Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

25.02.2020

Geschäftszahl

W255 2189227-2

Spruch

W255 2189227-2/32E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2019, Zl. 1093269303-190004270, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.02.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.

1.2. Am 31.01.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF ua an, dass er täglich vier bis fünf verschiedene Medikamente nehme, dies für seine Nerven und gegen Kopfschmerzen. Er rauche auch Cannabis. Der BF habe auch schon in Afghanistan unter Depressionen gelitten, in Österreich hätten sich seine psychischen Probleme verstärkt, weil er sich große Sorgen mache. Der BF habe, als er in römisch 40 gewesen sei, einen Anruf aus Afghanistan erhalten und erfahren, dass seine Familie Probleme habe und plötzlich verschwunden sei. Keiner wisse, wo sich seine Familie aufhalte. Nur seine Ehegattin sei noch im Heimatdorf und nicht verschollen. Ihr gehe es gut und sie habe keine Probleme.

1.3. Im Verfahren vor dem BFA wurden vom BF die folgenden Unterlagen vorgelegt:

* Arztbrief des Landesklinikums römisch 40 vom 04.12.2015 (stationäre Krankenhausbehandlung des BF vom 03.12.2015 bis 04.12.2015)

* Aufenthaltsbestätigung und Arztbrief des Landesklinikums römisch 40 vom 10.12.2015 (Diagnose: "F43.1 Posttraumtische Belastungsstörung" und "F62.0 Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung" betreffend den BF)

* Arztbrief des Landesklinikums römisch 40 vom 12.12.2015 (Diagnose: "Cont. man. sin." betreffend den BF)

* Patientenbrief von römisch 40 vom 17.12.2015 (Diagnose: "Lumbago bds" betreffend den BF)

* Arztbrief des Landesklinikums römisch 40 vom 22.12.2015 (Diagnose: "Posttraumatische Belastungsstörung F43.1, Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung F62.0" betreffend den BF)

* Ambulanter Arztbrief des Universitätsklinikums römisch 40 vom 21.01.2016 (Diagnose: "Verdacht auf Spannungskopfschmerz, Posttraumatische Belastungsstörung" betreffend den BF)

* Befundbericht von römisch 40 vom 26.01.2016 (Diagnose: "V. a. posttraumatische Belastungsstörung; römisch fünf. a. kombinierte Persönlichkeitsstörung" betreffend den BF)

* Kurzbrief des Landesklinikums römisch 40 vom 08.02.2016 (Diagnose: "F43.0 akute Belastungsreaktion, F43.1. Posttraumatische Belastungsstörung" betreffend den BF)

* Befundbericht des Landesklinikums römisch 40 vom 11.02.2016 (Diagnose: "F43.0 Akute Belastungsstörung, DD: F43.1. Posttraumatische Belastungsstörung" betreffend den BF)

* Kurzbrief des Landesklinikums römisch 40 vom 29.02.2016 (Diagnose: "F32.2 Depression, St. p. SMV, chron. Kopfschmerz")

* Befundbericht des Landesklinikums römisch 40 vom 11.03.2016 (Diagnose: "F32.2 Depressio, gegenwärtig schwere Episode mit St.p. SMV, chron. Spannungskopfschmerz" betreffend den BF)

* Befundbericht des Landesklinikums römisch 40 vom 24.03.2016 (Diagnose: "F43.0 akute Belastungsreaktion, F12.1 Schädlicher Gebrauch von THC, F13.1. Schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen, Metalldichter Fremdkörper im Thenarbereich rechte Hand" betreffend den BF)

* Aufenthaltsbestätigung des Landesklinikums römisch 40 vom 25.05.2016 (stationäre Krankenhausbehandlung vom 23.05.2016 bis 25.05.2016 betreffend den BF)

* Befundbericht des Landesklinikums römisch 40 vom 27.05.2016 (Diagnose: "F43.2 Akute Belastungsreaktion" betreffend den BF)

* Kurzbrief des Landesklinikums römisch 40 vom 29.07.2016 (Diagnose: "F 43.0 akute Belastungsreaktion" betreffend den BF)

* Befundbericht des Landesklinikums römisch 40 vom 03.08.2016 (Diagnose: "F43.0 akute Belastungsreaktion" betreffend den BF)

* Ambulanzkarte und unfallchirurgischer Erstbericht des Universitätsklinikums römisch 40 vom 08.09.2016 (Diagnose: "V. sciss. reg. Hypothenaris sin." betreffend den BF) nach Selbstverletzung des BF (Schnitt mit Messer im Bereich d. li. Hypothenars)

* Ärztlicher Befundbericht vom 26.09.2016 von römisch 40 (Diagnose: "PTSD mit dissoziativen Zuständen" betreffend den BF)

* Unfallchirurgischer Erstbericht des Universitätsklinikums römisch 40 vom 25.10.2016 (Diagnose: "Cont. Capitis, Dist. Nuchae, Dist. in artic. man. Sin., Dist. gen. sin." betreffend den BF) nach einem Sprung des BF aus dem 2. Stock

* Ambulanzkarte und Entlassungsbrief des Landesklinikums römisch 40 vom 11.11.2016 (Diagnose: "F62.0 Komplexe posttraumatische Belastungsstörung" betreffend den BF)

* Arztbrief vom 24.11.2016 des Landesklinikums römisch 40 (Diagnose: "F62.0 Komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit dissoziativen Symptomen" betreffend den BF)

* undatierte psychologische Stellungnahme der römisch 40 mit der Auflistung der folgenden Diagnosen betreffend den BF:

o "Komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit dissoziativen Symptomen

o Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung

o Chronische Kopfschmerzen

o Chronische Suizidalität"

sowie der Auflistung der folgenden Krankenhausaufhalte des BF:

o 03.12. - 04.12.2015: Landesklinikum XXXX-XXXX

o 12.12.2015: Landesklinikum XXXX-XXXX

o 17.12.2015: römisch 40 (Urologie)

o 26.01.2016: XXXX

o 06.12. - 10.12.2015: Landesklinikum XXXX-XXXX

o 21.01.2016: Universitätsklinikum römisch 40 / Neurologie

o 04.02. - 08.02.2016: Landesklinikum XXXX

o 24.02. - 29.02.2016: Landesklinikum XXXX

o 11.03. - 16.03.2016: Landesklinikum XXXX

o 23.05. - 25.05.2016: Landesklinikum XXXX

o 28.07. - 29.07.2016: Sprung aus dem 2. Stock - Landesklinikum XXXX

o 08.09.2016: Selbstverletzung an der linken Hand - römisch 40 / Unfallchirurgie

o 25.10.2016: Sprung aus dem 2. Stock - römisch 40 / Unfallchirurgie

o 01.11. - 02.11.2016: Landesklinikum XXXX

o 21.11. - 24.11.2016: Landesklinikum XXXX

1.4. Mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Dem BF wurde gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.01.2019 erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das BFA aus, dass nicht festgestellt werden habe können, dass der BF in Afghanistan asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre. Der BF stehe in psychologischer Behandlung und müsse Medikamente einnehmen. Aufgrund seines psychischen Gesundheitszustandes und der fehlenden psychologischen Betreuung in Afghanistan könne eine ernsthafte Bedrohung der Unversehrtheit des BF nicht ausgeschlossen werden.

Diesem Bescheid wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 3. Quartal 2017 zugrunde gelegt.

1.5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des unter Punkt 1.4. genannten Bescheides des BFA erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

1.6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018, GZ W200 2189227-1/13E, wurde die unter Punkt 1.5. genannte Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen.

1.7. Am 26.11.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter.

1.8. Mit Schreiben vom 02.01.2019 teilte das BFA dem BF mit, dass aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung des BF und einer Anklageerhebung gegen den BF ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet werde. In Einem wurden dem BF Länderinformationen betreffend Afghanistan übermittelt. Dem BF wurde die Möglichkeit eingeräumt, hierzu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen.

1.9. Am 22.02.2019 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er gesund sei. Es sei ihm früher schlecht gegangen, nun passe alles. Er stehe in keiner ärztlichen oder sonstigen Behandlung und habe keine neuen ärztlichen Unterlagen. Die Mutter, fünf Brüder und drei Schwestern des BF würden alle in römisch 40 leben. Der BF stehe in regelmäßigem Kontakt mit ihnen. Sie würden Probleme habe, aber es gehe. Seine Brüder würden als Mechaniker und Holzverkäufer arbeiten. Der BF habe in Afghanistan acht Jahre als Mechaniker und drei Jahre als Taxifahrer gearbeitet. Er sei in ganz Afghanistan mit dem Taxi unterwegs gewesen. Er kenne sich auch in Kabul aus. Der BF wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren, da er dort Angst um sein Leben hätte.

Der BF besuche derzeit keine Kurse. Er arbeite und habe eine Mietwohnung. Er gehe ins Fitnesscenter. Er führe keine Lebensgemeinschaft in Österreich und habe keine Hobbies. Er habe bisher keine Deutschprüfung absolviert und pflege in seiner Freizeit keinen Kontakt zur österreichischen Bevölkerung. Er habe vor zwei Wochen das letzte Mal Cannabis konsumiert.

1.10. Mit Bescheid des BFA vom 05.03.2019, Zl. 1093269303-190004270, wurde der dem BF mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 9, Absatz eins und 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt römisch eins.) und dem BF die mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, erteilte befristete Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß Paragraph 9, Absatz 4, AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt römisch II). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Für die freiwillige Ausreise des BF wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt römisch VI.). Gemäß Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 2, FPG 2005 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch VII).

Begründend führte das BFA aus, dass die Voraussetzungen die dazu geführt hätten, dass dem BF in Österreich subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, nicht mehr vorliegen würden. Der BF sei gesund, stehe weder in einer ärztlichen noch sonstigen medizinischen Behandlung und bedürfe keiner solchen Versorgung nach seiner Rückkehr in Afghanistan. Der BF verfüge über Arbeitserfahrung in Afghanistan und in Österreich und könne in Afghanistan für seinen Lebensunterhalt sorgen. Er verfüge weiters über Ortskenntnisse in Afghanistan und über familiäre Anbringung. Er stehe auch in Kontakt mit seiner Familie. Seine Heimatprovinz gelte nach wie vor als volatil. Eine Rückkehr dorthin könne dem BF nicht zugemutet werden. Jedoch stehe es ihm offen, sich in Kabul oder Mazar-e Sharif niederzulassen.

Der BF verfüge über keine maßgebliche private Anbindung in Österreich. Es habe keine Integrationsverfestigung festgestellt werden könne. Der BF sei mit Urteil des Landesgerichts römisch 40 vom 23.11.2018, Zl. 64 Hv 101/18a, rechtskräftig wegen Paragraph 84, Absatz 4, StGB verurteilt worden und habe in Österreich Suchtgiftmittel konsumiert.

1.11. Gegen den unter Punkt 1.10. genannten Bescheid des BFA richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin brachte er vor, dass keine Ermittlungen darüber angestellt worden seien, ob der BF gesund sei und keine medizinisch-psychologische Hilfe mehr benötige. Diesbezüglich seien weder ein fachärztliches Gutachten noch sonstige Einschätzungen Sachverständiger eingeholt worden. Auch die objektive Situation in Afghanistan habe sich keineswegs verbessert. Eine IFA stehe dem BF nicht zur Verfügung.

1.12. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 08.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.13. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.05.2019, GZ W230 2189227-2/7Z, wurde römisch 40 , allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, gemäß Paragraph 52, Absatz 2, AVG in Verbindung mit Paragraph 17, VwGVG zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet Medizin/Psychiatrie/Neurologie bestellt. Dem Sachverständigen wurden insbesondere die unter Punkt 1.3. genannten medizinischen Unterlagen übermittelt und der Sachverständige beauftragt, zehn Fragen in Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des BF zu beantworten.

1.14. Am 31.10.2019 wurde der BF einer Untersuchung durch den Sachverständigen unterzogen.

1.15. Am 19.11.2019 übermittelte der Sachverständige dem Bundesverwaltungsgericht sein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 31.10.2019. Dem Gutachten zufolge leide der BF an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F43.2) sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung in Remission. Der BF sei einvernahme- und handlungsfähig. Es bestehe im Falle einer Überstellung nach Afghanistan nicht die reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder sich die Krankheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte.

1.16. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2019 wurden dem BF aktuelle Länderinformationen betreffend Afghanistan und das Gutachten des Sachverständigen vom 31.10.2019 übermittelt.

1.17. Am 20.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seiner Rechtsvertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Paschto durch. Dabei gab der BF an, dass er bei Bedarf Mexalen und Seroquel gegen Kopfschmerzen einnehme. Er habe keine medizinischen Unterlagen mit, die er vorlegen wolle. Er wisse nicht, wann er das letzte Mal im Landesklinikum römisch 40 oder in einem anderen Landesklinikum gewesen sei. Der Vater, die Mutter, vier Brüder, drei Schwestern, die Ehegattin und der dreijährige Sohn des BF würden in seinem Heimatdorf leben. Der BF stehe in regelmäßigem Kontakt mit seinen Verwandten. Sein Vater und seine Brüder würden in einer Autowerkstatt arbeiten. Es gehe ihnen gut. Der BF habe in Afghanistan als Automechaniker und als Taxifahrer gearbeitet. Er sei als solcher auch nach Mazar-e Sharif gefahren und kenne sich dort aus. Der BF habe noch weitere Verwandte, die in seinem Heimatdorf leben würden (fünf Onkel väterlicherseits, eine Tante väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits mit ihren Familien), er habe aber nur zu einem Onkel väterlicherseits Kontakt.

Der BF habe keine Verwandten in Österreich. Er habe eine österreichische Freundin, die er am Wochenende sehe. Der BF gehe in Österreich einer Arbeit in einer Autowerkstatt nach. Daneben besuche er die Fahrschule. Er verdiene EUR 1.300,- netto monatlich. Der BF habe in Österreich bisher keine Deutschprüfungen absolviert. Er könne Deutsch sprechen, aber Schreiben falle ihm schwer. Befragt, wann er seinen letzten Deutschkurs in Österreich besucht habe, gab der BF an, dass er zwei Wochen lang in römisch 40 bzw. römisch 40 eine Schule besucht habe, aber dort nichts lernen habe können. Er lebe in einer Mietwohnung. Er habe Schulden, wisse aber nicht, wie hoch diese seien. Er sei nicht Mitglied in einem Verein in Österreich. Der BF schäme sich für seine Fehler (strafbare Handlungen), die er in Österreich begangen habe. Er wolle nicht darüber sprechen und bereue sie sehr.

Der BF verzichtete zunächst auf die Abgabe einer Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen vom 31.10.2019 sowie zu den in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen, im weiteren Verlauf der Verhandlung brachte er vor, dass die Ärzte Medikamente verabreichen würden, die gar nicht für diese Krankheit gedacht seien. So würde z.B. jeder Mittel gegen Malaria bekommen. Medikamente in Afghanistan und in Pakistan seien teuer. Die Rechtsvertreterin des BF gab an, dass aus dem Gutachten nicht erkennbar sei, inwiefern sich Symptome betreffend die posttraumatische Belastungsstörung weitgehend zurückgebildet hätten, da vom BF auch im Rahmen des Gesprächs mit dem Sachverständigen Alpträume und Schlafstörungen geäußert worden seien. Zudem gehe aus dem Gutachten nicht klar hervor, ob ausgeschlossen werden könne, dass für den BF im Falle einer Rückkehr und die damit verbundene Stresssituation Suizidgefahr bestehe.

Der BF legte einen Lebenslauf, Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie eine durch seinen Arbeitgeber veranlasste Anmeldung des BF zur Sozialversicherung vor.

1.18. Mit Schreiben vom 21.02.2020 nahm der BF durch seine Rechtsvertreterin zu den in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen betreffend Afghanistan Stellung. Weiters wurde ausgeführt, dass die persönliche Situation des BF unverändert sei. Es gehe ihm zwar vorübergehend besser, weil er nunmehr durch seine berufliche Tätigkeit von seinen Erinnerungen an die Vergangenheit und seiner Sorge um seine Familie abgelenkt sei, allerdings handle es sich nur um kurzfristige, nicht nachhaltige Veränderungen. In dem Gutachten des Sachverständigen vom 31.10.2019 sei nicht ersichtlich, inwiefern es zu der für Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG erforderlichen nachhaltigen und wesentlichen Veränderung bzw. Verbesserung der persönlichen Situation des BF gekommen sei. Die konkrete Beurteilung der Veränderung der Situation des BF im Zeitraum Jänner 2018 (Zuerkennungszeitpunkt) bis heute sei nicht vom Gutachtensauftrag umfasst gewesen, weshalb der BF hiermit eine diesbezügliche Gutachtensergänzung beantrage, zum Beweis dafür, dass sich die psychische Situation des BF seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht wesentlich und nachhaltig verändert habe. Die Aberkennung des subsidiären Schutzes erweise sich im vorliegenden Fall als rechtswidrig.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz des BF vom 04.11.2015, dem gegenständlich erhobenen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, der Erstbefragung und der Einvernahmen des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, insbesondere der Einvernahme des BF vom 22.02.2019, der Bescheide des BFA und des Bundesverwaltungsgerichts, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.02.2020, der Länderberichte zu Afghanistan, dem Sachverständigengutachten vom 31.10.2019 sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister, den seitens des Landesgerichts römisch 40 zur Zl. 64 Hv 101/18a geführten Strafakt sowie das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Er wurde im Dorf römisch 40 , Distrikt römisch 40 , Provinz römisch 40 , Afghanistan, geboren und ist dort aufgewachsen.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Paschto.

2.1.3. Der BF verfügt über keine Schulbildung in Afghanistan. Der BF arbeitete acht Jahre als Automechaniker und drei Jahre als Taxifahrer und Warenbeförderer in Afghanistan. Als Taxifahrer und Warenbeförderer fuhr der BF im gesamten Land Afghanistans, unter anderem auch wiederholt nach Mazar-e Sharif. Er verfügt über Ortskenntnisse in vielen Provinzen und in der Stadt Mazar-e Sharif, wo er in Vergangenheit wiederholt übernachtet hat.

2.1.4. Der Vater, die Mutter, vier Brüder, drei Schwestern, die Ehegattin und der dreijährige Sohn des BF leben in seinem Heimatdorf. Es geht ihnen gut. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit ihnen. Der Vater und die Brüder des BF arbeiten regelmäßig als Automechaniker in einer Autowerkstatt. Die Familie des BF ist in der Lage, den BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen.

2.1.5. Der BF leidet unter einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F43.2.) und einer posttraumatischen Belastungsstörung in Remission. Die psychischen Beschwerden des BF stehen in engem Zusammenhang mit der Trennungssituation von seinen Familienangehörigen und dem unklaren Ausgang des Verfahrens. Es können beim BF in der Vergangenheit Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung erhoben werden. Es bestanden auch eine Zeit lang Symptome der Erkrankung, wie beispielsweise Flashbacks und Alpträume, mittlerweile haben sich diese Symptome weitgehend zurückgebildet. Es zeigt sich beim BF eine weitgehende Remission dieses Krankheitsbildes.

Im Falle einer Überstellung des BF nach Afghanistan ist eine kurz- bis mittelfristige Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich, da in diesem Fall der Wunsch in Österreich bleiben zu dürfen, nicht erfüllt werden würde. Im Falle einer Überstellung des BF besteht aber nicht die reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte.

Aus medizinischer Sicht ist davon auszugehen, dass der BF in der Lage wäre, auch im Fall einer prinzipiellen Verfügbarkeit von gängigen Psychopharmaka vor Ort, aber ohne Unterstützung von Angehörigen im Falle einer Rückkehr in eine sichere afghanische Stadt, wiederum ein geordnetes Leben zu finden und auch langfristig eine normale Existenz aufzubauen.

Der BF ist zeitlich, örtlich, situativ und zur Person orientiert, kann dem Gespräch folgen und ist einvernahme- und handlungsfähig.

Der BF ist arbeitsfähig und wäre auch im Fall der Rückkehr nach Afghanistan weiterhin arbeitsfähig. Die Arbeitsfähigkeit des BF ist nicht von der Verfügbarkeit einer Behandlung abhängig.

Der BF hat in den Jahren 2017, 2018, 2019 und Anfang 2020 kein Landesklinikum oder eine vergleichbare Einrichtung mehr wegen psychischer Probleme aufgesucht und steht nicht in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung. Der BF nimmt nicht regelmäßig Psychopharmaka ein. Er nimmt bei Bedarf schmerzlindernde Mittel gegen Kopfschmerzen ein. Der BF hat in den Jahren 2017, 2018, 2019 und Anfang 2020 keinen Selbstmordversuch unternommen bzw. versucht, sich zu verletzen.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF hat in Österreich bisher keine Deutschkurse besucht und keine Deutschprüfung absolviert. Der BF besuchte im November 2017 für zwei Wochen die römisch 40 , ehe er diese abbrach.

2.2.2. Der BF war seit seiner Einreise in Österreich im November 2015 zu folgenden Zeiten erwerbstätig:

* 30.03.2018 - 06.04.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 09.04.2018 - 31.05.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 27.08.2018 - 11.09.2018 als Arbeiter für XXXX

* 25.09.2018 - 26.09.2018 als Arbeiter für XXXX

* 25.04.2019 - 26.04.2019 als Arbeiter für XXXX

* 25.09.2018 - 05.02.2019 als Arbeiter für die XXXX

* 13.05.2019 - 20.06.2019 als Arbeiter für die XXXX

* 02.12.2019 - 09.12.2019 als Arbeiter für die XXXX

* 21.02.2019 - 17.04.2019 als Arbeiter für die XXXX

* 04.07.2019 - 07.07.2019 als Arbeiter für XXXX

Der BF ist seit 18.11.2019 geringfügig für römisch 40 tätig.

Der BF ist seit 07.02.2020 als Angestellter für römisch 40 tätig.

Der BF wurde bei den oben genannten Tätigkeiten, die sich zusammengezählt auf ca. ein Jahr erstrecken, als Küchengehilfe, in der Reinigung von Produktionsmaschinen und als Automechaniker eingesetzt.

2.2.3. Von 24.09.2019 - 01.12.2019 und von 09.01.2020 - 05.02.2020 bezog der BF Arbeitslosengeld.

2.2.4. Der BF verfügt über keine Verwandten in Österreich. Er verfügt über keinen engen Freundeskreis. Er ist mit einer österreichischen Frau befreundet, die er an Wochenenden trifft. Er ist nicht Mitglied in einem Verein. Er hat sich seit seiner Ankunft in Österreich noch nie ehrenamtlich engagiert. Er hat keine nennenswerten sozialen Bindungen in Österreich.

2.2.5. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts römisch 40 vom 23.11.2018, Zl. 64 Hv 101/18a, wegen Paragraphen 15,, 84 Absatz 4, StGB, Paragraph 50, Absatz eins, Ziffer 2, WaffG, Paragraph 50, Absatz eins, Ziffer 3, WaffG und Paragraph 27, Absatz 2 a, SMG, zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á EUR 10,- sowie zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

* Der BF hat am 14.02.2018 versucht, ein Opfer dadurch, dass er dieses mit einem Butterfly-Messer attackierte, schwer am Körper zu verletzen, wobei das Opfer Schnittverletzungen im linken Brustbereich erlitt.

* Der BF hat am 14.02.2018, wenn auch nur fahrlässig, einen Schlagring, somit eine verbotene Waffe unbefugt besessen.

* Der BF hat am 14.02.2018, wenn auch nur fahrlässig, ein Butterfly, somit eine verbotene Waffe unbefugt besessen.

* Der BF hat am 14.06.2018 in römisch 40 vorschriftswidrig einem Polizeibeamten gegen Entgelt Suchtgift, und zwar 5 Gramm Cannabis-Kraut, an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, und zwar an dem allgemein zugänglichen und hoch frequentierten römisch 40 im Bereich des römisch 40 , überlassen.

Mildernd wurde gewertet, dass es - im Hinblick auf die schwere Körperverletzung - beim Versuch geblieben ist sowie die Unbescholtenheit des BF.

Erschwerend wurde das Zusammentreffen mit mehreren Vergehen gewertet.

Der BF zeigte sich zu den oben genannten Taten nicht geständig.

2.2.6. Der BF konsumierte - auch nach seiner Verurteilung - zumindest bis Anfang Februar 2019 Cannabis.

2.2.7. Der BF hat Schulden in Österreich. Die Republik Österreich betreibt zur GZ Str 052798/19-X ein Exekutionsverfahren gegen den BF wegen EUR 608,-, da der BF die mit Urteil des Landesgerichts römisch 40 vom 23.11.2018, Zl. 64 Hv 101/18a verhängte Geldstrafe / Zwangsstrafe in Höhe von EUR 600,- (Anrechnung Vorhaft) und die Einhebungsgebühr von EUR 8,-, zusammen EUR 608,-, nicht bezahlt hat.

2.3. Zum Verfahrensgang:

2.3.1. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise im österreichischen Bundesgebiet am 04.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.3.2. Mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Dem BF wurde gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.01.2019 erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

Das BFA begründete die Zuerkennung des subsidiären Schutzes damit, dass der BF in psychologischer Behandlung stand und Medikamente einnehmen musste. Durch eine Rückkehr nach Afghanistan wäre der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, in Rechten nach Artikel 3, EMRK verletzt zu werden. Im Verfahren vor dem BFA vor Erlassung des Bescheides waren seitens des BF mehr als 20 Arztbriefe/Patientenbriefe/Aufenthaltsbestätigungen/Befundberichte, insbesondere solche des Landesklinikums XXXX-XXXX, vorgelegt worden. Diese Dokumente wurden zwischen 04.12.2015 und 24.11.2016 ausgestellt. Zwei der Dokumente ist zu entnehmen, dass der BF versucht hat, sich durch einen Sprung aus dem 2. Stock sowie durch einen Schnitt mit einem Messer zu verletzen. In den Dokumenten wird oft die Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung" und "Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung" angeführt. Weiters werden folgende Diagnosen angeführt: "Verdacht auf Spannungskopfschmerz, akute Belastungsreaktion, Depression, gegenwärtig schwere Episode mit St.p. SMV, chron. Spannungskopfschmerz, Schädlicher Gebrauch von THC, F13.1. Schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen und chronische Suizidalität".

Das BFA ging zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes davon aus, dass der BF über keine Verwandten in Afghanistan verfügt, mit denen er in Kontakt steht. Das BFA ging auch davon aus, dass der BF über Arbeitserfahrung in Afghanistan als Mechaniker, nicht aber als Taxifahrer bzw. Warenbeförderer verfügt. Das BFA ging schließlich davon aus, dass der BF in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen war.

2.3.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018, GZ W200 2189227-1/13E, wurde die gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, erhobene Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen.

2.3.4. Am 26.11.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter.

2.3.5. Mit Schreiben des BFA vom 02.01.2019 wurde der BF darüber informiert, dass ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gegen ihn eingeleitet wurde.

2.3.6. Mit Bescheid des BFA vom 05.03.2019, Zl. 1093269303-190004270, wurde der dem BF mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 9, Absatz eins und 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt römisch eins.) und dem BF die mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, erteilte befristete Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß Paragraph 9, Absatz 4, AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt römisch II). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Für die freiwillige Ausreise des BF wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt römisch VI.). Gemäß Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 2, FPG 2005 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch VII.).

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA damit, dass die Gründe für die Zuerkennung nicht mehr vorliegen würden. Der BF sei gesund, stehe weder in einer ärztlichen noch sonstigen medizinischen Behandlung und bedürfe keiner solchen Versorgung nach seiner Rückkehr in Afghanistan. Der BF verfüge über Arbeitserfahrung in Afghanistan und in Österreich und könne in Afghanistan für seinen Lebensunterhalt sorgen. Er verfüge weiters über Ortskenntnisse in Afghanistan und über familiäre Anbringung. Er stehe auch in Kontakt mit seiner Familie in Afghanistan. Seine Heimatprovinz gelte nach wie vor als volatil. Eine Rückkehr dorthin könne dem BF nicht zugemutet werden. Jedoch stehe es ihm offen, in Kabul oder Mazar-e Sharif niederzulassen-.

Der Entscheidung wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 01.03.2019 zugrunde gelegt.

2.4. Zur Situation des BF in Afghanistan:

2.4.1. Dem BF droht im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz römisch 40 ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

2.4.2. Der BF wäre im Falle der Rückkehr nach Afghanistan und Neuansiedlung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt.

2.4.3. Der BF leidet zwar unter einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F43.2.) und einer posttraumatischen Belastungsstörung in Remission. Der BF ist jedoch zeitlich, örtlich, situativ und zur Person orientiert, kann dem Gespräch folgen und ist einvernahme- und handlungsfähig. Der BF ist arbeitsfähig und wäre auch im Fall der Rückkehr nach Afghanistan weiterhin arbeitsfähig. Die Arbeitsfähigkeit des BF ist nicht von der Verfügbarkeit einer Behandlung abhängig. Im Falle einer Überstellung des BF besteht nicht die reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte.

Der BF hat in den Jahren 2017, 2018, 2019 und Anfang 2020 kein Landesklinikum oder eine vergleichbare Einrichtung mehr wegen psychischer Probleme aufgesucht und steht nicht in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung. Der BF nimmt nicht regelmäßig Psychopharmaka ein.

Der BF verfügt über achtjährige Berufserfahrung als Automechaniker in Afghanistan und dreijährige Berufserfahrung als Taxifahrer und Warenbeförderer in Afghanistan. Aufgrund seiner Tätigkeit als Taxifahrer und Warenbeförderer verfügt er über Ortskenntnisse in ganz Afghanistan, insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif. Der BF verfügt über insgesamt einjährige Berufserfahrung in Österreich, wo er derzeit als Automechaniker arbeitet. Der BF wurde in der Provinz römisch 40 in einer afghanischen Familie geboren und wurde durch eine afghanische Familie in einem afghanischen Umfeld erzogen. Der BF wuchs sohin in einem afghanischen Familienverband auf und ist mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und mit einer in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut. Die Mutter, der Vater, vier Brüder, drei Schwestern, die Ehegattin und der dreijährige Sohn des BF leben nach wie vor in seinem Heimatdorf. Der Familie des BF geht es gut. Der Vater und die Brüder des BF arbeiten in einer Autowerkstatt. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie. Der BF spricht Paschto. Angesichts seiner Sprachkenntnisse, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Ortskenntnisse seiner Berufserfahrung und seiner familiären Unterstützung könnte er sich in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist in der Lage, in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Im Ergebnis ist von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des BF in Afghanistan auszugehen. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF könnte im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auch durch seine Familie (Vater und vier Brüder, die alle erwerbstätig sind) unterstützt werden. In einer Gesamtbetrachtung sind Herat und Mazar-e Sharif für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über die jeweiligen Flughäfen gut erreichbare Städte. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif somit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit und er läuft auch nicht Gefahr, im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.4.4. Im Falle der Rückkehr nach Herat oder Mazar-e Sharif läuft der BF auch nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.4.5. Im Falle des BF ist es in einer Gesamtschau zu einer nachhaltigen, maßgeblichen Verbesserung der subjektiven bzw. persönlichen Situation des BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan gekommen.

2.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 13.11.2019:

1. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vergleiche AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vergleiche NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vergleiche NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vergleiche ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433.

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vergleiche NYT 19.7.2019).

1.1. Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vergleiche SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vergleiche USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vergleiche USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

1.2. Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vergleiche CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019).

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vergleiche FA 3.1.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vergleiche TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vergleiche AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vergleiche USDOS 19.9.2018; vergleiche CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vergleiche LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vergleiche LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vergleiche VOA 21.5.2019).

Berichten zufolge, besteht der ISKP in Pakistan hauptsächlich aus ehemaligen Teherik-e Taliban Mitgliedern, die vor der pakistanischen Armee und ihrer militärischen Operationen in der FATA geflohen sind (CRS 12.2.2019; vergleiche CTC 12.2018). Dem Islamischen Staat ist es gelungen, seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan dadurch zu stärken, dass er Partnerschaften mit regionalen militanten Gruppen einging. Seit 2014 haben sich dem Islamischen Staat mehrere Gruppen in Afghanistan angeschlossen, z.B. Teherik-e Taliban Pakistan (TTP)-Fraktionen oder das Islamic Movement of Uzbekistan (IMU), während andere ohne formelle Zugehörigkeitserklärung mit IS-Gruppierungen zusammengearbeitet haben, z.B. die Jundullah-Fraktion von TTP oder Lashkar-e Islam (CTC 12.2018).

Der islamische Staat hat eine Präsenz im Osten des Landes, insbesondere in der Provinz Nangarhar, die an Pakistan angrenzt (CRS 12.2.2019; vergleiche CTC 12.2018). In dieser sind vor allem bestimmte südliche Distrikte von Nangarhar betroffen (AAN 27.9.2016; vergleiche REU 23.11.2017; AAN 23.9.2017; AAN 19.2.2019), wo sie mit den Taliban um die Kontrolle kämpfen (RFE/RL 30.10.2017; vergleiche AAN 19.2.2019). Im Jahr 2018 erlitt der ISKP militärische Rückschläge sowie Gebietsverluste und einen weiteren Abgang von Führungspersönlichkeiten. Einerseits konnten die Regierungskräfte die Kontrolle über ehemalige IS-Gebiete erlangen, andererseits schwächten auch die Taliban die Kontrolle des ISKP in Gebieten in Nangarhar (UNSC 13.6.2019; vergleiche CSR 12.2.2019). Aufgrund der militärischen Niederlagen war der ISKP dazu gezwungen, die Anzahl seiner Angriffe zu reduzieren. Die Gruppierung versuchte die Provinzen Paktia und Logar im Südosten einzunehmen, war aber schlussendlich erfolglos (UNSC 31.7.2019). Im Norden Afghanistans versuchten sie ebenfalls Fuß zu fassen. Im August 2018 erfuhr diese Gruppierung Niederlagen, wenngleich sie dennoch als Bedrohung in dieser Region wahrgenommen wird (CSR 12.2.2019). Berichte über die Präsenz des ISKP könnten jedoch übertrieben sein, da Warnungen vor dem Islamischen Staat laut einem Afghanistan-Experten "ein nützliches Fundraising-Tool" sind: so kann die afghanische Regierung dafür sorgen, dass Afghanistan im Bewusstsein des Westens bleibt und die Auslandshilfe nicht völlig versiegt (NAT 12.1.2017). Die Präsenz des ISKP konzentrierte sich auf die Provinzen Kunar und Nangarhar. Außerhalb von Ostafghanistan ist es dem ISKP nicht möglich, eine organisierte oder offene Präsenz aufrechtzuerhalten (UNSC 13.6.2019).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit (CSR 12.2.2019; vergleiche UNAMA 24.2.2019; AAN 24.2.2019; CTC 12.2018; UNGASC 7.12.2018; UNAMA 10.2018). Im Jahr 2018 war der ISKP für ein Fünftel aller zivilen Opfer verantwortlich, obwohl er über eine kleinere Kampftruppe als die Taliban verfügt (AAN 24.2.2019). Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt (UNAMA 24.2.2019), nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (UNAMA 30.7.2019).

Der ISKP verurteilt die Taliban als "Abtrünnige", die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vergleiche AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019).

Al-Qaida und ihr verbundene Gruppierungen

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.1.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und al-Qaida-Kadettenführer sind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.6.2019).

Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.6.2019).

Im Rahmen der Friedensgespräche mit US-Vertretern haben die Taliban angeblich im Jänner 2019 zugestimmt, internationale Terrorgruppen wie Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen (TEL 24.1.2019).

2. Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar

Nangarhar liegt im Osten Afghanistans, an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Provinz grenzt im Norden an Laghman und Kunar, im Osten und Süden an Pakistan (Tribal Distrikts Kurram, Khyber und Mohmand der Provinz Khyber Pakhtunkhwa) und im Westen an Logar und Kabul (NPS o.D.na; vergleiche UNOCHA 16.4.2010, UNOCHA 4.2018na). Die Provinzhauptstadt von Nangarhar ist Jalalabad (NPS o.D.na; vergleiche OPr 1.2.2017na). Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Dara-e-Nur, Deh Bala (auch Haska Mena (AB19.9.2016; VOA 28.6.2019)), Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, Sher Zad, Shinwar und Surkh Rud (CSO 2019; vergleiche IEC 2018na, UNOCHA 4.2014na, NPS o.D.na) sowie dem temporären Distrikt Spin Ghar (CSO 2019; vergleiche IEC 2018na).

Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Nangarhar für den Zeitraum 2019-20 auf 1.668.481 Personen - davon 263.312 Einwohner in der Hauptstadt Jalalabad (CSO 2019). Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Pashai, Arabern und Tadschiken (NPS o.D.na). Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft lebten in der Provinz Nangarhar, insbesondere in und um Jalalabad (AAN 23.9.2013). Viele von ihnen haben Afghanistan aus unterschiedlichen Gründen wie z.B. Unsicherheit verlassen. Mit Stand September 2018 lebten noch 60 Familien in der Gemeinde in Nangarhar (SW 23.9.2018).

Die asiatische Autobahn AH-1 führt durch die Distrikte Surkhrod, Jalalabad, Behsud, Rodat, Batikot, Shinwar, Muhmand Dara zum afghanisch-pakistanischen Grenzübergang Torkham (MoPW 16.10.2015; vergleiche UNOCHA 4.2014na). Die Provinz, die an die ehemaligen Stammesgebiete unter Bundesverwaltung (FATA) Pakistans grenzt, dient als inoffizieller Korridor für in- und ausländische Aufständische (AAN 27.9.2016; vergleiche VOA 28.6.2019; PF 15.5.2019; NA 25.1.2018).

Laut dem UNODC Opium Survey 2018 war Nangarhar in der östlichen Region die führende Provinz beim Schlafmohnanbau, obwohl die Anbaufläche 2018 im Vergleich zu 2017 um 9% gesunken ist. Der Rückgang betraf die Distrikte Khogyani, Chaparhar und Lalpoor, während in Kot, Shinwar und Achin ein Anstieg verzeichnet wurde. Die meisten staatlich durchgeführten Mohnvernichtungsaktionen fanden in der Provinz Nangarhar statt (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

In Nangarhar, die als strategische Provinz gilt (RY 27.4.2019), war seit 2011 eine Verschlechterung der politischen und sicherheitspolitischen Situation zu beobachten (AAN 27.9.2016; vergleiche TBIJ 30.7.2018, NA 25.1.2018). Korruption, lokale Machtkämpfe und das Versagen, effektive Dienstleistungen zu erbringen, untergruben das Vertrauen der Bevölkerung in die afghanische Regierung, die die Bevölkerung ungeschützt gegen Aufständische zurückließ, aber auch der Rückzug der internationalen Streitkräfte in der Provinz ab dem Jahr 2013 trug dazu bei (AAN 27.9.2016). Nichtsdestotrotz sind Bemühungen der Regierung auf dem Weg, um Sicherheit zu gewährleisten, Landraub und Korruption vorzubeugen sowie die Koordinierung zwischen den Sicherheits- und Rechtsorganen zu verbessern (PAJ 20.1.2019). So arbeitet die UNAMA auch weiterhin auf lokaler Ebene mit ansässigen Gemeinschaften und Behörden, um Frieden und Konfliktlösungsbemühungen umzusetzen und voranzutreiben; so auch in der Provinz Nangarhar, wo UNAMA eine Friedensjirga zwischen zwei Stämmen im Distrikt Sher Zad einberief - an der zum ersten Mal auch Frauen eine aktive Rolle einnahmen. Diese Jirga führte zu einem Beschluss über die Verteilung von Wasser, der auch angenommen wurde (UNGASC 14.6.2019).

Auch ebnete ein politisches und militärisches Vakuum, das die Provinz seit Jahren heimgesucht hatte, rund um das Jahr 2016 den Weg für den Aufstieg des afghanischen Zweiges des Islamischen Staates, dem Islamischen Staat in der Provinz Khorasan (ISKP) (AAN 27.9.2016). So erleichterten beispielsweise Stammesrivalitäten innerhalb des Distriktes Shinwar den Aufstieg des ISKP in der Provinz (AAN 27.9.2016). Verschiedene militante Gruppen - afghanische, ausländische, sowie salafistische Kämpfer innerhalb der Taliban - trugen dazu bei, die Taliban in Nangarhar zu destabilisieren - viele von ihnen schlossen sich dem ISKP an (AAN 27.9.2016).

Im Februar 2019 galt Nangarhar als eine der ISKP-Hochburgen Afghanistans (UNSC 1.2.2019). Die Schätzungen über die Stärke des ISKP gehen auseinander: so geht eine Quelle von rund 3.000 Kämpfern im Osten Afghanistans (Provinzen Nangarhar und Kunar) aus (UNAMA 24.2.2019), während die ISKP-Stärke von einer anderen Quelle in ganz Afghanistan - jedoch insbesondere in Nangarhar und den angrenzenden östlichen Provinzen - im Juni 2019 auf 2.500-4.000 Kämpfer geschätzt wurde (UNSC 13.6.2019).

Der ISKP wurde in Nangarhar inzwischen zurückgedrängt, auch wenn er noch ein gewisses Territorium kontrolliert: Seine frühere Hochburg in den Spin Ghar-Bergen ist auf kleinere Inseln im Distrikt Achin zusammengeschrumpft (UNSC 13.6.2019). Durch große terroristische Angriffe in Städten führt der ISKP den Konflikt weiter (AAN 19.2.2019; vergleiche UNSC 13.6.2019) - insbesondere in Kabul-Stadt und Nangarhar beanspruchte die Gruppe Terroranschläge für sich (UNAMA 24.2.2019; vergleiche UNSC 13.6.2019; Anmerkung, s. auch Abschnitt über den IS im Kapitel "3. Sicherheitslage"). Für das Jahr 2018 verzeichnete UNAMA beispielsweise 17 Selbstmord- und komplexe Angriffe in Nangarhar, die dem ISKP zugeschrieben wurden und 738 zivile Opfer forderten (222 Tote und 516 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Die Taliban sind in Nangahar aktiv und kontrollieren manche Gebiete (NAT 31.7.2019; vergleiche BB 31.7.2019; KP 6.7.2019); wie z.B. in den Distrikten Khugyani und Sher Zad (REU 24.4.2019).

Militärische Spezialeinheiten, auch als counter-terrorism pursuit teams bezeichnet, sind in den Provinzen Nangarhar und Khost tätig. Diese Kräfte, die inoffiziell von der US Central Intelligence Agency (CIA) ausgebildet und beaufsichtigt werden und für die Bekämpfung des Aufstands zuständig sind; diesen werden außergerichtliche Tötungen und Folter vorgeworfen (NYT 31.12.2018; vergleiche DP 28.1.2018). Die in Nangarhar aktive Miliz wird 02-Einheit genannt. Sie wird vom afghanischen Geheimdienst NDS befehligt und von der CIA unterstützt und ausgebildet (TP 5.5.2019; vergleiche TBIJ 8.2.2019). NDS-Operationen stehen außerhalb der Befehlskette der ANDSF (UNAMA 30.7.2019), weswegen Quellen eine mangelnde Rechenschaftspflicht für die Handlungen der NDS-Einheiten kritisieren (TBIJ 8.2.2019; vergleiche TIN 21.8.2019; UNAMA 30.7.2019).

In Bezug auf die Anwesenheit regulärer staatlicher Sicherheitskräfte liegt die Provinz Nangarhar unter der Verantwortung des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019; vergleiche PAJ 9.6.2019), das unter die NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - East (TAAC-E) fällt, welche von US-amerikanischen und polnischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.815 zivile Opfer (681 Tote und 1.134 Verletzte) in der Provinz Nangarhar. Dies entspricht einer Steigerung von 111% gegenüber 2017. Die Hauptursachen dafür waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von IEDs und Bodengefechten. Die Zahl der zivilen Opfer durch IEDs vervierfachte sich und erreichte zum ersten Mal fast das gleiche Niveau wie Kabul (UNAMA 24.2.2019). Im ersten Halbjahr 2019 befand sich Nangarhar hinsichtlich der Anzahl an zivilen Opfern nach Kabul und Helmand mit 401 erfassten Opfern (163 Tote, 238 Verletzte) an dritter Stelle, wobei in Nangarhar allerdings 100 zivile Todesopfer mehr zu verzeichnen waren, als beispielsweise in Kabul mit einer deutlich höheren Anzahl an zivilen Verletzten (UNAMA 30.7.2019).

Seit dem Jahr 2018 intensivierten die staatlichen Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen den ISKP. Bei rund 300 Luft- und Bodenoperationen in ganz Afghanistan seit April 2018, jedoch vorwiegend in den Distrikten Khugyani, Pachiragam und Kot der Provinz Nangarhar, wurden ca. 1.200 IS-Kämpfer getötet (UNSC 13.6.2019). Bei regelmäßigen Operationen in der Provinz werden neben ISKP-Kämpfern (z.B. AfTAG 28.6.2019; KP 27.1.2019; PAJ 4.11.2018; TN 26.3.2018; UNGASC 7.12.2018; NAT 31.7.2019), deren hochrangige ISKP-Vertreter (z.B. KP 29.7.2019; KP 31.12.2018; AN 27.12.2018; NAT 26.8.2018; News 27.8.2018) auch Talibanaufständische getötet (NYT 10.3.2019; KP 18.1.2019; RY 10.6.2019). Auch wurde im April 2019 die Sicherheitsoperation Khalid durch die afghanische Regierung gestartet, die sich auf die südlichen Regionen, Nangarhar im Osten, Farah im Westen, sowie Kunduz, Takhar und Baghlan im Nordosten, Ghazni im Südosten und Balkh im Norden konzentrierte (UNGASC 14.6.2019).

Immer wieder kommt es auch zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Mitgliedern der Taliban und des ISKP (REU 24.4.2019; vergleiche VOA 28.6.2019; VOA 25.4.2019; TBIJ 30.7.2018; UNGASC 7.12.2018).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31-12.2018 12.236 konfliktbedingt Binnenvertriebene aus der Provinz Nangarhar, von denen 10.461 innerhalb der Provinz neu siedelten (UNOCHA 28.1.2019). Von UNOCHA wurden für den Zeitraum 1.1.-30.6.2019 18.377 Binnenvertriebene in Nangarhar erfasst, von denen die meisten innerhalb der Provinz umsiedelten (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 11.274 Vertriebene in die Provinz Nangarhar, von denen die meisten (10.461) aus der Provinz selbst stammten (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 21.215 konfliktbedingt in die Provinz Nangarhar vertriebene Personen, die vor allem aus der Provinz selbst, sowie in geringerem Ausmaß aus Kunar stammten (UNOCHA 18.8.2019). Im Jahr 2018 galt die Provinz Nangarhar als eine der Hauptprovinzen, die sowohl Ursprung als auch Ziel für von Vertreibung und Konflikten betroffenen Gemeinschaften sind (UNOCHA 6.12.2018).

3. Sicherheitslage in der Provinz Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vergleiche GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vergleiche IEC 2018).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vergleiche NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäßig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vergleiche KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vergleiche KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vergleiche TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vergleiche TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vergleiche RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vergleiche 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter 1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab, sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.8.2019).

4. Sicherheitslage in der Provinz Herat

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vergleiche PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte - Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vergleiche IEC 2018) -, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vergleiche PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).

Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vergleiche BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vergleiche KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vergleiche RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).

2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (taz 3.8.2017; Reuters 25.3.2018).

Aufseiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vergleiche PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vergleiche KP 16.12.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).

In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vergleiche KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vergleiche AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vergleiche KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vergleiche PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (römisch XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vergleiche PAJ 30.6.2019) wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).

Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 609 konfliktbedingt aus der Provinz Herat vertriebene Personen, von denen die meisten in der Provinz selbst Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 586 aus der Provinz Herat vertriebene Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 5.482 Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (2.755) aus Ghor stammten (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 6.459 konfliktbedingt Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (4.769) aus Badghis stammten (UNOCHA 18.8.2019).

5. Erreichbarkeit

Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk werden systematisch geplant und umgesetzt. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung und Instandhaltung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, des Lapis Lazuli Korridors etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vergleiche TD 5.12.2017), aber auch Investitionen aus dem Ausland zur Verbesserung und zum Ausbau des Straßennetzes und der Verkehrswege (BFA Staatendokumentation 4.2018; vergleiche TN 18.6.2018; SIGAR 15.7.2018, TET 13.12.2018, TD 26.1.2018, TD 8.1.2019, TN 25.5.2019, CWO 26.8.2019).

Jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, überhöhte Geschwindigkeit und Unachtsamkeit (KT 17.2.2017; vergleiche GIZ 7.2019, IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen, Zusammenstöße zwischen diesen und den afghanischen Sicherheitskräften, sowie die Gefahr von Straßenraub und Entführungen entlang einiger Straßenabschnitte beeinflussen die Sicherheit auf den afghanischen Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kabul-Kandahar (TN 15.8.2018; vergleiche ST 24.4.2019), Herat-Kandahar (PAJ News 5.1.2019), Kunduz-Takhhar (KP 20.8.2018; vergleiche CBS News 20.8.2019) und Ghazni-Paktika (AAN 30.12.2019).

Flugverbindungen Internationale Flughäfen in Afghanistan

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan Airlines angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

Internationaler Flughafen Kabul

Der Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ist ein internationaler Flughafen (TN 18.12.2017; vergleiche HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o.D.).

Folgende internationale Airlines fliegen nach Kabul: Turkish Airlines aus Istanbul, Silk Way Airlines aus Baku, Emirates und Flydubai aus Dubai, Air Arabia aus Sharjah, Mahan Air aus Teheran und Emirates aus Hong Kong (Flightradar 24 4.11.2019).

Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Kabul international aus Istanbul, Ankara, Medina, Dubai, Urumqi, Dushambe an (Flightradar 24 4.11.2019).

Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Kabul (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kandahar, Bost (Helmand, nahe Lashkargah), Zaranj, Farah, Herat, Mazar-e Sharif, Maimana, Bamian, Faizabad, Chighcheran und Tarinkot (Flightradar 24 4.11.2019).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (PAJ 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Folgende internationale Airline fliegt nach Maza-e Sharif: Turkish Airlines aus Istanbul (Flightradar 4.11.10.2019).

Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Mazar-e Sharif international aus Moskau, Jeddah und Medina an (Flightradar 4.11.10.2019).

Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kabul und Maimana (Flightradar 4.11.10.2019).

Internationaler Flughafen Kandahar

Der internationale Flughafen Kandahar befindet sich 16 km von Kandahar-Stadt entfernt und ist einer der größten Flughäfen des Landes (MB o.D.). Er hat 37 Stellplätze für insgesamt 250 Flugzeuge (PAJ 3.6.2015). Ein Teil des Flughafens steht den internationalen Streitkräften zur Verfügung. Eine separate Militärbasis für einen Teil des afghanischen Heeres ist dort ebenso zu finden, wie Gebäude für Firmen (PAJ 3.6.2015; LCA 5.1.2018).

Folgende internationale Airline fliegt nach Kandahar: Tsaradia aus Delhi (Flightradar 4.11.10.2019).

Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Mazar-e Sharif international aus Delhi, Jeddah und Dubai an (Flightradar 4.11.10.2019).

Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Kandahar (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zum Flughafen nach Kabul (Flightradar 4.11.10.2019).

Internationaler Flughafen Herat

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.; ACAA o.D).

Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Herat international aus Medina und Delhi an (Flightradar 4.11.10.2019).

Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen nach Kabul, Farah und Chighcheran (Flightradar 4.11.10.2019).

6. Sicherheitsbehörden

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 13.5.2019).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police). Die ANA untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig, ihre primäre Aufgabe ist jedoch die Bekämpfung der Aufständischen innerhalb Afghanistans. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul (USDOS 13.3.2019). Die afghanischen Sicherheitskräfte werden teilweise von US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 12.2018).

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2019; vergleiche SIGAR 30.7.2019): dies beinhaltet 227.374 Mitglieder der ANA und 124.626 Mitglieder der ANP. Die ALP zählt mit einer Stärke von 30.000 Leuten als eigenständige Einheit (USDOD 6.2019). Die zugewiesene (tatsächliche) Truppenstärke der ANDSF soll jedoch nur 272.465 betragen. Die Truppenstärke ist somit seit dem Beginn der RS-Mission im Jänner 2015 stetig gesunken. Der Rückgang an Personal wird allerdings auf die Einführung eines neuen Systems zur Gehaltsauszahlung zurückgeführt, welches die Zahlung von Gehältern an nichtexistierende Soldaten verhindern soll (SIGAR 30.7.2019; NYT 12.8.2019).

Die Anzahl der in der ANDSF dienenden Frauen hat sich erhöht. Nichtsdestotrotz bestehen nach wie vor strukturelle und kulturelle Herausforderungen, um Frauen in die ANDSF und die afghanische Gesellschaft zu integrieren (USDOD 6.2019). Mit Stand April 2019 waren 5.462 Frauen in den ANDSF - 500 mehr als im Quartal davor und 900 mehr zum Vergleichszeitraum des Vorjahres (SIGAR 30.7.2019). Sowohl bei der ANA als auch bei der ANP glich die Rate der Rekrutierungen die Ausfallsrate aus (USDOD 6.2019).

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen (USDOS 13.3.2019). Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (USDOD 6.2019). Das Combined Security Transition Command-Afghanistan (CSTC-A), ein US-geführtes Kommando, nennt eine Truppenstärke von 180.869. 1.812 Frauen dienen in der ANA und 86 weitere in der AAF (SIGAR 30.7.2019). Die monatliche Ausfallsquote, die im zweiten Quartal 2019 durchschnittlich bei 2,6% lag (SIGAR 30.7.2019), ist nach wie vor ein Problem in der ANA (USDOD 12.2019).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (USDOD 6.2019; vergleiche SIGAR 30.7.2019), jedoch ist es nach wie vor das Langzeitziel der ANP, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln (USDOD 12.2018).

Dem Innenministerium (MoI) unterstehen die vier Teileinheiten der ANP: Afghanische Uniformierte Polizei (AUP), Polizei für Öffentliche Sicherheit (PSP, beinhaltet Teile der ehemaligen Afghanischen Polizei für Nationale Zivile Ordnung, ANCOP), Afghan Border Police (ABP), Kriminalpolizei (AACP), Afghan Local Police (ALP), und Afghan Public Protection Force (APPF). Das Innenministerium beaufsichtigt darüber hinaus drei Spezialeinheiten des Polizeigeneralkommandanten (GCPSU), sowie die Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) (USDOD 12.2018). Der autorisierte Personalstand der ANP beträgt 124,626 (USDOD 6.2019), CSTC-A meldet dagegen eine Truppenstärke von 91.596. 3.650 Frauen dienen in der ANP (SIGAR 30.7.2019).

Im Gegensatz zur ANA bietet die ANP keine finanziellen Anreize für die Fortführung des Dienstes - eine mögliche Erklärung dafür, warum die ANA die ANP-Verbleibquoten übertrifft. Durch den Law and Order Trust Fund for Afghanistan (LOTFA), der die Mehrheit der ANP-Gehälter finanziert, wird ermöglicht die ANP-Gehälter an die steigenden Lebenshaltungskosten anzupassen (USDOD 12.2019).

Die ALP wird ausschließlich durch die USA finanziert (USDOD 6.2019) und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (USDOD 6.2019; vergleiche SIGAR 30.7.2019). Die Mitglieder werden von Dorfältesten oder lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer ausgewählt (SIGAR 30.7.219; vergleiche USDOD 6.2019). Die ALP untersteht dem Innenministerium, der Personalstand wird jedoch nicht den ANDSF zugerechnet (SIGAR 30.4.2019). Die Stärke der ALP, deren Mitglieder auch als "Guardians" bezeichnet werden, auf rund 30.000 Mann stark geschätzt (USDOD 6.2019; vergleiche SIGAR 30.7.2019; vergleiche - davon waren rund 23.500 voll ausgebildet (SIGAR 30.7.2019).

Resolute Support Mission

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1.1.2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 16.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e-Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten (NATO 18.7.2018).

Initiativen zur Integration von Frauen in die ANDSF - Gender Integration Initiatives

Im Allgemeinen verbesserte sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte seit 2001, wenngleich sexuelle Belästigung und Gewalt sowie geschlechtsspezifische Gewalt die erfolgreiche Integration und den Verbleib von Frauen in der ANDSF bedrohen. Um dieses Risiko zu minimieren, hat das Verteidigungsministerium ein Gender Integration Office gegründet, welches aktiv Leitlinien und Prozesse erstellt, um sexuelles Fehlverhalten zu vermeiden und zu melden (USDOD 12.2018).

Die Aufnahme afghanischer Frauen in die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANA, ANP und NDS) ist von zahlreichen Herausforderungen begleitet (AIHRC 9.12.2017; vergleiche BFA 3.7.2014). Frauen sind in verschiedenen Bereichen Diskriminierungen ausgesetzt. Gründe, warum Frauen im Verteidigungs- und Sicherheitssektor nicht die gleichen Möglichkeiten zur beruflichen Fortbildung und zur Weiterbildung erhalten, liegen in den Institutionen selbst; andere hängen mit Familie und Gesellschaft zusammen (AIHRC 9.12.2017). Auch werden immer wieder Männer in Positionen versetzt, die eigentlich für Frauen vorgesehen waren, da nicht genügend qualifizierte Frauen vorhanden sind. Sowohl die RS als auch das Verteidigungsministerium entwickeln Strategien und verfeinern Prozesse, um die Herausforderung der Integration von Frauen in die ANA, zu bewältigen (USDOD 12.2018).

Der Personalstand der Frauen innerhalb der ANP beträgt 3.650, während 1.812 Frauen in der ANA dienen (SIGAR 30.7.2019; vergleiche SIGAR 30.4.2019).

7. Folter und unmenschliche Behandlung durch den afghanischen Staat

Laut der afghanischen Verfassung (Artikel 29) sowie dem Strafgesetzbuch (Penal Code) und dem afghanischen Strafverfahrensrecht (Criminal Procedure Code) ist Folter verboten (AA 2.9.2019; vergleiche MPI 27.1.2004). Auch ist Afghanistan Vertragsstaat der vier Genfer Abkommen von 1949, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) (UNAMA 4.2019). Wenngleich Afghanistan die UN-Konvention gegen Folter ratifiziert hat, Gesetze zur Kriminalisierung von Folter erlassen hat und eine Regierungskommission zur Folter einsetzte, hat die Folter seit Regierungsantritt im Jahr 2014 nicht wesentlich abgenommen - auch werden keine hochrangigen Beamten, denen Folter vorgeworfen wird, strafrechtlich verfolgt (HRW 17.1.2019).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten solche Praktiken, dennoch gibt es zahlreiche Berichte über Misshandlung durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Mitarbeiter von Haftanstalten und Polizisten (USDOS 13.3.2019). Obwohl es Fortschritte gab, ist Folter in afghanischen Haftanstalten weiterhin verbreitet (AA 2.9.2019; vergleiche UNAMA 4.2019). Rund ein Drittel der Personen, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen wurden, sind gemäß einem Bericht der UNAMA von Folter betroffen (UNAMA 4.2019). Es gibt dagegen keine Berichte über Folter in Haftanstalten, die der Kontrolle des General Directorate for Prison and Detention Centres des afghanischen Innenministeriums unterliegen. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger (AA 2.9.2019).

Der Anteil der Personen, die über Folter berichteten, ist in den vergangenen Jahren leicht gesunken. Auch existieren große Unterschiede abhängig von der geografischen Lage der Haftanstalt: wurde bei einer Befragung durch UNAMA durchschnittlich von rund 31% der Befragten (45 Häftlinge) in ANP-Anstalten von Folter oder schlechter Behandlung berichtet (wenngleich dies ein Rückgang zum Vorjahreswert ist, der 45% betrug), so gaben 77% der Befragten (22 Häftlinge) aus einer ANP-Anstalt in Kandahar an, gefoltert und schlecht behandelt zu werden. Anstalten des NDS in Kandahar und Herat, konnten erwähnenswerte Verbesserungen vorweisen, während die Behandlung von Häftlingen in den Provinzen Kabul, Khost und Samangan auch weiterhin besorgniserregend war (UNAMA 4.2019). Die Arten von Misshandlung umfassen schwere Schläge, Elektroschocks, das Aufhängen an den Armen für längere Zeit, Ersticken, Quetschen der Hoden, Verbrennungen, Schlafentzug, sexuelle Übergriffe und Androhung der Exekution (USDOS 13.3.2019; vergleiche UNAMA 4.2019).

Die afghanische Regierung hat Kontrollmechanismen eingeführt, um Fälle von Folter verfolgen und verhindern zu können. Allerdings sind diese weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei durchsetzungsfähig. Daher erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten (AA 2.9.2019; vergleiche HRW 17.1.2019). Die Rechenschaftspflicht der Sicherheitskräfte für Folter und Missbrauch ist schwach, intransparent und wird selten durchgesetzt. Eine unabhängige Beobachtung durch die Justiz bei Ermittlungen oder Fehlverhalten ist eingeschränkt bis inexistent. Mitglieder der ANP und ALP sind sich ihrer Verantwortung weitgehend nicht bewusst und unwissend gegenüber den Rechten von Verdächtigen (USDOS 13.3.2019).

Das Gesetz sieht Entschädigungszahlungen für die Opfer von Folter vor, jedoch ist die Barriere für einen Beweis der Folter sehr hoch. Für eine Entschädigungszahlung ist der Nachweis von physischen Anzeichen von Folter am Körper eines Inhaftierten notwendig (UNAMA 4.2019).

8. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Außerdem wurde Afghanistan für den Zeitraum 2018-2020 erstmals zum Mitglied des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen gewählt (AA 2.9.2019). Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 2.9.2019; vergleiche MPI 27.1.2004). Darüber hinaus hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert. Die afghanische Regierung ist jedoch nicht in der Lage, die Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (AA 2.9.2019).

Korruption und begrenzte Kapazitäten schränken in Anliegen von Verfassungs- und Menschenrechtsverletzungen den Zugang der Bürger zu Justiz ein (USDOS 13.3.2019). In der Praxis werden politische Rechte und Bürgerrechte durch Gewalt, Korruption, Nepotismus und fehlerbehaftete Wahlen eingeschränkt (FH 4.2.2019). Bürger können Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen bei der Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC) einreichen, die dann glaubwürdige Beschwerden prüft und zur weiteren Untersuchung und Verfolgung an die Staatsanwaltschaft weiterleitet. Die gemäß Verfassung eingesetzte AIHRC bekämpft Menschenrechtsverletzungen. Sie erhält nur minimale staatliche Mittel und stützt sich fast ausschließlich auf internationale Geldgeber. Innerhalb der Wolesi Jirga beschäftigen sich drei Arbeitsgruppen mit Menschenrechtsverletzungen: der Ausschuss für Geschlechterfragen, Zivilgesellschaft und Menschenrechte; das Komitee für Drogenbekämpfung, Rauschmittel und ethischen Missbrauch; sowie der Justiz-, Verwaltungsreform- und Antikorruptionsausschuss (USDOS 13.3.2019).

Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren in der Regel ohne staatliche Einschränkungen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsproblemen. Regierungsbeamte sind in dieser Hinsicht einigermaßen kooperativ und ansprechbar. Die Sicherheitslage schränkt jedoch in vielen Landesteilen die Arbeit solcher Organisationen ein (USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsverteidiger sehen sich regelmäßig mit Bedrohungen für ihr Leben und ihre Sicherheit konfrontiert (AI 22.2.2018).

Die weitverbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Straflosigkeit für Amtsträger, die Menschenrechte verletzen, stellen ernsthafte Probleme dar. Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, Folter, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, Unterdrückung von Kritik an Amtsträgern durch strafrechtliche Verfolgung von Kritikern im Rahmen der Verleumdungs-Gesetzgebung, Korruption, fehlende Rechenschaftspflicht und Ermittlungen in Fällen von Gewalt gegen Frauen, sexueller Missbrauch von Kindern durch Sicherheitskräfte, Gewalt durch Sicherheitskräfte gegen Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft, sowie Gewalt gegen Journalisten (USDOS 13.3.2019).

Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Rechenschaftspflicht (UNHRC 21.2.2018). Im Dezember 2018 würdigte UNAMA die Fortschritte Afghanistans auf dem Gebiet der Menschenrechte, insbesondere unter den Herausforderungen des laufenden bewaffneten Konfliktes und der fragilen Sicherheitslage. Die UN arbeitet weiterhin eng mit Afghanistan zusammen, um ein Justizsystem zu schaffen, das die Gesetzesreformen, die Verfassungsrechte der Frauen und die Unterbindung von Gewalt gegen Frauen voll umsetzen kann (UNAMA 10.12.2018).

9. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 35 Millionen Menschen (CIA 30.4.2019; vergleiche CSO 2019). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA 7.2016; vergleiche CIA 30.4.2019). Schätzungen zufolge, sind: 40 bis 42% Pashtunen, 27 bis 30% Tadschiken, 9 bis 10% Hazara, 9% Usbeken, ca. 4% Aimaken, 3% Turkmenen und 2% Belutschen. Weiters leben in Afghanistan eine große Zahl an kleinen und kleinsten Völkern und Stämmen, die Sprachen aus unterschiedlichsten Sprachfamilien sprechen (GIZ 4.2019; vergleiche CIA 2012, AA 2.9.2019).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet" (BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 2.9.2019). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen zu haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.3.2019).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 2.9.2019). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.3.2019).

9.1. Paschtunen

Ethnische Paschtunen sind mit ca. 40% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sind sind sunnitische Muslime (MRG o.D.a). Die Paschtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 13.3.2019). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (BI 29.9.2017).

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA 7.2016).

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden (BFA 7.2016; vergleiche NYT 10.6.2019) und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA 7.2016).

Die Taliban sind eine vorwiegend paschtunische Bewegung (BBC 26.5.2016; vergleiche RFE/RL 13.11.2018, EASO 9.2016, AAN 4.2011), werden aber nicht als nationalistische Bewegung gesehen (EASO 9.2016). Die Taliban rekrutieren auch aus anderen ethnischen Gruppen (RFE/RL 13.11.2018; vergleiche AAN 4.2011, EASO 9.2016). Die Unterstützung der Taliban durch paschtunische Stämme ist oftmals in der Marginalisierung einzelner Stämme durch die Regierung und im Konkurrenzverhalten oder der Rivalität zwischen unterschiedlichen Stämmen begründet (EASO 9.2016).

10. Religionsfreiheit

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 30.4.2019; vergleiche AA 2.9.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus (AA 2.9.2019; vergleiche CIA 30.4.2019, USDOS 21.6.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vergleiche BBC 11.4.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 21.6.2019; vergleiche FH 4.2.2019, MPI 2004). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USODS 21.6.2019; vergleiche AA 9.11.2016). Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie (USDOS 21.6.2019). Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (USDOS 29.5.2018).

Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 21.6.2019). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 21.6.2019; vergleiche ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 21.6.2019).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Gerechtigkeit zu erlangen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime (USDOS 21.6.2019).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.2.2019; vergleiche USDOS 21.6.2019).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.2.2019). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 21.6.2019; vergleiche FH 4.2.2019). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 21.6.2019).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 21.6.2019). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 21.6.2019).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 21.6.2019).

11. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Im Jahresverlauf 2018 verstärkten sich Migrationsbewegungen innerhalb des Landes aufgrund des bewaffneten Konfliktes und einer historischen Dürre (USDOS 13.3.2019). UNHCR berichtet für das gesamte Jahr 2018 von ca. 350.000-372.000 Personen, die aufgrund des bewaffneten Konfliktes zu Binnenvertriebenen (IDPs, internally displaced persons) wurden (UNHCR 25.2.2019; vergleiche IDMC 5.2019, USAID 14.2.2019, UNOCHA 28.1.2019). Trotz des im Zeitvergleich hohen Ausmaßes der Gewalt war im Jahr 2018 das Ausmaß der konfliktbedingten Vertreibungen geringer als im Jahr 2017, als ca. 450.000-474.000 Menschen durch den Konflikt innerhalb Afghanistans vertrieben wurden (IDMC 5.2019). Aufgrund der Dürre, vorwiegend in den Provinzen Herat und Badghis, kommen ca. 287.000 IDPs hinzu (USAID 14.2.2019). Nach Angaben von UNOCHA sind im ersten Halbjahr 2019 rund 210.000 neue Konflikt induzierte Binnenflüchtlinge hinzugekommen (UNOCHA 18.8.2019). Mehr als die Hälfte von ihnen stammen aus den Provinzen Takhar, Faryab und Kunar (UNOCHA 18.8.2019; vergleiche AA 2.9.2019).

Die Gesamtzahl von Binnenflüchtlingen lag IDMC zufolge Stand Jahresende 2018 bei ca. 2,598,000 Menschen (IDMC 5.2019).

Im Jahr 2018 kam es in 33 der 34 Provinzen zu konfliktbedingten Vertreibungen. Der Auslöser für Flucht war häufig Einschüchterung durch bewaffnete Akteure. Beispielsweise wurden im Zuge des Angriffes der Taliban auf die Stadt Ghazni im August 2018 rund 36.000 Menschen zu IDPs. Auch wurden zum Beispiele im November 2018 in Folge eines bewaffneten Konfliktes zwischen Hazara und Taliban 6.400 Menschen aus bis dahin sicheren Distrikten der Provinz Ghazni vertrieben (IMDC 5.2019).

Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz (USDOS 13.3.2019).

Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 2.9.2019).

Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und zeitnahen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft (USDOS 13.3.2019).

IDPs sind in den Möglichkeiten eingeschränkt, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Oft kommt es nach der ersten Binnenvertreibung zu einer weiteren Binnenwanderung (USDOS 13.3.2019). Mehr als 80% der Binnenvertriebenen benötigen Nahrungsmittelhilfe (USAID 30.4.2018). Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten, grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen (USDOS 13.3.2019).

Die afghanische Regierung kooperiert mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung bezüglich vulnerabler Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, der erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen fördert (USDOS 13.3.2019) sowie humanitäre und entwicklungspolitische Aktivitäten erstellt und diese koordiniert (WB 27.11.2018).

Dürre und Überschwemmungen

Der Jahresbericht 2018 des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) nennt eine Zahl von rund 371.000 neuen IDPs aufgrund der Dürre in Afghanistan im Jahr 2018 (IDMC 5.2019). Durch die Dürre wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2018 mehr als 260.000 Menschen aus den Provinzen Badghis, Daikundi, Herat und Ghor zu IDPs (UNOCHA 20.1.2018), zahlreiche Menschen verließen auch ihre Heimatprovinzen Jawzjan und Farah (BFA 13.6.2019). Die meisten von ihnen kamen in Lager in den Städten Herat oder Qala-e-Naw (Badghis). Die Lager werden täglich mit Wasser und Lebensmitteln beliefert und es werden Zelte, Notunterkünfte, Hygiene-, Gesundheits- und Nahrungsdienste zur Verfügung gestellt (UNOCHA 20.1.2018). Im Jahr 2018 sind im Westen Afghanistans aufgrund der Dürre ca. 19 Siedlungen für Binnenvertriebene entstanden, der Großteil davon ca. 20-25 km von Herat-Stadt entfernt. Vertriebene Personen siedelten sich hauptsächlich in Stadtrandgebieten an, um sich in der Stadt Zugang zu Dienstleistungen (die in den Siedlungen, welche grundsätzlich auf leeren Feldern entstanden, nicht vorhanden sind) und dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. In der Stadt kam es zu Demonstrationen von Bewohnern, welche die Binnenvertriebenen bezichtigten, ihnen die Arbeitsplätze wegzunehmen. Das gestiegene Angebot an billigen Arbeitskräften drückte den Tageslohn von 6-8 USD auf 2-3 USD (BFA 13.6.2019).

Flüchtlinge in Afghanistan

Afghanistan hat die UN-Konvention für Flüchtlinge unterzeichnet. Die afghanischen Gesetze enthalten keine Regelungen zur Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus, jedoch haben Flüchtlinge und Asylwerber Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung. Die staatliche Verwaltung erlaubt Flüchtlingen keine Umsiedlung oder Einbürgerung und leistet keine Unterstützung bei einer freiwilligen Rückkehr. Das Büro des UNHCR registriert und koordiniert den Schutz von ca. 500 Flüchtlingen in Städten (USDOS 13.3.2019; vergleiche UNHCR 25.2.2019).

In Afghanistan leben ca. 75.000 pakistanische Flüchtlinge, die 2014 aus Nord-Wasiristan in die Provinzen Khost und Paktika geflüchtet sind. Das vom UNHCR betriebene Flüchtlingslager Gulan beherbergt ca. 13.000 pakistanische Flüchtlinge. Viele Flüchtlinge, die sich in den lokalen Gemeinschaften angesiedelt haben, erhalten Unterstützung von UNHCR (UNHCR 25.2.2019).

12. Grundversorgung und Wirtschaft

Grundversorgung

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt (AA 2.9.2019; AF 2018). Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belegte Afghanistan 2018 lediglich Platz 168 von 189 des Human Development Index. Die Armutsrate hat sich laut Weltbank von 38% (2011) auf 55% (2016) verschlechtert. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte gibt es vielerorts nur unzureichende Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport (AA 2.9.2019).

Die afghanische Wirtschaft ist stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Das Budget zur Entwicklungshilfe und Teile des operativen Budgets stammen aus internationalen Hilfsgeldern (AF 2018; vergleiche WB 7.2019). Jedoch konnte die afghanische Regierung seit der Fiskalkrise des Jahres 2014 ihre Einnahmen deutlich steigern (USIP 15.8.2019; vergleiche WB 7.2019).

Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt (ILO 5.2012; vergleiche ACCORD 7.12.2018). Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (FAO 2018; vergleiche Haider/Kumar 2018), wobei der landwirtschaftliche Sektor gemäß Prognosen der Weltbank im Jahr 2019 einen Anteil von 18,7% am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat (Industrie: 24,1%, tertiärer Sektor: 53,1%; WB 7.2019). Das BIP Afghanistans betrug im Jahr 2018 19,36 Mrd. US-Dollar (WB o.D.). Die Inflation lag im Jahr 2018 durchschnittlich bei 0,6% und wird für 2019 auf 3,1% prognostiziert (WB 7.2019).

Afghanistan erlebte von 2007 bis 2012 ein beispielloses Wirtschaftswachstum. Während die Gewinne dieses Wachstums stark konzentriert waren, kam es in diesem Zeitraum zu Fortschritten in den Bereichen Gesundheit und Bildung. Seit 2014 verzeichnet die afghanische Wirtschaft ein langsames Wachstum (im Zeitraum 2014-2017 durchschnittlich 2,3%, 2003-2013: 9%) was mit dem Rückzug der internationalen Sicherheitskräfte, der damit einhergehenden Kürzung der internationalen Zuschüsse und einer sich verschlechternden Sicherheitslage in Verbindung gebracht wird (WB 8.2018). Im Jahr 2018 betrug die Wachstumsrate 1,8%. Das langsame Wachstum wird auf zwei Faktoren zurückgeführt: einerseits hatte die schwere Dürre im Jahr 2018 negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft, andererseits verringerte sich das Vertrauen der Unternehmer und Investoren. Es wird erwartet, dass sich das Real-BIP in der ersten Hälfte des Jahres 2019 vor allem aufgrund der sich entspannenden Situation hinsichtlich der Dürre und einer sich verbessernden landwirtschaftlichen Produktion erhöht (WB 7.2019).

Arbeitsmarkt

Schätzungen zufolge sind 44% der Bevölkerung unter 15 Jahren und 54% zwischen 15 und 64 Jahren alt (ILO 2.4.2018). Am Arbeitsmarkt müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA 4.2018). Somit treten jedes Jahr sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können (WB 8.2018). In Anbetracht von fehlendem Wirtschaftswachstum und eingeschränktem Budget für öffentliche Ausgaben, stellt dies eine gewaltige Herausforderung dar. Letzten Schätzungen zufolge sind 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos - Frauen und Jugendliche haben am meisten mit dieser Jobkrise zu kämpfen. Jugendarbeitslosigkeit ist ein komplexes Phänomen mit starken Unterschieden im städtischen und ländlichen Bereich. Schätzungen zufolge sind 877.000 Jugendliche arbeitslos; zwei Drittel von ihnen sind junge Männer (ca. 500.000) (BFA 4.2018; vergleiche CSO 2018).

Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Es gibt einen großen Anteil an Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen, was auf das hohe Maß an Informalität des Arbeitsmarktes hinweist, welches mit der Bedeutung des Agrarsektors in der Wirtschaft einhergeht (CSO 8.6.2017). Im Rahmen einer Befragung an 15.012 Personen, gaben rund 36% der befragten Erwerbstätigen gaben an, in der Landwirtschaft tätig zu sein (AF 2018).

Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Eine Quelle betont jedoch die Wichtigkeit von Netzwerken, ohne die es nicht möglich sei, einen Job zu finden. (BFA 4.2018). Bei Ausschreibung einer Stelle in einem Unternehmen gibt es in der Regel eine sehr hohe Anzahl an Bewerbungen und durch persönliche Kontakte und Empfehlungen wird mitunter Einfluss und Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt (BFA 13.6.2019). Eine im Jahr 2012 von der ILO durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen. Analysen der norwegischen COI-Einheit Landinfo zufolge, gibt es keine Hinweise darüber, dass sich die Situation seit 2012 geändert hätte (BFA 4.2018).

In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Ministerium für Arbeit und Soziale Belange (MoLSAMD) und der NGO ACBAR angeboten; dabei soll der persönliche Lebenslauf zur Beratung mitgebracht werden. Auch Rückkehrende haben dazu Zugang - als Voraussetzung gilt hierfür die afghanische Staatsbürgerschaft. Für das Anmeldeverfahren sind das Ministerium für Arbeit und Soziale Belange und die NGO ACBAR zuständig; Rückkehrende sollten auch hier ihren Lebenslauf an eine der Organisationen weiterleiten, woraufhin sie informiert werden, inwiefern Arbeitsmöglichkeiten zum Bewerbungszeitpunkt zur Verfügung stehen. Unter Leitung des Bildungsministeriums bieten staatliche Schulen und private Berufsschulen Ausbildungen an (BFA 4.2018).

Neben einer mangelnden Arbeitsplatzqualität ist auch die große Anzahl an Personen im wirtschaftlich abhängigen Alter (insbes. Kinder) ein wesentlicher Armutsfaktor (CSO 2018; vergleiche Haider/Kumar 2018): Die Notwendigkeit, das Einkommen von Erwerbstätigen mit einer großen Anzahl von Haushaltsmitgliedern zu teilen, führt oft dazu, dass die Armutsgrenze unterschritten wird, selbst wenn Arbeitsplätze eine angemessene Bezahlung bieten würden. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind (CSO 2018).

Wirtschaft und Versorgungslage in den Städten Herat, Kabul und Mazar-e Sharif

Kabul

Die Wirtschaft der Provinz Kabul hat einen weitgehend städtischen Charakter, wobei die wirtschaftlich aktive Bevölkerung in Beschäftigungsfeldern, wie dem Handel, Dienstleistungen oder einfachen Berufen tätig ist (CSO 8.6.2017). Kabul-Stadt hat einen hohen Anteil an Lohnarbeitern, während Selbstständigkeit im Vergleich zu den ländlichen Gebieten Afghanistans weniger verbreitet ist (USIP 10.4.2017). Zu den wichtigsten Arbeitgebern in Kabul gehört der Dienstleistungssektor, darunter auch die öffentliche Verwaltung (CSO 8.6.2017). Die Gehälter sind in Kabul im Allgemeinen höher als in anderen Provinzen, insbesondere für diejenigen, welche für ausländische Organisationen arbeiten (USIP 10.4.2017). Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten (USIP 10.4.2017).

Ergebnisse einer Studie ergaben, dass Kabul unter den untersuchten Provinzen den geringsten Anteil an Arbeitsplätzen im Agrarsektor hat, dafür eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Die besten (Arbeits)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul. Trotz der niedrigeren Erwerbsquoten ist der Frauenanteil in hoch qualifizierten Berufen in Kabul am größten (49,6 Prozent). Im Gegensatz dazu zeigt die Provinz Ghor ist der traditionelle Agrarsektor hier bei weitem der größte Arbeitgeber, des weiteren, existieren hier sehr wenige Möglichkeiten (Jobs und Ausbildung) für Kinder, Jugendliche und Frauen (CSO 8.6.2019).

Herat

Der Einschätzung einer in Afghanistan tätigen internationalen NGO zufolge gehört Herat zu den "bessergestellten" und "sichereren Provinzen" Afghanistans und weist historisch im Vergleich mit anderen Teilen des Landes wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf (BFA 13.6.2019). Aufgrund der sehr jungen Bevölkerung ist der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter in Herat - wie auch in anderen afghanischen Städten - vergleichsweise klein. Erwerbstätige müssen also eine große Anzahl an von ihnen abhängigen Personen versorgen. Hinzu kommt, dass die Hälfte der arbeitstätigen Bevölkerung in Herat Tagelöhner sind, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind (USIP 2.4.2015).

Die Herater Wirtschaft bietet seit langem Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran (GOIRA 2015; vergleiche EASO 4.2019, WB/NSIA 9.2018), wie auch Bergbau und Produktion (EASO 4.2019). Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt (GOIRA 2015; vergleiche EASO 4.2019). Manche alten Handwerksberufe (Teppichknüpfereien, Glasbläsereien, die Herstellung von Stickereien) haben es geschafft zu überleben, während sich auch bestimmte moderne Industrien entwickelt haben (z.B. Lebensmittelverarbeitung und Verpackung) (EASO 4.2019). Die meisten der in KMUs Beschäftigten sind entweder Tagelöhner oder kleine Unternehmer (GOIRA 2015). Die Arbeitsplätze sind allerdings von der volatilen Sicherheitslage bedroht (insbesondere Entführungen von Geschäftsleuten oder deren Angehörigen durch kriminelle Netzwerke, im stillen Einverständnis mit der Polizei). Als weitere Probleme werden Stromknappheit, bzw. -ausfälle, Schwierigkeiten, mit iranischen oder anderen ausländischen Importen zu konkurrieren und eine steigende Arbeitslosigkeit genannt (EASO 4.2019).

Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (GOIRA 2015).

Dürre und Überschwemmungen

Während der Wintersaat von Dezember 2017 bis Februar 2018 gab es in Afghanistan eine ausgedehnte Zeit der Trockenheit. Dies verschlechterte die Situation für die von Lebensmittelunsicherheit geprägte Bevölkerung weiter und hatte zerstörerische Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen, was wiederum zu Binnenflucht führte und es den Binnenvertriebenen mittelfristig erschwert, sich wirtschaftlich zu erholen sowie die Grundbedürfnisse selbständig zu decken (FAO 23.11.2018; vergleiche AJ 12.8.2018).

Günstige Regenfälle im Frühling und beinahe normale Temperaturen haben 2019 die Weidebedingungen wieder verbessert. Da sich viele Haushalte noch von der Dürre des Jahres 2018 erholen müssen, gilt die Ernährungslage für viele Haushalte im Zeitraum 10.2019-1.2020, weiterhin als "angespannt" bis "krisenhaft". Es wird erwartet, dass viele Haushalte vor allem in den höher gelegenen Regionen ihre Vorräte vor dem Winter aufbrauchen werden und bei begrenztem Einkommen und Zugang auf Märkte angewiesen sein werden (FEWS NET 8.2019).

Im März 2019 fanden in Afghanistan Überschwemmungen statt, welche Schätzungen zufolge, Auswirkungen auf mehr als 120.000 Personen in 14 Provinzen hatten. Sturzfluten Ende März 2019 hatten insbesondere für die Bevölkerung in den Provinzen Balkh und Herat schlimme Auswirkungen (WHO 3.2019). Unter anderem waren von den Überschwemmungen auch Menschen betroffen, die zuvor von der Dürre vertrieben wurden (GN 6.3.2019).

Armut und Lebensmittelsicherheit

Einer Befragung aus dem Jahr 2016/2017 an rund 155.000 Personen zufolge (Afghan Living Condition Survey - ALCS), sind rund 45% oder 13 Millionen Menschen in Afghanistan von anhaltender oder vorübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen (CSO 2018; vergleiche USAID 11.4.2019), wobei der Anteil der Betroffenen im Osten, Norden und Nordosten am höchsten ist (CSO 2018). Gegenüber dem Zeitraum 2011-12 ist ihr Anteil bei einem Ausgangsniveau von 30% um 15 Prozentpunkte gestiegen (CSO 2018).

Im Zeitraum 2016-17 lebten dem ALCS zufolge 54,5% der Afghanen unter der Armutsgrenze. Gegenüber früheren Erhebungen ist der Anteil an armen Menschen in Afghanistan somit gestiegen (2007-08: 33,7%, 2011-12: 38,3%). Im ländlichen Raum war der Anteil an Bewohnern unter der Armutsgrenze mit 58,6% höher als im städtischen Bereich (41,6%) (CSO 2018). Es bestehen regionale Unterschiede: In den Provinzen Badghis, Nuristan, Kundus, Zabul, Helmand, Samangan, Uruzgan und Ghor betrug der Anteil an Menschen unter der Armutsgrenze gemäß offizieller Statistik 70% oder mehr, während er in einer Provinz - Kabul - unter 20% lag (NSIA 2019). Schätzungen zufolge, ist beispielsweise der Anteil der Bewohner unter der Armutsgrenze in Kabul-Stadt und Herat-Stadt bei rund 34-35%. Damit ist der Anteil an armen Menschen in den beiden urbanen Zentren zwar geringer als in den ländlichen Distrikten der jeweiligen Provinzen, jedoch ist ihre Anzahl aufgrund der Bevölkerungsdichte der Städte dennoch vergleichsweise hoch. Rund 1,1 Millionen Bewohner von Kabul-Stadt leben unter der Armutsgrenze. In Herat-Stadt beträgt ihre Anzahl rund 327.000 (WB/NSIA 9.2018).

2018 gaben rund 30% der 15.012 Befragten an, dass sich die Qualität ihrer Ernährung verschlechtert hat, während rund 17% von einer Verbesserung sprachen und die Situation für rund 53% gleich blieb. Im Jahr 2018 lag der Anteil der Personen, welche angaben, dass sich ihre Ernährungssituation verschlechtert habe, im Westen des Landes über dem Anteil in ganz Afghanistan. Beispielsweise die Provinz Badghis war hier von einer Dürre betroffen (AF 2018).

Sozialbeihilfen, wohlfahrtsstaatliche Leistungen und Versicherungen

Afghanistan ist von einem Wohlfahrtsstaat weit entfernt und Afghanen rechnen in der Regel nicht mit Unterstützung durch öffentliche Behörden. Verschiedene Netzwerke ersetzen und kompensieren den schwachen staatlichen Apparat. Das gilt besonders für ländliche Gebiete, wo die Regierung in einigen Gebieten völlig abwesend ist. So sind zum Beispiel die Netzwerke - und nicht der Staat - von kritischer Bedeutung für die Sicherheit, den Schutz, die Unterstützung und Betreuung schutzbedürftiger Menschen (BFA 1.2018).

Der afghanische Staat gewährt seinen Bürgern kostenfreie Bildung und Gesundheitsleistungen, darüber hinaus sind keine Sozialleistungen vorgesehen (BAMF/IOM 2018; vergleiche EC 18.5.2019). Ein Sozialversicherungs- oder Pensionssystem gibt es, von einigen Ausnahmen abgesehen (z.B. Armee und Polizei), nicht (SEM 20.6.2017; vergleiche BDA 18.12.2018). Es gibt kein öffentliches Krankenversicherungssystem. Ein eingeschränktes Angebot an privaten Krankenversicherungen existiert, jedoch sind die Gebühren für die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung zu hoch (BDA 18.12.2018).

Ein Pensionssystem ist nur im öffentlichen Sektor etabliert (BAMF/IOM 2018). Der/die zu pensionierende Staatsbedienstete erhält die Pension jährlich auf ein Bankkonto überwiesen. Die Pension eines Regierungsbeamten kann von seinen/ihren Familienmitgliedern geerbt werden (BFA 4.2018). Berichten zufolge arbeitet die afghanische Regierung an der Schaffung eines Pensionssystems im Privatsektor (IWPR 6.7.2018). Private Unternehmen können für ihre Angestellten Pensionskonten einführen, müssen das aber nicht. Manche Arbeitgeber zahlen ihren Angestellten Abfertigungen, welche die Angestellten sich nach einem gewissen Zeitraum ausbezahlen lassen können (BFA 4.2018). Die weitgehende Informalität der afghanischen Wirtschaft bedeutet, dass die Mehrheit der Arbeitskräfte nicht in den Genuss von Pensionen oder Sozialbeihilfen kommt (ILO 5.2012). Die International Labour Organization (ILO) berichtet, dass im Jahr 2010 rund 10% der afghanischen Bevölkerung im pensionsfähigen Alter eine Pension erhielten (ILO 2017).

Für Bedienstete des öffentlichen Sektors gibt es neben einer Alterspension finanzielle Unterstützung im Falle von Invalidität aufgrund einer Verletzung während des Dienstes, wie auch Witwenpensionen und Zulagen bei Armut oder im Fall von Arbeitslosigkeit (BDA 18.12.2018).

Das afghanische Arbeits- und Sozialministerium (MoLSAMD) bietet ad hoc Maßnahmen für einzelne Gruppen, wie zum Beispiel Familienangehörige von Märtyrern und Kriegsverwundete, oder Lebensmittelhilfe für von Dürre betroffene Personen, jedoch keine groß angelegten Programme zur Bekämpfung von Armut (BFA 13.6.2019).

Unterstützungsprogramm - das Citizens' Charter Afghanistan Project (CCAP)

Im Rahmen des zehn Jahre andauernden "Citizens' Charter National Priority Program" (TN 18.1.2018) wurde im Jahr 2016 das Citizens' Charter Afghanistan Project ins Leben gerufen. Es zielt darauf ab, die Armut in teilnehmenden Gemeinschaften zu reduzieren und den Lebensstandard zu verbessern, indem die Kerninfrastruktur und soziale Leistungen durch Community Development Councils (CDCs) gestärkt werden. Das CCAP soll Entwicklungsprojekte unterschiedlicher Ministerien umsetzen und zu einem größeren Nutzen für die betroffenen Gemeinschaften führen (WB 10.10.2016). Das CCAP ist das erste interministerielle und sektorübergreifende Prioritätenprogramm, in dem Ministerien im Rahmen eines strukturierten Ansatzes gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Folgende Ministerien sind hauptsächlich in dieses Projekt involviert: MRRD (Ministry of Rural Rehabilitation and Development), MoE (Ministry of Education), MoPH (Ministry of Public Health) und MAIL (Ministry of Agriculture, Irrigation & Livestock) (ARTF o.D.).

Ziel des Projektes war es von Anfang an, 3,4 Millionen Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen, die Qualität von Dienstleistung in den Bereichen Gesundheit, Bildung, ländliche Straßen und Elektrizität zu verbessern sowie die Zufriedenheit der Bürger/innen mit der Regierung und das Vertrauen in selbige zu steigern. Außerdem sollten vulnerable Personen - Frauen, Binnenvertriebene, behinderte und arme Menschen - besser integriert werden (WB 10.10.2016). Alleine im Jahr 2016 konnten 9,3 Millionen Afghan/innen von den Projekten profitieren (TN 23.11.2017).

13. Medizinische Versorgung

Seit 2002 hat sich die medizinische Versorgung in Afghanistan stark verbessert, dennoch bleibt sie im regionalen Vergleich zurück (AA 2.9.2019). Die Lebenserwartung ist in Afghanistan von 50 Jahren im Jahr 1990 auf 64 im Jahr 2018 gestiegen (WHO o.D.; vergleiche WHO 4.2018). Im Jahr 2018 gab es 3.135 funktionierende Gesundheitseinrichtungen in ganz Afghanistan und 87% der Bevölkerung wohnten nicht weiter als zwei Stunden von einer Einrichtung entfernt (WHO 12.2018). Vor allem in den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen (AA 2.9.2019).

Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger/innen zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren (BFA 4.2018; vergleiche MPI 2004, AA 2.9.2019). Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Die Voraussetzung zur kostenfreien Behandlung ist der Nachweis der afghanischen Staatsbürgerschaft mittels Personalausweis bzw. Tazkira. Alle Staatsbürger/innen haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten (BFA 4.2018). Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen (AA 2.9.2019). Die medizinische Versorgung in großen Städten und auf Provinzlevel ist sichergestellt, auf Ebene von Distrikten und in Dörfern sind Einrichtungen hingegen oft weniger gut ausgerüstet und es kann schwer sein, Spezialisten zu finden. Vielfach arbeiten dort KrankenpflegerInnen anstelle von ÄrztInnen, um grundlegende Versorgung sicherzustellen und in komplizierten Fällen an Provinzkrankenhäuser zu überweisen. Operationseingriffe können in der Regel nur auf Provinzlevel oder höher vorgenommen werden; auf Distriktebene sind nur erste Hilfe und kleinere Operationen möglich. Auch dies gilt allerdings nicht für das gesamte Land, da in Distrikten mit guter Sicherheitslage in der Regel mehr und bessere Leistungen angeboten werden können als in unsicheren Gegenden (IOM 2018; vergleiche WHO 3.2019, BDA 18.12.2018). Zahlreiche Afghanen begeben sich für medizinische Behandlungen - auch bei kleineren Eingriffen - ins Ausland. Dies ist beispielsweise in Pakistan vergleichsweise einfach und zumindest für die Mittelklasse erschwinglich (BDA 18.12.2018).

Die wenigen staatlichen Krankenhäuser bieten kostenlose Behandlungen an, dennoch kommt es manchmal zu einem Mangel an Medikamenten. Deshalb werden Patienten an private Apotheken verwiesen, um diverse Medikamente selbst zu kaufen. Untersuchungen und Laborleistungen sind in den staatlichen Krankenhäusern generell kostenlos (IOM 2018). Gemäß Daten aus dem Jahr 2014 waren 73% der in Afghanistan getätigten Gesundheitsausgaben sogenannte "Out-of-pocket"-Zahlungen durch Patienten, nur 5% der Gesamtausgaben im Gesundheitsbereich wurden vom Staat geleistet (WHO 12.2018).

Berichten von UN OCHA zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Gesundheitsbehandlung stark einkommensabhängig (AA 2.9.2019). Berichten zufolge können Patient/innen in manchen öffentlichen Krankenhäusern aufgefordert werden, für Medikamente, ärztliche Leistungen, Laboruntersuchungen und stationäre Behandlungen zu bezahlen. Medikamente sind auf jedem afghanischen Markt erwerbbar, die Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes. Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren (BFA 4.2018).

90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 2.9.2019).

Beispielsweise um die Gesundheitsversorgung der afghanischen Bevölkerung in den nördlichen Provinzen nachhaltig zu verbessern, zielen Vorhaben im Rahmen des zivilen Wiederaufbaus auch auf den Ausbau eines adäquaten Gesundheitssystems ab - mit moderner Krankenhausinfrastruktur, Krankenhausmanagementsystemen sowie qualifiziertem Personal. Seit dem Jahr 2009 wurden insgesamt 65 Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen gebaut oder renoviert. Neben verbesserten diagnostischen Methoden kommen auch innovative Technologien wie z.B. Telemedizin zum Einsatz (BFA 4.2018).

Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 2.9.2019; vergleiche WHO 4.2018).

Medizinische Versorgung in der Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif

Kabul:

Das Rahman Mina Hospital im Kabuler Bezirk Kart-e-Naw (Police District (PD) 8), wurde renoviert. Das Krankenhaus versorgt rund 130.000 Personen in seiner Umgebung und verfügt über 30 Betten. Pro Tag wird es von rund 900 Patienten besucht. Das Rahman Mina-Krankenhaus ist eines von 47 Einrichtungen in Kabul-Stadt, die am Kabul Urban Health Projekt (KUHP) teilnehmen. Im Rahmen des Projektes soll die Gesundheitsversorgung der Kabuler Bevölkerung verbessert werden (WB 30.9.2018).

Der größte Teil der Notfallmedizin in Kabul wird von der italienischen NGO Emergency angeboten. Emergency führt spezialisierte Notfallbehandlungen durch, welche die staatlichen allgemeinmedizinischen Einrichtungen nicht anbieten können und behandelt sowohl die lokale Bevölkerung, als auch Patienten, welche von außerhalb Kabuls kommen (WHO 4.2018).

Herat:

Das Jebrael-Gesundheitszentrum im Nordwesten der Stadt Herat bietet für rund 60.000 Menschen im dicht besiedelten Gebiet mit durchschnittlich 300 Besuchern pro Tag grundlegende Gesundheitsdienste an, von denen die meisten die Impf- und allgemeinen ambulanten Einheiten aufsuchen (WB 1.11.2016). Laut dem Provinzdirektor für Gesundheit in Herat verfügte die Stadt im April 2017 über 65 private Gesundheitskliniken. Die Anwohner von Herat beklagen jedoch, dass "viele private Gesundheitszentren die Gesundheitsversorgung in ein Unternehmen umgewandelt haben." Auch wird die geringe Qualität der Medikamente, fehlende Behandlungsmöglichkeiten und die Fähigkeit der Ärzte, Krankheiten richtig zu diagnostizieren, kritisiert. Infolgedessen entscheidet sich eine Reihe von Heratis für eine Behandlung im Ausland (TN 7.4.2017).

Mazar-e Sharif:

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es zwischen 10 und 15 Krankenhäuser; dazu zählen sowohl private als auch öffentliche Anstalten. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer; jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken; 20% dieser Gesundheitskliniken finanzieren sich selbst, während 80% öffentlich finanziert sind (BFA 4.2018).

Das Regionalkrankenhaus Balkh ist die tragende Säule medizinischer Dienstleistungen in Nordafghanistan; selbst aus angrenzenden Provinzen werden Patient/innen in dieses Krankenhaus überwiesen. Für das durch einen Brand zerstörte Hauptgebäude des Regionalkrankenhauses Balkh im Zentrum von Mazar-e Sharif wurde ein neuer Gebäudekomplex mit 360 Betten, 21 Intensivpflegeplätzen, sieben Operationssälen und Einrichtungen für Notaufnahme, Röntgen- und Labordiagnostik sowie telemedizinischer Ausrüstung errichtet. Zusätzlich kommt dem Krankenhaus als akademisches Lehrkrankenhaus mit einer angeschlossenen Krankenpflege- und Hebammenschule eine Schlüsselrolle bei der Ausbildung des medizinischen und pflegerischen Nachwuchses zu. Die Universität Freiburg (Deutschland) und die Mashhad Universität (Iran) sind Ausbildungspartner dieses Krankenhauses (BFA 4.2018). Balkh gehörte bei einer Erhebung von 2016/2017 zu den Provinzen mit dem höchsten Anteil an Frauen, welche einen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben (CSO 2018).

Es folgt eine Liste einiger staatlicher Krankenhäuser:

* Ali Abad Krankenhaus: Kart-e Sakhi, Jamal Mina, Kabul University Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2510 355 (KUMS o.D.; vergleiche MoPH 11.2012)

* Antani Krankenhaus für Infektionskrankheiten: Salan Watt, District 2, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2201 372 (LN o.D.; vergleiche MoPH 11.2012)

* Ataturk Kinderkrankenhaus: Behild Aliabaad (in der Nähe von der Kabul University), District 3, Kabul, Tel.: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312 (LN o.D.; vergleiche HPIC o.D.a, MoPH 11.2012)

* Indira Ghandi Children Hospital: Wazir Akbar Khan, Kabul. Tel.: 020-230-2281 (IOM 2018; AT 17.9.2015)

* Istiqlal/Esteqlal Krankenhaus: District 6, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500674 (LN o.D.; vergleiche Ausschussbericht 20.1.2016, MoPH 11.2012)

* Ibne Sina Notfallkrankenhaus: Pull Artal, District 1, Kabul, Tel.: +93 (0)202100359 (LN o.D.; vergleiche HPIC o.D.b, MoPH 11.2012)

* Jamhoriat Krankenhaus: Ministry of Interior Road, Sidarat Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375 (LN o.D.; HPIC o.D.c, MoPH 11.2012)

* Karte Sae Mental Hospital: Karte sae Serahi Allaudding, PD-6, Tel.: +93 799 3 190 858 (IOM 2018; IOM 2019)

* Malalai Maternity Hospital: Malalai Watt, Shahre Naw, Kabul, Tel.: +93(0)20 2201 377 (LN o.D.; vergleiche HPIC o.D.d, MoPH 11.2012)

* Noor Eye Krankenhaus: Cinema Pamir, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2100 446 (LN o.D.; vergleiche IAM o.D., MoPH 11.2012)

* Rabia-i-Balki Maternity Hospital: Frosh Gah, District 2, Kabul, Tel.: +93(0)20 2100439 (LN o.D.; vergleiche MoPH 11.2012)

* Wazir Akbar Khan Krankenhaus: Wazir Akbar Khan, Kabul, Tel.: +93 (0)78 820 0419 (MoPH 11.2012; vergleiche TN 1.6.2017)

* Herat Regionalkrankenhaus: Khaja Ali Movafaq Rd, Herat (MoPH 2013; vergleiche PAJ 3.8.2017)

* Mirwais Nika Krankenhaus in Kandahar, Tel.: +93 (0)79 146 4237 (ICRC 28.1.2018; vergleiche ICRC 3.2.2017)

Es gibt zahlreiche private Kliniken, die auf verschiedene medizinische Fachbereiche spezialisiert sind. Es folgt eine Liste einiger privater Gesundheitseinrichtungen:

* Amiri Krankenhaus: Red Crescent, 5 th Phase, Qragha Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 256 3555 (IOM 5.2.2018)

* Sayed Jamaluding Psychiatric Hospital, Khoshal Mina section 1, Tel.: 93 799 128,737 (IOM 2018; vergleiche IOM 2019)

* Shfakhanh Maljoy Frdos/Ferdows: Chahr Qala-e-Chahardihi Road, Kabul, Tel.: +93 (0)70 017 3124 (Cybo o.D.)

* Khair Khwa Medical Complex: Qala Najar Ha, Kabul, Tel.: +93 (0)72 988 0850 (KMC o.D.)

* DK - German Medical Diagnostic Center: Ansari Square, 3d Street, Shahr-e Nau, Kabul, Tel.: +93 (0)70 606 0141 (MK o.D.)

* French Medical Institute for Mothers and Children: Hinter der Kabul University, Aliabad, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500 200 (FMIC o.D.)

* Luqmah Hakim: Bagh-e Azadi Ave, Herat, Tel.: +93 (0)79 232 5907 (IOM 5.2.2017; vergleiche LHH o.D.)

* Alemi Krankenhaus: Mazar-e Sharif (BFA Staatendokumentation 4.2018)

13.1. Psychische Erkrankungen

Innerhalb der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat mentale Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt, doch der Fortschritt ist schleppend und die Leistungen außerhalb Kabuls dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden - genauso wie Kranke und Alte - gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen (BFA 4.2018). Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (AA 2.9.2019). Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam; so existiert z.B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik (BFA 4.2018). In der staatlichen Klinik in Kabul existieren 14 Betten zur stationären Behandlung (AA 2.9.2019).

Zwar sieht das Basic Package of Health Services (BPHS) psychosoziale Beratungsstellen innerhalb der Gemeindegesundheitszentren vor, jedoch ist die Versorgung der Bevölkerung mit psychiatrischen oder psychosozialen Diensten aufgrund des Mangels an ausgebildeten Psychiatern, Psychologen, psychiatrisch ausgebildeten Krankenschwestern und Sozialarbeitern schwierig. Die WHO geht davon aus, dass in ganz Afghanistan im öffentlichen, wie auch privaten Sektor insgesamt 320 Spitäler existieren, an welche sich Personen mit psychischen Problemen wenden können (BDA 18.12.2018).

Wie auch in anderen Krankenhäusern Afghanistans ist eine Unterbringung im Kabuler Krankenhaus von Patienten grundsätzlich nur möglich, wenn sie durch Familienangehörige oder Bekannte mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Hygieneartikeln versorgt werden (AA 2.9.2019). So werden Patienten bei stationärer Behandlung in psychiatrischen Krankenhäusern in Afghanistan nur in Begleitung eines Verwandten aufgenommen. Der Verwandte muss sich um den Patienten kümmern und für diesen beispielsweise Medikamente und Nahrungsmittel kaufen. Zudem muss der Angehörige den Patienten gegebenenfalls vor anderen Patienten beschützen, oder im umgekehrten Fall bei aggressivem Verhalten des Verwandten die übrigen Patienten schützen. Die Begleitung durch ein Familienmitglied ist in allen psychiatrischen Einrichtungen Afghanistans aufgrund der allgemeinen Ressourcenknappheit bei der Pflege der Patienten notwendig. Aus diesem Grund werden Personen ohne einen Angehörigen selbst in Notfällen in psychiatrischen Krankenhäusern nicht stationär aufgenommen (IOM 24.4.2019).

Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in manchen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Menschen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und unter anderem bei folgenden Organisationen behandelt werden: bei International Psychosocial Organisation (IPSO) Kabul, Medica Afghanistan und PARSA Afghanistan (BFA 4.2018).

In folgenden Krankenhäusern kann man außerdem Therapien bei Persönlichkeits- und Stressstörungen erhalten:

Mazar-e -Sharif Regional Hospital: Darwazi Balkh; in Herat das Regional Hospital und in Kabul das Karte Sae mental hospital. Wie bereits erwähnt gibt es ein privates psychiatrisches Krankenhaus in Kabul, aber keine spezialisierten privaten Krankenhäuser in Herat oder Mazar-e Sharif. Dort gibt es lediglich Neuropsychiater in einigen privaten Krankenhäusern (wie dem Luqman Hakim private hospital) die sich um diese Art von Patienten tagsüber kümmern (IOM 26.4.2019). In Mazare-e Sharif existiert z.B. ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (BFA 4.2018).

Es gibt keine formelle Aus- oder Weiterbildung zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Psychische Erkrankungen sind in Afghanistan weiterhin hoch stigmatisiert, obwohl Schätzungen zufolge 50% der Bevölkerung psychische Symptome wie Depression, Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörung zeigen (AA 2.9.2019).

Neben Problemen beim Zugang zu Behandlungen bei psychischen Erkrankungen, bzw. dem Mangel an spezialisierter Gesundheitsversorgung, sind falsche Vorstellungen der Bevölkerung über psychische Erkrankungen ein wesentliches Problem (BDA 18.12.2018). Psychisch Erkrankte sind oftmals einer gesellschaftlichen Stigmatisierung ausgesetzt (BDA 18.12.2018).

14. Rückkehr

Die Zahlen der Rückkehrer aus Iran sind auf hohem Stand, während ein deutliches Nachlassen an Rückkehrern aus Pakistan zu verzeichnen ist (2017: 154.000; 2018: 46.000), was im Wesentlichen mit den afghanischen Flüchtlingen jeweils gewährten Rechten und dem gewährten Status in Iran bzw. Pakistan zu begründen ist (AA 2.9.2019). Insgesamt sind in den Jahren 2012-2018 ca. 3,2 Millionen Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Seit dem Jahr 2016 hat sich die Zahl der Rückkehrer jedes Jahr deutlich verringert, jedoch hat sich die Zahl der Rückkehrer aus Europa leicht erhöht 15% aller Rückkehrer siedeln in die Provinz Nangarhar (IOM 15.3.2019).

Je nach Organisation variieren die Angaben zur Zahl der Rückkehrer:

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Davon waren 32.260 zwangsweise und 31.189 freiwillige Rückkehrer; 25.561 Personen kehrten aus dem Iran und aus Pakistan zurück; 1.265 aus Europa. 672 Personen erhielten Unterstützung von Hilfsorganisationen (MoRR o.D:): Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (AA 2.9.2019) bzw. 180.000 Personen aus dem Iran und 125.000 Personen aus Pakistan (IOM 15.3.2019). Im Jahr 2017 stammten 464.000 Rückkehrer aus dem Iran 464.000 und 154.000 aus Pakistan (AA 2.9.2019).

Rückkehrer haben zu Beginn meist positive Reintegrationserfahrungen, insbesondere durch die Wiedervereinigung mit der Familie. Jedoch ist der Reintegrationsprozess der Rückkehrer oft durch einen schlechten psychosozialen Zustand charakterisiert. Viele Rückkehrer sind weniger selbsterhaltungsfähig als die meisten anderen Afghanen. Rückkehrerinnen sind von diesen Problemen im Besonderen betroffen (MMC 1.2019).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (BFA 4.2018). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. UNHCR beklagt zudem, dass sich viele Rückkehrer in Gebieten befinden, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (AA 2.9.2019).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert (BFA 13.6.2019). Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA 4.2018).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird (AA 2.9.2019). UNHCR verzeichnete jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (BFA 13.6.2019).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Dem deutschen Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden (AA 2.9.2019). UNHCR berichtet von Fällen zwangsrückgeführter Personen aus Europa, die von religiösen Extremisten bezichtigt werden, verwestlicht zu sein; viele werden der Spionage verdächtigt. Auch glaubt man, Rückkehrer aus Europa wären reich und sie würden die Gastgebergemeinschaft ausnutzen. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (BFA 13.6.2019).

Haben die Rückkehrer lange Zeit im Ausland gelebt oder haben sie zusammen mit der gesamten Familie Afghanistan verlassen, ist es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren oder der Zugang zu diesen erheblich eingeschränkt ist. Dies kann die Reintegration stark erschweren. Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab (AA 2.9.2019). Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung, vulnerable Personen einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran zu unterstützen, bleibt begrenzt und ist weiterhin von der Hilfe der internationalen Gemeinschaft abhängig (USDOS 13.3.2019). Moscheen unterstützen in der Regel nur besonders vulnerable Personen und für eine begrenzte Zeit. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch. Deshalb versuchen sie in der Regel, so bald wie möglich wieder in den Iran zurückzukehren (BFA 13.6.2019).

Viele Rückkehrer, die wieder in Afghanistan sind, werden de-facto IDPs, weil die Konfliktsituation sowie das Fehlen an gemeinschaftlichen Netzwerken sie daran hindert, in ihre Heimatorte zurückzukehren (UNOCHA 12.2018). Trotz offenem Werben für Rückkehr sind essentielle Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheit in den grenznahen Provinzen nicht auf einen Massenzuzug vorbereitet (AAN 31.1.2018). Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (UNOCHA 12.2018).

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA 4.2018). Rückkehrer/innen erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer (BFA 4.2018; vergleiche Asylos 8.2017). Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (AAN 19.5.2017).

In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Return and Reintegration Network (ERRIN) wird im Rahmen des ERRIN Specific Action Program sozioökonomische Reintegrationsunterstützung in Form von Beratung und Vermittlung für freiwillige und erzwungene Rückkehrer angeboten (IRARA 9.5.2019).

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs sehen bei der Reintegration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen eine Grundstücksvergabe vor, jedoch gilt dieses System als anfällig für Korruption und Missmanagement. Es ist nicht bekannt, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben und zu welchen Bedingungen (BFA 4.2018).

Die Regierung Afghanistans bemüht sich gemeinsam mit internationalen Unterstützern, Land an Rückkehrer zu vergeben. Gemäß dem 2005 verabschiedeten Land Allocation Scheme (LAS) sollten Rückkehrer und IDPs Baugrundstücke erhalten. Die bedürftigsten Fälle sollten prioritär behandelt werden (Kandiwal 9.2018; vergleiche UNHCR 6.2008). Jedoch fanden mehrere Studien Probleme bezüglich Korruption und fehlender Transparenz im Vergabeprozess (Kandiwal 9.2018; vergleiche UNAMA 3.2015, AAN 29.3.2016, WB/UNHCR 20.9.2017). Um den Prozess der Landzuweisung zu beginnen, müssen die Rückkehrer einen Antrag in ihrer Heimatprovinz stellen. Wenn dort kein staatliches Land zur Vergabe zur Verfügung steht, muss der Antrag in einer Nachbarprovinz gestellt werden. Danach muss bewiesen werden, dass der Antragsteller bzw. die nächste Familie tatsächlich kein Land besitzt. Dies geschieht aufgrund persönlicher Einschätzung eines Verbindungsmannes, und nicht aufgrund von Dokumenten. Hier ist Korruption ein Problem. Je einflussreicher ein Antragsteller ist, desto schneller bekommt er Land zugewiesen (Kandiwal 9.2018). Des Weiteren wurde ein fehlender Zugang zu Infrastruktur und Dienstleistungen, wie auch eine weite Entfernung der Parzellen von Erwerbsmöglichkeiten kritisiert. IDPs und Rückkehrer ohne Dokumente sind von der Vergabe von Land ausgeschlossen (IDMC/NRC 2.2014).

Bereits 2017 hat die afghanische Regierung mit der Umsetzung des Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Ein neues, transparenteres Verfahren zur Landvergabe an Rückkehrer läuft als Pilotvorhaben mit neuer rechtlicher Grundlage an, kann aber noch nicht flächendeckend umgesetzt werden. Eine Hürde ist die Identifizierung von geeigneten, im Staatsbesitz befindlichen Ländereien. Generell führt die unklare Landverteilung häufig zu Streitigkeiten. Gründe hierfür sind die jahrzehntelangen kriegerischen Auseinandersetzungen, mangelhafte Verwaltung und Dokumentation von An- und Verkäufen, das große Bevölkerungswachstum sowie das Fehlen eines funktionierenden Katasterwesens. So liegen dem afghanischen Innenministerium Berichte über widerrechtliche Aneignung von Land aus 30 Provinzen vor (AA 2.7.2019).

Unterstützung durch IOM

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Bereich Rückkehr verschiedene Programme zur Unterstützung und Reintegration von Rückkehrern nach Afghanistan an (BFA 13.6.2019; vergleiche BFA 4.2018). Hinsichtlich des Ausmaßes und der Art von Unterstützung wird zwischen freiwillig und unfreiwillig zurückgeführten Personen unterschieden (BFA 13.6.2019).

So ist beispielsweise die Provinz Herat hauptsächlich von der Rückkehr von Afghanen aus dem Iran betroffen. Landesweit ist die Zahl der Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan höher, als die der Rückkehrer aus Europa. Das von IOM durchgeführte Assisted Voluntary Return and Reintegration (AVRR) Programme besteht aus einer Kombination von administrativen, logistischen und finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für Personen, welche beschließen, freiwillig aus Europa, Australien und der Türkei in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren (BFA 13.6.2019). Im Zuge des AVRR-Programmes wurden im Jahr 2018 von IOM 2.182 Rückkehrer unterstützt. Etwa die Hälfte von ihnen erhielt Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens (IOM 30.1.2019).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an (BFA 13.6.2019). 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz (IOM 30.1.2019). Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (BFA 13.62019).

IOM gewährte bisher zwangsweise rückgeführten Personen für 14 Tage Unterkunft in Kabul. Seit April 2019 erhalten Rückkehrer nur noch eine Barzahlung in Höhe von ca. 150 Euro (BAMF 20.5.2019; vergleiche IOM 23.9.2019) sowie Informationen, etwa über Hotels (BAMF 20.5.2019). Die zur Verfügung gestellten 150 Euro sollen zur Deckung der ersten unmittelbaren Bedürfnisse dienen und können, je nach Bedarf für Weiterreise, Unterkunft oder sonstiges verwendet werden (IOM 23.9.2019). Nach Auskunft des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) hat lediglich eine geringe Anzahl von Rückgeführten die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM genutzt (BAMF 20.5.2019).

Freiwillige Rückkehrerinnen und Rückkehrer, die am Reintegrationsprojekt RESTART römisch II teilnehmen, haben nach wie vor die Möglichkeit, neben der Unterstützung in Bargeld von 500 Euro, die zur Deckung der ersten unmittelbaren Bedürfnisse vorgesehen sind, eine Unterstützung für die Weiterreise und für temporäre Unterkunft bis zu max. 14 Tagen (in Kabul: Spinzar Hotel) zu erhalten. Unterstützungsleistungen aus dem Projekt RESTART römisch II, welches durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert wird, können im gesamten Land bezogen werden und sind daher in Städten wie Mazar-e Sharif und/oder Herat dieselben wie in Kabul. Wichtig ist, dass die Teilnahme am Reintegrationsprojekt RESTART römisch II durch das BFA und IOM für die Rückkehrerinnen und Rückkehrer bewilligt wurde (IOM 23.9.2019).

In Österreich wird das Projekt Restart römisch II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro durchgeführt und vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) kofinanziert. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor (IOM o.D.).

Wohnungen

In Kabul und im Umland sowie in anderen Städten steht eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Private Immobilienhändler in den Städten bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser und Wohnungen an. Die Miete für eine Wohnung liegt zwischen 300 USD und 500 USD. Die Lebenshaltungskosten pro Monat belaufen sich auf bis zu 400 USD (Stand 2018), für jemanden mit gehobenem Lebensstandard. Diese Preise gelten für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul, wo Einrichtungen und Dienstleistungen wie Sicherheit, Wasserversorgung, Schulen, Kliniken und Elektrizität verfügbar sind. In ländlichen Gebieten können sowohl die Mietkosten, als auch die Lebenshaltungskosten um mehr als 50% sinken. Betriebs- und Nebenkosten wie Wasser und Strom kosten in der Regel nicht mehr als 40 USD pro Monat. Abhängig vom Verbrauch können die Kosten allerdings höher sein (IOM 2018).

Wohnungszuschüsse für sozial Benachteiligte oder Mittellose existieren in Afghanistan nicht (IOM 2018).

Afghanische Flüchtlinge in Pakistan

Laut aktuellen Zahlen des UNHCR beherbergt Pakistan knapp unter 1,4 Millionen registrierte afghanische Flüchtlinge. Hinzu kommen ca. 850.000 Personen mit beantragter Afghan Citizen Card (ACC, hauptsächlich in den Grenzgebieten) und ca. 300.000-550.000 illegal im Land aufhältige Personen (hauptsächlich in Karatschi) (ÖB 10.2018; vergleiche UNHCR 10.2018).

IOM stellt für vulnerable Rückkehrer humanitäre Hilfeleistungen an den beiden Grenzübergängen Spin Boldak/Chaman und Torkham in Transit Centres zur Verfügung (IOM 20.6.2017, IOM 23.5.2017).

Afghanische Flüchtlinge im Iran

In den letzten zwei bis drei Jahren bewegten sich die Maßnahmen der iranischen Behörden auf einen höheren Integrationsgrad der Afghanen zu. Eine zwischenzeitliche Verbesserung der Situation für Afghanen bedeutet wegen begrenzter Mittel eine große Herausforderung für die iranischen Behörden (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).

Die freiwillige Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge ist immer noch das Hauptziel der iranischen Flüchtlingspolitik (BFA/Migrationsverket 10.4.2018; vergleiche AA 11.2018). In der Realität erfolgen viele Rückkehren unter Zwang (AA 11.2018).

Im Zeitraum 1.1.-30.11.2018 sind mehr als 700.000 Afghanen vor dem Hintergrund einer angespannten Wirtschaftslage aus dem Iran zurückgekehrt (REU 5.12.2018). Im Juni 2019 wurde berichtet, dass der Iran infolge der US-Sanktionen in den ersten fünf Monaten des Jahres 2019 100.000 Afghanen abgeschoben habe und weitere 85.000 freiwillig zurückgekehrt seien (MEMO 10.6.2019).

2.5.2. Auszug aus den Richtlinien von UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018:

"UNHCR ist der Auffassung, dass Personen, die einem oder mehreren der nachstehend aufgeführten Risikoprofile entsprechen, internationalen Flüchtlingsschutz benötigen können, jeweils abhängig von den persönlichen Umständen ihres Falles.

(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen

(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen

(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext von Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung

(4) Zivilisten, die verdächtigt werden, regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zu unterstützen

(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) verstoßen

(7) Frauen mit spezifischen Profilen oder Frauen, die unter bestimmten Bedingungen leben

(8) Frauen und Männer, die vermeintlich gegen soziale Sitten verstoßen

(9) Personen mit Behinderung, insbesondere geistiger Behinderung oder Personen mit psychischer Erkrankung

(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder Kinder, die unter bestimmten Bedingungen leben

(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind

(12) Personen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und/oder geschlechtlichen Identitäten

(13) Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen

(14) An Blutfehden beteiligte Personen

(15) Geschäftsleute, andere wohlhabende Personen und deren Angehörige

[...]

Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen.5 Personen, die vor dem Hintergrund dieses Konflikts vor Schaden oder drohendem Schaden fliehen, können die Kriterien der Flüchtlingseigenschaft gemäß Artikel 1 A (2) der GFK erfüllen. Dafür muss die reale Möglichkeit bestehen, dass die Person einen ernsthaften Schaden erleidet, der die Schwelle der Verfolgung wegen eines der in Artikel 1 A (2) genannten Gründe erreicht.

[...]

Damit eine Person, die im Kontext des bewaffneten Konflikts in Afghanistan vor Schaden oder drohendem Schaden flieht, die Kriterien der Flüchtlingseigenschaft gemäß Artikel 1 A (2) der GFK erfüllt, muss die drohende Verfolgung ebenfalls an einen Konventionsgrund anknüpfen.

[...]

Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan

Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen, bei dem die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), unterstützt von den internationalen Streitkräften, mehreren regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) gegenüberstehen.

Dem UN-Generalsekretär zufolge steht Afghanistan weiterhin vor immensen sicherheitsbezogenen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Sicherheitslage soll sich insgesamt weiter verschlechtert und zu einer sogenannten "erodierenden Pattsituation" geführt haben.

[...]

Berichten zufolge haben sich die ANDSF grundsätzlich als fähig erwiesen, die Provinzhauptstädte und die wichtigsten städtischen Zentren zu verteidigen, im ländlichen Raum hingegen mussten sie beträchtliche Gebiete den Taliban überlasssen. Es heißt jedoch, dass die ANDSF mit unhaltbar hohen Ausfallraten und sinkender Moral zu kämpfen haben.

[...]

Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative

Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz vor derartigen Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist UNHCR der Ansicht, dass eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben ist, es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragstellende über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen.

UNHCR ist der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative auch in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben ist.

Im konkreten Fall von Kabul als einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative, sieht UNHCR folgende Leitlinien vor (siehe Abschnitt römisch III.C.4). Zur Beurteilung der Relevanz von Kabul als möglicher interner Schutzalternative und insbesondere des Risikos, dass der Betroffene einer tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens - einschließlich einer schwerwiegenden Gefahr für Leben, Sicherheit, Freiheit oder Gesundheit, oder schwerer Diskriminierung - ausgesetzt wäre, müssen die Entscheidungsträger die negativen Trends in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten in Kabul gebührend berücksichtigen. Von besonderer Bedeutung ist hier der Jahresbericht der UNAMA vom Februar 2018 über den Schutz von Zivilpersonen, in dem es heißt, dass die Mission 2017 "wieder Höchstwerte im Hinblick auf die Zahl ziviler Opfer in der Provinz Kabul dokumentierte, die vor allem auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren. Von den in der Provinz Kabul registrierten 1 831 zivilen Opfern (479 Tote und 1 352 Verletzte) resultierten 88 Prozent aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) in der Stadt Kabul". UNAMA berichtete, dass die Zahl der 2017 durch Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe in der Stadt Kabul ums Leben gekommenen oder verletzten Zivilisten 70 Prozent aller 2017 dokumentierten zivilen Opfer solcher Angriffe in Afghanistan ausmachte.

UNHCR stellt fest, dass Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen.

Zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Kabul als vorgeschlagener interner Schutzalternative muss festgestellt werden, dass die Person Zugang zu Folgendem hat:

(i) einer Unterkunft;

(ii) grundlegender Versorgung, wie Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung;

(iii) Lebensgrundlagen oder erwiesener und nachhaltiger Unterstützung, um einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen.

Maßgebliche Informationen, die die Entscheidungsträger diesbezüglich zu berücksichtigen haben, sind unter anderem die schwerwiegenden Bedenken, die Akteure der humanitären Hilfe und Entwicklungsarbeit hinsichtlich der begrenzten Aufnahmekapazität Kabuls zum Ausdruck gebracht haben. Seit dem Fall des einstigen Taliban-Regimes 2001 hat die Region Kabul City den größten Bevölkerungszuwachs in Afghanistan erlebt. Offiziellen Bevölkerungsschätzungen zufolge hatte die Region Kabul City Anfang 2016 5 Millionen Einwohner, 60 Prozent davon in der Stadt Kabul.20 Dazu kamen 2016, wie in Abschnitt römisch II.F beschrieben, über eine Million aus Iran und Pakistan zurückkehrender Afghanen, gefolgt von weiteren 620 000 Heimkehrern im Jahr 2017. Der Protection Cluster in Afghanistan stellte schon im April 2017, nach den Rückkehrerströmen von 2016, aber noch vor den meisten Rückkehrern des Jahres 2017, Folgendes fest: ‚Der enorme Anstieg der Zahl der Heimkehrer [aus Pakistan und Iran] führte zu einer extremen Belastung der bereits an ihre Grenzen gelangten Aufnahmekapazität der wichtigsten Provinz- und Distriktzentren Afghanistans, nachdem sich viele Afghanen den Legionen von Binnenvertriebenen anschlossen, da sie aufgrund des sich zuspitzenden Konflikts nicht in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren konnten. [...] Mit begrenzten Lebensgrundlagen, ohne soziale Schutznetze und angewiesen auf schlechte Unterkünfte sind die Vertriebenen nicht nur mit einem erhöhten Risiko der Schutzlosigkeit in ihrem alltäglichen Leben konfrontiert, sondern werden auch in erneute Vertreibung und negative Bewältigungsstrategien gezwungen, wie etwa Kinderarbeit, frühe Verheiratung, weniger und schlechtere Nahrung usw.'

Laut der Erhebung über die Lebensbedingungen in Afghanistan 2016-2017 leben 72,4 Prozent der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unter unzulänglichen Wohnverhältnissen. Das International Growth Centre vermerkte im Januar 2018: ‚Kabul hat in den letzten drei Jahrzehnten eine rasante Urbanisierung erfahren. Das Bevölkerungswachstum in der Stadt übersteigt die Fähigkeit der Stadt, die nötige Infrastruktur sowie die erforderlichen Versorgungsdienste und Arbeitsplätze für die Bewohner bereitzustellen, wodurch ausgedehnte informelle Siedlungen entstehen, in denen geschätzte 70 Prozent der Stadtbewohner leben.'

Vor dem Hintergrund der allgemeinen Sorge angesichts der zunehmenden Armut in Afghanistan - der Anteil der Bevölkerung, der unter der nationalen Armutsgrenze lebt, ist Berichten zufolge von 34 Prozent in 2007/2008 auf 55 Prozent im Berichtszeitraum 2016/2017 angestiegen - stellte die Asia Foundation in ihrer Erhebung über die afghanische Bevölkerung aus dem Jahr 2017 fest, dass eine Verschlechterung der Finanzlage in der Region Zentralafghanistan/Kabul mit 43,9 Prozent am stärksten wahrnehmbar war. Im Januar 2017 wurde berichtet, dass 55 Prozent der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert waren.

In seinem Überblick von 2018 über den Bedarf an humanitärer Hilfe reiht das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) Kabul unter den 10 (von insgesamt 34) Provinzen ein, ‚die am stärksten vom Konflikt betroffen sind'. In dem Überblick heißt es weiter, dass ‚der Bedarf in großen Ballungszentren am größten ist, einschließlich Kabuls und der Stadt Jalalabad, wo sowohl Binnenvertriebene als auch Heimkehrer zusammenkamen auf der Suche nach Erwerbsmöglichkeiten und einer Existenzgrundlage sowie nach Zugang zu grundlegenden und lebenswichtigen Versorgungsdiensten. Der Bedarf an humanitärer Hilfe in diesen beiden Provinzen macht 42 Prozent des gesamten Bedarfs an humanitärer Hilfe aufgrund von Binnenvertreibung und grenzüberschreitenden Zustroms aus.'

Im Hinblick auf die Überlegungen betreffend die Analyse der Relevanz und Zumutbarkeit Kabuls als vorgeschlagener interner Schutzalternative, sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen, von Konflikt und Menschenrechtsverletzungen geprägten Lage und deren negativen Auswirkungen auf den

größeren sozioökonomischen Kontext, steht UNHCR auf dem Standpunkt, dass eine interne Schutzalternative in Kabul grundsätzlich nicht gegeben ist.

C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative

1. Analyse der Relevanz

römisch eins. Gebiete in Afghanistan, die keine interne Schutzalternative bieten

Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz vor derartigen Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist UNHCR der Ansicht, dass eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben ist, es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragstellende über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen.

UNHCR ist der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative auch in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben ist.

römisch II. Prüfung, ob der Antragsteller in dem als interne Schutzalternative vorgeschlagenen Gebiet der ursprünglichen Gefahr der Verfolgung ausgesetzt wäre

Ein als interne Schutzalternative vorgeschlagenes Gebiet wäre nicht relevant, wenn der Antragsteller in diesem Gebiet der ursprünglichen Gefahr der Verfolgung ausgesetzt wäre.

1. Hat der Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung durch den Staat oder in dessen Auftrag handelnde Stellen, ist davon auszugehen, dass Überlegungen hinsichtlich einer internen Schutzalternative nicht relevant sind.

2. Hat der Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung, die von Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund schädlicher traditioneller Bräuche und religiöser Normen ausgeht, die Verfolgungscharakter aufweisen, (siehe zum Beispiel die Risikoprofile 7, 10 und 12 in Abschnitt römisch III.A), so muss die Akzeptanz solcher Normen und Bräuche in weiten Teilen der Gesellschaft und die einflussreichen konservativen Elemente auf allen Ebenen der Regierung als ein Faktor in Betracht gezogen werden, der gegen die Relevanz einer internen Schutzalternative spricht. UNHCR vertritt den Standpunkt, dass - verbunden mit den Nachweisen in Abschnitt römisch II.C betreffend die eingeschränkte Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten, - davon auszugehen ist, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative in diesen Fällen nicht relevant ist.

3. In Fällen, in denen die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften ausgeht, muss die Relevanz einer vorgeschlagenen Schutzalternative unter Berücksichtigung einer Reihe verschiedener Elemente beurteilt werden.

(i) Geht die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften aus, muss berücksichtigt werden, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Akteure den Antragsteller im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfolgen. Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius einiger regierungsfeindlicher Kräfte, einschließlich der Taliban und des Islamischen Staates, existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine interne Schutzalternative.

(ii) Ferner müssen die Nachweise in Abschnitt römisch II.C hinsichtlich der aufgrund ineffektiver Regierungsführung und weit verbreiteter Korruption eingeschränkten Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte zu bieten, berücksichtigt werden.

römisch III. Prüfung, ob der Antragsteller in dem als interne Schutzalternative vorgeschlagenen Gebiet neuen Gefahren der Verfolgung oder anderen Form ernsthaften Schadens ausgesetzt wäre

Neben den oben genannten Überlegungen zur ursprünglichen Form der Verfolgung im Heimatgebiet des Antragstellers muss der Entscheidungsträger auch nachweisen, dass der Antragsteller in dem als interne Schutzalternative vorgeschlagenen Gebiet keiner neuen Form der Verfolgung und keinem anderen ernsthaften Schaden - etwa infolge willkürlicher Gewalt - ausgesetzt wäre.

[...]

Die Prüfung muss auf aktuellen Informationen über die Sicherheitslage in dem als interne Schutzalternative vorgeschlagenen Gebiet beruhen, mit besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen des Konflikts in Afghanistan auf Zivilisten.

römisch IV. Prüfung, ob das als interne Schutzalternative vorgeschlagene Gebiet praktisch, sicher und auf legalem Weg erreichbar ist

Wurde ein Gebiet in Afghanistan ermittelt, das nicht bereits auf Grundlage der oben genannten Überlegungen unter römisch eins und römisch II als relevante Flucht- oder Neuansiedlungsalternative ausgeschlossen ist, müsste dennoch geprüft werden, ob das als Flucht- oder Neuansiedlungsalternative ins Auge gefasste Gebiet praktisch, sicher und auf legalem Weg erreichbar ist. Für Afghanistan bedeutet dieses Erfordernis eine Prüfung der konkreten Aussicht auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet, unter anderem durch Bewertung der Risiken durch den weitverbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) sowie durch Landminen und explosive Kampfmittelrückstände (ERW) im ganzen Land, durch Anschläge und Kämpfe auf Straßen sowie durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Zivilisten durch regierungsfeindliche Kräfte.

2. Analyse der Zumutbarkeit

Ob eine Flucht- oder Neuansiedlungsalternative "zumutbar" ist, muss im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Antragstellenden beurteilt werden; maßgebliche Faktoren sind dabei Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse sowie der jeweilige Bildungs- und Berufshintergrund.

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Flucht- oder Neuansiedlungsalternative für Kinder sind die besonderen Umstände sowie die rechtlichen Verpflichtungen des Staates aus der Kinderrechtskonvention zu berücksichtigen - vor allem die Verpflichtung zu gewährleisten, dass das Kindeswohl bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, als vorrangiger Gesichtspunkt beachtet wird, und der Meinung des Kindes entsprechend seinem Alter und seiner Reife angemessen Bedeutung beigemessen wird. Entscheidungsträger müssen gebührend berücksichtigen, dass etwas, das für Erwachsene lediglich lästig ist, für ein Kind unter Umständen eine unzumutbare Härte darstellen kann.

Diesen Überlegungen kommt zusätzliche Bedeutung zu, wenn es sich um unbegleitete und von ihren Eltern getrennte Kinder handelt. Im Fall unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder aus Afghanistan ist UNHCR der Ansicht, dass - über die Unterstützung des Kindes durch seine (erweiterte) Familie oder größere ethnische Gemeinschaft im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet hinaus - bei der Beurteilung der Verfügbarkeit einer Flucht- oder Neuansiedlungsalternative für das Kind das Kindeswohl gemäß Artikel 3 (1) der Kinderrechtskonvention vorrangig zu berücksichtigen ist. Für die Rückkehr unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder nach Afghanistan gelten ferner die Mindestgarantien, die in dem Aide-mémoire: Special Measures Applying to the Return of Unaccompanied and Separated Children to Afghanistan von 2010 aufgeführt sind.

Zur Feststellung der Zumutbarkeit eines als Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Erwägung gezogenen Gebiets für Personen mit besonderen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit Behinderungen und älterer Personen, wäre es besonders wichtig sicherzustellen, dass (auch entferntere) Verwandte oder Angehörige ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft im künftigen Neuansiedlungsgebiet bereit und imstande sind, langfristig Unterstützung zu leisten, um die festgestellten Bedürfnisse der Person nachhaltig und, wo erforderlich, auf Dauer zu erfüllen.

In Anbetracht der schwierigen Menschenrechtssituation für Frauen in Afghanistan (siehe Abschnitt römisch III.A.7) und der sozialen Normen, die Frauen in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken (siehe Abschnitt römisch III.A.8) sowie der allgemein niedrigen Beschäftigungsquote der Frauen in Afghanistan, steht UNHCR auf dem Standpunkt, dass eine Flucht- oder Neuansiedlungsalternative für Frauen, die alleinstehende Haushaltsvorstände sind und unter ihren Angehörigen tatsächlich oder vermeintlich keinen männlichen Beschützer haben, nicht zumutbar ist.

[...]

Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.

Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen.

[...]

3. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in afghanischen Städten

Wie in den Anleitungen der Abschnitte römisch III.C.1 und römisch III.C.2 beschrieben, setzt eine Bewertung der Möglichkeit für eine Neuansiedlung in einer bestimmten Stadt eine Beurteilung sowohl der Relevanz als auch der Zumutbarkeit besagter Neuansiedlungsmöglichkeit für den jeweiligen bestimmten Antragsteller voraus. Wird eine interne Schutzalternative in einer bestimmten Stadt im Zuge eines Asylverfahrens in Erwägung gezogen, müssen alle allgemeinen und persönlichen Umstände, die im Hinblick auf Relevanz und Zumutbarkeit dieser Stadt als vorgeschlagenem Neuansiedlungsort für den betreffenden Antragsteller maßgeblich sind, soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden.

[...]

Im Hinblick auf die Prüfung der Zumutbarkeit verweist UNHCR auf die allgemeine Bemerkung des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in seinem Überblick von 2018 über den Bedarf an humanitärer Hilfe, in der es heißt: ‚Insgesamt halten sich heute über 54 Prozent der Binnenvertriebenen (IDPs) in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöht und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärkt.' Außerdem herrscht, wie in Abschnitt römisch II.D beschrieben, in den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbricht. Am schlimmsten betroffen sind die Provinzen Balkh, Ghor, Faryab, Badghis, Herat und Jowzjan.

Dazu kamen 2016, wie in Abschnitt römisch II.F beschrieben, über eine Million aus Iran und Pakistan zurückkehrender Afghanen, gefolgt von weiteren 620 000 Heimkehrern im Jahr 2017. Der Protection Cluster in Afghanistan stellte schon im April 2017, nach den Rückkehrerströmen von 2016, aber noch vor den meisten Rückkehrern des Jahres 2017, Folgendes fest: ‚Der enorme Anstieg der Zahl der Heimkehrer [aus Pakistan und Iran] führte zu einer extremen Belastung der bereits an ihre Grenzen gelangten Aufnahmekapazität der wichtigsten Provinz- und Distriktzentren Afghanistans, nachdem sich viele Afghanen den Legionen von Binnenvertriebenen anschlossen, da sie aufgrund des sich zuspitzenden Konflikts nicht in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren konnten. [...] Mit begrenzten Lebensgrundlagen, ohne soziale Schutznetze und angewiesen auf schlechte Unterkünfte sind die Vertriebenen nicht nur mit einem erhöhten Risiko der Schutzlosigkeit in ihrem alltäglichen Leben konfrontiert, sondern werden auch in erneute Vertreibung und negative Bewältigungsstrategien gezwungen, wie etwa Kinderarbeit, frühe Verheiratung, weniger und schlechtere Nahrung usw.'

[...]

4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul

a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative

Zur Beurteilung der Relevanz von Kabul als mögliche Schutzalternative und insbesondere des Risikos, dass der Antragsteller schweren Schaden, einschließlich einer ernstzunehmenden Bedrohung seines Lebens, seiner Sicherheit, seiner Freiheit oder seiner Gesundheit, oder massive Diskriminierung zu gewärtigen hätte, müssen Entscheidungsträger die negativen Trends in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten in Kabul gebührend berücksichtigen.

[...]

UNHCR stellt fest, dass Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. [...]

Maßgebliche Informationen, die die Entscheidungsträger diesbezüglich zu berücksichtigen haben, sind unter anderem die gravierenden Bedenken, die humanitäre und Entwicklungsakteure hinsichtlich der begrenzten Aufnahmekapazität Kabuls zum Ausdruck gebracht haben. Seit dem Fall des früheren Taliban-Regimes 2001 hat die Region Kabul City den größten Bevölkerungszuwachs in Afghanistan erlebt. [...]

UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist."

2.5.3. Auszug aus den EASO-Country Guidance Notes zu Afghanistan von Juni 2018 (deutsche Übersetzung, bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

"V. Innerstaatliche Schutzalternative

[...]

Einleitende Vorbemerkungen

Die innerstaatliche Schutzalternative (‚Internal Protection Alternative', ‚IPA') sollte erst geprüft werden, nachdem festgestellt worden ist, dass der Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. eine tatsächliche Gefahr, ernsthaften Schaden zu nehmen, zu gewärtigen hat und die Behörden oder andere relevante, Schutz bietende Akteure nicht willens bzw. in der Lage sind, ihn bzw. sie in seinem bzw. ihrem Heimatgebiet zu schützen. [...]

Sollte die innerstaatliche Schutzalternative Anwendung finden, so kann festgestellt werden, dass der/die Antragsteller/in nicht international schutzbedürftig ist.

Allerdings sollte diesbezüglich betont werden, dass keinerlei Verpflichtung besteht, wonach der/die Antragsteller/in erst sämtliche Möglichkeiten zur Schutzgewährung in den verschiedenen Landesteilen seines/ihres Herkunftsstaates ausgeschöpft haben muss, ehe er/sie um internationalen Schutz ansuchen darf.

[...]

Im gegenständlichen Kapitel wird die Anwendbarkeit der innerstaatlichen Schutzalternative in Teilen von Afghanistan und insbesondere in den folgenden drei Städten bewertet und Leitlinien hierzu vorgegeben: Stadt Kabul, Stadt Herat sowie Mazar-e Sharif.

Betreffender Landesteil

Der erste Schritt bei der Bewertung der innerstaatlichen Schutzalternative ist die Bestimmung des betreffenden Landesteils, in Bezug auf welchen die Kriterien von Artikel 8 der Qualifizierungsrichtlinie im Einzelfall zu prüfen wären.

Eine solche Bewertung konzentriert sich - aus folgenden Hauptgründen - auf die drei Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif:

* Erreichbarkeit: Die genannten Städte verfügen über funktionierende Flughäfen mit Inlands- und Auslandsflugverbindungen;

* Sicherheitslage: Das Ausmaß willkürlicher Gewalt erreicht in diesen Städten nicht ein derart hohes Niveau, dass wesentliche Gründe zur Annahme vorliegen, wonach ein Zivilist - bloß aufgrund seiner Anwesenheit - ein tatsächliches Risiko zu gewärtigen hätte, ernsthaften Schaden zu nehmen. Abhängig von der jeweiligen Einzelfallprüfung könnte die innerstaatliche Schutzalternative dementsprechend auf die genannten Städte angewendet werden.

Die Auswahl der obgenannten drei Städte für die gegenständliche allgemeine Bewertung und Leitlinienvorgabe hindert den betreffenden Referenten allerdings nicht daran, die Anwendung der innerstaatlichen Schutzalternative auch für andere Landesteile von Afghanistan in Erwägung zu ziehen - vorausgesetzt, dass sämtliche hierunter beschriebene Kriterien erfüllt sind.

Wenn in Bezug auf einen bestimmten Landesteil von Afghanistan die Anwendbarkeit einer innerstaatlichen Schutzalternative geprüft werden soll, so könnten (sofern zutreffend) die bereits bestehenden Verbindungen zur jeweiligen Örtlichkeit (wie beispielsweise vorausgegangene Erfahrungen bzw. das Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerks) in Betracht gezogen werden.

[...]

Zumutbarkeit der Niederlassung

[...]

Persönliche Umstände

Neben der allgemeinen Lage in jenen Gebieten, welche potentiell eine innerstaatliche Fluchtalternative bieten, sollte bei der Beurteilung, ob es für den Antragsteller überhaupt zumutbar ist, sich im betreffenden Landesteil niederzulassen, ferner auch auf dessen persönliche Umstände (wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, sozialer und schulischer Hintergrund, familiäre und gesellschaftliche Bindungen, Sprache, etc.) Bedacht genommen werden.

Die Einzelprüfungen könnten auf bestimmte Verletzlichkeiten des Antragstellers bzw. auch auf verfügbare Bewältigungsmechanismen Bedacht nehmen, welche sich auf die persönlichen Umstände des/r Antragsteller/in entsprechend auswirken würden, und auf Grundlage dessen dann entscheiden, inwieweit es für den/die Antragsteller/in überhaupt zumutbar wäre, sich in einem bestimmten Gebiet niederzulassen.

Beachten Sie bitte, dass die nachstehende Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

* Alter: Junge und ältere Personen könnten aufgrund ihres Alters beim Verdienen des eigenen Lebensunterhalts (z.B. mittels Arbeit) erheblich eingeschränkt sein, was sie abhängig von anderen Versorgern macht. Dementsprechend sollte dieser Teilaspekt im Zusammenhalt mit verfügbarer Unterstützung durch die Familie bzw. einem breiteren Hilfsnetzwerk gesehen werden. Auch haben Kinder noch zusätzliche Bedürfnisse sowie ein Anrecht auf schulische Grundausbildung, welches bei Anwendung der Zumutbarkeitsprüfung gewährleistet sein muss.

* Geschlecht: Die Frauen und Mädchen in Afghanistan könnten diskriminierenden Beschränkungen unterworfen sein und allenfalls die Hilfe eines männlichen Familienmitglieds bzw. ‚Aufpassers' benötigen, um Zugang zu verschiedenen Dienstleistungen zu erhalten bzw. bestimmte Rechte ausüben zu können. Dementsprechend sollte das Geschlecht des/r Antragstellers/in bei der Prüfung der Zumutbarkeit mitberücksichtigt werden (zusammen mit dessen/deren Familienstand und der vorhandenen Unterstützung).

* Gesundheitszustand (Krankheit oder Behinderung): Der Zugang zu medizinischer Versorgung in den drei genannten Städten ist überlastet, weshalb dem Gesundheitszustand des/r Antragstellers/in bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Menschen, die einer medizinischen Behandlung bedürfen, ein wichtiger Stellenwert einzuräumen ist. Diesbezüglich ist auch mit zu berücksichtigen, dass der Gesundheitszustand des/r Antragstellers/in allenfalls auch Auswirkungen auf dessen/deren Arbeits- und Reisefähigkeit haben könnte. Bei Menschen mit Behinderungen wäre der Zugang zu Mitteln zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts (wie beispielsweise im Wege einer Anstellung) zudem noch weiter eingeschränkt.

* Ortskenntnisse: Ortskenntnisse (einschließlich Sprachkenntnisse) sowie das Vorhandensein gewisser sozialer Bindungen und Beziehungen (entweder über Verwandte, schulische Ausbildung oder Berufserfahrung) wären ein relevantes Prüfungsmerkmal, zumal derartige Bindungen und Kenntnisse dem/r Antragsteller/in dabei behilflich wären, sich im betreffenden Gebiet niederzulassen, und unter Bezugnahme darauf kann dann auch gleich eine Prüfung in Hinblick auf die Mittel zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts und den Zugang zur Grundversorgung erfolgen.

* Sozialer, schulischer und wirtschaftlicher Hintergrund: Der persönliche Hintergrund des/r Antragstellers/in, dessen/deren Ausbildungsgrad sowie dessen/deren

* verfügbare finanzielle Mittel können bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative ebenfalls mitberücksichtigt werden (ebenso auch insbesondere dessen/deren Zugang zu Mitteln zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts).

* Unterstützungsnetzwerk: Als ‚Unterstützungsnetzwerk' kann neben dem eigenen familiären Netz (beschränkt nicht nur auf die Kernfamilie, sondern einschließlich auch der erweiterten Großfamilie) ferner auch ein soziales Netzwerk dienen (vor allem Freunde, Dienstgeber, Schulkameraden und Mitglieder der eigenen Sippe, insbesondere, wenn es bestimmte Anknüpfungspunkte, etc. gibt), wobei deren Fähigkeit zur Unterstützung der betreffenden Person bei der Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts entsprechend mit zu berücksichtigen ist. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf Einzelpersonen gelegt werden, welche lange Zeit im Ausland gelebt haben und keine Verwandten in den drei vorgenannten Städten haben, zumal ihnen dann oftmals das nötige Unterstützungsnetzwerk fehlen dürfte.

* Religion: Bei der Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative für eine der drei vorgenannten Städte sollte ferner auch darauf Bedacht genommen werden, ob die betreffende Person einer religiösen Minderheit (z.B. der Sikh-, Hindu- oder einer sonstigen Religion) angehört, da Angehörige solcher religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens möglicherweise diskriminiert werden könnten und es für sie dann dementsprechend schwierig wäre, Zugang zu Mitteln zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts (wie beispielsweise im Wege einer Anstellung) zu erlangen.

Festzuhalten ist, dass sich all diese Faktoren bei einzelnen Antragstellern oftmals überschneiden und zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen bei der Zumutbarkeitsprüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative führen können. In manchen Fällen können mehrere Teilaspekte der Schutzwürdigkeit zusammen die Feststellung bestätigen, dass im Falle bestimmter Antragsteller (z.B. unbegleiteter Minderjähriger ohne Hilfsnetz [...]) eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar ist, während in anderen Fällen derartige Teilaspekte einander aufwiegen (so kann beispielsweise eine innerstaatliche Fluchtalternative für ein verheiratetes Paar mit vorhandenen finanziellen Mitteln bzw. einem Unterstützungsnetzwerk in einer der genannten Städte als durchaus zumutbar erachtet werden).

Feststellungen zur Zumutbarkeit: Spezielle Personenprofile, welche in der Praxis anzutreffen sind

[...]

Zusammenfassend könnte festgehalten werden, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif für alleinstehende erwachsene Männer und verheiratete kinderlose Paare, welche über sonst keinerlei schutzwürdige Merkmale verfügen, durchaus zumutbar sein könnte (selbst wenn die Betroffenen dort über keinerlei Unterstützungsnetzwerk verfügen). Bei Antragstellern mit anderen Personenprofilen wird zur Sicherung deren Grundbedürfnisse ein Unterstützungsnetzwerk innerhalb jenes Gebiets, das möglicherweise eine innerstaatliche Fluchtalternative bietet, im Allgemeinen wohl vonnöten sein. Allerdings kann bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative eine Bedachtnahme auf noch weitere persönliche Umstände ebenfalls maßgeblich sein.

In der nachfolgenden Tabelle werden die einzelnen Überlegungen, welche für die generellen Feststellungen in Bezug auf die hauptsächlich anzutreffenden Personenprofile ausschlaggebend waren, schlaglichtartig hervorgehoben - dies jedoch unbeschadet der Tatsache, dass sämtliche persönlichen Umstände im Einzelfall umfassend und vollständig geprüft werden müssen.

Alleinstehende, gesunde und erwerbsfähige Männer:

*) Was jene Antragsteller betrifft, welche außerhalb von Afghanistan geboren sind oder eine sehr lange Zeit im Ausland gelebt haben, ist die im Nachfolgenden gesondert angeführte Feststellung heranzuziehen.

Im Allgemeinen könnte eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif bei alleinstehenden, gesunden und erwerbsfähigen Männern, welche früher schon einmal in Afghanistan gelebt haben, als zumutbar erachtet werden (selbst dann, wenn er/sie über kein Unterstützungsnetzwerk innerhalb des als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Gebiets verfügt).

Zwar bringt die mit einer Niederlassung in den drei vorgenannten Städten verbundene Situation bestimmte Härten mit sich, allerdings kann festgestellt werden, dass Antragsteller dieser Personengruppe durchaus befähigt sind, für ihren Lebensunterhalt, ihre Unterkunft und Hygiene selbst Sorge zu tragen, wobei diesbezüglich darauf Bedacht zu nehmen ist, ob ihre persönlichen Umstände allenfalls nicht noch zusätzliche schutzwürdige Aspekte mitumfassen.

Insbesondere ist auf folgende Punkte Bedacht zu nehmen:

- Alter: Der Antragsteller ist in einem erwerbsfähigen Alter, was seine Möglichkeit zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts erhöht - insbesondere in Bezug auf die Möglichkeit, selbst einer Beschäftigung nachgehen zu können.

- Geschlecht: Was Männer betrifft, so bestehen aufgrund deren Geschlechts keinerlei zusätzlich schutzwürdigen Aspekte in Afghanistan.

- Familienstand: Der Antragsteller hat keinerlei zusätzliche Verpflichtungen, außer dass er seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten hat. Ferner bestehen in Bezug auf alleinstehende Männer auch sonst keine weiteren schutzwürdigen Aspekte.

- Gesundheitszustand: Der Antragsteller leidet unter keinerlei schweren Erkrankungen.

- Sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund: Der persönliche Hintergrund des Antragstellers (unter anderem auch dessen schulischer und beruflicher Hintergrund sowie dessen finanzielle Mittel) könnten ebenfalls mitberücksichtigt werden - insbesondere in jenen Fällen, wo dies für die Bewältigungsmechanismen maßgeblich sein könnte, welche dem Antragsteller bei einer Niederlassung innerhalb des als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Gebiets zur Verfügung stünden.

- Ortskenntnisse: In Anbetracht des städtischen Charakters der drei als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Gebiete sowie angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung dort breit gestreut ist, kann davon ausgegangen werden, dass ein afghanischer Staatsbürger, der früher schon einmal in Afghanistan gelebt hat, über ausreichende Ortskenntnisse verfügen wird, um in der Lage zu sein, sich in zumutbarer Art und Weise in einer der drei vorgenannten Städte niederzulassen.

- Unterstützungsnetzwerk: Zwar wäre ein vorhandenes Unterstützungsnetzwerk zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts durchaus hilfreich, allerdings würde das Vorhandensein eines solchen Unterstützungsnetzwerks bei alleinstehenden Männern in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif keine unbedingte Voraussetzung für die Anwendung einer innerstaatlichen Fluchtalternative darstellen.

- Religion: Auf die Religion des Antragstellers sollte entsprechend Bedacht genommen werden.

[...]

Anmerkung: Von diesen Einschätzungen geht EASO auch in seinen Country Guidance Notes vom Juni 2019 nicht ab.

3. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zu Grunde:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des BF stützen sich auf seine Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Identität des BF (Name und Geburtsdatum) konnte aufgrund der diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF mit der für das Asylverfahren ausreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

3.1.2. Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF sowie seiner Muttersprache gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des BF zu zweifeln.

3.1.3. Die Feststellungen zu seinem Heimatort, seiner Herkunftsprovinz und seinen Aufenthaltsorten in Afghanistan stützen sich auf seine diesbezüglich übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3.1.4. Die Feststellungen zu seiner Berufserfahrung in Afghanistan stützen sich auf seine Angaben in der Einvernahme vor dem BFA vom 22.02.2019 und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.02.2020. Vor dem BFA gab der BF an, acht Jahre als Automechaniker und drei Jahre lang als Taxifahrer gearbeitet zu haben. Er sei mit dem Taxi in ganz Afghanistan unterwegs gewesen, "überall in Afghanistan". Er kenne sich beispielsweise auch gut in Kabul aus. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er ebenso an, acht Jahre als Automechaniker und drei Jahre lang als Taxifahrer gearbeitet zu haben. Seine Tätigkeit als Taxifahrer präzisierte er insofern, als er angab, sowohl Personen als auch Waren befördert zu haben. Er sei in ganz Afghanistan tätig gewesen und kenne sich beispielsweise in Mazar-e Sharif gut aus. Er habe dort in Vergangenheit auch einige Male übernachtet.

3.1.5. Die Feststellungen zu den Eltern, den Geschwistern, der Ehegattin und dem Sohn des BF stützen sich auf seine Angaben in der Einvernahme vor dem BFA vom 22.02.2019 und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.02.2020. Vor dem BFA gab der BF an, dass seine Eltern, Geschwister, Ehegattin und Sohn in seiner Herkunftsprovinz leben würden und er in regelmäßigem Kontakt mit ihnen stünde. Seine Brüder würden teilweise als Holzverkäufer und teils als Mechaniker arbeiten. Befragt, wie es ihnen gehe, antwortete der BF: "Sie haben Probleme, aber es geht." Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF damit übereinstimmend an, dass seine Eltern, Geschwister, Ehegattin und Sohn in seiner Herkunftsprovinz leben würden und er in regelmäßigem Kontakt mit ihnen stünde. Seine Brüder würden gemeinsam mit seinem Vater in einer Autowerkstatt arbeiten. Befragt, wie es seinem Vater und seinen Brüdern gehe, antwortete der BF: "Es geht ihnen gut. Sie gehen ihrer Arbeit nach."

Die Feststellung, dass die Familie des BF in der Lage wäre, diesen im Fall der Rückkehr nach Afghanistan zu unterstützen, stützt sich auf die Angaben des BF, denen zufolge sein Vater und seine Brüder regelmäßig arbeiten und es ihnen gut geht. Das Bundesverwaltungsgericht hält es für nicht glaubhaft, dass der BF - wie von ihm vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptet - seinen Familienangehörigen in Vergangenheit aus Österreich Geld geschickt hat, da der BF in Österreich Schulden hat, ein Exekutionsverfahren gegen ihn betrieben wird, er in Vergangenheit wiederholt nur über verhältnismäßig kurze Zeiträume einer Erwerbstätigkeit für den selben Arbeitgeber nachgegangen ist, ihm die finanziellen Mittel dazu fehlen und aufgrund seiner Angaben zur Situation der Familienangehörigen nicht davon auszugehen ist, dass sie auf seine finanzielle Unterstützung angewiesen wären.

3.1.6. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand stützen sich auf das Gutachten des Sachverständigen vom 31.10.2019. Das Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar. Im Gutachten wurden sämtliche vom BF im (ersten) Asylverfahren vorgelegten medizinischen Dokumente berücksichtigt. Der Gutachter hat nachvollziehbar dargelegt, warum er zum Schluss kommt, dass die posttraumatische Belastungsstörung des BF in Remission ist, im Falle der Überstellung des BF nach Afghanistan nicht die reale Gefahr besteht, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einem lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte und die Arbeitsfähigkeit des BF nicht von der Verfügbarkeit einer Behandlung abhängig ist.

Der verbesserte Gesundheitszustand des BF spiegelt sich auch darin wieder, dass der BF seit 24.11.2016 kein Landesklinikum oder eine vergleichbare Einrichtung mehr aufgesucht hat, er sich gar nicht mehr erinnern kann, wann er das letzte Mal eine derartige Einrichtung aufgesucht hat (siehe Angabe vor dem BVwG), er keine Psychopharmaka einnimmt und von ihm weder im Aberkennungsverfahren vor dem BFA noch vor dem BVwG ein einziges medizinisches Dokument vorgelegt wurde.

Die Feststellung, dass der BF arbeitsfähig ist, stützt sich zusätzlich auf die diesbezüglich übereinstimmende Angabe des BF vor dem BFA und der Tatsache, dass er zum Entscheidungszeitpunkt einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Die Tatsache, dass der BF derzeit ohne Einnahme von Psychopharmaka und ohne medizinische Behandlung einer Arbeit nachgeht, stimmt mit dem Schluss im Gutachten überein, dass die Arbeitsfähigkeit des BF nicht von der Verfügbarkeit einer Behandlung abhängig ist.

Im Gutachten wird zudem darauf verwiesen, dass seine psychischen Beschwerden in Zusammenhang mit der Trennungssituation von den Familienangehörigen steht. Im Unterschied zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes, als der BF gar keinen Kontakt zu Verwandten in Afghanistan hatte, konnte der Kontakt wieder hergestellt werden und steht der BF in regelmäßigem Kontakt mit seinen Verwandten, denen es gut geht. Auch aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass sich der Gesundheitszustand des BF nachhaltig gebessert hat.

Weder der BF noch seine Rechtsvertreterin sind dem Gutachten substantiiert entgegengetreten. Entgegen der Behauptung der Rechtsvertreterin in der Verhandlung vor dem BVwG ist der Gutachter nachvollziehbar darauf eingegangen, warum sich die Symptome betreffend die posttraumatische Belastungsstörung weitgehend zurückgebildet haben und kommt dies darüber hinaus auch darin zum Ausdruck, dass der BF seit mehreren Jahren nicht mehr in medizinischer Behandlung steht, weshalb von einer nachhaltigen Verbesserung seines Gesundheitszustandes auszugehen ist.

Entgegen der weiteren Behauptung der Rechtsvertreterin in der Verhandlung vor dem BVwG, ist dem Gutachten klar zu entnehmen, dass für den BF im Falle der Überstellung nach Afghanistan nicht die reale Gefahr besteht, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einem lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte. Anders als von seiner Rechtsvertreterin wurde vom BF im Aberkennungsverfahren nie eine etwaige Suizidgefahr behauptet. Im (ersten) Asylverfahren wurden vom BF medizinische Dokumente vorgelegt, denen zu entnehmen ist, dass sich der BF im Jahr 2016 zweimal selbst verletzt hat (Sprung aus dem 2. Stock und Schnitt mit einem Messer). Seither gab es keine diesbezüglichen Vorfälle mehr.

Mangels substantiierter Einwendungen und aufgrund der Tatsache, dass das Gutachten schlüssig und nachvollziehbar ist und alle vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Fragen schlüssig beantwortet wurden, war dem Antrag der Rechtsvertreterin am Ende der Verhandlung vor dem Bundesveraltungsgericht, das Gutachten gesondert zu erörtern, nicht zu folgen.

Der Rechtsvertreterin ist zwar dahingehend zu folgen, dass dem Gutachter nicht explizit die Frage gestellt wurde, inwiefern sich seit Jänner 2018 bis heute die Situation des BF verändert habe. Der Gutachter ist jedoch im Gutachten auch ohne die Ausformulierung dieser Frage auf die Veränderungen des Gesundheitszustandes in den vergangenen Jahren eingegangen und auch darauf, inwiefern sich eine Rückkehr des BF nach Afghanistan auf seinen Gesundheitszustand auswirken würde. Aus dem Gutachten kommt klar hervor, dass sich der Gesundheitszustand des BF wesentlich und nicht nur vorübergehend gebessert hat.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, nimmt der BF keine Psychopharmaka ein, ist derzeit nicht in ärztlicher Behandlung, nimmt nur bei Bedarf schmerzlindernde Mittel gegen Kopfschmerzen ein.

Der BF gab sowohl in der Einvernahme vor dem BFA am 22.02.2019 als auch zu Beginn der Verhandlung vor dem BVwG an, dass es ihm derzeit gut gehe und "nur" in Vergangenheit schlecht gegangen sei. Gegen Ende der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht änderte der BF sein Vorbringen dahingehend ab, dass es ihm vor etwa einem Monat nicht gutgegangen sei bzw. er seit fünf Monaten starke Schmerzen habe. Davor sei es ihm gut gegangen. Dieses geänderte Vorbringen des BF ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht glaubhaft. Er ist kein Grund ersichtlich, warum der BF sein eigenes Vorbringen innerhalb kürzester Zeit abändern sollte. Zudem wurden vom BF keine Dokumente vorgelegt, die nahe legen würden, dass er seit November 2016 je wieder medizinisch behandelt worden wäre. Auch mit der Stellungnahme vom 21.02.2020, die nach der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde, wurden keine medizinischen Dokumente nachgereicht.

3.2. Zur Integration des BF:

3.2.1. Die Feststellungen zu den (mangelnden) Deutschkursen und -prüfungen stützen sich auf die Angaben des BF vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht.

3.2.2. Die Feststellungen zu den Erwerbstätigkeiten des BF in Österreich und seinem Arbeitslosengeldbezug stützen sich auf die Einsichtnahme in die Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und die Angaben des BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.02.2020.

3.2.3. Die Feststellungen zu den mangelnden Verwandten, dem nicht vorhandenen engen Freundeskreis, seiner mangelnden Mitgliedschaft in einem Verein und seinem mangelnden ehrenamtlichen Engagement stützen sich auf die Angaben des BF in der Einvernahme vor dem BFA und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3.2.4. Die Feststellungen zu der Verurteilung des BF wegen der Begehung strafbarer Handlungen stützen sich auf die Einsichtnahme in den seitens des Landesgerichts römisch 40 zur Zl. 64 Hv 101/18a geführten Strafakt.

3.2.5. Die Feststellung, dass der BF zumindest bis Anfang Februar 2019 Cannabis konsumierte, stützt sich auf die Angabe des BF in der Einvernahme vor dem BFA vom 31.01.2017, derzufolge er schon in Afghanistan Cannabis geraucht habe und in Österreich gelegentlich Cannabis rauche sowie seiner Angabe in der Einvernahme vor dem BFA vom 22.02.2019, derzufolge er das letzte Mal vor zwei Wochen Cannabis konsumiert habe. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.02.2020 wollte der BF nach Belehrung über sein Aussageverweigerungsrecht keine Angaben hierzu machen.

3.2.6. Die Feststellung zu den Schulden des BF und dem gegen ihn geführten Exekutionsverfahren stützt sich auf seine Angabe in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie die Einsichtnahme in den seitens des Landesgerichts römisch 40 zur Zl. 64 Hv 101/18a geführten Strafakt, in dem ua der "Kosten-Bogen" enthalten ist (darin wiederum enthalten ua der gegen den BF erlassene Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) des LG römisch 40 vom 14.12.2018 und der Exekutionsantrag).

3.3. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang stützen sich auf den Verwaltungsakt des Bundesverwaltungsgerichts, darin insbesondere enthalten der Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018, GZ W200 2189227-1/13E und der Bescheid des BFA vom 05.03.2019, Zl. 1093269303-190004270.

3.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des BF in die Provinz römisch 40 ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten. Auf das Wesentliche zusammengefasst geht aus den Länderberichten hervor, dass sich die Sicherheitslage in der Provinz römisch 40 in den letzten Jahren verschlechtert hat.

Korruption, lokale Machtkämpfe und das Versagen, effektive Dienstleistungen zu erbringen, untergruben das Vertrauen der Bevölkerung in die afghanische Regierung, die die Bevölkerung ungeschützt gegen Aufständische zurückließ, aber auch der Rückzug der internationalen Streitkräfte in der Provinz ab dem Jahr 2013 trug dazu bei. Verschiedene militante Gruppen - afghanische, ausländische, sowie salafistische Kämpfer innerhalb der Taliban - trugen dazu bei, die Taliban in römisch 40 zu destabilisieren - viele von ihnen schlossen sich dem ISKP an. Im Februar 2019 galt römisch 40 als eine der ISKP-Hochburgen Afghanistans. Die Schätzungen über die Stärke des ISKP gehen auseinander: so geht eine Quelle von rund 3.000 Kämpfern im Osten Afghanistans (Provinzen römisch 40 und Kunar) aus, während die ISKP-Stärke von einer anderen Quelle in ganz Afghanistan - jedoch insbesondere in römisch 40 und den angrenzenden östlichen Provinzen - im Juni 2019 auf 2.500-4.000 Kämpfer geschätzt wurde. Der ISKP wurde in römisch 40 inzwischen zurückgedrängt, auch wenn er noch ein gewisses Territorium kontrolliert: Seine frühere Hochburg in den Spin Ghar-Bergen ist auf kleinere Inseln im Distrikt Achin zusammengeschrumpft. Durch große terroristische Angriffe in Städten führt der ISKP den Konflikt weiter - insbesondere in Kabul-Stadt und römisch 40 beanspruchte die Gruppe Terroranschläge für sich. Für das Jahr 2018 verzeichnete UNAMA beispielsweise 17 Selbstmord- und komplexe Angriffe in römisch 40 , die dem ISKP zugeschrieben wurden und 738 zivile Opfer forderten (222 Tote und 516 Verletzte). Die Taliban sind in römisch 40 aktiv und kontrollieren manche Gebiete; wie z.B. in den Distrikten Khugyani und Sher Zad.

Militärische Spezialeinheiten, auch als counter-terrorism pursuit teams bezeichnet, sind in den Provinzen römisch 40 und Khost tätig. Diese Kräfte, die inoffiziell von der US Central Intelligence Agency (CIA) ausgebildet und beaufsichtigt werden und für die Bekämpfung des Aufstands zuständig sind; diesen werden außergerichtliche Tötungen und Folter vorgeworfen.

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.815 zivile Opfer (681 Tote und 1.134 Verletzte) in der Provinz römisch 40 . Dies entspricht einer Steigerung von 111% gegenüber 2017. Die Hauptursachen dafür waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von IEDs und Bodengefechten. Die Zahl der zivilen Opfer durch IEDs vervierfachte sich und erreichte zum ersten Mal fast das gleiche Niveau wie Kabul.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des BF in die Städte Herat und Mazar-e Sharif ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den o.a. Länderberichten zu Herat und Mazar-e Sharif sowie dem persönlichen Hintergrund des BF. Aus diesen unterschiedlichen Berichten, die einander in ihren wesentlichen Ausführungen nicht widersprechen, ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht ein überzeugendes Gesamtbild hinsichtlich der Lage für Personen, die nach Afghanistan gehen und sich dort in den Städten Herat und Mazar-e Sharif ansiedeln.

Diesbezüglich sind insbesondere die Arbeitsfähigkeit, die Berufserfahrung des BF in Afghanistan und Österreich sowie sein familiäres Netzwerk zu berücksichtigen. Dass der BF mit den Gepflogenheiten und einer in Afghanistan gesprochenen Sprache (Paschtu) vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er von seiner Geburt bis 2015 in Afghanistan aufhältig war und in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen ist.

Dass der BF nie in Herat oder in Mazar-e Sharif gelebt hat und dort über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt, konnte auf Grundlage der diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF über seine Aufenthaltsorte bis zur Ausreise festgestellt werden. Der BF verfügt jedoch über Ortskenntnisse der Stadt Mazar-e Sharif, da er dort als Taxifahrer bzw- Beförderer von Waren tätig war und wiederholt dort übernachtet hat.

Für eine existenzielle Gefährdung des BF im Falle einer (erstmaligen) Niederlassung in Herat oder Mazar-e Sharif bestehen keine Hinweise. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieso er in Herat oder Mazar-e Sharif nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz - etwa auch durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten - zu sichern und eine einfache Unterkunft zu finden. Wie dargelegt, könnte er seine Schulbildung, seine Sprachkenntnisse und seine bisherige Berufserfahrung nutzen, um in Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen.

Im Ergebnis ist aufgrund der Arbeitsfähigkeit, der Berufserfahrung, dem familiären Netzwerk und seiner Ortskenntnisse von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des BF auszugehen. Der BF hat somit passable Chancen, sich am Arbeitsmarkt in Herat oder Mazar-e Sharif zu integrieren und dort eine Unterkunft zu finden. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe ist notorisch.

Die dargestellten Umstände rechtfertigen aus Sicht des erkennenden Gerichtes im Lichte einer Gesamtbetrachtung die Annahme, dass sich der BF in Herat oder Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen und sichern könnte.

Unter Zugrundelegung der in den Feststellungen wiedergegebenen Länderberichte ergibt sich unter dem Aspekt der Sicherheits- und Versorgungslage in Herat und Mazar-e Sharif keine besondere Gefährdungssituation für den BF vergleiche dazu im Detail die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen).

Die Städte Herat und Mazar-e Sharif sind von Österreich aus auf dem Luftweg über Kabul sicher zu erreichen, zumal (täglich) eine entsprechende Flugverbindung zur Verfügung steht, deren Kosten der BF vor dem Hintergrund seiner Arbeitsfähigkeit und der bestehenden Rückkehrhilfe tragen könnte.

3.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Die o.a. Länderfeststellungen wurden dem BF mit Schreiben vom 16.12.2019 übermittelt und dem BF die Möglichkeit eingeräumt, hierzu eine diesbezügliche Stellungnahme abzugeben. Der BF und seine Rechtsvertreterin sind den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

Hinsichtlich der Sicherheits- und Versorgungslage in den Städten Herat und Mazar-e Sharif wurde vom BF sohin keine Situation aufgezeigt, die einer Rücküberstellung dorthin grundsätzlich entgegenstehen würde. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der konkreten Rückkehrsituation des BF erfolgt in der rechtlichen Beurteilung. In den maßgeblichen Teilen der Länderberichte sind auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine substanziellen entscheidungsrelevanten Änderungen eingetreten.

3.6. Zur Feststellung, dass es in einer Gesamtschau zu einer nachhaltigen, maßgeblichen Verbesserung der subjektiven bzw. persönlichen Situation des BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan gekommen ist:

3.6.1. Der BF litt zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

an starken psychischen Beeinträchtigungen, insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung und einer akuten Belastungsreaktion. Der BF hatte zweimal versucht, sich selbst zu verletzen. Einmal sprang er aus dem Fenster aus dem zweiten Stock, einmal fügte er sich Schnitte mit einem Messer zu. Er ging damals keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nach und war zuvor noch keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen.

Im Unterschied zum damaligen Zeitpunkt hat sich der Gesundheitszustand des BF wesentlich und nicht nur vorübergehend verbessert. Er ist zum Entscheidungszeitpunkt arbeitsfähig, geht einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach, steht seit mehr als drei Jahren in keiner medizinischen Behandlung mehr, nimmt keine Psychopharmaka mehr ein und nimmt nur bei Bedarf schmerzlindernde Mittel gegen Kopfschmerzen; eine Behandlung ist nicht erforderlich.

3.6.2. Zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verfügte der BF über keinen aufrechten Kontakt zu Verwandten in Afghanistan. Er wusste damals nicht, wo sich seine Familie befand, diese sei verschollen gewesen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hält der BF regelmäßigen Kontakt zu seinen Familienangehörigen, denen es gut geht. Sein Vater, seine Mutter, vier Brüder, drei Schwestern, seine Ehegattin und sein dreijähriger Sohn wohnen im Heimatdorf des BF. Sein Vater und seine Brüder gehen einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach.

3.6.3. Zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ging das BFA aufgrund der diesbezüglichen Angaben des BF davon aus, dass dieser in Afghanistan "nur" über Berufserfahrung als Automechaniker und keinerlei Ortskenntnisse außerhalb seiner Heimatprovinz verfügt habe. Aufgrund der Angaben des BF vor dem BFA am 22.02.2019 und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.02.2020 wird festgestellt, dass der BF in Afghanistan zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Automechaniker drei Jahre als Taxifahrer bzw. Beförderer von Waren gearbeitet hat und aufgrund dieser Tätigkeit über gute Ortskenntnisse in der Stadt Mazar-e Sharif verfügt, die ihm dabei helfen würde, in Mazar-e Sharif Fuß zu fassen.

3.6.4. Seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war der BF in Österreich unter anderem als Automechaniker tätig und konnte hier an seine frühere Tätigkeit anschließen, sodass der BF auf aktuelle Berufserfahrung in Österreich zurückgreifen kann.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

4.1. Zu den Spruchpunkten römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides (Aberkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter und Entziehung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter):

4.1.1. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, leg.cit. zu verbinden.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, leg.cit.) offen steht.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins,) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005).

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (Paragraph 11, Absatz 2, AsylG 2005).

Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Gemäß Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht (1. Fall) oder nicht mehr (2. Fall) vorliegen.

4.1.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht. Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen. Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein sowie ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikel 3, EMRK zu fallen (z.B. VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Artikel 3, EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde vergleiche VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, römisch eins gegen Schweden, Nr. 61 204/09; s. dazu zuletzt auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

In dem bereits zitierten Beschluss Ra 2015/01/0134 hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde vergleiche die Urteile des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande: Sitzung D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; Sitzung S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u. a., Nr. 46 856/07).

4.1.3. In seinem Erkenntnis vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, hat sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit der Frage der Zumutbarkeit einer in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternative auseinandergesetzt:

Demnach unterscheidet Paragraph 11, AsylG 2005 nach seinem Wortlaut zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative. Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist.

Demgemäß verbietet sich die Annahme, der Schutz eines Asylwerbers sei innerstaatlich zumindest in einem Teilgebiet gewährleistet, jedenfalls dann, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Artikel 3, EMRK widersprechen.

Zum anderen setzt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraus, dass dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist daher von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die Artikel 3, EMRK widersprechen (oder aufgrund derer andere Voraussetzungen des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllt wären), wäre eine innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen.

Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Artikel 8, Absatz eins, Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen.

Nach allgemeiner Auffassung soll die Frage der Zumutbarkeit danach beurteilt werden, ob der in einem Teil seines Herkunftslandes verfolgte oder von ernsthaften Schäden (iSd Artikel 15, Statusrichtlinie) bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härte führen kann vergleiche etwa UNHCR Richtlinien Nr. 4., Rz 22 ff; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie [2009], 226 ff).

Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (Paragraph 11, Absatz 2, AsylG 2005; vergleiche auch die im Wesentlichen gleichlautenden Vorgaben des Artikel 8, Absatz 2, Statusrichtlinie). Marx (a.a.O., 227) argumentiert, die zentrale Frage laute, ob bei Berücksichtigung sämtlicher konkreter Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten vom Asylwerber vernünftigerweise verlangt werden könne, einen anderen Ort innerhalb seines Herkunftslandes aufzusuchen. Der dort zur Verfügung stehende Schutz müsse angemessen und erreichbar sein. Zusätzlich zu konkreten Sicherheitsfragen erfordere dies eine Berücksichtigung grundlegender ziviler, politischer und sozioökonomischer Rechte. Kontroversen kämen indes auf, wenn es um konkrete Fragen, wie etwa den Zugang zu angemessenen Arbeitsmöglichkeiten und um soziale Unterstützung gehe. Insoweit bestehe lediglich Übereinstimmung, dass die soziale und wirtschaftliche Existenz am Ort der innerstaatlichen Schutzalternative sichergestellt sein müsse.

UNHCR formuliert in seinen Richtlinien Nr. 4, Rz 24 ff., dass die Beantwortung der Frage, ob dem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, von mehreren Faktoren abhängt. Dazu müssten die persönlichen Umstände des Betroffenen (einschließlich allfälliger Traumata infolge früherer Verfolgung), die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden. Zum Aspekt des wirtschaftlichen Überlebens führt der UNHCR u.a. aus, dass ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation keine ausreichenden Gründe seien, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Die Verhältnisse in dem Gebiet müssten aber ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen. Wäre eine Person in dem Gebiet etwa ohne familiäre Bindungen und ohne informelles soziales Netzwerk, sei eine Neuansiedlung möglicherweise nicht zumutbar, wenn es der Person nicht auf andere Weise gelingen würde, ein relativ normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum zu führen.

Der Verwaltungsgerichtshof hielt weiters fest, dass die Frage der Sicherheit des Asylwerbers in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet des Herkunftsstaates selbstverständlich wesentliche Bedeutung hat. Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein.

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits erkannt, dass eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. Mit Bezug auf die Verhältnisse in Afghanistan wurde ausgeführt, es könne zutreffen, dass ein alleinstehender Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und ohne finanzielle Unterstützung in der afghanischen Hauptstadt Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sei. Soweit es sich aber um einen jungen und gesunden Mann, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, handle, sei - auf der Grundlage der allgemeinen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat - nicht zu erkennen, dass eine Neuansiedlung in Kabul nicht zugemutet werden könne. Dies stehe auch im Einklang mit der Einschätzung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, denen zufolge es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich sei, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben vergleiche VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

Dem fügte der Verwaltungsgerichtshof in seinem eingangs zitierten Erkenntnis hinzu, dass bei dieser Sichtweise dem Kriterium der "Zumutbarkeit" neben jenem der Gewährleistung von Schutz vor Verhältnissen, die Artikel 3, EMRK widersprechen, durchaus Raum gelassen wird.

Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es somit nicht aus, dem Asylwerber entgegenzuhalten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr - im Sinne des bisher Gesagten - möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

4.1.4. Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des BF bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des BF als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013; U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012; 13.09.2013, U370/2012).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Asylwerber konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül somit insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Der EGMR geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar ist, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder den Stamm am Zielort verfügbar ist; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien ist es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden ist, ist aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (VfGH 13.09.2013, U 370/2012 mit Verweis auf EGMR, 13.10.2011, Fall Husseini, App. 10.611/09, Ziffer 96 ;, 09.04.2013, Fall H. und B., Appl. 70.073/10 und 44.539/11, Ziffer 45 und 114).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, ausgeführt hat, reicht es für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan nicht aus, bloß auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu verweisen. Hinsichtlich der Sicherheitslage geht der Verwaltungsgerichtshof von einer kleinräumigen Betrachtungsweise aus, wobei er trotz der weiterhin als instabil bezeichneten Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage als nicht grundsätzlich ausgeschlossen betrachtet (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036).

Mit dem Aufzeigen der bloßen Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat wird die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Artikel 3, EMRK im Sinne der obigen Rechtsgrundsätze damit nicht dargetan. Auch das Faktum, dass der Asylwerber über keine guten Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten verfügt, reicht für sich betrachtet für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus vergleiche VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

4.1.5. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR Richtlinien besondere Beachtung zu schenken (s. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; zur "Indizwirkung" vergleiche VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, mwN). Diese Rechtsprechung geht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zurück, in der dieser erkannte, dass Empfehlungen internationaler Organisationen zweifelsohne Gewicht zukommt, wenn es um die Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse vor Ort geht. Sie ersparen jedoch nicht eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt vergleiche VwGH 28.03.2019, 2018/14/0067 und VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453).

UNHCR äußerte in den Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 die Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung, wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Zudem kann eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen vergleiche UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 [deutsche Fassung], nahezu gleichlautend die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 [englische Fassung], vergleiche dort Sitzung 110).

In den aktuellen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 gelangte UNHCR angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul zur Auffassung, dass eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt "grundsätzlich" nicht zur Verfügung stehe (arg. Sitzung 114: "UNHCR considers that given the current security, human rights and humanitarian situation in Kabul, an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA) is generally not available in the city.").

UNHCR änderte damit im Vergleich zu seinen Richtlinien vom 19.04.2016 seine Beurteilung der Relevanz und Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt Kabul, dies auf Basis der dem UNHCR am 31.05.2018 bekannten Informationen vergleiche FN 2 auf Sitzung 5 der Richtlinien vom 30.08.2018).

Den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 zufolge ist eine vorgeschlagene innerstaatliche Flucht- und Neuansiedlungsalternative nur sinnvoll möglich (und zumutbar), wenn die Person Zugang hat zu einer Unterkunft, zu Grundversorgung, etwa mit Trinkwasser und sanitärer Infrastruktur, zu Gesundheitsdiensten und Bildungseinrichtungen und zu Erwerbsmöglichkeiten oder erwiesener und nachhaltiger Unterstützung, um einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen. Darüber hinaus hält UNHCR eine innerstaatliche Flucht- und Neuansiedlungsalternative nur für zumutbar, wenn die Person Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk von Mitgliedern ihrer (erweiterten) Familie oder Mitgliedern ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft in der Gegend der potenziellen Umsiedlung hat, die bereit und in der Lage sind, ihr echte Unterstützung zu leisten. UNHCR ist weiters der Ansicht, dass die einzige Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter sind, soweit keine spezifischen Vulnerabilitäten vorliegen. Unter bestimmten Umständen können diese Personen ohne familiäre und soziale Unterstützung in urbaner und semi-urbaner Umgebung leben, soweit diese Umgebung über die notwendige Infrastruktur und Lebensgrundlagen verfügt, um die Grundbedürfnisse des Lebens zu decken und soweit diese einer wirksamen staatlichen Kontrolle unterliegt vergleiche Sitzung 109 f. der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018).

Insofern ergibt sich aus den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 im Vergleich zu den Richtlinien vom 19.04.2016 - mit Ausnahme der Stadt Kabul - keine maßgeblich geänderte Beurteilung hinsichtlich der Verfügbarkeit innerstaatlicher Fluchtalternativen in urbanen und semi-urbanen Gebieten.

4.1.6. Im gegenständlichen Fall stützte die belangte Behörde die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den zweiten Fall des Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005.

Im zweiten Fall des Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005, in dem also die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

4.1.7. Zur richtlinienkonformen Interpretation:

Artikel 16, Absatz eins und 2 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304 (in der Folge: Status-RL), über das Erlöschen des subsidiären Schutzes lauten:

"(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.

(2) Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden."

Artikel 19, Absatz eins und 4 lauten:

"(1) Bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

(4) Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat."

Die Annahme einer grundlegenden politischen Veränderung im Herkunftsstaat setzt eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse voraus, für deren Beurteilung es in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraumes bedarf vergleiche zu Paragraph 7, AsylG 1997: VwGH 16.02.2006, 2006/19/0030, mwH).

In Anlehnung an Artikel 16 der Status-Richtlinie bedarf es hier (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005) einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland des Fremden. So ist es keineswegs ausreichend lediglich festzustellen, dass sich seit der ursprünglichen Antragstellung in Österreich die Gegebenheiten im Herkunftsstaat wesentlich gebessert haben und darauf basierend gegenwärtig keine reale Gefahr für den bislang subsidiär Schutzberechtigten besteht, im Falle seiner Abschiebung in dieses Land, Opfer einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder des 6. bzw. 13. ZPEMRK zu werden, respektive als Zivilperson ernsthaft am Leben oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht zu sein. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes gemäß Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer eins, objektiv zu erfüllen, muss eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderungen im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lässt (Schrefler-König/Gruber, Asylrecht, Paragraph 9, AsylG 2005, Anmerkung 11).

Die Anwendung dieses Tatbestandes setzt voraus, dass die Bedrohung, die der Grund für die Erteilung war, nachträglich weggefallen ist. Unter Bedachtnahme auf Artikel 16 Absatz 2, der Status-Richtlinie ist davon auszugehen, dass es sich um grundlegende Veränderungen im Herkunftsstaat handeln muss und dass vom Wegfall der Bedrohung erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum ausgegangen werden darf. Es gilt insofern dasselbe wie hinsichtlich der Asylaberkennung nach Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 2, in Verbindung mit Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5, der Genfer Flüchtlingskonvention (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, Sitzung 327).

4.1.8. Im vorliegenden Fall hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass bei richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer eins, zweiter Fall AsylG 2005 vergleiche Artikel 16, Absatz 2, Status-RL) von einer grundlegenden und dauerhaften Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den BF geführt haben, auszugehen ist:

Wie unter Punkt 3.6.1. bis 3.6.3. ausgeführt, hat sich die persönliche Lage des BF (insbesondere durch einen wesentlich gebesserten Gesundheitszustand, mehr Berufserfahrung, Ortserkenntnisse in Afghanistan, insbesondere in Mazar-e Sharif sowie familiäre Anknüpfungspunkte und familiäre finanzielle Unterstützung) verbessert.

4.1.9. In Mazar-e Sharif besteht für den BF weder wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK noch sind in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gegeben.

Unter Berücksichtigung der ausführlich dargelegten persönlichen Umstände des BF wäre es diesem möglich und zumutbar, nach Mazar-e Sharif zurückzukehren.

Die lokale Sicherheitslage in Mazar-e Sharif stellt zum Entscheidungszeitpunkt kein Hindernis einer Rückkehr (nach den oben genannten Maßstäben) dar. Wie festgestellt, ist die Provinz Balkh nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans; sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Balkh, wo sich die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes befindet, gehört gesamthaft betrachtet auch im Lichte der in den Länderberichten verzeichneten Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle dennoch zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans.

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.

Der BF könnte Mazar-e Sharif von Kabul aus sicher erreichen: im gegenständlichen Fall steht dem BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan die Möglichkeit offen, auf dem Luftweg von Kabul nach Mazar-e Sharif zu gelangen, auch wenn diese Art der Reise mit höheren Kosten als die Anreise auf dem Landweg verbunden ist. Es besteht eine Flugverbindung zwischen Kabul und Mazar-e Sharif. Kam Air, eine afghanische Fluggesellschaft mit Sitz in Kabul, bietet für diese Verbindung zwei Flüge am Tag an; die Kosten für einen Inlandsflug von Kabul nach Mazar-e Sharif belaufen sich einer Internet-Recherche zufolge derzeit auf etwa ca. 81 USD (= 75 EUR). Der BF verfügt über Ortskenntnisse in Mazar-e Sharif. Er hat in Vergangenheit wiederholt dort genächtigt.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Wie aus den o.a. Erkenntnisquellen ersichtlich ist, stellt sich die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum in den Städten insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und finanzielle Unterstützung schwierig dar.

Laut den oben auszugsweise wiedergegebenen Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vergleiche u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

Der Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung sowie zu Erwerbsmöglichkeiten ist in Mazar-e Sharif mit Blick auf die o.a. Länderfeststellungen grundsätzlich gegeben, wenn auch die Gesamtsituation insbesondere wegen der steigenden Zahl der Binnenvertriebenen und der notorischen aktuellen Dürre (u.a.) in der Provinz Balkh derzeit angespannt ist. Der aktuellen Berichtslage ist jedoch nicht zu entnehmen, dass etwa die Grundversorgung der Bevölkerung in der Stadt Mazar-e Sharif (mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser) generell nicht mehr gewährleistet oder dass die Gesundheitsversorgung zusammengebrochen wäre. Ebenso wenig sind dem Bundesverwaltungsgericht Berichte über eine bestehende (oder unmittelbar drohende) Hungersnot bzw. über eine (herannahende) humanitäre Katastrophe in Mazar-e Sharif bekannt.

4.1.10. Auch in der Stadt Herat besteht für den BF weder wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK noch sind in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gegeben.

Unter Berücksichtigung der bereits ausführlich dargelegten persönlichen Umstände des BF wäre es diesem ebenso möglich und zumutbar, sich in Herat anzusiedeln.

Die Stadt Herat ist die Hauptstadt der vergleichsweise gut entwickelten gleichnamigen Provinz im Westen des Landes. Herat wird als relativ friedliche Provinz gewertet. Aufständische sind in einigen Distrikten der Provinz, nicht jedoch in der Stadt Herat, aktiv. Die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle ist vergleichsweise gering. Die Lage in der Stadt Herat kann insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden. Auch ist Herat eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut und sicher erreichbare Stadt.

In Herat ist der Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung sowie zu Erwerbsmöglichkeiten vor dem Hintergrund der o.a. Länderfeststellungen ebenso grundsätzlich gegeben, wenn auch in dieser Stadt die Gesamtsituation insbesondere wegen der steigenden Zahl der Binnenvertriebenen und der notorischen aktuellen Dürre (u.a.) in der Provinz Herat derzeit angespannt ist. Der aktuellen Berichtslage ist jedoch auch in Bezug auf die Stadt Herat nicht zu entnehmen, dass die Grundversorgung der dortigen Bevölkerung (mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser) generell nicht mehr gewährleistet oder dass die Gesundheitsversorgung zusammengebrochen wäre. Ebenso wenig sind dem Bundesverwaltungsgericht Berichte über eine bestehende (oder unmittelbar drohende) Hungersnot bzw. über eine (herannahende) humanitäre Katastrophe in Herat bekannt.

4.1.11. Dafür, dass der BF in Ansehung der Sicherheitslage und existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft etc.) in Mazar-e Sharif oder Herat einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es somit keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass der BF in der Lage wäre, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten sowohl in Mazar-e Sharif als auch in Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Eine Neuansiedelung in Mazar-e Sharif oder Herat ist dem BF somit möglich und zumutbar.

4.1.12. Aufgrund der vorgenommenen Prüfung im Einzelfall (VfGH 13.9.2012, U370/2012) unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des BF sowie unter Beachtung der Rechtsprechung des VwGH und Bezugnahme der Rechtsprechung des EGMR steht die Rückverbringung des BF nach Afghanistan nicht im Widerspruch zu Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005, weshalb dem BF nach den genannten Bestimmungen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht mehr zuzuerkennen ist.

4.1.13. Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 liegen sohin aufgrund wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände vor. Dem BF wurde daher zu Recht der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt.

4.1.14. Als Rechtsfolge daraus ist auch die im Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides verfügte Entziehung der befristet erteilten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter nicht zu beanstanden.

4.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte römisch III., römisch IV., und römisch fünf. des angefochtenen Bescheides

4.2.1. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 5, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen nicht erteilt wird.

Gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und [...]

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der BF befindet sich seit November 2015 im österreichischen Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 liegen daher nicht vor.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. ist daher abzuweisen.

4.2.2. Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 4, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Staus des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

4.2.3. Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

* die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

* das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

* die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

* der Grad der Integration,

* die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

* die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

* Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

* die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

* die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Artikel 8, EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat vergleiche VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, mwN, sowie zuletzt den Beschluss vom 07.09.2016, Ra 2016/19/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass gemäß dessen Judikatur bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden regelmäßig von einem Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist und dass nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langen Inlandsaufenthalten noch als verhältnismäßig angesehen wurden vergleiche aus jüngster Zeit nur VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120, Punkt 6.2. der Entscheidungsgründe, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters ausgeführt, dass das persönliche Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen vergleiche VwGH 22.09.2011, 2007/18/0864 bis 0865 mwN). Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Artikel 8, EMRK thematisiert.

Vom Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Artikel 8, EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind vergleiche dazu EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.03.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein-Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Artikel 8 ;, Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vergleiche auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; vergleiche auch VwGH 08.06.2006, 2003/01/0600 sowie VwGH 26.01.2006, 2002/20/0235, wonach das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, römisch zehn ua). Bei dem Begriff "Familienleben" im Sinne des Artikel 8, EMRK handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516/2005 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

4.2.4. Der BF reiste im November 2015 illegal in Österreich ein und hielt sich seither durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.

Der BF verfügt über keine Verwandten in Österreich.

Es ist nicht vom Vorliegen eines Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK in Österreich, sondern allenfalls vom Vorliegen eines bestehenden Privatlebens in Österreich auszugehen.

Der BF hat in Österreich bisher keine Deutschkurse besucht. Er hat in Österreich noch nie eine Deutschprüfung bestanden. Er hat lediglich für zwei Wochen eine HWL besucht.

Der BF ist in Österreich während seines Aufenthalts zusammengerechnet ein Jahr lang einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Der BF hat Schulden in Österreich. Die Republik Österreich betreibt ein Exekutionsverfahren gegen ihn.

Der BF hat sich in Österreich noch nie ehrenamtlich betätigt.

Der BF verfügt über keinen engen Freundeskreis, der ihn an Österreich binden würde. Er ist nicht Mitglied in einem Verein.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts römisch 40 vom 23.11.2018, Zl. 64 Hv 101/18a, wegen Paragraphen 15,, 84 Absatz 4, StGB, Paragraph 50, Absatz eins, Ziffer 2, WaffG, Paragraph 50, Absatz eins, Ziffer 3, WaffG und Paragraph 27, Absatz 2 a, SMG, zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á EUR 10,- sowie zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

* Der BF hat am 14.02.2018 versucht, einem Opfer dadurch, dass er dieses mit einem Butterfly-Messer attackierte, schwer am Körper zu verletzen, wobei das Opfer Schnittverletzungen im linken Brustbereich erlitt.

* Der BF hat am 14.02.2018, wenn auch nur fahrlässig, einen Schlagring, somit eine verbotene Waffe unbefugt besessen.

* Der BF hat am 14.02.2018, wenn auch nur fahrlässig, ein Butterfly, somit eine verbotene Waffe unbefugt besessen.

* Der BF hat am 14.06.2018 in römisch 40 vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar 5 Gramm Cannabis-Kraut, an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, und zwar an dem allgemein zugänglichen und hoch frequentierten römisch 40 im Bereich des römisch 40 einem Polizeibeamten gegen Entgelt überlassen.

Mildernd wurde gewertet, dass es - im Hinblick auf die schwere Körperverletzung - beim Versuch geblieben ist sowie die Unbescholtenheit des BF.

Erschwerend wurde das Zusammentreffen mit mehreren Vergehen gewertet.

Der BF zeigte sich zu den oben genannten Taten nicht geständig. Der BF gab zwar in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.02.2020 an, dass er Fehler gemacht habe und sich dafür schäme. Dennoch gab der BF im Aberkennungsverfahren zu, auch nach seiner Verurteilung im November 2018 bis zumindest Anfang Februar 2019 Cannabis geraucht zu haben.

Der BF hat unter Beweis gestellt, dass er nicht gewillt ist, sich an die österreichischen Gesetze zu halten.

Der BF hat in einer Gesamtbetrachtung angesichts seiner Aufenthaltsdauer in Österreich äußerst wenig Integrationsschritte gesetzt.

Den schwach ausgeprägten privaten Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8, Absatz 2, EMRK) ein hoher Stellenwert zu (z.B. VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des BF am Verbleib in Österreich.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet - insbesondere, mangels vorliegender Integrationsschritte, mangels intaktem Familien- und Privatleben in Österreich sowie aufgrund der strafrechtlichen Verurteilungen des BF - überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.

4.2.5. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

4.2.6. Die Voraussetzungen des Paragraph 10, AsylG 2005 liegen vor: Da dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Recht aberkannt wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 5, AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

4.2.7. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß Paragraph 46, leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe oben).

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des Paragraph 3, AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe oben).

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den tragenden Gründen des gegenständlichen Erkenntnisses betreffend die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine Umstände vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan im Sinne des Paragraph 50, FPG ergeben würden. Die Abschiebung ist schließlich nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

Die Abschiebung des BF nach Afghanistan ist daher zulässig.

4.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VI. des angefochtenen Bescheides

Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach Paragraph 55, Absatz 2, FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige besondere Umstände vom BF nicht substantiiert behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

4.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VII. des angefochtenen Bescheides

Gemäß Paragraph 53, Absatz eins, FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden.

Gemäß Paragraph 53, Absatz 2, FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins,, vorbehaltlich des Absatz 3,, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß Paragraph 20, Absatz 2, der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, in Verbindung mit Paragraph 26, Absatz 3, des Führerscheingesetzes (FSG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 120 aus 1997,, gemäß Paragraph 99, Absatz eins,, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß Paragraph 37, Absatz 3, oder 4 FSG, gemäß Paragraph 366, Absatz eins, Ziffer eins, der Gewerbeordnung 1994 (GewO), Bundesgesetzblatt Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den Paragraphen 81, oder 82 des SPG, gemäß den Paragraphen 9, oder 14 in Verbindung mit Paragraph 19, des Versammlungsgesetzes 1953, Bundesgesetzblatt Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Absatz 3, genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

Gemäß Paragraph 53, Absatz 3, FPG ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (Ziffer eins,).

Bei der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen vergleiche VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289; 24.03.2015, Ra 2014/21/0049).

Bei der Entscheidung betreffend die Verhängung eines Einreiseverbots ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Fremden - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237). Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen, wobei im Allgemeinen auch der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt (VwGH 16.10.2014, Ra 2014/21/0039).

Weiters ist bei der Entscheidung über die Dauer des Einreiseverbots auch auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002; vergleiche auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 53, FPG, K12).

Schließlich darf bei der Verhängung eines Einreiseverbots das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen nicht regelmäßig schon dann erfolgen, wenn einer der Fälle des Paragraph 53, Absatz 2, Ziffer eins bis 9 bzw. des Paragraph 53, Absatz 3, Ziffer eins bis 9 FPG vorliegt vergleiche etwa VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002 mwH).

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts römisch 40 vom 23.11.2018, Zl. 64 Hv 101/18a, wegen Paragraphen 15,, 84 Absatz 4, StGB, Paragraph 50, Absatz eins, Ziffer 2, WaffG, Paragraph 50, Absatz eins, Ziffer 3, WaffG und Paragraph 27, Absatz 2 a, SMG, zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á EUR 10,- sowie zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten verurteilt.

Es liegt gegenwärtig somit keine der demonstrativ genannten Tatbestandsvoraussetzungen vor, deren Vorliegen eine Gefährdung pro futuro indiziert, jedoch ist dennoch eine Gefährdungsprognose bezogen auf den Einzelfall durchzuführen:

Der oben erwähnten Verurteilung des BF lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

* Der BF hat am 14.02.2018 versucht, einem Opfer dadurch, dass er dieses mit einem Butterfly-Messer attackierte, schwer am Körper zu verletzen, wobei das Opfer Schnittverletzungen im linken Brustbereich erlitt.

* Der BF hat am 14.02.2018, wenn auch nur fahrlässig, einen Schlagring, somit eine verbotene Waffe unbefugt besessen.

* Der BF hat am 14.02.2018, wenn auch nur fahrlässig, ein Butterfly, somit eine verbotene Waffe unbefugt besessen.

* Der BF hat am 14.06.2018 in römisch 40 vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar 5 Gramm Cannabis-Kraut, an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, und zwar an dem allgemein zugänglichen und hoch frequentierten römisch 40 im Bereich des römisch 40 einem Polizeibeamten gegen Entgelt überlassen.

Mildernd wurde gewertet, dass es - im Hinblick auf die schwere Körperverletzung - beim Versuch geblieben ist sowie die Unbescholtenheit des BF.

Erschwerend wurde das Zusammentreffen mit mehreren Vergehen gewertet.

Der BF zeigte sich zu den oben genannten Taten nicht geständig. Der BF gab zwar in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.02.2020 an, dass er Fehler gemacht habe und sich dafür schäme. Dennoch gab der BF im Aberkennungsverfahren zu, auch nach seiner Verurteilung im November 2018 bis zumindest Anfang Februar 2019 Cannabis geraucht zu haben.

Der BF hat unter Beweis gestellt, dass er nicht gewillt ist, sich an die österreichischen Gesetze zu halten.

Der BF hat zudem in einer Gesamtbetrachtung angesichts seiner Aufenthaltsdauer in Österreich äußerst wenig Integrationsschritte gesetzt (keine Deutschkurse, keine Deutschprüfung, kein ehrenamtliches Engagement, keine Verwandten, nicht Mitglied in einem Verein, kein österreichischer Freundeskreis etc).

Das Gesamtverhalten des BF rechtfertigt die Annahme, dass der Aufenthalt des BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt: Dabei ist von Bedeutung, dass der BF wegen verschiedener Taten verurteilt wurde und auch nach der Verurteilung wegen einer nach dem SMG zu ahndenden Tat, weiterhin Cannabis konsumierte.

Dem gegen den BF erlassenen Urteil und dem diesbezüglichen Strafakt ist zu entnehmen, dass der BF über hohes Gewalt- und Aggressionspotential verfügt und auch nicht davor zurückscheut hat, seinem Opfer mit einem Butterfly-Messer in den Brustbereich zu stechen. Darüber hinaus trug der BF unbefugt einen Schlagring bei sich und stellt sich die Frage, wozu er diesen mit sich trug, um ihn nicht gegebenenfalls gegen Dritte einzusetzen.

Der zeigt im Ergebnis ein Charakterbild, das die Achtung der österreichischen Rechtsordnung sowie die hiesigen gesellschaftlichen Werte vermissen lässt und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch weiterhin vermissen lassen wird.

Zudem hat der BF - wie oben beschrieben - äußerst wenige Schritte gesetzt, um sich in Österreich zu integrieren. Der BF hat in Österreich keine Deutschkurse besucht. Er hat in Österreich noch nie eine Deutschprüfung bestanden. Er war in Österreich während seines insgesamt mehr als vierjährigen Aufenthalts nur zwölf Monate erwerbstätig. Er hat sich nie ehrenamtlich engagiert und ist nicht Mitglied in einem Verein. Der BF verfügt über keine Verwandten in Österreich. Er verfügt über keinen engen Freundeskreis. Er hat keine nennenswerten sozialen Bindungen in Österreich. Gegen ihn ist ein Exekutionsverfahren anhängig.

Zusammenfassend geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass seitens der belangten Behörde aufgrund der vom BF begangenen strafbaren Handlungen, seiner mangelnden Läuterung, seiner äußert wenigen Integrationsschritte in Österreich und seines nicht vorhandenen Familienlebens in Österreich zu Recht das Einreiseverbot verhängt wurde.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VII. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab vergleiche dazu die zu Spruchpunkt A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN). Auch bei Gefahrenprognosen im Sinne des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 und bei Interessenabwägungen nach Artikel 8, EMRK handelt es

sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2020:W255.2189227.2.00