzehn Jahre alt, er ist den Großteil seines Lebens jedoch in sehr streng muslimisch geprägten Ländern aufgewachsen, weshalb er die grundsätzliche Sozialisierung bereits in muslimisch geprägten Ländern erfahren hat, was einer Wiedereingliederung nicht entgegensteht. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass es dem Fünft- und Sechstbeschwerdeführern unmöglich oder unzumutbar wäre, sich wieder in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren.

Das Bundesverwaltungsgericht geht auch nicht davon aus, dass unmündigen Minderjährigen dieses Alters eine eigene politische Gesinnung im Zusammenhang mit einer "westlichen Lebensweise" zugesonnen werden kann.

Eine persönliche Bedrohung, die sich gezielt gegen den Fünft- und Sechstbeschwerdeführer gerichtet hätte, haben der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin weder im behördlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht.

Zur allgemeinen Situation von Kindern in Afghanistan ist auszuführen, dass aus den Länderinformationen hervorgeht, dass diese unter gewissen Umständen in Bereichen wie Versorgung, Gewalt, fehlendem Zugang zu Schulbildung, Zwangsehen, sexuellem Missbrauch und Kinderarbeit und der schlechten Sicherheitslage (explosive Kriegsrückstände) besonders betroffen sein können. Solche Handlungen wiederum können unter Umständen im Hinblick auf das Alter des Kindes, dessen fehlende Reife oder Verletzlichkeit eine kinderspezifische Form der "Verfolgung und Benachteiligung" darstellen. Die erwähnte Benachteiligung beruht primär auf dem Fehlen einer familiären bzw. sozialen Unterstützung und wird durch gesellschaftliche Restriktionen begünstigt.

2.2.5. Es haben sich aus den Angaben der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 23.09.2020 keine Hinweise auf eine asylrelevante Verfolgung ergeben. Diese wiederholten im Wesentlichen ihre bisherigen Angaben zu einer Befürchtung bei einer Rückkehr nach Afghanistan. Dass bei den Beschwerdeführern keine asylrelevante Verfolgung bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht wurde bereits mit Erkenntnis vom 19.09.2019 dargelegt.

Der Viertbeschwerdeführer gab in der Verhandlung vom 23.09.2020 an, dass er nicht in der Lage sei in Afghanistan zu leben, da er sich dort kein Leben finanzieren könne und er dort niemanden kenne. Er könne dort nichts lernen und er befürchte Kontakt zu kriminellen Personen zu bekommen. Zudem herrsche dort Krieg und Gewalt uns die allgemeine Sicherheitslage sei dort schlecht (OZ 44, Sitzung 23). Es lassen sich daher keine konkret gegen den Viertbeschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen in Afghanistan erkennen.

2.2.6. Soweit die Erst- bis Viertbeschwerdeführer die schlechten Lebensumstände als Afghanen im Iran als Grund für ihre Flucht aus dem Iran angegeben haben, so waren ihre diesbezüglichen Aussagen – in Zusammenschau mit den Länderberichten zur Lage von Afghanen im Iran – schlüssig und plausibel und sohin glaubhaft.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

Das Gericht konnte sich bei seinen Feststellungen daher insbesondere auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Anfragebeantwortungen, den Berichten von EASO, die EASO Country Guidance und die UNHCR- Richtlinien stützen, sodass sich ein schlüssiges Gesamtbild ergeben hat.

2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

2.4.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr der Beschwerdeführer in ihre Heimatstadt Kabul ergeben sich aus den o.a. Länderberichten.

In der Hauptstadt Kabul finden überwiegend Angriffe in Regierungs- und Botschaftsnähe, also mit möglichst hoher medialer Reichweite, statt. Dabei kam es immer wieder zu zivilen Opfern. Die Regierung ist jedoch in der Lage hier die Sicherheit abseits dieser High-Profile Attentate zu gewährleisten. Das Gericht geht daher davon aus, dass es in der Stadt Kabul zu Anschlägen kommt, jedoch nicht in allen Stadtteilen vergleiche Punkt römisch II.1.5.).

Die sichere Erreichbarkeit der Stadt Kabul ist durch den örtlichen Flughafen gewährleistet.

2.4.2. Dass die Erst- bis Viertbeschwerdeführer mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut sind, ergibt sich daraus, dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin in Afghanistan aufgewachsen sind und dort den überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht haben (BF 1 AS 181; BF 2 AS 90 f; OZ 10, Sitzung 12 f, 31). Wie bereits ausgeführt wurden die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer vom Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin nach den afghanischen Gepflogenheiten erzogen, weshalb sie mit der afghanischen Kultur vertraut sind vergleiche Ausführungen Punkt römisch II.2.1.8.).

Dass die Erst- bis Viertbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan im Haus des bereits verstorbenen Vaters des Erstbeschwerdeführers wohnen können, ergibt sich daraus, dass der Erstbeschwerdeführer noch über das Eigentumshaus in Kabul verfügt vergleiche Ausführungen Punkt römisch II.2.1.3.). Da die Erst- bis Viertbeschwerdeführer während ihrer Aufenthalte in Afghanistan immer in diesem Haus gewohnt haben, ist nicht erkennbar, warum dies nunmehr nicht möglich sein sollte. Dass die Erst- bis Viertbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul vom Bruder der Zweitbeschwerdeführerin bei der Beschaffung von Arbeit, Verpflegung, medizinischer Versorgung und Schulplätzen sowie von der Schwester der Zweitbeschwerdeführerin - zumindest anfänglich - unterstützt werden können, ergibt sich aus den Länderberichten. Diesen ist zu entnehmen, dass die Großfamilie die zentrale soziale Institution in Afghanistan bildet und zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder beiträgt sowie eine wirtschaftliche Einheit bildet, in der die Männer der Familie verpflichtet sind, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen vergleiche Punkt römisch II.1.5.).

Bei dem Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer handelt es sich um volljährige und arbeitsfähige Männer. Der Erstbeschwerdeführer verfügt zwar über keine Schulbildung, er kann jedoch eine jahrelange Berufserfahrung in verschiedenen Tätigkeitsbereichen vorweisen. Der Drittbeschwerdeführer verfügt über eine jahrelange Schulbildung und hat bereits Berufserfahrung sammeln können. Der Viertbeschwerdeführer ist ebenfalls volljährig, hat eine Schulbildung genossen und hat im Iran auch schon Berufserfahrung gesammelt. Es ist daher nicht erkennbar, warum es dem Viertbeschwerdeführer nicht möglich sein sollte, einer beruflichen Tätigkeit in Afghanistan nachzugehen. Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über eine fünfjährige Schulbildung, hat bereits in Afghanistan mit ihren Brüdern Berufserfahrung gesammelt und erbringt auch in Österreich Tätigkeiten als Haushaltshilfe bzw. Reinigungskraft im Rahmen der Nachbarschaftshilfe.

2.4.3. Zur allgemeinen Situation von Kindern in Afghanistan wird auf die Feststellungen zu den Länderinformationen Verwiesen (Punkt römisch II.1.5.). Dem Fünft- und Sechstbeschwerdeführer droht in der Stadt Kabul weder Kinderarbeit noch eine Zwangsheirat. Es droht diesen dort auch weder Missbrauch noch sexuelle Übergriffe, Entführungen oder Ausbeutungen. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer in ihrer Wohnumgebung von explosiven Kriegsrückständen betroffen wären.

Jedoch ist die aktuelle COVID-19 Situation zu berücksichtigen. Die Fünft- bis Sechstbeschwerdeführer sind Minderjährige. Sie sind daher nicht selbsterhaltungsfähig, sondern auf die Versorgung durch den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin angewiesen. Aufgrund der COVID-Situation hat sich die Lage am Arbeitsmarkt verschlechtert. Kabul ist besonders vom Lockdown betroffen. Es sind besonders Familien und Tagelöhner wirtschaftlich von der COVID-Situation betroffen. Es sind die Preise für Grundnahrungsmittel wesentlich gestiegen (Punkt römisch II.1.5.11).

Auch unter der Berücksichtigung, dass die Beschwerdeführer bei ihren Verwandten in Kabul vorübergehend wohnen könnten, ist nicht davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sowohl sich als auch beide Minderjährigen, nämlich den Fünft- und den Sechstbeschwerdeführer, ausreichend mitversorgen könnten. Da Kabul vom Lockdown erheblich betroffen ist, sind auch die weiteren Verwandten der Beschwerdeführer von der COVID-19 Situation betroffen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass diese ausreichend in der Lage wären eine sechsköpfige Familie mit zwei minderjährigen Kindern ausreichend zu versorgen. Hier ist zudem die besondere Vulnerabilität der Fünft- und Sechstbeschwerdeführer aufgrund der Minderjährigkeit zu berücksichtigen.

Das Gericht geht aufgrund dieser gesamten Umstände davon aus, dass es dem Fünft- und Sechstbeschwerdeführer nicht möglich ist nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr nach Afghanistan in der Stadt Kabul Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen.

2.4.4. Der Viertbeschwerdeführer kann jedoch als einzelner junger, erwachsener und selbsterhaltungsfähiger Mann von seinen Verwandten in Kabul bei einer Ansiedlung in Kabul unterstützt werden. Er kann im Haus seiner Familie oder zumindest vorübergehend bei seinen Verwandten in Kabul wohnen. Er kann von diesen bei der Suche nach einer Arbeit, Verpflegung sowie medizinischer Versorgung unterstützt werden.

Da seiner Kernfamilie mit diesem Erkenntnis eine Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde und diese über Arbeitseinstellungszusagen verfügen, kann der Viertbeschwerdeführer von diesen bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanzielle Unterstützung erhalten.

Der Erstbeschwerdeführer hat eine verbindliche Arbeitseinstellungszusage für den Job in einer Textilfabrik mit einem Einkommen von ca. EUR 1.200 bis 1.300 (OZ 44, Sitzung 11), den er annimmt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer in Österreich über ein ausreichendes Einkommen verfügen wird um den Viertbeschwerdeführer in Afghanistan finanziell zu unterstützen.

Hinsichtlich der Unterstützungswilligkeit des Erstbeschwerdeführers gab dieser in der mündlichen Verhandlung überzeugend an, dass er seine Kinder natürlich in einer Notlage unterstützen würde. Dies ist für das Gericht jedenfalls glaubhaft und nachvollziehbar. Er gab zwar an, dass er seine Kinder nur in Österreich unterstützen würde jedoch nicht in Afghanistan, da er Ihnen in Österreich nur Essen zur Verfügung stellen würde. Dies ist jedoch nicht glaubhaft. Die Zweitbeschwerdeführerin gab nämlich an, dass sie und der Erstbeschwerdeführer vor einigen Monaten eine Arbeit in einem Fitnesscenter angenommen haben um mit diesem Geld die Strafen des Viertbeschwerdeführers zu begleichen, die dieser wegen Schwarzfahrens in Österreich erhalten hat (OZ 44, Sitzung 15). Hier wird deutlich, dass das Verhältnis der Beschwerdeführer zueinander eng ist und sich diese mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegenseitig immer unterstützen. Auch die Angaben des Erstbeschwerdeführers, wonach er nicht genügend in Österreich verdienen werde um Geld nach Afghanistan zu schicken ist nicht nachvollziehbar und nicht glaubhaft. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Lebenskosten in Afghanistan viel geringer sind als in Österreich, sodass schon kleinere Beträge ausreichen um dem Viertbeschwerdeführer dort ein Auskommen zu ermöglichen.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab in der Verhandlung an, dass Sie ihre Kinder unterstützen würde, wenn sie eine Arbeit finde und wenn ihr nach ihren Ausgaben noch etwas übrig bleiben würde (OZ 44). Die Zweitbeschwerdeführerin hat eine verbindliche Arbeitseinstellungszusage für eine Teilzeitbeschäftigung in einem Lebensmittelgeschäft, die mit EUR 650 bis EUR 700 bezahlt werden würde, wobei sie eine zweite Schicht annehmen würde um mehr Geld zu verdienen. Sie könnte ebenso mit dem Erstbeschwerdeführer in der Textilfabrik arbeiten, auch dort hat sie eine verbindliche Einstellungszusage. Dort würde sie ca. EUR 1.300 verdienen (OZ 44, Sitzung 12-14). Die Zweitbeschwerdeführerin würde daher in Österreich über ein Einkommen verfügen und somit in der Lage sein, den Viertbeschwerdeführer in Afghanistan – zumindest vorrübergehend – finanziell zu unterstützen.

Der Drittbeschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er seine Familie liebe und er alles für seine Familie tun würde, damit es seiner Familie gut gehe. Er nehme von seinen Eltern kein Geld und gehe nicht einmal selber zum Frisör, sondern schneide sich die Haare selber. Es sei ihm lieber, dass seine Brüder zum Frisör gehen und diese gut aussehen, er sei bereit für seine Familie, insbesondere seine Brüder, seine eigenen Wünsche zurückzustellen.- Er sei bereit für seine Eltern zu sorgen und auf seine Brüder aufzupassen. Dafür sei er auch bereit in Schichten zu arbeiten um seiner Familie ein gutes Leben zu bereiten. Er würde seine Angehörigen jedenfalls unterstützen, wenn er dazu finanziell in der Lage sei (OZ 44, Sitzung 17). Dass er seine Brüder, insbesondere den Viertbeschwerdeführer, wenn dieser nach Afghanistan zurückkehren müsste, nicht unterstützen würde, ist aufgrund seiner bisherigen Aussagen nicht nachvollziehbar, sondern als Schutzbehauptung zu werten. Der Drittbeschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage als Security-Mitarbeiter mit einem Einkommen von ca. EUR 1.500. Er hat auch eine Einstellungszusage als Kellner in Teilzeit in einem Restaurant, wobei er durch zusätzliche Reinigungsarbeiten in einer Tennishalle insgesamt ca. EUR 1.300 verdienen würde.

Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführer sind daher bei einer Rückkehr des Viertbeschwerdeführers nach Afghanistan bereit diesen – zumindest anfänglich – finanziell zu unterstützen. Die Unterstützungswilligkeit der Angehörigen des Viertbeschwerdeführers ist daher gegeben. Afghanistan verfügt über ein Bankwesen, sodass es der Familie des Viertbeschwerdeführers möglich ist, diesen aus Österreich aus finanziell zu unterstützen.

Das Einkommen des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin sowie des Drittbeschwerdeführers in Österreich würde daher insgesamt ca. zwischen EUR 3.500 und EUR 4.100 liegen. Selbst unter Berücksichtigung der Ausgaben der Lebenskosten in Österreich, sind diese in der Lage den Viertbeschwerdeführer in Afghanistan – zumindest vorübergehend – finanziell zu unterstützen, bis dieser in der Lage ist sich selbst zu erhalten. Der Lohn in Afghanistan beträgt in etwa 300 Afghani (ca. USD 4,3) pro Tag für Hilfsarbeiter, während gelernte Kräfte bis zu 1.000 Afghani (ca. USD 14,5) pro Tag verdienen können (EASO, Afghanistan Netzwerke, Sitzung 30). Eine Unterstützung des Viertbeschwerdeführers durch seine Familie in Österreich mit ca. EUR 150 pro Monat entspricht mehr als dem Durchschnittgehalt eines Hilfsarbeiters in Afghanistan.

Auch die Städte Herat und Mazar-e Sharif sind ausreichend sicher und durch einen (internationalen) Flughafen sicher erreichbar. Dort ist die erforderliche Infrastruktur gegeben und die Versorgung der Bevölkerung zumindest grundlegend sichergestellt, auch wenn es durch die CORONA-Krise auch dort zu Erhöhungen der Lebensmittelpreise und Knappheiten kommt.

Der Viertbeschwerdeführer kann sich daher nach anfänglichen Schwierigkeiten sowohl in der Stadt Kabul, als auch in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif ansiedeln, dort Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen.

2.4. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben der Beschwerdeführer in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer und -titel, ihren jeweiligen Deutschkenntnissen und ihrer Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage vergleiche insbesondere die Auszüge aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 10, Sitzung 16 ff, 33 ff; OZ 15, Sitzung 5 ff, 17 ff; 27 ff) sowie auf die von ihnen im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Dass eine Cousine der Zweitbeschwerdeführerin mütterlicherseits in Österreich lebt, zu der die Beschwerdeführer keinen Kontakt haben, ergibt sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführer (BF 1 AS 183; OZ 10, Sitzung 19, 36; OZ 15, Sitzung 8). Es kann daher auch kein Abhängigkeitsverhältnis zu dieser abgeleitet werden.

Sofern der Erstbeschwerdeführer beim Bundesamt angegeben hat, dass sich zwei seiner (Groß)Neffen in Österreich aufgehalten haben, er aber glaube, dass diese in die Provinz Ghazni gezogen seien (BF 1 AS 183), ist festzuhalten, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen ist, dass sich diese (noch) in Österreich aufhalten.

Dass die Zweitbeschwerdeführerin eine Flüchtlingsbetreuerin mit dem Umbringen bedroht hat und deswegen eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist, ergibt sich aus dem Polizeibericht sowie aus der diesbezüglichen Aussage der Zweitbeschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung (BF 2 OZ 9; OZ 10, Sitzung 39).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Erst- bis Drittbeschwerdeführer sowie des Fünftbeschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./VIII - Strafregisterauszug). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Sechstbeschwerdeführers ergibt sich aus seiner Strafunmündigkeit aufgrund seines Alters.

Dass der Viertbeschwerdeführer über keine engen Freundschaften oder eine Lebensgemeinschaft verfügt, ergibt sich aus seiner diesbezüglich Aussage in der Beschwerdeverhandlung, wonach er an der vorherigen Unterkunft viele Leute gekannt habe, er aber jetzt keinen Kontakt mehr zu diesen habe und genug von Freunden habe (OZ 15, Sitzung 20). Er gab auch an, dass er derzeit die meiste Zeit mit seinen Eltern und Brüdern zu Hause verbringt (OZ 44).

Die Feststellungen zum Abbruch der Therapie durch den Viertbeschwerdeführer und, dass dieser derzeit keine Therapie macht, ergibt sich aus seinen diesbezüglich Angaben in der Beschwerdeverhandlung (OZ 15, Sitzung 23 f, OZ 44).

Das vom Viertbeschwerdeführer in Österreich gesetzte (strafrechtlich relevante) Verhalten ergibt sich einerseits aus den im Verwaltungs- und Gerichtsakt einliegenden Polizeiberichten und andererseits aus den diesbezüglich zum Großteil geständigen Angaben des Viertbeschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung (OZ 15, S 20 ff).

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Viertbeschwerdeführers ergibt sich aus den jeweiligen Strafurteilen und durch Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I - Strafregisterauszug).

Bereits das Normverdeutlichungsgespräch bei der Polizei am 07.03.2018 mit dem Viertbeschwerdeführer hat diesen nicht davon abgehalten in Österreich weitere, teils sehr schwerwiegende, Straftaten zu begehen. Auch die Anordnung von Bewährungshilfe und Einbindung von Sozialarbeitern (OZ 15, Sitzung 23) hat nicht zu einer Besserung des Verhaltens des Viertbeschwerdeführers geführt. Auch die Verhängung einer teilbedingte Freiheitsstrafe mit Urteil eines Landesgerichts vom 19.09.2018 konnte den Beschwerdeführer nicht davon abhalten weitere Straftaten (siehe Urteil vom 24.04.2019) zu begehen. Der Viertbeschwerdeführer beteuerte zwar in der Verhandlung vom 21.12.2018, dass er nie wieder straffällig werden würde, er seine Lektion gelernt habe und er sich in Therapie begeben würde, jedoch hat der Viertbeschwerdeführer, trotz einschlägiger Vorstrafen, unter anderem im Februar 2019 erneut Cannabis (130g) gewinnbringend verkauft (siehe Verurteilung vom 24.04.2019).

Der Viertbeschwerdeführer gab in der Verhandlung vom 21.12.2018 an, dass er in den letzten drei Monaten mit niemandem mehr gestritten habe und er auch nicht aggressiv gegenüber anderen Personen gewesen wäre (OZ 15, Sitzung 23). Aus seiner strafgerichtlichen Verurteilung ergibt sich jedoch, dass er am 14.12.2018 im Schulunterricht einem anderen Mitschüler eine Ohrfeige versetzt und diesen dadurch leicht verletzt hat. Diese Straftat ereignete sich nur wenige Tage nach der Verhandlung am 03.12.2018 und nur wenige Tage vor der Verhandlung vom 21.12.2018. Der Viertbeschwerdeführer ist nicht einsichtig. Seine Behauptungen zum vermeintlichen Lebenswandel sind nicht glaubhaft. Der Viertbeschwerdeführer verfügt über ein sehr hohes Aggressionspotential und hohe kriminelle Energie.

Der Viertbeschwerdeführer gab in der Verhandlung vom 23.09.2020 an, dass er nach der Verhandlung Ende Dezember 2018 mit 12 Gramm Marihuana erwischt worden sei, die jedoch für den Eigenkonsum gedacht gewesen wären, um so seinen Tatbeitrag herunterzuspielen (OZ 44, Sitzung 19). Auch dies entspricht nicht der Wahrheit. Der Viertbeschwerdeführer wurde beim Verkauf von Cannabiskraut betreten. Aus dem Strafurteil eines Landesgerichts vom 24.04.2019 ergibt sich, dass der Viertbeschwerdeführer im Zeitraum von zumindest 25.02.2019 bis 28.02.2019 in Teilverkäufen insgesamt zumindest 130 Gramm Cannabiskraut zu unterschiedlichen Grammpreisen an bislang unbekannte Abnehmer verkaufte. Zudem hat er am 28.02.2019 ein Klemmsäckchen mit Cannabiskraut (circa 10 Gramm) um EUR 35,-- an einen Abnehmer verkauft. Es ist beim Viertbeschwerdeführer kein Gesinnungswandel und keine Tateinsicht bzw. Verantwortungsübernahme zu erkennen.

Insbesondere die Angaben des Viertbeschwerdeführers betreffend seine Drohnachrichten gegenüber einer anderen Jugendlichen auf SnapChat machen nicht den Eindruck als würde der Viertbeschwerdeführer das Unrecht seiner Taten einsehen. Der Viertbeschwerdeführer wurde in der Verhandlung befragt, warum er solche Nachrichten versende und ob er dies in Ordnung finde, er gab daraufhin an, dass er dies nicht gemacht hätte, wenn er nicht zuerst selber beschimpft worden wäre (OZ 15, Sitzung 22). Es ist hier daher vom Gericht weder Einsicht noch Reue zu erkennen. Das Gericht geht aufgrund all dieser Gründe davon aus, dass der Viertbeschwerdeführer auch in Zukunft Straftaten in Österreich verüben werde.

Das Gericht geht aufgrund der fehlenden Verantwortung des Viertbeschwerdeführers, seiner fehlenden Tateinsicht, dem raschen Rückfall trotz bereits erfolgtem Haftübel und während offener Probezeit, der Vielzahl an Delikten, der vorsätzlichen Straftaten, der Tatbegehung trotz bereits erfolgtem Normverdeutlichungsgesprächen und Bewährungshilfe, der langen Tatbegehungszeiträume und seines hohen Aggressionspotential von einer sehr hohen Rückfallgefahr aus. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Viertbeschwerdeführer zum Zeitpunkt der Tatbegehungen noch minderjährig war, dennoch kann kein Gesinnungswandel erkannt werden. Auch der Zeitraum von rund einem Jahr seit der letzten Haftentlassung ist zu kurz um – bei Vorliegen des bisher hohen Rückfalls und der erheblichen Vielzahl der gravierenden Straftaten – einen Gesinnungswandel darzustellen.

Dass der Fünftbeschwerdeführer einem Jugendlichen einen Faustschlag ins Gesicht versetzt hat und ihm dabei das Nasenbein brach sowie, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, ergibt sich aus dem im Verwaltungs- und Gerichtsakt einliegenden Polizeibericht und Mitteilung der Staatsanwaltschaft (BF 5 OZ 21 bis 23).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu römisch eins.) Zu den Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin, des Drittbeschwerdeführers, des Fünftbeschwerdeführers sowie des Sechstbeschwerdeführers gegen die Spruchpunkt römisch II bis römisch VI. der angefochtenen Bescheide:

römisch eins.3.1.

Mit Erkenntnis vom 19.09.2019 wurden die Beschwerden der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt römisch eins. der Bescheide vom 13.12.2017 bzw. 14.12.2017 als unbegründet abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde der Beschwerdeführer diesbezüglich abgelehnt, sodass dies nicht Gegenstand dieses (Teil)Erkenntnisses ist.

römisch eins.3.2. Spruchpunkt römisch II. der angefochtenen Bescheide – Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

römisch eins.3.2.1. Paragraph 8, AsylG lautet auszugsweise:

„Status des subsidiär Schutzberechtigten

Paragraph 8, (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.           der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.           dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.

…“

Paragraph 11, AsylG lautet:

„Innerstaatliche Fluchtalternative

Paragraph 11, (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins,) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.“

römisch eins.3.2.2. Gemäß Artikel 2, Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573).

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird vergleiche EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029). In diesem Zusammenhang geht der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Sicherheitslage von einer kleinräumigen Betrachtungsweise aus, wobei er trotz der weiterhin als instabil bezeichneten Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage als nicht grundsätzlich ausgeschlossen betrachtet vergleiche VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11).

Es muss den Beschwerdeführern zudem möglich sein sich dort ein Leben aufzubauen und dieses ohne unbillige Härten zu führen. Es darf den Beschwerdeführern dort keine Verletzung ihrer nach Artikel 3, EMRK gewährleistete Rechte drohen.

römisch eins.3.2.3. Aus den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 ergibt sich zwar, dass eine interne Schutzalternative in Kabul aufgrund einer Kombination aus der Sicherheits- und Versorgungslage derzeit eher nicht bestehe. Da der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin aus Kabul stammen und dort gemeinsam mit ihrer Familie gelebt haben und ihre Familienangehörigen nach wie vor in Kabul lebt, ist Kabul als Heimatstadt der Beschwerdeführer zu betrachten. Auch die übrigen Beschwerdeführer haben in Afghanistan ausschließlich in Kabul gelebt. In Kabul befindet sich auch noch das Haus des Vaters des Erstbeschwerdeführers. Es stellt daher eine Rückkehr der Beschwerdeführer in die Stadt Kabul keine interne Schutzalternative für die Beschwerdeführer dar.

römisch eins.3.2.4. Zum Erstbeschwerdeführer, der Zweitbeschwerdeführerin und dem Drittbeschwerdeführer:

Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer können wieder in ihre Heimatstadt Kabul zurückkehren:

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderfeststellungen zwar nicht verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktszentren hat. Darüber hinaus ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens sicher erreichbare Stadt.

Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Anschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

Auch den EASO Country Guidance ist zu entnehmen, dass die Provinz Kabul zwar nicht zu den Provinzen in Afghanistan gehört, in denen ein sehr geringes Ausmaß willkürlicher Gewalt herrscht, jedoch auch nicht zu den Gebieten in Afghanistan, in denen ein sehr hohes Maß an willkürlicher Gewalt herrscht. Betreffend die Provinz Kabul ist auf die persönlichen Umstände der jeweiligen Personen abzustellen (EASO Country Guidance Afghanistan Juni 2018 Sitzung 24; auch in den aktuellen EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2019, Sitzung 28ff wird in einer 5teiligen Gefahrenscala Kabul der mittleren Stufe zugeordnet, sodass sich diesbezüglich keine Änderungen ergeben haben). Es ist hier auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in Kabul dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Wie festgestellt wurde, leidet der Erstbeschwerdeführer zwar an Diabetes und weist erhöhte Cholesterinwerte auf, er hat diese Erkrankung jedoch so weit unter Kontrolle. Zudem war dem Erstbeschwerdeführer seine Erkrankung bereits im Iran bekannt und er ist dennoch arbeitsfähig. Auch die anderen Beschwerdeführer leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen oder sonstigen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer sind im erwerbsfähigen Alter. Der Erstbeschwerdeführer verfügt zwar über keine Schulbildung, er kann jedoch eine jahrelange Berufserfahrung in verschiedenen Tätigkeitsbereichen vorweisen. Der Drittbeschwerdeführer verfügt über eine jahrelange Schulbildung und hat bereits Berufserfahrung sammeln können. Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über eine fünfjährige Schulbildung, hat bereits in Afghanistan mit ihren Brüdern Berufserfahrung gesammelt und erbringt auch in Österreich Tätigkeiten als Haushaltshilfe bzw. Reinigungskraft im Rahmen der Nachbarschaftshilfe.

Zudem haben der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin den überwiegenden Teil ihres Lebens in Afghanistan verbracht und die afghanische Kultur vermittelt, wodurch die Beschwerdeführer mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates vertraut sind. Die Beschwerdeführer sprechen Dari, die Landessprache Afghanistans, auf muttersprachlichem Niveau. Der Drittbeschwerdeführer besuchte im Iran eine afghanische Schule. Er wurde durch seine Eltern nach den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert und ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Des Weiteren verfügen die Beschwerdeführer nach wie vor über Familienangehörige in Kabul, mit denen insbesondere die Zweitbeschwerdeführerin auch regelmäßig in Kontakt steht. Die Beschwerdeführer können im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan zumindest vorübergehend mit Unterstützung bei der Suche nach einer Arbeitsstelle und Verpflegung, medizinischer Versorgung durch den Bruder der Zweitbeschwerdeführerin in Kabul rechnen.

Die Beschwerdeführer stammen aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird. Es ist deshalb auch nicht zu befürchten, dass sie bereits unmittelbar nach ihrer Rückkehr und noch bevor sie in der Lage wären, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würden. Zudem können die Beschwerdeführer auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Insbesondere den Erst- bis Drittbeschwerdeführern ist es aufgrund der dargelegten Umstände möglich, sich etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten, wobei den Erst- bis Drittbeschwerdeführern ihre Berufserfahrung zu Gute kommt – eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern. Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer gehören im gemeinsamen Familienverband auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Erst- bis Drittbeschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wären.

Durch das Eigentumshaus in Kabul, haben die Erst- bis Drittbeschwerdeführer eine Wohnmöglichkeit, diese sind nicht auf Lager für Binnenflüchtlinge oder informelle Siedlungen angewiesen.

Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer haben auch nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass gerade ihnen im Falle einer Rückführungsmaßnahme eine Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 19.0.2017, Ra 2017/19/0095).

Die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich auch in Afghanistan aufgrund der Maßnahmen gegen die Verbreitung von Covid-19 verschlechtert. Um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Artikel 2, oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es aber nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist (VwGH vom 28.04.2020, Ra 2020/14/0158). Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK reicht nicht aus (VwGH vom 23.06.2020, Ra 2020/20/0188). Anhaltspunkte dafür, dass männliche, junge, erwerbsfähige und gesunde Asylwerber bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit einer derart unzureichenden Versorgungslage konfrontiert wären, sodass die Befriedigung seiner existentiellen Grundbedürfnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit („real risk“) gefährdet wäre, lassen sich aus den derzeitigen Länderinformationen nicht ableiten (VwGH vom 02.07.2020, Ra 2020/20/0212).

römisch eins.3.2.5. Zu dem Fünftbeschwerdeführer und dem Sechtsbeschwerdeführer:

Bei den Fünft- bis Sechstbeschwerdeführer handelt es sich um Minderjährige. Diese sind in einem anpassungsfähigen Alter, sodass es ihnen möglich ist, sich in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren.

Minderjährige Kinder gelten vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen in Afghanistan als besonders vulnerable Antragsteller (gefährdet besonders durch Munitionsrückstände, körperliche Übergriffe durch Erwachsene in Schulen oder durch die afghanische Polizei, sexuellen Missbrauch, auch als Bacha Bazi, durch Kinderarbeit, Zwangsehen, Ausbeutung sowie auch durch die angespannte Versorgungs- und Sicherheitslage).

Aufgrund der Minderjährigkeit sind der Fünft- und der Sechstbeschwerdeführer nicht in der Lage sich selbst ausreichend zu versorgen. Diese können ihre grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht selber befriedigen. Diese sind auf eine ausreichende Versorgung durch den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin angewiesen und daher besonders von angespannten Versorgungslagen betroffen.

Durch die COVID-Situation hat sich die wirtschaftliche Lage in Kabul angespannt, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen und besonders Gelegenheitsarbeiter und Familien sind von den wirtschaftlichen Folgen der COVID-Situation betroffen. Es sind auch die Preise für Lebensmittel erheblich gestiegen und droht Kabul eine Wasserknappheit. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin müssten daher nicht nur sich selbst, sondern auch ihre zwei minderjährigen Kinder in der COVID-19 Situation in Kabul versorgen. Kabul ist besonders vom Lockdown betroffen. Es ist zu berücksichtigen, dass auch die Verwandten der Beschwerdeführer, die ebenfalls in Kabul leben, auch wirtschaftlich von der COVID-19 Situation und daher von den wirtschaftlichen Erschwernissen betroffen sind. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation, dem Lockdown, der besonderen Betroffenheit der Stadt Kabul und den gestiegenen Lebensmittelpreisen, ist nicht davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin in der Lage wären sowohl sich selbst als auch noch zwei minderjährige Kinder ausreichend zu versorgen und die notwendigen Lebensbedürfnisse sicher zu stellen. Da Kabul vom Lockdown erheblich betroffen ist, sind auch die weiteren Verwandten der Beschwerdeführer von der COVID-19 Situation betroffen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass diese ausreichend in der Lage wären eine sechsköpfige Familie mit zwei minderjährigen Kindern ausreichend zu versorgen.

Es ist dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin daher aufgrund der COVID-Situation, dem Lokdown in Kabul und den dadurch hervorgerufenen wirtschaftlichen Einschränkungen in Zusammenhang mit der Vulnerabilität des Fünftbeschwerdeführers und des Sechstbeschwerdeführers als Minderjährige (trotz familiärer Unterstützung und vorübergehender Wohnmöglichkeit in Kabul) derzeit nicht möglich den notwendigen Lebensunterhalt für den Fünft- und den Sechstbeschwerdeführer in der Stadt Kabul sicher zu stellen. Diese wären daher bei einer möglichen Ansiedelung in Kabul besonders stark von der COVID-19-bedingten angespannten Versorgungslage betroffen.

Es ist den Fünft- und dem Sechstbeschwerdeführer somit nicht möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung nach Afghanistan in der Stadt Kabul Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen.

römisch eins.3.2.6. Es haben sich keine Hinweise ergeben, wonach die Beschwerdeführer in anderen Teilen Afghanistans – insbesondere der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat – über ein tragfähiges und tragwilliges familiäres Netzwerk verfügen. Dem Fünft- und dem Sechstbeschwerdeführer steht daher keine innerstaatliche Fluchtalternative in anderen Landesteilen von Afghanistan offen.

römisch eins.3.2.7. Ausschlussgründe nach Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 liegen nicht vor. Der Fünftbeschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft, er ist erst seit 01.01.2020 strafmündig. Der Sechstbeschwerdeführer ist 10 Jahre alt, er ist nicht strafmündig.

römisch eins.3.2.8. Den Beschwerden des Fünft- und des Sechstbeschwerdeführers war daher hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

römisch eins.3.2.9. Familienverfahren:

Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG lautet auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

Paragraph 2, (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,

22.        Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;

…“

Paragraph 34, Absatz 3, AsylG lautet auszugsweise:

„Familienverfahren im Inland

Paragraph 34, (3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn,

1.           dieser nicht straffällig geworden

3.           gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 9,) und

4.           dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.“

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1.           auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2.           auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3.           im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (Paragraph 30, NAG).“

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die leiblichen Eltern des Fünftbeschwerdeführers. Dieser ist noch ledig und minderjährig.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind nicht straffällig geworden, es liegen keine Ausschlussgründe vor. Diesen ist nicht der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen (siehe Erkenntnis vom 19.09.2019). Dem Fünftbeschwerdeführer wurde mit diesem Erkenntnis der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, es ist gegen diesen kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

Da im gegenständlichen Fall alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, war dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 3, AsylG subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

Den Beschwerden des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin war daher hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 3, AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

römisch eins.3.2.10. Der Drittbeschwerdeführer ist der leibliche Sohn des Erstbeschwerdeführers. Der Drittbeschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Asylantragstellung im November 2015 noch minderjährig, er ist ledig.

Der Drittbeschwerdeführer ist nicht straffällig geworden, es liegen keine Ausschlussgründe vor. Diesem ist nicht der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen (siehe Erkenntnis vom 19.09.2019). Dem Erstbeschwerdeführer wurde mit diesem Erkenntnis der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, es ist gegen diesen kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

Eine nach den Bestimmungen des Familienverfahrens erfolgte Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an einen Elternteil eines Fremden schließt nicht aus, dass auch dem (ledige nund im maßgeblichen Antragszeitpunkt noch minderjährigen) Fremden ungeachtet dessen mittlerweile eingetretener Volljährigkeit seinerseits im Weg des Familienverfahrens der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Ableitung von diesem Elternteil zuerkannt werden könnte (VwGHvom 28.11.2019, Ra 2018/19/0513).

Da im gegenständlichen Fall alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, war dem Drittbeschwerdeführer gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 3, AsylG subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

Der Beschwerden des Drittbeschwerdeführers war daher hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 3, AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

römisch eins.3.2.11. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war dem Erstbeschwerdeführer, der Zweitbeschwerdeführerin, dem Drittbeschwerdeführer, dem Fünftbeschwerdeführer sowie dem Sechstbeschwerdeführer der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen. Daher ist ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu römisch II.) Zu der Beschwerde des Viertbeschwerdeführers gegen die Spruchpunkt römisch II bis römisch VI. des angefochtenen Bescheides

römisch II.3.1.

Mit Erkenntnis vom 19.09.2019 wurden die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides vom 14.12.2017 als unbegründet abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführer diesbezüglich abgelehnt, sodass dies nicht Gegenstand dieses (Teil)Erkenntnisses ist.

römisch II.3.2. Spruchpunkt römisch II. der angefochtenen Bescheide – Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

römisch eins.3.2.1. Paragraph 8, AsylG lautet auszugsweise:

„Status des subsidiär Schutzberechtigten

Paragraph 8, (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.           der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.           dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.

…“

Paragraph 11, AsylG lautet:

„Innerstaatliche Fluchtalternative

Paragraph 11, (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins,) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.“

römisch II.3.2.2. Gemäß Artikel 2, Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573).

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird vergleiche EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029). In diesem Zusammenhang geht der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Sicherheitslage von einer kleinräumigen Betrachtungsweise aus, wobei er trotz der weiterhin als instabil bezeichneten Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage als nicht grundsätzlich ausgeschlossen betrachtet vergleiche VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11).

Es muss den Beschwerdeführern zudem möglich sein sich dort ein Leben aufzubauen und dieses ohne unbillige Härten zu führen. Es darf den Beschwerdeführern dort keine Verletzung ihrer nach Artikel 3, EMRK gewährleistete Rechte drohen.

Aus den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 ergibt sich zwar, dass eine interne Schutzalternative in Kabul aufgrund einer Kombination aus der Sicherheits- und Versorgungslage derzeit eher nicht bestehe. Da der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin aus Kabul stammen und dort gemeinsam mit ihrer Familie gelebt haben und ihrer Familienangehörigen nach wie vor in Kabul lebt, ist Kabul als Heimatstadt der Beschwerdeführer zu betrachten. Auch die übrigen Beschwerdeführer haben in Afghanistan ausschließlich in Kabul gelebt. In Kabul befindet sich auch noch das Haus des Vaters des Erstbeschwerdeführers. Es stellt daher eine Rückkehr der Beschwerdeführer in die Stadt Kabul keine interne Schutzalternative für die Beschwerdeführer dar.

römisch II.3.2.3. Zum Viertbeschwerdeführer:

Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Viertbeschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes wieder in seine Heimatstadt Kabul zurückkehren:

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderfeststellungen zwar nicht verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktszentren hat. Darüber hinaus ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens sicher erreichbare Stadt.

Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Anschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

Auch den EASO Country Guidance ist zu entnehmen, dass die Provinz Kabul zwar nicht zu den Provinzen in Afghanistan gehört, in denen ein sehr geringes Ausmaß willkürlicher Gewalt herrscht, jedoch auch nicht zu den Gebieten in Afghanistan, in denen ein sehr hohes Maß an willkürlicher Gewalt herrscht. Betreffend die Provinz Kabul ist auf die persönlichen Umstände der jeweiligen Personen abzustellen (EASO Country Guidance Afghanistan Juni 2018 Sitzung 24; auch in den aktuellen EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2019, Sitzung 28ff wird in einer 5teiligen Gefahrenscala Kabul der mittleren Stufe zugeordnet, sodass sich diesbezüglich keine Änderungen ergeben haben). Es ist hier auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in Kabul dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Wie festgestellt wurde, ist der Viertbeschwerdeführer gesund, er leidet an keiner schweren Erkrankung und er benötigt keine Medikamente. Der Viertbeschwerdeführer ist volljährig, selbständig und erwerbsfähig. Er verfügt im Iran sowie in Österreich über mehrjährige Schulbildung und er konnte im Iran bereits Berufserfahrung sammeln.

Der Viertbeschwerdeführer ist im Iran in einer Stadt aufgewachsen. Er hat – wenn auch nur sehr kurz – bereits in Kabul gelebt. Ihm sind städtische Strukturen daher bekannt. Er kann sich innerhalb kurzer Zeit Ortskenntnisse aneignen. Der Viertbeschwerdeführer ist im Familienverband aufgewachsen. Seine Familie ist auch in Österreich mit anderen afghanischen Familien befreundet. Auch der Iran ist durch den Islam geprägt, sodass der Viertbeschwerdeführer mit der islamischen Kultur sozialisiert ist. Er wurde durch das Aufwachsen im Familienverband seiner afghanischen Eltern mit der afghanischen Kultur sozialisiert und er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut. Er spricht Dari, eine Landessprache von Afghanistan.

Des Weiteren verfügt der Viertbeschwerdeführer nach wie vor über Familienangehörige in Kabul, mit denen insbesondere die Zweitbeschwerdeführerin auch regelmäßig in Kontakt steht. Der Viertbeschwerdeführer könnte im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zumindest vorübergehend mit Unterstützung bei der Suche nach einer Arbeitsstelle und Verpflegung, medizinischer Versorgung durch den Bruder der Zweitbeschwerdeführerin in Kabul rechnen.

Der Viertbeschwerdeführer stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird. Es ist deshalb auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wären, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würden. Zudem kann der Viertbeschwerdeführer auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Er kann auch finanzielle Unterstützung vom Erstbeschwerdeführer, von der Zweitbeschwerdeführerin sowie vom Drittbeschwerdeführer erhalten. Diese haben mit diesem Erkenntnis eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich erhalten und können einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Diese verfügen alle über verbindliche Einstellungszusagen, sodass diese über Einkommen (im Gesamtausmaß von ca. EUR 3.500 bis 4.000) verfügen werden. Auch abzüglich der Lebenskosten in Österreich, bleibt Geld übrig um den Viertbeschwerdeführer zumindest anfänglich bei einer Ansiedlung in Afghanistan zu unterstützen. Die Lebenskosten in Afghanistan sind viel geringer als in Österreich, sodass schon mit kleineren Beträgen der Lebensunterhalt in Afghanistan bestritten werden kann. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführer sind sowohl unterstützungsfähig als auch unterstützungswillig. Dadurch kann der Viertbeschwerdeführer auch durch die COVID-Krise bedingte steigende Lebensmittelpreise abfedern.

Es ist dem Viertbeschwerdeführer aufgrund der dargelegten Umstände möglich, sich etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Viertbeschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wären.

Durch das Eigentumshaus in Kabul, hat der Viertbeschwerdeführer eine Wohnmöglichkeit, er ist nicht auf Lager für Binnenflüchtlinge oder informelle Siedlungen angewiesen und auch nicht durch die mögliche Schließung von Teehäusern bedroht. Er kann auch von seinen Familienmitgliedern in Kabul vorläufige Unterstützung erhalten.

Der Viertbeschwerdeführer hat auch nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass gerade ihm im Falle einer Rückführungsmaßnahme eine Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 19.0.2017, Ra 2017/19/0095).

Die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich auch in Afghanistan aufgrund der Maßnahmen gegen die Verbreitung von Covid-19 verschlechtert. Um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Artikel 2, oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es aber nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist (VwGH vom 28.04.2020, Ra 2020/14/0158). Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK reicht nicht aus (VwGH vom 23.06.2020, Ra 2020/20/0188). Anhaltspunkte dafür, dass männliche, junge, erwerbsfähige und gesunde Asylwerber bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit einer derart unzureichenden Versorgungslage konfrontiert wären, sodass die Befriedigung seiner existentiellen Grundbedürfnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit („real risk“) gefährdet wäre, lassen sich aus den derzeitigen Länderinformationen nicht ableiten (VwGH vom 02.07.2020, Ra 2020/20/0212).

römisch II.3.2.4. Nach den EASO-Guidelines wird für alleinstehende, junge und erwerbsfähige Männer eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat sowie Mazar-e Sharif als zumutbar erachtet, auch wenn diese dort über kein Unterstützungsnetzwerk verfügen. Auch den aktuellen UNHCR Richtlinien ist zu entnehmen, dass sich junge alleinstehende Männer, ohne besondere Vulnerabilität, auch ohne familiäre Unterstützung in urbanen oder semi-urbanen Gebieten mit ausreichender Infrastruktur und unter staatlicher Kontrolle niederlassen können. Eine solche Infrastruktur und staatliche Kontrolle ist in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vorhanden.

Lediglich bei Rückkehrern, welche außerhalb Afghanistans aufwuchsen, definiert EASO eigene, strengere Prüfkriterien, wonach in diesen speziellen Einzelfällen neben dem Alter, dem Geschlecht, dem Familienstatus, dem Gesundheitszustand, den vorhandenen Ausbildungen, dem beruflichen Hintergrund, der Selbstständigkeit und Kenntnis von kulturellen und landestypischen Gegebenheiten auch das Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerkes von Relevanz sein könnte (VwGH vom 17.09.2019 Ra 2019/14/0160; VwGH vom 17.12.2019 Ra 2019/18/0405).

Bei der Stadt Kabul handelt es sich beim Viertbeschwerdeführer jedoch nicht um eine innerstaatliche Fluchtalternative, sondern um seinen Herkunftsort, sodass die strengeren Kriterien von EASO keine Anwendung finden.

Selbst bei Beachtung dieser strengeren Kriterien und der Prüfung von Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative, ergibt sich, dass dem Viertbeschwerdeführer eine Ansiedlung in Kabul möglich und zumutbar ist.

Er ist nämlich männlich, gesund, jung, alleinstehend und arbeitsfähig. Er verfügt über ein hohes Maß an Selbständigkeit. Er kann in Kabul einer geregelten Arbeit nachgehen. Er wurde mit den kulturellen Gepflogenheiten in Afghanistan durch seine Familie sozialisiert. Er hat im Iran und in Österreich über mehrere Jahre Schulbildung erhalten. Er konnte im Iran auch Berufserfahrung sammeln. Er spricht Dari, eine Landessprache von Afghanistan. Er verfügt in Kabul über ein familiäres Netzwerk, dass ihn bei der Suche nach einer Arbeitsstelle, medizinischer Versorgung und Verpflegung unterstützen kann. Er kann im Haus seines Großvaters wohnen. Seine in Österreich lebenden Familienangehörigen sind fähig und willens den Viertbeschwerdeführer in Afghanistan auch finanziell zu unterstützen. Er kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Viertbeschwerdeführer daher auch unter Berücksichtigung der Empfehlungen von EASO, betreffend eine innerstaatliche Fluchtalternative, möglich und zumutbar sich nach anfänglichen Schwierigkeiten wieder in Kabul anzusiedeln, dort Fuß zu fassen und ein Leben ohne unbillige Härten zu führen.

römisch II.3.2.5. Dem Drittbeschwerdeführer steht zudem eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif zur Verfügung.

Für die Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative sind zwei getrennte und selbständige Voraussetzungen zu prüfen (UNHCR, Kapitel römisch III. C). Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und Schutz vor Bedingungen, die nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Das als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet muss zudem sicher und legal zu erreichen sein (VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VwGH vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0118). (Analyse der Relevanz). Von dieser Frage ist getrennt zu beurteilen, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann, bzw. dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in dem betreffenden Gebiet niederzulassen (Analyse der Zumutbarkeit).

Ob dem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von persönlichen Umständen des Betroffenen, der Sicherheit, der Achtung der Menschenrechte und der Aussichten auf wirtschaftliches Überleben. Es muss möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute des Asylwerbers führen können. Ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation sind keine ausreichenden Gründe, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Die Verhältnisse in dem Gebiet müssen aber ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VwGH vom 30.01.2018 Ra 2018/18/0001).

Die durch die Covid-19-Pandemie bewirkte schwierigere wirtschaftliche Lage (Schließung von Teehäusern und Hotels, wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns auf die Tagelöhner) zeigt – im Einzelfall – nicht auf, dass in der Stadt Mazar-e Sharif solche exzeptionellen Umstände vorlägen, die eine Verletzung der nach Artikel 3, EMRK garantierten Rechte darstellt, noch dass gesunden und arbeitsfähigen Asylwerbern - ungeachtet der schwierigeren wirtschaftlichen Lage - eine Ansiedlung unter Berücksichtigung der aktuellen Lage dort unzumutbar wäre (VwGH vom 03.09.2020, Ra 2020/19/0253).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in den Städten Herat und Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein. Herat Stadt und Mazar-e Sharif sind durch einen Flughafen über den Luftweg sicher und legal erreichbar. Damit liegt die erste Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative vor.

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in Herat und Mazar-e Sharif dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Selbst nach den strengeren Kriterien von EASO betreffend die Inanspruchnahme einer IFA für Personen die außerhalb von Afghanistan aufgewachsen sind (siehe Punkt römisch II.3.2.4.), ist es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar sich in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif niederzulassen, dort Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen.

Wie festgestellt wurde, ist der Beschwerdeführer gesund sowie im erwerbsfähigen Alter.

Er verfügt zudem über eine jahrelange Schulausbildung im Iran und in Österreich. Er verfügt über Berufserfahrung im Iran. Zudem spricht der Viertbeschwerdeführer Dari, eine Landessprache von Afghanistan, auf muttersprachlichem Niveau.

Der Viertbeschwerdeführer ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut und anpassungsfähig, er kann sich daher in den Städten Herat und Mazar-e Sharif zurechtfinden. Er hat zwar noch nicht in den Städten Herat und Mazar-e Sharif gelebt und verfügt dort über keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte, er kann sich jedoch innerhalb kurzer Zeit Ortskenntnisse aneignen. Ihm sind städtische Strukturen zudem bekannt.

Der Viertbeschwerdeführer ist zudem im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, alleinstehend und arbeitsfähig. Des Weiteren verfügt der Viertbeschwerdeführer nach wie vor über Familienangehörige in Kabul in Afghanistan. Die Zweitbeschwerdeführerin steht mit dieser Familie auch in regelmäßigem Kontakt.

Der Viertbeschwerdeführer kann im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan, zumindest vorübergehend, finanzielle Unterstützung durch den Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin sowie den Drittbeschwerdeführer erhalten. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Es ist deshalb auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würde. Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif ist dem Viertbeschwerdeführer zumutbar und auch möglich.

Damit liegt die zweite Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative vor.

römisch II.3.2.6. Zudem hat kein Fremder das Recht in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden. Dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielland gibt, ist es unerheblich ob die Behandlung dort nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK.

Solche außergewöhnlichen Umstände liegen vor, wenn ein Fremder bei einer Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, da eine tödliche Erkrankung in der Endphase vorliegt, im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar ist und zudem Grundbedürfnisse mangels Angehöriger nicht gesichert sind. Außergewöhnliche Umstände liegen auch dann vor, wenn anzunehmen ist, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH vom 25.09.2019, Ra 2018/19/0585; VwGH vom 18.10.2018, Ra 2018/19/0139; EGMR vom 13.12.2016, P./Belgien, 41738/10 ).

Der Beschwerdeführer ist gesund. Eine Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan stellt keine Verletzung nach Artikel 3, EMRK dar. Anlässlich einer Abschiebung wird von der Fremdenpolizeibehörde stets der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit der Fremden beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

Auch unter Berücksichtigung der Covid-19 Pandemie ergibt sich hierzu keine andere Beurteilung. Dass der Viertbeschwerdeführer derzeit an einer Covid-19-Infektion leiden würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit Covid-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1%. Es fehlen daher bei einer Infektion mit Covid-19 die geforderten außergewöhnlichen Umstände im Sinn des Artikel 3, EMRK.

Es haben sich bei dem Viertbeschwerdeführer zudem keine besonderen Immunschwäche-erkrankungen oder sonstige lebensbedrohliche Erkrankungen ergeben. Es gehört der Viertbeschwerdeführer daher keiner Risikogruppe an. Es wurde von dem Viertbeschwerdeführer auch nicht substantiiert vorgebracht, dass er wegen der derzeitigen Covid-19-Pandemie besonders gefährdet oder einer Risikogruppe zugehörig wäre.

In jedem Fall setzt eine durch die Lebensumstände im Zielstaat bedingte Verletzung des Artikel 3, EMRK aber eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr voraus. Die bloße Möglichkeit eines dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Nachteils reicht hingegen nicht aus, um Abschiebungsschutz zu rechtfertigen (VwGH vom 06.11.2009, 2008/19/0174). Nach der derzeitigen Sachlage wäre daher eine mögliche Ansteckung des Viertbeschwerdeführers in Afghanistan mit Covid-19 und ein diesbezüglicher außergewöhnlicher Krankheitsverlauf allenfalls spekulativ. Eine reale und nicht auf Spekulationen gegründete Gefahr ist nicht zu erkennen.

römisch II.3.2.7. Familienverfahren:

Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG lautet auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

Paragraph 2, (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,

22.        Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;

(3) Ein Fremder ist im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er
1.              wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, oder
2.              mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist rechtskräftig verurteilt worden ist.

(4) Abweichend von Paragraph 5, Ziffer 10, des Jugendgerichtsgesetzes 1988 – JGG, Bundesgesetzblatt Nr. 599 aus 1988,, liegt eine nach diesem Bundesgesetz maßgebliche gerichtliche Verurteilung auch vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist“

Paragraph 34, Absatz 3, AsylG lautet auszugsweise:

„Familienverfahren im Inland

Paragraph 34, (3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn,

1.           dieser nicht straffällig geworden

3.           gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 9,) und

4.           dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.“

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1.           auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2.           auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3.           im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (Paragraph 30, NAG).“

Der Viertbeschwerdeführer ist der leibliche Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Der Viertbeschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Asylantragstellung im November 2015 noch minderjährig, er ist ledig.

Der Viertbeschwerdeführer wurde jedoch dreimal von einem Landesgericht wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die auch in die Zuständigkeit des Landesgerichts fällt, sowie einmal von einem Bezirksgericht wegen einer Vorsatztat rechtskräftig verurteilt. Der Viertbeschwerdeführer war zwar zum Zeitpunkt der Tatbegehungen noch minderjährig, gemäß Paragraph 2, ABs 4 AsylG liegt eine maßgebliche gerichtliche Verurteilung jedoch auch dann vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist.

Der Viertbeschwerdeführer ist daher im Sinn des Paragraph 34, Absatz 3, Ziffer eins, AsylG in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz 3 und Absatz 4, AsylG straffällig geworden. Es ist daher der Status der subsidiär Schutzberechtigten vom Erstbeschwerdeführer bzw. von der Zweitbeschwerdeführerin gemäß Paragraph 34, Absatz 3, Ziffer eins, AsylG nicht auf den Viertbeschwerdeführer abzuleiten.

römisch II.3.2.8. Die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers gegen Spruchpunkt römisch II. war daher als unbegründet abzuweisen.

römisch II.3.3.  Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides – Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG

römisch II.3.3.1. Paragraph 57, AsylG lautet auszugsweise:

„Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.           wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, …,

2.           zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.           wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

…“

römisch II.3.3.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Viertbeschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, FPG wurde. Weder hat der Viertbeschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

römisch II.3.3.3. Die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers war in diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.

römisch II.3.4.  Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides - Rückkehrentscheidung

römisch II.3.4.1. Paragraph 52, Fremdenpolizeigesetz (FPG), Paragraph 9, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG), und Paragraphen 58, Absatz 2 und 52 AsylG lauten auszugsweise:

„Rückkehrentscheidung (FPG)

Paragraph 52, …

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn,

1.           dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.           dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.           ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.           ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird,

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

…“

„Schutz des Privat- und Familienlebens (BFA-VG)

Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.              die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.              das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.              die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.              der Grad der Integration,
5.              die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.              die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.              Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.              die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.              die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

…“

„Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren (AsylG)

Paragraph 58, …

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

…“

„Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK (AsylG)

Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn,

1.           dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und

2.           der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

…“

römisch II.3.4.2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Unter „Privatleben“ im Sinne von Artikel 8, EMRK sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Artikel 8, EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (VwGH vom 25.04.2018, Ra 2018/18/0187). Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so muss die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich sein, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (VwGH vom 18.09.2019). Die Kombination aus Fleiß, Arbeitswille, Unbescholtenheit, dem Bestehen sozialer Kontakte in Österreich, dem verhältnismäßig guten Erlernen der deutschen Sprache sowie dem Ausüben einer Erwerbstätigkeit stellt bei einem Aufenthalt von knapp vier Jahren im Zusammenhang mit der relativ kurzen Aufenthaltsdauer keine außergewöhnliche Integration dar (VwGH vom 18.09.2019, Ra 2019/18/0212). Es ist im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH vom 28.02.2019, Ro 2019/01/003).

Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben (VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407).

römisch II.3.4.3. Im gegenständlichen Fall ist der Viertbeschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen und somit illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Viertbeschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung im November 2015, somit seit fast fünf Jahren, im Bundesgebiet auf. Dieser Zeitraum ist als eher kurz zu werten. Der Viertbeschwerdeführer durfte sich in Österreich bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war.

Der Viertbeschwerdeführer geht in Österreich keiner beruflichen Tätigkeit nach, sondern er lebt von der Grundversorgung. Er ist am Arbeitsmarkt nicht integriert.

Der Viertbeschwerdeführer konnte in Österreich zwar Kontakte knüpfen, er verfügen jedoch über keine engen Freundschaften in Österreich. Das Interesse des Viertbeschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Kontakte ist dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste.

Der Viertbeschwerdeführer hat derzeit den meisten Kontakt zu seinen Eltern und seinen Brüdern. Er verbringt derzeit die meiste Zeit zu Hause. Er hat ein enges Verhältnis zu seinen Eltern und zu seinen Brüdern bzw. zu seinem Cousin.

Darüber hinaus ist nach wie vor von einer Bindung des Viertbeschwerdeführers nach Afghanistan auszugehen, zumal er nach den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert wurde. Er spricht eine Landessprache von Afghanistan auf muttersprachlichem Niveau. Er ist afghanischer Staatsangehöriger. Hinzu kommt, dass er nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte und ein Haus seiner Familie in Afghanistan verfügt. Aufgrund der afghanischen Sozialisierung des Viertbeschwerdeführers kann auch nicht gesagt werden, dass dieser seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre, sodass sich der Viertbeschwerdeführer in Afghanistan wieder eingliedern kann. Dabei kann er von seinen in Kabul lebenden Verwandten unterstützt werden.

römisch II.3.4.4. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die für die Integration eines Fremden wesentliche soziale Komponente auch durch vom Fremden begangene Straftaten erheblich beeinträchtigt vergleiche etwas VwGH 19.11.2003, 2002/21/0181 mwN).

Eine Trennung von einem österreichischen oder in Österreich dauerhaft niedergelassenen Ehepartner ist im Ergebnis nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden (VwGH vom 22.08.2019, Ra 2019/21/0128). Die durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bewirkte Trennung von Familienangehörigen ist im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität in bestimmten Konstellationen in Kauf zu nehmen (VwGH vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0034).

Auch aus einem einmaligen Fehlverhalten - entsprechende Gravidität vorausgesetzt - kann eine maßgebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden (VwGH vom 03.07.2018, Ra 2018/21/0099). Suchtmittelvergehen stellen ein besonderes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist, und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH23.02.2016, Ra 2015/01/0249). Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe -in Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist nach den Grundsätzen der Judikatur umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden - etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall - manifestiert hat (VwGH vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0118).

Im vorliegenden Fall muss sich der Viertbeschwerdeführer im Rahmen der ihn betreffenden Interessenabwägung entgegenhalten lassen, dass er im Laufe seines Aufenthaltes in Österreich viermal strafgerichtlich verurteilt wurde. Neben erheblichen Straftaten gegen das Suchtmittelgesetz, hat der Viertbeschwerdeführer Diebstähle begangen, Personen bedroht, Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet, Personen Körperverletzungen zugefügt. Es mussten gegen ihn Waffenverbote, Betretungsverbote und einstweilige Verfügungen erlassen werden.

Der Beschwerdeführer wurde erst vor einem Jahr aus der Strafhaft entlassen. Davor wurde er mehrfach straffällig, auch während dem laufenden Asylverfahren und dem laufenden Verfahren über die Verhängung eines Einreiseverbotes. Der Viertbeschwerdeführer konnte auch durch Verurteilungen und eine Haftstrafe nicht von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten werden. Beim Viertbeschwerdeführer ist keine Reue zu erkennen.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Viertbeschwerdeführer bei Begehung der Straftaten noch minderjährig war. Dennoch sind die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten erheblich, er zeigte keine Reue oder Tateinsicht und wurde mehrfach während offener Probezeit und bereits erfolgter Verurteilung erneut straffällig. Er achtet die Österreichische Rechtsordnung nicht. Auch wenn der Viertbeschwerdeführer vor ca. einem Jahr aus dem Gefängnis entlassen wurde und es bisher keine neuen Verurteilungen gegeben hat, reicht dieser Zeitraum in Anbetracht der erheblichen kriminellen Energie des Viertbeschwerdeführers, seinem bisherigen Rückfall während offener Probezeit und der Vielzahl seiner Straftaten nicht aus, um einen Gesinnungswandel zu erkennen oder eine positive Zukunftsprognose zu erstellen.

römisch II.3.4.5. Den privaten Interessen des Viertbeschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber.

Der Viertbeschwerdeführer hat ein enges Verhältnis zu seinen in Österreich lebenden Eltern sowie zu seinen Brüdern und seinem Cousin. Er hat – sofern er nicht von zu Hause weggelaufen ist bzw. er aufgrund seiner kriminellen Handlungen und seiner Aggressivität in anderen Heimen untergebracht werden musste – immer mit seinen Eltern und Brüdern zusammengelebt. Aufgrund der besonders hohen kriminellen Energie und der sich daraus ergebenden erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, ist ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Viertbeschwerdeführer jedoch gerechtfertigt.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Viertbeschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Viertbeschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden oder die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG erforderlich machen würden.

Der Veirtbeschwerdeführer hat weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen, noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

römisch II.3.4.6. Die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers war in diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.

römisch II.3.5.  Spruchpunkt römisch fünf. des angefochtenen Bescheides – Zulässigkeit der Abschiebung

römisch II.3.5.1. Paragraphen 52, Absatz 9 und 50 FPG lauten auszugsweise wie folgt:

„Rückkehrentscheidung

Paragraph 52, …

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Verbot der Abschiebung

Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

…“

römisch II.3.5.2. Die Voraussetzungen des Paragraph 50, Absatz eins, FPG entsprechen jenen des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde mit diesem Erkenntnis verneint.

Die Voraussetzungen des Paragraph 50, Absatz 2, FPG entsprechen jenen des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.09.2019 verneint. Es sind im Verfahren keine Neuerungen hervorgekommen, die einen entsprechenden Sachverhalt oder eine asylrelevante Verfolgung des Viertbeschwerdeführers in Afghanistan annehmen lassen. Der Viertbeschwerdeführer ist in Afghanistan keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

Der Viertbeschwerdeführer hat in der Verhandlung vom 23.09.2020 auch nicht behauptet in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein.

Es besteht auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, welche eine Abschiebung nach Afghanistan für unzulässig erklärt. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

römisch II.3.5.3. Die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers war in diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.

römisch II.3.6.  Spruchpunkt römisch VI. des angefochtenen Bescheides – Ausreisefrist

römisch II.3.6.1. Paragraph 55, FPG lautet auszugsweise:

„Frist für die freiwillige Ausreise

Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.“

römisch II.3.6.2. Besondere Umstände im Sinne des Paragraph 55, Absatz 2, FPG sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden, weshalb die vom Bundesamt gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

römisch II.3.6.3. Die Beschwerde war in diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.

Zu B)       Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2020:W251.2183451.1.00