Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

08.10.2019

Geschäftszahl

L506 2220323-1

Spruch

L506 2220323-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Pakistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.05.2019, Zl. römisch 40 , Regionaldirektion Oberösterreich, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den Paragraph 3, Absatz eins,, Paragraph 8, Absatz eins,, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3,, und Paragraph 57, AsylG 2005 idgF in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG sowie Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2 und Absatz 9,, Paragraph 46 und Paragraph 55, FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger aus dem Dorf römisch 40 , Distrikt römisch 40 , Provinz Punjab, sunnitischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Punjabi, stellte am 09.01.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am selben Tag brachte der BF, befragt zu seinen Ausreisegründen vor, dass er aufgrund eines privaten Problems Pakistan verlassen habe. Sein Vater sei Geschäftsmann, handle mit Waren und habe Geschäftspartner in römisch 40 . Eines Tages habe sein Vater Waren bei diesen Geschäftspartnern bestellt und diese mit dem LKW nach Hause transportiert. Der LKW sei im Februar 2018 während der Fahrt von der Polizei kontrolliert worden und seien im LKW neben den Waren auch Waffen gefunden worden. Die Polizei habe den Vater des BF festgenommen. Dieser habe die Namen der Geschäftspartner auf der Polizeistation genannt und sei nach der Aussage, dass er nichts von den Waffen gewusst habe, wieder freigelassen worden. Die Polizei habe daraufhin die Geschäftspartner des Vaters des BF festgenommen, weshalb diese über den Vater des BF verärgert gewesen seien. Freunde der Geschäftspartner seien daraufhin zum BF nach Hause gekommen und hätte ihn in deren PKW eingeschlossen und als Geisel genommen. Nach einer Woche hätten diese das verlangte Lösegeld vom Vater des BF erhalten und den BF freigelassen. Da der Vater des BF Angst habe, dass dies wieder passieren könne, habe er den BF aus dem Land geschickt. Im Fall der Rückkehr nach Pakistan sei das Leben des BF in Gefahr.

3. Am 10.05.2019 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Dort erklärte der BF, dass sein Vater mit Pumpen arbeite. Dieser kaufe immer in römisch 40 ein und hole dort Rohre und Pumpen. Einmal sei sein Vater auf dem Rückweg durchsucht worden. Dabei sei herausgekommen, dass andere Sachen im Schotter gewesen seien. Es seien Waffen und Sachen, durch die man berauscht werde, drinnen gewesen. Der Vater des BF sei deshalb von der Polizei festgenommen worden und habe genaue Angaben gemacht, wo er die Sachen eingekauft habe. Die Lieferanten seien davon ausgegangen, dass der Vater des BF dies absichtlich getan habe und hätten begonnen Drohungen auszusprechen. Später habe die Polizei auch die Lieferanten festgenommen. Der Vater des BF sei in der Zwischenzeit bei der Polizei inhaftiert gewesen und sei nach ca. drei Tagen der Onkel des BF mit anderen Personen zur Polizeistation gegangen. Dieser habe alles geklärt, woraufhin der Vater des BF freigelassen worden sei. Nach ca. zwei, drei Tagen seien die Lieferanten um das Haus des BF herumgegangen und sei immer ein Auto von denen dagestanden, was der BF aber nicht gewusst habe. Eines Tages sei der BF aus dem Haus gegangen, als ihm jemand nach einer Straße gefragt habe. Als er dies erklären hätte wollen, sei ihm etwas zum Riechen auf das Gesicht gegeben worden. Der BF sei bewusstlos gewesen und mitgenommen worden. Er wisse nicht, wo er gewesen sei und vermute, dass es Richtung römisch 40 gewesen sei. Nach zwei oder drei Tagen habe er sein Bewusstsein erlangt, sei geschlagen und aufgefordert worden, zu Hause anzurufen und Geld zu verlangen, ansonsten er mehr geschlagen oder umgebracht werde. Durch die Nummer, mit der der BF angerufen habe, habe die Polizei herausgefunden, wo er gewesen sei und ihn befreit. Die Polizei habe dann die Eltern verständigt und hätten ihn diese mit nach Hause genommen. Die Familie des BF sei sehr durcheinander gewesen und habe beschlossen, ihn wegzuschicken. Auch nach seiner Freilassung sei der BF immer noch angerufen sowie bedroht worden und seien Geldforderungen gestellt worden. Zudem hätten sie gedroht, den BF umzubringen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.05.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen aufgrund näher dargestellter Widersprüche als unglaubwürdig.

Spruchpunkt römisch II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt römisch III. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Artikel 8, EMRK darstelle.

5. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes vom 13.05.2019 wurde dem BF gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt und mitgeteilt, dass er gemäß

Paragraph 52 a, Absatz 2, BFA-VG verpflichtet sei, bis 23.05.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seinen Vertreter mit Schriftsatz vom 12.06.2019 innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde.

Darin wurde zunächst ausgeführt, dass der BF die Wahrheit gesagt habe und es nicht nachvollziehbar sei, weshalb ihm das BFA keinen Glauben schenke. Im Weitern wurde darauf verwiesen, dass der BF im Zuge der Erstbefragung den wesentlichen Grund für die Flucht genannt habe und diesen in der Einvernahme vor dem BFA genauer ausgeführt habe, weshalb es nicht richtig sei, dass die Angaben in der Erstbefragung mit jenen in der Einvernahme vor dem BFA nicht übereinstimmen würden. Zudem sei es richtig, dass der Vater des BF im Juli 2018 von der Polizei kontrolliert und festgenommen worden sei. Was sie Entführer angehe, so werde angemerkt, dass der BF zwar nicht wisse, ob es Geschäftspartner seines Vaters oder Personen, welche mit diesen kooperieren, wären. Es handle sich aber um "Pathan", womit umgangssprachlich kriminelle, Paschtu sprechende Personen aus Afghanistan bezeichnet werden würden. Im Weiteren wurden erklärt, dass der BF nicht wisse, ob Lösegeld bezahlt worden sei oder nicht. Er sei jedenfalls von der Polizei befreit worden, wobei zwei Entführer festgenommen worden seien. Einer habe jedoch fliehen können, weshalb die Gefahr einer erneuten Entführung nach wie vor bestehe. Richtig sei weiters, dass er im Oktober 2018 Pakistan verlassen habe, er sich danach zwei bis drei Tage zu Hause aufgehalten habe und sich die restliche Zeit bei Freunden versteckt habe. Schließlich wurde im Hinblick auf eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure darauf hingewiesen, dass der pakistanische Staat nicht in der Lage bzw. willens sei, dem BF tatsächlichen, effizienten Schutz zu gewähren und habe das BFA eine nähere Auseinandersetzung mit dem substantiierten Parteivorbringen des BF unterlassen.

7. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

8. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde. Einsicht genommen wurde zudem in die vom BFA in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF, die dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Die gegenständliche Beschwerde wurde am 20.06.2017 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage durch das BFA am 23.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß Paragraph 6, des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 10 aus 2013,, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger, moslemischen Glaubens (Sunnit), und Angehöriger der Volksgruppe der Punjabi. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer reiste illegal aus Pakistan aus, illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.01.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf römisch 40 im Distrikt römisch 40 in der Provinz Punjab. In Pakistan hat der Beschwerdeführer zehn Jahre die Grundschule und anschließend für zwei Jahre ein College besucht. Danach nahm der BF an Kursen über Wasserpumpen teil.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Pakistan sind nach wie vor seine Eltern, drei Schwestern sowie ein Onkel aufhältig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund der Inhaftierung und Aussage seines Vaters bei der Polizei gegen dessen Lieferanten bzw. geschäftspartnern von diesen entführt, geschlagen und bedroht worden ist.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen. Zu seinen Mitbewohnern pflegt er freundschaftliche Kontakte und hilft diesen beim Zeitungsaustragen und in einer Pizzaria. Er ist kein Mitglied in einem Verein und lebte bis 28.01.2019 von Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber. Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf und ist er unbescholten.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass er über bestimmte Deutschkenntnisse verfügt und allenfalls bereits einen Deutschkurs erfolgreich abgeschlossen hat.

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 6.3.2019: aktuelle Entwicklungen Kaschmir-Konflikt

Indien ist am 26.2.2019 zum ersten Mal seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum eingedrungen und flog als Vergeltung für den Selbstmordanschlag vom 14.2.2019 [Anm.: vergleiche dazu KI im LIB Indien vom 20.2.2019] einen Angriff auf ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad außerhalb der Stadt Balakot (Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Pakistan). Dies liegt außerhalb der umkämpften Region Kaschmir (SZ 26.2.2019; vergleiche FAZ 26.2.2019b, WP 26.2.2019). Indien ist überzeugt davon, dass der Selbstmordanschlag vom 14. Feber von Pakistan aus geplant und unterstützt wurde (NZZ 26.2.2019).

Über die Auswirkungen des Bombardementsgehen die Angaben auseinander: Während indische Behörden darüber berichten, dass fast 200 (CNN News 18 26.2.2019) Terroristen, Ausbilder, Kommandeure und Dschihadisten getötet und das Lager komplett zerstört wurden, bestätigt das pakistanische Militär zwar den Luftangriff (DW 26.2.2019), verlautbart jedoch, dass sich die indischen Flugzeuge ihrer Bombenlast nahe Balakot hastig im Notwurf entledigt hätten, um sofort aufgestiegenen pakistanischen Kampfjets zu entkommen. Nach pakistanischen Angaben gibt es weder eine große Anzahl an Opfern (Dawn 26.2.2019; vergleiche FAZ 26.2.2019a), noch wäre Infrastruktur getroffen worden (DW 26.2.2019).

Beobachter zeigten sich skeptisch, dass bei diesem Militärschlag tatsächlich eine große Anzahl an Terroristen an einem Ort getroffen worden sein könnte. Anwohner des Ortes Balakot berichteten der Nachrichtenagentur Reuters, sie seien am frühen Morgen durch laute Explosionen aufgeschreckt worden. Sie sagten, dass nur ein Mensch verletzt und niemand getötet worden sei. Außerdem erklärten sie, dass es in der Vergangenheit tatsächlich ein Terrorlager in dem Gebiet gegeben habe. Dieses sei aber mittlerweile in eine Koranschule umgewandelt worden (FAZ 26.2.2019b).

Die pakistanischen Streitkräfte haben am 27.2.2019 eigenen Angaben zufolge zwei indische Kampfflugzeuge über Pakistan abgeschossen und bestätigten die Festnahme eines Piloten. Ein Sprecher der indische Regierung bestätige den Abschuss einer MiG-21 (Standard 27.2.2019). Der indische Pilot wurde den indischen Behörden am 1.3.2019 am Grenzübergang Wagah übergeben. Der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan bezeichnete die Freilassung als eine "Geste des Friedens" (Zeit 1.3.2019).

Pakistan hat am 27.2.2019 seinen Luftraum vollständig gesperrt (Flightradar24 27.2.2019) und am 1.3.2019 für Flüge von/nach Karatschi, Islamabad, Peschawar und Quetta (am 2.3. auch Lahore) wieder geöffnet (Flightradar24 27.2./1.3./2.3.2019; vergleiche AAN 1.3.2019). Der komplette Luftraum wurde - mit Einschränkungen - am 4.3. freigegeben (Dawn 6.3.2019; vergleiche Dawn 4.3.2019b).

Am 2.3.2019 wurde gemeldet, dass bei Feuergefechten im Grenzgebiet von Kaschmir mindestens sieben Menschen getötet und zehn weitere verletzt worden waren. Gemäß indischen Medienberichten seien im indischen Teil der Konfliktregion eine 24 Jahre alte Frau und ihre beiden Kinder durch Artilleriebeschuss ums Leben gekommen sowie acht weitere Personen verletzt worden. Nach Angaben der pakistanischen Sicherheitskräfte wurden im pakistanischen Teil Kaschmirs ein Bub und ein weiterer Zivilist sowie zwei Soldaten getötet und zwei weitere Menschen verletzt. Die Armeen der verfeindeten Nachbarn hatten seit 1.3.2019 immer wieder an verschiedenen Stellen über die de-facto-Grenze zwischen den von Pakistan und Indien kontrollierten Teilen Kaschmirs geschossen (Presse 2.3.2019). Am 3.3.2019 meldeten beide Seiten, dass die Lage entlang der "Line of Control" wieder relativ ruhig sei (Reuters 3.3.2019)

Der pakistanische Informationsminister bestätige am 3.3.2019, dass eine entscheidende Aktion gegen die extremistischen und militanten Organisationen Jaish-e-Mohammad (JeM) sowie Jamaatud Dawa (JuD) mit ihrem Wohltätigkeitsflügel Falah-i-Insaniat Foundation (FIF) unmittelbar bevorstehe. Dieses Vorgehen würde in Übereinkunft mit dem National Action Plan (NAP) stehen. Der Beschluss dazu sei bereits lange vor dem Anschlag auf indische Sicherheitskräfte am 14.2. gefallen und erst jetzt veröffentlicht worden. Die Entscheidung sei nicht auf Druck Indiens getroffen worden (Dawn 4.3.2019a).

Quellen:

* AAN - Austrian Aviation Network (1.3.2019): Pakistan öffnet den Luftraum wieder teilweise, http://www.austrianaviation.net/detail/pakistan-oeffnet-den-luftraum-wieder-teilweise/, Zugriff 4.3.2019

* CNN News 18 (26.2.2019): Surgical Strikes 2.0: '200-300 Terrorist Dead', https://www.news18.com/videos/india/surgical-strikes-2-0-200-300-terrorist-dead-2048827.html, Zugriff 26.2.2019

* Dawn (26.2.2019): Indian aircraft violate LoC, scramble back after PAF's timely response: ISPR, https://www.dawn.com/news/1466038, Zugriff 26.2.2019

* Dawn (4.3.2019a): Govt plans decisive crackdown on militant outfits, https://www.dawn.com/news/1467524/govt-plans-decisive-crackdown-on-militant-outfits, Zugriff 4.3.2019

* Dawn (4.3.2019b): Pakistan airspace fully reopened, says aviation authority, https://www.dawn.com/news/1467600, Zugriff 6.3.2019

* Dawn (6.3.2019): Airlines avoiding Pakistan's eastern airspace, making flights longer, https://www.dawn.com/news/1467798/airlines-avoiding-pakistans-eastern-airspace-making-flights-longer, Zugriff 6.3.2019

* DW - Deutsche Welle (26.2.2019): Indische Jets fliegen Luftangriff in Pakistan, https://www.dw.com/de/indische-jets-fliegen-luftangriff-in-pakistan/a-47688997, Zugriff 26.2.2019

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019a): Indien fliegt Luftangriffe in Pakistan, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-fliegt-angriffe-gegen-mutmassliche-islamisten-in-pakistan-16060732.html, Zugriff 4.3.2019

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019b): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaffe-verletzt-den-pakistanischen-luftraum-16061769.html, Zugriff 4.3.2019

* Flightradar24 (27.2.2019; Ergänzungen am 1.3.2019 und 2.3.2019): Tensions between India and Pakistan affect air traffic, https://www.flightradar24.com/blog/tensions-between-india-and-pakistan-affect-air-traffic/, Zugriff 4.3.2019

* NZZ - Neue Züricher Zeitung (26.2.2019): Die Spirale der Eskalation dreht, https://www.nzz.ch/meinung/indien-bombardiert-pakistan-spirale-der-eskalation-dreht-ld.1462893, Zugriff 26.2.2019

* Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019

* Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019

* Reuters (4.3.2019): Pakistan adds flights, delays reopening of commercial airspace, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-airports/pakistan-adds-flights-delays-reopening-of-commercial-airspace-idUSKCN1QL0SH, Zugriff 5.3.2019

* Standard, der (27.2.2019): Pakistan schießt indische Kampfjets ab, Premier warnt vor "großem Krieg", https://derstandard.at/2000098654825/Drei-Tote-bei-Absturz-von-indischem-Militaerflugzeug-in-Kaschmir, Zugriff 4.3.2019

* SZ- Süddeutsche Zeitung (26.2.2019): Indien bombardiert pakistanischen Teil Kaschmirs, https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-pakistan-luftangriff-1.4345509, Zugriff 26.2.2019

* WP - The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-indian-fighter-jets-crossed-into-its-territory-and-carried-out-limited-airstrike/2019/02/25/901f3000-3979-11e9-a06c-3ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709, Zugriff 26.2.2019

* Zeit, die (1.3.2019): Pakistan lässt indischen Piloten frei, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/kaschmir-konflikt-pakistan-indischer-pilot, Zugriff 4.3.2019

KI vom 15.11.2018: Proteste nach Freispruch in Blasphemiefall Asia Bibi

Der Oberste Gerichtshof Pakistans hat am 31.10.2018 das Todesurteil gegen Asia Bibi wegen Gotteslästerung aufgehoben und sie von allen Vorwürfen freigesprochen (Standard 3.11.2018, vergleiche Guardian 31.10.2018), nachdem Bibis Berufung gegen das Todesurteil des Lahore High Court zuletzt im Oktober 2016 ohne Anhörung vom Obersten Gericht in Islamabad vertagt wurde, da sich einer der Richter weigerte, den Fall zu verhandeln (Dawn 8.10.2018). Die Urteilsverkündung, wodurch Bibi nach neun Jahren Haft im Todestrakt freigelassen werden soll (Guardian 31.10.2018), wurde ab 8.10.2018 drei Wochen lang vorgehalten (Dawn 8.10.2018; vergleiche Guardian 31.10.2018), da Befürworter der Blasphemiegesetze drohten, das Land lahmzulegen und die Richter zu töten, falls Bibis Todesurteil nicht aufrecht erhalten werde (Guardian 31.10.2018).

Nach Bekanntwerden des Urteils kam es landesweit zu tagelangen Protesten durch Islamisten (Standard 3.11.2018; vergleiche Dawn 3.11.2018a). Paramilitärische Sicherheitskräfte wurden in der Hauptstadt Islamabad eingesetzt, um den Obersten Gerichtshof, die Diplomatenviertel und die Wohnsiedlung der Richter zu schützen (Guardian 31.10.2018; vergleiche Dawn 30.10.2018). Nach einer Einigung mit der Regierung erklärte die Islamistenpartei Tehreek-e-Labaik (TLP) die Massenproteste am 3.11.2018 für beendet (Standard 3.11.2018; vergleiche ORF 4.11.2018). Die Demonstranten entfernten die Barrikaden in den großen Städten; Karachi, Lahore und Islamabad kehrten zur Normalität zurück. Geschäfte und Schulen waren wieder geöffnet (ORF 4.11.2018).

Nach dem Freispruch gab es Bestrebungen, Bibi so schnell wie möglich außer Landes zu bringen (Guardian 31.10.2018). Ein zwischen TLP und Regierung unterzeichnetes Fünf-Punkte-Papier sieht vor, dass sich die Regierung einem am 1.11.2018 eingebrachten Überprüfungsantrag zum Urteil (Review Petition) durch die TLP nicht entgegenstellt und Bibi die Ausreise aus Pakistan untersagt wird (Standard 3.11.2018; vergleiche Zeit 3.11.2018, Express Tribune 1.11.2018, BBC 8.11.2018).

Zum derzeitigen Aufenthaltsort von Asia Bibi gab es keine offiziellen Angaben (Zeit 3.11.2018). Sie wurde am 7. November 2018 aus dem Gefängnis entlassen und befindet sich nun in Pakistan an einem geheimen Ort (BBC 8.11.2018). Pakistanische Medien haben seit dem Freispruch gemutmaßt, sie könne das Land bereits verlassen haben (BBC 8.11.2018; vergleiche Tagesanzeiger 4.11.2018). Journalisten, die dies ohne offizielle Bestätigung berichteten, wurden von Informationsminister Fawad Hussein als "äußerst verantwortungslos" bezeichnet (BBC 8.11.2018).

Der Pakistanische Informationsminister Fawad Chaudhry erklärte, von der Regierung würden alle notwendigen Schritte gesetzt, um Bibis Sicherheit zu gewährleisten (BBC 3.11.2018). Bibis Ehemann und ihre Töchter wechseln ständig ihren Aufenthaltsort (ORF 4.11.2018) und bitten in anderen Staaten um Asyl (BBC 8.11.2018, vergleiche Tagesanzeiger 4.11.2018). Der Anwalt von Asia Bibi hat aus Sorge um die eigene Sicherheit wie auch dem Wohlergehen seiner Familie das Land verlassen (Standard 3.11.2018; vergleiche Zeit 3.11.2018, ORF 4.11.2018, BBC 8.11.2018).

Menschenrechtler kritisierten die Vereinbarung zwischen der Regierung und den Islamisten als Bankrotterklärung des Rechtsstaates (Zeit 3.11.2018), während Fawad Chaudhry erklärte, die Übereinkunft wurde getroffen, um die Proteste ohne Gewaltausübung zu beenden (BBC 3.11.2018).

Nachdem am 8.10.2018 das Urteil gegen Bibi vorgehalten wurde, wurden die Medien angehalten, über diesen Fall nicht zu berichten (Dawn 8.10.2018; vergleiche Guardian 31.10.2018, Express Tribune 31.10.2018). Auch wurde eine Berichterstattung über die Proteste nach dem Freispruch von Medien vermieden (Guardian 31.10.2018). In Folge der Proteste, die teilweise von Vandalismus und Brandstiftung begleitet waren, wurden in der Provinz Punjab ca. 1.100 Personen festgenommen (Daily Pakistan 5.11.2018).

Die Spannungen in Pakistan wurden durch die Nachricht von der Ermordung des bedeutenden pakistanischen Religionsführers Sami ul-Haq verschärft, der am 2.11.2018 in seinem Haus in Rawalpindi von Unbekannten niedergestochen wurde. Ul-Haq, der auch als "Vater der Taliban" bekannt war, war ein Verbündeter der regierenden Tehreek-e-Insaf-Partei von Premierminister Imran Khan. Dieser verurteilte die Ermordung und ordnete eine Untersuchung an. Die afghanischen Taliban sprachen in einer Erklärung von "einem großen Verlust für die gesamte islamische Nation". In Ul-Haqs Koranschulen wurden spätere Taliban-Größen wie Mullah Omar und Jalaluddin Haqqani ausgebildet (Standard 3.11.2018; vergleiche ORF 4.11.2018).

Quellen:

* BBC (3.11.2018): Asia Bibi: Deal to end Pakistan protests over blasphemy case, https://www.bbc.com/news/world-asia-46080067, Zugriff 5.11.2018

* Dawn (3.11.2018): Live blog: Protests on Asia Bibi's acquittal, https://www.dawn.com/live-blog/, Zugriff 5.11.2018

* Dawn (30.10.2018): Supreme Court acquits Asia Bibi, orders immediate release, https://www.dawn.com/news/1442396, Zugriff 5.11.2018

* Dawn (8.10.2018): Supreme Court reserves verdict on Asia Bibi's final appeal against execution, https://www.dawn.com/news/1437605/supreme-court-reserves-verdict-on-asia-bibis-final-appeal-against-execution, Zugriff 5.11.2018

* Express Tribune, the (1.11.2018): Review petition filed against SC verdict, https://tribune.com.pk/story/1838656/1-review-petition-filed-aasia-bibis-acquittal/, Zugriff 5.11.2018

* Express Tribune, the (31.10.2018): Aasia Bibi acquitted by Supreme Court, https://tribune.com.pk/story/1837746/1-security-beefed-sc-prepares-announce-aasia-bibi-verdict/, Zugriff 5.11.2018

* Guardian (31.10.2018): Asia Bibi: Pakistan court overturns blasphemy death sentence, https://www.theguardian.com/world/2018/oct/31/asia-bibi-verdict-pakistan-court-overturns-blasphemy-death-sentence, Zugriff 5.11.2018

* ORF (4.11.2018): Pakistan: Zukunft von Christin Asia Bibi weiter unsicher, https://religion.orf.at/stories/2945335/, Zugriff 5.11.2018

* Standard, der (3.11.2018): Anwalt von freigesprochener Christin verließ Pakistan, https://derstandard.at/2000090586614/Anwalt-von-freigesprochener-Christin-verliess-Pakistan, Zugriff 5.11.2018

* Zeit (3.11.2018): : Islamisten erzwingen mögliche Berufung im Fall Bibi, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-11/pakistan-asia-bibi-christin-freispruch-proteste-gotteslaesterung-islam, Zugriff 5.11.2018

* Tagesanzeiger (4.11.2018): Ehemann von freigesprochener Christin bittet um Asyl, https://www.tagesanzeiger.ch/news/standard/ehemann-von-freigesprochener-christin-bittet-um-asyl/story/17378032, Zugriff 5.11.2018

* DW - Deutsche Welle (3.11.2018): Nach Blasphemie-Freispruch: Asia Bibi immer noch in Haft, https://www.dw.com/de/nach-blasphemie-freispruch-asia-bibi-immer-noch-in-haft/a-46140621, Zugriff 5.11.2018

* Daily Pakistan (5.11.2018): Hundreds arrested for vandalism during protests against Asia Bibi's acquittal, https://en.dailypakistan.com.pk/headline/hundreds-arrested-for-vandalism-during-protests-against-asia-bibis-acquittal/, Zugriff 5.11.2018

* BBC (8.11.2018): Pakistan blasphemy case: Asia Bibi freed from jail, https://www.bbc.com/news/world-asia-46130189, Zugriff 14.11.2018

Kommentar:

Blasphemie wird laut pakistanischem Strafgesetzbuch mit dem Tode bestraft. Bisher wurde noch kein Mensch in Pakistan wegen Blasphemie hingerichtet (Guardian 31.10.2018; vergleiche LIB Pakistan, Abschnitt 16.5). Jedoch wurden seit 1990 mindestens 65 Personen, die der Blasphemie bezichtigt wurden, bei Aktionen der Selbstjustiz getötet (Guardian 31.10.2018).

Der Fall gegen Bibi demonstriert, wie in Pakistan Beschuldigungen der Blasphemie verwendet werden, um persönliche Streitigkeiten auszutragen und wie Entscheidungen am Beginn des gerichtlichen Instanzenweges Angeklagte aus Angst um deren Leben nicht freisprechen möchten (Guardian 31.10.2018). Im Jahr 2011 wurden der Gouverneur der Provinz Punjab, Salmaan Taseer, sowie der Minister für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, ermordet, nachdem sie öffentlich Asia Bibi verteidigt hatten und sich für eine Reform der Blasphemiegesetze ausgesprochen hatten (Guardian 31.10.2018; vergleiche LIB Pakistan, Abschnitt 16.5).

KI vom 31.7.2018: Wahlen am 25.7.2018

Am 25. Juli 2018 fanden in Pakistan Wahlen statt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass zwei gewählte Regierungen in Folge ihre volle Amtszeit dienen konnten (EUEOM 27.7.2018). Neben der Nationalversammlung wurden auch vier Provinzversammlungen (Punjab, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan) gewählt (NDTV 26.7.2018).

Laut offiziellem Resultat der Wahlkommission erlangte die Partei Tehreek-e-Insaf (PTI) von Imran Khan 115 Sitze im Parlament in Islamabad. Die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) unter Shehbaz Sharif folgte mit 64 Sitzen, die Partei Pakistan Peoples Party (PPP) von Bilawal Bhutto kam mit 43 auf den dritten Platz (Dawn 30.7.2018). Khan hat noch keinen Koalitionspartner. Um alleine regieren zu können, hätte die PTI 137 Sitze benötigt (NZZ 28.7.2018). Die PML-N und PPP kündigten bereits an, in der Opposition gegen Imran Khan zusammenzuarbeiten (Dawn 30.7.2018). Imran Khan begann zunächst Koalitionsgespräche mit der Partei Muttahidda Qaumi Movement (MQM) (Dawn 28.7.2018).

Die Armee hatte am Wahltag 370.000 Soldaten eingesetzt, die die Wahllokale sichern sollten (NZZ 28.7.2018; vergleiche EUEOM 27.7.2018). Zusätzlich waren 450.000 Polizisten im Einsatz. Die Befugnisse des Sicherheitspersonals wurden im Vergleich zur vorigen Wahl erweitert (EUEOM 27.7.2018). Erstmals waren Soldaten nicht nur vor, sondern auch in den Wahllokalen anwesend, auch während der Auszählung der Stimmen. Der Leiter der EU-Wahlbeobachtermission, Michael Gahler, sagte am Donnerstag gegenüber lokalen Medien, dem ersten Eindruck nach hätten sich die Soldaten strikt an ihren Einsatzbefehl gehalten (NZZ 28.7.2018).

Die Wahlbeteiligung lag laut Wahlkommission landesweit bei 51,7 Prozent (ECP o.D.). Etwa 106 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Neun Millionen Frauen hatten sich erstmals als Wählerinnen registrieren lassen. Obwohl es vereinzelt Beschwerden gab, dass Frauen von der Stimmabgabe abgehalten wurden, war die Wahlbeteiligung von Frauen anscheinend höher als früher. Die Wahlkommission hatte angeordnet, dass die Ergebnisse von Distrikten, in denen die Stimmen der Frauen unter 10 Prozent blieben, ungültig seien. Fast alle Parteien umwarben deshalb in diesem Jahr die Pakistanerinnen, wählen zu gehen (NZZ 28.7.2018). In den ehem. Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) stieg die Zahl der Frauen, die als Wählerinnen registriert waren, um 66 Prozent gegenüber der vorhergehenden Wahl (EUEOM 27.7.2018; vergleiche NZZ 28.7.2018).

Obwohl Schritte unternommen wurden, die Beteiligung von Minderheiten an den Wahlen zu sichern, blieb die Situation der Ahmadiya-Gemeinschaft unverändert. Ahmadis werden weiterhin in einem separaten Wählerverzeichnis geführt Eine Novelle des Wahlgesetzes 2017 hätte Ahmadis ins generelle Wählerverzeichnis inkludiert, diese Änderung wurde jedoch am 23.11.2017 nach Massenprotesten wieder rückgängig gemacht (EUEOM 27.7.2018).

Die Wahlverlierer prangerten auch Wahlfälschung an und erklärten, sie würden das Ergebnis nicht anerkennen. Sharif erklärte, das Militär habe die Abstimmung zugunsten Khans manipuliert. Auch Bilawal Bhutto sprach, ebenso wie Vertreter islamistischer Parteien, von Wahlfälschung (NZZ 28.7.2018). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlvorgang als transparent und gut durchgeführt ein, bemerkte jedoch Schwierigkeiten bei der Auszählung. Die Wahlhelfer hielten die Prozeduren nicht immer ein und hatten Schwierigkeiten, die Formulare für die Resultatsübermittlung korrekt auszufüllen (EUEOM 27.7.2018). Bei der pakistanischen Wahlkommission wurden bis kurz nach Schließung der Wahllokale 654 Beschwerden registriert, die ausschließlich Verstöße gegen die Wahlordnung betreffen würden. Über das Militär habe es keine Beschwerde gegeben (Standard 26.7.2018). Durch technische Probleme im erstmals eingesetzten Result Transmission System (RTS) kam es zu Verzögerungen der Bekanntgabe von Sprengelergebnissen an die Wahlkommission (EUEOM 27.7.2018).

Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale (EUEOM 27.7.2018). Bei einem Selbstmordanschlag in Quetta kamen 31 Menschen ums Leben, darunter auch Kinder und Polizisten, 35 Personen wurden verletzt. Der IS reklamierte den Anschlag für sich (Standard 26.7.2018; vergleiche Dawn 26.7.2018). In Khuzdar wurde bei einem Granatenangriff auf ein Wahllokal ein Polizist getötet (Dawn 26.7.2018; vergleiche Standard 25.7.2018). Weiters gab es regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vergleiche Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018). Bereits im Vorfeld der Wahl waren bei mehreren Anschlägen auf Parteien und Kandidaten mehr als 180 Menschen getötet worden (Standard 25.7.2018; vergleiche Kurzinformation vom 18.7.2018).

Reporter ohne Grenzen berichten von zahlreichen Einschränkungen für Journalisten während des Wahlkampfes. In den vergangenen Monaten seien unabhängige Medien wiederholt zensiert und kritische Journalisten bedroht, tätlich angegriffen und entführt worden (ROG 25.7.2018). Auch die Wahlbeobachtermission der EU sah deutliche Hinweise für Einschränkungen der Redefreiheit durch staatliche und nicht-staatliche Akteure (EUEOM 27.7.2018). Gemäß Reporter ohne Grenzen versuchten insbesondere das Militär und die Geheimdienste eine unabhängige Berichterstattung zu verhindern (ROG 25.7.2018). Weit verbreitete Selbstzensur der Berichterstatter hinderte gemäß EU-Wahlbeobachtermission Wahlberechtigte daran, eine qualifizierte Wahlentscheidung zu treffen (EUEOM 27.7.2018).

Quellen:

* Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 30.7.2018

* Dawn (28.7.2018): Imran starts preparations for formation of govt at Centre, https://www.dawn.com/news/1423370/imran-starts-preparations-for-formation-of-govt-at-centre, Zugriff 30.7.2018

* Dawn (30.7.2018): PPP, PML-N join hands to give Imran tough time, https://www.dawn.com/news/1423776/ppp-pml-n-join-hands-to-give-imran-tough-time, Zugriff 30.7.2018

* ECP -Election Commission of Pakistan (o.D.a): Assembly Wise Voters Turnout, https://www.ecp.gov.pk/frmstats.aspx, Zugriff 30.7.2018

* EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 30.7.2018

* NDTV - New Delhi Television Limited (26.7.2018): Pakistan Election Results Live Updates: "Want To Fix India-Pak Ties," Says Imran Khan, https://www.ndtv.com/world-news/pakistan-election-result-2018-live-updates-imran-khan-on-brink-of-victory-after-millions-vote-in-pak-1889205, Zugriff 30.7.2018

* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (28.7.2018): Imran Khan triumphiert in Pakistan, https://www.nzz.ch/international/wahlen-in-pakistan-imran-khan-triumphiert-ld.1406380, Zugriff 30.7.2018

* ROG - Reporter ohne Grenzen (25.7.2018): Pakistan - Einschränkungen während Wahlkampfes, http://www.rog.at/pm/pakistan-einschraenkungen-waehrend-wahlkampfes/, Zugriff 30.7.2018

* Standard, der (25.7.2018): Dutzende Tote in Pakistan bei Anschlag am Wahltag, https://derstandard.at/2000084092243/Dutzende-Tote-bei-Anschlag-am-Tag-der-Parlamentswahl-in-Pakistan, Zugriff 30.7.2018

* Standard, der (26.7.2018): Ex-Cricketstar Imran Khan steuert auf Wahlsieg in Pakistan zu, https://derstandard.at/2000084154112/Pakistans-Regierungspartei-PML-N-spricht-von-Wahlfaelschung, Zugriff 30.7.2018

KI vom 18.7.2018: Anschläge und Proteste im Vorfeld der Wahlen am 25.7.2018

Im Vorfeld der Wahlen am 25. Juli 2018 kam es zu zahlreichen Anschlägen mit Todesopfern (Dawn 13.7.2018a).

Am 13. Juli sind bei einem Selbstmordanschlag in Mastung, Provinz Belutschistan, nach offiziellen Angaben 149 Menschen ums Leben gekommen und über 200 Menschen verletzt worden (CNN 16.7.2018). Das Attentat hatte einer Veranstaltung der Baluchistan Awami Partei gegolten (Dawn 13.7.2018a; vergleiche ORF 13.7.2018, CNN 16.7.2018). Es ist der schwerste Anschlag in Pakistan seit vielen Jahren - ähnlich viele Tote gab es zuletzt beim Angriff der Taliban auf die Armeeschule in Peschawar im Dezember 2014 mit ca. 150 Toten (Standard 14.7.2018) - und der Terrorangriff mit den zweitmeisten Todesopfern in der Geschichte Pakistans (CNN 16.7.2018). Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (ORF 13.7.2018; vergleiche CNN 16.7.2018, Standard 14.7.2018), ebenso wie die Ghazi-Gruppe der radikalislamischen Taliban (Standard 14.7.2018). In Folge des Anschlages wurden die Wahlen im Wahlkreis PB-35 (Mastung) verschoben (Nation 14.7.2018).

Ebenfalls am 13. Juli wurden in Bannu [Provinz Khyber Pakhtunkhwa, nahe der Grenze zu den ehem. Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA)] bei einem Anschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung des Chief Minister der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Akram Khan Durrani, vier Menschen getötet und 32 Menschen verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vergleiche News 13.7.2018). Durrani wurde bei dem Anschlag nicht verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vergleiche Dawn 13.7.2018b). Durrani tritt im Wahlkreis NA-35 (Bannu) als Kandidat der Partei Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) an (Dawn 13.7.2018b; vergleiche News 13.7.2018). Ebenfalls in Bannu wurden wenige Tage zuvor am 7.7. bei einem Bombenangriff auf einen Konvoi des Kandidaten der Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) für den Wahlkreis PK-89, Sherin Malik, sieben Personen, darunter der Kandidat, verletzt (Dawn 7.7.2018).

Am 10. Juli wurden bei einem Selbstmordanschlag in Peschawar, Hauptstadt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, 22 Menschen getötet und 63 Personen verletzt (CNN 11.7.2018; vergleiche Nation 11.7.2018). Unter den Toten befindet sich Haroom Bilour, Provinzvorsitzender der Awami National Party (ANP) (Dawn 10.7.2018a) und Kandidat für den Wahlkreis Peschawar PK-78 (Nation 11.7.2018; vergleiche Dawn 10.7.2018a). Die Pakistanischen Taliban haben sich zu dem Anschlag bekannt (Dawn 10.7.2018a; vergleiche CNN 11.7.2018). Die ANP war bereits im Vorfeld der Wahlen 2013 ein Hauptziel der Taliban (Nation 11.7.2018). Gemäß Angaben der Taliban wurde der Angriff auf Bilour aufgrund deren "anti-islamischen Politik" durchgeführt (Dawn 10.7.2018a; vergleiche CNN 11.7.2018). Die Behörden gaben an, dass der Bombenanschlag ein gezieltes Attentat auf Haroom Biloor gewesen sei. Als Folge des Angriffes wurden die Wahlen im Wahlkreis PK-78 verschoben (Dawn 10.7.2018a).

Am 13. Juli kehrten der ehemalige Premierminister Nawaz Sharif und seine Tochter Maryam aus Großbritannien nach Pakistan zurück. Sie wurden bei ihrer angekündigten Ankunft am Flughafen Lahore verhaftet, nachdem sie eine Woche zuvor wegen Korruption in Abwesenheit zu zehn bzw. sieben Jahren Haft verurteilt wurden (CNN 13.7.2018; vergleiche New York Times 13.7.2018). In Lahore kam es zu Protesten von Anhängern der Partei Pakistani Muslim League-Nawaz (PML-N), die vom ehemaligen Chief Minister der Provinz Punjab und derzeitigem Parteiführer der PML-N Shahbaz Sharif - Bruder des ehemaligen Premierministers - angeführt wurden (CNN 13.7.2018). Im Vorfeld der angekündigten Proteste wurden etwa 500 Mitglieder der PML-N von den Sicherheitskräften verhaftet (CNN 13.7.2018).

Am 9. Juli veröffentlichte die Nationale Behörde für Terrorismusbekämpfung (National Counter Terrorism Authority - NACTA) die Namen von sechs Persönlichkeiten, für die besondere Gefahr durch terroristische Angriffe bestünde: Imran Khan, Vorsitzender der Pakistan Tehreek-i-Insaf; Asfandyar Wali und Ameer Haider Hoti, Vorsitzende der Awami National Party; Aftab Sherpao, Vorsitzender der Qaumi Watan Party; Akram Khan Durrani, Vorsitzender der Jamiat Ulema-i-Islam-Fazl; und Talha Saeed, Sohn von Hafiz Saeed. Weitere Bedrohungen bestünden gegen die Führungsebenen der Pakistan Peoples Party und der Pakistan Muslim League-Nawaz. Das Innenministerium wurde angewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen für die Parteiführungen zu erhöhen (Dawn 10.7.2018b). Für den Wahltag am 25.7. werden etwa 372.000 Sicherheitskräfte eingeteilt, um einen sicheren Ablauf der Wahl zu gewährleisten (CNN 11.7.2018; vergleiche Nation 14.7.2018).

Quellen:

* CNN (11.7.2018): Pakistani Taliban claims responsibility for deadly election suicide attack, https://edition.cnn.com/2018/07/11/asia/pakistan-peshawar-taliban-suicide-attack-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* CNN (13.7.2018): Former Pakistani Prime Minister Nawaz Sharif arrested after return, https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/nawaz-maryam-sharif-return-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* CNN (16.7.2018): At least 149 killed in Pakistan terror strike targeting political rally, https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/pakistan-suicide-attack-balochistan-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (10.7.2018a): TTP claims responsibility for Peshawar blast; ANP's Haroon Bilour laid to rest, https://www.dawn.com/news/1419202, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (10.7.2018b): Nacta names six politicians under threat from terrorists, https://www.dawn.com/news/1419042, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (13.7.2018): Mastung bombing: 128 dead, over 200 injured in deadliest attack since APS, IS claims responsibility, https://www.dawn.com/news/1419812, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (13.7.2018b): Blast targets convoy of JUI-F leader Akram Khan Durrani in Bannu, 4 killed, https://www.dawn.com/news/1419792/blast-targets-convoy-of-jui-f-leader-akram-khan-durrani-4-killed, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (7.7.2018): 7 including MMA candidate injured in Bannu blast, https://www.dawn.com/news/1418562, Zugriff 17.7.2018

* Express Tribune, the (13.7.2018): Four die as blast targets Durrani, https://tribune.com.pk/story/1756834/1-least-four-killed-16-injured-akram-durranis-convoy-comes-attack/, Zugriff 17.7.2018

* Nation, the (11.7.2018): Peshawar attack: death toll rises to 22, https://nation.com.pk/11-Jul-2018/peshawar-attack-death-toll-increase-to-20, Zugriff 17.7.2018

* Nation, the (14.7.2018): BAP candidate among 128 killed in Mastung blast, https://nation.com.pk/14-Jul-2018/bap-candidate-among-128-killed-in-mastung-blast?show=preview/, Zugriff 17.7.2018

* News, the (13.7.2018): Four killed in bomb attack on Akram Durrani's rally in Bannu, https://www.thenews.com.pk/latest/341264-several-injured-in-bomb-attack-near-convoy-of-ex-kp-cm-akram-durrani, Zugriff 17.7.2018

* ORF (13.7.2018): Anschlag in Pakistan: Zahl der Opfer steigt auf 128, http://www.orf.at//stories/2446861/, Zugriff 17.7.2018

* Standard, der (14.7.2018): Nach Selbstmordanschlag: Zahl der Toten steigt auf 140, https://derstandard.at/2000083427458/Zwei-Bomben-im-pakistanischen-Wahlkampf-mindestens-20-Tote, Zugriff 17.7.2018

2. Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10.2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon Hussain die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2017a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2017a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2017a).

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10.2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10.2017a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2017a).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10.2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/-/205010, Zugriff 8.3.2018

* AJ - Al Jazeera (13.4.2018): Pakistani court bans ex-PM Nawaz Sharif from parliament for life, https://www.aljazeera.com/news/2018/04/pakistani-court-bans-pm-nawaz-sharif-parliament-life-180413072707795.html, Zugriff 14.5.2018

* CIA - Central Intelligence Agency (23.2.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 8.3.2017

* Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

* Geo.tv (16.5.2018): KP Assembly seats to increase to 147 after FATA merger: draft bill, https://www.geo.tv/latest/195723-kp-assembly-seats-to-increase-to-147-after-fata-merger-reveals-draft-bill, Zugriff 1.6.2018

* Geo.tv (31.5.2018): President signs amendment bill, merging FATA with KP, https://www.geo.tv/latest/197519-fata-official-merged-with-kp-as-president-mamnoon-signs, Zugriff 1.6.2018

* Nation, The (19.11.2017): Understanding the Faizabad sit-in, https://nation.com.pk/19-Nov-2017/understanding-the-faizabad-sit-in, Zugriff 16.5.2018

* Nation, the (27.5.2018): KP Assembly approves Fata merger bill, https://nation.com.pk/27-May-2018/kp-assembly-approves-fata-merger-bill, Zugriff 1.6.2018

* NHT - National Herald Tribune (28.5.2018): Mamnoon signs FATA Interim Governance Regulation, 2018, http://dailynht.com/story/43730, Zugriff 29.5.2018

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

* Samaa (20.12.2017): Govt to complete its term; elections to be held in July 2018: PM, https://www.samaa.tv/pakistan/2017/12/govt-complete-term-elections-held-july-2018-pm/, Zugriff 26.4.2018

* TET - The Express Tribune (25.7.2017): 6th census findings: 207 million and counting, https://tribune.com.pk/story/1490674/57-increase-pakistans-population-19-years-shows-new-census/, Zugriff 9.5.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

3. Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10.2017a).

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016: 749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen, insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

* USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Pakistan (S 261-265), https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf, Zugriff 8.5.2018

4. Regionale Verteilung der Gewalt

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017).

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Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben. Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit 61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-59).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

5. Wichtige Terrorgruppen

Im Jahr 2017 ging die Zahl terroristischer Anschläge weiter zurück, doch aufständische Gruppierungen stellen weiterhin eine starke Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes dar. Die Gruppierungen unterliegen wie bereits 2016 einer konstanten Transformation. Eine bisher unbekannte Gruppierung namens Ansarul Sharia wurde in Karatschi aktiv und verstärkte Aktivitäten von Daesh / ISIS stellen eine neue Herausforderung für die Sicherheitskräfte dar (PIPS 1.2018).

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte aufständische Gruppe in Pakistan (EASO 7.2016); 70 Angriffe mit 186 Toten gingen 2017 auf ihr Konto (PIPS 1.2018 S 83f). Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint, als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nord-Wasiristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6.2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operationen in Nord-Wasiristan und in der Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die TTP konnte ihre internen Streitigkeiten 2017 durch die Wiedereingliederung der größten Fraktion aus Süd-Wasiristan in die Hauptgruppe beilegen (PIPS 1.2018 S 83f).

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den [ehem.] FATA aktiv, sie werden als lokale Taliban bezeichnet (PIPS 1.2018 S 85). Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Die LeJ erlitt 2016 starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke in Belutschistan und Sindh durch die Sicherheitskräfte zu erklären (PIPS 1.2018 S 87).

Jamaatul Ahrar (JuA) war 2017 Urheberin von 37 terroristischen Anschlägen (2016: 66) mit 123 Toten, vorwiegend in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa. JuA wurde 2017 durch interne Streitigkeiten sowie durch Tötungen mehrerer Kommandanten stark geschwächt (PIPS 1.2018 S 84f).

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt (PIPS 1.2018). Nachdem die nationalistischen Gruppen 2016 durch Sicherheitsoperationen und interne Krisen stark geschwächt wurden (PIPS 1.2017), stieg die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen 2017 wieder an. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, die 2017 42 Angriffe mit 51 Todesopfern durchführte, ein leichter Rückgang verglichen mit 55 Angriffen 2016. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind die Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan und die Balochistan Liberation Front (PIPS 1.2018).

Quellen:

* BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

* EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (4.1.2015): Pakistan Security Report 2014.

* SATP - South Asia Terrorism Portal (o.D.): Lashkar-e-Jhangvi, http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/terroristoutfits/lej.htm, Zugriff 8.5.2017

6. Punjab und Islamabad

Im Punjab gibt es im Landesvergleich weniger Fälle von organisierten, bewaffneten gewalttätigen Übergriffen aber eine große Zahl von Protesten. In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan, Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017). Die Bevölkerung der Provinz beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen (PBS 2017a). Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016) mit 11,1 Millionen Einwohnern (PBS 2017a). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ist ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017a).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwölf Toten und 23 Verletzten (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Sämtliche Todesopfer stammen aus einem Selbstmordattentat vom 14.3. auf einen Polizeiposten vor einer religiösen Versammlung in Lahore. Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) haben sich zu dem Anschlag bekannt (Reuters 14.3.2018; vergleiche PIPS 6.4.2018).

Im Jahr 2017 hat sich die Zahl der terroristischen Angriffe im Punjab im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Bei 14 Anschlägen kamen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Die Todesopfer umfassten 35 Zivilisten, 18 Polizisten, sechs Armeemitarbeiter und zwei Aufständische. Es gab drei Selbstmordanschläge in Lahore mit insgesamt 50 Toten, die sich gegen Sicherheitskräfte und Zensusmitarbeiter richteten, darunter einen Sprengstoffanschlag auf einen Polizeieinsatz bei der Räumung eines illegalen Marktes mit 26 Toten. Es gab einen religiös-sektiererisch motivierten Vorfall mit einem Todesopfer. Vier Anschläge richteten sich gegen die Gemeinschaft der Ahmadiya. Für die Anschläge verantwortlich zeigten sich die TTP, Jamaatul Ahrar, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami sowie weitere unidentifizierte Gruppen (PIPS 1.2018).

Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2017 drei Anschläge mit zwei Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) - 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange. Am 25.11.2017 begann die Regierung mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Da die zur Unterstützung gerufene Armee ihr Eingreifen verweigerte, wurde die Blockade letztlich nach weiteren Verhandlungen und Zugeständnissen friedlich aufgelöst [vgl. Abschnitt 2] (Dawn 28.11.2017).

Die Zahl der Terroranschläge und Todesopfer im Punjab ging in den Jahren 2015 und 2016 zurück (PIPS 1.2017; vergleiche PIPS 3.1.2016). Für das Jahr 2016 wurden sieben Terroranschläge im Punjab mit 80 Toten registriert, wobei 74 Tote alleine auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten, Anschlag in Lahore im März 2016 entfielen. Sechs Distrikte des Punjab waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, vier Polizisten und ein Aufständischer. Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2016 einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

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* EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

* ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 8.5.2018

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

* Reuters (14.3.2018): Suicide blast targeting police kills seven in eastern Pakistani city of Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/suicide-blast-targeting-police-kills-seven-in-eastern-pakistani-city-of-lahore-idUSKCN1GQ2OD, Zugriff 14.5.2018

7. Naturkatastrophen

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und im Jahr 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, die jedoch an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen leiden (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen, zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Bajaur Agency durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsunregenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen fünf Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016). Im Jänner 2017 gab es in Belutschistan in Folge heftigen Regen- und Schneefalles 13 Tote und 650 Verletzte. Der Rote Halbmond und die Provincial Disaster Management Authority von Belutschistan versorgte etwa 60.000 Menschen in den betroffenen Gebieten mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Schlafsäcken (Reliefweb 8.2.2017). Im August 2017 kamen in Karatschi mindestens 23 Menschen bei Überschwemmungen in Folge starker Regenfälle ums Leben, Armee und Luftwaffe führten Rettungsaktionen durch (DP 31.8.2017).

Quellen:

* DP - Daily Pakistan (31.8.2017): At least 23 killed as downpours wreak havoc in Karachi, army deployed for assistance, https://en.dailypakistan.com.pk/headline/karachi-battles-flood-ahead-of-eidul-azha-video/, Zugriff 9.3.2018

* Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, https://www.dawn.com/news/1215703, Zugriff 26.4.2018

* IDMC/NRC - Internal Displacement Monitoring/Norwegian Refugee Council (5.2016): GRID 2016 Global Report on Internal Displacement, http://www.internal-displacement.org/globalreport2016/pdf/2016-global-report-internal-displacement-IDMC.pdf, Zugriff 26.4.2018

* IRIN - Integrated Regional Information Networks (3.4.2014): Analysis: How effective is Pakistan's disaster authority?, http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-pakistan-s-disaster-authority, Zugriff 26.4.2018

* Reilefweb (8.2.2017): Pakistan: Balochistan Floods/Snowfall 2017 Emergency Plan of Action (MDRPK013), https://reliefweb.int/report/pakistan/pakistan-balochistan-floodssnowfall-2017-emergency-plan-action-mdrpk013, Zugriff 26.4.2018

* UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.4.2016): Flash Update: #1 Afghanistan-Pakistan Earthquake, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_afg_pak_earthquake_20160410_1_0.pdf, Zugriff 26.4.2018

* UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.7.2016): Flash Update: #2 Pakistan Rains, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_2_pak_rains_20160704.pdf, Zugriff 26.4.2018

8. Rechtsschutz/Justizwesen

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Artikel 227, der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology - abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen - dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2017).

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Artikel 175, die folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz sowie im Islamabad Capital Territory und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß Artikel 203 A, ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a. von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann diesbezüglich auch von sich aus tätig werden). Weiters bestehen noch Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Angelegenheiten wie Steuerrecht, Banken oder Zoll (ÖB 10.2017).

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten die Regeleung von Streitfällen zwischen Lokalregierungen ("original jurisdiction in any dispute between any two or more Governments") sowie beratende Rechtsprechung ("advisory jurisdiction") auf Aufforderung durch den Staatspräsidenten (Artikel 184, ff der Verfassung). Außerdem kann er sich in Fällen öffentlicher Bedeutung auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Artikel 199, der Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen (Artikel 185, Absatz 3, der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner umfassenden Zuständigkeit gilt der Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2017).

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court, High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u. a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2017).

In Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es eigene Justizsysteme (ÖB 10.2017; vergleiche USDOS 20.4.2018). Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gem. Artikel 247, Absatz 7, der Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA; Federally Administered Tribal Areas, FATA; vergleiche Artikel 246, der Verfassung) (ÖB 10.2017). Nach dem Inkrafttreten der interimistischen Gesetzgebung für das Gebiet der FATA am 28.5.2018 und der administrativen Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunhkhwa am 31.5.2018 wird die staatliche Gerichtsbarkeit teilweise und innerhalb der nächsten zwei Jahre vollständig auf die ehem. Stammesgebiete ausgedehnt (Dawn 31.1.2018) [vgl. Abschnitt 4.1].

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen (Artikel 203 C, der Verfassung). Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in - Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden - Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2017).

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt (Artikel 203 C, der Verfassung). Die den High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2017).

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 20.10.2017). Auf dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit 2017 rangiert Pakistan auf Platz 105 von 113, was eine Verbesserung um einen Rang gegenüber dem Vorjahr darstellt (WJP 2018).

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, doch laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 20.4.2018). Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016 einige Anschläge auf das Justizwesen: im März und im September erfolgte jeweils ein Anschlag auf ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, wobei 17 bzw. 14 Menschen starben, und in Quetta gab es ein Attentat auf ein Krankenhaus, in dem sich, nach Schüssen auf den Präsidenten der Anwaltsvereinigung Belutschistan, Anwälte versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017). Im Februar 2017 starben bei einem Angriff der pakistanischen Taliban auf ein Gerichtsgebäude im Distrikt Charsadda, in Khyber Pakhtunkhwa, fünf Menschen (Reuters 21.2.2017).

Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet (AA 10.2017a). Laut der neuesten Statistik der Law and Justice Commission of Pakistan (LJCP) sind landesweit 1,869,886 Fälle bei allen Gerichten anhängig (Dawn 21.1.2018) und viele Verfahren ziehen sich über Jahrzehnte hin. In manchen Fällen erhält erst die dritte Generation der Beteiligten ein finales Urteil (Dawn 21.1.2018; vergleiche AA 10.2017a).

Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, wie den Zugang zu Rechtsmitteln sowie eine faire und effektive Anhörung (USDOS 20.4.2018). Der Director General der Federal Judicial Academy, schätzt [Stand Mai 2015] die Zahl der Richter auf 4.200 für eine Bevölkerung von 180 Millionen, ein Richter auf 42.857, weit unter den internationalen Standards (ÖB 10.2016). Der Vorsitzende des Lahore High Court (Punjab) erklärte 2017, dass in Punjab ein Richter auf 62.000 Einwohner kommt, und noch mindestens 10.000 Richter in der Provinz benötigt würden (Nation, The 31.12.2017). Im Jahr 2015 wurden in der Provinz Punjab knapp 700 (ÖB 10.2016; vergleiche TET 21.1.2015) und in der Provinz Sindh ca. 360 neue Richter eingestellt (TET 31.8.2015).

Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher nicht in der Lage, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z. B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 10.2017a).

Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 20.10.2017).

Im Jänner 2015, als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar, genehmigte das Parlament die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und religiös-sektiererischer Gewalt (USDOS 20.4.2018). Im Februar 2015 berichtete Dawn, dass diese Gerichte auch über 6000 zivile Häftlinge, die seit 2009 in Militäroperationen gefangen genommen wurden, Recht sprechen können (USDOS 13.4.2016). Am 16.4.2015 entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass von Militärgerichten gegen Zivilisten verhängte Todesurteile auszusetzen sind (AI 20.4.2015). Im August 2015 bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Rechtssprechung der Militärgerichte, behielt sich aber das Recht ein, die Fälle zu prüfen (USDOS 3.3.2017). Damit hielt er auch die Verhängung von Todesurteilen für Zivilisten durch militärische Gerichte aufrecht (RFE/RL 5.8.2015). Im August 2016 entschied der Oberste Gerichtshof erstmals über Fälle dieser Gerichte, bestätigte die Schuldsprüche sowie Todesurteile über 16 Zivilisten (AI 22.2.2017). Der Fortbestand der Militärgerichte wurde im März 2017 auf weitere zwei Jahre verlängert (ÖB 10.2017; vergleiche AI 21.2.2018). Bei Verhandlungen der Militärgerichte ist keine Kaution vorgesehen und die Verhandlungen sind nicht öffentlich (USDOS 20.4.2018).

Bisher wurden zwölf derartige Militärgerichte eingerichtet und 274 Personen verurteilt, davon 161 zum Tode und 113 zu (meist lebenslänglichen) Freiheitsstrafen. Die Prozesse werden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht: So ist nicht klar definiert, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen; die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2017).

Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 20.4.2018).

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 20.4.2018).

Neben dem bisher dargestellten staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtssprechungssysteme und Rechtsordnungen, die etwa auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den [ehem.] Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der (in Unrechtsfällen) vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden, wobei nicht zuletzt Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Jirgas sind in Pakistan generell auch über paschtunische Gebiete hinaus nach wie vor weit verbreitet (neben den [ehem.] FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab) und wenden neben Stammes- auch Schariarecht an (ÖB 10.2017). Die [ehem.] FATA unterliegen nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion (AA 20.10.2017). [Zum Rechtssystem in den ehem. FATA siehe Abschnitt 4.1.]

In Sindh und Punjab, insbesondere in ländlichen Gebieten, halten feudale Landherren und lokale Führer in paschtunischen und belutschischen Gebieten und Stammesführer manchmal Panchayats oder Jirgas - lokale Ratsversammlungen - außerhalb des etablierten Rechtssystems ab. Diese informellen Rechtssysteme bieten keinen institutionalisierten Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge (USDOS 20.4.2018).

Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil aus 2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hingabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings nicht verhindern konnte. Darüber hinaus ist selbst in städtischen Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von "Sharia Courts" zu beobachten; so wurde etwa im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore High Court eingeleitet (ÖB 10.2017).

Als weitere Besonderheiten sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung), die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden, sowie die in den FATA und PATA weiterhin auf Basis der [bis 28.5.2018 gültigen; vergleiche Abschnitt 4.1] Frontier Crimes Regulation (FCR) praktizierte Form der kollektiven Bestrafung zu nennen. Im Oktober 2016 wurde die Anti-Honour Killings Bill zur Eindämmung von Ehrenmorden erlassen, die Implementierung geht aber vor allem im ländlichen Bereich nur schleppend voran. Eine wesentliche Neuerung der Anti-Honour Killings Bill ist die Abschaffung des Konzepts der Vergebung (diyat) bei Ehrenmorden, sodass eine Straffreiheit des Täters bei Vergebung durch die Familie der Ermordeten nicht mehr zulässig ist (ÖB 10.2017) [siehe auch Abschnitt 18.2].

Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen (AA 10.2017a).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AI - Amnesty International (20.4.2015): Dämpfer für die Todesstrafe in Pakistan, http://www.amnesty-todesstrafe.de/index.php?id=732, Zugriff 6.4.2018

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* AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018

* Dawn (21.1.2018): Over 1.8 million cases pending in Pakistan's courts, https://www.dawn.com/news/1384319, Zugriff 6.8.2018

* Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.com/news/1411061, Zugriff 1.6.2018

* HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/335171/477023_de.html, Zugriff 5.4.2018

* Nation, The (31.12.2017): Only one judge for every 62,000 people in Punjab: Chief Justice LHC, https://nation.com.pk/31-Dec-2017/only-one-judge-for-every-62-000-people-in-punjab-chief-justice-lhc, Zugriff 6.4.2018

* ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2016): Asylländerbericht - 2016.

* ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2017): Asylländerbericht - 2017.

* Reuters (21.2.2017): Suicide bombers in Pakistan kill five in attack on court, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/suicide-bombers-in-pakistan-kill-five-in-attack-on-court-idUSKBN1600KC, Zugriff 6.4.2018

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2015): Pakistani Military Courts Approved By Supreme Court, http://www.ecoi.net/local_link/309434/447325_de.html, Zugriff 6.4.2018

* TET - The Express Tribune (21.1.2015): New recruitments: LHC set to recruit 696 civil judges, https://tribune.com.pk/story/824838/new-recruitments-lhc-set-to-recruit-696-civil-judges/, Zugriff 6.4.2018

* TET - The Express Tribune (31.8.2015): Filling the void: 249 judicial officers appointed on vacancies, https://tribune.com.pk/story/947766/filling-the-void-249-judicial-officers-appointed-on-vacancies/, Zugriff 6.4.2018

* USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/322459/461936_de.html, Zugriff Zugriff 6.4.2018

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* WJP - World Justice Project (2018): Rule of Law Index 2017-2018, https://worldjusticeproject.org/sites/default/files/documents/WJP_ROLI_2017-18_Online-Edition_0.pdf, Zugriff 29.5.2018

9. Sicherheitsbehörden

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol sowie die Terrorismusbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 20.10.2017).

Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI) (AA 20.10.2017). Der ISI gilt als einer der besten Geheimdienste der Welt (BBC News Hub 2.12.2017). Der ISI ist militärisch dominiert und geprägt. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste findet nicht statt (AA 20.10.2017).

Der pakistanische Geheimdienst, einst von einem ehemaligen Premierminister als "Staat im Staat" bezeichnet, ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert, sagen pro-Demokratie-Aktivisten. Der Generaldirektor des ISI gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity 15.12.2016). Der ISI verfügt den Geheimdienst betreffend über breit gefächerte Möglichkeiten. Das pakistanische Innenministerium verfügte mehr als zehn Gesetze, welche ein direktes Durchsetzungsrecht für den Geheimdienst beinhalten, obwohl viele dieser Dienststellen unter die operative Kontrolle des Militärs fallen (USDOS 2.6.2016).

Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig (AA 20.10.2017).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 20.4.2018). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u. a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 20.10.2017).

Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten - wie beispielsweise der Ahmadiyya-Muslimen, den Christen, den schiitischen Moslems und Hindus - Schutz vor Übergriffen zu gewährleisten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei und Fälle, wo lokale Behörden Minderheiten vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützen (USDOS 20.4.2018).

Es gibt weiterhin Berichte, dass Sicherheitskräfte in Menschenrechtsverletzungen involviert sind, darunter Folter und andere Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Exekutionen und Verschwindenlassen. Diese bleiben aufgrund des Fehlens unabhängiger und unparteiischer Mechanismen, um gegen die Täter zu ermitteln und sie vor Gericht zu stellen, straflos (AI 21.2.2018). Berichten zufolge werden von einigen Einheiten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass viele Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan verschwanden (USDOS 20.4.2018).

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 20.4.2018).

Das Vereinigte Königreich arbeitet mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und Justizbehörde zusammen, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und Rechtsstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015).

Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte in Rawalpindi, Lahore, Mianwali, Karatschi, Peshawar, Haripur und Buner durchgeführt, bei denen 206 Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) in Karatschi und Lahore, Rawalpindi und Mianwali ausgebildet wurden (SHARP 2016). Auch im Jahr 2017 gab es mehrere solcher Lehrgänge, u. A. in Lahore und Bhakkar (SHARP 28.11.2017). SHARP-Pakistan pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der FIA, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht illegal inhaftiert werden und sie auch keiner unangemessenen Behandlung ausgesetzt werden. Es sind bei diesen Schulungen 195 männliche und elf weibliche Polizeibeamte unterschiedlichster Dienstgrade in den Bereichen Menschenrechte und Rechte von Flüchtlingen fortgebildet worden (SHARP 2016).

Seit einer Verfassungsänderung im Jänner 2015 haben militärische Gerichte das Recht, auch Zivilisten, die im Zusammenhang mit Terrorismus, Militanz, religiös motivierter Gewalt und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden sollen, zu verurteilen (USDOS 19.7.2017) [siehe auch Abschnitt 4.].

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018

* - BBC News Hub (2.12.2017): Top 10 Most Powerful Intelligence Agencies In The World 2018, http://www.bbcnewshub.com/top-10-most-powerful-intelligence-agencies-in-the-world-2018/, Zugriff 17.4.2018

* FCO - Foreign Commonwealth Office (12.3.2015): Corporate report, Pakistan - Country of Concern, https://www.gov.uk/government/publications/pakistan-country-of-concern/pakistan-country-of-concern#access-to-justice-and-the-rule-of-law, Zugriff 17.4.2018

* Globalsecurity.org (15.12.2016): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 17.4.2018

* SHARP - Society for Human Rights and Prisoners' Aid (2016): Pakistan-initiatives-for-capacity-building, http://sharp-pakistan.org/publications/reports/2016-Jan-Apr-SHARP-Pakistan-initiatives-for-capacity-building.pdf, Zugriff, 17.4.2018

* - SHARP - Society for Human Rights and Prisoners' Aid (28.11.2017): Category: Activites & Events, https://sharp-pakistan.org/index.php/category/latest-news/activities-and-events/, Zugriff 17.4.2018

* USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Pakistan, https://www.ecoi.net/local_link/324735/464433_de.html, Zugriff 17.4.2018

* - USDOS - US Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/1404783.html, Zugriff 17.4.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

10. Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl die Verfassung Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlungen verbietet, beinhaltet das Strafgesetzbuch keinen spezifischen Abschnitt über Folter. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die Folter ausdrücklich verbieten (USDOS 20.4.2018; vergleiche Dawn 27.6.2016). Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen angemessener Beschwerdezentren und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zu deren Verbreitung bei. Die Kommission meint auch, dass es keine ernsthaften Anstrengungen gibt, Folter zu kriminalisieren und dass die Täter - meistens die Polizei oder Mitglieder der Streitkräfte - straflos davon kommen (USDOS 20.4.2018).

Es gibt Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft foltern und misshandeln. Laut verschiedenen Quellen führt Folter gelegentlich zum Tod oder zu schweren Verletzungen. Dies wird jedoch häufig nicht dokumentiert. Es gibt Berichte, dass Polizisten grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen gegen Gefangene einsetzen (USDOS 20.4.2018). Auch AI erwähnt Folter als Menschenrechtsverletzung, der die Sicherheitskräfte beschuldigt werden (AI 21.2.2018). Nach Einschätzung der Human Rights Commission of Pakistan hat bei den 2016 in Haft verstorbenen 48 Strafgefangenen in zwei Fällen Folter zum Tod beigetragen oder war die Todesursache. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig. Sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen. Dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren (AA 20.10.2017).

Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten. Ein Gesetz, mit dem Folter erstmals zum Straftatbestand gemacht würde, ist im Parlament seit einigen Jahren anhängig. Pakistan hat am 31.12.2015 dem Vertragsausschuss der VN-Anti-Folterkonvention erstmals einen nationalen Umsetzungsbericht vorgelegt. Dieser wurde im April 2017 im VN-Ausschuss gegen Folter kritisch diskutiert (AA 20.10.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018

* DAWN (27.6.2016): View from the courtroom: No law yet to specifically deal with torture cases, http://www.dawn.com/news/1267554/view-from-the-courtroom-no-law-yet-to-specifically-deal-with-torture-cases, Zugriff 18.4.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

11. Korruption

Korruption ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen nach wie vor weit verbreitet (AA 20.10.2017; vergleiche USDOS 20.4.2018). Im Corruption Perceptions Index 2016 von Transparency International nahm Pakistan die 116. Stelle von 176 Ländern ein (TI 25.1.2017), im Jahr 2017 die 117. Stelle von 180 Ländern (TI 21.2.2018).

Das pakistanische Strafgesetzbuch untersagt, Bestechungen anzubieten, zu bezahlen oder anzunehmen. Schmiergeldzahlungen und Geschenke sind verboten aber weit verbreitete Praxis (GAN Integrity 12.2017; vergleiche USDOS 20.4.2018). Das "National Accountability Bureau" (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit dem Mandat, Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 20.4.2018). Trotz solider Gesetzeslage ist Pakistan nicht in der Lage, Korruption in staatlichen Stellen zu verhindern. Die Regierung setzt die Anti-Korruptionsgesetze nicht effizient durch und Beamte, die in Korruption verwickelt sind, bleiben straffrei (GAN Integrity 12.2017; vergleiche USDOS 20.4.2018).

Korruption ist auch in den unteren Ebenen der Polizei üblich. So werden durch manche Polizeikräfte Gebühren für die Annahme von gerechtfertigten Anzeigen angenommen und Bestechungsgelder für die Registrierung falscher Anzeigen akzeptiert. Bestechungsgelder zur Vermeidung von Strafzahlungen sind ebenso weit verbreitet (USDOS 20.4.2018). Die Hauptgründe für Korruption sind mangelndes Verantwortungsbewusstsein sowie fehlende leistungsbezogene berufliche Aufstiegschancen bei relativ niedrigen Löhnen (USDOS 29.6.2017; vergleiche TI 25.4.2014).

Seit 2015 haben Militär und Rangers (dem Innenministerium für Polizeiaufgaben unterstellte militärische Kräfte) auch in der Bekämpfung von gewöhnlicher Kriminalität und Korruption mehrfach die Initiative ergriffen (AA 20.10.2017).

Am 28.7.2017 wurde Ministerpräsident Nawaz Sharif aufgrund von Korruptionsvorwürfen vom Obersten Gericht abgesetzt (Zeit Online 28.7.2017). Hintergrund sind die durch die Panama Papers enthüllten Vermögensverhältnisse der Familie, die Sharif Vorwürfe der Geldwäsche und Korruption eingebracht hatten. In Pakistan kann ein Ministerpräsident des Amtes enthoben werden, wenn sich herausstellt, dass er Vermögen verborgen hat (Süddeutsche Zeitung 28.7.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* GAN Integrity (10.2017): Pakistan Corruption Report, https://www.business-anti-corruption.com/country-profiles/pakistan, Zugriff 18.4.2018

* Süddeutsche Zeitung (28.7.2017): Nach Panama-Papers-Enthüllung: Gericht enthebt Pakistans Ministerpräsident des Amtes, http://www.sueddeutsche.de/politik/panama-papers-nach-panama-papers-enthuellung-gericht-enthebt-pakistans-ministerpraesident-des-amtes-1.3607163, Zugriff 28.7.2017

* TI - Transparency International (25.4.2014): Pakistan 2014, https://www.transparency.org/whatwedo/nisarticle/pakistan_2014, Zugriff 19.4.2018

* TI - Transparency International (25.1.2017): Corruption Perceptions Index 2016, http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 19.4.2018

* TI - Transparency International (21.2.2018): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 19.4.2018

* USDOS - US Department of State, Bureau of Economic and Business Affairs (29.6.2017): Investment Climate Statements for 2017 - Pakistan, http://www.state.gov/e/eb/rls/othr/ics/investmentclimatestatements/index.htm?year=2017&dlid=270027, Zugriff 19.4.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

* Zeit Online (28.7.2017): Oberstes Gericht in Pakistan entmachtet Premier Sharif, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-07/panama-papers-pakistan-nawaz-sharif-ministerpraesident-amtsenthebung, Zugriff 28.7.2017

12. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen - auch regierungskritische - können sich in Pakistan betätigen, unterliegen jedoch einer geheimdienstlichen Überwachung und Kontrolle. Bedrohungen und Einschränkungen können erfolgen, wenn ihre Arbeit die staatlichen Sicherheitsorgane tangiert (AA 20.10.2017). Sowohl auf Bundes- als auch auf Provinzebene hat die Regierung die operativen Möglichkeiten von zivilgesellschaftlichen Organisationen mittels Durchsetzung strenger Regulatorien und Berichterstattungsrichtlinien signifikant eingeschränkt. Internationale und lokale Organisationen müssen vor dem Start unterschiedlicher Projekte offizielle "no-objection certificates" (NOC) einholen. Seit 2015 müssen sich ausländische NGOs einem aufwendigen Wiederregistrierungsprozess unterziehen und viele von ihnen haben zum Jahresende 2016 noch keinen offiziellen Status erhalten (FH 1.2017).

NGOs, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren, sind intensiven Überprüfungen und in einigen Fällen auch Schikanen ausgesetzt (FH 4.12.2016). Insbesondere Menschenrechtsorganisationen, die sich für eine Reform des Blasphemie-Gesetzes und gegen die Todesstrafe engagieren, werden von extremistischen und dschihadistischen Gruppierungen bedroht. Sowohl für Menschenrechts- als auch für Hilfsorganisationen ist die Arbeit nicht nur in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA), sondern auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich; mehrere Entführungen und Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA 20.10.2017).

Obwohl einige nationale und internationale Menschenrechtsgruppen ohne gröbere Einschränkungen tätig sind und Menschenrechtsverletzungen untersucht sowie die Ergebnisse veröffentlicht haben, wird die operative Tätigkeit von NGOs durch die Regierung vermehrt eingeschränkt. Gruppen, die über Missstände bei Regierung, Militär, Geheimdienst berichten oder in Bezug auf Binnenvertriebene oder Konfliktgebiete aktiv sind, berichten von zeitweisen Restriktionen ihrer operativen Tätigkeit und der Geldlukrierung, u. A. durch Regulatorien bezüglich Reisen, Visum und Registrierung (USDOS 20.4.2018).

Laut der Aid Worker Security Database wurden im Jahr 2016 ein und im Jahr 2015 zwei Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2014 zwölf und in den Jahren 2012 und 2013 je 17 Mitarbeiter getötet (AWSD 12.4.2018).

Die HRCP befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der HRCP gibt es eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen, die sich mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte beschäftigen. Im Bereich Frauenrechte engagieren sich u. a. die Aurat Foundation, Shirkat Gah, AGHS Legal Aid Cell und zahlreiche kleinere Organisationen. Im Bereich Minderheiten (insbes. Christen) sind das Centre for Legal Aid, Assistance and Settlement (CLAAS), die National Commission for Justice and Peace und die All Pakistan Minorities Alliance tätig. Die Society for Human Rights and Prisoners Aid (SHARP) richtet Konferenzen zu Menschenrechtsthemen aus und bietet kostenlose Rechtsberatung. Im Bereich der Todesstrafe ist die Nichtregierungsorganisation Justice Project Pakistan (JPP) führend, die Statistiken über die Verhängung der Todesstrafe und über Hinrichtungen in Pakistan führt, sich öffentlich gegen die Todesstrafe einsetzt, anhand von Fallbeispielen Rechtsverstöße in Gerichtsverfahren dokumentiert und öffentlich macht und für einzelne Verurteilte, in der Regel unentgeltlich, in Berufungsverfahren als Rechtsbeistand auftritt. Für bessere Haftbedingungen und die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich der im Jahre 1980 gegründete Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA 20.10.2017).

Zur Eindämmung der Terrorismusfinanzierung innerhalb und außerhalb des Landes haben Bundes- und die Provinzregierungen eine Registrierung aller Unternehmen, auch Non-Profit-Organisationen, karitativer Einrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen, beschlossen (TIN 9.1.2016). Zur Straffung des Registrierungsprozesses von NGO muss eine Registrierung innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein. Dieser Registrierungsvorgang ist für alle nicht staatlichen Organisationen alle fünf Jahre erneut zu überprüfen. Die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung und Beobachtung von verbotenen Organisationen und Einzelpersonen stellte dabei das Hauptanliegen dar - so ein Sprecher des Innenministeriums (Dawn 9.1.2016).

Im Jahr 2015 wurden einige NGOs aufgefordert, Pakistan zu verlassen, darunter Norwegian Refugee Council. 20 internationale NGOs wurden durch die pakistanischen Behörden unter Beobachtung gestellt. Der pakistanische Innenminister äußerte in der Öffentlichkeit seine Bedenken, dass NGOs in antistaatliche Aktivitäten wie Spionage und Finanzierung des Terrorismus beteiligt sind. Diese Schritte würden nach Einschätzung von Freedom House dazu dienen, dass die NGOs in einem Klima des Misstrauens und der Unsicherheit operieren würden (FH 4.12.2016).

Visa für ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert. Nur wenige NGOs haben Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] FATA und Teilen Belutschistans (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AWSD - Aid Worker Security Database (12.4.2018): Total incidents by country, https://aidworkersecurity.org/incidents/report/country, Zugriff 19.4.2018

* Dawn (9.1.2016): Laws for monitoring NGOs' funding to be tightened, http://www.dawn.com/news/1231761/laws-for-monitoring-ngos-funding-to-be-tightened, Zugriff 19.4.2018

* FH - Freedom House (4.12.2016): Freedom in the World 2016, Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/pakistan, Zugriff 19.4.2018

* FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017, Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/pakistan, Zugriff 19.4.2018

* TIN - The International News (9.1.2016): All NGOs to be registered in six months, https://www.thenews.com.pk/print/89035-All-NGOs-to-be-registered-in-six-monthsugriff 22.12.2016

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

13. Ombudsmann

Nach einer präsidialen Verordnung im Jahr 1983 wurde das Amt des Ombudsmannes (Wafaqi Mohtasib) geschaffen (Gov Pak 24.1.1983). Der Ombudsmann führt unabhängige Ermittlungen zu Beschwerden über Fehlleistungen der öffentlichen Verwaltung ("maladministration"). Die Einschaltung des Ombudsmannes ist gratis und steht jedem Menschen offen. Der Tätigkeitsbereich erstreckte sich auch auf das Gebiet der FATA [Anm.: seit 31.5.2018 Teil von Khyber Pakhtunkhwa] (FOOP o.D.).

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet [vgl. auch FOOP 11.1.2018]. Verletzungen der Rechte der Minderheiten fallen ebenso in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6.2013). Zum Beispiel wurde im Büro des Ombudsmanns in Sindh ein eigenes Büro für Menschenrechtsbeschwerden eingerichtet. Dieses Büro wird die Menschenrechtslage und die Anwendung der internationalen Menschenrechtskonvention in Sindh beobachten und regelmäßig dem Ombudsmann Bericht erstatten (TET 30.1.2015).

Das Gesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verlangt die Einrichtung von zuständigen Ombudsmännern in jeder Provinz. Sindh, Gilgit-Balitstan und Punjab haben diese eingerichtet. Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen Büro in Islamabad sowie mit Büros in jeder Provinz (USDOS 20.4.2018). Es gibt unabhängige Ombudsleute für Angelegenheiten der Steuer, Versicherungen, Bankangelegenheiten und Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz. Auch für Beschwerden über die "Karachi Electric Supply Corporation" (KESC) ist der Bundesombudsmann zuständig. Der Ombudsmann behandelt u. A. keine Beschwerden, die laufende Gerichtsverfahren, ausländische Angelegenheiten oder Verteidigungsangelegenheiten betreffen (FOOP o.D.).

Quellen:

* BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

* FOOP - Federal Ombudsman of Pakistan (11.1.2018): TELEPHONE LIST OF WAFAQI MOHTASIB (OMBUDSMAN)'S SECRETARIAT (As of 10.01.2018), http://www.mohtasib.gov.pk/userfiles1/file/PHONE%20LIST%20Head%20Office%20AND%20%20Regional%20Offices%2011-01-2018.pdf, Zugriff 18.4.2018

* FOOP - Federal Ombudsman of Pakistan (o.D.): What We Do, http://www.mohtasib.gov.pk/frmDetails.aspx, Zugriff 19.4.2018

* Gov Pak - Government of Pakistan (24.1.1983): ESTABLISHMENT OF THE OFFICE OF WAFAQI MOHTASIB (OMBUDSMAN) ORDER, 1983, http://www.mohtasib.gov.pk/wafaqimoh/userfiles1/file/Mohtasib/regulations/presidential-order-1983.pdf, Zugriff 19.4.2018

* TET - The Express Tribune (30.1.2015): Register complaints: Human rights cell set up at ombudsman secretariat, http://tribune.com.pk/story/830302/register-complaints-human-rights-cell-set-up-at-ombudsman-secretariat/, Zugriff 19.4.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

14. Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil römisch II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Artikel 4, der Verfassung garantiert den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Artikel 9, der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Artikel 25, Absatz eins, garantiert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Artikel 25, Absatz 2, der Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (AA 20.10.2017).

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher nicht in der Lage, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst. In den pakistanischen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas, FATA) haben die in der pakistanischen Verfassung verankerten Bürgerrechte keine Geltung (AA 10.2017a).

Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen bewusst in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung Pakistan sich verpflichtet hat (AA 20.10.2017). Sicherheitskräfte waren im gesamten Land in erzwungenes Verschwinden und extralegale Tötungen verwickelt (HRW 18.1.2018).

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte sind u.a. extralegale und gezielte Tötungen, das Verschwindenlassen von Personen, Folter, fehlende Rechtsstaatlichkeit, schlechte Ausführung und Durchsetzung der Gesetze; häufige Mob-Gewalt und Selbstjustiz bleiben meist straffrei. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem willkürliche Haft, lange Untersuchungshaft, Mangel an Unabhängigkeit der Gerichte unterer Instanzen, häufige Verletzung der privaten Bürgerrechte, Angriffe und Schikanen von Medienvertretern, Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit von Minderheiten, sowie verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, unter anderem Ehrverbrechen und Diskriminierung. Wegen fehlender Rechenschaftspflicht der Regierung blieben Vergehen oft ungeahndet, was zu einer Kultur der Straflosigkeit der Täter führt, staatlich oder nicht-staatlich. Die Behörden bestrafen Beamte nur selten für Verstöße gegen die Menschenrechte (USDOS 20.4.2018; vergleiche HRW 10.1.2017).

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führte zum Verschwinden zahlreicher Männer und männlicher Jugendlicher, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh, und war dabei teilweise sogar durch das Antiterrorgesetz und andere Regelungen gedeckt. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen. Anordnungen des Obersten Gerichtshofs, die Verantwortlichen aus den Reihen der Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen, blieben folgenlos. Nur äußerst selten tauchten Aktivisten, die verschwunden waren, lebend wieder auf (AI 25.2.2015). 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016).

Gemäß der Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIED) wurden im Zeitraum 2011 bis 30.4.2018 4.929 Fälle zur Kenntnis gebracht und davon 3.269 Fälle abgeschlossen; 1.822 Fälle sind noch offen (DPG 7.5.2018). Stand 30.12.2017 waren 4.608 Fälle angezeigt, davon 3.076 abgeschlossen und 1.532 offen (HRCP 4.2018; vergleiche USDOS 20.4.2018), davon 867 aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (HRCP 4.2018). HRCP berichtet über 728 Personen, die 2016 als vermisst gemeldet wurden, die höchste Zahl seit mindestens sechs Jahren (HRCP 5.2017). Im Jahr 2017 gingen 868 neue Fälle vermisster Personen ein, während im selben Jahr 555 Fälle abgeschlossen wurden (HRCP 4.2018).

Gesetzesvollzugsorgane und Sicherheitsbehörden werden beim Verüben von Menschenrechtsverletzungen wegen ihres großen politischen Einflusses nicht zur Verantwortung gezogen, vor allem in Fragen der nationalen Sicherheit und der Terrorabwehr. Im März 2017 wurde vom Parlament ein Verfassungszusatz beschlossen, wonach geheime Militärgerichte zur Verhandlung gegen Terrorismusverdächtige für weitere zwei Jahre zugelassen sind (HRW 18.1.2018).

Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form der sogenannten "police encounters" vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Aufständischen oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten, oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Laut der NGO "Human Rights Commission of Pakistan" kamen 2016 landesweit hunderte Personen bei "police encounters" ums Leben. Demnach sprach die Polizei im Punjab von 340 Getöteten bei "encounters", die Polizei im Sindh zählte 248 Tote. Für die anderen Provinzen und territorialen Einheiten lagen die Zahlen bei 229 (Belutschistan), 315 (FATA - Federally Administered Tribal Areas), 40 (Khyber Pakhtunkhwa) und vier (Gilgit-Baltistan) Getöteten. In der Regel werden diese Fälle nicht gerichtlich untersucht. Die Familien der Opfer, die meist den ärmeren Bevölkerungsschichten angehören, wagen entweder nicht, die Version der Polizei in Frage zu stellen, oder haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, gerichtlich gegen die Beamten vorzugehen (AA 20.10.2017).

In zahlreichen Fällen bleiben Strafgefangene über viele Jahre hinweg widerrechtlich inhaftiert, obwohl ihre Haftstrafe bereits verbüßt ist. Ein häufiger Grund ist, dass die Strafgefangenen oder ihre Familienangehörigen nicht die notwendigen Mittel aufbringen können, die gleichzeitig mit der Haftstrafe verhängte Geldbuße nach Ablauf der Haftzeit zu begleichen. Ein anderer Grund ist, dass Gerichtsurteile nicht konsequent umgesetzt werden. Andere Personen werden, ohne dass gegen sie eine Haftstrafe verhängt wurde, nur deshalb in Haft genommen, weil sie nicht in der Lage sind, gegen sie verhängte Bußgelder zu begleichen (AA 20.10.2017).

Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemiefälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 20.10.2017).

Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem Ehrverbrechen und Polizeigewalt ab. Das Gesetz zur nationalen Menschenrechtskommission von 2012 sah Einrichtung eines unabhängigen Komitees, der nationalen Kommission für Menschenrechte, vor. Dieses wurde von der Regierung 2015 eingerichtet. Im November 2015 wurde ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte wieder eingerichtet (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/297390/444645_de.html, Zugriff 19.4.2018

* DPG - Daily Pakistan Global (7.5.2018): 3,269 missing persons cases disposed off, confirms commission on enforced disappearances, https://en.dailypakistan.com.pk/headline/3269-missing-persons-cases-disposed-off-confirms-commission-on-enforced-disappearances/, Zugriff 8.5.2018

* HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/Highlights.pdf, Zugriff 22.3.2018

* HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2018

* HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

* HRW - Human Rights Watch (10.1.2017): Pakistan: Bloggers Feared Abducted - Government Needs to Investigate, Protect Journalists and Activists, http://www.ecoi.net/local_link/334582/476326_de.html, Zugriff 19.4.2018

* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Pakistan, https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/pakistan, Zugriff 15.3.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

15. Meinungs- und Pressefreiheit

Artikel 19, der Verfassung garantiert die Meinungs- und Pressefreiheit. Diese kann jedoch eingeschränkt werden zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam (AA 20.10.2017; vergleiche USDOS 20.4.2018). Die zahlreichen Medien können grundsätzlich weitgehend frei berichten (AA 20.10.2017). Private und öffentliche Kritik an der Regierung ist erlaubt, die Presse berichtet über Verfolgungen von Minderheiten (USDOS 20.4.2018).

Grundsätzlich besteht in Pakistan eine große Medienvielfalt und die Meinungsfreiheit ist verhältnismäßig gut ausgeprägt (ÖB 10.2017). Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch (AA 20.10.2017) und unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an unterschiedlichen Ansichten Ausdruck (USDOS 20.4.2018). Pakistan verfügt über 160 Radiostationen und über 200 Tageszeitungen (FH 27.1.2016); 455 unabhängige englisch-, urdu- und regionalsprachigen Zeitungen und Magazinen (USDOS 20.4.2018). In den letzten eineinhalb Jahrzehnten haben sich etwa neunzig private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue Online-Magazine und neue Radiostationen (AA 20.10.2017).

In den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) gibt es trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mehrere Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern (AA 20.10.2017). Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und des Ministeriums für Kaschmir-Angelegenheiten (USDOS 20.4.2018).

Laut Gesetz darf die Regierung Informationen einschränken, die nationalen Interessen entgegenstehen (USDOS 20.4.2018). Journalisten berichten in Einzelfällen, im Zuge von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern, über Repressionen durch Regierungsstellen (AA 20.10.2017). Kritik am Militär kann zu politischen oder wirtschaftlichen Repressalien seitens der Regierungsbehörden führen (USDOS 20.4.2018; vergleiche AA 20.10.2017). Kritik an der Institution des Militärs, an den Sicherheitsdiensten oder am Blasphemiegesetz kann - wenn überhaupt - nur vorsichtig geäußert werden (AA 20.10.2017), die geltenden Blasphemiegesetze schränken die Rechte des einzelnen auf freie Meinungsäußerung zu Fragen betreffend Religion und religiöse Lehre ein (USDOS 20.4.2018). Zuletzt war eine drohende Verschlechterung der Meinungsfreiheit - auch über klassische Tabuthemen wie Belutschistan (separatistische Aufstände, extralegale Tötungen, Verschwindenlassen) hinaus - zu beobachten (ÖB 10.2017).

Es gibt Fälle von Gewalt und Einschüchterungen, die sowohl von staatlichen Stellen wie auch Extremistengruppen gezielt gegen Medienvertreter gerichtet sind (FH 1.2017). Mutmaßliche Fälle von Verschwindenlassen betreffen auch Aktivisten in sozialen Medien und Journalisten (USDOS 20.4.2018). Die Täter solcher Verbrechen bleiben straffrei (FH 1.2017; vergleiche PIPS 1.2018 S 207). Seit Jänner 2002 wurden nur drei von über hundert Mordfällen, die an Journalisten in Zusammenhang mit ihrer Arbeit begangen wurden, aufgeklärt (PIPS 1.2018 S 207). Pressevertreter klagen oft über ungenügenden staatlichen Schutz vor Drohungen extremistischer Gruppen - dies sei de facto eine Einschränkung der Pressefreiheit (AA 20.10.2017).

Für das Jahr 2017 gibt die International Federation of Journalists (IFJ) vier getötete Personen [vgl. PIPS 1.2018 S 207: drei getötete Journalisten und ein Medienarbeiter] und für das Jahr 2018 (Stand März) eine getötete Person aus dem Bereich Journalismus und Medienarbeit in Pakistan an (IFJ o.D.). Im Jahr 2016 wurden laut Committee to Protect Journalists (CPJ) zwei Journalisten (FH 1.2017), laut IFJ mindestens fünf Personen aus dem Bereich Journalismus und Medienarbeit in Pakistan getötet (IFJ o.D.); nach Angaben der Human Rights Commission of Pakistan wurden 2016 sechs Journalisten und ein Blogger getötet (HRCP 5.2017; vergleiche AA 20.10.2017). Im Jahr 2016 gab es einen Anstieg von Angriffen auf Medienverlage, Fernsehstationen, Zeitungsredaktionen und Presseclubs durch aufständische, religiöse oder politische Gruppierungen (HRCP 5.2017).

Erhebliche Gefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht vor allem von nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppierungen aus. Diese setzen Morde, Entführungen und Einschüchterungen, auch gegenüber Familienangehörigen, dazu ein, missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen (AA 20.10.2017). Bedrohte Journalisten haben meist über bewaffnete Konflikte, Politik, Korruption und Menschenrechte berichtet. Journalisten wurden nicht nur in abgelegenen Gebieten oder in Konfliktgebieten bedroht oder angegriffen, sondern auch in den Großstädten. Die Ausübung des Journalistenberufes ist in bestimmten Gebieten risikoreicher, insbesondere die [ehem.] FATA und Balutschistan bleiben problematisch. Die Hauptgründe für Sicherheitsrisiken für Journalisten in den [ehem.] FATA ist der schwierige Zugang sowohl zum Gebiet, wie auch zu Information. In Balutschistan kam zusätzlich zu den Problemen der Sicherheitslage auch die Verteilung der Information dazu. Im Oktober 2017 unterbanden Aufständische mehrere Wochen lang die Auslieferung von Zeitungen, um eine Berichterstattung über ihre Sicht zu erzwingen. Im Zuge dessen wurden der Hub Press Club und ein Zeitungsstand mit Granaten angegriffen und mehrere Zeitungslieferwägen in Brand gesteckt (PIPS 1.2018 S 208).

Reporter ohne Grenzen (RSF) listete Pakistan im Jahr 2017 im World Press Freedom Index auf Platz 139 unter weltweit 180 Ländern. Im Jahr 2016 belegte das Land den 147. [und 2015 den 159. Rang; vergleiche RSF 2015]. Zur Lage der Journalisten im Land stellt RSF fest: "Die pakistanischen Medien gelten als die freiesten in ganz Asien, dennoch stehen Journalisten im Fokus von extremistischen Gruppen, islamistischen Organisationen und der Nachrichtendienste des Landes. Obwohl sich diese in einer stetigen Auseinandersetzung miteinander befinden, sind sie immer bereit, Handlungen von den Medien als ‚Sakrileg' zu verurteilen. Zwangsläufig ist so eine Selbstzensur in den Nachrichten-Organisationen weit verbreitet." (RSF 2017)

Im Kontext des verschärften Kampfs gegen Terrorismus und Extremismus seit Anfang 2015 wurde der Freiraum der Medien eingeschränkt (AA 20.10.2017). Ein Beispiel dafür ist das im August 2016 verabschiedete Gesetz "Prevention of Electronic Cybercrimes Act" (PECA), das nach Einschätzungen seiner Kritiker zu einer teilweise erheblichen Einschränkung der Meinungsfreiheit in den elektronischen Medien führen könnte (AA 20.10.2017; vergleiche HRCP 5.2017). Das Gesetz erlaubt den Behörden, die Kommunikation der Bevölkerung zu überwachen, darunter auch Journalisten, politische Aktivisten und Bürgerrechtsaktivisten (HRCP 5.2017).

Seit Anfang des Jahres 2017 gibt es im politischen und parlamentarischen Raum eine grundsätzliche Diskussion, wie mit angeblichen oder realen Verstößen gegen das bestehende pakistanische Blasphemiegesetz in den sozialen Medien in Pakistan umgegangen werden soll. Der Islamabad High Court forderte die Regierung im März 2017 auf, alle blasphemischen Inhalte in den sozialen Medien zu entfernen und zu untersuchen, wer hinter deren Verbreitung steht. Anfang 2017 waren für mehrere Wochen in Pakistan fünf Blogger spurlos verschwunden, denen u.a. vorgeworfen wurde, gegen das Blasphemiegesetz verstoßen zu haben. Im April 2017 meldete die Regierung, dass wegen angeblicher Verstöße gegen das Blasphemiegesetz inzwischen 152 Facebook-Seiten geblockt worden seien (AA 20.10.2017).

Da Pakistan weder über die Rechte noch die Mittel verfügt, Inhalte, die auf ausländischen Internetplattformen veröffentlicht wurden, zu blockieren oder zu löschen, tendiert die Regierung dazu, einfach ganze Webseiten zu schließen. Diese bleiben jedoch in der Regel über Proxies oder VPN zugänglich (HRCP 4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016, Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/327647/454713_en.html , Zugriff 20.4.2018

* FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017, Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/pakistan, Zugriff 19.4.2018

* HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2018

* HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

* IFJ - The International Federation of Journalists (o.D.): Pakistan Journalists & media staff killed list 2016, http://ifj-safety.org/en, Zugriff 20.4.2018

* ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad(10.2017): Asylländerbericht - Pakistan 2017.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* RSF - Reporters sans frontières (2015): 2015 World Press Freedom Index, https://rsf.org/en/ranking/2015, Zugriff 20.4.2018

* RSF -Reporters sans frontières (2017): Pakistan: Religious extremists and intelligence agencies, https://rsf.org/en/pakistan, Zugriff 20.4.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

16. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, werden aber eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Versammlungsfreiheit kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten (AA 20.10.2017). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 20.4.2018). Selten werden willkürliche Versammlungsverbote nach Abschnitt 144 des Strafgesetzbuches angeordnet, wenn die Behörden eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung sehen. Bei Protesten gegen die Regierung im Oktober 2016 in Islamabad und Rawalpindi wurden hunderte Personen nach Abschnitt 144 verhaftet (FH 1.2017). Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 20.10.2017).

Pakistan hat eine blühende und kompetitive Mehrparteienlandschaft. Oppositionsparteien sind generell frei in ihrer Arbeit sowohl innerhalb als auch außerhalb der Repräsentantenhäuser (FH 1.2017). Politische Auseinandersetzungen werden, vor allem in Karatschi, zum Teil mit Gewalt ausgetragen. Dies betrifft vor allem die radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien in Karatschi, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (PIPS 1.2017).

Die Übergangsverfassung von Azad Jammu und Kaschmir (AJK) verbietet Aktivitäten, die nachteilig für den Beitritt von Azad Jammu und Kaschmir zu Pakistan sind. Ähnliche Regelungen sind in Gilgit Baltistan in Kraft. In AJK werden politische Aktivisten, die verdächtigt werden, sich den pakistanischen Gesetzen zu widersetzen, sowie Oppositionelle überwacht und sind Belästigung und manchmal auch Haft ausgesetzt. In AJK wird vor allem im Zusammenhang mit Anhängern der Unabhängigkeitsbewegungen und anderen Aktivisten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Tod während der Haft durch die Sicherheitskräfte berichtet (FH 4.12.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* FH - Freedom House (4.12.2016): Freedom in the World 2016, Pakistani Kashmir, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/pakistani-kashmir, Zugriff 19.4.2018

* FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017, Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/pakistan, Zugriff 19.4.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

17. Haftbedingungen

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Gewöhnlich initiiert eine dritte Person den FIR. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einem Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Diese Einschränkung wird nicht immer eingehalten. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld. Des Weiteren gibt es Berichte über Verhaftungen von Personen ohne gerichtliche Genehmigung (USDOS 20.4.2018).

Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind sehr schlecht. Nach Feststellung von UNODC und HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode verurteilte Strafgefangene. Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse in Punjab (AA 20.10.2017), wobei Stand 2016 in der Provinz sieben neue Distriktgefängnisse und ein Hochsicherheitsgefängnis in Bau waren (HRCP 5.2017) und für 2017 der Bau weiterer drei Gefängnisse angekündigt wurde (HRCP 4.2018).

HRCP berichtet, dass mit Stand Jahresende 2017 landesweit ca. 82.000 Personen in Haft waren, während die Kapazität der Haftanstalten landesweit auf ca. 56.000 ausgelegt ist. Die Überbelegung war in Punjab am gravierendsten. 2017 lag die Kapazität der 40 Haftanstalten in Punjab bei ca. 32.000 bei einer Belegung von ca. 50.000 Personen (HRCP 4.2018). Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung, das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen, doch war eine deutliche Verbesserung der Lage auch 2015 noch nicht festzustellen (AA 30.5.2016). Ungefähr 70 % [vgl. HRCP 5.2017: fast zwei Drittel; vergleiche HRCP 4.2018: ca. 53.000 von 82.000] der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge, nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß (AA 20.10.2017).

Die Bedingungen in Gefängnissen und Haftanstalten sind großteils schlecht. Obwohl sich die qualitative und quantitative Ernährungssituation verbessert hat, führt unzureichende medizinische Versorgung und unzureichende Nahrungsversorgung in den Gefängnissen zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage sind, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang inadäquat. Die meisten Haftanstalten sind veraltet. Zwar besteht ein System für eine allgemeine medizinische Versorgung und einer Grundversorgung für Notfälle, doch verlangsamen bürokratische Verfahren den Zugang zu diesen Einrichtungen (USDOS 20.4.2018).

Die Menschenrechtskommission von Pakistan (HRCP) erklärte in ihrem Jahresbericht von 2017 auf Grundlage von Medienbeobachtung, dass es in diesem Jahr in pakistanischen Gefängnissen zu 47 Fällen von Gewalt oder Folter kam, bei denen 32 Männer gestorben sind (HRCP 4.2018).

Es gibt besondere Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt (AA 20.10.2017). Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich laut "Human Rights Commission of Pakistan" Stand 30.11.2017 auf 1442 (2016: 1.497) bei 81.509 (2016: 82.818) männlichen Strafgefangenen (HRCP 4.2018; Werte für 2016: HRCP 5.2017). Weibliche Gefangene sind Belästigungen, unzureichenden hygienischen Bedingungen und Mangel an medizinischer Versorgung unterworfen (AA 20.10.2017). Die Zahl sexueller Übergriffe an weiblichen Häftlingen ist 2016 zurückgegangen. Während jedes Gefängnis einen Dienstposten für eine weibliche Ärztin oder Pflegerin vorsieht, war dieser in einem Großteil der Gefängnisse vakant. Die meisten Gefängnisse haben separierte Frauensektionen, in manchen Fällen sind diese jedoch in unmittelbarer Nähe der Sektionen für Männer (HRCP 5.2017); beispielsweise im Haripur Central Jail in Khyber Pakhtunkhwa. Dies stellt für die weiblichen Gefangenen eine Gefährdung durch sexuelle Gewalt durch ihre männlichen Mitgefangenen - etwa bei Gefängnisunruhen - dar (Dawn 27.2.2016). Laut eines Berichtes des Innenministeriums von Oktober 2016 waren von 939 Frauen, die zum Untersuchungszeitpunkt in der Provinz Punjab inhaftiert waren, 110 gemeinsam mit ihren Kindern inhaftiert (HRCP 5.2017), für die Provinz Sindh wurden im Jahr 2017 40 Babys angegeben, die gemeinsam mit ihren Müttern in Haft waren (HRCP 4.2018).

Jugendgefängnisse existieren nicht. Der Jugendstrafvollzug erfüllt nicht die sowohl nach pakistanischem Recht (Juvenile Justice System Ordinance 2000, JJSO) als auch durch die VN-Konvention über die Rechte des Kindes vorgegebenen Mindestanforderungen. Der letzte festgestellte Anteil jugendlicher Strafgefangener zum Stichtag 1.12.2012 betrug 1,7 %. Bürokratische Hindernisse, Korruption auf verschiedenen Ebenen und die Ineffizienz des überlasteten Justizsystems führen auch im Jugendstrafvollzug dazu, dass viele Gefangene eine längere Zeit in Untersuchungshaft verbringen als sie laut Gesetz als Höchststrafe für ihr Vergehen erhalten könnten. Auch nach Ablauf der Strafhaft kommt es bis zur Freilassung z.T. zu langen Verzögerungen (AA 20.10.2017). Jugendliche Straftäter sind oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen. Die Trennung ist jedoch nicht strikt, und jugendliche Häftlinge werden oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung (USDOS 20.4.2018).

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einen in jeder Provinz. Inspektoren besuchen die Gefängnisse und Haftanstalten unregelmäßig. Behörden verweigern internationalen Organisationen den Zugang zu Gefängnissen in den Gebieten Khyber Pakhtunkhwa, [ehem.] FATA und Belutschistan. Die Provinzregierungen von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben einigen internationalen Organisationen unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen. Vertreter der Organisationen berichten, dass die Kontrollbesuche jedes Jahr weiter erschwert werden. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 20.4.2018).

Bei einem Besuch in einem Gefängnis durch Mitglieder des Beirats des föderalen Ombudsmannes im Juli 2015, wurde der Fokus besonders auf Frauen und Kinder gerichtet. Demnach beschwerten sich weibliche Gefangene darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei, Kinderbetten zu verwenden. Gegenwärtig gäbe es keine Vorkehrungen, um den Gefangenen eine Berufsausbildung zu bieten. Durch den Ombudsmann wird eine Trennung der Belegschaft der Haftanstalt nach dem Schweregrad des Verbrechens gefordert (Dawn 27.2.2016).

Als Verbesserungen gibt USDOS an, dass 2017 die Infrastruktur und die Regeln in bestehenden Haftanstalten verbessert wurde und neue Gefängnisse errichtet wurden. Dadurch können Untersuchungshäftlinge vermehrt von verurteilten Straftätern getrennt untergebracht werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* Dawn (27.2.2016): Women prisoners in Haripur vulnerable to assault, http://www.dawn.com/news/1242243, Zugriff 20.4.2018

* HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2018

* HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

* UKHO - Country Information and Guidance (9.6.2016): Pakistan: Prison conditions, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/566233/PAK_Prison_conditions.pdf, Zugriff 20.4.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

18. Todesstrafe

Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion des Terrorangriffs auf die vom Militär geführte Schule in Peshwar [Anm.: der Angriff erfolgte im Dezember 2014] eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten künftig erlaubt, unter Terrorverdacht stehenden Zivilisten den Prozess zu machen. Die Maßnahme wäre im Jänner 2017 ausgelaufen, wurde aber durch die Regierung bis Jänner 2019 verlängert (USDOS 20.4.2018). Das 2008 eingeführte Moratorium auf die Vollstreckung der Todesstrafe wurde am 17.12.2014 aufgehoben (AA 20.10.2017), zunächst für terroristische Straftaten, später auch für andere Kapitalverbrechen ohne terroristischen Bezug (ÖB 10.2017).

Bei Verwirklichung von 27 [vgl. ÖB 10.2017: 31] verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden. Der unter Todesstrafe gestellte Tatbestandskatalog geht weit über den nach dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus, den Pakistan ebenfalls ratifiziert hat. Es besteht die Gefahr, dass Personen wegen eines Tatbestandes, der gemäß dieses Paktes von der Verhängung der Todesstrafe ausgenommen ist, dennoch zum Tode verurteilt und auch hingerichtet werden (AA 20.10.2017).

Die Todesstrafe kann u.A. bei folgenden Delikten verhängt werden: Mord; Raub mit Todesfolge; gerichtliche Falschaussage mit dem Ziel, dass eine unschuldige Person zum Tode verurteilt wird; Terrorismus mit Todesfolge; Vergewaltigung und Gruppenvergewaltigung; Haraabah [Straßenraub]; Eisenbahnsabotage; Störung der religiösen Harmonie; Entkleiden einer Frau; Entführung von Minderjährigen oder Entführung mit dem Ziel sexueller Ausbeutung oder Lösegeldforderungen; Import, Export, Schmuggel, Produktion von Drogen; sexueller Kontakt außerhalb einer Ehe; Hochverrat; kriegerische Handlungen gegen Pakistan; Meuterei oder Befehlsverweigerung; unbefugte Weitergabe oder Nutzung militärischer Passwörter; Waffenhandel; Blasphemie (HRCP o.D.).

Als besondere Problematik sind die als rechtliche Handhabe zur Unterdrückung religiöser Minderheiten dienenden Blasphemiegesetze anzuführen, die Herabwürdigungen des Propheten mit der Todesstrafe bedrohen. Diese wurde bisher allerdings in diesem Zusammenhang noch nie vollzogen [siehe auch Abschnitt 16. Religionsfreiheit] (ÖB 10.2017).

Die Analyse einer Reihe von Fällen zeigt, dass auch in Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wird, immer wieder schwere Rechtsfehler passieren und die Verfahrensrechte der Angeklagten schwer missachtet werden. Urteile werden mitunter ausschließlich aufgrund der Geständnisse der Angeklagten verhängt, wobei davon auszugehen ist, dass Geständnisse immer wieder durch Folter oder Misshandlung im Polizeigewahrsam erzwungen werden. In vielen Fällen beruhen die Todesurteile auf rechtsstaatlich sehr zweifelhaften Verfahren, in mehreren Fällen besteht Grund zur Annahme, dass die hingerichtete Person zum Tatzeitpunkt minderjährig war (AA 20.10.2017). Seit der Aufhebung des Moratoriums seit Dezember 2014 wurden bis Dezember 2016 mindestens sechs Jugendliche hingerichtet (Dawn 22.12.2016).

Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen (AA 30.5.2016). Der Präsident hat die Ermächtigung unter Artikel 45 der Verfassung, zum Tode Verurteilte zu begnadigen (Dawn 12.4.2018). Gnadengesuche werden Berichten zufolge generell ohne Einzelfallprüfung abgelehnt (ÖB 10.2017; vergleiche Dawn 12.4.2018). Von Dezember 2014 bis Apil 2018 wurden im Zusammenhang mit Todesurteilen 513 Gesuche zum Zwecke einer Begnadigung von Gefangenen abgelehnt, davon wurden 444 innerhalb der ersten 15 Monate seit der Wiedereinführung der Todesstrafe gestellt (Dawn 12.4.2018).

Seit der Aufhebung des Moratoriums wurden in Pakistan, bis Jahresende 2017, 489 Personen hingerichtet (HRCP 4.2018; vergleiche ÖB 10.2017: 432 mit Stand Oktober); 94% davon wegen nicht-terroristischer Verbrechen (ÖB 10.2017). Amnesty International zählte 2017 mindestens 60 (AI 12.4.2018), HRCP mindestens 64 Hinrichtungen, von denen 43 nach Verurteilungen durch Militärgerichte vollstreckt wurden (HRCP 4.2018). Für das Jahr 2016 gab AI mindestens 87 (AI 11.4.2017) und für 2015 insgesamt 326 Hinrichtungen an (AI 6.4.2016).

Die Gesamtzahl der Insassen im Todestrakt pakistanischer Gefängnisse beträgt ca. 8.200 - eine der größten Zahlen an Menschen "on death row" weltweit (HRCP 4.2018; vergleiche auch AI 23.2.2016). 2017 wurden 253 Personen zum Tode verurteilt, davon wurden 177 Urteile von normalen Strafgerichten verhängt (HRCP 4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AI - Amnesty International (6.4.2016): Death Sentences and Executions 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1466066825_act5034872016english.pdf, Zugriff 23.4.2018

* AI - Amnesty International (11.4.2017): Death Sentences and Executions 2016, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397709/1226_1491901514_act5057402017english.pdf, Zugriff 23.4.2018

* AI - Amnesty International (12.4.2018): Report on death sentences and executions in the year 2017 worldwide, https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5079552018ENGLISH.PDF, Zugriff 23.4.2018

* Dawn (12.4.2018): President rejected 513 mercy petitions in five years, https://www.dawn.com/news/1401046, Zugriff 23.4.2018

* Dawn (22.12.2015): Reviewing the death penalty, http://www.dawn.com/news/1303817/reviewing-the-death-penalty, Zugriff 23.4.2018

* HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

* HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (o.D.): Death penalty offences, http://hrcp-web.org/hrcpweb/death-penalty-offences/, Zugriff 23.4.2018

* ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad (10.2017): Asylländerbericht - Pakistan 2017

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

19. Religionsfreiheit

Laut Volkszählung 2017 sind 96,28 % der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans muslimisch [vgl. CIA 14.3.2018: 96,4 %; USDOS 15.8.2017: 95 %], 1,59 % Christen, 1,6 % Hindus, 0,22 % Ahmadi, 0,25 % gelistete Kasten ("scheduled castes") und 0,07 % gehören einer anderen Religion an (PBS 2017b). CIA World Factbook gibt an, dass von den Muslimen ca. 85-90 % Sunniten und 10-15 % Schiiten sind (CIA 14.3.2018) und USDOS geht anhand der Volkszählung 1998 davon aus, dass 75 % der muslimischen Bevölkerung offiziell als Sunniten und 25 % als Schiiten geführt werden. Weitere Religionsgemeinschaften sind Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und kleinere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen Minderheiten auf 6-10 Millionen Anhänger (USDOS 15.8.2017).

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973, 2016; vergleiche USDOS 15.8.2017). Die Verfassung verbietet Diskriminierung in religiösen Bereichen (USDOS 15.8.2017). Die Praktiken der Regierung und einige Gesetze schränken für religiöse Minderheiten die Religionsfreiheit ein (USDOS 20.4.2018). Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent war und dass die Maßnahmen der Regierung zur Unterbindung von Zwangskonvertierungen religiöser Minderheiten zum Islam unzureichend seien. Vertreter religiöser Minderheiten erklären, dass das neue Gesetz der Provinzversammlung von Sindh gegen Zwangskonvertierungen, das im November 2016 beschlossen wurde, Zwangskonvertierungen unterbindet und Minderjährige, die religiösen Minderheiten angehören, besser schützen könne. (USDOS 15.8.2017).

Die Lage der religiösen Minderheiten - vor allem Christen und Hindus - sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat nicht als Muslime anerkannt werden, ist weiterhin schwierig. Viele leben in Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten aus (AA 10.2017a). Religiöse Minderheiten sowie sunnitische Muslime und Sufis, die sich gegen die Terrorgruppen oder deren Ansichten stellen, stehen neben Sicherheitskräften besonders im Fokus terroristischer Gruppen, insbesondere der pakistanischen Taliban und der Lashkar-e-Jhangvi. 2016 waren die Minderheiten von zahlreichen Anschlägen mit Todesopfern betroffen (USCIRF 4.2017). Gezielte Tötungen von Minderheitenangehörigen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben, oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 9.2015).

Im Jahr 2017 wurden in Pakistan 16 Fälle von Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichtet, was im Vergleich zum Jahr 2016 (35 Fälle) ein Rückgang um mehr als die Hälfte ist. 231 Personen kamen bei diesen Angriffen im Jahr 2017 ums Leben, dies ist ein Anstieg im Vergleich zum Jahr 2016 (137 Tote) um fast 70 %. (SATP 18.2.2018). Laut PIPS wurden im Jahr 2017 bei sechs Terroranschlägen insgesamt 13 Angehörige von religiösen Minderheiten getötet und 57 verletzt (PIPS 1.2018 S 68), im Jahr 2016 wurden bei fünf Terroranschlägen insgesamt 82 Angehörige von Minderheiten getötet und 236 verletzt (PIPS 1.2017). [Anmerkung: Diese Zahlen beziehen sich in beiden Quellen auf nicht-muslimische Minderheiten und Ahmadis.]

Besonderes Angriffsziel radikal-sunnitischer Gruppen waren in den vergangenen Jahren die schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan. Die christliche Gemeinschaft ist von sozialer und gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen und immer wieder Opfer von Anschlägen (AA 10.2017a). Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei unterbunden werden können (USDOS 15.8.2017). NGOs kritisieren die Behörden, dass die Polizei Angriffe auf Mitglieder der religiösen Minderheiten nicht erfolgreich verhindert bzw. erfolglos bei der Verhaftung der Täter ist. Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten (USDOS 20.4.2018).

Die umstrittene Blasphemiegesetzgebung, die ursprünglich unter der britischen Kolonialherrschaft zum Schutz der Religionsfreiheit eingeführt wurde, aber seit der Regierungszeit von General Zia-ul Haq in den 1980er-Jahren strenger ausgelegt wird, sieht u.a. für Gotteslästerung die Todesstrafe vor. Außerdem richten sich einige ihrer Paragrafen spezifisch gegen die Ahmadis (AA 10.2017a). Vertreter der Ahmadis sind besorgt über das Vorgehen der Behörden gegen Ahmadis aufgrund der Blasphemie- und anderer widersprüchlicher, diskriminierender Gesetze (USDOS 15.8.2017). Auch die Gerichte versagen oft beim Schutz der Minderheitenrechte. Die Blasphemiegesetze werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis, Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten angewendet (USDOS 20.4.2018). Rechtsbeobachter meinen allerdings auch, dass die Behörden einige Schritte unternommen hätten, um einige Personen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, jedoch halten die unteren Gerichte grundlegende Beweismittelstandards in Blasphemieklagen nicht ein (USDOS 15.8.2017).

Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Es wurde gesetzlich vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden oder direkt bei der Regierung registrieren lassen und ihre Finanzierung nachweisen müssen. Anführer der Zivilgesellschaft sagen, dass die Lehre religiöser Intoleranz weiterhin weit verbreitet ist. Obwohl mehrere Gruppen Empfehlungen zur Abschaffung diskriminierender Inhalte abgaben, zeigt die Bundesregierung keine Initiative, diese zu unterstützen. Es gab Berichte, dass einzelne Madrassen Gewalt oder Extremismus lehren (USDOS 15.8.2017). Bei der FFM 2013 führte ein Minderheitenvertreter aus, es gäbe eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessenvertretungen, die sich einen ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten (BAA 6.2013). Der nationale Aktionsplan gegen Terror sieht auch explizit die Bekämpfung von Hassreden vor und einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die Bewegungs- und Redefreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird, religiösen Hass zu verbreiten (USDOS 15.8.2017).

Im Juni 2014 hat der Oberste Gerichtshof ein wichtiges Urteil als Reaktion auf den Anschlag auf die Allerheiligenkirche in der pakistanischen Großstadt Peschawar gefällt. Dieses Urteil forderte nicht nur von der Regierung, die Opfer des Anschlags zu entschädigen, sondern ordnete auch an, dass die Bundes- und Provinzregierungen Institutionen schaffen müssen, um die Durchsetzung von Gesetzen zum Schutz der Minderheiten zu überwachen, und dass ein Nationalrat für Minderheiten gegründet werden muss. Als Antwort auf die zunehmende Gewalt gegen Hindus im Sindh fördert die Provinzregierung die Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten. Der Fortschritt ist allerdings langsam und eine effektive Reaktion fehlt (MRGI 2.7.2015).

Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden. Es gibt keine offiziellen Einschränkungen zur Errichtung von Glaubensstätten der Ahmadis, jedoch verweigern lokale Behörden regelmäßig notwendige Baubewilligungen und Ahmadis dürfen ihre Gebetsstätten nicht als "Moschee" bezeichnen. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 15.8.2017).

Die meisten Minderheitengruppen berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der Regierung und bei der Aufnahme an Hochschulen. Im staatlichen Bereich gilt auf nationaler Ebene eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht durchgesetzt (USDOS 15.8.2017). Vertreter religiöser Minderheiten berichten von einer "Gläsernen Decke", die verhindert, dass Nicht-Muslime in höhere Positionen im öffentlichen Dienst befördert würden. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hinderungsgründe, jedoch würden Angehörige von religiösen Minderheiten nur selten in Dienstgrade höher als Colonel [Oberst] aufsteigen (USDOS 15.8.2017). Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung. Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigten alle Interviewpartner bei der FFM 2013. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Das Land hat außerdem auch positive Veränderungen im Bereich religiöse Toleranz gesehen. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen finden Minderheitenangelegenheiten Gehör (BAA 6.2013).

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten und interkonfessionelle Harmonie organisiert die Teilnahme an der Hajj und anderen islamischen Pilgerfahrten. Das Budget des Ministeriums deckt auch finanzielle Hilfen für autochthone Minderheiten ab; darunter die Renovierung von Glaubensstätten, kleine Entwicklungsprojekte, Stipendien und die Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 15.8.2017). Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 20.10.2017).

Im Februar 2016 wurde von der Regierung ein Menschenrechts-Aktionsplan mit 16 Punkten mit Rahmenbedingungen für verbesserten Schutz u.A. von Minderheiten angekündigt, jedoch gab es im Frühjahr noch keine konkreten Hinweise auf eine Umsetzung. Im Februar 2017 wurde vom Parlament ein Zusatz zum Strafrecht beschlossen, der die Verbreitung von religiösem, sektiererischen oder ethnischen Hass mittels technischer Hilfsmittel strafbar macht. Jedoch befürchten religiöse Minderheitengemeinschaften, dass dieses Gesetz auch angewendet werden könnte, die Religionsausübung einzuschränken und die Zahl der Verhaftungen und falschen Anschuldigungen wegen Blasphemie zu erhöhen (USCIRF 4.2017).

Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige der religiösen Minderheiten reserviert. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen; drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. Die gewählten Parteien und nicht die Minderheitenversammlungen bestimmen die Minderheitenvertreter (USDOS 15.8.2017). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

* BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.bfa.bmi.intra.gv.at/board/staatendokumentation/Freigegebene%20Dokumente/Pakistan/FFM-Berichte/PAKI_FFM%20Report_2015_09.pdf, Zugriff 17.11.2016

* CIA - Central Intelligence Agency (14.3.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.3.2018

* MRGI - Minority Rights Group International (2.7.2015): State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2015 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/55a4fa494.html, Zugriff 15.3.2018

* Pakistan Constitution (1973, amend. 2016): Constitution of the Islamic Republic of Pakistan (1973) As Amended by The Constitution Twenty Second Amendment Act, 2016 Article: 227 Provisions relating to the Holy Quran and Sunnah, https://pakistanconstitutionlaw.com/article-227-provisions-relating-to-the-holy-quran-and-sunnah/, Zugriff 14.3.2018

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017b): POPULATION BY RELIGION, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files//tables/POPULATION%20BY%20RELIGION.pdf, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* SATP - South Asian Terrorism Portal (18.2.2018): Sectarian Violence in Pakistan: 1989-2018, http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/database/sect-killing.htm, Zugriff 14.3.2018

* USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2017): 2017 Annual Report, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/2017.USCIRFAnnualReport.pdf, Zugriff 14.3.2018

* USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 International Religious Freedom Report - Pakistan, 2016 Report on International Religious Freedom - Pakistan, Zugriff 13.3.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

20. Ethnische Minderheiten

Pakistan ist ein multiethnischer und multireligiöser Staat (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Laut Volkszählung 2017 leben in Pakistan ca. 207 Millionen Menschen (PBS 2017a). Laut CIA World Factbook ist die ethnische Zusammensetzung: Punjabi 44,7 %, Paschtunen 15,4 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 8,4 %, Muhajirs 7,6 %, Belutschen 3,6 %, andere ethnische Gruppen 6,3 % (CIA 23.2.2018).

Laut Volkszählung 2017 ist die Bevölkerungsverteilung nach Muttersprache: Punjabi 44,15 %, Paschto 15,42 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 10,53 %, Urdu 7,57 %, Belutschisch 3,57 %, andere 4,66 % (PBS 2017c). Die Sprachen sind nicht immer deckungsgleich mit der ethnischen Gruppenzugehörigkeit. So verschieden die ethnischen und sprachlichen Gruppen sind, überwiegen doch die Gemeinsamkeiten. Die Armee wird v.a. durch Punjabis dominiert (Murad Ullah 1.-2.10.2012).

In Karatschi ging die Regierung in den letzten fünf Jahren u.A. gegen die radikalen Flügeln von politischen Parteien vor, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten. Durch dieses Vorgehen konnten die Opferzahlen von politischer und religiös-sektiererischer Gewalt sowie durch Bandenkriminalität massiv verringert werden (PIPS 1.2018). Ethnisch-politische Parteien sind z.B. wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (Pakistan People's Party) (PIPS 1.2017).

Die MQM, eine säkulare Partei, repräsentiert urdu-sprachige Muslime der Mittelschicht, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt. (Jamestown Foundation 11.11.2016). Die MQM wirft den paramilitärischen Sindh Rangers vor, im Zuge von Sicherheitsoperationen im Juli 2017 in 21 Fällen Mitglieder entführt, gefoltert oder getötet zu haben. Auch Sindhi Nationalisten bringen ähnliche Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte vor (USDOS 20.4.2018). Trotzdem die MQM der Gewaltanwendung bezichtigt wurde und es diesbezüglich zu Verhaftungen kam, konnte die Partei immer Wahlerfolge verzeichnen (RSiS 3.1.2017). Sie hält eine beträchtliche Anhängerschaft und Sitze im Parlament (Jamestown Foundation 11.11.2016).

Quellen:

* CIA - Central Intelligence Agency (23.2.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 8.3.2017

* Jamestown Foundation (11.11.2016): Karachi's Security Crackdown a Boost for Pakistan's Islamists; Terrorism Monitor Volume: 14, http://www.ecoi.net/local_link/332236/473580_de.html, Zugriff 29.3.2018

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017c): POPULATION BY MOTHER TONGUE, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files//tables/POPULATION%20BY%20MOTHER%20TONGUE.pdf, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report, Zugriff 15.3.2017

* RSiS - Sitzung Rajaratnam School of International Studies (3.1.2017): Counter Terrorist Trends and Analysis Volume 9, Issue 1, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/CTTA-January-2017.pdf, Zugriff 29.3.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

21. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung, doch die Regierung beschränkt diese Rechte. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der [ehem.] FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 20.4.2018).

Die Bewegungsfreiheit in Pakistan wurde in den Jahren 2016 und 2017 häufig aufgrund einer Reihe von Faktoren wie militärische Operationen und Naturkatastrophen eingeschränkt. Auch blieben Reisebewegungen von Frauen, Transgenderpersonen und bestimmten religiösen Minderheiten im Laufe des Jahres gefährlich. Der Zugang zu Gebieten in den [ehem.] FATA, wo die Armee Operationen gegen Aufständische durchführte, war eingeschränkt (HRCP 4.2018; vergleiche HRCP 5.2017).

In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (AA 20.10.2017).

In Anbetracht der tief in der Gesellschaft verwurzelten Aversion gegen die religiöse Minderheit der Ahmadis sei es unmöglich, dass diese einer Verfolgung durch einen Wohnortwechsel innerhalb Pakistans entkommen würden (ÖB 10.2017). Ahmadis bietet ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, einen erheblichen Schutz vor Repressionen, weil sie dort weitgehend unter sich sind, auch wenn sie dort für ihre Gegner sichtbar sind. Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen (AA 20.10.2017).

Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan. Hazaras würden durch ihr Aussehen und ihre Sprache überall in Pakistan auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazara (ca. drei Millionen), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazara nicht verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazara aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 20.10.2017).

Auszuschließen ist eine innerstaatliche Fluchtalternative für Personen, die von nicht-staatlichen Akteuren (vor allem terroristischen Gruppierungen) verfolgt werden und bei einer strafrechtlichen Verfolgung durch die Blasphemiegesetze. Letzteres kann analog auch auf andere ähnliche Sachverhalte und Verfolgungsgründe wie z.B. sexuelle Orientierung angewandt werden (ÖB 10.2017). Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6.2013).

Allein schon aufgrund der Größe des Landes bestehen innerstaatliche Fluchtalternativen in humanitären Notfällen und im Falle von Kampfhandlungen (neben den vergleichsweise sicheren Provinzen Punjab und Sindh etwa auch IDP-Camps in Jalozai, Khyber Pakhtunkhwa, und New Durrani, ehem. FATA), allerdings stellt sich die humanitäre Lage in Bezug auf IDPs Berichten der in diesem Bereich tätigen Hilfsorganisationen zufolge als besorgniserregend dar (ÖB 10.2017).

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Basis mit sich bringt (AA 20.10.2017). Grundsätzlich ist eine Einzelfallprüfung für die Feststellung des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative notwendig (ÖB 10.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

* HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2018

* HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

* ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2017): Asylländerbericht - Pakistan 2017

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

22. IDPs und Flüchtlinge

Pakistan beherbergt lt. UNHCR ca. 1,4 Millionen registrierte und 0,6 bis eine Million unregistrierte Flüchtlinge aus Afghanistan. Neben dieser beträchtlichen Flüchtlingspopulation befanden sich in Pakistan laut des UN-Büros für humanitäre Hilfe (UN-OCHA) und dem UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) Ende August 2017 rund 40.000 binnenvertriebene Familien (rund 262.000 Personen) (ÖB 10.2017). Die Mehrheit der IDPs stammen aus den [ehem.] FATA (GPC 8.2016). Seit 2008 wurden 5,3 Millionen Menschen aus den [ehem.] FATA binnenvertrieben - einige von ihnen sogar mehrfach - von denen etwa fünf Millionen wieder zurückkehren konnten. Die hohe Anzahl an Vertriebenen resultiert aus den Aktivitäten aufständischer Gruppen und den militärischen Operationen in den [ehem.] FATA. (USDOS 20.4.2018; vergleiche GPC 8.2016) [vgl. auch Abschnitt 3]. Die Militäroperationen und Aktionen gegen Aufständische in den [ehem.] FATA sind abgeschlossen, aber die Region ist eine ehemalige Kriegszone und Instabilität ist weiterhin eine Bedrohung (Dawn 29.5.2018).

Als Folge der Mitte 2014 begonnenen Militäroperation "Zarb-e Azb", die sich im Wesentlichen auf die [damaligen] zentral verwalteten Stammesgebiete FATA an der Grenze zu Afghanistan konzentrierte, mussten rund 1,8 Millionen Menschen ihre Wohngebiete verlassen und galten seither als IDPs. In einer groß angelegten Rückkehraktion sind seit März 2015 rund 260.000 der 300.000 binnen vertriebene Familien in ihre ursprünglichen Wohngebiete zurückgekehrt. Die pakistanische Regierung strebte die Rückkehr aller IDPs und den Wiederaufbau bis Ende 2017 an (ÖB 10.2017).

Am Höhepunkt der Vertreibung im Jahr 2014 wurde die Zahl der registrierten Binnenflüchtlinge in den [ehem.] FATA auf etwa 1,4 Millionen Personen geschätzt. Vom Beginn der Krise bis Juni 2016 hat die National Database and Registration Authority (NADRA) 210.714 Flüchtlingsfamilien überprüft und registriert, welche nach Nord-Wasiristan, Süd-Wasiristan, Khyber, Kurram und Orakzai zurückgekehrt sind. Diese Zahl von Binnenflüchtlingen beinhaltet jedoch nicht die beträchtliche Anzahl von 117.508 innerstaatlichen Flüchtlingen, welche zwar zurückgekehrt waren, während des Zeitraumes der Vertreibung aber nicht registriert worden waren (GPC 8.2016).

Bei der Registrierung der IDPs war die Regierung mit Herausforderungen konfrontiert. Oft ist es schwierig, festzustellen, aus welchen Gegenden und aus welchen Gründen die Menschen fliehen. Von einem lokalen Experten wurde im Zuge der Fact Findung Mission des BFA 2015 berichtet, dass die Regierung bei der Registrierung der IDPs im Großen und Ganzen gute Arbeit geleistet hat. Es gibt lokal geführte Organisationen, wie Zalan Communications, die eine Hotline für Beschwerden der IDPs eingerichtet haben (BFA 9.2015).

Bei der Registrierung innerstaatlicher Flüchtlinge (IDPs) durch NADRA müssen die Computerized National Identity Cards (CNICs) vorgewiesen werden. Doch besaßen einige der Vertriebenen nie eine solche. Vor allem Frauen und Kinder waren davon betroffen. Gründe dafür liegen etwa im Verlust der CNICs während der Flucht, oder aber weil viele Frauen, oder Haushalte unter der Leitung von Frauen nicht registriert worden waren. Auch waren einige Stammesführer gegen eine Registrierung von Frauen (GPC 8.2016).

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren. Das bedeutet, die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die IDPs zum Teil bei der Rückkehr unterstützen. Für die Versorgung und den Schutz der IDPs ist in erster Linie die pakistanische Regierung zuständig (BAA 6.2013; vergleiche BFA 10.2014). Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen Menschenrechtsorganisationen bei der Gewährleistung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, Asylsuchende und zurückkehrende Flüchtlinge (USDOS 20.4.2018).

Die durch die Konflikte vertriebenen Personen finden gewöhnlich bei Gastfamilien, in gemieteten Objekten oder in geringerem Ausmaß in IDP-Camps Unterkunft. Etliche IDPs ließen sich auch in informellen Siedlungen außerhalb der großen Städte wie Lahore und Karatschi nieder (USDOS 20.4.2018). Rund ein Drittel der registrierten IDPs hatte Schätzungen von UNOCHA zufolge Anfang 2016 keinen Zugang zu Trinkwasser, zwei Dritteln fehlte es an ausreichender Nahrung; weitere Problembereiche betrafen die oft unzureichende Unterbringung, die mangelnden Bildungs- (69 % der minderjährigen IDPs gehen nicht zur Schule) und Gesundheitseinrichtungen sowie generell die ungenügende Infrastruktur (Stromversorgung, sanitäre Einrichtungen, etc.). Aktuelle Zahlen dazu liegen nicht vor, aufgrund der großen Zahl an Rückkehrer/innen kann aber von einer Verbesserung der humanitären Lage ausgegangen werden (ÖB 10.2017).

Gemäß UNOCHA sind seit 2015 90 % der intern Vertriebenen in die [ehem.] FATA zurückgekehrt (USDOS 20.4.2018). Mit Stand 21.9.2017 sind seit 16.3.2015 insgesamt 262.623 Familien in die [ehem.] FATA zurückgekehrt und 42.225 Familien sind heimatvertrieben. In 14 % der rückgekehrten Familien stellen die Frauen das Familienoberhaupt (OCHA 27.9.2017). Laut OCHA sind mit Stand 28.2.2018 seit Dezember 2010 441.754 Familien in die FATA zurückgekehrt und noch 29.372 Familien bzw. 6 % heimatvertrieben (OCHA 28.2.2018).

Verbleibende Landminen und Sprengkörper in den von Kämpfen betroffenen Gebieten in den [ehem.] FATA einschließlich Nord-Wasiristan stellen ein Sicherheitsrisiko für die rückkehrende Zivilbevölkerung dar (SFH 2.5.2016).

Es liegen keine Berichte über unfreiwillige Rückkehr vor. Angeblich wollten trotz des Mangels an lokaler Infrastruktur viele Vertriebene heimkehren. Für Binnenvertriebene, welche nicht willens oder nicht in der Lage waren, zurückzukehren, koordiniert die Regierung mit dem UNHCR und anderen internationalen Organisationen die Rückkehr. Das World Food Programm stellt Lebensmittelrationen für einen Zeitraum von sechs Monaten für jene Vertriebenen zu Verfügung, welche in ihre Heimatregionen zurückgekehrt sind (USDOS 20.4.2018).

Bestimmte Formen der Unterstützung bzw. Versorgung von IDPs in den Camps wird vom Militär, von der Bundesregierung, sowie von NGOs gewährleistet. Wie oben erwähnt, stehen IDPs vor großen Herausforderungen, v.a. Bildung hat nur eine niedrige Priorität. In den Camps wird Bildung in informeller Form von NGOs und der pakistanischen Regierung gewährleistet. Die meisten IDPs leben jedoch nicht in Camps und ihre Kinder sind an Schulen eingeschrieben (BFA 9.2015).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

* BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.bfa.bmi.intra.gv.at/board/staatendokumentation/Freigegebene%20Dokumente/Pakistan/FFM-Berichte/PAKI_FFM%20Report_2015_09.pdf, Zugriff 28.11.2016

* Dawn (29.5.2018): Fata's historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 29.5.2018

* GPC - Global Protection Cluster (8.2016): Protection Cluster Report: April - July 2016; Responding to displacement and enduring protection challenges for returnees in Khyber Pakhtunkhwa and FATA, August 2016. http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1470818135_protection-cluster-report-august-2016.pdf, Zugriff 23.3.2018

* OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (27.9.2017): Pakistan: FATA Return Weekly (15 to 21 September 2017) - Humanitarian Snapshot, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_pakistan_weekly_return_snapshot_21_september_2017_0.pdf, Zugriff 23.3.2018

* OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (28.2.2018): Pakistan: FATA Returns Update (from 15 Sep, 2017 to 28 Feb 2018) - Humanitarian Snapshot, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_pakistan_weekly_return_snapshot_28_february_2018_20180326.pdf, Zugriff 24.4.2018

* ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad (10.2017): Asylländerbericht - Pakistan 2017

* SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (2.5.2016): Situation in Nordwasiristan und Karachi, http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1463343847_160502-pak-nordwasiristan-und-karachi.pdf, Zugriff 23.3.2018

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/466923_en.html, Zugriff 23.3.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

23. Grundversorgung und Wirtschaft

Pakistan ist mit ca. 207 Millionen Einwohnern (PBS 2017a) der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Erde. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, das Durchschnittsalter der Pakistani wird mit 23,8 Jahren angenommen und der Abhängigenquotient [Bevölkerung bis 14 und ab 65 Jahre / Bevölkerung 15-64 Jahre] liegt bei 65 % (CIA 14.3.2018).

Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, niedrige Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten die teils fragile Sicherheitslage, Korruption und die unzureichende Energieversorgung (AA 10.2017c).

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen, der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig sind. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (unter Anderem Getreideanbau und Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit (AA 10.2017c).

Das Wirtschafts- und Investitionsklima in Pakistan leidet unter mangelnder Investitionssicherheit, schlechter Regierungsführung und Korruption. Die Sicherheitslage hat sich über die vergangenen Jahre verbessert und auch bei der Bekämpfung der Energiekrise kann die Regierung Erfolge vorweisen (AA 10.2017c).

Trotz vieler Schwierigkeiten bleibt Pakistan angesichts des erklärtermaßen großen Interesses der Regierung an einer Ausweitung der außenwirtschaftlichen Beziehungen in den Bereichen Investitionen und Handel, des hohen Investitionsbedarfs in vielen Bereichen, insbesondere Energie (inkl. Erneuerbare Energien), Landwirtschaft, Infrastruktur und Hochtechnologie, sowie im Hinblick auf die Kaufkraft einer wachsenden Mittelschicht ein interessanter Markt für ausländische Firmen (AA 10.2017c).

Die Kosten der Korruption für Pakistan werden auf rund 5 bis 7 % des jährlichen BIP geschätzt. Diese Schädigungen treten in einer Vielzahl von Erscheinungen auf: Fehlen von staatlichen Einnahmen, Steuerhinterziehung, Unterschlagungen im öffentlichen Beschaffungswesen, falsche Preise bei Immobilientransaktionen im öffentlichen Sektor, Betrug, Provisionen und Kommissionen bei öffentlichen Investitionsprojekten etc. In Kombination mit Steuerhinterziehung schätzt die pakistanische Staatsbank (SBP) die daraus resultierende Kapitalflucht für die letzten drei Jahre auf etwa USD 8 Milliarden (Dawn 11.11.2016). Der Leiter der nationalen Rechenschaftsbehörde (National Accountability Bureau) Pakistans, schätzt, dass Pakistan täglich USD 133 Millionen aufgrund von Korruption verliert (Dawn 1.4.2016).

Pakistan steht in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vor zahlreichen Herausforderungen. Die meisten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis Ende 2015 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2014) belegt Pakistan Platz 147 von 188 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich schlecht ab. Zwar wurden die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung deutlich gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Das Bildungssystem hat sich seit 2013 verbessert, insbesondere das Berufsbildungswesen. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule zu früh ab oder erhalten gar keine Schulbildung. Jährlich streben sechs Millionen Jugendliche auf den Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige zertifizierte Ausbildungsplätze. Viele junge Menschen haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen und des Wassers (BMZ o.D.).

Die Wirtschaftskammer Österreich gibt für das Jahr 2016 rund 60,6 % der pakistanischen Bevölkerung [im erwerbsfähigen] Alter zwischen 15 und 64 Jahren an. Ca. 68 Millionen Pakistani waren Erwerbspersonen (WKO 10.2017). Die Arbeitslosenquote wird von unterschiedlichen Quellen zwischen 6,0 und 6,2 % angegeben (WKO 10.2017, CIA 12.1.2017, Statista 2018). Lt. WKO lag im Jahr 2016 die Jugendarbeitslosigkeit (Altersgruppe 15-24 Jahre) bei 10,8 % (WKO 10.2017), CIA gibt diese für das Jahr 2014 mit 8,6 % an (8 % bei Männern, 10 % bei Frauen) (CIA 14.3.2018).

CIA hält fest, dass die Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 14.3.2018). Unter Nichtbetrachtung der Landwirtschaft sind 72,6 % der Beschäftigten im informellen Sektor tätig, wobei der Anteil des informellen Sektors in urbanen Gebieten (69,2 %) niedriger ist als im ländlichen Raum (76,1 %). Etwa 30 % der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Etwa 7,1 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2016 Zugang zum Sozialversicherungssystem und hunderttausende Pakistani sind in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen tätig, insbesondere in der Landwirtschaft im Sindh und in Ziegelöfen im Punjab und in Khyber Pakhtunkhwa (HRCP 5.2017).

Unterstützt werden Arbeitssuchende vom Tameer-e-Pakistan Programm, einer Armutsbekämpfungsmaßnahme zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen; unter Anderem durch Unterstützung arbeitsintensiver Klein- und Mittelbetriebe (IOM 2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.2017c): Pakistan, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/wirtschaft/204976, Zugriff 26.3.2018

* BMZ - Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o.D.): Pakistan Situation und Zusammenarbeit https://www.bmz.de/de/laender_regionen/asien/pakistan/zusammenarbeit/index.html , Zugriff 26.3.2018

* CIA - Central Intelligence Agency (14.3.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.3.2018

* Dawn (1.4.2016): Pakistan losing $133 million daily to corruption, https://www.dawn.com/news/1249119, Zugriff 26.3.2018

* Dawn (11.11.2016): Institutions and development, https://www.dawn.com/news/1295551, Zugriff 26.3.2018

* HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2018

* IOM - International Organization of Migration (2017): Country Fact Sheet Pakistan, https://humanitariancompendium.iom.int/appeals/pakistan-2017, Zugriff 26.3.2018

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

* Statista (2018): Pakistan: Arbeitslosenquote von 2007 bis 2017, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/323110/umfrage/arbeitslosenquote-in-pakistan/, Zugriff 26.3.2018

* WKO - Wirtschaftskammer Österreich (10.2017): Länderprofil Pakistan, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-pakistan.pdf, Zugriff 26.3.2018

24. Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5 % des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige (EASO 8.2015; vergleiche BFA 7.2016). Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6.2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (PBM o.D). Der Finanzminister hat 2015 das Budget von PBM von zwei Milliarden Rupien auf vier Milliarden Rupien (ca. 34.379.503 €) erhöht (Dawn 6.6.2015). Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gab mit Stand 2013 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die [ehem.] FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogramms betrug 2013 ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6.2013).

Die Finanzierungsunterstützung richtet sich an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige mit einer Fokussierung auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung für bedürftige Waisen, Stipendien für hervorragende, bedürftige Studenten für höhere Berufsausbildung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).

* Quellen:

* BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

* BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (7.2016):Dossier zu Stammes- & Clanstrukturen in Afghanistan und Pakistan (ethnische Gruppen; Paschtunwali; Hazaras; religiös-basierte Wohlfahrtsstrukturen am Beispiel Afghanistans, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf, Zugriff 25.11.2016

* Dawn (6.6.2015): Budget's aim not to burden ordinary citizens: Ishaq Dar, http://www.dawn.com/news/1186570, Zugriff 26.3.2018

* EASO - European Asylum Support Office (8.2015): EASO Country of Origin Information Report Pakistan Country Overview, https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/EASO_COI_Report_Pakistan-Country-Overview_final.pdf, Zugriff 20.3.2018

* Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.-2.10.2012): Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg.

* PBM - Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.): Pakistan Bait-ul-Mal, http://www.pbm.gov.pk/pbm.html, Zugriff 26.3.2018

25. Wohlfahrt-NGOS

Private Einrichtungen wie die Edhi Foundation spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6.2013). Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie ist unter anderem der größte Rettungsdienstleister in Pakistan und bietet eine breite Palette an Sozialprojekten für Arme und Benachteiligte an (Gov Pak. 16.10.2015), darunter Gewährung von Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Rollstühle, Krücken und andere Dienstleistungen für Behinderte, etc. sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).

Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung für junge Mädchen und Jugendliche im ruralen Raum engagiert. Bunyad bietet in 14 Bezirken in Punjab Alphabetisierung und Bildung für Randgruppen, wie Frauen und Kinder, an (UNESCO o.D.).

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Es ist in 67 Distrikten der vier Provinzen - inklusiv Azad Jammu und Kaschmir - aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,2 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 204.000 kommunalen Gemeinschaften bilden. NRSP ist das größte ländliche Unterstützungsprogramm Pakistans, nach Angaben der Organisation nehmen Stand Jänner 2018 ca. 3,3 Millionen Personen an ihren verschiedenen Programmen teil. NRSP bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an (NRSP o.D).

Quellen:

* BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission.

* Edhi (o.D.): About Edhi Foundation, https://edhi.org/about-us/, Zugriff 26.3.2018

* NRSP - National Rural Support Programme (o.D.b): About NRSP, http://www.nrsp.org.pk/about.html, Zugriff 26.3.2018

* Gov Pak - Government of Pakistan (16.10.2015): Consideration of reports submitted by States parties under articles 16 and 17 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights; Initial reports of States parties due in 2010; Pakistan [16 October 2015] [E/C.12/PAK/1], 4. Februar 2016 (veröffentlicht von CESCR, verfügbar auf ecoi.net, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1455269511_g1601817.pdf, Zugriff am 26.3.2018)

* UNESCO (o.D.): Bunyad Literacy Community Council (BLCC /BUNYAD), http://uil.unesco.org/partner/library/bunyad-literacy-community-council-blcc-bunyad-pakistan, Zugriff 26.3.2018

26. Rückkehrhilfe und -projekte

Staatliche - oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. ERIN, sollen hier Unterstützung leisten, aber diese Projekte laufen erst langsam an (AA 20.10.2017).

Von 1.7.2015 bis 31.12.2016 implementierte die internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt RESTART - eine Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten.(IOM 18.9.2017). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch das Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen, erhalten können (IOM 7.1.2016).

Das Rückkehrprogramm ERIN wird von der pakistanischen NGO WELDO mit Finanzierung von AMIF und zahlreichen EU-Staaten durchgeführt. In 113 Bezirken werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr (freiwillig oder unfreiwillig) aus den Partnerländern. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird in verschiedenen Sprachen geboten. Es gibt verschiedene Programme für verschiedene vulnerable Personengruppen (WELDO o.D.).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* IOM - International Organization of Migration (18.9.2017): RESTART, http://www.iomvienna.at/de/restart, Zugriff 26.3.2018

* IOM - International Organization of Migration (7.1.2016): Länderinformationsblatt Pakistan, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/18363841/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927797&vernum=-2 , Zugriff 26.3.2018

* WELDO (o.D.): Weldo - Rebuilding Lives, http://www.weldo.org/about-us.php und http://www.weldo.org/erin.php, Zugriff 26.3.2018

27. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. In Islamabad und Karatschi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau und damit auch teuer. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert. (AA 27.3.2018). Den meisten öffentlichen medizinischen Einrichtungen fehlt es an qualifiziertem Personal, Arzneimitteln und Medizinbedarf. Die Mehrheit der Pakistani greift daher auf private Gesundheitsversorgung zurück (EASO 8.2015).

Für medizinische Versorgung verfügt Pakistan über 1.201 Krankenhäuser, 683 ländliche Gesundheitszentren, 5.518 medizinische Grundversorgungseinrichtungen und 731 Mutter-Kind-Gesundheitszentren (HRCP 4.2018). Für die Patientenversorgung stehen Stand 2016 184.711 Ärzte, 16.652 Zahnärzte und 118.869 Krankenhausbetten zu Verfügung (HRCP 5.2017). Im Verhältnis gibt es einen Arzt für 997 Personen, ein Krankenhausbett für 1.584 Personen und einen Zahnarzt für 10.658 Personen. Das relative Verhältnis des medizinischen Personals zur Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen Jahren leicht verbessert (HRCP 4.2018).

Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzverwaltungen, mit Ausnahme der [ehem.] FATA, wo die Bundesregierung zuständig ist. Die Gesundheitsversorgung kann in Pakistan auf allen Ebenen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erfolgen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) die eine ambulante Grundversorgung bieten. Die Sekundärversorgung erfolgt in District Headquarter Hospitals (DHH), die eine gesamte Spanne ambulanter und stationärer Versorgung anbieten. Der tertiäre Sektor (hoch spezialisierte Versorgung) ist auf akademischer Ebene angesiedelt, die Krankenhäuser an Universitäten, Fakultäten und anderen Bildungseinrichtungen umfasst und auf welcher alle Fachrichtungen vertreten sind (EASO 8.2015). Das Gesundheitssystem besteht aus Leistungen bei Krankenhausaufenthalt (hospitalization benefit) und Leistungen bei der medizinischen Versorgung schwererer Krankheiten (optional major medical care benefit). Bei Krankenhausaufenthalten werden entstandene Kosten aufgrund von Krankheit, Unfall und Operation gedeckt. Entstandene Kosten für Krankenhausaufenthalte werden bis zu einer Jahresobergrenze für verschiedene Krankheiten gedeckt. Ausgenommen sind Schwangerschaft und Geburt. Bei der medizinischen Versorgung in Folge von schwereren Krankheiten wird die Kostenobergrenze für stationäre Patienten für alle versicherten Personen für Ausgaben, die von der jeweiligen Leistungsstruktur gedeckt werden, erweitert. Eine Notfallbehandlung für die ersten 24 Stunden ist kostenfrei. Andere Behandlungskosten sind von der jeweiligen Krankheit abhängig (IOM 7.1.2016).

In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden. In staatlichen Krankenhäusern, die i. d. R. europäische Standards nicht erreichen, ist bei Bedürftigkeit die Behandlung kostenlos (AA 20.10.2017). Die beste medizinische Behandlung wird vom Militär angeboten. Für Zivilisten ist in militärischen Gesundheitseinrichtungen die Behandlung kostenpflichtig (BFA 9.2015; vergleiche PAF o.D.). Da der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durchführen, tendieren die Leute dazu, private Einrichtungen aufzusuchen. Diese sind jedoch für die ärmere Bevölkerung unleistbar (Kurji Zohra et al 2016).

Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind in Pakistan, laut IOM (BAA 6.2013; vergleiche BFA 9.2015) und einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spital, behandelbar und lösbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Medizinische Dienstleistungen werden jedoch nicht aktiv angeboten. In kleinen Spitälern, wie z. B. dem Rawalpindi Lepra Spital, werden keine Medikamente importiert, sondern sogar selbst produziert werden (BFA 9.2015). Darüber hinaus werden in Pakistan medizinische Geräte entwickelt, verfügbar gemacht (BFA 9.2015), hergestellt und teilweise auch exportiert. Beispielsweise produziert die Stadt Sialkot 80 % des Weltbedarfs an chirurgischen Instrumenten (Independent 19.1.2015).

Es gibt eine starke Diskrepanz in der medizinischen Versorgung zwischen ländlichen und städtischen Gebieten. Insgesamt ist in städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser als in den ländlichen Gebieten. Auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede BAA 6.2013; vergleiche Kurji Zohra et al 2016). In den ländlichen Gebieten des Sindh (BAA 6.2013) oder in Punjab (BFA 9.2015) ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen (BAA 6.2013). Belutschistan hat beispielsweise weniger medizinische Einrichtungen (BFA 9.2015). Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die von Aufständischen ausgehende Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte. So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an. Besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen (BAA 6.2013).

Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört in Pakistan zu einer der höchsten weltweit (BAA 6.2013). Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen schätzte für 2015 ca. 9.700 Fälle von Müttersterblichkeit in Pakistan; die Müttersterblichkeitsrate (MMR) betrug 178 [Def. lt. WHO o.D: Todesfälle von Frauen während der Schwangerschaft oder bis 42 Tage nach Schwangerschaftsende pro 100.000 Lebendgeburten] (WHO 11.2015; vergleiche UNFPA 2017). Der pakistanische Population Council schätzt 2017 die MMR für den Punjab auf 302 und für Khyber Pakhtunkhwa auf 275. Schätzungen des Pakistan Demographic and Health Survey (PDHS) gaben für 2006 bis 2007 die MMR landesweit mit 276 an. Geburtshämorrhagie und schwangerschaftsinduzierte Hypotonie sind die beiden häufigsten Ursachen für Müttersterblichkeit in Pakistan (Daily Times 22.10.2017).

Laut einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spitals hängt die Qualität der Krankenpflege stark von der Familie bzw. dem Clan des Patienten ab. Ist die Familie aktiv bei der Unterstützung, dann ist es möglich die besten Behandlungsmöglichkeiten zu erhalten. In Pakistan ist es wichtig, aktiv zu sein, wenn es darum geht die bestmöglichen Behandlungsmöglichkeiten, die Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten sowie die Standorte ausfindig zu machen. In Pakistan sind die durchschnittlichen Liegezeiten in Spitälern kürzer, da nicht genug Betten und Personal vorhanden sind. Die Krankenpflege in pakistanischen Spitälern ist nicht sehr umfangreich und es ist daher von hoher Wichtigkeit, dass sich die Familie um den Patienten kümmert. In solchen Fällen wird die Familie von Krankenschwestern instruiert, wie der Patient gepflegt werden soll. Der Familienzusammenhalt ist in Pakistan sehr stark ausgeprägt (BFA 9.2015).

Gemäß IOM ist die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, hoch. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein; und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen, ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gab es 2012 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern (BAA 6.2013). Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme (BAA 6.2013; vergleiche EASO 8.2015). Oft fehlen den Primärgesundheitseinrichtungen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser aufgrund von Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind, überlastet sind. Es gibt jedoch auch im öffentlichen Bereich Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds (BAA 6.2013).

Einige Beispiele für Krankenhäuser in Lahore sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das Lahore General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karatschi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karatschi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karatschi. In Gujranwala gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2014).

Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 20.10.2017; vergleiche BAA 6.2013; BFA 9.2015). Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Medikamente sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 20.10.2017). Es muss damit gerechnet werden, dass insbesondere in kleinen Apotheken auch gefälschte Produkte verkauft werden (AA 27.3.2018). In der Vergangenheit traten Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurde 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde (Drug Regulatory Authority of Pakistan, DRAP) eingerichtet und ein entsprechendes Gesetz erlassen. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft (BAA 6.2013). Die Apotheken der großen Privatkliniken bieten ein breites Spektrum zuverlässiger Medikamente an (AA 27.3.2018; vergleiche BAA 6.2013; BFA 9.2015). Im Laufe des Jahres 2016 wurden die Preise von zahlreichen Medikamenten stark erhöht, sodass sie für Patienten mit niedrigen und mittleren Einkommen unerschwinglich geworden sind. Der Drug Regulatory Authority of Pakistan (DRAP) und anderen Behörden wird vorgeworfen, keine Maßnahmen gegen die ungesetzlichen Preiserhöhungen ergriffen zu haben (Lancet 7.11.2016).

Für die Behandlung psychischer Störungen gibt es keine spezialisierten Einrichtungen; im Tertiärsektor und in der privaten Gesundheitsversorgung sind jedoch Psychiater und Psychologen tätig. Entsprechende Medikamente sind leicht erhältlich. Im öffentlichen Bereich ist die Behandlung psychischer Störungen kostenlos, die Arzneimittel ebenso. Es ist vor allem in den oberen Gesellschaftsschichten die Auffassung weit verbreitet, dass Menschen mit psychischen Störungen Schande über sich und ihre Familien bringen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es u. a. 2011 fünf psychiatrische Kliniken sowie einen Psychiater und zwei Psychologen auf 10.000 Menschen (EASO 8.2015; vergleiche Lancet 2.2017: 1 Psychiater auf 400.000 Menschen).

In Pakistans zunehmend kommerzialisiertem Gesundheitswesen hat die Zahl privater Krankenhäuser, Kliniken, Diagnoselabors und moderner Apotheken stark zugenommen. Aufgrund dieser Kommerzialisierung stehen Gesundheitsdienste für Arme immer weniger zur Verfügung (EASO 8.2015). 70 % der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese nur wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6.2013).

Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6.2013; vergleiche AA 20.10.2017). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6.2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z. B. Organtransplantationen) zu (AA 20.10.2017). Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung bleibt vor allem für arme und Frauen aus ländlichen Regionen begrenzt (USDOS 3.3.2017).

Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6.2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten: psychosoziale Unterstützung, medizinische Notversorgung, Familienplanung, kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2014).

Einige Organisationen wie das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in Lahore bemühen sich für einige wenige Patienten um eine Behandlung unabhängig von deren finanzieller Mittel. Das Bait-ul-Sukoon Cancer Hospital and Hospice in Karatschi bietet sehr armen Patienten Krebsbehandlung an (EASO 8.2015; vergleiche BAA 6.2013). Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6.2013).

Pakistan ist [neben Afghanistan] eines der verbleibenden zwei Länder weltweit, in denen Polio [Anm.: Poliomyelitis, (spinale) Kinderlähmung, Heine-Medin-Krankheit] endemisch ist, allen voran im Khyber-Peshawar-Korridor, Karatschi, Quetta und im nördlichen Sindh. Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen für Impfpersonal während der Impfkampagnen führte landesweit zu einer Reduktion der Poliofälle (SHCC 5.2017). 2017 wurden landesweit acht Fälle von Polio-Infektionen gemeldet, das ist ein Rückgang von 98 % seit 2014, als über 300 gemeldet wurden. Die Impfakzeptanz ist auf 95 % gestiegen (HRCP 4.2018). Dennoch kam es zu gezielten Angriffen unterschiedlichen Ausmaßes auf Impfpersonal, typischerweise im Zuge von Impfaktionen, in Gebieten mit endemischen Polioinfektionen, durchgeführt vorwiegend von aufständischen Gruppen wie den Taliban (SHCC 5.2017).

Am 18.1.2018 wurden in Quetta zwei Frauen, die Polio-Impfungen durchführten, von unbekannten Tätern erschossen (Reuters 18.1.2018) und am 18.3.2018 wurden in den [ehem.] FATA zwei Männer, die Polio-Impfungen durchführten, von unbekannten Tätern erschossen (CNN 18.3.2018). Im Jahr 2017 gab es drei Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen bzw. Polio-Impfpersonal mit zwei Todesopfern (PIPS 1.2018), für das Jahr 2016 wurden zehn Angriffe auf Einrichtungen oder Personal für Polio-Impfungen registriert (SHCC 5.2017).

Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunhkwa erließ eine Verordnung zur Ausstellung von Haftbefehlen für Eltern und Erziehungsberechtigte, die sich einer Immunisierung ihrer Kinder widersetzten (Dawn 24.11.2016). Über 1000 Eltern wurden im Jahr 2016 von der Polizei verhaftet und erst freigelassen, nachdem sie einer Impfung ihrer Kinder eingewilligt hatten. Da es Proteste aus der Bevölkerung gab und Impfpersonal in Gegenden, wo es Verhaftungen gab, einem größeren Risiko ausgesetzt waren, werden [Stand 4.2017] keine Verhaftungen mehr durchgeführt. Stattdessen sollen die Union Council Level Kommittees, bestehend aus Geistlichen, gewählten Vertretern und Mitgliedern der Bezirksverwaltung, die Menschen überzeugen, ihre Kinder impfen zu lassen (Dawn 30.4.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (27.3.2018): Länderinformationen - Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/PakistanSicherheit_node.html#doc344284bodyText7, Zugriff 28.3.2018

* BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

* BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.bfa.bmi.intra.gv.at/board/staatendokumentation/Freigegebene%20Dokumente/Pakistan/FFM-Berichte/PAKI_FFM%20Report_2015_09.pdf, Zugriff 28.11.2016

* CNN (18.3.2018): Two polio workers killed in attack in Pakistan, https://edition.cnn.com/2018/03/18/world/polio-workers-killed-pakistan/index.html, Zugriff 28.3.2018

* Daily Times (22.10.2017): Pakistan's maternal death shame, https://dailytimes.com.pk/128572/pakistans-maternal-death-shame/, Zugriff 24.4.2018

* Dawn (24.11.2016): Female polio worker shot at in Bannu, http://www.dawn.com/news/1298365/female-polio-worker-shot-at-in-bannu, Zugriff 30.11.2016

* Dawn (30.4.2017): Parents no more face arrest over polio vaccination refusal, https://www.dawn.com/news/1330178, Zugriff 28.3.2018

* EASO - European Asylum Support Office (8.2015): EASO Länderinformationen (COI) - Pakistan Länderüberblick, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/BZ0415498DEN1.pdf, Zugriff 20.3.2018

* HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (5.2017) State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 22.3.2018

* HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

* Independent (19.1.2015): Why does so much of the NHS's Surgical Equipment start Life in the Sweatshops of Pakistan?, https://www.independent.co.uk/life-style/health-and-families/features/why-does-so-much-of-the-nhss-surgical-equipment-start-life-in-the-sweatshops-of-pakistan-9988885.html, Zugriff 28.3.2018

* IOM - International Organization of Migration (7.1.2016): Länderinformationsblatt Pakistan, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/18363841/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927797&vernum=-2 , Zugriff 26.3.2018

* IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2014): Länderinformationsblatt Pakistan, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/17297878/17296676/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17306395&vernum=-2, Zugriff 28.3.2018

* Kujri Zohra, Zahra Shaheen Premani, Yasmin Mithani (2016): Analysis of the Health Care System of Pakistan: Lessons Learnt and Way Forward, https://pdfs.semanticscholar.org/178f/79039bb1c5cb826d957d27825f8a692020c9.pdf, Zugriff 21.6.2018

* Lancet (2.2017): Criminal responsibility and mental illness in Pakistan, http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(16)32120-1/fulltext, Zugriff 28.3.2018

* Lancet (7.11.2016): Uncontrollable medicine prices in Pakistan, http://thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(16)32120-1/fulltext, Zugriff 28.3.2018

* PAF - Pakistani Air Force (o.D.): Life in Pakistan Air Force - Facilities, http://www.paf.gov.pk/facilities.html, Zugriff 21.6.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* Reuters (18.1.2018): Gunmen in Pakistan kill two women working to eradicate polio, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-polio-attack/gunmen-in-pakistan-kill-two-women-working-to-eradicate-polio-idUSKBN1F71A9, Zugriff 28.3.2018

* SHCC - Safeguarding Health in Conflict Coalition (5.2017): Impunity must end: Attacks on Health in 23 Countries in Conflict in 2016, https://www.safeguardinghealth.org/sites/shcc/files/SHCC2017final.pdf, Zugriff 28.3.2018

* UNFPA - United Nations Population Fund (2017): Worlds Apart - The State of World Population 2017, https://www.unfpa.org/sites/default/files/sowp/downloads/UNFPA_PUB_2017_EN_SWOP.pdf. Zugriff 24.4.2018

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html, Zugriff 12.3.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

* WHO - Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (11.2015): Trends in maternal mortality: 1990 to 2015, http://www.who.int/reproductivehealth/publications/monitoring/maternal-mortality-2015/en/, Zugriff 24.4.2018

* WHO - Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (o.D.): Health statistics and information systems - Maternal mortality ratio (per 100 000 live births), http://www.who.int/healthinfo/statistics/indmaternalmortality/en/, Zugriff 24.4.2018

28. Rückkehr

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden (AA 20.10.2017).

Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979), namentlich, wenn sie über keinen "letter of appointment of a work permit from a foreign employer or an employment visa or an emigration visa from foreign Government" verfügen (Artikel 8, Absatz 2, leg. cit.) oder auch gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt (außer es besteht ein Zusammenhang mit Menschenhandel). Abgesehen von der geschilderten Rechtslage sind vereinzelte Fälle bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden; entsprechende Vorfälle sind an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt (ÖB 10.2017).

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Großbritannien und aus der gesamten EU werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 20.10.2017).

Der österreichischen Botschaft Islamabad, die zur Überwachung/Abwicklung der Ankunft von Rückkehrer/innen mittels FRONTEX-Flügen am Flughafen Islamabad regelmäßig einen Vertreter abstellt, sind bisher keine Probleme i.G. bekannt. Es wurde allerdings beobachtet, dass Rückkehrer/innen nach der Einreise nach Iqbal Town in Rawalpindi zu einer sog. "Anti-Human Trafficking Cell" gebracht werden, um dort zu ihrer Ausreise befragt zu werden, um relevante Informationen hinsichtlich Schlepperei und Schleppernetzwerken zu erfragen (ÖB 10.2017).

UNOCHA arbeitet - neben anderen UN-Agenturen/-Programmen wie UNHCR - in Bezug auf IDPs eng mit internationalen sowie nationalen NGOs zusammen, wobei das Pakistan Humanitarian Forum, welches 60 NGOs vereint, und das aus mehr als 180 nationalen NGOs bestehende National Humanitarian Network als "Dachorganisationen" dienen. Zu den Partner-NGOs von UNOCHA zählen etwa die folgenden: ACTED; Action Against Hunger (ACF); Asia Humanitarian Organization (AHO); Centre of Excellence for Rural Development (CERD); Community Research & Development Organization (CRDO); Creative Approaches for Development (CAD); Ehsar Foundation; Foundation For Rural Development (FRD); Frontier Primary Health Care(FPHC); Hayat Foundation; Health & Rural Development Services Foundation (HRDS); Help In Need (HIN); Human Development Organization Doaba (HDOD); Initiative for Development and Empowerment Axis (IDEA); Initiative Organization for Rural Development (IORD); International Rescue Committee (IRC); Lawari Humanitarian Organization (LHO); Médecins du Monde (MdM); Muslim Aid; Muslim Hands; Pakistan Village Development Program (PVDP); Poverty Alliance Welfare Trust (PAWT); PREPARED; Punjab Rural Support Programme (PRSP); Sarhad Rural Support Programme (SRSP); Society for Human and Institutional Development (SHID) (ÖB 10.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad(10.2017): Asylländerbericht - Pakistan 2017

29. Dokumente

Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierung. So sollen über 96 % der Bürgerinnen und Bürger biometrische Personalausweise - einschließlich der Smart Nationalidentität - Karte (SNIC) - besitzen. Solche Ausweise sind erforderlich, um Zugang zu Dienstleistungen zu erhalten. Diese reichen von der Eröffnung eines Bankkontos bis zur Ausstellung eines Reisepasses (PI 7.2016).

Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card - PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden. Die Pakistan Origin Card (POC) können ausländische Staatsbürger erhalten, die früher pakistanische Staatsangehörige waren und/oder deren Eltern oder Großeltern pakistanische Staatsbürger sind oder waren. National Identity Card for Overseas Pakistanis - (NICOP) werden durch die NADRA-Behörde an Pakistani im Ausland, Emigranten oder Personen mit Doppelstaatsbürgerschaft vergeben, wenn sie bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Children Registration Certificate werden durch die NADRA-Behörde für jedes Kind unter 18 Jahren ausgestellt (NADRA o.D.).

Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten antragsbegründenden Unterlagen ist hoch. Die zum Nachweis eines Verfolgungsschicksals vorgelegten Strafanzeigen, Haftbefehle, Gerichtsurteile und die Rechtsanwaltsschreiben erweisen sich häufig als gefälscht oder inhaltlich unrichtig. Die Ausführungen und Erklärungen zu einer geltend gemachten Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen halten einer Nachforschung vor Ort häufig nicht stand. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z. B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 20.10.2017).

Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, einen fiktiven Standesfall (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung eine formal echte Urkunde ausgestellt zu bekommen. Ebenso leicht lassen sich Verfälschungen einzelner Fakten tatsächlicher Personenstandsfälle (z. B. das Geburtsdatum) in den Personenstandsregistern erreichen, um damit echte standesamtliche Urkunden zu erhalten, deren Inhalt nur teilweise der tatsächlichen Faktenlage entspricht. Merkmale auf einigen modernen Personenstandsurkunden zur Erhöhung der Fälschungssicherheit können so mühelos unterlaufen werden. Die Passbehörden haben mit dem Aufbau eines zentralen Passregisters unter Erfassung einzelner Biometriemerkmale und der Einführung fälschungssicherer Reisepässe die Fälschung von Pässen theoretisch deutlich erschwert. Die eingebauten Sicherheitssysteme versagen allerdings, da sie bereits bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte unterlaufen werden können. Im Übrigen zirkulieren aufgrund der Urkundenproblematik vergleiche oben) zahlreiche echte Identitätsdokumente falschen Inhalts (AA 20.10.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* NADRA - National Database & Registration Authority (2016): Identity Documents, https://www.nadra.gov.pk/ plus Unterseiten, Zugriff 28.3.2018

* PI - Privacy International (7.2016): Suggestions for right to privacy-related questions to be included in the list of issues on Pakistan, Human Rights Committee, 118th Session, October 2016, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481709090_int-ccpr-ico-pak-24670-e.pdf, Zugriff 28.3.2018

3. Beweiswürdigung:

3.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt römisch eins. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

3.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft des BF ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben, an denen auf Grund seiner Sprachkenntnisse, der örtlichen Kenntnisse und Gegebenheiten auch nicht zu zweifeln war. Aufgrund des nunmehr bei der BH römisch 40 vorgelegten Personalausweises im Original und der Identifizierung durch die pakistanische Botschaft konnte die Identität des BF festgestellt werden.

Die Feststellungen hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt bzw. aus den Angaben des BF.

Die Feststellungen zur Herkunftsregion, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu den familiären und privaten Verhältnissen sowie zum Gesundheitszustand des BF und zu dessen Situation in Österreich gründen sich auf die in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben.

Die festgestellte Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem hg. erstellten aktuellen Strafregisterauszug.

Der Umstand, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der BF über bestimmte Deutschkenntnisse und/oder über relevante Bindungen zu Österreich verfügt, ergibt sich daraus, dass der BF im bisherigen Verfahren diesbezüglich keinerlei Angaben getätigt hat und ein entsprechender Nachweis ebenfalls nicht in Vorlage gebracht wurde. Auch sonst wurden in Wahrnehmung der Mitwirkungspflichten im Asylverfahren seitens des BF keine Nachweise (zB Mitgliedsbestätigung, Arbeitszeugnis usw.) vorgelegt.

3.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

3.3.1 Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht auf seinen Angaben in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA sowie auf den Ausführungen in der Beschwerde.

3.3.2. Die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen sind als unglaubwürdig zu qualifizieren. Der BF hat zu den Gründen für seine Ausreise im Wesentlichen Probleme mit Lieferanten seines Vaters, von denen er entführt, geschlagen und bedroht worden sei, geltend gemacht. Sämtliche Ausreisegründe des BF wurden seitens des BFA für unglaubwürdig qualifiziert und teilt die erkennende Richterin die Ansicht des BFA.

3.3.3. Das BFA hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Entsprechend der Ansicht des BFA erachtet die erkennende Richterin die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen im Ergebnis für unglaubwürdig und bestätigt, dass der BF in weiterer Folge keine Verfolgung im Sinne der GFK hinsichtlich seiner Person glaubwürdig vorgebracht hat.

3.3.4. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Paragraph 45, AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH, 25.03.1999, 98/20/0559).

Seitens des Höchstgerichtes wurde auch in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH, 24.06.1999, 98/20/0453; 25.11.1999, 98/20/0357).

Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass für die Glaubhaftmachung der Angaben des Fremden es erforderlich ist, dass er die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, 95/18/1291) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, 93/18/0289), wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 23.01.1997, 95/20/0303,0304).

Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern.

Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/19/0143, 13.04.1988, 86/01/0268).

Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation des Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden (VwGH v. 29.06.2000, 2000/01/0093).

Ferner ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach Paragraph 7, AsylG Anmerkung, bzw. nach dessen Nachfolgerbestimmung Paragraph 3, AsylG) bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen die Annahme sprechen vergleiche zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts (1991), 137 f, s. a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck, AsylG 1997, RZ 314, 524).

Kriterien der Glaubhaftmachung finden sich exemplarisch auch in Artikel 4, Absatz 5, der StatusRL (Richtlinie 2004/83/EG), worin folgende Faktoren angeführt werden:

Dass der Antragsteller sich offensichtlich bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;

Dass alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

Dass festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

Dass der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;

Dass die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.

3.3.5. Zu den seitens des Beschwerdeführers geltend gemachten ausreisekausalen Vorfällen:

Das BFA führte in nachvollziehbarer Weise aus, weshalb der BF eine konkret individuell gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung nicht vorbringen habe können. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die widersprüchlichen sowie nicht logisch nachvollziehbaren Angaben sein geltend gemachtes Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft erscheinen hätten lassen.

3.3.6. Dem BFA folgend fällt auf, dass sich im Vorbringen des BF bereits Widersprüche zur zeitlichen Einordnung der vermeintlichen Ursache der Verfolgung des BF finden. So erklärte der BF im Zuge der Erstbefragung, dass sein Vater im Februar 2018 von der Polizei aufgehalten worden sei, vermeinte vor dem BFA aber, dass sein Vater erst im Juli 2018 durchsucht worden sei (AS 117). Auf den diesbezüglichen Vorhalt der einvernehmenden Referentin vor dem BFA erklärte der BF weiter, dass der Vorfall entweder im Juni oder Juli 2018 gewesen sei (AS 125). Der BF war sohin nicht in der Lage die dargelegte Anhaltung seines Vaters zeitlich annähernd übereinstimmend darzulegen und variierten seine dahingehenden Ausführungen zwischen vier und fünf Monaten, was bereits auf ein konstruiertes Vorbringen schließen lässt. Die aufgezeigten zeitlichen Divergenzen fallen insbesonders auch deshalb besonders ins Gewicht, da der BF als alleinigen Ausreisegrund eben jenen einen Vorfall benannte, sodass eine widerspruchsfreie zeitliche Einordnung dieses Vorfalles, zumindest dem Monat nach, dem BF möglich sein sollte, was jedoch nicht der Fall war.

Das BFA wies auch richtigerweise auch darauf hin, dass der BF in der Erstbefragung noch ausführte, dass im Zuge der Anhaltung durch die Polizei bei seinem Vater neben den eingekauften Waren auch Waffen gefunden worden seien und dieser vor dem BFA dann überdies erklärte, dass nicht nur Waffen, sondern auch "Sachen, durch die man berauscht werde" gefunden worden seien.

Was die Geiselnahme des BF angeht, so erklärte der BF in der Erstbefragung noch, dass nach der Aussage seines Vaters bei der Polizei dessen Geschäftspartner festgenommen worden seien. Diese seien daraufhin verärgert gewesen, weshalb Freunde der Geschäftspartner den BF als Geisel genommen hätten. In der Einvernahme vor dem BFA brachte der BF ebenfalls vor, dass die Lieferanten des Vaters festgenommen worden seien, behauptete aber, dass diese nach der Haftentlassung selbst zum Haus des BF gekommen seien und den BF mitgenommen hätten. Der BF erklärte sich sohin widersprüchlich zu den Personen, welche ihn entführt hätten, was ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit des geschilderten Bedrohungsszenarios spricht und ist in diesem Kontext dem BFA folgend auch zu erwähnen, dass der BF von den vermeintlichen Geiselnehmern keinen einzigen Namen nennen konnte, obwohl es sich dabei um Geschäftspartner seines Vaters gehandelt habe.

Dem BFA ist auch nicht entgegenzutreten, wenn es auf das divergierende Vorbringen des BF zu den Geschehnissen während der Geiselnahme hinweist. In der Erstbefragung brachte der BF dazu vor, dass nach ca. einer Woche das verlangte Lösegeld von seinem Vater gezahlt und er daraufhin freigelassen worden sei. In der Einvernahme vor dem BFA erklärte der BF hingegen, dass er von den Geiselnehmern gezwungen worden sei, zu Hause anzurufen und Geld zu verlangen, er aber nicht wisse, ob jemals Geld bezahlt worden sei (AS 115). Der BF habe sich dafür nicht interessiert und sei bereits ein bis zwei Tage nach seiner Freilassung weggeschickt worden.

Auch die vom BF in der Einvernahme dargelegten Anrufe schilderte dieser divergent, zumal er zunächst noch ausführte, dass er aufgefordert worden sei, zu Hause anzurufen, er auf die Frage, welche Telefonnummer er angerufen habe, aber erklärte, dass er diese nicht wisse, zumal er nicht selbst angerufen habe, sondern ihm das Telefon mit bereits gewählter Telefonnummer gegeben worden sei.

Was die Entlassung des BF angeht, fällt dem BFA folgend ebenfalls auf, dass der BF nicht übereinstimmend darlegen konnte, wo er sich nach der Geiselnahme aufgehalten hat bzw. verstrickte er sich diesbezüglich zum zeitlichen Ablauf in Widersprüche.

Grundsätzlich gab der BF an, dass er im Oktober 2018 Pakistan verlassen habe. Wie oben bereits dargelegt, vermeinte der BF aber auch, dass die Geiselnahme entweder im Februar 2018 oder im Juni oder Juli 2018 erfolgt sei, was bereits einen divergierenden Zeitraum von acht bzw. drei bis vier Monate bis zur Ausreise ergibt. In der Einvernahme vor dem BFA erklärte der BF weiter, dass er sich nach seiner Entlassung noch zwei Tage zu Hause aufgehalten und dann bis zu seiner Ausreise an verschiedenen Orten gewohnt habe. Diese Ausführungen lassen sich jedoch nicht mit den Angaben vor dem BFA in Einklang bringen, wonach der BF während der Geiselnahme nicht regelmäßig gegessen habe und oft geschlagen worden sei, weshalb es ihm nach der Entlassung nicht gut gegangen sei. Ein - wie vor dem BFA geschilderter - sechs- bis siebenmaliger Wohnsitzwechsel innerhalb von ca. zwei Monaten nach Misshandlungen und Essensentzug während einer Geiselnahme erscheint äußerst unwahrscheinlich. Ergänzend ist hier noch anzumerken, dass der BF im Zuge der Erstbefragung einen mehrfachen Wohnsitzwechsel mit keinem Wort erwähnte und die Situation so darlegte, als sei er kurz nach seiner Entlassung - auf Anraten seiner Eltern - ausgereist.

In der Einvernahme vor dem BFA schilderte der BF erstmals auch, dass es nach der Freilassung des BF zu Drohanrufen gekommen sei und verweist das BFA dahingehend zurecht auf mehrere Ungereimtheiten. So gab der BF an, dass die Geiselnehmer nach seiner Freilassung immer wieder angerufen und Drohungen ausgesprochen hätten (AS 119). Sie hätten immer wieder gesagt, jetzt sei der BF zwar frei, aber sie würden ihn sicher umbringen und sei er schuld daran, dass viele Menschen festgenommen und die Waffen gefunden worden seien. Diese Drohungen habe er zwar nicht selbst gehört, weil sein Vater angerufen worden sei, er habe aber zuhören können (AS 137). Folgt man diesen Ausführungen so müsste der BF nach seiner Entlassung bei seinen Eltern geblieben sein, ansonsten er die Drohanrufe nicht selbst mitanhören hätte können. Der BF führte aber aus, dass er sich bereits zwei Tage nach seiner Entlassung nicht mehr zu Haus aufgehalten habe, weshalb es nicht nachvollziehbar erscheint, wie er von den Drohanrufen persönlich Kenntnis erlang habe. Drüber hinaus konnte der BF keine konkreten Angaben zur Anzahl der Drohanrufe tätigen und beschränkte sich darauf anzugeben, dass sein Vater "sehr oft" angerufen worden sei. Auf die Frage, warum sein Vater die Telefonnummer nicht gewechselt habe, gab der BF an, dass sein Vater seine Telefonnummer ein paar Mal gewechselt habe, die Anrufer die Telefonnummern aber erfahren hätte, weil sie den Wohnsitz seines Vaters gekannt hätten. Abgesehen von dieser unsubstantiierten Behauptung wurden seitens des BF keine nachvollziehbare Erklärung dafür dargelegt, wie die Kenntnis des Wohnsitzes mit dem Wechsel der Telefonnummer in Zusammenhang steht und wie letztlich Privatpersonen Kenntnis vom Wechsel der Telefonnummer erlangen konnten.

Gründe, warum die Geschäftspartner des Vaters des BF ein nachhaltiges Interesse an der Person des BF haben sollten, wurden dem BFA folgend ebenfalls nicht glaubhaft vorgebracht. Auslöser für die Inhaftierung der Geschäftspartner war die Aussage des Vaters des BF bei der Polizei und ist es naheliegend, dass sich diese an den Vater des BF wenden und nicht an den BF, welcher mit der Angelegenheit in keinem Zusammenhang steht. Dass sich die Geschäftspartner über die Familie des Vaters des BF indirekt an diesem rächen wollen, kann ebenfalls nicht erkannt werden, zumal die Mutter sowie drei Schwestern des BF nach wie vor unbehelligt in Pakistan leben.

Darüber hinaus ist dem BFA auch nicht entgegenzutreten, wenn es darauf hinweist, dass der BF mehrmals erklärte, nicht selbst entschieden zu haben, Pakistan zu verlassen, sondern seine Familie dies für ihn so entscheiden habe. Folglich war die Situation für den zum Ausreisezeitpunkt vierundzwanzigjährigen BF selbst nicht dergestalt, dass ein Weiterverbleib für ihn in Pakistan unerträglich gewesen wäre bzw. dass er keine Furcht empfunden habe, welche ihn zu einer Flucht veranlasst habe.

Letztlich wird die Ansicht hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen auch durch die nachfolgend beschriebene Vorgehensweise des BF, welche auch das BFA beweiswürdigend zu Lasten der Glaubwürdigkeit der Angaben des BF hervorhob, untermauert.

Der BF kam vom Iran über die Türkei und dem BF unbekannte weitere Länder nach Österreich, stellte aber nur in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Statusrichtlinie) zu verweisen, welche in ihrem Artikel 4, Absatz 5, Litera d, vorsieht, dass dann, wenn für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, diese Aussagen keines Nachweises bedürfen, wenn der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war. Wendet man diese sekundärrechtliche Norm im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf das gegenständliche Verfahren an, so ergibt sich um Umkehrschluss, dass gegenständlich jedenfalls - glaubwürdige - Beweise erforderlich gewesen wären.

Weiters ist auf Artikel 23, Absatz 4, der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (sog. Verfahrensrichtlinie) zu verweisen, nach dessen Litera i, ein Prüfungsverfahren dann beschleunigt durchgeführt werden kann, wenn es der Antragsteller ohne vernünftigen Grund versäumt hat, den Antrag zu stellen, obwohl er Gelegenheit dazu gehabt hätte.

Der BF war offensichtlich nicht gewillt, bereits in jenen Ländern einen Asylantrag zu stellen, die er vor seiner Einreise in Österreich passiert hat. Der BF musste auf seiner Reise nach Österreich durch andere als sicher geltende Staaten reisen und wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen schon dort um Schutz anzusuchen und das Verfahren abzuwarten. Die Vorgehensweise des BF erweist sich als nicht plausibel erklärbar. Würde man doch bei begründeter Furcht vor Verfolgung dieses Ausmaßes annehmen können, dass von Asylwerbern die nächste Gelegenheit genützt wird, um Schutz zu ersuchen, was der BF nicht getan hat. Auch diese Verhaltensweise des BF ist dazu geeignet, die Ansicht der Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach die Angaben zu seinen Ausreisegründen unglaubwürdig sind, zu verstärken.

Dem BFA ist daher nichts entgegenzusetzen, wenn es nach der dargelegten Beweiswürdigung, welcher sich die erkennende Richterin vollinhaltlich anschließt, zu dem Schluss kommt, dass sich der BF in der Einvernahme in zahlreiche Widersprüche verstrickt habe, die geeignet sind, seinem gesamten ausreisekausalen Vorbringen die Glaubwürdigkeit zu entziehen.

3.3.7. In einer Gesamtschau dieser Erwägungen ist somit auch aus Sicht des erkennenden Gerichtes die behauptete Verfolgung des BF aus den von ihm genannten Gründen angesichts eines widersprüchlich dargestellten und als solches nicht plausiblen und unsubstantiierten Vorbringens nicht als glaubwürdig zu qualifizieren.

Eine individuelle Verfolgung vor der Ausreise bzw. folgerichtig auch die Gefahr einer solchen für den Fall einer Rückkehr konnte der Beschwerdeführer daher letztlich nicht glaubhaft darlegen und war insoweit - der belangten Behörde im Ergebnis folgend - zu den obigen Feststellungen zu gelangen.

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid bzw. Erkenntnis angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Auch ist auszuführen, dass die dem BF zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann, weshalb gemäß hg. Ansicht nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann. (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu Paragraph 52, AVG).

Überdies handelt es sich bei den seitens des BFA dem Verfahren zugrunde gelegten Quellen um Berichte staatlicher oder staatsnaher Institutionen, denen aufgrund ihrer Verpflichtung zu Objektivität und Unparteilichkeit keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann.

Der BF ist den diesbezüglichen länderkundlichen Feststellungen im bisherigen Verfahren auch nicht entgegengetreten.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auch nicht die Lage in Pakistan und die Tatsache, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt.

Auf Grundlage dieser Länderberichte und aufgrund des Länderinformationsblattes (LIB) des BFA vom 21.06.2018 inkl. der integrierten Kurzinformationen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in Pakistan und insbesondere in der Herkunftsregion des BF gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich dort aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist. Vielmehr wird in der zitierten Gesamtaktualisierung des Länderinformationsblattes des BFA darauf hingewiesen, dass sich die allgemeine Sicherheitslage quer durch das Land in den letzten drei Jahren verbessert hat (PIPS 1.2018, S 10 LIB). Zur Thematik "regionale Verteilung der Gewalt" wird festgehalten, dass der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern in Khyber Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten der ehem. FATA und in Belutschistan liegt, jedoch im Sindh -Karatschi ausgenommen - die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 Prozent zurückgegangen sind, in Islamabad um 75 Prozent, in Karatschi um 60 und in der FATA um 38 Prozent (LIB S 13,14 bzw. AS 47).

3.5. Zur Beschwerde des Beschwerdeführers

3.5.1. Wenn in der Beschwerde hinsichtlich der dargelegten Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA darauf hingewiesen wird, dass die Erstbefragung lediglich der Ermittlung der Identität sowie der Reiseroute diene und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe, ist Folgendes auszuführen:

Auch aus der Sicht des erkennenden Gerichts ist festzuhalten, dass sich die Angaben von Asylwerbern zu den Ausreisegründen im Rahmen einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Gegensatz zu ihrer ausführlichen Einvernahme vor dem Bescheid erlassenden Organwalter auf wenige Sätze zu beschränken haben. Sofern kein völliger Austausch der Ausreisegründe zwischen Erstbefragung und Einvernahme oder ein späteres Hinzufügen von gravierenden Verfolgungselementen in der Einvernahme im Sinne einer nicht plausiblen Vorbringenssteigerung gegenüber der Erstbefragung erfolgt, kommt geringfügigen Abweichungen in der Regel nicht jenes Gewicht zu, das für sich schon die Feststellung der fehlenden Glaubwürdigkeit des Asylwerbers in seinen Ausreisegründen zu tragen vermag.

Grundsätzlich ist eine Gegenüberstellung der Erstbefragung mit der Einvernahme im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen daher nicht zielführend, zumal die Erstbefragung lediglich einer ersten Orientierung dienen soll und sich gem. Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat.

Es ist jedoch auf Grundlage des Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 weder dem BFA noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen vergleiche VwGH 2.1.2017, Ra 2016/18/0323, mwN).

Der BF wurde im Zuge seiner Erstbefragung darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung sind. Er wurde aufgefordert, wahre und vollständige Angaben zu machen bzw. hingewiesen, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben können. Der BF gab zudem an, dass er an keine Beschwerden oder Krankheiten leiden würde, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Weder in der Einvernahme vor dem BFA, in seiner Beschwerde noch im Zuge des Beschwerdeverfahrens brachte der BF vor, dass er in der Erstbefragung gehindert war seine Fluchtgründe darzulegen. Vielmehr führte der BF vor dem BFA aus, dass alle im bisherigen Verfahren getätigten Angaben stimmen. Folglich gibt es keine Hinweise darauf, dass der BF in der Erstbefragung nicht in der Lage war, wahre Angaben zu machen.

Soweit Ungereimtheiten zwischen den Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und jenen vor einem Organwalter der belangten Behörde von der belangten Behörde ins Kalkül gezogen und letztlich auch vom BVwG beachtet wurden, ist im Hinblick auf das Erkenntnis des VfGH vom 27.6.2012, U 98/12, festzuhalten, dass die vom Höchstgericht aufgezeigten besonderen Aspekte einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht verkannt werden. Es kann jedoch nicht sein, dass den Angaben vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Ausreisegrund generell kein Beweiswert zukommt, sondern sind im Rahmen einer Beweiswürdigung lediglich die Spezifika einer solchen Befragung zu berücksichtigen. Darüber hinaus stellt die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die erste sich dem Antragssteller bietende Möglichkeit dar, vor den Organen jenes Staates, den er für gewillt und befähigt hält ihm Schutz vor Verfolgung zu gewähren, darzulegen aus welchen Gründen er diesen Schutz begehrt.

Weiters monierte der BF unter nochmaliger Darlegung der Bedrohung durch die Geschäftspartner des Vaters des BF, welcher der BF in der Beschwerde als kriminelle Paschtu sprechenden Personen aus Afghanistan bezeichnete, dass das BFA die dargelegten Verfolgungshandlungen zu Unrechte als widersprüchlich und sohin als unglaubwürdig gewertet habe (AS 314). Die bloße Wiederholung eines bestimmten Tatsachenvorbringens in der Beschwerde stellt jedoch weder ein substantiiertes Bestreiten der erstinstanzlichen Beweiswürdigung noch eine relevante Neuerung (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/19/0302) dar.

Hinsichtlich der Wiederholung des Vorbringens des BF vor dem BFA in der Beschwerde, ist darüber hinaus - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die beweiswürdigenden Überlegungen oben zu verweisen und wurde durch die Wiederholung des Vorbringens des BF vor dem BFA den beweiswürdigenden Ausführungen des BFA zur Unglaubwürdigkeit auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Was die Ausführungen in der Beschwerde angeht, wonach auch eine Verfolgung durch nicht staatliche Akteure Asylrelevanz aufweisen könne, sollte der pakistanische Staat nicht in der Lage oder willens sei, dem BF tatsächlichen und effizienten Schutz zu gewähren, so ist darauf hinzuwiesen, dass der BF eine Verfolgung durch Privatpersonen aufgrund seines widersprüchlichen Vorbringens nicht glaubwürdig vorbringen hat können, weshalb auf die Schutzfähigkeit- und Schutzwilligkeit des pakistanischen Staates nicht näher einzugehen war.

In der Beschwerde wurde darüber hinaus moniert, dass das BFA eine nähere Auseinandersetzung mit dem vor dem Hintergrund einschlägiger Länderberichte hinreichend substantiierten Parteivorbringen vermissen lasse.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass das Bundesamt mit dem BF eine ausführliche Befragung zum geltend gemachten aurseisekausalen Vorbringen durchführte und der aufgrund dieser ausführlichen Befragungen festgestellte Sachverhalt, die Beweiswürdigung und ausführliche Länderfeststellungen zu Pakistan ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid finden, weshalb diesem Einwand bzw. jenem, dass das BFA den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht nicht gerecht geworden sei, nicht zu folgen ist.

Dem ist noch hinzuzufügen, dass sich die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt von Amts wegen vollständig und umfassend zu ermitteln, grundsätzlich nur auf solche asylrechtlich relevanten Umstände bezieht, die vom Asylwerber auch vorgetragen werden. Die Aussage des Asylwerbers ist das zentrale Bescheinigungsmittel und Ausgangspunkt für die die Behörde treffende Ermittlungspflicht. Finden sich in den Aussagen eines Asylwerbers keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Asylgrundes, so bedarf es in der Regel keiner weitergehenden amtswegigen Ermittlungen. Es besteht keine Verpflichtung der Behörde, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat vergleiche hg Erkenntnis vom 21. November 1995, Zl 95/20/0329, mwN). (VwGH 23. 1. 1997, 95/20/0303, 95/20/0304; vergleiche auch VwGH 2. 3. 1988, 86/01/0187; B 30. 11. 2000, 2000/20/0445).

3.5.2. Der Beschwerdeschriftsatz enthält im Übrigen keine weiteren konkreten Ausführungen, die zu einer anderslautenden Entscheidung führen könnten und vermag daher die erkennende Richterin auch nicht zu weiteren Erhebungsschritten und insbesondere auch nicht zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung veranlassen.

Die Beweiswürdigung des BFA wird in der Beschwerde somit nicht substantiiert bekämpft, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen vergleiche zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Spruchpunkt römisch eins.

4.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

4.1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974, (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" vergleiche VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Artikel eins, Abschnitt C Ziffer 5, GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

4.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht der erkennenden Richterin die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Der BF vermochte keine asylrelevante Verfolgung darzutun. Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, seine Ausreisegründe glaubwürdig darzulegen und eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen vergleiche VwGH 09.05.1996, 95/20/0380).

4.1.3. Selbst wenn man den Übergriffen und Bedrohungen durch Geschäftsppartner des Vaters des BF einen GFK-Konnex zu Grunde legen würde, wäre eine Verfolgung durch Drittpersonen im Hinblick auf die Genfer Flüchtlingskonvention auch nur insofern relevant, als der Staat aus einem GFK-Grund nicht willig bzw. fähig ist, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren. Dies kann jedoch im konkreten Fall nicht angenommen werden, zumal aufgrund der Länderberichte nicht davon ausgegangen werden kann, dass die pakistanischen Behörden generell bei Übergriffen und Bedrohungen durch Privatpersonen schutzunfähig oder schutzunwillig wären. Der Beschwerdeführer behauptete, dass die Bedroher auch festgenommen worden seien und sei es der Polizei auch gelungen, ihn zu befreien, sodass aufgrund dieser Angaben und auch auf Basis der Länderberichte nicht geschlossen werden, dass die Polizei systematisch in derartigen Angelegenheiten nichts unternimmt oder sich systematisch politisch beeinflussen lässt und bei einer entsprechenden Anzeige untätig bleiben würde. Ebenso wenig kann aufgrund der Quellenlage angenommen werden, dass die pakistanische Justiz bei begründetem Sachverhalt kein Verfahren einleiten würde, und hat der Beschwerdeführer dies auch nicht behauptet. Wie sich aus den Länderberichten ergibt, agiert die pakistanische Polizei prinzipiell auf Grundlage der Gesetze.

Es haben sich somit im gegenständlichen Fall keine ausreichend nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die pakistanischen Behörden dem Beschwerdeführer, effektiven Schutz gegen allfällige Angriffe und Bedrohungen von Privatpersonen tatsächlich verweigern würden.

Selbst wenn man annehmen würde, dass die Polizei untätig geblieben ist, wäre dem Beschwerdeführer die Möglichkeit unbenommen gewesen, sich an eine übergeordnete Dienststelle zu wenden bzw. mit Hilfe eines Anwalts bei Gericht gegen vermeintliche Verfolgungshandlungen der Polizei vorzugehen.

Lediglich ergänzend ist dazu anzumerken, dass die Polizei zwar nicht in jedem Fall im Stande sein wird, ein Verbrechen (bzw. eine gerichtlich strafbare Handlung) bereits im vornherein zu verhindern oder in der Folge lückenlos aufzuklären, dies jedoch nicht als Argument für ein völliges Fehlen staatlichen Schutzes herangezogen werden kann. Der Vollständigkeit halber ist festzustellen, dass polizeiliche Erhebungen auch längere Zeit andauern und unter Umständen auch erfolglos bleiben können. Daraus kann jedoch weder auf eine mangelnde Schutzfähigkeit noch auf die fehlende Schutzwilligkeit der Behörden geschlossen werden.

4.1.4. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass pakistanische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

4.1.5. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.

4.2. Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides:

4.2.1. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Ziffer eins,), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Ziffer 2,), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des Paragraph 11, offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Absatz eins, oder aus den Gründen des Absatz 3, oder 6 abzuweisen, so hat gemäß Paragraph 8, Absatz 3 a, AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. Gesetzgebungsperiode zu Paragraph 8, AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen vergleiche VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde vergleiche VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vergleiche auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Artikel 3, EMRK in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vergleiche VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Artikel 3, EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

4.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 nicht gegeben sind.

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Bei dem BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum er als Erwachsener in Pakistan selbst keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte. Er ist in Pakistan aufgewachsen, ist dort mehrere Jahre zur Schule gegangen, hat ein College sowie Kurse über Wasserpumpen besucht und hat dort die überwiegende Zeit seines Lebens verbracht. Der BF wurde in Pakistan sozialisiert und ist nicht hervorgekommen, dass er in Pakistan keine familiären und privaten Anknüpfungspunkte mehr hat. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass ihm im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes - seine Eltern und Geschwister sowie ein Onkel leben in Pakistan - eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteil wird.

Letztlich war zu berücksichtigen, dass der BF den ihm zur Kenntnis gebrachten und der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr nach Pakistan nicht substantiiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit der BF durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemein existenten Notlage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des BF (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es bestehen jedoch keine glaubhaften Hinweise, dass der BF einen Sachverhalt verwirklichte, welcher in Pakistan mit der Todesstrafe bedroht ist) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

Auf die Ausführungen in der rechtlichen Würdigung zur Allgemeinsituation im Herkunftsstaat des BF zu Spruchpunkt römisch eins. des gegenständlichen Erkenntnisses (Pkt.3.4.) sei an dieser Stelle verwiesen und festgehalten, dass auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Sicherheitslage in Pakistan instabil ist und Pakistan mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert ist, wobei die Zahl der Anschläge zuletzt zurückgegangen ist und sich die allgemeine Sicherheitslage verbessert hat. Ebenso wird von Seiten der erkennenden Richterin die schwierige Situation der Binnenflüchtlinge, vor allem auf Grund der weitergehenden Kämpfe in den ehem. FATA, anerkannt. Der BF der aus dem Punjab, lt. Länderfeststellungen der sichersten Provinz Pakistans stammt, hat aber nicht dargetan, inwiefern er von der prekären Sicherheitslage bzw. der humanitären Situation der Binnenflüchtlinge konkret betroffen ist. Von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden, Gefährdungssituation im Sinne des Artikel 3, EMRK ist jedenfalls nicht auszugehen.

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß Paragraph 52 a, BFA-VG zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im behördlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Pakistan gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen (http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und vertretung/rueckkehrhilfe/).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schlechter ist als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt ist, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005.

4.2.3. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958, idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Nr. 138 aus 1985, idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Teil 3, Nr. 22 aus 2005, idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

4.3. Zu Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides (zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung - Paragraphen 57 und 55 AsylG sowie Paragraph 52, FPG):

4.3.1. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt wird.

4.3.2. Gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich zumindest seit März 2017 im Bundesgebiet, wobei sein Aufenthalt nicht in obigem Sinne geduldet ist. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde, noch in der hg. Verhandlung über diesbezügliches Befragen behauptet wurde.

4.3.3. Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Pakistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach Paragraph 13, AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

4.3.4. Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraph 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.

Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt vergleiche dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Artikel 8 ;, Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vergleiche auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Artikel 8, EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt vergleiche Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

4.3.4.1. Der BF hat keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Schutz des Familienlebens.

4.3.4.2. Zum Privatleben des BF in Österreich ist folgendes festzuhalten: die Dauer des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet seit seiner illegalen Einreise und Asylantragstellung am 09.01.2019 ist als äußerst kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein.

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang zentral auf VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet sowie auch auf das jüngste Urteil des EGMR vom 8. April 2008, Nr. 21878/06 (NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich), in welchem der EGMR im Rahmen der Interessensabwägung zum Ergebnis gelangt, dass grundsätzlich das öffentliche Interesse an einer effektiven Zuwanderungskontrolle bei erfolglosen Asylanträgen höher wiegen muss als ein während des Asylverfahrens begründetes Privatleben.

Hinzuweisen ist auch auf die grundsätzlich vergleichbare Rechtsprechung des VfGH vom 29.11.2007, Zl. B 1958/07-9 wonach in einem Fall (der Berufungswerber aus dem Kosovo hielt sich mit seiner Familie im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch den UBAS etwa zwei Jahre in Österreich auf - siehe UBAS vom 15.10.2007, Zahl:301.106-C1/7E-XV/53/06) die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Artikel 8, EMRK abgelehnt wurde. Der VfGH führte aus, dass der belangten Behörde aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht entgegen getreten werden könne, wenn sie schon angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse an der Achtung des Privat- und Familienlebens überwiegt.

Der BF übt in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er konnte auch keine eigenen Existenzmittel nachweisen und wirkt sich die Aufnahme einer illegalen Tätigkeit negativ bei der vorzunehmenden Abwägung aus.

Der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt des BF liegt in Pakistan, wo auch seine Eltern, Geschwister und ein Onkel leben und er somit über ein soziales Netz verfügt. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar. Dies ergibt sich vorrangig aus der zum gegebenen Zeitpunkt äußerst kurzen Aufenthaltsdauer von rd. zehn Monaten.

Weder wurden substantielle Deutschkenntnisse noch nennenswerte soziale Beziehungen vorgebracht. Soweit der BF freundschaftliche Kontakte zu seinen zwei Mitbewohnern pflegt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr nach Pakistan gelockert werden, es jedoch nichts darauf hindeutet, dass der BF hierdurch gezwungen wäre, den Kontakt zu seinen Mitbewohnern gänzlich abzubrechen. Es steht ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch Urlaubsaufenthalte etc.) aufrecht zu erhalten.

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine Entwurzelung vom Herkunftsstaat stattgefunden hat und bestehen nach wie vor Bindungen des BF zu Pakistan. Weitere ausgeprägte Interessen hat der BF im Verfahren nicht dargetan. Es ist davon auszugehen, dass im Falle des BF schon aufgrund der zeitlichen Komponente naturgemäß nur ein geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantraggestützt hat, nur im geringen Maße gegeben. Der BF hat andererseits den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wurde dort sozialisiert und spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort über Bezugspersonen in Form seiner Angehörigen (Eltern, Geschwister und einem Onkel) verfügt. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Der Umstand, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Letztlich darf auch auf das Erkenntnis des VfGH verwiesen werden, wonach trotz dreijährigem Aufenthalt und weitreichender Integrationsschritte (hervorragende Deutschkenntnisse, Hauptschulabschluss, Besuch einer HTL, österreichischer Freundeskreis, österreichische Freundin) die Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens zurücktreten müssen (VfGH 12.06.2013, U 485/2012). Auch im vorliegenden Fall ist auf das Überwiegen dieser öffentlichen Interessen auszugehen.

Private Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnte und sein Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Artikel 8, EMRK vergleiche VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN).

4.3.4.3. Im gegenständlichen Verfahren waren keine unverhältnismäßig langen Verfahrensgänge festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wären.

4.3.4.4. Der sohin relativ schwachen Rechtsposition des BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

4.3.5. Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach Paragraph 50, Absatz eins, FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).

Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

4.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des Paragraph 50, FPG ergeben würde.

4.3.6. Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach Paragraph 55, Absatz 2, FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

4.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018) hielt in diesem Zusammenhang fest, dass sich die bisher zu Paragraph 67 d, AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz insoweit übertragen lässt, als sich die diesbezüglichen Vorschriften weder geändert haben noch aus systematischen Gründen sich eine geänderte Betrachtungsweise als geboten darstellt.

Die in Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG getroffene Anordnung kann nach dessen Wortlaut nur zur Anwendung gelangen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist. Schon deswegen kann - entgegen den Materialien - nicht davon ausgegangen werden, diese Bestimmung entspräche (zur Gänze) der Vorgängerbestimmung des Paragraph 67 d, Absatz 4, AVG. Zudem war letztgenannte Norm nur auf jene Fälle anwendbar, in denen ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu erlassen war. Eine derartige Einschränkung enthält Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG nicht (mehr).

Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG 2014 erfassten Verfahren enthält Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG 2014 eigene Regelungen, wann - auch: trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich "im Übrigen" sollen die Regelungen des Paragraph 24, VwGVG anwendbar bleiben. Somit ist bei der Beurteilung, ob in vom BFA-VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, neben Paragraph 24, Absatz eins bis 3 und 5 VwGVG in seinem Anwendungsbereich allein die Bestimmung des Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG 2014, nicht aber die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG, als maßgeblich heranzuziehen.

Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schaffung des Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG 2014 vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG 2014 enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind:

- der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und

- bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen

- die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und

- das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen

- in der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in Paragraph 20, BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Das Absehen von der mündlichen Verhandlung im gegenständlichen Fall entspricht auch der aktuellen höchstgerichtlichen Judikatur des VwGH vom 28.11.2014, Ra 2014/01/0003-10 (unter Verweis auf das VwGH Erkenntnis vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018), worin sich der VwGH erneut mit der Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung regelnden Voraussetzungen des Paragraph 21, Absatz 7, erster Fall BFA-VG auseinandergesetzt hat.

In dem dem jüngsten obzitierten VwGH Judikat zugrundeliegenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes hat dieses Paragraph 21, Absatz 7, erster Fall leg. cit. folgend, die Ansicht vertreten, der Sachverhalt sei aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde sowie der Beweisaufnahme, welche den Verfahrensparteien schriftlich zur Kenntnis gebracht worden sei, als geklärt anzusehen, zumal im Beschwerdeverfahren keine Tatsachen zu finden seien, die zu einem anderen Verfahrensausgang führen könnten. Im gegenständlichen Fall schloss sich das BVwG den tragenden beweiswürdigenden Überlegungen der Verwaltungsbehörde, die auf nicht ausgeräumte Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers und seine inhaltsleeren und oberflächlichen Schilderungen angeblich erlebter Ereignisse gründeten, an; das BVwG durfte auch vom Vorliegen eines unsubstantiierten Bestreitens der behördlichen Feststellungen ausgehen. Der Revisionswerber hat in der Beschwerde lediglich behauptet, die Behörde hätte den Sachverhalt nicht richtig beurteilt; die beweiswürdigenden Überlegungen, welche auch das BVwG teilte, hat der Revisionswerber jedoch nicht bestritten, sondern hat im wesentlichen seine Angaben ergänzt bzw. korrigiert. Der Revisionswerber behauptete, der Sachverhalt sei nicht geklärt, da dessen behauptete Mitgliedschaft in einer Studentenorganisation nicht geklärt sei; da diese Behauptung jedoch an einen Sachverhalt anknüpft, der als unglaubwürdig festgestellt wurde, führt diese als nicht entscheidungsrelevanter Sachverhalt nicht dazu, dass die dargestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. dem ersten Tatbestand des Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG nicht erfüllt gewesen wären.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung sowie mehrmalige Belehrung des BF über seine Mitwirkungspflichten nachgekommen. Der Sachverhalt wurde daher nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des BFA festgestellt.

Das BFA hat die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in seiner Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und das Bundesverwaltungsgericht teilt die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung.

Bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes weist die Entscheidung des BFA immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.

Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in diesem kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger im gegenständlichen Verfahren relevanter Gründe. Auch tritt der BF in der Beschwerde den seitens der belangten Behörde getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen. Der Vorwurf der mangelnden Auseinandersetzung des BFA mit dem Vorbringen des BF steht im Widerspruch zum Einvernahmeprotokoll. Wenn moniert wird, dass es im Zuge der Erstbefragung zu Missverständnissen aufgrund von Problemen mit dem Dolmetscher gekommen sei, so ist auf die diesbezüglichen hg. Ausführungen, welche auf die Beschwerde des BF bezugnehmen sowie auf die Dokumentation der Einvernahme im entsprechenden Protokoll zu verweisen. Aus diesem geht zweifelsfrei hervor, dass der BF ausführlich befragt worden ist sowie die an ihn gerichteten Fragen ohne Probleme verstanden hat und er dem auch nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Im Ergebnis bestand daher kein Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wobei im Übrigen darauf hinzuweisen ist, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt hätte.

Zu Spruchteil B):

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), Bundesgesetzblatt Nr. 10 aus 1985, idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Themen Glaubwürdigkeitsprüfung, wohlbegründete Furcht, Verfolgung, Glaubhaftmachung, innerstaatliche Fluchtalternative und Refoulementschutz und Ausweisung/Rückkehrentscheidung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2019:L506.2220323.1.00