Bundesverwaltungsgericht
18.12.2019
L521 2184469-1
L521 2184469-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017, Zl. 15-1082123208-15102753, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.04.2019 zu Recht:
A)
römisch eins. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG 2005 wird gemäß Paragraph 6, AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 10.08.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 12.08.2015 legte der Beschwerdeführer dar, den Namen römisch 40 zu führen, Staatsangehöriger des Irak und ledig zu sein. Er sei römisch 40 in Tikrit geboren und habe dort zuletzt gelebt. Er habe von 1995 bis 2001 in Tikrit die Grundschule besucht und sei zuletzt als Koch tätig gewesen. Seine Eltern, fünf Brüder und fünf Schwestern seien im Irak oder einem anderen Drittstaat aufhältig.
Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak etwa vier Jahre vor der nunmehrigen Einreise in das Bundesgebiet legal auf dem Landweg in die Türkei verlassen zu haben. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Izmir sei er auf dem Landweg schlepperunterstützt mit einem Lastkraftwagen nach Österreich gelangt.
Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass zu Hause Krieg herrsche. Ein Bruder sei vom Kämpfern des Islamischen Staates getötet und ihr Haus sei zerstört worden. Bei einer Rückkehr fürchte er den Tod.
2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 18.12.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.
Eingangs bestätigte der Beschwerdeführer, die arabische Sprache zu verstehen und der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können. Ferner bestätigte der Beschwerdeführer, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben, wobei einige Daten aufgrund der schlechten Arabischkenntnisse des Dolmetschers nicht ganz korrekt aufgenommen worden sein. Demnach sei sein Familienname römisch 40 und sei er am römisch 40 geboren. Zudem sei er nicht vier Jahre, sondern ein Jahr und vier Monate in der Türkei aufhältig gewesen. Was die Geburtsdaten seiner Familienangehörigen betrifft, führte der Beschwerdeführer an, dass es bei 13 Personen schwierig sei, alle Daten im Kopf zu behalten. Hinsichtlich der in der Erstbefragung festgehaltenen Ausreisegründe erklärte der Beschwerdeführer zunächst, dass seine Angaben vollständig seien und er selbst nichts mehr dazu anzuführen hätte. Später erklärte der Beschwerdeführer an anderer Stelle auf Vorhalt seiner in der Erstbefragung getätigten Angaben zum Ausreisegrund, dass dies ein Teil seiner Geschichte sei. Sein Bruder sei von einer Vorgängerorganisation des Islamischen Staates namens Bildung des Islamischen Staates ermordet worden. Weitere Ausführungen traf er nicht.
Zur Person und den Lebensumständen befragt legte der Beschwerdeführer insbesondere dar, den Namen römisch 40 zu führen. Er sei römisch 40 in der Stadt römisch 40 geboren, in der Stadt römisch 40 bei seinen Eltern aufgewachsen und habe dort bis zum 24.04.2014 gelebt, Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und des sunnitischen Glaubens sowie ledig. Er habe im Irak von 1994 bis 2001 die Grundschule und von 2001 bis 2006 die Hauptschule - ohne Abschluss - besucht. Anschließend sei er von 2007 bis 2014 als Koch und Kellner in einem Restaurant beruflich tätig gewesen. In den Jahren 2009 und 2010 habe er zudem als Automechaniker gearbeitet. Sein Vater und ein Bruder seien bereits verstorben. Seine Mutter, fünf Brüder und fünf Schwestern befänden sich in Erbil in einem Flüchtlingslager. Er stehe mit seiner Familie über das Internet - zuletzt am 11.12.2017 - in Kontakt. Sein Vater habe ein Unternehmen für Baumaterialien besessen. Am 30.04.2014 habe die Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq das Haus seines Vaters in Tikrit zerstört. Er habe bis zu seiner Ausreise in guten Verhältnissen gelebt.
Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates führte der Beschwerdeführer aus, in einem großen Restaurant in Tikrit gearbeitet zu haben. Am 15.04.2014 habe ein Kunde von ihm alle Namen der Piloten, der Geheimdienste und der Mitglieder der Baath-Partei unter Saddam Hussein verlangt. Er würde aus Tikrit und einer großen und bekannten Familie stammen. Cousins hätten unter Saddam Hussein als Piloten und im Geheimdienst gearbeitet. Die Namen könne er nicht weitergeben, ansonsten würde er von seinem Stamm getötet werden. Er habe diese Person angelogen und gesagt, dass er die Namen organisieren würde. Seine Familie habe ihm die Bekanntgabe der Namen untersagt. Dem Kunden sei bewusst gewesen, dass ihm die Namen bekannt seien, da es sich um einen Stammkunden gehandelt habe. Dieser habe ihn mit Geld schmieren wollen. Am 22.04.2014 hätte er den Irak verlassen. Daraufhin seien die Milizen auf der Suche nach seiner Person bei ihm zu Hause erschienen. Zudem hätten sie ihn telefonisch bedroht. Diese Personen würden keine Drohbriefe versenden, sondern sie töten sofort. Diese würden alle Mitglieder unter Saddam Hussein töten wollen.
Auf Nachfrage bejahte der Beschwerdeführer von der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq bedroht worden zu sein. Dies sei eine Terrororganisation, die zum Iran "gehöre". Tikrit sei am 11.06.2014 von der Miliz des Islamischen Staates eingenommen worden. Im Jahr 2016 sei Tikrit befreit worden, aber er sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Irak gewesen. Im Zuge der Bedrohung habe ihn ein Mann zur Zusammenarbeit mit der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq aufgefordert, was er anfangs aus Angst vor dieser Person bejahte. Dieser Mann habe eine Uniform und am Kopf ein Band mit dem Namen Hussein getragen, was bedeute, dass er Schiit sei. Dieser Mann sei Stammkunde im Restaurant gewesen und mit dieser Uniform in das Restaurant gegangen. Der Mann sei ab 28.03.2014 öfters im Restaurant gewesen. Hin und wieder sei er auch in Zivilkleidung erschienen. Diese Person habe ihm für die Information auch Geld geben wollen, was er nicht akzeptiert habe, aber habe er ein sehr gutes Trinkgeld erhalten. Der Mann sei immer mit einer Gruppe von fünf bis sieben Personen - ebenfalls in Uniform - gekommen. Seine Schwester habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass die Miliz nach ihm gesucht habe. Er sei nach Kirkuk und in der Folge in die Türkei gegangen. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor dem Tod. Im Personalausweis finde sich seine Herkunft aus Tikrit und würde er sicher getötet werden.
Des Weiteren wurden dem Beschwerdeführer Fragen bezüglich seiner Integration in Österreich gestellt.
Zudem wurde dem Beschwerdeführer angeboten, ihm die aktuellen landeskundlichen Feststellungen zum Irak zur Abgabe einer Stellungnahme auszuhändigen. Der Beschwerdeführer verzichtete auf diese Möglichkeit.
Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer zwei Lichtbilder von einem zerstörten Gebäude, eine Sterbeurkunde bezüglich des Bruders, seinen irakischen Personalausweis, seinen irakischen Reisepass in Kopie, eine Bestätigung über die Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeiten vom 08.08.2017 in Kopie und Identitätsausweise bezüglich seiner Familienangehörigen in Kopie in Vorlage.
3. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG 2005 erlassen sowie unter einem gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß Paragraph 46, FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkte römisch III. bis römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI.).
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers werde im Hinblick auf den Ausreisegrund als nicht glaubhaft erachtet und es könne deshalb nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den Irak aufgrund einer aktuellen und gegen ihn gerichteten Verfolgung verlassen habe. Es könne auch keine Gefährdung des Beschwerdeführers für den Fall einer Rückkehr in den Irak erkannt werden. Der Beschwerdeführer verfüge nach wie vor über Familienangehörige im Irak, sodass ihm eine Rückkehr möglich und in Anbetracht seiner Arbeitsfähigkeit auch zumutbar wäre.
4. Mit Verfahrensanordnungen vom 27.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß Paragraph 52 a, Absatz 2, BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
5. Gegen den dem Beschwerdeführer am 29.12.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der dem Beschwerdeführer beigegebenen und zum damaligen Zeitpunkt von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In dieser wird beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten oder hilfsweise des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraphen 55,, 57 AsylG zu erteilen. Des Weiteren wird beantragt, die ausgesprochene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak aufzuheben. Ferner wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.
In der Sache bringt der Beschwerdeführer nach neuerlicher Darlegung des aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhaltes vor, das belangte Bundesamt stütze die angefochtene Entscheidung auf unzureichende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat im Hinblick auf die Aktivitäten der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq vor Eroberung der Stadt Tikrit durch die Miliz des Islamischen Staates, wobei in der Beschwerde in der Folge über mehrere Seiten hinweg Berichte zur Lage im Herkunftsstaat und vornehmlich zu den Aktivitäten der Milizen auszugsweise zitiert werden.
Im Hinblick auf die Beweiswürdigung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt wird, dass die Religionszugehörigkeit mangels Wissen des Beschwerdeführers über Grundsätzliches nicht mit sunnitisch angenommen werden könne. Dies widerspreche der Feststellung, dass er sunnitischer Moslem sei. Jedenfalls verweise der Beschwerdeführer bezüglich der Religionszugehörigkeit auf sein Vorbringen.
Der Beschwerdeführer sei von der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq aus religiösen Gründen und aus Gründen der Verweigerung der Mitarbeit bzw. Unterstützung dieser Gruppe (damit auch politischer Gegner) verfolgt worden. Da er den Aufforderungen, Informationen über seinen Stamm/ seine Familie bezüglich der Zeit unter Saddam Hussein preiszugeben, keine Folge leisten wolle bzw. habe wollen, hätte er im Falle der Rückkehr mit Verfolgungshandlungen bis zur Ermordung zu rechnen. Staatlichen Schutz könne er aufgrund der Rechtsstruktur im Irak nicht erwarten.
Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat erweise sich aufgrund der prekären Sicherheitslage als nicht zumutbar, zumal ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. In sein bisher bestehendes familiäres Netzwerk könne er nicht wieder zurückkehren, da die Familie aktuell immer noch in einem Flüchtlingslager in Erbil untergebracht sei und damit nur eingeschränkt über den notwendigen eigenen Lebensunterhalt verfüge. Eine Einreise in den kurdischen Teil des Irak sei im Hinblick auf die militärischen Auseinandersetzungen mit der Regierung nach wie vor nicht möglich. In Bagdad verfüge er nicht über das notwendige Netzwerk, um zumindest in der Anfangszeit sein Unter- und Fortkommen zu sichern.
Der Beschwerde ist die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 20.02.2017 betreffend Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq in Kopie angeschlossen.
6. Die Beschwerdevorlage langte am 29.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.
7. Das Bundesverwaltungsgericht veranlasste zunächst die Übersetzung des im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde vorgelegten irakischen Personalausweises und der im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde vorgelegten irakischen Sterbeurkunde bezüglich des Bruders.
8. Zur Vorbereitung der für den 04.04.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden der dem Beschwerdeführer beigegebenen und zum damaligen Zeitpunkt von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen.
Eine Stellungnahme dazu wurde nicht abgegeben.
9. Mit Schreiben vom 02.04.2019 teilte die bevollmächtigte Rechtsberatung dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass sie die erteilte Vollmacht niederlege.
10. Am 04.04.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der dem Beschwerdeführer im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Ferner wurde Mag.a phil. römisch 40 als Zeugin einvernommen. Der Beschwerdeführer brachte außerdem eine von der Zeugin verfasste Stellungnahme zu den mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 an den Beschwerdeführer übermittelten Länderdokumentationsunterlagen, Lichtbilder zu seiner beruflichen Tätigkeit im Irak und ein Konvolut an Integrationsunterlagen in Vorlage.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben.
11. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2019 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers aufgrund der dynamischen Lageentwicklung im Herkunftsstaat neuerlich aktuelle länderkundliche Dokumente zur allgemeinen Lage im Irak und insbesondere zur Lage im Gouvernement Salah ad-Din zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist schriftlich Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer äußerte sich - unter auszugsweiser Zitierung zweier weiterer Länderberichte - im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit Stellungnahme vom 02.05.2019 zu den mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2019 übermittelten länderkundliche Dokumenten und brachte ergänzend zu seiner Stellungnahme in der Sache einen Nachweis in Bezug auf seine Integration im Bundesgebiet in Vorlage.
12. Mit Schreiben vom 11.06.2019 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung in der Sache weitere Nachweise in Bezug auf seine Integration im Bundesgebiet in Vorlage.
13. Am 10.10.2019 übermittelte die belangte Behörde an das Bundesverwaltungsgericht mehrere Unterlagen bezüglich der seitens des Beschwerdeführers erfolgten Anmeldung des Gewerbes "Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten".
14. Mit Schreiben vom 29.11.2019 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung in der Sache nochmals weitere Nachweise in Bezug auf seine Integration im Bundesgebiet in Vorlage.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer wurde am römisch 40 in der Stadt römisch 40 im Gouvernement Salah ad-Din geboren. Er lebte anschließend bis zur Ausreise in der Stadt römisch 40 im Gouvernement Salah ad-Din in einem Haus im Eigentum seines Vaters. Der Beschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Arabisch in Wort und Schrift.
Der Beschwerdeführer ist gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.
Der Beschwerdeführer besuchte in römisch 40 ab Mitte der 90er Jahre die Grund- und Hauptschule und trat anschließend in das Berufsleben ein. Er arbeitete von 2007 bis 2014 als Koch und Kellner in einem Restaurant. Zwischenzeitlich war der Beschwerdeführer in den Jahren 2009 und 2010 auch als Fahrzeugmechaniker beruflich tätig.
Der Vater des Beschwerdeführers ist im Jahr 1999 eines natürlichen und ein Bruder des Beschwerdeführers im Jahr 2006 eines gewaltsamen Todes gestorben. Die Identität oder das Motiv der Täter bezüglich der Tötung des Bruders waren nicht feststellbar. Die Mutter, fünf Brüder und fünf Schwestern des Beschwerdeführers leben bereits längere Zeit in Erbil in einem Lager für Binnenvertriebene. Seine Mutter führt dort den Haushalt und seine Geschwister verrichten auf Baustellen als Arbeiter Hilfstätigkeiten. Der Beschwerdeführer unterhält zu ihnen über das Internet Kontakt.
Der Beschwerdeführer gehörte dem Islamischen Staat vor seiner Ausreise nicht an, ebenso finden sich unter seinen Angehörigen keine Anhänger des Islamischen Staates.
Der Beschwerdeführer verließ den Irak im April 2014 auf dem Landweg in die Türkei und gelangte in der Folge nach einem mehr als einjährigen Aufenthalt in Izmir schlepperunterstützt mit einem Lastkraftwagen nach Österreich, wo er am 10.08.2015 nach seiner Betretung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit und seines sunnitischen Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Der Beschwerdeführer hatte außerdem vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise im Frühling 2014 zwecks Erlangung von Informationen über Anhänger von Saddam Hussein oder Mitglieder der Baath-Partei (in seiner Familie) von der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq in römisch 40 zur Zusammenarbeit aufgefordert und (auch telefonisch) bedroht wurde. Außerdem kann nicht festgestellt werden, dass das Haus der Familie des Beschwerdeführers in der Folge am 30.04.2014 von der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq zerstört wurde.
Der Beschwerdeführer verließ die Stadt Tikrit im Frühjahr 2014 aufgrund der bevorstehenden Eroberung der Stadt durch die Milizen des Islamischen Staates, ohne dass es zu persönlichen Konfrontationen mit Kämpfern des Islamischen Staates kam oder Verfolgungshandlungen wider den Beschwerdeführer gesetzt wurden.
Es kann abseits davon nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat dort einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen oder extremistische Gruppierungen oder psychischer und/oder physischer Gewalt seitens verbliebener Anhänger des Islamischen Staates im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seines Bekenntnisses zum sunnitischen Islam ausgesetzt. Zudem wird dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Anhängerschaft bzw. Unterstützung des Islamischen Staates oder ein sonstiges Naheverhältnis zum Islamischen Staat vor der Ausreise unterstellt werden.
Wider den Beschwerdeführer besteht im Irak weder ein Haftbefehl, noch wird er in anderer Weise von zivilen oder militärischen Behörden oder Gerichten gesucht. Der Beschwerdeführer ist im Rückkehrfall nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von strafrechtlicher Verfolgung bedroht.
1.3. Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.
1.4. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit im Herkunftsstaat erworbener grundlegender Schulbildung und Berufserfahrung als Koch, Kellner und Fahrzeugmechaniker. Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat. Ihm ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.
Die Stadt römisch 40 ist über den Flughafen Bagdad und anschließend die Schnellstraße 1 (via Samarra) sicher erreichbar.
1.5. Der Beschwerdeführer verfügt über einen irakischen Personalausweis im Original und ein irakisches Reisedokument in Kopie.
1.6. Der Beschwerdeführer hält sich seit Anfang August 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, ist seither durchgehend im Bundesgebiet als Asylwerber aufhältig und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel. Er ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig.
Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und war in verschiedenen Unterkünften für Asylwerber, zuletzt in der Gemeinde römisch 40 in Tirol, untergebracht.
Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet seit seiner Einreise bis Anfang Oktober 2019 nicht legal erwerbstätig. Am 02.10.2019 hat er das Gewerbe "Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten" angemeldet.
Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse. Prüfungen über Kenntnisse der deutschen Sprache legte er nicht ab. Der Beschwerdeführer verfügt dessen ungeachtet über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache, die für eine Konversation auf einfachem Niveau ausreichen.
Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und hat in Österreich keine Verwandten. Er pflegt normale soziale Kontakte zu seinem Freundeskreis und ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. In seiner Freizeit unternimmt er Spaziergänge und engagierte sich im Jahr 2019 als Schauspieler bei den Passionsspielen in römisch 40 Der Beschwerdeführer ist weder in einem Verein noch in einer sonstigen Organisation Mitglied. Der Beschwerdeführer verrichtete gemeinnützige Tätigkeiten in der Gemeinde römisch 40 im Ausmaß von 53 Stunden im Gemeindebauhof im Sommer 2018, in der Gemeinde römisch 40 in Tirol im Ausmaß von 205 Stunden im Jahr 2016 und im Ausmaß von 124,75 Stunden im Jahr 2017 (wofür ihm eine Entlohnung von insgesamt EUR 989,25 ausbezahlt wurde) und in einem nicht feststellbaren Ausmaß von Dezember 2018 bis Mitte März 2019 als Hausmeister in seiner Unterbringung in der GVE römisch 40 Des Weiteren übernahm er kleine Gartenarbeiten an einem seiner Unterbringungsorte.
Unterstützer des Beschwerdeführers attestierten ihm Freundlichkeit, Strebsamkeit und Genauigkeit sowie Engagement und Verlässlichkeit bei der Arbeit. Zudem wird ihm bescheinigt, sich bei verschiedenen Betrieben um eine Arbeit zu bemühen.
1.7. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO.
1.8. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Salah ad-Din werden folgende Feststellungen getroffen:
Das Gouvernement Salah ad-Din hat eine geschätzte Einwohnerzahl von 1.637.000 Personen und ist organisatorisch in die Distrikte Tikrit (zugleich die Hauptstadt des Gouvernements), ad-Dawr, asch-Schirqat, al-Faris, Balad, Baidschi, Tuz, und Samarra gegliedert. In ethno-religiöser Hinsicht ist Salah al-Din arabisch-sunnitisch dominiert, beherbergt jedoch eine schiitische, eine kurdische und eine turkmenische Minderheit. Darüber hinaus befindet sich in der Provinz der schiitische al-Askari-Schrein in Samarra, eines der wichtigsten Heiligtümer des schiitischen Islam. In Salah al-Din sind mehrere irakische Stammeskonföderationen beheimatet. In der rund um Tikrit ansässigen Konföderation ist eine Reihe bedeutender Stämme vereint; der vielleicht bekannteste von ihnen ist der Stamm der Albu Nasir, dem der ehemalige Diktator Saddam Hussein und viele seiner engsten Mitstreiter angehörten. Einem Bericht aus dem Jahr 2003 zufolge sind noch weitere bedeutende Stämme in der Provinz ansässig, wie beispielsweise die Jabour (asch-Schirqat), die Obeidi (al-Alam), die al-'Azzat (Balad), die Luhayb (asch-Schirqat) und die Harb (ad-Dawr).
Die folgende Kartei zeigt das Gouvernement Salah ad-Din.
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Im Sommer 2014 eroberten die Milizen des Islamischen Staates den Distrikt Tooz, die Stadt Baiji und die Hauptstadt Tikrit. Die Städte Samarra, Balad und Amerli hielte den Angriffen der Milizen des Islamischen Staates stand und wurden nicht vom Islamischen Staates erobert.
Salah al-Din war eines der ersten Provinzen, die im Zuge der Offensive der irakischen Streitkräfte gegen den Islamischen Staat befreit wurden, sodass die wichtigsten urbanen Zentren ab Mitte 2015 nicht mehr vom Islamischen Staat kontrolliert wurden. Zudem war Salah al-Din eine der ersten Provinzen, die massive Rückkehrbewegungen zu verzeichnen hatten: Die Zahl der zurückgekehrten Binnenvertriebenen, bei denen es sich nahezu ausschließlich um sunnitische Araber handelte, belief sich im bereit Juli 2015 auf 130.000 Personen und steigt bis zum Dezember 2016 auf 360.000 Personen an. Schon vor und auch nach der raschen Rückeroberung der vom Islamischen Staat besetzten Teile Gouvernements bereits in den Sommermonaten 2015 kam es zu Vergeltungsmaßnahmen der PMU gegen Familien und Stämme, denen eine Zusammenarbeit mit dem Islamischen Staat vorgeworfen wurde, wobei es zu außergerichtlichen Hinrichtungen, außergesetzlichen Anhaltungen und zur Zerstörung von Besitz kam. Als ursächlich kann insbesondere das Massaker in Camp Speicher (nördlich von Tikrit) am 12.06.2014 angesehen werde, bei dem bis zu 1.700 irakische Luftwaffenkadetten von den Milizen des Islamischen Staates ermordet wurden (bislang wurde ca. 1.150 Leichen geborgen) und das zu Vergeltungsaktionen der PMF führte, wobei insbesondere Familien und Stämme betroffen waren, denen man Verbindungen zum Islamischen Staat zur Last legte. Diese Entwicklung ist weitestgehend auf die Vormachtstellung der PMF-Milizen im Gouvernement und deren Einfluss auf die bestehenden politischen Strömungen zurückzuführen. Die Berichte über Entführungen und Misshandlungen durch PMF-Milizen, aber durch lokale turkmenischen und sunnitischen Milizen, die mit den PMF zusammenarbeiten, haben mit der Zeit abgenommen.
Sicherheitskräfte im Gouvernement Salah ad-Din
Die Sicherheit im Gouvernement wird von Einheiten der irakischen Streitkräfte gewährleistet. Sie bestehen in erster Linie aus Einheiten der irakischen Armee, der paramilitärischen Bundespolizei und einigen Sondereinheiten. In vielen ländlichen Gegenden sind die irakischen Streitkräfte kaum präsent. Der umstrittene, multiethnische Bezirk Tuz wurde bis Oktober 2017 von kurdischen Streitkräften, PMF-Milizen und der örtlichen Polizei kontrolliert. Nachdem es im Oktober 2017 zu Auseinandersetzungen zwischen den durch PMF-Milizen unterstützten irakischen Sicherheitskräften und kurdischen Streitkräften gekommen war, wurde im Januar 2018 die Emergency Response Division (ERD)der Zentralregierung entsandt. Sie kontrollierte die Stadt, bis sie im September 2018 durch die regulären Streitkräfte ersetzt wurde.
Das Salah al-Din Operations Command (SDOC) wurde gebildet, nachdem der Islamische Staat Gebiete im Irak erobert hatte. Es kontrolliert mehr als die Hälfte der Gebiete von Salah al-Din, darunter auch Tikrit, Baidschi und asch-Schirqat. Unklar ist, welcher Armeedivision das SDOC untersteht. Einem ISW-Bericht vom Dezember 2017 zufolge sollte die 20. Infanteriedivision der irakischen Armee den Befehl über das SDOC übernehmen. Im Süden des Gouvernements ist das Samarra Operations Command (SOC) für die Koordinierung der Einheiten der irakischen Streitkräfte zuständig.
Die im Gouvernements Salah ad-Din stationierten Einheiten der paramilitärischen irakischen Bundespolizei sind stark von der Badr-Organisation beeinflusst. Die Bundespolizei verfügt in der Provinz mit vier Divisionen (2., 4. und 5. Division) über eine massive Präsenz: Die 5. Brigade der 2. Division ist beim Sajjid-Mohammed-Schrein in Balad (seit Mai 2016) stationiert, während die 13. (seit September 2016) und die 15. (seit Mai 2017) Brigade der 4. Division in Makhoul bzw. asch-Schatra stationiert sind. Die 5. Division hat mit der 17., 19. und 20. Brigade drei Brigaden in Salah al-Din stationiert. Diese Division operiert gemeinsam mit der 6. Division der Bundespolizei, die einem Badr-Befehlshaber untersteht.
Schiitische PMF-Milizen spielten bei der Befreiung einiger Gebiete der Provinz Salah al-Din eine wichtige Rolle und waren in führender Position oder als Begleitung der irakischen Streitkräfte an der Rückeroberung von Tuz, Tikrit, ad-Dawr, al-Alam, Baidschi und Teilen von asch-Schirqat beteiligt. Sie waren mit zahlreichen Kämpfern im Gouvernement präsent und kontrollierten strategisch wichtige Standorte und sogar Gebiete, für die sie offiziell nicht zuständig waren. Darüber hinaus bauten schiitische PMF-Milizen eigene Hilfskräfte auf, indem sie eine örtliche turkmenische Miliz mobilisierte, die die Hälfte des Gebietes von Tuz kontrollierte, und in Tikrit sowie in Baidschi und asch-Schirqat eine Reihe sunnitischer Stammesmilizen gründeten. Im Mai 2017 waren schätzungsweise zwischen 2.000 und 3.000 PMF-Kämpfer in Salah al-Din stationiert. Nach Angaben des ISW operieren die PMU unabhängig im Zuständigkeitsbereich des SDOC.
In einem Bericht der International Crisis Group vom Juli 2018 verlangte die Führung der PMF aufgrund der Präsenz des Islamischen Staates im Gouvernement (insbesondere in Tuz Churmatu), die PMF-Milizen anstelle der regulären Sicherheitskräfte einzusetzen, da sich die Sicherheitskräfte als unfähig erwiesen hättem, das Gebiet zu stabilisieren. Derselben Quelle zufolge beteiligen sich PMF-Milzen in den befreiten Gebieten zunehmend an wirtschaftlichen Aktivitäten, insbesondere am Wiederaufbau. Im August 2018 befahl der stellvertretende Befehlshaber der PMF deren Rückzug aus den befreiten Städten in von Sunniten bewohnten Gebieten, darunter auch aus Salah al-Din. Jedoch hob Ministerpräsident Abadi diesen Befehl kurz darauf wieder auf.
Einem Bericht der International Crisis Group vom Juli 2018 zufolge sind in Salah al-Din unter anderem die folgenden PMU aktiv: Kataeb Asbal al-Sadr, Ansar al-Marjaeeya, die Badr-Organisation, Sarayat al-Salam, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kataeb Jund al-Imam, Kataeb Hizbollah, Sarayat Ansar al-Aqeeda, Sarayat al-Mukhtar und die Waad Allah Force. Der Schwerpunkt ihrer Operationen liegt auf Samarra und den schiitischen Schreinen. Mitunter sind PMF-Milizen auch in Form von Vertretungsbüros in den größeren Städten präsent. In einem im Dezember 2017 vorgelegten Bericht stellte das ISW fest, dass die PMF-Kräfte in Salah al-Din unabhängig und ohne Koordinierung mit dem SDOC operieren. Schiitische PMF-Milizen operierten außerhalb von Baidschi und des Speicher-Luftwaffenstützpunkts nordwestlich von Tikrit und würden entlang der Fernstraße zwischen Baidschi und Haditha eingesetzt. PMF-Milizen sind auch im Zuständigkeitsbereich des SOC aktiv, da dieser auch den al-Askari-Schrein in Samarra umfasst. Die PMF-Milizen führen in der Regel gemeinsame Operationen mit den sunnitischen Stammesmilizen durch. Die meisten Kontrollpunkte werden von diesen Milizen sowie von einer Vielzahl von Sicherheitskräften, wie etwa der Bundespolizei und den Anti-Terror-Einheiten, betrieben, wobei die meisten von ihnen nicht miteinander kommunizieren.
Die Massenhinrichtungen schiitischer Rekruten durch den Islamischen Staat beim Camp Speicher (nördlich von Tikrit) am 12.062014, bei denen der Islamische Staat nach eigenen Angaben 1.700 Luftwaffenkadetten ermordete, verschärfte die religiösen Spannungen, die sich in zahlreichen Racheakten der PMF-Milizen gegen die örtliche Bevölkerung und insbesondere gegen Sunniten entluden. Den Berichten zufolge kam es unmittelbar nach dem Massaker im Juni 2014 zu Vergeltungsmaßnahmen - darunter außergerichtliche Hinrichtungen, unrechtmäßige Verhaftungen und die Zerstörung von Eigentum - gegen sunnitisch-arabische Gemeinschaften. Zwar ließen diese im Laufe der Zeit nach, jedoch gibt es noch immer Berichte über Entführungen und Misshandlungen durch die im Süden aktiven PMF-Milizen und die ihnen nahestehende turkmenische und sunnitische Stammesmilizen. Im März 2018 wurde ein Massengrab mit den Überresten von 157 Kadetten gefunden, die 2014 vom ISIL beim Speicher-Luftwaffenstützpunkt in Tikrit ermordet wurden. Mit diesem Fund stieg die Zahl der dokumentierten Todesopfer des Massakers auf 1.150 an.
Dem Bericht über eine im April 2018 vom Danish Immogrations Service und von Landinfo in der autonomen Region Kurdistan durchgeführte Erkundungsmission zufolge verfügt der Islamische Staat in der Provinz Salah al-Din nur über begrenzte operative Kapazitäten, wobei jedoch noch immer einige verbliebene Kämpfer nachts aktiv sind. Der Islamische Staat kontrolliert jedoch keine Gebiete mehr und ist geschwächt. Einer im Dezember 2018 vom Experten Michael Knights auf der Grundlage der Aktivitätsdaten und Operationsmuster des Islamischen Staates vorgenommenen Einschätzung zufolge unterhält die Gruppe in mindestens 27 Gebieten des Irak dauerhaft operierende Anschlagszellen. In Salah al-Din zählen hierzu die südliche Jalam-Wüste (südlich von Samarra), Baidschi, asch-Schirqat, Pulkana (nahe Tuz) und Mutabijah/Udaim.
Im Januar 2019 äußerte das ISW die Einschätzung, dass der Islamische Staat ein Gebiet in den Makhoul-Bergen bei Baidschi kontrollieren würde, indem er eine soziale Kontrolle über die Bevölkerung ausübt. Der Islamische Staat würde in den Bezirken asch-Schirqat und Tuz starken physischen und psychischen Druck auf die Bevölkerung ausüben. Der Islamische Staat könne in diesen Bezirken zwar kein Territorium dauerhaft kontrollieren, jedoch sei anhand einer Reihe von Indikatoren festzustellen, dass der Islamische Staat den Irakischen Sicherheitskräften die Kontrolle streitig machen würde. Zu diesen Indikatoren zählten beispielsweise die Aufgabe bewohnter Dörfer, die Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen und Infrastrukturen, wiederholte Überfälle und Anschläge auf die örtliche soziale Hierarchie. In diesem Gebiet könne die Zivilbevölkerung nicht auf einen angemessenen Schutz durch die Sicherheitskräfte zählen. Im Hamrin-Gebirg an der Grenze von Diyala, Salah al-Din und Kirkuk hat der Islamische Staat weitläufige, mit Waffenlagern und Lebensmitteln ausgestattete Höhlen- und Tunnelkomplexe errichtet, von denen aus Guerilla-Aktivitäten im Nordirak entfaltet werden.
Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten im Gouvernement Salah al-Din im Jahr 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist, was auf die Beendigung der Kämpfe im Jahr 2017 zurückzuführen ist (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).
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Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Salah al-Din und Anzahl der Opfer, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst.
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Verbliebene Kämpfer des Islamischen Staates setzten zuletzt im Jahr 2018 asymmetrische Angriffe gegen irakische Sicherheitskräfte und mit der Zentralregierung verbündete sunnitische Stammesmilizen fort. Die Intensität der Angriffe hat einer Expertenmeinung zufolge abgenommen.
Im Jahr 2018 stieg die Zahl der der sicherheitsrelevanten Vorfälle zunächst an, darunter Selbstmordattentate, Bombenanschläge und Entführungen durch die "White Flags", einer terroristischen Gruppierung, die in der Provinz Tooz (Tuz) operiert. Im Januar 2018 wurde der Anführer von Asa'ib Ahl al-Haqq in Tuz Khurmatu von der irakischen Armee nach bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Asa'ib Ahl al-Haqq und Armeeeinheiten festgenommen. Im Januar und Februar wurden bewaffnete Angriffe des Islamischen Staates auf Sicherheitskontrollpunkte und Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen berichtet. Am 12.03.2018 ermordeten Kämpfer des Islamischen Staates 15 Zivilisten an einem gefälschten Checkpoint in der Nähe von Amerli in der Provinz Tooz. Ein Bombenanschlag des Islamischen Staates auf eine Moschee im März 2018 verursachte nur Sachschaden. In einer Nachrichtensendung des irakischen Fernsehsenders Al Sumaria vom 18.03.2018 wurde berichtet, dass Sicherheitskräfte in Samarra ihre Sicherheitsvorkehrungen in Vorbereitung der Ankunft von Pilgern im Distrikt verschärft hätten. Laut Angaben des lokalen Militärgeheimdienstes sei ein geplanter Anschlag auf Pilger zum Imam Ali al- Hadi-Schrein in Samarra aufgedeckt und vereitelt worden. Anfang April 2018 wurden bei einem Bombenschlag des Islamischen Staates zehn Personen getötet und vierzehn Personen verletzt, dazu wurden Gräber vom Islamischen Staat mit Sprengstoff präpariert. Bei einem Angriff auf ein PMU-Trainingszentren wurden vier Personen verletzt. Am 15.04.2018 kam es zu einem Selbstmordanschlag in der Nähe einer Polizeistation im Bezirk Al-Eshaqi in Süd-Samarra, dabei wurden zwei Polizisten getötet und zwei weitere verletzt.
Über Angriffe auf Zivilisten im Mai 2018 wurde berichtet, dass 12 Mitglieder einer Familie von Extremisten getötet wurden. Bombenanschläge auf die Begräbnisse von drei sunnitischen Stammeskämpfern töteten mindestens zehn Personen. Der Islamische Staate setzte seine Sabotagetaktiken gegen die Energieinfrastruktur fort. Am 24.05.2018 wurden Stromleitungen im Dorf Barmaid nördlich der Baiji-Kirkuk-Straße angegriffen und damit die Stromzufuhr zu den meisten Städten in Hawija und Tikrit unterbrochen. Kämpfer des Islamischen Staates ermordeten außerdem einen Dorfvorsteher. Die in der Region lebende ländliche Bevölkerung, die Viehzucht betreibt und für den Lebensunterhalt auf die Landwirtschaft angewiesen ist, berichtete von Entführungen und Tötungen unbewaffnete Viehhirten, das Verbrennen von landwirtschaftlichen Flächen sowie das Ziel und die Bombardierung von Häusern von Einheimischen, die vom Islamischen Staat verdächtigt werden, Mitglieder lokaler Stammesmilizen und Regierungsmitarbeiter zu sein. Am 27.06.2018 wurden in Salah al-Din die Leichen von acht Personen gefunden, die vom Islamischen Staat entführt worden waren. Zuvor wurden die Entführten, zu denen Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte gehörten, in einem Video gezeigt, in dem ihre Ermordung angedroht wurde, sollte keine weiblichen sunnitisch-arabischen Gefangenen entlassen.
Der Provinzrat von Salah al-Din erklärte im Juli 2018, dass die Angriffe im Osten und Westen von Salah al-Din zugenommen hätten. Anfang Juli startete die irakische Armee eine gemeinsame Militäroperation mit der Bundespolizei und vom Iran unterstützte PMUs am Stadtrand von Salah al-Din, Diyala und Kirkuk, die darauf abzielen, Gebiete in der Wüste zwischen den drei Provinzen zu räumen, in denen kürzlich "Angriffe der Aufständischen, Bombenanschläge, Überfälle und Entführungen" stattgefunden hätten. Am 10.08.2018 wurden bei einem Fußballspiel in al-Shirqat von Kämpfern des Islamischen Staates fünf Zivilisten erschossen und sechs weitere Personen, darunter zwei Kinder, verwundet. Im September 2018 erklärte UNHCR, die lokalen Behörden meldeten eine Zunahme der organisierten Kriminalität in Tuz Khurmatu, einschließlich Entführung von Lösegeld. Unter den Einwohnern und Vertriebenen der Stadt gäbe es Befürchtungen, dass es zu einem "potentiellen Rückfall ethnisch motivierter Gewalt infolge des Abzugs der hoch angesehenen Einsatzkräfte der Emergency Response Division (ERD) und ihrer Ablösung durch die irakische Armee" kommen könnte. Am 15.08.2019 bzw. am 19.08.2018 wurden in Samarra insgesamt sechs Kämpfer des Islamischen Staates bei Polizeiaktionen von Sicherheitskräften getötet. Am 12.10.2018 entdeckten lokale Polizeikräfte im Gebiet Jazeera Al-Samarra improvisierte Sprengsätze entschärften diese. Am 15.10.2018 führten die irakischen Sicherheitskräfte in der Provinz Samarra Razzien durch, bei denen eine IS-Basis mit Militäruniformen, zwei Mobiltelefonen, Kleidung, Betten und Militärtaschen, gefunden wurde. Die Sicherheitskräfte entfernten außerdem sechs improvisierte Sprengsätze und 80 Stacheldrahtrollen im Gebiet Al-Lain. Am 16.10.2018 gelang es der Polizei, zwei gesuchte Terroristen Checkpoint al-Hawish in Samarra festzunehmen.
Vertreibung und Rückkehr
Im Dezember 2018 waren noch 238.728 Binnenvertriebene des Gouvernements nicht zurückgekehrt, wobei sich die Mehrheit von 117.870 Personen innerhalb des Gouvernements aufhält. Insgesamt verzeichnete Salah al-Din im Dezember 2018 590.652 registrierte Rückkehrer (das sind 68% der ursprünglich aus Salah al-Din stammenden Vertriebenen) und ist damit das Gouvernement mit der dritthöchsten Zahl an Rückkehrern. Bis zum Monat Februar 2019 stieg die Anzahl der Rückkehrer auf insgesamt 601.866 Personen an, davon kehrten 171.336 nach Tikrit zurück.
Der Humanitarian Needs Overview 2019 von UNOCHA zeigt, dass in Salah al-Din mit 764.669 Menschen noch immer die dritthöchste Zahl an Hilfsbedürftigen zu verzeichnen ist. Die schwierigsten Bedingungen herrschen in den Bezirken Tuz/Suleiman Bek, Balad/Dhuluija und Baidschi.
Einem Bericht von IOM vom September 2018 zufolge kehrten 89.158 Familien (nicht zu verwechseln mit der absoluten Zahl der zurückkehrenden Personen) im Gouvernement Salah al-Din zurück. IOM definierte vier Kategorien ("category of severity") im Hinblick auf die nach der Rückkehr vorgefundenen Bedingungen, nämlich very high, High, medium und Low. Die Mehrheit der zurückkehrenden Familien in Salah al-Din (58 %) fand mittelschwere Bedingungen ("medium severity") vor, gefolgt von 29 %, deren Rückkehr in die Kategorie "low severity" eingestuft wurde. Nur 11 % der Rückkehrfamilien wären mit "high severity" bei der Rückkehr mit hohen Schweregraden konfrontiert, gefolgt von kleinen Segment von 2%, das bei der Rückkehr mit sehr hohen Schwierigkeiten konfrontiert sei ("very high severity"). "Hotspots" für Rückkehrer im Gouvernement sind die Provinzen Tuz, Balad und Baiji. Salah al-Din ist mit besonders hohen Infrastrukturschäden infolge der Kampfhandlungen betroffen. Die humanitäre Krise nach der Niederlage des Islamischen Staates hat zu erhöhter Arbeitslosigkeit und zu Armut beigetragen. Binnenvertriebenen mit angeblichen Verbindungen zum Islamischen Staat wird die Rückkehr tendenziell verwehrt, sie müssen in IDP-Camps leben. Das Shahama-Camp in Salah al-Din ist Ort, der von Einheimischen oft als "ISIL-Camp" bezeichnet wird.
Sicherheit von Verkehrswegen
Im März 2018 kontrollierten PMF-Milizen den größten Teil der Fernstraße 1, die Salah al-Din mit Mossul, Erbil und Bagdad verbindet. Eine Quelle berichtete, dass eine Autofahrt, die normalerweise eine Stunde dauern würde, wegen der Kontrollpunkte jetzt vier Stunden in Anspruch nimmt. Vom Islamischen Staat eingerichtete falsche Checkpoints können eine Gefahr für Sicherheitskräfte und reisende Zivilpersonen in diesem Gebiet darstellen.
1.9. Zu den Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der angeführten Quelle getroffen:
Die Liga der Rechtschaffenen (Asa'ib Ahl al-Haqq) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte in erster Linie die US-Truppen im Irak. Nach dem Abzug der US-Truppen im Dezember 2011 fand die Miliz im Kampf gegen den Islamischen Staat eine neue Raison d'être. Unter den Milizen gilt die Asa'ib Ahl al- Haqq als besonders gewalttätig und teils kriminell motiviert. Qais al-Khaz'ali ist einer der prominentesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten und für seine Brutalität berüchtigt. Er und seine Organisation berufen sich Er und seine Organisation berufen sich zwar immer noch auf Muhammad Sadiq as-Sadr, den Begründer der Sadr-Bewegung, doch ist Khaz'alis Nationalismus einer starken Abhängigkeit von den iranischen Revolutionsgarden gewichen, ohne die er den bewaffneten Kampf gegen die USA nicht hätte führen können. Darum bekennt sich die Asa'ib Ahl al-Haqq neben Sadr auch zu Khomeini, Khamenei und der Herrschaft des Rechtsgelehrten. Die iranische Führung dankt es mit großzügiger Unterstützung.
Nach dem amerikanischen Abzug versuchte sich die Organisation als politische Kraft in Konkurrenz zur Sadr-Bewegung zu etablieren, gewann bei den Parlamentswahlen 2014 aber nur ein einziges Mandat und blieb eine Splittergruppe. Trotzdem wuchs ihre Miliz bis 2015 auf mindestens 3000 Mann an. Sie hat ihre politischen Aktivitäten ausgeweitet und eine Reihe von politischen Büros in Bagdad, Basra, Nadschaf, Hilla, al-Chalis und Tal Afar eröffnet habe. Darüber hinaus habe die Organisation politische Vertreter in die südlichen Provinzen Dhi Qar, al-Muthanna und Maysan gesandt, um Vertreter von Minderheiten und Stammesführer zu treffen. Trotz Berichten über religiös motivierte Verbrechen und Kriegsverbrechen wurde Asa'ib Ahl al-Haqq im November 2016 formell vom irakischen Parlament als Teil der Volksmobilisierungseinheiten anerkannt.
Das Institute for the Study of War (ISW), veröffentlicht im Dezember 2012 einen Bericht über das Wiedererstarken der Gruppe Asa'ib Ahl al-Haqq nach dem Abzug der US-Truppen 2003, sowohl als militärische, als auch als politische und religiöse Organisation. Laut dem Bericht habe die Miliz seit 2010 in Bagdad eine große politische Präsenz aufgebaut. Derzeit unterhalte die Organisation zwei politische Büros in der Hauptstadt, eines in Kadhimiya und eines in Rusafa. Asa'ib Ahl al-Haqq habe eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen organisiert, an denen die zentralen Führungspersönlichkeiten der Organisation sowie Vertreter der irakischen Regierung teilgenommen hätten. Die Miliz nutze die politischen Aktivitäten in Bagdad, um ihr neues öffentliches Erscheinungsbild einer nationalistischen, islamischen Widerstandsgruppe zu fördern. Darüber hinaus seien politische Delegationen zu Treffen mit Anführen von Stämmen und Minderheiten in die Provinzen Dhi Qar, Muthanna und Maysan entsandt worden. Die politische Expansion der Organisation in ganz Irak verdeutliche die Fähigkeit von Asa'ib Ahl al-Haqq, in Gebiete, in der die Sadr-Bewegung Rückhalt habe, vorzudringen.
In Hinblick auf den bewaffneten Arm der Organisation erwähnt der Bericht, dass Asa'ib Ahl al-Haqq während des Irakkriegs [gegen die USA] die Miliz in Bataillone eingeteilt habe, von denen jedes einer bestimmten Region zugeteilt worden sei, das Imam Askari-Bataillon in Samarra, das Musa al-Kazim-Battaillon in Bagdad, das Imam Ali-Bataillon in Nadschaf und das Abu Fadl Abbas-Bataillon in Maysan. Im Dezember 2011 habe sich Qais al-Khazali mit den mutmaßlichen Anführern der Kata'ib Hezbollah (KH), der am besten ausgebildeten und geheimsten der vom Iran unterstützen Milizen, getroffen. Trotz der Verschwiegenheit der Miliz würden die Verbindungen zwischen führenden Mitgliedern von Asa'ib Ahl al-Haqq und Kata'ib Hezbollah darauf hindeuten, dass die Organisation Asa'ib Ahl al-Haqq ihren bewaffneten Arm neu geordnet und ihre Macht als Schirmorganisation für schiitische Milizen im Irak gefestigt habe.
Das britische Innenministerium (UK Home Office) gibt in seinem Bericht zu Herkunftsländerinformationen und Handlungsempfehlungen für britische Asylentscheider vom August 2016 Informationen von Jane-s, einem in den USA ansässigen Unternehmen, das unter anderem Analysen zum Thema Sicherheit erstellt, wieder, dass Asa'ib Ahl al-Haqq an einer Reihe von Angriffen auf die US-Truppen bis zu deren Abzug 2011 beteiligt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe Asa'ib Ahl al-Haqq ihre Absicht bekannt gegeben, dem politischen Prozess beizutreten. Die Miliz unterhalte mehrere politische Büros im Land, sei aber auch bewaffnet und werde verdächtigt, an mehreren Angriffen mit selbstgebauten Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielten Tötungen von Sunniten beteiligt zu sein. Militärische Ausbildung erfolge durch die libanesische Hisbollah und die iranische Quds-Einheit, was Asa'ib Ahl al-Haqq zu einer de facto-Stellvertretermiliz des Iran im Irak mache. Kämpfer der Asa'ib Ahl al-Haqq hätten die irakische Armee in der Provinz al-Anbar beim Kampf gegen den Islamischen Staat unterstützt.
Das an der Stanford University angesiedelte Mapping Militants Project, das die Herausbildung militanter Organisationen und deren Zusammenspiel in Konfliktzonen beobachtet und visuell darstellt, schreibt in einem zuletzt im Jänner 2017 aktualisierten Überblick zur Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq, dass es 2013 Berichte gegeben habe, laut denen die Regierung unter Premierminister al-Maliki statt der irakischen Polizei Kämpfer von Asa'ib Ahl al-Haqq in der Provinz al-Anbar und als Bereitschaftspolizei in Bagdad eingesetzt habe.
Al Araby Al Jadeed, ein 2014 in London gegründetes Medienunternehmen, berichtet in einem Artikel vom Juni 2014 über die Situation in Bagdad, wo Bewaffnete in Zivilkleidung zusammen mit dem Militär das Straßenbild bestimmen würden. Die Regierung habe eine Ausgangssperre verhängt und gleichzeitig die Präsenz der Sicherheitskräfte erhöht. Dabei greife sie auf Milizen zurück, um die eigene mangelnde Truppenstärke zu kompensieren. Das Straßenbild gleiche einer Kaserne. Freiwillige Milizkämpfer von Asa'ib Ahl al-Haqq würden in den Gegenden, die sie beschützen würden, Kontrollen durchführen. Insbesondere in der Nähe sunnitischer Wohngebiete habe Asa'ib Ahl al-Haqq "falsche Checkpoints" eingerichtet und eine Waffenparade in der Palästina-Straße abgehalten.
CEDOCA, die Herkunftsländerinformationsstelle des belgischen Generalkommissariats für Flüchtlinge und Staatenlose (CGRA) schreibt in einem Bericht zur Sicherheitslage in der Provinz Diyala vom Juli 2015, dass Berichten zufolge Mitglieder von Asa'ib Ahl al-Haqq Angriffe auf die Dörfer Bulour, Matar, Aruba, Hurriya, Sudur und Harouniya im Distrikt Muqdadiya durchgeführt hätten, wo ungefähr tausend sunnitische Familien leben würden. Die Miliz habe im Winter bis zu 50 Häuser niedergebrannt und weitere Wohnhäuser mit Mörsern und Raketen beschossen habe. Die lokale Bevölkerung habe berichtet, dass Kämpfer der Asa'ib Ahl al-Haqq zusammen mit freiwilligen schiitischen Milizkämpfern und irakischen Antiterror-Einheiten begonnen hätten, im Juni 2014 die Einwohner von Dörfern nahe Muqdadiya zu schikanieren. Im Oktober 2014 hätten die geflohenen Dorfbewohner gehört, dass die Milizen die Gegend verlassen hätten und seien daraufhin zurückgekehrt. Jedoch hätten sich kurz darauf die Milizen wieder gezeigt und damit begonnen, Personen zu entführen, in den Straßen um sich zu schießen und auf Wohnhäuser zu zielen. In einigen Fällen seien Personen hingerichtet worden. Human Rights Watch berichtet im Juli 2014, dass sie zwischen dem 1. Juni und dem 9. Juli 2014 die Tötung von 61 sunnitischen Männern, sowie im März und April die Tötung von mindestens 48 weiteren sunnitischen Männern in Dörfern und Kleinstädten um Bagdad dokumentiert habe. Laut Angaben von nicht näher genannten Zeugen, medizinischem Personal und Regierungsquellen seien in allen Fällen Milizen für die Tötungen verantwortlich gewesen. In vielen, jedoch von der Quelle nicht exakt quantifizierten Fällen hätten Zeugen Asa'ib Ahl al-Haqq als Täter identifiziert. Zeugen hätten außerdem bemerkt, dass Asa'ib Ahl al-Haqq illegale Festnahmen in vielen Gegenden der Provinzen Bagdad und Diyala vornehme.
Reuters berichtet in einem weiteren Artikel vom Jänner 2016, dass die in diesem Monat vorgefallenen Entführungen und Tötungen zahlreicher sunnitischer Zivilisten im Osten des Irak, sowie Angriffe auf deren Besitztümer durch vom Iran gestützte Milizen Menschenrechtsverletzungen darstellen könnten. Schiitische Milizkämpfer seien diesen Monat nach Muqdadiya entsandt worden, nachdem zwei Bombenexplosionen nahe einem Café, in dem sich oft Milizen aufgehalten hätten, 23 Menschen getötet hätten. Zu dem Anschlag habe sich der Islamische Staat bekannt und erklärt, dass Schiiten das Ziel gewesen seien. Mitglieder der Milizorganisationen Badr und Asa'ib Ahl al-Haqq hätten Vergeltungsangriffe durchgeführt.
Asa'ib Ahl al-Haqq wird außerdem beschuldigt, für ein Massaker in einem mutmaßlichen Bordell in Bagdad im Juli 2014 verantwortlich gewesen sei, bei dem 29 mutmaßliche Prostituierte erschossen wurden.
Die International Crisis Group (ICG) erwähnt in einer Fußnote zu einem Bericht über die konfessionell gespaltene, junge irakische Generation und deren Mobilisierung für Milizen, die Aussage eines Asa'ib Ahl al-Haqq-Mitglieds in Basra aus einem Interview im September 2015 zu den Zielen der Organisation. Das Mitglied erläutert, dass Asa'ib Ahl al-Haqq nicht bloß eine militärische Organisation sei. Sie habe das Ziel, einen Staat aufzubauen. Man plane, die staatlichen Institutionen zu reformieren und die Volksmobilisierungseinheiten in eine zivile Organisation umzuformen. Die Regierungsführung politischer Parteien sei in Basra und im gesamten Irak gescheitert. Asa'ib Ahl al-Haqq habe militärische Siege errungen und in Demonstrationen für Veränderungen eingetreten, nun sei die Organisation bereit, ein Teil der politischen Führung der Provinz und des gesamten Staates zu werden.
Human Rights Watch berichtet im November 2016, dass Mitglieder einer Miliz der von der Regierung gestützten Volksmobilisierungseinheiten in einem Dorf nahe der Stadt Mossul Hirten, darunter einen Jungen, festgenommen und geprügelt hätten, da man ihnen unterstellt habe, Verbindungen zum IS zu haben. Opfer und Zeugen hätten berichtet, dass es Mitglieder von Asa'ib Ahl al-Haqq gewesen seien, die zehn Hirten festgehalten und mindestens fünf von ihnen, darunter auch den Jungen verprügelt hätten. Die Hirten, die aus dem Dorf Aadaya geflohen seien, seien festgenommen und mehrere Stunden lang festgehalten worden. Die Milizkämpfer hätten sie schließlich freigelassen, aber 300 Schafe gestohlen.
Amnesty International schreibt in einem Bericht zur Verbreitung von Waffen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten und deren Menschenrechtsverletzungen vom Jänner 2017, dass es in der Provinz Diyala weiterhin verbreitet zu Vorfällen von Verschwindenlassen, Entführungen, Folter und Tötungen komme, die mit Straflosigkeit auf sunnitische Männer und Jungen abzielen würden. In Diyala würden die von der Regierung gestützten Milizen, darunter insbesondere die Badr-Organisation und Asa'ib Ahl al-Haqq, eine strenge Kontrolle ausüben, es gebe konfessionelle Spannungen und sunnitische Binnenvertriebene würden daran gehindert, in ihre angestammten Gebiete zurückzukehren. Der Bruder eines jungen Mannes, der im Jänner 2016 in Muqdadiya von Milizkämpfern entführt und tot auf der Straße aufgefunden worden sei, habe erwähnt, dass Asa'ib Ahl al-Haqq, die in Muqdadiya aktiv sei, alle Sunniten als Unterstützer des ehemaligen Präsidenten Saddam Hussein ansehe, und viele Sunniten auf der Straße oder in ihren Häusern aufgegriffen und getötet worden seien. In den ersten Wochen dieser Vorfälle seien Milizen mit Lautsprechern herumgefahren und hätten Sunniten dazu aufgefordert, aus ihren Häusern zu kommen. Am 13. Jänner 2016 seien mehr als hundert Männer entführt worden, deren Verbleib seither unbekannt sei.
Das US-Außenministerium schreibt in seinem im März 2017 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum: 2016), dass ethnisch motivierte Kämpfe in ethnisch gemischten Gebieten nach den Befreiungsoperationen eskaliert seien. Es bestünden viele Berichte darüber, dass schiitische Volksmobilisierungseinheiten Sunniten nach der Befreiung von Gebieten vom Islamischen Staat verhaftet hätten. Milizen, darunter die Asa'ib Ahl al-Haqq, hielten bis zu 3.000 Gefangene illegal fest. Unter den Gefangenen seien Sunniten gewesen sowie weitere Personen, die verdächtigt worden seien, mit dem Islamischen Staat zusammengearbeitet zu haben. Die Gefangenen seien in provisorischen Gefängnissen festgehalten worden, einige wegen Verbrechen, die man ihnen vorgeworfen habe, andere, um Lösegeld zu erhalten, die bei der Finanzierung der Aktivitäten der Milizen helfen sollten.
Laut Angaben des Sprechers der Volksmobilisierungseinheiten habe das Justizministerium einen Richter ernannt, der Ende des Jahres 2016 die 300 Fälle bearbeitet habe, die mit Verstößen von Milizen-Mitgliedern zu tun gehabt hätten, wobei es um mutmaßliche Misshandlungen von Gefangenen bis hin zu summarischen Hinrichtungen gegangen sei. Laut dem Sprecher habe es sich nur bei einem Viertel derer, die beschuldigt worden seien, um "echte" Mitglieder von Milizen gehandelt, bei den anderen habe es sich um Mitglieder von Freiwilligengruppen gehandelt.
Einem Medienbericht vom Mai 2017 zufolge wurde bei Auseinandersetzungen zwischen der nationalen Polizei und Mitgliedern der Asa'ib Ahl al-Haqq in der Palästina-Straße in Bagdad ein Polizist getötet. Die Ursache der Auseinandersetzungen sei nicht bekannt.
Sot al-Iraq, berichtet im Juli 2017, dass laut einer in der Provinz Suleimaniya in der Region Kurdistan ansässigen Organisation der Faili-Kurden Mitglieder ihrer Gemeinschaft in Bagdad schikaniert würden, seitdem der Termin für das Referendum über die Unabhängigkeit Kurdistans angekündigt worden sei. Laut Angaben eines Mitglieds der Organisation seien Faili-Kurden in Bagdad Drohungen und Schikanen ausgesetzt. Asa'ib Ahl al-Haqq sei laut der Organisation für die Tötung von drei Faili-Kurden in der letzten Zeit verantwortlich, weitere seien direkt von der Miliz bedroht worden. Asa'ib Ahl al-Haqq habe auch kurdische Unternehmen in diesem Zusammenhang bedroht.
Quelle:
- ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq, 20.02.2017
- ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Milizen der Asaib Ahl al-Haqq seit 2013 bis heute; Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, 30.11.2017
- ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen, 02.02.2018
1.10. Zur Lage aktiver Baathisten sowie ehemaliger Mitglieder der Baath-Partei sowie deren Angehörige im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:
Von 1968 bis 2003 regierte die arabisch-sozialistische Baath-Partei den Irak. Die Baathisten waren 1963 kurzzeitig an die Macht gekommen und hatten sie 1968 wiedererlangt. Seit dieser Zeit konzentrierte sich die Macht der Partei unter dem irakischen Führer Saddam Hussein. Die Partei folgte einer säkularen arabisch-nationalistischen Ideologie, und durch die Baath-Partei konzentrierte sich die Macht über das Land unter der Kontrolle einer kleinen Elite, die durch Familien- und Stammesverbindungen verbunden war und weniger durch ideologische Überzeugungen. In den achtziger Jahren waren etwa 10 % der irakischen Bevölkerung Mitglieder der Partei. Die Baath-Partei wurde als brutales autoritäres Regime beschrieben, das die Regierung und die militärischen Institutionen durchdrang, um die Macht über die Bevölkerung zu bewahren. Saddam Hussein und die Baath-Partei benutzten Gewalt, Tötung, Folter, Hinrichtung und verschiedene Formen der Unterdrückung, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Ein besonders bekannter Vorfall war der Giftgasanschlag auf das nordkurdische Dorf Halabja, der im Jahr 1988 verübt wurde. Dabei wurden 5.000 Menschen getötet und 10.000 irakische Kurden verletzt, weil sie verdächtigt worden waren, dem Regime gegenüber nicht loyal zu sein.
Nach dem Zusammenbruch des Regimes von Saddam Hussein im Jahr 2003 wurde die Baath-Partei durch die 2005 verabschiedete neue Verfassung effektiv verboten. Ein vom irakischen Parlament im Juli 2016 verabschiedeter Gesetzesentwurf untersagt der arabisch-sozialistischen Baath-Partei jegliche politische, kulturelle, intellektuelle oder soziale Aktivität unter egal welchem Namen oder durch gleich welche medialen Kommunikationsmittel.
In der Baath-Partei gab es verschiedene Ränge. Der Bekanntheitsgrad musste nicht unbedingt mit einem hohen Rang einhergehen. Die Bekanntheit einer Person kann sich etwa durch mediale Bekanntheit, Begehen von Straftaten und dergleichen - oft im Rahmen ihres Berufs ergeben unabhängig davon, ob die Mitgliedschaft in der Baath-Partei unfreiwillig oder aus Überzeugung erfolgte.
Je nach Akteur werden aus strafrechtlichen, politischen oder kriminellen Motiven die Namenslisten gar nicht oder nur lokal öffentlich gemacht. Die Verwicklung eines Teils der Baathisten in terroristische Aktivitäten seit 2003, bzw. das Bestehen von Straftaten aus der Zeit vor 2003, sorgen für zusätzliche Intransparenz, wer welche Baathisten oder ehemalige Mitglieder aus welchen Gründen sucht. Umgekehrt ergibt sich daraus ein Interesse der bekannteren Baathisten oder solchen mit Straftaten, ihre Identität zu verschleiern. Eventuelle Namensänderungen, falsche Namen oder ein geänderter Gebrauch von Kurzversionen der meist eigentlich langen irakischen Namen erschweren die Recherchen.
Hinzukommt, dass viele Berufe oft mit der Mitgliedschaft in der Baath-Partei einhergingen. Dies traf Berufe wie LehrerInnen, aber auch die irakische Armee, sodass die Unterscheidung zwischen Baath-Mitgliedschaft und Beruf oft in den Quellen nicht gemacht wird. Was Angehörige betrifft, so verschleiert ein Teil von ihnen als Schutz ihr Verwandtschaftsverhältnis und zum Teil ist es nicht im Interesse der betroffenen Familien, dass z.B. Entführungen an die Öffentlichkeit kommen bzw. auf sich aufmerksam zu machen. Der (frühere) Reichtum des Zirkels um Saddam Hussein macht zudem diesen Personenkreis für Kriminelle oder als Geldbeschaffungsaktion für bewaffnete Gruppen in Form von Entführungen, Erpressungen, Überfällen etc. zusätzlich interessant. Diese Mischung von Faktoren erschwert das Auffinden von Informationen, wie sie sich auf die Gefährdungslage von Angehörigen von Baathisten oder ehemaligen Mitgliedern auswirkt und welche Faktoren in welcher Gewichtung dabei eine Rolle spielen.
Informationen zum Thema Verfolgung von Ex-Baath-Mitgliedern wurden vorwiegend in älteren Quellen gefunden. In aktuelleren Quellen finden sich viele Informationen zu der fortgesetzten De-Baathifizierungs-Politik der Regierung, der bezüglich der Baath-Partei eingeschränkten Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, des nicht vorangetriebenen "Aussöhnungsprozesses", der aktuellen Verhaftungen von gesuchten Baath-Mitgliedern, und bezüglich der ehemaligen Baath-Mitglieder, die sich dem Islamischen Staat oder anderen bewaffneten Gruppen anschlossen.
Während der Baath-Herrschaft haben sich viele Baath-Mitglieder zahlreicher Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht. Nach der US-Invasion in den Irak und der Entmachtung des Baath-Regimes kam es zu zahlreichen Verfolgungen und Morden an aktiven wie ehemaligen Mitgliedern. Verantwortlich dafür waren vorrangig schiitisch-assoziierte Milizen. Bereits im Mai 2003 wird zum Teil von hunderten Ex-Baathisten gesprochen, die alleine in Bagdad getötet worden sein sollen. Die Zahlen sind aber sehr unklar, eine andere Quelle von 2007 besagt, dass seit 2003 zumindest 200 Ex-Baathisten getötet wurden, sowie hunderte Familien aus ihren Häusern flüchten mussten. Wieder eine andere Quelle besagte im November 2006, dass die Zahl der seit Anfang 2006 getöteten Baathisten 1.556 erreicht hat, und dass keiner der Fälle untersucht worden war. Teilweise handelte es sich dabei um gezieltes Abarbeiten von Abschusslisten, teilweise waren es aber auch persönliche Racheakte. In den Jahren nach 2007 scheinen die Morde an ehemaligen und aktiven Mitgliedern der Baath abgenommen zu haben, viele Fälle bleiben aber nicht-dokumentiert. Mittlerweile gibt es Quellen wie das UK Home Office, die davon ausgehen, dass die meisten Fälle der gefährdetsten Baathisten entweder von den Behörden untersucht wurden oder die Betroffenen aus dem Land geflohen seien. Daher ist die Zahl der im Irak verbliebenen ehemaligen Baath-Mitgliedern, die einer Gefährdung unterliegen, sehr gering (soweit sie nicht einer Terrorgruppe wie dem "Islamischen Staat" beigetreten sind).
Dass sich viele (ehemalige) Baath-Mitglieder aufständischen Gruppen angeschlossen haben (und teilweise eben auch jihadistischen Gruppen) kann unter anderem auch als Resultat der breit angelegten De-Baathifizierungspolitik angesehen werden, denn viele Personen waren der Baath-Partei nicht aus ideologischen Gründen beigetreten, sondern um unter dem damaligen Regime überleben zu können (Schätzungen zufolge waren zwischen einer Million und 2,5 Millionen Iraker Mitglieder bei der Baath-Partei).
Es gibt eine Suchliste der 50 wichtigsten Ex-Baathisten der USA aus der Invasion von 2003 sowie weitere US-Listen von gesuchten Personen. Es gibt auch eine Sanktionsliste der UNO gegen Personen (sowie eine gegen Institutionen). Suchlisten können zudem von den zentralirakischen oder kurdischen Sicherheitskräften ausgehen. Hinzu kommen Todeslisten von Milizen, wobei unterstellte oder tatsächliche Aktivitäten von Baathisten vor 2003, aber auch nach 2003 (z.B. eine angebliche oder tatsächliche Mitgliedschaft in einer aufständischen Gruppe) der Hintergrund für das Aufscheinen in solchen Listen sein können. Umgekehrt wurde auch eine baathistische Todesliste gegen Vertreter der Regierungen nach 2003 und deren Angehörige bekannt.
Im Irak ist es weiterhin verboten, die Baath-Partei zu unterstützen, oder Vereinigungen zu gründen oder solchen anzugehören, die die Baath-Partei unterstützen. Die weitreichende De-Baathifizierungs-Politik der schiitisch dominierten Regierung wurde dazu genutzt, um allgemein Sunniten zu marginalisieren, und tausenden Sunniten (Baath-Mitglieder waren zumeist Sunniten) die Möglichkeit zu entziehen, im öffentlichen Sektor zu arbeiten. Später sollten der sogenannte "Aussöhnungsprozess" und eine Modifizierung des De-Baathifizierungsgesetzes als Schritt dienen, ehemalige (niederrangige) Baath-Mitglieder wieder ins politische Leben zu integrieren. Gleichzeitig kommt es immer wieder (auch heute noch) zu Verhaftungen von Baath-Mitgliedern [ob diese nach 2003 noch aktive Mitglieder waren, wird nicht unbedingt angeführt], die sich während des Saddam-Regimes an Menschenrechtsverletzungen beteiligt hatten. Weitere Baathisten (unabhängig vom Rang) und ehemalige Baath-Mitglieder werden weiterhin wegen ihrer Taten vor und/oder nach 2003 gesucht. Z.B. kam es in Kirkuk immer wieder zu Verhaftungen. Zum Teil wurden diese Personen auch beschuldigt, sich nach Fall des Saddam-Regimes Rebellen- und Jihadisten-Gruppen angeschlossen zu haben. Das Verhältnis zwischen Kurden und Baathisten (und Arabern allgemein) ist unter anderem als Folge der Anfal-Kampagne Saddam Hussein's gegen die Kurden im Irak nach wie vor stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Kurden stellen ab dem Jahr 2003 in Kirkuk die politische Mehrheit und gingen damals hart mit arabischen Siedlern und ehemaligen Baathisten um. Interviews der Autoren einer schwedischen Studie zufolge behandeln sie die Araber, als wären sie alle Teil des Baath-Regime gewesen.
Am 30. Juli 2016 brachte das Parlament das "Banning the Ba'ath, Entities and Racist Parties and Takfiri and Terrorist Activities Party Law" durch, das von Vielen als jenes Gesetz dargestellt wurde, das gegen die Ungerechtigkeiten des De-Baathifizierungsprozesses vorgehen sollte. Allerdings hat das neue Gesetz laut US-Department of State die Stigmatisierung jener Personen, die mit der Baath-Partei assoziiert werden, nicht verringert, sondern die De-Baathifizierung eher sogar verstärkt. Während es bei bisherigen De-Baathifizierungsprozessen eher darum ging, einzelne Personen davon abzuhalten, politisch am "Baathismus teilzunehmen", oder wirtschaftlich davon zu profitieren, kriminalisiert das neue Gesetz alleine schon die Idee des "Baathismus". Das Gesetz kriminalisiert im Speziellen Baathisten, die an Kundgebungen, Demonstrationen oder Sit-ins teilnehmen.
Das Gesetz wird vom US-Department of State somit als Schlag gegen Prinzipien wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Antidiskriminierung gesehen. Nachdem die Definition von "baathistischen Aktivitäten" sehr weit gefasst ist, und verlautbart wurde, dass das neue Gesetz gegenüber jeder Organisation, Partei oder bezüglich jeder Aktivität angewendet werden kann, kann das neue Gesetz dazu führen, dass politische Parteien, NGOs, Organisationen der Zivilgesellschaft und Gruppen von Bürgern, die demonstrieren oder einfach nur Meetings abhalten, damit bereits das Gesetz brechen.
Laut UK Home Office umfasste die Baath-Partei (Mitglieder plus Sympathisanten) ca 1,2 bis 2 Millionen Personen. 400 000 davon waren Vollmitglieder, von diesen 65 000 hochrangige Mitglieder. Besonders in den höheren Rängen dominierten arabische Sunniten. Die eigentliche Macht konzentrierte sich in dem kleinen Zirkel um Saddam Hussein, der auf tribalen oder persönlichen Verbindungen beruhte.
Gemäß UNHCR-Guidelines von 2007 wurde die Baath-Partei 2003 verboten und Baath-Mitglieder der vier höchsten Ränge sowie alle Angestellten des öffentlichen Dienstes der drei höchsten Verwaltungsebenen und voller Baath-Mitgliedschaft (unabhängig vom Rang) verloren ihre Arbeit. Die Armee, paramilitärische Einheiten und die Nachrichtendienste wurden aufgelöst und alle Mitarbeiter ab dem Rang Oberst wurden entlassen. Von den 30.000 Personen wurden zwar 15.000 Personen rehabilitiert, und einzelne Baathisten wurden aufgrund ihrer Spezialisierung benötigt, aber unter Premierminister al-Maliki kam es zu weiteren Säuberungswellen, auch wenn 2006 die meisten ehemaligen Baath-Mitglieder wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren konnten oder wieder ihre Pensionen erhielten.
Nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003 wurde die Baath-Partei verboten und höherrangige Baath-Partei-Mitglieder wurden im Zuge des De-Baathifizierungsgesetzes aus ihren Ämtern entfernt. Zu dieser Zeit gab es sogenannte Abschusslisten, anhand derer Baathisten verfolgt und getötet wurden. Dies betraf nicht nur hochrangige Mitglieder, sondern auch Menschen, die in ihren Gemeinden als [einfache] Partei-Mitglieder bekannt waren. Das Ausmaß der Verfolgung war nicht zwangsläufig daran geknüpft, ob eine Person hochrangiges oder niederrangiges Mitglied war, sondern wie bekannt die Baath-Parteimitgliedschaft in der Gesellschaft war, und ob die Person sich aus Sicht der Gesellschaft "schuldig" gemacht hat. Wenn es heute einen Angriff auf eine Person gibt, ist oft schwer zu sagen, ob es in Zusammenhang mit seiner früheren Partei-Mitgliedschaft oder etwas anderem steht - zum Beispiel mit seiner Tätigkeit nach 2003. Die gezielte Verfolgung von früheren Baathisten speziell auf Grund ihrer ehemaligen Mitgliedschaft ist heute weniger allgegenwärtig als damals, allerdings kann es gelegentlich vorkommen.
Die meisten der gefährdetsten Baathisten haben dem UK Home Office Policy-Dokument über Baathisten zufolge entweder das Land verlassen oder die neuen Behörden befassten sich mit ihnen. Daher ist die Zahl der im Irak verbliebenen Baathisten, die einer Gefährdung unterliegen, sehr gering. Unter manchen Umständen könnte eine Person aufgrund baathistischer Verbindungen durch den Staat oder schiitische Milizen gefährdet sein. Das Risiko hängt von den Tätigkeiten/Taten der Person (oder deren Verwandtem - im Fall von Angehörigen) ab und wodurch sie die Aufmerksamkeit erlangten.
Laut UNHCR (Stand 2007) kann der Rang in der Baath-Partei, in der Politik oder im Sicherheitsapparat ein entscheidender Faktor sein, ob jemand Ziel von Angriffen wird. Aber es wurden auch niederrangige Offizielle ermordet oder angegriffen, weil ihre Aktivitäten -z.B. die Suche nach der Deserteuren etc., in ihrer Umgebung bekannt waren. Auch eine Anzahl von niederrangigen Mitarbeitern der Bürokratie wie Lehrer und Professoren wurden umgebracht. An manchen Leichen waren Notizen angebracht, die sie klar als Baath-Partei-Mitglieder identifizierten.
Frühere Mitglieder der Baath-Partei sowie der politischen und Sicherheitsapparate können laut Berichtstand 2007 Schikanen, Einschüchterungen und physischer Gewalt, einschließlich Ermordung, ausgesetzt sein. Berichten zufolge haben schiitische Milizen Listen aus geplünderten Unterlagen über Baath-Mitglieder erstellt. Die Drohungen gelten sowohl Sunniten wie Schiiten. Ehemaligen Mitgliedern des Staatsapparats werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Erfahrungen mit der alten irakischen Justiz verleitet auch Menschen dazu, zur Selbstjustiz zu greifen.
In einem Artikel der US-amerikanischen Tageszeitung The Washington Post vom Mai 2003 findet sich die Information, dass die Iraker [im Anschluss an die US-Invasion am 20.3.2003] damit begannen, ehemalige Mitglieder der Baath-Partei zu töten. Viele Iraker zweifelten daran, dass die US-amerikanische Besatzung die mittelrangigen Funktionäre, von denen sie sagten, dass sie sie drei Dekaden lang gepeinigt hätten, ausreichend bestrafen würden, und nahmen daher die Angelegenheit selbst in die Hand. Wie viele ehemalige Baath-Mitglieder getötet wurden, ist sehr schwer zu sagen, aber vermutlich waren es alleine in Bagdad einige hundert. Die Mörder gingen offenbar nach Listen über Informanten vor, andere jedoch töteten einfach prominente Ex-Baathisten, darunter auch z.B. einen Sänger, der für seine Oden auf Saddam Hussein bekannt war.
Die auf humanitäre Themen fokussierende Nachrichtenagentur IRIN, ein vormaliges Projekt des United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), berichtete im Juli 2007, dass ehemalige Mitglieder der Baath-Partei von schiitisch-assoziierten Milizen verfolgt würden. Zumindest 200 Ex-Mitglieder der Partei seien bereits getötet worden, hunderte Familien wurden gezwungen, aus ihren Häusern zu flüchten. Laut dem Sprecher der Iraqi Brothers Relief, einer NGO, die im südlichen Irak tätig ist, würden die Milizen 4.000 Mitglieder der Baath-Partei "vernichten" wollen. Dabei hätten die meisten Menschen, die während des Regimes von Saddam Hussein Mitglieder der Baath-Partei wurden, gar nicht die Chance gehabt, sich dagegen zu wehren, und wären gezwungen gewesen, beizutreten. UNHCR berichtet auch für die Jahre 2008 und 2009 mehrere Morde an ehemaligen Baathisten, die in den Medien dokumentiert wurden. Andere Fälle blieben möglicherweise ohne Dokumentation. UNHCR spricht von einer Verringerung der Angriffe. Das UNHCR-Positionspapier zum Irak vom 14.11.2016 enthält keine Informationen zur Verfolgung von Baath-Mitgliedern.
Laut UK Home Office gab es laut einem dänischen Bericht aus dem Jahr 2003 keine Hinweise auf gezielte Angriffe auf Angehörige von ehemaligen Baath-Mitgliedern. Allerdings gab es Beispiele von Angehörigen, die Anschlägen zum Opfer fielen, die ehemaligen Baath-Mitgliedern galten.
1.11. Zur aktuellen Lage im Staat Irak werden schließlich folgende (allgemeinen) Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:
1. Politische Lage
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.02.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).
An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).
Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vergleiche RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005). Am 002.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 02.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).
Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018) Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018). Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018). Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).
In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vergleiche IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).
Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.02.2018).
Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 09.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).
Im Irak leben ca. 36 Millionen Einwohner, wobei die diesbezüglichen Schätzungen unterschiedlich sind. Die letzte Volkszählung wurde 1997 durchgeführt. Im Gouvernement Bagdad leben ca. 7,6 Millionen Einwohner. Geschätzte 99% der Einwohner sind Moslems, wovon ca. 60%-65% der schiitischen und ca. 32%-37% der sunnitischen Glaubensrichtung angehören (CIA World Factbook 2014-2015, AA 12.02.2018). Die ethnische und religiöse Zusammensetzung der einzelnen Regionen des Irak ist aus der Grafik im Punkt Minderheiten ersichtlich.
1.1. Parteienlandschaft
Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).
Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vergleiche BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vergleiche WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vergleiche Guardian 12.5.2018). Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)
Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).
Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).
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1.2. Protestbewegung
Die Protestbewegung, die es schon seit 2014 gibt, gewinnt derzeit an Bedeutung. Zumeist junge Leute gehen in Scharen auf die Straße, fordern bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus (WZ 9.10.2018). Im Juli 2018 brachen im Süden des Landes, in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr Proteste aus. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Reich an Ölvorkommen, liefert die Provinz Basra 80 Prozent der Staatseinnahmen des Irak. Unter den Einwohnern der Provinz wächst jedoch das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen dem enormem Reichtum und ihrer eigenen täglichen Realität von Armut, Vernachlässigung, einer maroden Infrastruktur, Strom- und Trinkwasserknappheit (Carnegie 19.9.2018; vergleiche NPR 27.9.2018).
Die Proteste im Juli weiteten sich schnell auf andere Städte und Provinzen im Süd- und Zentralirak aus (DW 15.7.2018; vergleiche Presse 15.7.2018, CNN 17.7.2018, Daily Star 19.7.2018). So gingen tausende Menschen in Dhi Qar, Maysan, Najaf und Karbala auf die Straße, um gegen steigende Arbeitslosigkeit, Korruption und eine schlechte Regierungsführung, sowie die iranische Einmischung in die irakische Politik zu protestieren (Al Jazeera 22.7.2018). Die Proteste erreichten auch die Hauptstadt Bagdad (Joel Wing 25.7.2018; vergleiche Joel Wing 17.7.2018). Am 20.7. wurden Proteste in 10 Provinzen verzeichnet (Joel Wing 21.7.2018). Demonstranten setzten die Bürogebäude der Da'wa-Partei, der Badr-Organisation und des Obersten Islamischen Rats in Brand; praktisch jede politische Partei wurde angegriffen (Al Jazeera 22.7.2018). Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, sowie zu Todesfällen (Kurier 15.7.2018; vergleiche CNN 17.7.2018, HRW 24.7.2018). Ende August war ein Nachlassen der Demonstrationen zu verzeichnen (Al Jazeera 3.8.2018). Im September flammten die Demonstrationen wieder auf. Dabei wurden in Basra Regierungsgebäude, die staatliche Fernsehstation, das iranische Konsulat, sowie die Hauptquartiere fast aller Milizen, die vom Iran unterstützt werden, angegriffen. Mindestens 12 Demonstranten wurden getötet (Vox 8.9.2018; vergleiche NPR 27.9.2018).
2. Sicherheitslage
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich verbessert, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde (CRS 4.10.2018; vergleiche MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv und ist die Sicherheitslage regional unterschiedlich (CRS 4.10.2018).
Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates in allen Fällen sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen. aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten und zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren (AA 12.02.2018).
In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.02.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es weiterhin zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).
Die im Folgenden dargestellte Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle und ziviler Opfer ist im Kontext der Bevölkerungsanzahl eines Gouvernements zu sehen. Im Folgenden findet sich eine Tabelle mit Schätzungen der Bevölkerungszahlen der irakischen Provinzen (herausgegeben von der Republik Irak, mit Stand 2009):
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(Quelle: Republik Irak, zitiert bei UK HO 3.2017)
2.1. Islamischer Staat (IS)
Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 03.07.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 06.10.2018).
Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 04.10.2018; vergleiche ISW 02.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 04.10.2018). Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Rückzugsgebiete des IS, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und wo sich IS-Kämpfer tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 06.10.2018). Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vergleiche WP 17.7.2018).
Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 06.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.08.2018).
2.2. Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen
Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 06.02.2018).
So wurden beispielsweise im September 2018 vom Irak-Experten Joel Wing 210 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 195 Todesopfern im Irak verzeichnet. Dem standen im September des Jahres 2017 noch 306 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 728 Todesopfern gegenüber. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 06.10.2018).
Die folgenden Grafiken von Iraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer dar. Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. Das erste Diagramm stellt die von IBC dokumentierten zivilen Todesopfer im Irak seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Die zweite Tabelle gibt die Zahlen selbst an. Laut Tabelle. dokumentierte IBC im September 2018 241 zivile Todesopfer im Irak. Im September 2017 betrug die Zahl von IBC dokumentierter ziviler Todesopfer im Irak 490; im September 2016 935. Insgesamt dokumentierte IBC von Januar bis September 2018 2.699 getötete Zivilisten im Irak. Im Jahr 2017 dokumentierte IBC 13.178 zivile Todesopfer im Irak; im Jahr 2016 betrug diese Zahl 16.393 (IBC 9.2018).
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(IBC - Iraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 31.10.2018)
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(IBC - Iraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence. https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 31.10.2018)
Der sich im Jahr 2018 bereits in der ersten Jahreshälfte abzeichnende Trend einer sich stetig verbessernden Sicherheitslage setzte sich bis zuletzt fort, was aus den untenstehenden Grafiken ersichtlich ist.
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(MOI - Musings on Iraq (12.2018): http://musingsoniraq.blogspot.com/2018/12/large-drop-in-violence-in-iraq-november.html, Zugriff 04.12.2018)
Im November 2018 wurde die geringste Anzahl ziviler Opfer im Irak seit sechs Jahren verzeichnet (UNAMI 3.12.2018).
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Die Bundesjustiz besteht aus dem Obersten Justizrat (Higher Judicial Council, HJC), dem Bundesgerichtshof, dem Kassationsgericht, der Staatsanwaltschaft, der Justizaufsichtskommission und anderen Bundesgerichten, die durch das Gesetz geregelt werden. Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft (LIFOS 8.5.2014). Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts (AA 12.02.2018).
Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (Stanford 2013; vergleiche AA 12.02.2018). Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Darüber hinaus schwächen die Sicherheitslage und die politische Geschichte des Landes die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 20.04.2018). Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt (AA 12.02.2018). Zudem ist die Justiz von Korruption, politischem Druck, Stammeskräften und religiösen Interessen beeinflusst. Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich viele Iraker an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt (FH 16.1.2018).
Eine Verfolgung von Straftaten findet nur unzureichend statt (AA 12.02.2018). Strafverfahren sind zutiefst mangelhaft (FH 16.1.2018). Es mangelt an ausgebildeten, unbelasteten Richtern; eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und zuweilen auf 30 Tage ausgedehnt. Es gibt häufig Fälle überlanger Untersuchungshaft, ohne dass die Betroffenen, wie vom irakischen Gesetz vorgesehen, einem Richter oder Staatsanwalt vorgeführt würden. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. Insbesondere Sunniten beschweren sich über "schiitische Siegerjustiz" und einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten. Das seit 2004 geltende Notstandsgesetz ermöglicht der Regierung Festnahmen und Durchsuchungen unter erleichterten Bedingungen (AA 12.02.2018).
Korruption oder Einschüchterung beeinflussen Berichten zufolge einige Richter in Strafsachen auf der Prozessebene und bei der Berufung vor dem Kassationsgericht. Die Integritätskommission untersucht routinemäßig Richter wegen Korruptionsvorwürfen, aber einige Untersuchungen sind Berichten zufolge politisch motiviert. Zahlreiche Drohungen und Morde durch konfessionelle, extremistische und kriminelle Elemente sowie der Stämme beeinträchtigten die Unabhängigkeit der Justiz. Richter, Anwälte und ihre Familienangehörigen sind häufig mit Morddrohungen und Angriffen konfrontiert (USDOS 20.04.2018). Nicht nur Polizei Richter, sondern auch Anwälte, können dem Druck einflussreicher Personen, z.B. der Stämme, ausgesetzt sein. Dazu kommt noch Überlastung. Ein Untersuchungsrichter kann beispielsweise die Verantwortung über ein Gebiet von einer Million Menschen haben, was sich negativ auf die Rechtsstaatlichkeit auswirkt (LIFOS 8.5.2014).
Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte routinemäßig, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. In zahlreichen Fällen dienen erzwungene Geständnisse als primäre Beweisquelle. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, ist der unzureichende Zugang der Angeklagten zu Verteidigern ein schwerwiegender Mangel im Verfahren. Viele Angeklagte treffen ihre Anwälte zum ersten Mal während der ersten Anhörung und haben nur begrenzten Zugang zu Rechtsbeistand während der Untersuchungshaft. Dies gilt insbesondere für die Anti-Terror-Gerichte, wo Justizbeamte Berichten zufolge versuchen, Schuldsprüche und Urteilsverkündungen für Tausende von verdächtigen IS-Mitgliedern in kurzer Zeit abzuschließen (USDOS 20.04.2018).
2017 endeten viele Schnellverfahren gegen Terrorverdächtige mit Todesurteilen. Zwischen Juli und August 2017 erließen die irakischen Behörden auch Haftbefehle gegen mindestens 15 Rechtsanwälte, die mutmaßliche IS-Mitglieder verteidigt hatten. Den Anwälten wurde vorgeworfen, sie stünden mit dem IS in Verbindung (AI 22.2.2018).
Nach Ansicht der Regierung gibt es im Irak keine politischen Gefangenen. Alle inhaftierten Personen sind demnach entweder strafrechtlich verurteilt oder angeklagt oder befinden sich in Untersuchungshaft. Politische Gegner der Regierung behaupteten jedoch, diese habe Personen wegen politischer Aktivitäten oder Überzeugungen unter dem Vorwand von Korruption, Terrorismus und Mord inhaftiert oder zu inhaftieren versucht (USDOS 20.04.2018).
4. Sicherheitskräfte und Milizen
Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle ausgeübt (USDOS 20.04.2018).
4.1. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)
Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces) und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 20.04.2018).
Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Sie sind noch nicht befähigt, landesweit den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Ohnehin gibt es keine gesetzliche Regelung der Befugnisse der Polizei, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitgehend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung. Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 12.02.2018).
Es gibt Berichte über nicht näher quantifizierbare Fälle von Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums. Nach Angaben internationaler Menschenrechtsorganisationen findet Missbrauch vor allem während der Verhöre inhaftierter Personen im Rahmen der Untersuchungshaft statt. Probleme innerhalb der Provinzpolizei des Landes, einschließlich Korruption, bleiben weiterhin bestehen. Armee und Bundespolizei rekrutieren und entsenden bundesweit Soldaten und Polizisten. Dies führt zu Beschwerden lokaler Gemeinden bezüglich Diskriminierung aufgrund ethno-konfessioneller Unterschiede durch Mitglieder von Armee und Polizei. Die Sicherheitskräfte unternehmen nur begrenzte Anstrengungen, um gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren (USDOS 20.04.2018).
4.2. Volksmobilisierungseinheiten (PMF)
Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 20.04.2018). Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.02.2018).
Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.02.2018). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten das Assad-Regime in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und der iranischen Revolutionsgarde. Ende 2017 war keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch Premierminister und ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderung in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 20.04.2018).
Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa'ib Ahl al-Haqq und den Kata'ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen von Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF. Diese Meldungen haben sich mit dem Konflikt um die umstrittenen Gebiete zum Teil verschärft (AA 12.02.2018).
Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war [Anm. der "Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak" wurde später zum "Obersten Islamischen Rat im Irak" (OIRI), siehe Abschnitt "Politische Lage"]. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft der PMF. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und ist Miliz und politische Partei in einem (Süß 21.8.2017).
Die Kata'ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) wurden 2007 von Abu Mahdi al-Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der PMF. Kata'ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).
Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die amerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der PMF (Süß 21.8.2017).
Die Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 2014 nach der Fatwa von Großayatollah Ali al-Sistani, in der alle junge Männer dazu aufgerufen wurden, sich im Kampf gegen den IS den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten im Irak anzuschließen, von Muqtada as-Sadr gegründet. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017).
Auch die Kata'ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl al-Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr- Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, den Kata'ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feldkommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017).
Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF
Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).
Die militärischen Erfolge der PMF gegen den IS steigerten ihre Popularität vor allem bei der schiitischen Bevölkerung, gleichzeitig wurden allerdings auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Hinrichtungen, Entführungen und Zerstörung von Häusern veröffentlicht (Süß 21.8.2017). In Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, klagen Einheimische, dass sich die PMF gesetzwidrig und unverhohlen parteiisch verhalten. In Mosul beispielsweise behaupteten mehrere Einwohner, dass die PMF weit davon entfernt seien, Schutz zu bieten, und durch Erpressung oder Plünderungen illegale Gewinne erzielten. PMF-Kämpfer haben im gesamten Nordirak Kontrollpunkte errichtet, um Zölle von Händlern einzuheben. Auch in Bagdad wird von solchen Praktiken berichtet. Darüber hinaus haben die PMF auch die Armee in einigen Gebieten verstimmt. Zusammenstöße zwischen den PMF und den regulären Sicherheitskräften sind häufig. Auch sind Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen der PMF weitverbreitet. Die Rivalität unter den verschiedenen Milizen ist groß (ICG 30.7.2018).
Neben der Finanzierung durch den irakischen, sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf - mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/2004 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem dermaßen hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen - oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen waren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, die hauptsächlichen Opfer sind zahlungsfähige Iraker (Posch 8.2017).
5. Folter und unmenschliche Behandlung
Folter und unmenschliche Behandlung sind der irakischen Verfassung zufolge ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren angewandt, etwa bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Laut Informationen von UNAMI sollen u. a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören. Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz übergeben, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (AA 12.02.2018).
Es gibt Berichte, dass die Polizei in nicht quantifizierbaren Fällen mit Gewalt Geständnisse erzwingt und Gerichte diese als Beweismittel akzeptieren. Weiterhin bestehen Vorwürfe dahingehend, dass Sicherheitskräfte der Regierung, einschließlich der mit den PMF verbundenen Milizen, Personen während Verhaftungen, Untersuchungshaft und nach Verurteilungen misshandeln und foltern. Internationale Menschenrechtsorganisationen dokumentierten verschiedene Fälle von Folter und Misshandlung in Einrichtungen des Innenministeriums und in geringerem Umfang in Haftanstalten des Verteidigungsministeriums sowie in Einrichtungen unter KRG-Kontrolle. Ehemalige Gefangene, Häftlinge und Menschenrechtsgruppen berichteten von einer Vielzahl von Folterungen und Misshandlungen (USDOS 20.04.2018).
Gegen Ende der Kämpfe um Mossul zwischen Mai und Juli 2017 häuften sich Berichte, wonach irakische Einheiten, darunter Spezialkräfte des Innenministeriums, Bundespolizei und irakische Sicherheitskräfte, Männer und Jungen, die vor den Kämpfen flohen, festnahmen, folterten und außergerichtlich hinrichteten (AI 22.2.2018).
In ihrem Kampf gegen den IS haben irakische Streitkräfte eine nicht feststellbare Anzahl an IS-Verdächtigen gefoltert, hingerichtet oder gewaltsam verschwinden lassen. Zahlreiche gefangene IS-Verdächtige haben behauptet, die Behörden hätten sie durch Folter zu Geständnissen gezwungen. Während der Militäreinsätze zur Befreiung von Mosul, haben irakische Streitkräfte mutmaßliche IS-Kämpfer, die auf dem Schlachtfeld oder in dessen Umfeld gefangen genommen worden waren, ungestraft gefoltert und hingerichtet, manchmal sogar nachdem sie Fotos und Videos der Misshandlungen auf Social Media Seiten veröffentlicht hatten (HRW 18.01.2018).
6. Wehrdienst, Rekrutierungen und Wehrdienstverweigerung
Im Irak besteht keine Wehrpflicht. Nach dem Sturz Saddam Husseins wurde die zuvor bestehende allgemeine Wehrpflicht abgeschafft und ein Freiwilligen-Berufsheer eingeführt. Männer zwischen 18 und 40 Jahren können sich freiwillig zum Militärdienst melden (AA 12.02.2018; vergleiche CIA 12.7.2018). Finanzielle Anreize machen die Arbeit beim Militär zu einer attraktiven Karriere (Niqash 24.3.2016; vergleiche Rudaw 15.12.2015).
Die Armee hat allerdings Schwierigkeiten, Soldaten dauerhaft an sich zu binden (Reuters 4.6.2016, vergleiche Strachan 2016). Einer der Hauptgründe dafür ist auch, dass die meisten jungen schiitischen irakischen Männer es mittlerweile vorziehen, sich den paramilitärischen Einheiten (Popular Mobilisation Forces) anzuschließen, denen es gelingt, die konfessionell aufgeheizte Stimmung für ihre Rekrutierungspolitik zu nutzen. Es gibt von Seiten der Öffentlichkeit massiven Druck, sich den PMF anzuschließen. Auch kann das Gehalt bei diesen Milizen mitunter höher sein als jenes bei der irakischen Armee (Strachan, A.L. 2016, vergleiche Lattimer 23.6.2017). Ebenso wie dieser gesellschaftliche Druck, sich den PMF anzuschließen, sehr groß sein kann, kann auch das Verlassen der Miliz (sowie auch der Armee) als Schande gesehen werden und schwerwiegende Konsequenzen haben (Lattimer 23.6.2017). Auf Zwangsrekrutierungen scheinen die Milizen der PMF grundsätzlich nicht angewiesen zu sein, da sie ausreichend Zulauf von Freiwilligen haben und diesbezüglich keine Engpässe zu haben scheinen (AIO 12.6.2017, vergleiche CEIP 1.2.2016). Nur in vereinzelten Fällen wurde von Zwangsrekrutierungen durch die PMF-Milizen berichtet (Wille 26.04.2017). Es gibt Berichte von Binnenflüchtlingen, die Checkpoints nur dann überqueren durften, wenn sich die Männer PMF-Milizen anschlossen, andernfalls müssten sie in ihre Heimatprovinz zurückkehren (Global Security o.D. vergleiche UNAMI 13.7.2015, vergleiche Al-Araby 8.5.2015). Es wurde auch berichtet, dass Männer und Jugendliche (IDPs aus IS-Gebieten) ab 15 Jahren unter Druck gesetzt wurden, bewaffneten Stammesgruppen zur Bekämpfung des IS beizutreten, um nicht als IS-Anhänger zu gelten (UNHCR 14.11.2016).
7. Allgemeine Menschenrechtslage
Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.02.2018).
Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte "Ehrenmorde"; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.04.2018).
Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch noch im Jahr 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS-Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf "Geständnissen" basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018).
Es gibt zahlreiche Berichte, dass der IS und andere terroristische Gruppen, sowie einige Regierungskräfte, einschließlich der PMF, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben. Es gibt keine öffentlich zugängliche umfassende Darstellung des Umfangs des Problems verschwundener Personen. Obwohl die PMF offiziell unter dem Kommando des Premierministers stehen, operieren einige PMF-Einheiten nur unter begrenzter staatlicher Aufsicht oder Rechenschaftspflicht (USDOS 20.04.2018).
8. Todesstrafe
Im irakischen Strafrecht ist die Todesstrafe vorgesehen, sie wird auch verhängt und vollstreckt. Irak ist eines der Länder mit der höchsten Zahl von verhängten Todesstrafen (AA 12.02.2018; vergleiche HRW 18.01.2018, AI 12.4.2018).
Aktuelle Daten liegen nicht vor, da die irakische Regierung die Zahlen nicht mehr regelmäßig an die Vereinten Nationen berichtet und auch auf Nachfrage keine verlässlichen Angaben veröffentlicht werden. Laut Berichten von NGOs sind 1.816 Personen aktuell zum Tode verurteilt (AA 12.02.2018), gemäß einer anderen Quelle sind es sogar über 3.000 (AI 21.3.2018). Human Rights Watch berichtet von mindestens 78 Hinrichtungen von verurteilten IS-Mitgliedern im Jahr 2017. Es gibt seit kurzem Berichte über wöchentlich 3-4 Vollstreckungen der Todesstrafe, was die jährliche Zahl verdoppeln würde (AA 12.02.2018). Hintergrund könnte sein, dass aktuell insbesondere ehemalige IS-Kämpfer - oder Personen die dessen beschuldigt werden - massenhaft in unzulänglichen Prozessen zu Tode verurteilt werden (AA 12.02.2018; vergleiche AI 21.3.2018).
Problematisch sind bereits seit Jahren die Bandbreite und die mitunter fehlende rechtliche Klarheit der Straftatbestände, für die die Todesstrafe verhängt werden kann: neben Mord und Totschlag unter anderem auch wegen des Verdachts auf staatsfeindliche Aktivitäten, Vergewaltigung, Einsatz von chemischen Waffen und insbesondere wegen terroristischer Aktivitäten unterschiedlicher Art. Die Todesstrafe stößt in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz (AA 12.02.2018).
9. Religionsfreiheit
Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Gemäß Artikel 2, Absatz eins, ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung (AA 12.02.2018). Es darf kein Gesetz erlassen werden das den "erwiesenen Bestimmungen des Islams" widerspricht (USDOS 29.5.2018; vergleiche RoI 15.10.2005). In Absatz 2, wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Explizit erwähnt werden in diesem Zusammenhang Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer, jedoch nicht Anhänger anderer Religionen (RoI 15.10.2005; vergleiche USDOS 29.5.2018).
Artikel 3, der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes (AA 12.02.2018; vergleiche UNHCR 15.1.2018). Artikel 43, verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht (AA 12.02.2018). Das Zivilgesetz sieht einen einfachen Prozess für die Konversion eines Nicht-Muslims zum Islam vor. Die Konversion eines Muslims zu einer anderen Religion ist jedoch gesetzlich verboten (USDOS 29.5.2018).
Die folgenden religiösen Gruppen werden durch das Personenstandsgesetz anerkannt: Muslime, chaldäische Christen, assyrische Christen, assyrisch-katholische Christen, syrisch-orthodoxe Christen, syrisch-katholische Christen, armenisch-apostolische Christen, armenisch-katholische Christen, römisch-orthodoxe Christen, römisch-katholische Christen, lateinisch-dominikanische Christen, nationale Protestanten, Anglikaner, evangelisch-protestantische Assyrer, Adventisten, koptisch-orthodoxe Christen, Jesiden, Sabäer-Mandäer und Juden. Die staatliche Anerkennung ermöglicht es den Gruppen, Rechtsvertreter zu bestellen und Rechtsgeschäfte wie den Kauf und Verkauf von Immobilien durchzuführen. Alle anerkannten religiösen Gruppen haben ihre eigenen Personenstandsgerichte, die für die Behandlung von Ehe-, Scheidungs- und Erbschaftsfragen zuständig sind. Laut der jesidischen NGO Yazda gibt es jedoch kein Personenstandsgericht für Jesiden (USDOS 29.5.2018).
Das Gesetz verbietet die Ausübung des Bahai-Glaubens und der wahhabitischen Strömung des sunnitischen Islams (USDOS 29.5.2018; vergleiche UNHCR 15.1.2018).
Die alten irakischen Personalausweise enthielten Informationen zur Religionszugehörigkeit einer Person, was von Menschenrechtsorganisationen als Sicherheitsrisiko im aktuell herrschenden Klima religiös-konfessioneller Gewalt kritisiert wurde. Mit Einführung des neuen Personalausweises wurde dieser Eintrag zeitweise abgeschafft. Mit Verabschiedung eines Gesetzes zum neuen Personalausweis im November 2015 wurde allerdings auch wieder ein religiöse Minderheiten diskriminierender Passus aufgenommen: Artikel 26, besagt, dass Kinder eines zum Islam konvertierenden Elternteils automatisch auch als zum Islam konvertiert geführt werden (AA 12.02.2018). Es wird berichtet, dass das Gesetz faktisch zu Zwangskonvertierungen führt, indem Kinder mit nur einem muslimischen Elternteil (selbst Kinder, die infolge von Vergewaltigung geboren wurden) als Muslime angeführt werden müssen. Christliche Konvertiten berichten auch, dass sie gezwungen sind, ihr Kind als Muslim zu registrieren oder das Kind undokumentiert zu lassen, was die Berechtigung auf staatliche Leistungen beeinträchtigt (USDOS 29.5.2018).
Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im irakischen Parlament vertreten. Grundlage bildet ein Quotensystem bei der Verteilung der Sitze (fünf Sitze für die christliche Minderheit sowie jeweils einen Sitz für Jesiden, Sabäer, Mandäer und Schabak). Das kurdische Regionalparlament sieht jeweils fünf Sitze für Turkmenen, Chaldäer und assyrische Christen sowie einen für Armenier vor (AA 12.02.2018).
Es gibt weiterhin Berichte, dass die irakischen Sicherheitskräfte (ISF), einschließlich der Peshmerga und schiitischer Milizen, sunnitische Gefangene töten. Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten. Internationale Menschenrechtsorganisationen erklären, dass die Regierung es immer noch verabsäumt ethnisch-konfessionelle Verbrechen zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, einschließlich Verbrechen, die von bewaffneten Gruppen in den vom IS befreiten Gebieten ausgeübt wurden. Sunnitische Araber berichten weiterhin, dass manche Regierungsbeamte bei Festnahmen und Inhaftierungen konfessionelles Profiling vornehmen, sowie Religion als bestimmenden Faktor bei der Vergabe von Arbeitsplätzen benützen (USDOS 29.5.2018).
Minderheiten sind auch weiterhin mit Belästigungen, einschließlich sexueller Übergriffe, und Einschränkungen durch lokale Behörden in einigen Regionen konfrontiert. Da Religion, Politik und Ethnizität oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, viele Vorfälle als ausschließlich auf religiöser Identität beruhend zu kategorisieren. Einige Jesiden und christliche Führer berichten von Belästigungen und Misshandlungen durch kurdische Sicherheitskräfte, einschließlich Anforderungen für Sicherheitsgenehmigungen, die von den Asayish auferlegt werden und die die Bewegungsfreiheit von Jesiden zwischen der Provinz Dohuk und dem Sinjar-Gebiet einschränken. Christen berichten von Belästigungen und Misshandlungen an zahlreichen Checkpoints, die von Einheiten der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) betriebenen werden. Dadurch wird die Bewegungsfreiheit im Gebiet der Ninewa-Ebene behindert (USDOS 29.5.2018).
Christen und Jesiden geben an, dass die Zentralregierung in Bagdad eine gezielte demografische Veränderung fördert, indem sie Schiiten mit Land und Häusern ausstattet, damit diese in traditionell christliche Gebiete ziehen (USDOS 29.5.2018).
Vertreter religiöser Minderheiten berichten, dass die Zentralregierung im Allgemeinen nicht in religiöse Handlungen eingreift und sogar für die Sicherheit von Gotteshäusern und anderen religiösen Stätten, einschließlich Kirchen, Moscheen, Schreinen, religiösen Pilgerstätten und Pilgerrouten, sorgt (USDOS 29.5.2018).
Atheismus, Agnostizismus, Kritik an konfessioneller Politik
Das irakische Strafgesetzbuch enthält keine Artikel, die eine direkte Bestrafung für Atheismus vorsehen. Es gibt auch keine speziellen Gesetze, die Strafen für Atheisten vorsehen. (Al-Monitor 1.4.2018; vergleiche EASO 7.2017, EASO 11.4.2018, Landinfo 29.8.2018). Die irakische Verfassung garantiert Atheisten nicht die freie Glaubensausübung (USDOS 29.5.2018). Im März 2018 wurden in Dhi Qar Haftbefehle gegen vier Iraker aufgrund von Atheismus-Vorwürfen erlassen (Al-Monitor 01.4.2018).
Der Irak ist ein zutiefst religiöses Land, in dem Atheismus selten ist (PRI 17.1.2018; vergleiche RDC 31.1.2018). Trotzdem berichten Universitätsstudenten landesweit, dass es noch nie so viele Atheisten im Irak gegeben habe wie heute (WZ 9.10.2018). Obwohl in der Bevölkerung verschiedene Grade der Religiosität vertreten sind und ein Segment der Iraker eine säkulare Weltanschauung vertritt, ist es dennoch selten, dass sich jemand öffentlich zum Atheismus bekennt. Die meisten Atheisten verstecken ihre Identität. Manchmal sagen sie, dass sie Muslime seien, insgeheim sind sie jedoch Atheisten (EASO 7.2017). Viele Geistliche, die islamischen politischen Parteien nahe stehen, haben missverständliche Vorstellungen zu dem Thema und bezeichnen z.B. oft den Säkularismus als Atheismus (Al-Monitor 1.4.2018). Einige Politiker führender konfessioneller Parteien verurteilten Säkularismus und Atheismus und reagierten damit offenbar auf einen Wandel in der öffentlichen Meinung nach dem IS-Konflikt, gegen religiösen Extremismus und den politischen Islam (FH 1.2018).
Berichten zufolge gibt es auch eine wachsende Bewegung von Agnostikern. Dazu kommen viele Menschen, die zwar bestimmte religiöse Erscheinungen oder Überzeugungen kritisieren, den generellen Rahmen der Religiösität jedoch nicht aufgeben (Al-Monitor 6.3.2014). Eine wachsende Gruppe junger Iraker spricht frei über Säkularismus, Atheismus und den Bedarf ihres Landes an nicht-konfessionellen Institutionen. Während ihr Einfluss begrenzt ist, spiegelt ihre Frustration über die konfessionelle Politik einen breiteren Trend im Land wider. Die Welle des "Facebook- Säkularismus" muss die irakische Politik jedoch erst erreichen (Defense One 5.7.2018).
10. Minderheiten
In der irakischen Verfassung vom 15.10.2005 ist der Schutz von Minderheiten verankert (AA 12.02.2018). Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten unter weitreichender faktischer Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 12.02.2018).
Offiziell anerkannte Minderheiten. wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden. genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte. sind jedoch im täglichen Leben. insbesondere außerhalb der Autonomen Region Kurdistan. oft benachteiligt (AA 12.02.2018).
Die wichtigsten ethnisch-religiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17 bis 22 Prozent) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15 bis 20 Prozent) (AA 12.02.2018). Genaue demografische Aufschlüsselungen sind jedoch mangels aktueller Bevölkerungsstatistiken sowie aufgrund der politisch heiklen Natur des Themas nicht verfügbar (MRG 5.2018). Zahlenangaben zu einzelnen Gruppen variieren oft massiv (siehe unten).
Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen - eine Tendenz, die sich durch die IS-Gräuel gegen Schiiten und Angehörige religiöser Minderheiten weiterhin verstärkt hat. Gepaart mit der extremen Korruption im Lande führt diese Spaltung der Gesellschaft dazu, dass im Parlament, in den Ministerien und zu einem großen Teil auch in der nachgeordneten Verwaltung, nicht nach tragfähigen, allgemein akzeptablen und gewaltfrei durchsetzbaren Kompromissen gesucht wird, sondern die zahlreichen ethnisch-konfessionell orientierten Gruppen oder Einzelakteure ausschließlich ihren individuellen Vorteil suchen oder ihre religiös geprägten Vorstellungen durchsetzen. Ein berechenbares Verwaltungshandeln oder gar Rechtssicherheit existieren nicht (AA 12.02.2018).
Die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des IS standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und Christen. Es liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit von schiitischen Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 12.02.2018).
In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 12.02.2018; vergleiche KAS 8.2017). Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Minderheiten in der Autonomen Region Kurdistan durch das kurdische Regionalparlament im Jahr 2015 wurden die ethnischen und religiösen Minderheiten zumindest rechtlich mit der kurdisch-muslimischen Mehrheitsgesellschaft gleichgestellt. Dennoch ist nicht immer gewährleistet, dass die bestehenden Minderheitsrechte auch tatsächlich umgesetzt werden (KAS 8.2017).
Es gab auch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Shabak und Christen) durch Behörden der Kurdischen Autonomieregierung in den sogenannten umstrittenen Gebieten (USDOS 20.04.2018). Darüber hinaus empfinden Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit in den sog. umstrittenen Gebieten aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und v.a. der schiitischen Milizen (AA 12.02.2018).
Im Zusammenhang mit der Rückeroberung von Gebieten aus IS-Hand wurden problematische Versuche einer ethnisch-konfessionellen Neuordnung unternommen, besonders in der ethnisch-konfessionell sehr heterogenen Provinz Diyala (AA 12.02.2018).
Bild kann nicht dargestellt werden
Religiöse/konfessionelle Verteilung im Irak (Anmerkungen zur Karte siehe unten)
(Quelle: BMI 2016)
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Ethnische und linguistische Verteilung im Irak (Quelle BMI 2016)
Anmerkungen zu den beiden Karten: Die irakische Bevölkerung ist sehr heterogen bezüglich der religiösen und konfessionellen Zugehörigkeit. Deshalb, sowie auf Grund von teilweise inkonsistenten Quellen zeigt diese Karte nur die ungefähre Verteilung, wo sich die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen/konfessionellen Gruppen befinden, bzw. bis zum Frühling 2014 befanden. Insbesondere in Städten kann die Verteilung der konfessionellen/religiösen Gruppen deutlich von der Verteilung in der ländlichen Umgebung abweichen. Durch den Vorstoß des IS seit dem Sommer 2014 kam es darüber hinaus zu drastischen Veränderungen in der ethnischen und konfessionellen Zusammensetzung/Verteilung der irakischen Bevölkerung (BMI 2016).
Dazu muss hervorgehoben werden, dass ein und dieselbe Gruppe in einer Gegend eine Minderheit sein, in einer anderen jedoch die Mehrheitsbevölkerung stellen kann und umgekehrt (Lattimer EASO 26.04.2017; vergleiche Prochazka 11.8.2014).
Durch den Vorstoß des IS und seiner aktiven Kampagne zur Umwälzung der religiösen Demografie des Landes kam es zu drastischen Veränderungen in der konfessionellen und ethnischen Verteilung der Bevölkerung im Irak (FH 2018; vergleiche Ferris und Taylor 8.9.2014). Viele Schiiten und religiöse Minderheiten, die vom IS vertrieben wurden, sind bis heute nicht in ihre Häuser zurückgekehrt. Die Rückkehr irakischer Streitkräfte in Gebiete, die seit 2014 von kurdischen Streitkräfte gehalten wurden, führte Ende 2017 zu einer weiteren Runde demografischer Veränderungen, wobei manche kurdischen Bewohner auszogen und Araber zurückkehrten. In Gebieten, die von schiitischen Milizen befreit wurden, gab es wiederum Berichte von der Vertreibung sunnitischer Araber. Dasselbe gilt für Gebiete, die von den kurdischen Peshmerga befreit wurden (FH 2018; vergleiche GNI 20.11.2016).
10.1. Sunnitische Araber
Die arabisch-sunnitische Minderheit. die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete. wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003. insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014). aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer. ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.02.2018). Es gab zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte. die PMF und die Peshmerga (USDOS
11. Bewegungsfreiheit
Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit. Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an (USDOS 20.04.2018). Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich etwas. nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden (FH 1.2018).
Die Regierung respektiert das Recht auf Bewegungsfreiheit jedoch nicht konsequent. In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von Vertriebenen und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern. ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften. die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken. Ausgangssperren zu verhängen. Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen. Es gab zahlreiche Berichte. dass Sicherheitskräfte (ISF. Peshmerga. PMF) Bestimmungen. die Aufenthaltsgenehmigungen vorschreiben. um die Einreise von Personen in befreite Gebiete unter ihrer Kontrolle zu beschränken. selektiv umgesetzt haben (USDOS 20.04.2018).
Die kurdische Autonomieregierung schränkt die Bewegungsfreiheit in den von ihr verwalteten Gebieten ein (USDOS 20.04.2018). Innerirakische Migration aus dem Zentralirak in die Autonome Region Kurdistan ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug jedoch kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte. muss sich bei der Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht (AA 12.02.2018). Die Behörden verlangen von Nicht-Ortsansässigen. Genehmigungen einzuholen. die einen befristeten Aufenthalt in der Autonomieregion erlauben. Diese Genehmigungen waren in der Regel erneuerbar. Bürger. die eine Aufenthaltserlaubnis für die Autonome Region Kurdistan bzw. die von ihr kontrollierten Gebiete einholen wollen. benötigen einen in der Region ansässigen Bürgen. Bürger. die aus dem Zentral- oder Südirak in die Autonome Region Kurdistan einreisen (egal welcher ethno-religiösen Gruppe sie angehörten. auch Kurden) müssen Checkpoints passieren und Personen- und Fahrzeugkontrollen über sich ergehenlassen (USDOS 20.04.2018).
Die Behörden der Autonomen Region Kurdistan wenden Beschränkungen unterschiedlich streng an. Die Wiedereinreise von IDPs und Flüchtlingen wird - je nach ethno-religiösem Hintergrund und Rückkehrgebiet - mehr oder weniger restriktiv gehandhabt. Beamte hindern Personen. die ihrer Meinung nach ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. an der Einreise in die Region. Die Einreise ist für Männer oft schwieriger. insbesondere für arabische Männer. die ohne Familie reisen (USDOS 20.04.2018).
Aufgrund militärischer Operationen gegen den IS erhöhten die irakischen Streitkräfte, PMF und Peshmerga die Zahl der Checkpoints und errichteten in vielen Teilen des Landes provisorische Straßensperren (USDOS 20.04.2018). Diese Checkpoints unterliegen oft undurchschaubaren Regeln verschiedenster Gruppierungen (NYT 2.4.2018). Der IS richtet falsche Checkpoints ein, um Zivilisten zu entführen bzw. Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten zu verüben (albawaba 12.3.2018; vergleiche GardaWorld 29.3.2018, Kurdistan24 29.3.2018, Iraqi News 28.6.2018).
In Bagdad selbst sollen seit Dezember 2017 hingegen 305 Checkpoints und Straßensperren entfernt worden sein. Über tausend Straßen sind in Bagdad seit dem offiziellen Sieg über den IS wieder geöffnet worden (AAA 8.8.2018; vergleiche AAA 29.1.2018, Iraqi News 29.1.2018).
Die Regierung verlangt von Bürgern, die das Land verlassen, eine Ausreisegenehmigung. Diese Vorschrift wird jedoch nicht routinemäßig durchgesetzt (USDOS 20.04.2018). An den Grenzen zu den Nachbarstaaten haben sich in den letzten Monaten immer wieder Änderungen der Ein- und Ausreisemöglichkeiten, Kontrollen, Anerkennung von Dokumenten etc. ergeben. Nach wie vor muss mit solchen Änderungen - auch kurzfristig - gerechnet werden (AA 12.02.2018).
12. Grundversorgung und Wirtschaft
Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.02.2018). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung. Bildung. Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsrate, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert im gesamten Land erheblich (K4D 18.05.2018).
Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" leben 70 Prozent der Iraker in Städten. Die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.02.2018).
In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel teilweise erst wiederhergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.02.2018).
Wirtschaftslage
Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staates und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mosul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg und Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt, hängt aus Sicht der Weltbank davon ab, ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018).
Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.02.2018).
Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 02.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.04.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 02.10.2018).
So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, Vulnerabilität und Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018).
Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS-bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch, wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.04.2018).
Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.02.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.06.2018).
Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen.
Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten (IOM 13.6.2018).
Stromversorgung
Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.02.2018). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.02.2018).
Wasserversorgung
Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA 12.02.2018). Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.07.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.08.2018).
Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.08.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.02.2018). Im August meldete Iraks südliche Provinz Basra 17.000 Fälle von Infektionen aufgrund der Kontaminierung von Wasser. Der Direktor der Gesundheitsbehörde Basra warnte vor einem Choleraausbruch (Iraqi News 28.8.2018).
Nahrungsversorgung
Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.02.2018). Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018).
Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vergleiche USAID 1.8.2017).
Das Sozialsystem wird vom sogenannten "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.05.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 20.04.2018).
13. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.02.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen. Öffentliche Gesundheitsdienstleister bieten Behandlungen kostengünstiger sind als private. Die Preise von Medikamenten variieren je nach Diagnose des Patienten. In staatlichen Krankenhäusern oder Kliniken sind zumeist nur wenige Medikamente erhältlich, diese jedoch zu einem günstigen Preis, in privaten Krankenhäusern und Kliniken sind alle Medikamente zumeist erhältlich, jedoch zumeist mit höheren Kosten verbunden (IOM 13.6.2018).
Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018). Der Patient sollte zunächst seine lokale Klinik aufsuchen, wo die Diagnose erstellt wird. Danach wird er/sie weiter zu einem Spezialisten überwiesen (IOM 13.06.2018).
Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).
In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.02.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).
14. Rückkehr
Eine freiwillige Rückkehr in den Irak aus dem österreichischen Bundesgebiet ist über Vermittlung entsprechender Rückkehrberatungseinrichtungen und nach erteilter Zustimmung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit Unterstützung von IOM möglich. IOM stellt im Gefolge der administrativen Abwicklung Flugtickets zur Verfügung und gewährt in Einzelfällen besonderer Hilfsbedürftigkeit auch finanzielle Überbrückungshilfe. Aktuell erfolgt eine solche Rückkehr in den Irak über die Flughäfen in Bagdad, Erbil, Basra und Najaf. Im Rahmen des Rückkehrprogramms AVRR (Assisted Voluntary Return and Reintegration) von IOM kehrten im Jahr 2015 insgesamt über 3.000 ehemalige Asylwerber aus 14 verschiedenen europäischen Ländern freiwillig in den Irak, nach Bagdad, Erbil, Suleimanyia und Basra, zurück. Dies stellt eine Zunahme von ca. 200% gegenüber dem Jahr 2014 dar. IOM unterstützt die Rückkehrer neben der Organisation der Reise selbst mit Reintegrationsmaßnahmen wie Mikrokrediten, provisorischen Unterkünften, Arbeitssuche und wichtigen Gütern des täglichen Lebens und arbeitet dabei mit dem irakischen Migrationsministerium und dem Migrationsbüro der kurdischen Autonomieregierung zusammen.
Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.02.2018).
ERRIN ist ein Rückkehr- und Reintegrationsprogramm auf europäischer Ebene mit dem Hauptziel, Reintegrationsunterstützung im Herkunftsland anzubieten. ERRIN ist eine Spezifische Maßnahme (Specific Action) im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU, wird von den Niederlanden (Repatriation and Departure Service (R&DS) - Ministry of Security and Justice of the Netherland) geleitet und zu 90% aus Europäischen Mitteln finanziert. Im Rahmen eines zentralen Ausschreibungsverfahrens werden Leistungsanbieter (Service Provider) zur Umsetzung von Reintegrationsprojekten in Drittstaaten ausgewählt. Im Anschluss werden mit ihnen, im Namen der partizipierenden Partnerorganisationen (Mitgliedsstaaten und assoziierende Saaten), Verträge geschlossen. Die Höhe und der Umfang der Reintegrationsleistung, also jene Leistung, die ein Rückkehrer oder eine Rückkehrerin erhält, wird von jeder Partnerorganisation selbst bestimmt (BMI 12.2018).
Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vergleiche REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.02.2018).
Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).
Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.02.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UN-Habitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).
15. Dokumente und Staatsbürgerschaft
Die neuen irakischen Pässe enthalten einen maschinenlesbaren Abschnitt sowie einen 3D-Barcode und gelten als fälschungssicherer im Vergleich zu den Vorgängermodellen. Sie können nur noch persönlich und nicht mehr durch Dritte beantragt werden. Die irakischen Botschaften haben erst vereinzelt begonnen, diese Pässe auszustellen (AA 12.02.2018).
Der irakische Personalausweis (Civil Status ID bzw. CSID oder National Identity Card) heißt auf Arabisch Bitaqa shakhsiya bzw. Bitaqa hawwiya (UKHO 9.2018; vergleiche IRBC 25.11.2013). Die CSID- Karte ist gesetzlich vorgeschrieben und wird jedem irakischen Staatsbürger, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Irak, gegen Vorlage einer Geburtsurkunde ausgestellt. Sie gilt als das wichtigste persönliche Dokument und wird für alle Kontakte mit Behörden, dem Gesundheits- und Sozialwesen, Schulen sowie für den Kauf und Verkauf von Wohnungen und Autos verwendet. Die CSID-Karte wird auch für die Beantragung anderer amtlicher Dokumente wie z.B. Reisepässe benötigt (UKHO 9.2018).
Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist im Irak gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 12.02.2018).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers sowie des Inhaltes der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde einschließlich der im Verfahren vorgelegten Urkunden, ferner durch Vernehmung des Beschwerdeführers als Partei und der Mag.a phil. römisch 40 als Zeugin in der vor dem erkennenden Gericht am 04.04.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung und schließlich durch Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht angefertigten Datenbankauszüge betreffend den Beschwerdeführer. Darüber hinaus wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2017 betreffend aktive Baathisten sowie ehemalige Mitglieder der Baath-Partei sowie deren Angehörige im Irak - Lage und Rolle, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2019 betreffend die republikanische Garde des Irak und ehemalige Mitglieder der Baath-Partei, die Anfragebeantwortung des European Asylum Support Office vom 13.06.2018 betreffend Baathisten, die Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2016 sowie von ACCORD vom 27.02.2019, 24.03.2017 und 24.03.2016 zu den Rekrutierungspraktiken schiitischer Milizen, die Anfragebeantwortung von ACCORD zu den Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq vom 20.02.2017, die Anfragebeantwortung von ACCORD zu Bagdad: Aktivitäten der Milizen der Asa'ib Ahl al-Haqq (AAH) seit 2003 bis heute und Übergriffe auf die Zivilbevölkerung vom 30.11.2017, die Anfragebeantwortung von ACCORD zu den Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere zum Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen, vom 02.02.2018, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.11.2018 betreffend die Lage in Samarra und Familienmitglied bei der Polizei, Militär, Organisation Delta, die Anfragebeantwortung von ACCORD zur aktuellen politischen Situation in Samarra/Provinz Salah ad-Din und Sicherheitslage im Allgemeinen, insbesondere für Sunniten und zur Gefahr der Rekrutierung durch Milizen für sunnitische Jugendliche, vom 12.07.2018, den Artikel von Thomas Schmidinger vom 12.11.2018 zur Lage in Bagdad, den Country of Origin Information Meeting Report des European Asylum Support Office vom April 2017 zum Irak, den Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom März 2019 zum Irak betreffend Targeting of Individuals, den Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom März 2019 zum Irak betreffend Security Situation, den Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom Februar 2019 zum Irak betreffend Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017-2018, den Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom Februar 2019 zum Irak betreffend Internal mobility, den Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom Februar 2019 zum Irak betreffend Key socio-economic indicators, den Bericht der International Organisation for Migration vom Februar 2019 Displacement Tracking Matrix Round 108, die Kurzübersichten über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project von ACCORD betreffend das 2. und das 3. Quartal 2018 und den Bericht des United Kingdom Home Office vom Juni 2017 zur Lage sunnitischer (arabischer) Muslime im Irak.
Der Beschwerdeführer stellte im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinausgehenden Beweisanträge.
2.2. Der eingangs angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verfahrensaktes des belangten Bundesamtes, welches ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seinem Religionsbekenntnis sowie dessen persönlichen und familiären Lebensumständen im Herkunftsstaat bis zur Ausreise sowie seinen Familienverhältnissen unter dem Punkt 1.1. ergeben sich aus den im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers in den Verfahren vor dem belangten Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Identität des Beschwerdeführers steht in Anbetracht seines im Original in Vorlage gebrachten irakischen Personalausweises fest.
Der Beschwerdeführer legte im Hinblick auf seinen gesundheitlichen Zustand zuletzt in der mündlichen Verhandlung dar, dass er gesund sei.
Wann der Beschwerdeführer den Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist in unbedenklichen Urkunden/Unterlagen dokumentiert und wurde nicht in Zweifel gezogen. Dass er illegal in das Bundesgebiet eingereist ist, steht außer Frage, zumal er bei seiner Einreise kein (gültiges) Einreisedokument vorlegen konnte. Zu seiner Ausreise aus dem Irak im April 2014, seinem Aufenthalt in der Türkei und der anschließenden Reise nach Österreich hat der Beschwerdeführer des Weiteren im Verfahren vor dem belangten Bundesamt und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gleichbleibende Angaben getätigt, die dementsprechend den Feststellungen zugrunde gelegt werden konnten.
Seinen irakischen Personalausweis im Original und sein irakisches Reisedokument in Kopie brachte der Beschwerdeführer im Asylverfahren selbst in Vorlage.
2.3. Aufgrund der dynamischen Lageentwicklung in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers und der Dauer des Beschwerdeverfahrens sah sich das Bundesverwaltungsgericht veranlasst, zuletzt eine Aktualisierung der im Verfahren herangezogenen Berichte zur Lage im Herkunftsstaat vorzunehmen und diese in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern bzw. dem Beschwerdeführer zu einer Stellungnahme zu übermitteln. Die für die gegenständliche Entscheidung maßgebliche Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat beruht im Wesentlichen auf den dem Beschwerdeführer mit Noten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 und vom 11.04.2019 zur Stellungnahme übermittelten bzw. in der mündlichen Verhandlung erörterten aktuellen Quellen. Die zuvor in das Verfahren eingeführten Berichte sind - soweit sie in der Folge nicht explizit als Grundlage der getroffenen Feststellungen angeführt werden - mangels Aktualität für die Lageeinschätzung nicht (mehr) maßgeblich.
Die getroffenen Feststellungen zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Salah ad-Din unter Punkt 1.8. gründen sich sohin auf die betreffende Einschätzung des European Asylum Support Office (EASO) in den Berichten vom März 2019 zum Irak betreffend Security Situation und vom Februar 2019 zum Irak betreffend Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017-2018. Der Beschwerdeführer ist dem Inhalt dieser Berichte nicht entgegengetreten.
Die Feststellungen unter Punkt 1.9. betreffend Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq gründen sich auf die herangezogenen Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 30.11.2017 betreffend Aktivitäten der Milizen der Asa'ib Ahl al-Haqq seit 2013 bis heute und Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, vom 02.02.2018 betreffend Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen und schließlich vom 20.02.2017 betreffend Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq. Der Beschwerdeführer ist dem Inhalt dieser Berichte ebenfalls nicht entgegengetreten, weshalb es auch - entgegen der Anregung in der Beschwerde - keiner weiteren Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation bezüglich allfälliger Aktivitäten der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq vor der Eroberung Tikrits durch die Miliz des Islamischen Staates bedurfte, zumal die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 30.11.2017 ohnehin die Aktivitäten der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq seit dem Jahr 2013 - und damit bereits den Zeitraum vor der Eroberung der Stadt Tikrit durch die Miliz des Islamischen Staates - umfasst.
Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers, als Verwandter von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei im Irak verfolgt zu werden, sah sich das Bundesverwaltungsgericht außerdem dazu veranlasst, unter Punkt 1.10. Feststellungen zur Lage aktiver Baathisten sowie ehemaliger Mitglieder der Baath-Partei sowie deren Angehörige im Irak zu treffen.
Die zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat unter Punkt 1.11. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, welche in der mündlichen Verhandlung erörtert bzw. dem Beschwerdeführer zur Erstattung einer Stellungnahme übermittelt wurden. Zur Sicherstellung der notwendigen Ausgewogenheit in der Darstellung wurden Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. In Anbetracht der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild zeichnen, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Des Weiteren ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme bezüglich der mit Schreiben vom 30.01.2019 übermittelten Erkenntnisquellen überhaupt ungenützt verstreichen ließ. Ansonsten widmen sich die Zeugin in der von ihr verfassten Stellungnahme bezüglich der mit Noten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 übermittelten Quellen beziehungsweise der Beschwerdeführer und dessen rechtsfreundliche Vertretung in der Stellungnahme vom 02.05.2019 bezüglich der mit Noten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2019 übermittelten Quellen im Wesentlichen den - im Irak agierenden - bewaffneten Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, der Badr-Organisation oder Asa'ib Ahl al-Haqq, den von diesen ausgehenden Gewaltakten sowie der Sicherheitslage im Irak und speziell in Tikrit. Ferner beziehen sie sich weitgehend auf Passagen aus den zur Stellungnahme übermittelten Berichten und verweisen unter auszugsweiser Zitierung dieser Berichte auf den eigenen Verfahrensstandpunkt. Eine Unzulänglichkeit der Feststellungen zur Lage im Irak wird damit nicht dargetan. Die vorhandenen Aktivitäten von verbliebenen Anhängern oder sogenannten Schläfern des Islamischen Staates sind hinreichend dokumentiert und wird auch festgestellt, dass den (verbliebenen) Anhängern des Islamischen Staates terroristische und kriminelle Aktivitäten sowie Gräueltaten in den umkämpften Gebieten zugeschrieben werden. Selbiges gilt für die Aktivitäten der mit der Zentralregierung in Bagdad verbündeten schiitischen Milizen in ihren jeweiligen Einflussgebieten und die irakischen Sicherheitskräfte sowie den von diesen begangenen Menschenrechtsverletzungen. Insoweit lässt sich im Ergebnis aus den entsprechenden Ausführungen und den zitierten Berichten keine anders gelagerte Sachlage ableiten. Angesichts der sich rasch ändernden Umstände im Irak kann ferner nicht jedes Ereignis gesondert festgestellt werden und ist ausreichend, wenn den erhobenen Berichten ein repräsentatives Lagebild entnommen werden kann, das entsprechende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat zulässt.
Zur Vollständigkeit erlaubt sich das Bundesverwaltungsgericht darauf hinzuweisen, dass die der Beschwerde seitens des Beschwerdeführers angeschlossene ACCORD-Anfragebeantwortung vom 20.02.2017 betreffend Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq - wie zuvor dargelegt - ohnehin ergänzend Berücksichtigung fand. Die sonstigen in der Beschwerde zitierten Länder- und Medienberichte zur Entstehung des Islamischen Staates, den Aktivitäten schiitischer Milizen und zur Sicherheitslage im Irak datieren aus den Jahren 2015 und 2016, sie sind demgemäß nicht (mehr) aktuell. Zur Miliz des Islamischen Staates und zur Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq sowie deren Aktivitäten sowie zur Lage im Irak, speziell im Gouvernement Salah ad-Din wurden, seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nunmehr aktuelle Erkenntnisquellen herangezogen, dem Beschwerdeführer beziehungsweise dessen rechtsfreundlicher Vertretung zur Äußerung zugemittelt und konnten aufgrund dessen die oben angeführten Feststellungen zu den Aktivitäten der Milizen und zur gegenwärtigen Lage im Irak und im Gouvernement Salah ad-Din getroffen werden. In Ansehung des Beschwerdeführers wird zudem vorgebracht, dass dieser in Tikrit über kein soziales Netz mehr verfüge und ihm aufgrund der prekären Sicherheits- und Versorgungslage die Rückkehr nicht zumutbar sei. Das Bundesverwaltungsgericht teilt diese Argumentation insoweit, als ein familiäres Netzwerk in Tikrit nicht feststellbar ist. Inwieweit dem Beschwerdeführer dennoch eine Rückkehr möglich und zumutbar ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung und insbesondere der rechtlichen Beurteilung.
Das Bundesverwaltungsgericht hält schließlich fest, dass eine besondere Auseinandersetzung mit der Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des Staates einschließlich diesbezüglicher Feststellungen nur dann erforderlich ist, wenn eine Verfolgung durch Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen festgestellt wird vergleiche VwGH 02.10.2014, Ra 2014/18/0088). Da der Beschwerdeführer jedoch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes keine von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehende Verfolgung zu gewärtigen hatte, sind spezifische Feststellungen zum staatlichen Sicherheitssystem sowie zur Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht geboten.
Da das Bundesverwaltungsgericht keine innerstaatliche Aufenthaltsalternative in Erwägung zieht, braucht auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde nicht eingegangen werden.
2.4. Die unter Punkt 1.6. getroffenen Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seinen privaten Aktivitäten gründen sich auf die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdeführers in den Verfahren vor dem belangten Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht sowie den entsprechenden Ausführungen der Zeugin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, denen keine gegenteiligen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gegenstehen. Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren insbesondere einen Tiroler Integrationspass, Bestätigungen und Lichtbilder über die Teilnahme an den Passionsspielen römisch 40 , zwei Empfehlungsschreiben, Bestätigungen über die Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeiten und Unterlagen zu einer Gewerbeanmeldung in Vorlage.
Die Feststellungen betreffend die vom Beschwerdeführer nach wie vor in Anspruch genommenen Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber sind schließlich zweifelsfrei durch einen aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich belegt. Die Feststellung zur Unterbringung in verschiedenen Unterkünften für Asylwerber ergibt sich wiederum aus dem angefertigten Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Bezüglich der Anmeldung des Gewerbes "Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten" liegen dem Bundesverwaltungsgericht unbedenklich erscheinende Unterlagen vor.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsichtnahme in das Strafregister).
Aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister geht im Hinblick auf die unter Punkt 1.7. getroffenen Feststellungen zweifelsfrei hervor, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht geduldetet ist und er lediglich über ein Aufenthaltsrecht nach Paragraph 13, AsylG 2005 für die Dauer des Asylverfahrens verfügt. Ausweislich seines Vorbringens in der Einvernahme vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung ist sein Aufenthalt auch nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde außerdem nicht Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO.
2.5. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus vergleiche VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.02.1993, Zl. 92/03/0011; 01.10.1997, Zl. 96/09/0007).
Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356).
Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
2.6. Unter Berücksichtigung der vorstehend angeführten Rechtsprechung ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen im Hinblick auf die Veranlassung zur Ausreise glaubwürdig und in sich schlüssig darzulegen. Im Einzelnen:
2.6.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich ausweislich seines Vorbringens vor dem belangten Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht in seinem Herkunftsstaat als verfolgt, da er im Frühling 2014 wegen der Nähe von Familienangehörigen zu Saddam Hussein bzw. einer Parteimitgliedschaft dieser Personen bei der Baath-Partei von der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq in Tikrit (auch telefonisch) bedroht und zur Zusammenarbeit aufgefordert worden sei. Des Weiteren sei das Haus der Familie des Beschwerdeführers in der Folge am 30.04.2014 von der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq zerstört worden. Bereits zuvor sei ein Bruder des Beschwerdeführers im Jahr 2006 von einer Vorgängerorganisation des Islamischen Staates getötet worden.
2.6.2. Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in Form einer irakischen Sterbeurkunde Bescheinigungsmittel im Original in Vorlage bringen konnte, womit der gewaltsame Todesfall seines Bruders im März 2006 im Irak nachvollziehbar dokumentiert wird. Das Bundesverwaltungsgericht sieht es demnach als glaubhaft an, dass der Bruder des Beschwerdeführers am 01.03.2006 an den Folgen einer Schussverletzung verstarb. Dennoch bleibt festzuhalten, dass im Lichte der Aussagen des Beschwerdeführers weder die Identität noch das Motiv der Täter hinreichend feststellbar waren. Dass es sich dabei um eine gezielte Attacke durch Angehörige einer Vorgängerorganisation des Islamischen Staates auf die Person des Bruders des Beschwerdeführers handelte, wurde nicht vorgebracht und wäre allenfalls bloße Spekulation.
Zudem mangelt es diesem Vorfall im Jahr 2006 jedenfalls am erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit der späteren endgültigen Ausreise im Jahr 2014, weswegen diesem Ereignis allein schon aus diesem Grund keine Asylrelevanz zukommen kann. Die Voraussetzung der wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht vergleiche zur notwendigen Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459; siehe auch VwGH 30.08.2007, Zl. 2006/19/0400-6). Bei mehr als acht Jahren zwischen Vorfall und Ausreise kann der erforderliche zeitliche Zusammenhang fallbezogen jedenfalls nicht erkannt werden. Der Beschwerdeführer brachte auch gar nicht vor, sich aus diesem Grunde versteckt oder seinen Aufenthaltsort zumindest gewechselt zu haben. Dass ihn der Tod seines Bruders im Jahr 2006 dermaßen in Angst und Schrecken versetzte, dass er den weiteren Aufenthalt in seinem Heimatstaat als unzumutbar erachtet hätte, wurde weder vorgebracht, noch kann selbiges anhand des Verhaltens des Beschwerdeführers erkannt werden. Vielmehr brachte der Beschwerdeführer klar zum Ausdruck, nach diesem Vorfall in der Folge - nach Abschluss der Schule - einer Arbeit nachgegangen zu sein, sodass auch die Aktualität einer Verfolgung bzw. Bedrohung als nicht mehr gegeben erscheint.
Zudem konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren weder die seinerzeitigen Täter, noch deren vermeintliches Motiv substantiiert darlegen, sodass eine asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers bereits aus Unkenntnis der Motive der Täter mit dem Vorbringen nicht dargetan wird. Dass dieses Schussattentat im Jahr 2006 gezielt gegen den Bruder oder gar den Beschwerdeführer gerichtet war, erscheint im gegebenen Kontext nicht wahrscheinlich.
In Ermangelung des notwendigen zeitlichen Konnexes zwischen dem gewaltsamen Tod seines Bruders im Jahr 2006 und der Ausreise im Jahr 2014, dem nicht feststellbaren Motiv der Täter sowie dem vorstehend geschilderten Gesamtzusammenhang wird mit dem Tod seines Bruders im Jahr 2006 somit keine aktuelle und konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft aufgezeigt.
Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren vor dem belangten Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vor, die Stadt Tikrit im Frühjahr 2014 noch vor der Eroberung durch die Milizen des Islamischen Staates verlassen zu haben.
Ausgehend davon kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die Stadt Tikrit im Frühjahr 2014 noch vor der Eroberung der Stadt durch die Miliz des Islamischen Staates verließ, ohne dass es zu persönlichen Konfrontationen mit Kämpfern des Islamischen Staates kam oder Verfolgungshandlungen wider den Beschwerdeführer gesetzt wurden.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den angeblichen ausreisekausalen Vorfällen ansonsten indes als in hohem Ausmaß als widersprüchlich und unplausibel, weshalb es demzufolge als nicht glaubhaft anzusehen ist. Keinesfalls gelang es dem Beschwerdeführer, eine von Kämpfern schiitischer Milizen aus konfessionellen oder anderen zur Gewährung von internationalem Schutz führenden Gründen erfolgte Bedrohung glaubhaft zu machen. Er hat jedenfalls auch keine Gefährdung im Rückkehrfall zu befürchten.
Im Einzelnen:
2.6.3. Dem Beschwerdeführer sind zunächst Widersprüche im Hinblick auf die Erstbefragung zur Last zu legen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die Erstbefragung Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 zufolge - wie in der mündlichen Verhandlung angemerkt (OZ 13, S 14) - nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat und gegen eine unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen Bedenken bestehen vergleiche VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061 mwN). Dennoch fällt im gegenständlichen Fall ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung insoweit einen anderen Geschehnisverlauf skizzierte, als er die angebliche Aufforderung zur Zusammenarbeit mit der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq und in diesem Zusammenhang erfolgte (telefonische) Bedrohungen durch diese Organisation völlig unerwähnt ließ. Stattdessen erwähnte er lediglich die allgemeine Kriegssituation, die Tötung seines Bruders durch Kämpfer der Miliz des Islamischen Staates im Jahr 2006 und die Zerstörung des Hauses seiner Familie.
Selbst wenn die Erstbefragung keine detaillierte Aufnahme des Ausreisegrundes umfasst, wäre dennoch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu erwarten, dass die den Asylwerber selbst betreffenden ausreisekausalen Erlebnisse zuvorderst und in den Grobzügen gleichbleibend bei der ersten sich bietenden Gelegenheit dargelegt werden. Die im gegenständlichen Fall nicht stringente Darlegung solcher eigener Erlebnisse bei der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde bezüglich der Bedrohungen seiner Person bzw. des Kreises der Verfolger weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu den ausreisekausalen Ereignissen (zur Zulässigkeit derartiger Erwägungen bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Verschaffung eines persönlichen Eindruckes vom Beschwerdeführer VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0143; zur Maßgeblichkeit solcher Widersprüche vergleiche VwGH 17.05.2018, Ra 2018/20/0168). Da der Beschwerdeführer in der Folge vor dem belangten Bundesamt die Richtigkeit seiner Angaben bei der Erstbefragung zu seinem Ausreisevorbringen nicht in Zweifel zog, sondern deren Richtigkeit bestätigte und aufgrund von angeblichen Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher lediglich Personaldaten bezüglich seiner Person und seiner Familienangehörigen und Daten zur Dauer seines Aufenthaltes in der Türkei sowie zur Rücksendung seines Reisedokumentes in den Irak korrigierte (AS 198 f), fallen ihm die dargelegten und trotz Gelegenheit nicht richtiggestellten oder aufgeklärten Widersprüche zur Last, zumal der Beschwerdeführer - trotz der angesprochenen Verständigungsschwierigkeiten - explizit erklärte, dass seine Gründe zur Ausreise vollständig seien und er bei der Erstbefragung alles gesagt habe. Er selbst habe dazu nicht mehr anzuführen (AS 199). Erst zu seinem späteren Zeitpunkt der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt behauptete der Beschwerdeführer auf Vorhalt seiner Angaben in der Erstbefragung, dass es sich hiebei um einen Teil seiner Geschichte handle, wobei er es jedoch wiederum unterließ, nähere Ausführungen zu treffen oder Ergänzungen vorzunehmen (AS 203). In der mündlichen Verhandlung bezog sich der Beschwerdeführer bezüglich dieser Widersprüche in seinem Aussageverhalten schließlich ebenfalls doch auf die angeblich mangelhafte Übersetzungstätigkeit durch den Dolmetscher (OZ 13, S 12). Damit setzt sich der Beschwerdeführer aber in Widerspruch zu seinen anderslautenden Ausführungen in der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt (AS 109), wo er die Richtigkeit der Protokollierung zu den Ausreisegründen bestätigte.
Im gegebenen Zusammenhang fällt ferner auf, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung bei der freien Schilderung seines Ausreisegrundes wörtlich darlegte (OZ 13, S 8): "[...] Er hat mit mir gesprochen, ich solle mit ihm kooperieren, ich solle die Saddam Anhänger zum Restaurant bringen, sie einladen, dafür sorgen, dass sie zum Restaurant kommen, danach kann er oder die Milizen die Anhänger töten oder entführen. [...] Er hat von mir erwartet, dass ich die Saddam Anhänger in das Restaurant bringe, bzw. ausreichend Informationen wo sie leben, arbeiten und wie sie genau heißen, einhole. [...]" Vor der belangten Behörde erwähnte der Beschwerdeführer ursprünglich allerdings nicht, dass diese Person der schiitischen Miliz von ihm auch verlangte habe, die gesuchten Personen persönlich in das Restaurant zu bringen. Stattdessen beschränkte sich der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt - im Widerspruch zu den späteren Schilderungen - in seinen Ausführungen darauf, dass der Kunde im Restaurant lediglich die Namen von Piloten, Geheimdienstmitarbeitern und/ oder Mitgliedern der Baath-Partei erlangen habe wollen (AS 204). Des Weiteren tätigte der Beschwerdeführer divergierende Angaben zur Anzahl der mit dem Kunden im Restaurant aufgetretenen Personen der schiitischen Miliz. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer wörtlich zu Protokoll (OZ 13, S 8): "[...] Er kommt immer mit mehreren Personen, drei oder vier Personen, sie sind bewaffnet, oder er kommt allein, aber immer bewaffnet. [...]" In der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt nannte der Beschwerdeführer hingegen, fünf bis sieben Personen, die mit dem Kunden im Restaurant erschienen seien (AS 205 f).
Der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers abträglich war ferner, dass er in der Einvernahme vor der belangten Behörde darlegte, dass "die Milizen" zu ihm nach Hause gekommen seien (AS 204) bzw. ihm seine Schwester telefonisch mitgeteilt habe, dass die Miliz nach ihm gesucht habe (AS 206). In weiterer Folge erläuterte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung hingegen, dass ihn diese Person im Restaurant nicht gefunden habe, weshalb diese zu ihm nach Hause gegangen und dort nach ihm gesucht habe. Seine Schwester habe ihm das telefonisch mitgeteilt und habe sich diese Person mit Sicherheit erkundigt, wo er wohnen würde, was ihr von jemandem erklärt worden sei (OZ 13, S 9). Der Beschwerdeführer spricht daher einmal von Miliz(en) und ein anderes Mal von lediglich einer einzigen Person, was sich ebenfalls zu Lasten der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auswirken muss.
Ein weiteres Indiz der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers stellt sein Unvermögen dar, gleichbleibend anzugeben, über welche Personen dieser Vertreter der schiitischen Miliz konkret Informationen von ihm erlangen wollte. Im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde betonte der Beschwerdeführer hierbei vor allem, dass sich dieser Kunde im Restaurant an ihn wegen seiner Familienzugehörigkeit gewandt habe. Wörtlich führte der Beschwerdeführer aus (AS 204): "[...] Am 15.04.2014 verlangte von mir ein Kunde im Restaurant, alle Namen der Piloten, der Geheimdienste und die Namen der Mitglieder der Al Baath Partei unter Saddam Hussein. Ich stamme aus Tikrit. Meine Familie ist eine große und bekannte Familie. Cousins von mir arbeiteten als Piloten und im Geheimdienst unter Saddam Hussein. [...]" In der mündlichen Verhandlung gestaltete der Beschwerdeführer sein diesbezügliches Vorbringen hingegen viel allgemeiner und erklärte "Es gab eine Person, die zu meiner Arbeitsstelle, in dem Restaurant, gekommen ist. Sie wissen, dass in Tikrit sehr viele Saddam Anhänger gegeben hat, man hat dieser Person mitgeteilt, dass sich die Saddam Anhänger in diesem Restaurant treffen. Dass sie sich auch in Tikrit befinden, die Saddam Anhänger, und dort auch treffen. Dieser Person ist auch bekannt, dass ich solche Leute kenne, und auch aus demselben Clan wie Saddam Hussein komme." (OZ 13, S 8), wobei er in weiterer Folge dann doch wieder den Versuch unternahm, im Vorbringen eine engere Beziehung zu seiner Familie herzustellen. Demnach wolle er anmerken, dass für diese Person in erster Linie Personen infrage gekommen seien, die ihm Geheimdienst oder als Piloten gearbeitet hätten, wobei er zwei Cousins hätte, die zu dieser Zeit als Piloten tätig gewesen seien (OZ 13, S 8).
Ins Gewicht fällt des Weiteren, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers in mehrerlei Hinsicht als gänzlich unplausibel erweist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat Ermittlungen zu Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq durchgeführt und Feststellungen dazu getroffen, der Beschwerdeführer ist dem nicht entgegengetreten (zur Verpflichtung, den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte zur erheben und die Glaubwürdigkeit von Behauptungen auch im Vergleich zu den diese Ereignisse betreffenden Berichten zu messen siehe statt aller VwGH 11.04.2018, Ra 2018/20/0040).
So erweisen sich bereits die Angaben des Beschwerdeführers zu den von ihm abverlangten Informationen über sunnitische Familienangehörige seines Stammes/Clans aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes als nicht plausibel. Die Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq ist eine paramilitärisch geführte Miliz, welche unter wesentlichem organisatorischem Einfluss der iranischen Revolutionsgarden steht. Dass eine solche Miliz eine Person wie den Beschwerdeführer gleichsam als eine Art "Spitzel" zwangsrekrutieren sollte, um die Namen von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei oder Piloten bzw. Geheimdienstmitarbeitern seiner Familie zu erfahren, ist nur schwer vorstellbar. Angesichts der der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq im Irak zukommenden Machtfülle erscheint ferner fraglich, ob diese zur Vorbereitung von Operationen oder als Schutz vor Angriffen sunnitischer Milizen gerade auf die Informationen einer Person wie des Beschwerdeführers angewiesen sein sollte.
Darüber hinaus ist darauf zu hinzuweisen, dass es - auch im Kontext der Feststellungen zur Lage im Irak - nicht plausibel ist, dass eine schiitische Miliz in Tikrit - einer Stadt mit fast ausschließlich sunnitischer Bevölkerung - eine sunnitische Person in aller Öffentlichkeit zur Zusammenarbeit bewegt haben will. Es ist nicht nachvollziehbar, dass eine schiitische Miliz dieses Wagnis eingehen sollte, eine Person aus dem Kreis ihrer präsumtiven Kontrahenten von einer Zusammenarbeit zu überzeugen. Müsste sie doch aller Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass diese Person dieses Angebot ausschlägt und die potentiellen Widersacher über das Vorgehen der Miliz in Kenntnis setzt. Schon dieser Umstand spricht demnach aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes erheblich gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers.
Zudem erscheint auch auffällig, dass seitens des Beschwerdeführers keine Meldung oder Anzeige nach der ersten Bedrohung, etwa bei der Polizei erstattet wurde, obwohl es naheliegend wäre, dass bei derartigen kriminellen Machenschaften Anzeige erstattet werden würde. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass es durch die Polizei und andere Sicherheitskräfte zwar weiterhin auch zu Menschenrechtsverletzungen kommt und die Verfolgung von Straftaten durch die Justiz nur unzureichend erfolgt, kann auf Basis der Länderberichte nicht geschlossen werden, dass die Polizei systematisch in derartigen Angelegenheiten nichts unternimmt und bei einer entsprechenden Anzeige untätig bleiben würde. Der Beschwerdeführer hätte sohin erst nach einem fehlgeschlagenen Versuch, Anzeige zu erstatten, davon ausgehen können, dass ihm die Polizei nicht helfe. Zwar ist es nach der Rechtsprechung nicht geboten, einen aussichtslosen Versuch zu unternehmen, bei staatlichen Stellen Schutz zu suchen (siehe zu diesem Thema VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141; 11.06.2002, Zl. 98/01/0394 und 04.03.2010, Zl. 2006/20/0832). Aus einer punktuell bestehenden und auch durch Länderberichte dokumentierten Zusammenarbeit zwischen der Polizei und Milizen kann indes aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes noch nicht darauf geschlossen werden, dass die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes deshalb bei jeder Dienststelle bzw. jedem Beamten im Irak von vornherein aussichtslos wäre.
Des Weiteren hat es der Beschwerdeführer ebenso unterlassen, wegen der geschilderten Schwierigkeiten bei seinem Stamm Schutz zu suchen, obwohl es naheliegend wäre, dass - etwa falls kein Vertrauen in die Polizei besteht - bei derartigen Konflikten zumindest der Versuch unternommen wird, diese Bedrohung mit Hilfe des Stammes abzuwenden. Der Beschwerdeführer entgegnete diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung, dass die meisten Mitglieder der Sippe bzw. des Clans vertrieben seien, weshalb diese nicht mehr so stark seien (OZ 13, S 11). Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen, legte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt doch noch dar, dass er die Namen nicht an die schiitische Miliz weitergeben könne, da er ansonsten von seinem Stamm getötet werden würde (AS 204). Es erscheint aber widersinnig, dass dieser Stamm zwar einerseits noch die Möglichkeiten haben sollte, den Beschwerdeführer auszuforschen und in der Folge zu töten, bei einer Bedrohung und Verfolgung seiner Person aber nichts zu dessen Schutz unternehmen könnte und untätig bleiben müsste.
An den Aussagen des Beschwerdeführers irritiert auch, dass der Beschwerdeführer den Angehörigen der Miliz als Stammkunde des Restaurants bezeichnet, obwohl sich aus den weiteren Schilderungen des Beschwerdeführers ergibt, dass diese Person das Restaurant allenfalls im Zeitraum von Ende März 2014 bis 19.04.2014 aufgesucht haben kann (AS 204 f; OZ 13, S 18), was ebenfalls gewisse Zweifel an den Ausführungen des Beschwerdeführers weckt. Dass dieser Kunde bei seinen Rekrutierungsversuchen in einem Restaurant einer Stadt mit fast ausschließlich sunnitischer Bevölkerung auch zweimal eine Uniform samt Stirnband (!) getragen haben soll, mit der er als Schiit zu erkennen gewesen sei (AS 204, OZ 13, S 10), erscheint zudem widersinnig.
In Anbetracht des vom Beschwerdeführer in den Raum gestellten Motivs seiner Verfolger - nämlich die Namen von Personen bzw. Familienangehörigen zu erfahren, die das Regime von Saddam Hussein in unterschiedlicher Weise gestützt hätten - ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ebenso wenig nachvollziehbar, dass lediglich der Beschwerdeführer nach diesen Personen befragt worden sei. Wäre das vom Beschwerdeführer genannte Motiv zutreffend wäre indes damit zu rechnen gewesen, dass man die gesamte Familie des Beschwerdeführers befragt hätte. Derartiges ist jedoch ausweislich des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht geschehen, was aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls gegen die behaupteten Nachforschungen in dieser Stadt spricht. Insoweit konnte der Beschwerdeführer auf einen entsprechenden Vorhalt in der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt auch nur in nicht nachvollziehbarer Weise entgegnen, dass seine Familienmitglieder zwar die Namen wüssten, aber die Miliz nicht zu ihnen kommen könne, denn der Kunde hätte ihm Schmiergeld dafür geben wollen (AS 206).
Zudem ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass mehrere Familienangehörige des Beschwerdeführers immer noch im Irak leben. Insbesondere war der Beschwerdeführer auch nicht in der Lage eine plausible Erklärung dafür zu erbringen, weshalb ausgerechnet er und nicht auch beispielsweise die anderen von ihm hinsichtlich dieser Bedrohung in Kenntnis gesetzten Familienangehörigen den Irak verlassen mussten. Auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung wiederholte der Beschwerdeführer lediglich, dass er nicht im Irak leben könne. Im Irak würde er getötet werden (OZ 13, S 11).
Hinzu tritt, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt nicht plausibel darstellen konnte, weshalb es für ihn nicht möglich gewesen wäre, durch einen Wohnsitzwechsel dieser Zwangslage mit der schiitischen Miliz zu entgehen. Befragt, weshalb er nicht in eine andere Stadt, z. B nach Erbil, oder in einen anderen Landesteil gezogen sei, gab der Beschwerdeführer lediglich allgemein ausweichend und die entsprechende Frage teilweise ignorierend zu Protokoll, dass er in das kurdische Gebiet einreisen habe wollen, aber da hätte er einen Bürgen benötigt (AS 206). Ein nachvollziehbarer Grund, weshalb er einer allfälligen Gefährdung in seiner Heimatstadt nicht innerhalb des Herkunftsstaates entgehen konnte, anstatt den Irak gleich zu verlassen, wird damit nicht aufgezeigt, zumal er später bezüglich seiner Eltern sogar darlegte, dass man für einen Aufenthalt in einem Flüchtlingslager keinen Bürgern benötigen würde.
Gegen die behauptete Verfolgung durch eine schiitische Miliz spricht des Weiteren, dass dem Beschwerdeführer ohne Schwierigkeiten die legale Ausreise auf dem Landweg mit einem Bus in die Türkei gelang (AS 202). Wäre die - seitens des Beschwerdeführers in den Raum gestellte - enge Verflechtung zwischen Milizen und den irakischen Sicherheitskräften indes tatsächlich gegeben (der Beschwerdeführer sprach sogar davon, dass Milzen im Irak die Nr. 1 seien), hätte der Beschwerdeführer indes damit rechnen müssen, dass er von den Verfolgern auf die Fahndungsliste gesetzt und bei der Ausreisekontrolle festgenommen wird. Dass derartiges nicht erfolgte, spricht gegen eine Verfolgung und auch gegen die behauptete Zusammenarbeit von Milizen und staatlichen Organen.
Schließlich ist darauf zu verweisen, dass aus dem mehr als einjährigen Aufenthalt in der Türkei und aus der kontinuierlichen Weiterreise des Beschwerdeführers quer durch Europa ohne Antragstellung der Schluss gezogen werden kann, dass es dem Beschwerdeführer nicht darum ging, einer Verfolgung in seinem Heimatland zu entgehen, sondern er seinen Antrag in einem konkreten europäischen Land stellen wollte. Andernfalls wäre es wohl zu erwarten gewesen, dass die Türkei als erstes Ziel ausreichend gewesen wäre, der Verfolgung zu entkommen. Der Beschwerdeführer musste auf seiner Reise nach Österreich zudem auch durch andere als sicher geltende Staaten reisen und wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen schon dort um Schutz anzusuchen. Durch das Unterlassen kann geschlossen werden, dass er andere Motive als jene der Schutzsuche hat.
Im Ergebnis kann bereits an dieser Stelle festgehalten werden, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der angeblichen Bedrohung und Verfolgung durch die schiitische Miliz aufgrund der von ihm verweigerten Zusammenarbeit mit dieser Organisation angesichts der darlegten Unstimmigkeiten und insbesondere im Hinblick auf die ebenfalls angeführten Unplausibilitäten als ein lebensfremder und mit den Verhältnissen im Herkunftsstaat nicht in Einklang zu bringender Sachverhalt erweist. Das Bundesverwaltungsgericht geht schon deshalb davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend den angeblichen ausreisekausalen Vorfall nicht als glaubwürdig anzusehen ist.
Die im Original vorgelegten Lichtbilder eines zerstörten Gebäudes ändern an dieser Wertung nichts, zumal sich aus diesen Lichtbildern nicht ergibt, dass die sichtbaren Zerstörungen das Haus der Familie des Beschwerdeführers betreffen. Ebenso wenig kann aus diesen Lichtbildern abgeleitet werden, durch wen und aufgrund welcher Ursache es zu dieser Zerstörung kam.
2.6.4. Das Bundesverwaltungsgericht kann im Übrigen auch keine Rückkehrgefährdung erkennen, zumal der Beschwerdeführer kein exponiertes persönliches Profil aufweist, welches auf eine gegenüber der Durchschnittsbevölkerung höheres Risiko eines Konfliktes mit schiitischen Milizionären hindeutet, zumal der vorgebrachte angeblich ausreisekausale Vorfall letztlich ein singuläres Ereignis betraf.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es nun für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an (VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307 mwN). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Mitbeteiligte bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung (Vorverfolgung) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn eine Person im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob die Person im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (VwGH 25.9.2018, Ra 2017/01/0203 mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hat daher auch zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinem Heimatstaat Verfolgung zu befürchten hat.
In dieser Hinsicht ist von Bedeutung, dass seit dem angeblichen ausreisekausalen Vorfall mittlerweile mehr als fünf Jahre vergangen sind. Die zu den Aktivitäten der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq getroffenen Feststellungen bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass Einzelpersonen auch nach Jahren der Abwesenheit im Rückkehrfall gezielt verfolgt oder Todeslisten geführt werden. Ausgehend davon ist aus Sicht des Bundeverwaltungsgerichtes nicht glaubhaft, dass gegenwärtig überhaupt noch ein Interesse an der Person des Beschwerdeführers besteht. Er konnte dies bei seiner Befragung im Gefolge der mündlichen Verhandlung auch nicht schlüssig darlegen. Dass seine Familie nun bedrängt oder gar bedroht werde brachte der Beschwerdeführer nicht vor und konnte der Beschwerdeführer auch nicht nachvollziehbar erklären, weshalb seine Familie weiterhin im Irak lebt, obwohl sie ebenfalls gefährdet sein sollte. Entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers herrscht im Irak derzeit auch keine Anarchie und es bestehen keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass er wie von ihm befürchtet bereits einige Tage nach seiner Rückkehr getötet werden würde. Vielmehr ist nicht davon auszugehen, dass eine derartige Aufforderung zur Zusammenarbeit an eine Einzelperson noch Jahre später zur einer - behauptetermaßen landesweiten - Verfolgung des Beschwerdeführers führen kann.
Ferner erscheint es wenig plausibel, weshalb einem im Zeitpunkt des Sturzes von Saddam Hussein fünfzehnjährigen Jungen aufgrund der (angeblichen) Zugehörigkeit zum Stamm Saddam Husseins und der damaligen Mitgliedschaft von Familienangehörigen bei der Baath-Partei und/oder deren Tätigkeit in der früheren irakischen Armee, etwa als Piloten, bei einer Rückkehr Konsequenzen drohen sollten. Die Feststellungen zur Lage ehemaliger Baathisten und ihrer Angehöriger bieten keinen Anlass, eine Verfolgung sämtlicher (ehemaliger) Mitglieder der Baath-Partei und deren Familienmitglieder im Gouvernement Salah ad-Din besorgen zu müssen. Jedenfalls lässt sich eine gezielte Verfolgung von Einzelpersonen wie etwa dem Beschwerdeführer aus dem Grund einer vormaligen einfachen Mitgliedschaft eines Familienangehörigen im allgemeinen Kontext der Sicherheitslage im Irak nicht ableiten. Dafür, dass von staatlicher Seite oder von privaten Dritten im Irak auch (ehemalige) einfache Parteimitglieder der Baath-Partei oder deren Verwandte systematisch bedroht und/oder verfolgt würden, fehlt auch jeglicher Anhaltspunkt in den Feststellungen zur Lage im Irak bzw. der Heimatregion des Beschwerdeführers. Aus den getroffenen Feststellungen zur Lage von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei sowie deren Angehörigen im Irak und in Anbetracht der vom Bundesverwaltungsgericht bei der Bearbeitung ähnlich gelagerter, den Irak betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen ergibt sich kein den Beschwerdeführer individuell betreffendes asylrelevantes Bedrohungsszenario. Insbesondere wurde nicht vorgebracht, dass sich die Familienmitglieder während des Regimes von Saddam Hussein Menschenrechtsverletzungen oder sonstigen Verbrechen schuldig gemacht oder sonst Aufmerksamkeit erregt hätten. Ausgehend davon ist aus Sicht des Bundeverwaltungsgerichtes nicht glaubhaft, dass gegenwärtig überhaupt noch ein Interesse an der Person des Beschwerdeführers besteht. Er konnte dies bei seiner Befragung im Gefolge der mündlichen Verhandlung auch nicht schlüssig darlegen. Eine individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr ist jedenfalls auch unter diesem Aspekt nicht erkennbar. Aufgrund seines jugendlichen Alters würde dem Beschwerdeführer selbst die Mitgliedschaft bei der Baath-Partei auch nicht unterstellt werden, da er beim Sturz des Regimes von Saddam Hussein erst fünfzehn Jahre alt war.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass auch aus dem Bericht von EASO vom März 2019 "Targeting of Individuals" kein aktuelles Verfolgungsszenario in Bezug auf ehemalige Mitglieder der Baath-Partei oder deren Angehörige abgeleitet werden kann. Die in diesem Bericht geschilderten Übergriffe stellen Einzelfälle dar, die in den Jahren 2015 und 2016 stattfanden und die allesamt hochrangige ehemalige Baathisten betrafen und nicht einfache Mitglieder bzw. Mitglieder niederen Ranges und schon gar nicht deren Angehörige.
In Anbetracht der Quellenlage und der dazu getroffenen Feststellungen zur Lage von ehemaligen Baathisten zeigt sich einerseits, dass Racheakte gegen vormalige Angehörige der Baath-Partei oder Regimemitglieder bzw. deren Familienmitglieder geschehen sind, die Übergriffe in den letzten Jahren jedoch abgenommen haben. Solche Racheakte sind in Ansehung des Beschwerdeführers nicht zu befürchten, da dessen Familienangehörige jedenfalls keine wichtige Position im Regime Saddam Husseins oder der Baath-Partei bekleideten und er auch nicht behauptete, dass diese in Verbrechen dieses Regimes verwickelt waren, sondern allenfalls lediglich einfache Mitglieder der Partei und beispielsweise Piloten in der irakischen Armee gewesen wären.
Eine aktuelle Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat wäre demnach selbst dann zu verneinen, wenn sein Vorbringen zum ausreisekausalen Vorfall entgegen den obenstehenden Erwägungen doch als glaubwürdig erachtet werden würde.
2.6.5. Gegen eine Gefährdung aus konfessionellen Gründen spricht, dass die Bevölkerung im Gouvernement Salah ad-Din und überhaupt im Nordirak ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak überwiegend sunnitisch ist. Im Fall einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Salah ad-Din würde der Beschwerdeführer demnach der dort überwiegend vertretenen Richtung des Islam zugehören. Der Beschwerdeführer brachte auch dahingehend keine Rückkehrbefürchtungen substantiiert vor.
Dass die sunnitische Bevölkerung im Gouvernement Salah ad-Din systematisch von schiitischen Milizen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt werden würde, kann den Feststellungen zur Lage im Irak nicht entnommen werden. Insbesondere bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die in das Gouvernement Salah ad-Din zurückkehrenden (sunnitischen) Binnenvertriebenen einer gezielten und systematischen Verfolgung durch staatliche Organe und Angehörige des schiitischen Glaubens unterliegen oder beispielsweise bei einer Rückkehr von Bagdad nach Tikrit auf dem Landweg systematisch an einer Einreise in die Stadt gehindert würden. Die Stadt Tikrit ist damit für den Beschwerdeführer auch sicher erreichbar, er verfügt auch über einen Personalausweis im Original, sodass er nicht erst ein Identitätsdokument erlangen muss.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im gegebenen Zusammenhang nicht, dass die irakische Gesellschaft bereits seit dem Sturz des (sunnitisch geprägten) Regimes von Saddam Hussein in zunehmendem Maße religiös gespalten ist und sich in den Jahren 2006 bis 2008 massive konfessionelle Konflikte ereigneten. Während des Bürgerkrieges der (ebenfalls sunnitischen) Milizen des Islamischen Staates wurde die sunnitische Minderheit im Irak darüber hinaus oftmals einerseits für das Erstarken des Islamischen Staates und die damit verbundenen zahlreichen vornehmlich schiitischen Opfer unter den Sicherheitskräften (wie etwa beim Massaker von Tikrit) und Zivilisten verantwortlich gemacht und andererseits selbst fallweise mit einer unterstellten Sympathie gegenüber dem Islamischen Staat konfrontiert.
Eine systematische und asylrelevante Verfolgung sämtlicher Angehöriger der sunnitischen Minderheit durch die schiitische Mehrheitsbevölkerung kann dessen ungeachtet angesichts der Quellenlage nicht nachvollzogen werden, was sich auch daraus ergibt, dass sich zahlreiche Familienangehörige des Beschwerdeführers den Feststellungen zufolge auch gegenwärtig im Irak und dort in Erbil aufhalten und diesbezügliche aktuelle Schwierigkeiten nicht vorgebracht wurden.
Ein genereller Ausschluss von Sunniten vom Arbeitsmarkt und von Bildungseinrichtungen liegt in Anbetracht der Quellenlage sowie den vom Bundesverwaltungsgericht bei der Bearbeitung ähnlich gelagerter, den Irak betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen ebenfalls nicht vor. Dazu tritt, dass ausweislich der Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak hohe Staatsämter, etwa jenes des Parlamentspräsidenten, Sunniten vorbehalten und diese auch im irakischen Parlament angemessen repräsentiert sind, was auch gegen eine Verfolgung sämtlicher Angehöriger des sunnitischen Religionsbekenntnisses im Irak spricht. Würde eine Gruppenverfolgung sämtlicher Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung im Irak tatsächlich stattfinden, wäre ferner mit Sicherheit davon auszugehen, dass entsprechende eindeutige und aktuelle Quellen vorhanden wären. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass von schiitischen Milizen nach wie vor Menschenrechtsverletzungen ausgehen und auch eine nicht feststellbare Zahl von Übergriffen auf sunnitische Iraker stattfindet, welche über bloße Diskriminierungen hinausgehen. Ausweislich der Feststellungen sind insbesondere in den von den Milizen des Islamischen Staates zurückeroberten Gebieten von schiitischen Milizen (wie etwa der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq) ausgehende Gewaltakte gegen männliche sunnitische Araber dokumentiert und kommen Entführungen und außergerichtliche Hinrichtungen ebenso vor, wie Vertreibungen mit dem Ziel einer religiösen Homogenisierung. Ferner sind Übergriffe seitens Angehöriger der al-Haschd asch-Scha?bi im Gefolge von Kampfhandlungen oder Anschlägen in den umkämpften Gebieten bekannt, welche von den Verantwortlichen als Einzelfälle abgetan werden und die als Vergeltungsaktionen in Zusammenhang mit konkreten Angriffen des Islamischen Staates angesehen werden.
Bei Abwägung der Feststellungen zu Übergriffen einerseits und den aus den Feststellungen zur Sicherheitslage ersichtlichen Angaben zu zivilen Opfern andererseits und der Bevölkerungszahl und der Anzahl der Binnenvertriebenen in der Provinz Salah ad-Din andererseits ist indes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht davon auszugehen, dass sämtliche männlichen sunnitischen Araber in Salah ad-Din mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ungerechtfertigte Eingriffe von erheblicher Intensität in ihre schützende persönliche Sphäre aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses oder einer ihnen aufgrund ihres Profils als junge männliche Sunniten unterstellten Anhängerschaft zum Islamischen Staat zu gewärtigen hätten. Es gibt auch keine Zahlen, die zeigen würden, wie viele Sunniten etwa aus politischen oder religiösen Gründen getötet wurden. In Anbetracht der in den Feststellungen zur Lage in Salah ad-Din dargelegten jüngsten sicherheitsrelevanten Vorfälle ist die Wahrscheinlichkeit, einem zielgerichteten Übergriff schiitischer Milizen aus den eingangs erörterten Motiven zum Opfer zu fallen, vielmehr derzeit nicht als erheblich anzusehen. Diese nur entfernte Möglichkeit, Opfer eines religiös motivierten Übergriffes zu werden, genügt indes nicht zur Annahme einer Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
Zur allgemeinen Lage der Sunniten im Irak erkennt etwa auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung, dass allfällige Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, im Staat Irak die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweisen. Der Umfang der Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter, die an die sunnitische Religionszugehörigkeit anknüpfen, rechtfertige in der Relation zu der Größe dieser Gruppe nicht die Annahme einer alle Mitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung. Die irakische Bevölkerung setzte sich zu 60 bis 65% aus arabischen Schiiten, zu 17 bis 22% aus arabischen Sunniten und zu 15 bis 20% aus (überwiegend sunnitischen) Kurden zusammen. Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 36 Millionen Einwohnern würde das bedeuten, dass sechs bis acht Millionen arabische Sunniten im Irak als Gruppe verfolgt würden. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer kritischen Verfolgungsdichte würden sich aus der Berichtslage indes nicht ergeben (siehe hiezu etwa VGH München 16.11.2017, Zl. 5 ZB 17.31639 mwN). Das Bundesverwaltungsgericht gelangt ebenfalls zu dieser Einschätzung. Zwar wird in Quellen von religiös motivierten Übergriffen auf sunnitische Araber bis hin zu Morden und Entführungen berichtet, jedoch kann den Quellen (einschließlich der Einschätzungen der im Irak agierenden Hilfsorganisationen) in der Regel keine Einschätzung der Häufigkeit solcher Vorfälle entnommen werden bzw. werden die Einzelfälle, die zur Einschätzung führen, nicht offengelegt und bestehen keine belastbaren Erkenntnisse darüber, dass Übergriffe auf sunnitische Araber in einer Anzahl erfolgen würden, dass nicht mehr nur von vereinzelt bleibenden individuellen Übergriffe auszugehen ist. Die Verfolgungshandlungen müssen nämlich, um von einer Gruppenverfolgung sprechen zu können, im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, das daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr bzw. die maßgebliche Wahrscheinlichkeit eigener Betroffenheit entsteht. Derartiges liegt in Bezug auf sunnitische Araber in Salah ad-Din jedenfalls nicht vor. Die Feststellungen zur Sicherheitslage, die auf rezenten Quellen basieren und die Sicherheitslage im Jahr 2018 vollumfänglich abdecken, lassen zudem erkennen, dass die aktuellen Herausforderungen im Hinblick auf die Sicherheitslage in den um Macht und Einfluss konkurrierenden Milizen zu sehen sind und aktuelle sicherheitsrelevante Vorfälle - neben auf geringem Niveau anhaltenden Aktivitäten des Islamischen Staates - in namhafter Zahl als Folge politischer Spannungen unter Milizen und vergleichbaren Gruppierungen auftreten. Zwar werden schiitische Milizen von sunnitischer Seite weiterhin beschuldigt, Übergriffe zu begehen. Die Zuordnung der Täter wird in solchen Fällen aber ebenfalls weiterhin als schwierig beschrieben. In Anbetracht der allgemein stark abgesunkenen Opferzahlen ist im Übrigen in jedem Fall von einer deutlichen Entspannung der Lage auszugehen, die ausweislich der Feststellungen gerade auch die tatsächlichen bzw. vermeintlichen Gewaltakte von schiitischen Milizionären gegenüber Sunniten betreffen muss.
Der Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen einer behaupteten Gruppenverfolgung von Sunniten in mehreren Entscheidungen nicht nähergetreten (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/18/0014; 19.06.2019, Ra 2018/01/0379; 25.06.2019, Ra 2019/19/0193; 10.07.2019, Ra 2019/14/0225, und 18.07.2019, Ra 2019/19/0191) und wurde etwa zuletzt im Erkenntnis vom 29.06.2018, Ra 2018/18/0138, auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes eine Gruppenverfolgung von Sunniten in Bagdad verneint.
Die gegenwärtige Lage in Salah ad-Din ist ausweislich der Feststellungen durch eine im Verhältnis zur Bevölkerungszahl wieder geringe Anzahl an Zivilisten betreffender sicherheitsrelevanter Vorfälle gekennzeichnet, zumal aktuell im Jahr 2018 eine maßgebliche Beruhigung der Lage eingetreten ist. Die in Quellen ersichtlichen festgestellten Vorfälle von gewaltsamen Übergriffen gegenüber Sunniten betreffen allesamt das Jahr 2017 oder frühere Jahre und stehen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes in Zusammenhang mit Kampfhandlungen gegen die Milizen des Islamischen Staates, wobei abschnittsweise diese Motivation in den Feststellungen deutlich hervorkommt.
Eine individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers als Sunnit im Fall einer Rückkehr nach Tikrit im Gouvernement Salah ad-Din ist vor diesem Hintergrund zusammenfassend nicht erkennbar und es spricht auch die festgestellte massenhafte Rückkehr von Binnenvertriebenen nach Tikrit seit der Befreiung vom Islamischen Staat entschieden dagegen, dass dort eine an das sunnitische Bekenntnis anknüpfende Verfolgungssituation vorgefunden wird. Da gerade im Raum Tikrit der Stamm des Saddam Hussein der dortigen Stammeskonföderation angehörte, begründet eine herkunfts- bzw. abstammungsbezogene Nähe zu dessen Stamm keine exponierte Stellung und es sind auch keine dahingehenden aktuellen Verfolgungshandlungen gegen Stammesangehörige der Albu Nasir oder assoziierter Stämme in den Länderberichten dokumentiert. Eine dahingehende Gefährdung des Beschwerdeführers kann im Ergebnis von vornherein ausgeschlossen werden.
Ebenso wenig kann das Bundesverwaltungsgericht erkennen, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall strafrechtliche Verfolgung - etwa nach dem irakischen Antiterrorgesetz Nr. 13 aus dem Jahr 2005 - ausgesetzt sein sollte. Der Beschwerdeführer ist in Anbetracht seines persönlichen Profils im Hinblick auf eine allfällige Strafverfolgung nicht exponiert und brachte auch keine dahingehenden Befürchtungen im Rückkehrfall bei seiner Befragung substantiiert vor. Dazu tritt, dass zwar die Zahl der angehaltenen Personen nicht veröffentlicht wird, jedoch eine Schätzung vom Januar 2018 von zumindest 19.000 angehaltenen Personen und ca. 3.000 verhängten Todesurteilen ausgeht. Nach Einschätzung des Experten Belkis Wille der NGO Human Rights Watch würden die Personen als potentielle Terroristen angesehen, die in den letzten drei Jahren in einem vom Islamischen Staat kontrollierten Gebiet gelebt hätten vergleiche EASO, Targeting of Individuals, Sitzung 24). Eine andere Quelle legt in diesem Sinn dar, dass Personen, die in Gebieten lebten, die unter der Kontrolle des Islamischen Staates standen, mehr unter Diskriminierung und Missbrauch zu leiden hätten als Personen, die außerhalb der Kontrolle des Islamischen Staates lebten vergleiche EASO, Targeting of Individuals, Sitzung 26).
Der Beschwerdeführer stammt zwar aus einem zeitweilig vom Islamischen Staat kontrollierten Gebiet, reiste von dort aber noch vor der Machtergreifung durch den Islamischen Staat bereits im Frühling 2014 in die Türkei aus und wird sich deshalb nicht mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, den Islamischen Staat durch Befolgung von dessen quasistaatlicher Ordnung unterstützt zu haben. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer in der Lage, seine Ausreise im Jahr 2014 nachzuweisen, sodass er auch insoweit nicht unter Verdacht geraten wird, sich dem Islamischen Staat angeschlossen zu haben. Er wird schließlich in der Lage sein, in das sunnitisch dominierte Gouvernement Salah ad-Din zurückzukehren, ohne unter dem Verdacht der Begehung terroristischer Straftaten zu stehen. Zusammenfassend erkennt das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des skizzierten Profils des Beschwerdeführers kein maßgebliches Risiko einer im Rückkehrfall drohenden strafrechtlichen Verfolgung und/oder einer Inhaftierung nach dem irakischen Antiterrorgesetz Nr. 13 aus dem Jahr 2005 oder einer anderen Strafnorm. Auch wenn es Berichten zufolge zu willkürlichen Festnahmen an Checkpoints kommt und Fälle von Verschwindenlassen dokumentiert sind, steht dem gegenüber, dass über 600.000 Personen nach Salah ad-Din zurückkehrten und den Berichten kein Anhaltspunkt für willkürliche Festnahmen oder Fälle von Verschwindenlassen in hoher Zahl entnommen werden können. Das Bundesverwaltungsgericht zieht daraus den Schluss, dass es sich bei den angesprochenen Willkürakten um Einzelfälle handelt und sich daraus kein mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretendes Szenario ergibt.
2.6.6. An dieser Stelle ist eine (amtswegige, weil sich der Beschwerdeführer nicht darauf berufen hat) Auseinandersetzung mit der im Mai 2019 veröffentlichten Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge "International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq" erforderlich, da Empfehlungen internationaler Organisationen Indizwirkung nach der Rechtsprechung zukommt (VwGH 06.07.2011, Zl. 2008/19/0994) und sich die angeführte Position von UNHCR ausführlich mit potentiellen Verfolgungsszenarien im Irak auseinandersetzt. Die zitierte Indizwirkung bedeutet jedoch nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in Bindung an entsprechende Empfehlungen etwa des UNHCR Asyl zu gewähren hat. Vielmehr ist, wenn in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Einschätzung des UNHCR nicht gefolgt wird, beweiswürdigend darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte von einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat ausgegangen wird (VwGH 13.12.2010, Zl. 2008/23/0976; 06.02.2017, Ra 2017/20/0016, zur Lage im Irak).
Der zitierte Bericht kommt zunächst zum Ergebnis, dass der Islamische Staat in den Wüstengebieten und ländlichen Gegenden in Al-Anbar, Baghdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah Al-Din mit einer gewissen Freiheit operiert, da sich die Präsenz der Sicherheitskräfte auf die urbanen Zentren konzentriert und außerhalb nur "limited presence" von Sicherheitskräften gegeben sei. Der Islamische Staat sei nach wie vor in der Lage, Überraschungsangriffe zu starten, und gezielte Tötungen unter anderem führender lokaler Persönlichkeiten, Entführungen sowie Angriffe mit unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) auf Zivilisten und Sicherheitskräfte durchzuführen. Eingeschränkte Militäreinsätze gegen den Islamischen Staat würden nach wie vor stattfinden und Sicherheitskräfte würden häufig Verdächtige festnehmen, Sprengkörper entschärfen und Waffenverstecke, geheime Unterschlüpfe und unterirdische Tunnel aufspüren. Personen, die aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Zugehörigkeit zum Islamischen Staat verhaftet werden, wären dem Risiko von Menschenrechtsverletzungen durch staatsnahe Sicherheitsakteure ausgesetzt. In Bezug auf die (schiitischen) PMF-Milizen beanstandet der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, dass diese die Zivilbevölkerung schikanieren und missbräuchliche Praktiken ausüben (im Original "harassment and abuse against civilians by these groups"), etwa indem an Checkpoints Steuern und Zölle eingehoben werden, mit mafiaähnlichen Praktiken Schutzgelder verlangt werden und es zu Erpressungen kommt.
In der Folge identifiziert der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zwölf Personengruppen, die als besonders schutzbedürftig angesehen werden (siehe die Seiten 58 ff des Berichtes). In Ansehung des Beschwerdeführers ist zunächst festzustellen, dass dieser keiner dieser Gruppen angehört, zumal er sich nicht als Kritiker des kurdischen oder des irakischen politischen Systems exponiert oder anderweitig oppositionell betätigte oder als Befürworter der irakischen Regierung in Erscheinung trat, sodass eine diesbezügliche Gefährdung (deren Bezeichnung im Original: "Persons Opposing, or Perceived to Be Opposing, the Government or those Affiliated with the Government" bzw. "Persons Opposing, or Perceived to Be Opposing, the KRG or Those Affiliated with the KRG" bzw. "Persons Associated with, or Perceived as Supportive of, the Goverment") ausgeschlossen werden kann.
Der Beschwerdeführer kann aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch nicht der Gruppe der "Person Wrongly Suspected of Supporting ISIS" zugeordnet werden. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge führt zu dieser Kategorie zunächst aus, dass Personen mit überwiegend sunnitisch-arabischer Identität und vornehmlich aber nicht ausschließlich Männer und Jugendliche im kampffähigen Alter aus Gebieten, die zuvor vom Islamischen Staat besetzt waren, Berichten zufolge dem Verdacht unterliegen, mit dem Islamischen Staat in Verbindung zu stehen oder den Islamischen Staat zu unterstützen. Die Stigmatisierung hat ihren Ursprung darin, dass diese Personen die Herrschaft des Islamische Staates überlebt haben (im Original "for having survived under ISIS rule", vergleiche Fußnote 377). Zivilisten dieses Profils wären seit dem Jahr 2014 verschiedenen Vergeltungsmaßnahmen in Form von Gewaltanwendung und Missbrauch durch staatliche und nichtstaatliche Akteure ausgesetzt, unter anderem während Militäreinsätzen gegen den Islamischen Staat, während und nach der Flucht aus vom Islamischen Staat besetzten Gebieten, nach der Wiedereroberung dieser Gebiete und während anhaltender Sicherheitseinsätze gegen Überreste des Islamischen Staates. Die vorstehende Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass die dokumentierten Übergriffe von Sicherheitskräften und (schiitischen) PMF-Milizen in zeitlichem und örtlichen Zusammenhang mit Kampfhandlungen und terroristischen Aktivsten des Islamischen Staates standen, entspricht somit der Einschätzung des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge. Auf Seite 60 des Berichtes wird in der Folge auch explizit erwähnt, dass die gewalttätigen Übergriffe insbesondere die Jahre 2014 bis 2017 betrafen.
Nunmehr ortet der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge die Gefahr, dass Sicherheitskräfte Personen auf der Grundlage weit gefasster, diskriminierender und sich häufig überschneidender Kriterien eine Verbindung zum Islamischen Staat unterstellen und diese Personen deshalb einer strafrechtlichen Verfolgung, Folter und anderen Formen der Misshandlung ausgesetzt sein können. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass auf den Beschwerdeführer das auf Seite 59 der Einschätzung des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge definierte Risikoprofil teilweise zutrifft, weil er ein sunnitischer Mann in wehrfähigem Alter ist. Dem steht gegenüber, dass er keinen familiären oder stammesbezogenen Bezug zum Islamischen Staat aufweist und er nicht in einer vom Islamischen Staat faktisch beherrschten Gegend lebte. Dem Beschwerdeführer kann somit nicht vorgeworfen werden, eine gewisse Zeit unter der faktischen Herrschaft des Islamischen Staates zugebracht und dermaßen - wenn auch nur stillschweigend - mit dem Islamischen Staat kooperiert zu haben. Er ist auch nicht in der Situation, binnenvertrieben zu sein. Dass alleine seiner Herkunft aus Tikrit zu einem derartigen Verdacht führt, ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes bei einer Rückkehr nach Tikrit selbst nicht zu besorgen, kehrt der Beschwerdeführer doch an seinen Herkunftsort zurück und wird nicht als Binnenvertriebener an einem anderen Ort Aufmerksamkeit als Binnenmigrant erwecken.
Einerseits bestehen keine Hinweise darauf, dass die hunderttausenden Rückkehrer in die Stadt nun in namhafter Zahl verhaftet würden. Es mag die Zahl an geschätzten inhaftierten (angeblichen) Anhängern des Islamischen Staates im gegebenen Zusammenhang hoch erscheinen, diese Zahl ist jedoch die Folge nunmehr jahrelanger Auseinandersetzungen und sie ist auch in Beziehung mit der festgestellten Anzahl von zumindest 601.866 Rückkehrern in das Gouvernement Salah ad-Din und die dortige Bevölkerungszahl von nunmehr ca. 1.595.235 Personen zu setzen. Ausgehend davon erkennt das Bundesverwaltungsgericht schon in Anbetracht der Dimension nicht die (für die Gewährung von internationalem Schutz) maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung und/oder strafrechtlichen Verfolgung im Rückkehrfall - umso mehr als er eben das Risikoprofil nur teilweise verwirklicht.
Bei einem näheren Studium des (umfangreichen) Quellen und Fußnotenapparates der der Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zur Rückkehr in den Irak vom Mai 2019 zeigt sich als weitere Risikoquelle eine mögliche Denunziation, wobei der Beschwerdeführer eine derartige Befürchtung einerseits nicht vorbrachte und das Bundesverwaltungsgericht andererseits auch nicht erkennen kann, weshalb der Beschwerdeführer nach jahrelanger Abwesenheit von unbekannten dritten Personen oder "geheimen Informanten" denunziert werden sollte. Dass eine zufällige Namensgleichheit zu einer Verwechslung des Beschwerdeführers mit einer gesuchten Person führt, wurde im Verfahren ebenfalls nicht vorgebracht und kann vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht als mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretender Umstand erkannt werden. In Anbetracht der Rechtslage ist nämlich nicht auszuschließen, dass eine gewisse Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer mit zu Unrecht erhobene Vorwürfen konfrontiert sein könnte. Verfolgungsgefahr ist jedoch nach der Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (VwGH 10.08.2018 Ra 2018/20/0314; 10.11.2015, Ra 2015/19/0185). Eine solche maßgebliche Wahrscheinlichkeit sieht das Bundesverwaltungsgericht in Anbetracht des Profils des Beschwerdeführers und der vorliegenden Berichte nicht. Eine Sicherheitsüberprüfung und/ oder eine kurzzeitige Festnahme würde im Übrigen noch keine asylrelevante Verfolgung darstellen und führt auch nicht zwingend zu einer mehrmonatigen oder mehrjährigen Inhaftierung oder einem unfairen Prozess.
Die Berücksichtigung der Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zur Rückkehr in den Irak vom Mai 2019 zeigt somit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers im Rückkehrfall auf. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge schränkt in dieser Hinsicht in seiner zusammenfassenden Darstellung auf Seite 65 den Schutzbedarf selbst auf Personen ein, die in einer vom Islamischen Staat beherrschten Gegend gelebt haben. Der Beschwerdeführer wäre deshalb allenfalls unter jene Kategorie zu subsumieren, die abhängig von den besonderen Umständen des jeweiligen Falls möglicherweise internationalen Schutz benötigen. Aufgrund der vorstehend ausführlich erörterten Umstände - insbesondere der rechtszeitigen Ausreise, des fehlenden familiären Bezugs zum Islamischen Staat und der Rückkehr an den Herkunftsort - geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer keinen internationalen Schutz benötigt und seine Rückkehr nach Tikrit in diesem Zusammenhang unbeachtet bleiben würde.
2.6.7. Die sichere Erreichbarkeit der Stadt Tikrit im Wege der in den Feststellungen angeführten Straße ergibt sich zunächst aus der festgestellten stabilen Sicherheitslage im Gouvernement Bagdad, die ein Erreichen des dortigen Flughafens ermöglicht. Der Country of Origin Information Report von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend Security Situation enthält für jedes Gouvernement Informationen zur Sicherheit von Verkehrswegen. Für das Gouvernement Salah ad-Din gibt EASO an, dass die Schnellstraße von (schiitischen) PMF-Milizen gesichert wird, es jedoch Medienberichten zufolge zu vereinzelten Überfällen des Islamischen Staates mit "fake checkpoints" kommt. Von einer Unpassierbarkeit bzw. der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit, solchen Übergriffen zum Opfer zu fallen, geht der Bericht jedoch nicht aus, sodass derartiges auch hier nicht festgestellt werden kann. Letztere Umstand folgt daraus, dass nur vereinzelt Berichte über Opfer an "fake checkpoints" vorliegen und grundsätzlich Aktivitäten des Islamischen Staates nur punktuell und in unregelmäßigen Abständen gesetzt werden, sodass nicht davon auszugehen, dass von "fake checkpoints" eine ständige und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei einer einzelnen Reisebewegung zu gewärtigender Gefährdung von Zivilpersonen ausgeht.
Rückkehrhindernisse in Bezug auf den Zutritt zur Stadt Tikrit selbst können den im Verfahren herangezogenen Berichten nicht entnommen werden und es lässt die namhafte Anzahl hunderttausender Rückkehrer erkennen, dass die Rückkehr nach Tikrit eine massenhaft auftretende Erscheinung ist, die keinen greifbaren Restriktionen begegnet. Der Beschwerdeführer brachte schließlich keine substantiierten Befürchtungen im Hinblick auf Rückkehrhindernisse oder die Sicherheit von Verkehrswegen vor. Die dahingehenden Ausführungen in der Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zur Rückkehr in den Irak vom Mai 2019 betreffen im Wesentlichen die Lage von Binnenvertriebenen. Zum Entscheidungszeitpunkt besteht kein Hinweis, dass der Beschwerdeführer allenfalls einzelne Checkpoints nicht passieren könnte. Er verfügt außerdem über ein irakisches Ausweisdokument und kehrt an den Ort seiner behördlichen Registrierung zurück. Dass er nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit als Anhänger des Islamischen Staates angesehen werden wird, wurde bereits ausführlich erörtert.
2.6.8. Der Beschwerdeführer brachte keine mit seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit in Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten vor der Ausreise substantiiert vor, sodass demzufolge zur Feststellung zu gelangen ist, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit zu gewärtigen hatte. Ebensowenig wurden Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften des Herkunftsstaates glaubwürdig vorgebracht. Der Beschwerdeführer gehörte ausweislich seines Vorbringens auch keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an.
Es ist somit zusammenfassend nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen oder extremistische Gruppierungen oder psychischer und/oder physischer Gewalt seitens verbliebener Anhänger des Islamischen Staates im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seines Bekenntnisses zum sunnitischen Islam ausgesetzt. Zudem wird dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Anhängerschaft bzw. Unterstützung des Islamischen Staates oder ein sonstiges Naheverhältnis zum Islamischen Staat vor der Ausreise unterstellt werden.
Wider den Beschwerdeführer besteht im Irak kein Haftbefehl und er wird auch nicht in anderer Weise von zivilen oder militärischen Behörden oder Gerichten gesucht und ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von strafrechtlicher Verfolgung bedroht.
2.7. Da der Beschwerdeführer keine staatliche Strafverfolgung im Irak aufgrund eines Kapitalverbrechens vorgebracht hat und aus den vorstehend im Detail erörterten Gründen auch keine maßgebliche Gefahr einer Verurteilung nach dem irakischen Antiterrorgesetz Nr. 13 aus dem Jahr 2005 erkannt werden kann, wird er im Fall einer Rückkehr nicht der Todesstrafe unterzogen werden. Ebenso kann aus dem Vorbringen keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers durch drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe abgeleitet werden, zumal keine anderweitigen drohenden Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften glaubhaft gemacht wurden.
Die Sicherheitslage im Gouvernement Salah ad-Din ist ausweislich der ausführlichen Feststellungen grundsätzlich stabil und es ist infolge der militärischen Niederlage des Islamischen Staates und dem weitgehenden Ende offener Kampfhandlungen ein gravierender Rückgang der sicherheitsrelevanten Vorfälle und der damit einhergehenden zivilen Opfer eingetreten. Bei einer Zahl von geschätzt 1.595.235 Einwohnern im Gouvernement Salah ad-Din ereigneten sich im Jahr 2018 69 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 152 zivilen Todesopfern. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kann in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage in Salah ad-Din dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des Beschwerdeführers in Tikrit davon ausgegangen werden muss, dass dieser wahrscheinlich das Opfer eines terroristischen Anschlages, krimineller Aktivtäten oder von Polizeigewalt bei Demonstrationen und Ausschreitungen werden würde vergleiche VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 zur Lage in Bagdad).
Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt findet im Gouvernement Salah ad-Din nicht statt, zumal die gegenwärtigen Zusammenstöße von verbliebenen Anhängern des Islamischen Staates und staatlichen Sicherheitskräften nicht die Intensität erreichen, dass ein bewaffneter Konflikt vorliegt. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers, welche zu einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung stark erhöhte Gefährdung durch terroristische Aktivitäten oder im Hinblick auf willkürliche Gewalt im Zuge von Ausschreitungen bei Protesten oder kriminellen Aktivtäten hindeuten würden, wurden im Verfahren nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer gehört nicht den staatlichen Sicherheitskräften und keiner ethnischen oder religiösen Minderheit im Gouvernement Salah ad-Din an. Er weist kein exponiertes Profil auf, er war selbst kein Anhänger des Islamischen Staates und ist auch nicht durch Angehörige belastet, die Anhänger des Islamischen Staates waren oder sind. Der Beschwerdeführer ist schließlich nicht politisch tätig, kein Stammesführer und kein Bürgermeister oder Ortsvorsteher, er wird in ein städtisches Gebiet zurückkehren und unterliegt somit auch nicht der Gefahr, nächtlichen Übergriffen von verbliebenen Anhängern des Islamischen Staates auch nur zufällig ausgesetzt zu sein.
Es ist kein Grund erkennbar, weshalb der Beschwerdeführer im Rückkehrfall in bewaffnete Stammeskonflikte oder gewaltsame Auseinandersetzungen im Gefolge krimineller Aktivitäten Dritter verwickelt werden sollte. Er brachte schließlich auch nicht vor, sich im Fall einer Rückkehr in das Gouvernement Salah ad-Din an dort allenfalls stattfindenden Protesten gegen die irakische Regierung oder andere Akteure beteiligen zu wollen, sodass eine sich daraus potentiell ergebende Gefährdung an dieser Stelle ebenfalls ausgeschlossen werden kann.
Der Islamische Staat ist ausweislich der Feststellungen weiterhin in der Lage, terroristische Anschläge zu verüben und nutzt Methoden der asymmetrischen Kriegsführung, wobei die Aktivitäten der verbliebenen Kämpfer des Islamischen Staates in den Feststellungen ausführlich beschrieben werden. Diese konzentrieren sich auf die ländlichen Gebiete des Gouvernements Salah ad-Din, zumal die Bewegungsfreiheit verbliebener Kämpfer des Islamischen Staates in ländlichen Gegenden größer ist, da die Sicherheitskräfte tendenziell auf die Städte konzentriert sind. In der Stadt Tikrit selbst kann es zwar ebenfalls zu terroristischen Aktivitäten verbliebener Kämpfer des Islamischen Staates kommen, die Anzahl der Anschläge im gesamten Gouvernement ist jedoch vergleichsweise gering und ist aufgrund dieser geringen Anschlagsdichte bei einer Einwohnerzahl von etwa 1,5 Millionen Menschen im Gouvernement bzw. von mehr als 170.000 Menschen in der Stadt Tikrit nicht die reale Gefahr zu besorgen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr Opfer eines terroristischen Anschlages würde.
2.8. Die Feststellungen unter Punkt 1.4. beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers zu dessen Lebenslauf und zu seiner gesundheitlichen Verfassung in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie in der Einvernahme vor der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer ist in der Stadt Baidschi geboren, in der Folge in Tikrit aufgewachsen und mit der Sprache sowie den Gebräuchen in seinem Herkunftsstaat vertraut. Er hat in Tikrit grundlegende Schulbildung konsumiert und Berufserfahrung als Koch, Kellner und Fahrzeugmechaniker gesammelt.
Die Feststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die durchlaufende Ausbildung und die im Herkunftsstaat ausgeübte Berufstätigkeit. Ferner brachte der Beschwerdeführer keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor, welche die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würden.
Der Beschwerdeführer ist als gesunder, anpassungs- und arbeitsfähiger Mensch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes in der Lage, sein Auskommen im Fall einer Rückkehr entweder durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer im Gastronomiebereich, auf Baustellen, im Handel oder in der öffentlichen Verwaltung zu bestreiten oder im Wege der Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen des ERIN-Programmes einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen und in seinem angestammten Beruf als Kellner/ Koch oder Fahrzeugmechaniker mit einem eigenen Geschäft tätig zu sein. ERIN ist ein Rückkehr- und Reintegrationsprogramm auf europäischer Ebene mit dem Hauptziel, Reintegrationsunterstützung im Herkunftsland anzubieten. ERIN ist eine Spezifische Maßnahme im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU und wird von den Niederlanden (Repatriation and Departure Service des Ministry of Security and Justice of the Netherland) geleitet.
Im Rahmen des ERIN-Programms erhält jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin eine Reintegrationsleistung in der Höhe von 3.000 Euro, wobei 200 Euro als Bargeld und 2.800 Euro als Sachleistung vom Service Provider im Herkunftsland ausgegeben werden. Während die Geldleistung grundsätzlich dazu gedacht ist die unmittelbaren Bedürfnisse nach der Rückkehr zu decken, dient die Sachleistung insbesondere als Investition zur Schaffung einer Existenzgrundlage und trägt somit zu einer nachhaltigen Rückkehr bei. Von Juni 2016 bis 25.06.2018 erhielten 1.085 Personen im Rahmen ihrer Rückkehr von Österreich in ihr Heimatland Reintegrationsunterstützung über das ERIN-Programm. Unter Berücksichtigung von Familienangehörigen kehrten im selben Zeitraum sogar 1.658 Personen freiwillig in ihr Heimatland zurück. Aktuell wird ERIN-Reintegrationsunterstützung im Zentralirak und in der autonomen Region Kurdistan zur Verfügung gestellt (http://www.bmi.gv.at/107/EU_Foerderungen/Finanzrahmen_2014_2020/AMIF/ERIN.aspx, Zugriff am 12.12.2019). Die Teilnahme an diesem Programm vermittelt etwa hinreichende Starthilfe für eine selbständige Tätigkeit und den Aufbau eines eigenen Geschäftes. Folgende Leistungen werden vom Service Provider (entweder um eine im Herkunftsland angesiedelte Internationale Organisation oder eine lokale NGO, die den Rückkehrer und die Rückkehrerin bei ihrer Wiedereingliederung in der Heimat unterstützt) erbracht: Abholung/Empfang und Assistenz am Ankunftsort (z.B. Flughafen). Kurzfristige Unterkunft am Ankunftsort, Beratung und Unterstützung bei der Existenzgründung im Herkunftsland, Unterstützung in sozialen, medizinischen und rechtlichen Angelegenheiten, Unterstützung bei Wohnungssuche/ Wohnraumbeschaffung (ggf. Mietzuschuss), Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens (Erstellung eines Businessplans, etc.), Beratung bei der Suche und Vermittlung von Arbeitsstellen, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und individuelle Hilfsangebote.
Dazu tritt, dass es nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs dem Beschwerdeführer obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, römisch eins. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen vergleiche VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/03079).
Der Beschwerdeführer hat keine gewichtigen Gründe für die Annahme des Risikos einer fehlenden Existenzgrundlage im Herkunftsstaat vorgebracht. Bei der Erörterung seiner Lage im Rückkehrfall am 04.04.2019 legte der Beschwerdeführer vielmehr selbst dar, dass die Versorgung mit Grundnahrundmitteln und Trinkwasser bei einer Rückkehr nach Tikrit gewährleistet sei. Bezüglich des weitergehenden Vorbringens bezüglich einer befürchteten Tötung seiner Person darf auf die obigen Ausführungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und zur Sicherheitssituation im Irak verwiesen werden. Auch wenn dabei nach wie vor Defizite bestehen und der Wiederaufbau insgesamt nur schleppend vorankommt, kann das Bundesverwaltungsgericht in Anbetracht der Feststellungen keine drohende Verletzung von Artikel 3, EMRK bei einem alleinstehenden jungen Mann mit hervorragender Gesundheit und Leistungsfähigkeit erkennen.
Der Beschwerdeführer ist als irakischer Staatsbürger außerdem berechtigt, am Public Distribution System (PDS) teilzunehmen, einem sachleistungsorientierten Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft und an die Bevölkerung verteilt, sodass eine Absicherung im Hinblick auf Grundnahrungsmittel gegeben ist. Auch wenn das Programm unter Insuffizienzen leidet, ist von einer Unterstützung des Beschwerdeführers bei der Bestreitung seines Auskommens auszugehen. Da der Beschwerdeführer an seinen Herkunftsort zurückkehrt und über irakische Ausweisdokumente verfügt, wird er keine Schwierigkeiten beim Erhalt einer Lebensmittelbezugskarte zu gewärtigen haben.
Schließlich gehört der Beschwerdeführer keiner ethnischen oder religiösen Minderheit im Fall einer Rückkehr in die Stadt Tikrit an, sodass auch diesbezüglich keine Vulnerabilität in Ansehung des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr erkannt werden kann. Der Beschwerdeführer lebte bereits vor der Ausreise im Haus seiner Familie, welches derzeit leersteht, zumal sich seine Familie noch in Erbil befindet. Es kann demgemäß kein Grund erkannt werden, weshalb der Beschwerdeführer im Rückkehrfall nicht neuerlich dort Unterkunft nehmen sollte. Eine Zerstörung des Hauses konnte nicht festgestellt werden. Seitens des Beschwerdeführers wurde auch nicht vorgebracht, dass das Haus zwischenzeitlich veräußert wurde oder von anderen Personen bewohnt wird. Des Weiteren besteht aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kein Grund, dass der Beschwerdeführer nicht zumindest für einen kurzen Zeitraum bei einem in der ehemaligen Nachbarschaft in Tikrit lebenden Freund Unterkunft nehmen kann, zumal der Beschwerdeführer keine Schwierigkeiten mit dieser Person in den Raum stellte und nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde. Das Wohnbedürfnis des Beschwerdeführers im Rückkehrfall ist schon deshalb befriedigt, was ein weiterer entscheidender Grund für die Zumutbarkeit einer Rückkehr nach Tikrit ist.
Dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland schon aufgrund des Auslandsaufenthaltes oder einer im Ausland erfolgten Asylantragstellung besonders vulnerabel wären, kann den zur Rückkehr getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak nicht entnommen werden.
In Anbetracht des persönlichen Profils des Beschwerdeführers und ob des vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks gelangt das Bundesverwaltungsgericht zusammenfassend zur Auffassung, dass der Beschwerdeführer anpassungsfähig und selbst in der Lage ist, für ein eigenes Auskommen im Fall der Rückkehr nach Tikrit zu sorgen und seine grundlegenden Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit zu befriedigen, ohne dass es der Unterstützung durch ein familiäres Netzwerk bedarf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 53 aus 2019, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974, (Genfer Flüchtlingskonvention), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 10.08.2018 Ra 2018/20/0314; 10.11.2015, Ra 2015/19/0185).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459). Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinem Heimatstaat Verfolgung zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233 mwN).
3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
Im gegenständlichen Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war und er im Fall der Rückkehr dorthin auch keiner mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Verfolgung ausgesetzt wäre. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht.
Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind. Bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur sind hinzunehmen, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstiger Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).
3.1.3. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2, GFK liegt zusammenfassend nicht vor und es braucht daher auf die Frage der Schutzwilligkeit und -fähigkeit der staatlichen Organe vor derartigen Bedrohungen sowie des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr eingegangen werden.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides kommt folglich keine Berechtigung zu.
3.2. Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten:
3.2.1. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Ziffer eins,) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Ziffer 2,), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.
Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen, ob im Falle der Rückführung des Beschwerdeführers in den Irak Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.
Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Artikel 3, MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).
3.2.2. Unter "real risk" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; Regierungsvorlage 952 BlgNR römisch 22 . Gesetzgebungsperiode 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 14.10.1998, Zl. 98/01/0122).
3.2.3. Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Artikel 3, EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden vergleiche EGMR U 08.04.2008, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 21878/06).
3.2.4. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Artikel 15, Litera c, der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (VG München 13.05.2016, M 4 K 16.30558).
Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein vergleiche EuGH U. 17.02.2009, C-465/07). Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen: ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind; ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind; ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden; schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09). Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, zur Lage in Bagdad).
Im Hinblick der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Beschwerdeführer typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte kann auf eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung zurückgegriffen werden. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (dt BVerwG 17.11.2011, 10 C 13/10).
3.2.5. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 nicht gegeben sind:
Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.
Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Die Sicherheitslage im Gouvernement Salah ad-Din ist ausweislich der ausführlichen Feststellungen grundsätzlich stabil und ist infolge der militärischen Niederlage des Islamischen Staates und dem weitgehenden Ende offener Kampfhandlungen ein gravierender Rückgang der sicherheitsrelevanten Vorfälle und der damit einhergehenden zivilen Opfer eingetreten. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kann in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage im Gouvernement Salah ad-Din dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des Beschwerdeführers im Gouvernement Salah ad-Din und dort in der Stadt Tikrit davon ausgegangen werden muss, dass dieser wahrscheinlich das Opfer eines terroristischen Anschlages, krimineller Aktivtäten oder von Gewalt bei Demonstrationen und Ausschreitungen werden würde vergleiche VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 zur Lage in Bagdad).
Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt findet im Gouvernement Salah ad-Din nicht statt, zumal die gegenwärtigen Zusammenstöße von verbliebenen Anhängern des Islamischen Staates und staatlichen Sicherheitskräften nicht die Intensität erreichen, dass ein bewaffneter Konflikt vorliegt. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers, welche zu einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung stark erhöhte Gefährdung durch terroristische Aktivitäten oder im Hinblick auf willkürliche Gewalt im Zuge von Ausschreitungen bei Protesten oder kriminellen Aktivtäten hindeuten würden, wurden im Verfahren nicht glaubhaft vorgebracht. Der Beschwerdeführer gehört nicht den staatlichen Sicherheitskräften und keiner ethnischen oder religiösen Minderheit im Gouvernement Salah ad-Din an. Er weist kein exponiertes Profil auf, er war selbst kein Anhänger des Islamischen Staates und ist auch nicht durch Angehörige belastet, die Anhänger des Islamischen Staates waren oder sind. Der Beschwerdeführer ist schließlich nicht politisch tätig, kein Stammesführer und kein Bürgermeister oder Ortsvorsteher, er wird in ein städtisches Gebiet zurückkehren und unterliegt somit auch nicht der Gefahr, nächtlichen Übergriffen von verbliebenen Anhängern des Islamischen Staates auch nur zufällig ausgesetzt zu sein.
Außerdem hat weder der Beschwerdeführer selbst ein substantiiertes Vorbringen im Sinn der vorstehend zitierten Rechtsprechung dahingehend erstattet, noch kann aus den allgemeinen Feststellungen zur Lage im Irak und insbesondere zur Lage im Gouvernement Salah ad-Din abgeleitet werden, dass er alleine schon aufgrund seiner bloßen Anwesenheit im Gouvernement Salah ad-Din mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung durch terroristische Anschläge oder auf kriminellen Motiven beruhenden Gewalttaten ausgesetzt wäre.
Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre vergleiche hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak und dort in seine Herkunftsregion jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer ist ein junger, arbeits- und anpassungsfähiger und gesunder Mann mit grundlegender Schulbildung und im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung als Koch, Kellner und Fahrzeugmechaniker. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Teilnahme am Erwerbsleben kann in Ansehung des Beschwerdeführers vorausgesetzt werden, zumal er diese Tätigkeiten im Irak vor seiner Ausreise bereits mehrere Jahre ausübte. Das Bundesverwaltungsgericht geht demnach davon aus, dass der Beschwerdeführer im Irak grundsätzlich in der Lage sein wird, sich mit eigener Erwerbstätigkeit nach der ihm offenstehenden Inanspruchnahme von Starthilfe des ERIN-Projektes durch den Aufbau eines eigenen Geschäfts als Fahrzeugmechaniker oder im Gastronomiebereich bzw. allenfalls auch als Arbeitnehmer auf Baustellen, im Handel oder in der öffentlichen Verwaltung ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts und zur Befriedigung seiner Wohnbedürfnisse zu erwirtschaften.
Das Wohnbedürfnis des Beschwerdeführers im Rückkehrfall ist jedenfalls befriedigt, da ihm ausweislich der Beweiswürdigung das Haus der Familie in Tikrit zur Verfügung steht und auch davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer zumindest für einen kurzen Zeitraum bei einem in der ehemaligen Nachbarschaft in Tikrit lebenden Freund Unterkunft nehmen kann, zumal nichts Gegenteiliges vom Beschwerdeführer vorgebracht wurde. Er ist als irakischer Staatsbürger außerdem berechtigt, am Public Distribution System (PDS) teilzunehmen, einem sachleistungsorientierten Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft und an die Bevölkerung verteilt, sodass auch eine Absicherung im Hinblick auf Grundnahrungsmittel gegeben ist.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht im Übrigen eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160 mwN). Eine solche Verletzung von Artikel 3, EMRK ist vielmehr nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen, nämlich wenn die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006). Im gegenständlichen Fall ist zwar von einer schwierigen Lebenssituation im Rückkehrfall auszugehen, nicht jedoch von exzeptionellen Umständen, zumal der nicht vulnerable Beschwerdeführer über eine Wohnmöglichkeit verfügt und er die Landessprache beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich zumindest im Wege von Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern.
3.2.6. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in seinen Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.
Weder droht ihm im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten gewährleisteten Rechte, noch bestünde die Gefahr, der Todesstrafe unterzogen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen, sodass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides zu Recht abgewiesen wurde.
3.3. Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:
3.3.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ist gemäß Paragraph 58, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung ist gemäß Paragraph 58, Absatz 3, AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 sieht ferner vor, dass eine Entscheidung nach dem Asylgesetz dann mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, wenn- wie im Gegenstand - der Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen wird (Ziffer 3, leg. cit.) und von Amts wegen kein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt wird. Die Rückkehrentscheidung setzt daher eine vorangehende Klärung der Frage voraus, ob ein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt wird.
3.3.2. Im Ermittlungsverfahren sind keine Umstände zu Tage getreten, welche auf eine Verwirklichung der in Paragraph 57, Absatz eins, AsylG 2005 alternativ genannten Tatbestände hindeuten würden, insbesondere wurde vom Beschwerdeführer selbst nichts dahingehend dargetan und auch in der Beschwerde kein diesbezügliches Vorbringen erstattet.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war ausweislich der Feststellungen nie nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Er wurde schließlich nicht Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO.
Dem Beschwerdeführer ist daher kein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen. Der gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides erhobenen Beschwerde kommt daher keine Berichtigung zu.
3.4. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8, EMRK und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
3.4.1. Die Einreise des Beschwerdeführers in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Bisher stützte sich der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet alleine auf die Bestimmungen des AsylG für die Dauer seines nunmehr abgeschlossenen Verfahrens. Ein sonstiger Aufenthaltstitel ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet mehr vor und unterliegt dieser damit nicht dem Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung nach dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden nach Artikel 8, Absatz eins, EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Artikel 8, EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (VfSlg. 16928/2003).
Der Beschwerdeführer brachte nicht vor, dass in Österreich Angehörige oder Verwandte leben, welche vom Recht auf Achtung des Familienlebens nach Artikel 8, EMRK erfasst wären. Angesichts dessen war im gegenständlichen Fall eine mögliche Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf ein Familienleben in Österreich mangels familiärer Bindungen zu verneinen. Sohin ist zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf ein Privatleben in Österreich darstellt.
3.4.2. Der Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff im Sinn des Artikel 8, Absatz 2, EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist voranzustellen, dass die Rückkehrentscheidung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtigung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind (EGMR U 18.02.1991, Moustaquim gegen Belgien, Nr. 12313/86). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Die Konventionsstaaten sind nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (EGRM U 30.10.1991, Vilvarajah u.a. gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 13163/87).
Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Berufungswerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten regelmäßig ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfSlg. 17.516/2005).
3.4.3. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Artikel 8, EMRK einer Ausweisung entgegensteht (zur Maßgeblichkeit dieser Kriterien vergleiche VfSlg. 18.223/2007).
Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine fixen zeitlichen Vorgaben knüpft (EGMR U 31.1.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99; U 16.9.2004, M. C. G. gegen Deutschland, Nr. 11.103/03), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR GK 28.05.1985, Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 9214/80, 9473/81, 9474/81; U 20.6.2002, Al-Nashif gegen Bulgarien, Nr. 50.963/99) und dessen Intensität (EGMR U 02.08.2001, Boultif gegen Schweiz, Nr. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert vergleiche EGMR U 04.10.2001, Adam gegen Deutschland, Nr. 43.359/98; GK 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Nr. 48321/99), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (EGMR U 11.04.2006, Useinov gegen Niederlande Nr. 61292/00) für maßgeblich erachtet.
Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann - ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR U 24.11.1998, Mitchell gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 40.447/98; U 05.09.2000, Solomon gegen die Niederlande, Nr. 44.328/98; 31.1.2006, U 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99).
Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Artikel 8, MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (VwGH 28.04.2014, Ra 2014/18/0146-0149 mwN). Maßgeblich sind dabei die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (VwGH 13.06.2016, Ra 2015/01/0255). Ferner sind nach der eingangs zitieren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie dies Verfassungsgerichtshofs die strafgerichtliche Unbescholtenheit aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht sowie Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und schließlich die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis VfSlg. 19.203/2010 eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Artikel 8, EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen vergleiche auch VfSlg. 19.357/2011).
Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiter dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten wie insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes, relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich (VwGH 2.10.1996, Zl. 95/21/0169; 28.06.2007, Zl. 2006/21/0114; VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).
Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren. Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag nach den fremdenpolizeilichen bzw. niederlassungsrechtlichen Bestimmungen vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.
Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Artikel 8, Absatz 2, EMRK daher ein hoher Stellenwert zu (VfSlg. 18.223/2007; VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251).
Die öffentliche Ordnung, hier im Besonderen das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird etwa beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, Zl. 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat.
3.4.4. In Abwägung der gemäß Artikel 8, EMRK maßgeblichen Umstände in Ansehung des Beschwerdeführers ergibt sich für den gegenständlichen Fall Folgendes:
Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 10.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist seither als Asylwerber in Österreich aufhältig. Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil - abseits familiärer Umstände - eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist. Das Gewicht des faktischen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich von etwa vier Jahren und vier Monaten ist bereits dadurch abgeschwächt, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte, er konnte alleine durch die Stellung seines Antrags jedoch nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung seines Aufenthalts ausgehen. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt ohne dem Dazutreten weiterer maßgeblicher Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031 mwN).
Der Beschwerdeführer hat hierorts für den Zeitraum von seiner Einreise bis Anfang Oktober 2019 keine belegten Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen. Bemühungen des Beschwerdeführers, sich in Österreich zu integrieren, sind zwar nunmehr etwa daran zu erkennen, dass er am 02.10.2019 ein Gewerbe angemeldet hat. Wirtschaftlich unabhängig oder selbsterhaltungsfähig ist der Beschwerdeführer dennoch nicht, scheint er doch weiterhin bis zum Entscheidungszeitpunkt zur Sicherstellung seines Auskommens auf Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber angewiesen. Zugunsten des Beschwerdeführers ist allerdings ferner zu berücksichtigen, dass er gemeinnützigen Tätigkeiten nachging.
Der Beschwerdeführer hat grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache durch den Besuch von sprachlichen Qualifizierungsmaßnahmen sowie seine eigenen Bemühungen im Alltag erworben. Er erbrachte allerdings keinen Nachweis über eine abgelegte Prüfung. Der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, stellen zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich dar und zeigt sich der Beschwerdeführer daran interessiert. In Anbetracht des bereits mehr als vierjährigen faktischen Aufenthalts ist allerdings kein hervorhebenswertes Engagement beim Spracherwerb erkennbar. In diesem Zusammenhang sei auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erkenntnis des VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720; 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).
Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über soziale Kontakte im festgestellten Umfang. Ein vereinsmäßiges Engagement war allerdings nicht feststellbar. Im Jahr 2019 nahm er als Schauspieler an den Passionsspielen römisch 40 teil.
Demgegenüber verbrachte der Beschwerdeführer den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat, wurde dort sozialisiert und spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Soweit der Beschwerdeführer über private Bindungen in Österreich verfügt ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Irak gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der Beschwerdeführer hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch Urlaubsaufenthalte gegebenenfalls auch in einem Drittstaat etc.) aufrecht zu erhalten. Es steht dem Beschwerdeführer im Übrigen frei, einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet im Wege der Beantragung eines Aufenthaltstitels und einer anschließenden rechtmäßigen Einreise herbeizuführen.
Im gegenständlichen Verfahren ist insgesamt keine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wäre vergleiche hiezu auch VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001).
Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/18/0424).
Der sohin eher schwachen Rechtsposition des Beschwerdeführers im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes, gegenüber. Auch wenn der Beschwerdeführer über soziale Kontakte verfügt und gemeinnützige Arbeiten verrichtete, Anfang Oktober ein Gewerbe anmeldete, im Jahr 2019 an den Passionsspielen römisch 40 teilnahm sowie erste grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache erworben hat, womit zusammenfassend eine beginnende Integration gegeben ist, stehen dem die insgesamt vertretbare Verfahrensdauer, die unberechtigte Antragstellung, die unrechtmäßige Einreise und der noch relativ kurze Aufenthalt im Bundesgebiet, währenddessen sich der Beschwerdeführer - insbesondere nach Erhalt des angefochtenen Bescheides - der Ungewissheit seines weiteren Verbleibes im Bundesgebiet bewusst gewesen sein musste, sowie die Vertretbarkeit des Eingriffs in die im Bundesgebiet vorhandenen Bindungen gegenüber. Ferner lässt der Beschwerdeführer kein hervorhebenswertes Engagement bei einer Integration ins Berufsleben und beim Spracherwerb erkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im gegebenen Zusammenhang kürzlich entschieden, dass bei einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich (im Anlassfall erfolgte die Einreise am 28.07.2015) nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet werde, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist (VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0149). Eine solche außergewöhnliche Integration liegt fallbezogen nicht vor.
Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten anhand des Artikel 8, Absatz 2, EMRK sowie nach Maßgabe der im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG angeführten Kriterien gelangt das Bundesverwaltungsgericht somit - wie bereits das belangte Bundesamt - zum Ergebnis, dass die individuellen Interessen des Beschwerdeführers im Sinn des Artikel 8, Absatz eins, EMRK nicht so ausgeprägt sind, dass sie das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes würde es ferner einen Wertungswiderspruch und eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung von Fremden, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, darstellen, zumal diese letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007; vergleiche dazu auch VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde). Dem Beschwerdeführer steht es ferner - wie bereits angesprochen - frei, sich um einen weiteren rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu bemühen und die dafür gesetzlich vorgesehenen Aufenthaltstitel zu beantragen.
3.4.5. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG wider den Beschwerdeführer keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.
3.4.6. Die belangte Behörde hat es in ihrer Entscheidung im Übrigen zutreffend unterlassen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG 2005 zu prüfen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen - wie hier - eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach Paragraph 55, AsylG 2005 abzusprechen.
Soweit erstmals in der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 55, AsylG 2005 gestellt wurde, war dieser Antrag mangels sachlicher Zuständigkeit zurückzuweisen, zumal ein solcher Antrag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl persönlich als sachlich zuständige Behörde zu stellen gewesen wäre vergleiche Paragraph 58, Absatz 5, AsylG 2005), darüber hinaus bleibt es dem Beschwerdeführer unbenommen, einen derartigen Antrag neuerlich bei der zuständigen Behörde einzubringen.
3.5. Zulässigkeit der Abschiebung:
3.5.1. Für die gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG 2005 von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des Paragraph 50, FPG2005 (VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0234).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des Paragraph 50, Absatz eins, oder Absatz 2, FPG 2005 - diese Bestimmungen stellen auf dieselben Gründe ab, wie sie in Paragraphen 3 und 8 AsylG 2005 enthalten sind - glaubhaft zu machen. Es ist die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen; für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße im Sinn des Paragraph 50, Absatz eins, FPG 2005 durch den betroffenen Staat bekannt geworden sind (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).
Der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz entspricht somit jenem des Refoulementverbots im FPG 2005. Erkennbar eben deshalb ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aber auch ein gesonderter Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Grunde des Paragraph 50, FPG 2005 nicht möglich; einem Fremden ist es verwehrt, eine derartige Feststellung zu begehren, weil über das Thema dieser Feststellung ohnehin im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen ist. Ein inhaltliches Auseinanderfallen der genannten Entscheidungen (insbesondere nach Paragraph 8, AsylG 2005) einerseits und der Feststellung nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG 2005 andererseits ist ausgeschlossen (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).
3.5.2. Zu Paragraph 50, Absatz eins, FPG 2005 bleibt festzuhalten, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens betreffend den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf internationalen Schutz nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak ebenfalls nicht vor.
Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Ebenso sind keine von Amts wegen aufzugreifenden stichhaltige Gründe für die Annahme erkennbar, dass im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers dessen Leben oder dessen Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten im Sinn des Paragraph 50, Absatz 2, FPG 2005 bedroht wäre und wird insoweit auf die Erwägungen in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung betreffend den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf internationalen Schutz verwiesen.
3.5.3. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz 3, FPG 2005 schließlich unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine solche Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme besteht hinsichtlich des Staates Irak nicht.
3.6. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus Paragraph 55, Absatz 2, erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen.
3.7. Der angefochtene Bescheid erweist sich ob der vorstehenden Ausführungen als rechtsrichtig, sodass die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.
Zu B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, zum Refoulementschutz und zum durch Artikel 8, EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben, abgeht.
Ebenso wird zu diesen Themen keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.
ECLI:AT:BVWG:2019:L521.2184469.1.00