Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

19.09.2019

Geschäftszahl

W268 2131810-1

Spruch

W268 2131810-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Somalia gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2016, Zl. 1051544701-150146555, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 3, Absatz eins,

AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

römisch eins. Verfahrensgang:

römisch eins.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein somalischer Staatsbürger, stellte am 07.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 08.02.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab er an, der Volksgruppe der Ashraf anzugehören und aus Mogadischu zu stammen. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe führte er im Wesentlichen aus, er sei mit seinen Eltern im Alter von zehn Jahren aufgrund des vorherrschenden Krieges aus Somalia geflüchtet. Seitdem habe er seine Eltern nicht mehr gesehen. Seine Tante habe ihn und seine Schwester nach Syrien gebracht. Da auch dort Krieg ausgebrochen sei, seien sie weiter geflüchtet. Er habe nunmehr weder zu seinen Eltern noch zu seiner Tante und seiner Schwester Kontakt.

römisch eins.2. Am 07.12.2015 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) statt und wurde der BF zu seinen Fluchtgründen näher befragt. Er brachte dort im Wesentlichen vor, in Somalia herrsche Krieg. Er habe als Angehöriger der Ashraf viele Probleme gehabt. Seinem Vater sei wie vielen anderen sein Geschäft weggenommen und in sein Elternhaus sei wiederholt eingebrochen worden. Er wisse nicht, wer seinem Vater das Geschäft weggenommen habe, aber alle Leute, die in Abdilashidei gelebt hätten, hätten Probleme bekommen. Außerdem habe es regelmäßig Bombenanschläge und Schüsse gegeben. Er könne nicht angeben, wer geschossen habe. Aufgrund der prekären Sicherheitslage sei der BF schlussendlich mit seiner Familie geflüchtet. Nach seiner Flucht aus Somalia habe sich der BF zwei Jahre in Syrien und danach zwei Jahre in der Türkei aufgehalten.

römisch eins.3. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 15.01.2016 brachte der BF vor, er sei als Angehöriger des Minderheitenclans der Ashraf in mehrfacher Hinsicht einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Dem BF drohe als wehrfähigem Jugendlichen eine Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab. Dabei stützte er sich auf einen Bericht der Jamestown Foundation aus 2014 ("Al Shabaab to Face different Direction after Appointment of new Leader") und einen Accord-Bericht von 2013 ("Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab in Somalia"). Zusätzlich gab der BF an, er sei Angehöriger des Minderheitenclans der Ashraf. Deshalb werde er sozial geächtet und sei Diskriminierung ausgesetzt. Nach einem Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe aus 2010 seien Angehörige von Minderheitenclans in Süd- und Zentralsomalia einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer von Kriminalität zu werden. Außerdem gehe aus einem Bericht von Prof. Gundel aus 2009 hervor, dass Digil-Mirifle-Ashraf zum Ziel von Übergriffen durch Al Shabaab werden könnten, da sie den religiösen Status der Ashraf nicht anerkennen. Laut einem Bericht zu einer Fact-Finding-Mission von 2012 werde die Arbeit der somalischen Polizei zu einem gewissen Grad als clanbasiert wahrgenommen. Dem BF sei somit der Status des Asylberechtigten zu gewähren.

römisch eins.4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II). Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 04.07.2017 erteilt (Spruchpunkt römisch III). Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der BF keine asylrelevante individuelle Gefährdung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, etc zu befürchten habe. Der Antrag auf Asyl sei damit abzuweisen gewesen. Aufgrund der prekären Sicherheitslage sei dem BF jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.

römisch eins.5. Mit Schriftsatz vom 02.08.2016 wurde fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins des Bescheides erhoben und Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF gehöre zur religiösen Minderheit der Ashraf und er werde deshalb diskriminiert. Außerdem gehöre der BF der sozialen Gruppe der wehrfähigen jungen Männer in Somalia an, bei denen eine reale Gefahr von Zwangsrekrutierung bestehe. Desweiteren stamme der BF aus Al Shabaab dominierten Regionen in Zentral-/Südsomalia. Dazu komme, dass sie ihn jedenfalls als "Ungläubigen" besonders im Fokus hätten und ihn massiv verfolgen würden. Eine asylrelevante Verfolgung ergebe sich ua. auch aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem Jahr 2010. Weiters werde diesbezüglich auf Judikatur des BVwG verwiesen. Dem BF sei somit der Status des Asylberechtigten zu gewähren.

römisch eins.6. Die Beschwerdevorlage langte am 05.08.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde in Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

römisch eins.7. Mit Bescheid vom 26.06.2017 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 04.07.2019 weiter verlängert. Eine weitere Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung bis zum 04.07.2021 erfolgte mit Bescheid vom 01.07.2019.

römisch eins.8. Am 20.08.2019 wurde eine mündliche Verhandlung unter Teilnahme des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehalten.

römisch eins.9. Hinsichtlich des Verfahrensinhaltes sowie des Inhalts der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF, dessen präzise Identität nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ist volljähriger Staatsangehöriger Somalias. Er gehört dem Clan der Ashraf und dem Subclan der römisch 40 an. Der BF bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er stammt aus Mogadischu, wo er bis zu seiner Ausreise 2010 lebte. Der unbescholtene BF lebt aktuell aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich.

Der BF bezieht Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Der BF absolvierte erfolgreich eine Integrationsprüfung auf B1 Niveau (Sprachkompetenz, Werte- und Orientierungswissen).

Der BF ist aktuell strafgerichtlich unbescholten. Im österreichischen Bundesgebiet halten sich keine Familienangehörigen des BF auf.

1.2. Zu den Ausreisegründen des BF:

Der BF hat aufgrund der prekären Sicherheitslage Mogadischu verlassen. Rebellen verübten in der Stadt regelmäßig Bombenanschläge und waren überwiegend für Kriegszustände typische Rechtsverletzungen verantwortlich (Eigentumsdelikte, Vergewaltigungen). So wurde insbesondere dem Vater des BF, als einem von vielen, sein Geschäft weggenommen. Auch in das Elternhaus des BF wurde wiederholt eingebrochen. Der BF verließ gemeinsam mit seiner Familie drei Mal das Elternhaus und sie gingen in die Berge und kamen dann nach zwei bis drei Wochen wieder zurück, wenn sich die Lage beruhigte. Der Vater hatte in dieser Zeit auch Probleme wegen seiner Clanzugehörigkeit (Ashraf) und wurde etwa mehrmals bestohlen. Der BF war vom vorherrschenden Konflikt jedoch nie individuell betroffen, zumal er bei seiner Ausreise aus Somalia noch ein Kind war. Der BF reiste im Alter von zehn Jahren gemeinsam mit seiner Tante und seiner Schwester von Somalia nach Syrien aus, wo sie dann zwei Jahre lang lebten. Der BF besuchte dort die Schule und lernte arabisch. Als dann in Syrien der Krieg ausbrach, flüchtete der BF alleine weiter in die Türkei, nachdem er zuvor den Kontakt zu seiner Schwester und seiner Tante verloren hatte. In der Türkei hielt sich der BF dann weitere zwei Jahre auf, bevor er seine Flucht nach Europa antrat. Zu seinen Angehörigen hatte der BF bis vor kurzem keinen Kontakt, mittlerweile hat er jedoch die Information bekommen, dass seine Mutter, zwei Brüder und eine Schwester im Jemen sind und der Vater glaublich in Südafrika aufhältig ist.

1.3.

Zur allgemeinen Lage in Somalia wird festgestellt:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend Somalia vom 12.01.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 17.09.2018) wiedergegeben. Das Bundesverwaltungsgericht brachte die Berichte und Informationen in das Verfahren ein und stellte sie den Parteien zur Wahrung des Parteiengehörs im Laufe des Verfahrens zur Verfügung. Eine spezifische Äußerung zu den Länderberichten in der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2019 erfolgte nicht.

Sicherheitslage

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 22.2.2017). Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv (BFA 8.2017). Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt - speziell durch die Aufstellung der Mogadishu Stabilization Mission (MSM). Die Zahl von Angriffen der al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Andererseits scheint sich die al Shabaab aufgrund der Erfolge der Sicherheitskräfte zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachen (UNSC 5.9.2017). Regelmäßig kommt es zu sogenannten komplexen Anschlägen in Mogadischu, wobei ein Sprengstoffanschlag mit dem Einsatz einiger weniger bewaffneter Selbstmordkämpfer kombiniert wird. Ziele sind i.d.R. Hotels oder Restaurants, die häufig von Behördenbediensteten oder Sicherheitskräften frequentiert werden (SEMG 8.11.2017). Der Einsatz von Artillerie (Mörsern) mit Ziel Mogadischu ist wieder im Steigen begriffen. Im ersten Halbjahr 2017 kam es zu zwölf derartigen Angriffen, im Gesamtjahr 2016 waren es 17 (SEMG 8.11.2017). Am 12.6. und am 4.7.2017 wurden insgesamt neun Mörsergranaten auf Stadtgebiet abgeschossen (UNSC 5.9.2017). Dabei verfügt al Shabaab nunmehr auch über schwere, von AMISOM erbeutete Mörser (120mm), was ihre Möglichkeiten erweitert (SEMG 8.11.2017). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vergleiche EASO 2.2016). Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BFA 8.2017; vergleiche UKUT 3.10.2014, vergleiche EGMR 10.9.2015). Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017). Die Sicherheitslage hat sich also verbessert (UNSOM 13.9.2017; vergleiche UNNS 13.9.2017), bleibt aber volatil (UNSC 5.9.2017). Die MSM hat einige Erfolge verzeichnet, darunter Maßnahmen zur Entwaffnung von Milizen und Zivilisten. Auch die Polizei in Mogadischu funktioniert merklich besser, als vor drei oder vier Jahren. Das Polizeikontingent der AMISOM ist aktiv. Es werden in der ganzen Stadt regelmäßig Patrouillen durchgeführt. Zusätzlich befinden sich Stützpunkte der Armee an neuralgischen Punkten der Stadt. Auch die National Intelligence and Security Agency (NISA) und ihre Spezialeinheiten werden in Mogadischu eingesetzt. Der wichtigste Faktor in Mogadischu ist aber die Präsenz der AMISOM. Sie ist in Mogadischu mit je einem Bataillon aus Uganda und Burundi, mit dem militärischen Stab und mit rund 300 Polizisten präsent. In einem gewissen Ausmaß stellt sie für al Shabaab einen Abschreckungsfaktor dar. Sie macht es für AS schwieriger, in die Stadt zu gelangen (BFA 8.2017). Auch die Regierung zeigt einige Bemühungen, die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. Allerdings sind diese ungenügend; korrupte, unbezahlte Soldaten und unzufriedene Clans in der Peripherie ermöglichen es der al Shabaab, Mogadischu zu infiltrieren (ICG 20.10.2017). Mogadischu ist folglich nicht absolut abgeschottet (BFA 8.2017). Der Amniyat ist schon seit Jahren in der Stadt aktiv und konnte Sicherheitsstrukturen unterwandern (ICG 20.10.2017). Insgesamt reicht die in Mogadischu gegenwärtig gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte nicht aus, um eine flächeneckende Präsenz sicherzustellen. Al Shabaab hingegen verfügt eindeutig über eine Präsenz in der Stadt (BFA 8.2017). Diese Präsenz ist aber keine offen militärische, sondern eine verdeckte (DIS 3.2017). Diese ist in den Außenbezirken stärker, als in den inneren. Zentral-Mogadischu ist relativ konsolidiert. Gleichzeitig hängt die Präsenz der Gruppe auch von der Tageszeit ab. Die nördlichen Bezirke - v.a. Dayniile und Heliwaa - werden in der Nacht von al Shabaab kontrolliert (BFA 8.2017). Insgesamt scheint sich die al Shabaab bei der Durchführung von Attentaten von Quantität auf Qualität verlegt zu haben. Dabei sucht die al Shabaab ihre Ziele v.a. im Bereich der Regierung. Für die Zivilbevölkerung ist das größte Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (DIS 3.2017; vergleiche LI 1.4.2016). Ob Mogadischu als sicher oder unsicher bezeichnet wird, hängt maßgeblich von der subjektiven Wahrnehmung und von persönlichen Erfahrungen ab (BFA 8.2017). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014). Mindestens einmal pro Monat kommt es zu einem signifikanten Sprengstoffanschlag. Tödliche, von al Shabaab inszenierte Zwischenfälle ereignen sich regelmäßig. Pro Monat töten die Islamisten ca. 20 Personen in Mogadischu. Dabei richten sich die Aktivitäten vorwiegend gegen die Regierung. Zusätzlich sind neben der al Shabaab auch andere Akteure für Mode und Attentate verantwortlich (BFA 8.2017). Bis in den Oktober 2017 hat Mogadischu eine moderate Verbesserung der Sicherheitslage erlebt. Die Zahl an Attentaten und Anschlägen ging zurück, die Sicherheitskräfte konnten einige Angriffe erfolgreich verhindern (ICG 20.10.2017). Andererseits schien sich al Shabaab später aus taktischen Überlegungen heraus auf Mogadischu zu konzentrieren. Dort sollen Anschläge - speziell auf sogenannte "soft targets" (z.B. Hotels und Märkte) - verstärkt werden (UNHRC 6.9.2017). In welche Richtung sich die Sicherheitslage mittelfristig entwickeln wird, ist schwer einschätzbar (BFA 8.2017). An der im September 2015 dargestellten Situation hat sich gemäß der Informationen der Fact Finding Mission 2017 nichts Wesentliches geändert (BFA 3./4.2017):

(BFA 10.2015; vergleiche EASO 2.2016)

In Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 120 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 102 dieser 120 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 217 derartige Vorfälle (davon 186 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in der Region Benadir entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt).

Minderheiten/Clans

Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.1.2017). Allerdings waren Regierung und Parlament für lange Zeit entlang der sogenannten

"4.5 Lösung" organisiert, welche bedeutet, dass die Vertreter der großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam die Hälfte dieser Sitze zustehen (ÖB 9.2016; vergleiche USDOS 3.3.2017). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren. Insgesamt hat sie bisher weder zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bedingten Gleichberechtigung beigetragen, noch hatte sie positive Auswirkungen auf das Miteinander auf Gemeindeebene (ÖB 9.2016). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017). Die Minderheiten sind im somalischen Parlament und der somalischen Regierung vertreten, ihre Stimme hat aber wenig Gewicht. Weder das traditionelle Recht xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen die Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. (SEM 31.5.2017). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 3.3.2017). Einzelne Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Gabooye) leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.1.2017). Minderheitengemeinden sind überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 3.3.2017). Gruppen wie die Rahanweyn, die Bantu oder die Madhiban können nur in geringerem Ausmaß auf Rücküberweisungen durch Angehörige in der Diaspora zählen, da sich in der Diaspora verhältnismäßig wenige Rahanweyn und Bantu finden (SEMG 8.11.2017). Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).

Somalia wird oft fälschlicherweise als ein Land mit ethnisch homogener Bevölkerung, Kultur und Sprache dargestellt. Die als solche wahrgenommene Mehrheit der Bevölkerung besteht aus nomadisch-viehzüchtenden ethnischen Somali, die die sogenannten "noblen Clans" Darood, Hawiye, Dir und - je nach Betrachtungsweise - Isaaq bilden. Diese Gruppen sprechen Af-Maxaa-tiri, die offizielle Sprache Somalias nach der Unabhängigkeit. Eine zweite große Gruppe bilden die primär sesshaften agrarisch-viehzüchtenden Gruppen, die im Gebiet zwischen den Flüssen Juba und Shabelle in Südsomalia ansässig sind und als Digil-Mirifle oder Rahanweyn bekannt sind (ACCORD: Clans in Somalia. Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.5.2009, überarbeitete Neuausgabe veröffentlicht 12.2009;

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe-20091215.pdf).

Bevölkerungsstruktur

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 3.3.2017). Eine andere Quelle besagt, dass laut einer Schätzung aus dem Jahr 2002 die Minderheiten zusammen ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Somalias ausmachen sollen (ÖB 9.2016). Jedenfalls gibt es in ganz Somalia eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.1.2017; vergleiche ÖB 9.2016, SEM 31.5.2017). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017). Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 4.2017a). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017). Allerdings gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016). Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können ihre Abstammung auf einen mythischen gemeinsamen Vorfahren namens Hiil bzw. dessen Söhne Samaale und Saab zurückverfolgen, die vom Propheten Mohammed abstammen sollen. Die meisten Minderheiten können eine solche Abstammung hingegen nicht geltend machen (SEM 31.5.2017).

Die Somalis sehen sich also als Nation arabischer Abstammung. Die "noblen" Clanfamilien sind meist Nomaden:

Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger (AA 4.2017a).

Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten - nicht aber die berufsständischen Gruppen - haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u.a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung;

Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben;

sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017).

Ethnische Minderheiten, aktuelle Situation

Ethnische Minderheiten haben eine andere Abstammung und in manchen Fällen auch eine andere Sprache als die restlichen Einwohner des somalischen Sprachraums. Es gibt keine zuverlässigen Angaben über ihre Anzahl. Schätzungen bewegen sich im Bereich zwischen 6% und einem Drittel der Bevölkerung Somalias. Die wichtigsten ethnischen Minderheiten sind (SEM 31.5.2017):

Die soziale Stellung der ethnischen Minderheiten ist unterschiedlich. Die Benadiri sind gemeinhin als Händler respektiert (SEM 31.5.2017). Die Existenz einer dynamischen Wirtschaftsgemeinde der Benadiri ist erwiesen (UKUT 5.11.2015). Ihnen ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen. Außerdem sind die meisten in Mogadischu verbliebenen Benadiri-Kaufleute verhältnismäßig wohlhabend und können sich Schutz zukaufen (EASO 8.2014). Benadiri können sich auf der Suche nach einem Lebensunterhalt an diese Gemeinde wenden (UKUT 5.11.2015).

Auf die sesshaften Bantu hingegen, die teils einst als Sklaven ins Land gekommen waren, blicken die meisten Somali herab (SEM 31.5.2017). Die Bantu werden aufgrund ihrer Ethnie diskriminiert (UNHRC 28.10.2015). Es gibt aber auch höherrangige Bantu, z.B. Brigadegeneral Mohamud Haji Ahmed Ali "Shegow" (SEMG 8.11.2017).

Der Konflikt zwischen der Bantu-Gruppe der Shiidle und den Hawiye/Abgal hat in der Vergangenheit immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen geführt. Im November 2013 wurden dabei etwa 5.000 Shiidle aus zwanzig Dörfern nordöstlich von Jowhar (Middle Shabelle) vertrieben (SEMG 8.11.2017; vergleiche AA 1.1.2017). Im April 2017 kam es nach Kämpfen zwischen Milizen der Hawiye/Abgal/Wacbudan/Eli und der Jareer/Shiidle/Bare erneut zur Vertreibung von mehr als 5.000 Jareer aus drei Dörfern in der Nähe von Balcad. Verantwortlich dafür waren Abgal-Milizen und einige unterstützend wirkende Elemente der somalischen Armee. Es gibt kaum Berichte über physischen Schaden an Zivilisten; allerdings wurden die Dörfer geplündert und zum Teil niedergebrannt. Die meisten Menschen flüchteten in die Nähe des AMISOM-Stützpunktes in Balcad (SEMG 8.11.2017). Im August 2017 wurde eine neue Bezirksverwaltung für Balcad ernannt; nunmehr sind lokale Clans besser repräsentiert. Die neue Verwaltung hat harte Maßnahmen gegen die Konfliktparteien angekündigt, falls weitere Gewalttaten erfolgen sollten; bislang scheint die Drohung zu wirken (SEMG 8.11.2017).

Da sich ethnische Minderheiten durch die auf der Basis von Clans arrangierte Machtteilung in der Regierung benachteiligt sehen, versucht al Shabaab dies für die eigenen Zwecke auszunutzen und dort um Unterstützung zu werben (UNSOM 18.9.2017). In Gegenden, aus welchen sich al Shabaab zurückgezogen hat, könnte es zu Repressalien gegen einzelne Minderheitenangehörige kommen, wenn diese al Shabaab unterstützt hatten (SEM 31.5.2017; vergleiche EASO 8.2014).

Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation

Berufsständische Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich Abstammung, Sprache und Kultur nicht von der Mehrheitsbevölkerung. Anders als die "noblen" Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten (SEM 31.5.2017). Madhiban sind in ganz Somalia zu finden, speziell aber im Norden des Landes (SEMG 8.11.2017). Ein v.

a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017).

Dabei sind Madhiban teils schwerer Diskriminierung ausgesetzt. Ein Beispiel der Benachteiligung zeigt sich im Konflikt um Galkacyo, wo die Madhiban durch humanitäre Organisationen benachteiligt wurden. Da den Madhiban in IDP-Lagern dort die Aufnahme verweigert wurde, haben sie mit Hilfe einiger Angehöriger in der Diaspora den Kauf eines geeigneten Grundstücks in Galkacyo organisiert, um dort Madhiban-IDPs unterzubringen. Im August 2017 taten es die Tumal den Madhiban gleich (SEMG 8.11.2017).

Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe oder Misshandlungen hinsichtlich der Gabooye (SEM 31.5.2017).

Einzig in der Frage der Mischehen besteht noch eine gesellschaftliche Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Als besonders problematisch wird es angesehen, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch. Mischehen kommen äußerst selten vor - insbesondere die zuletzt genannte Konstellation. Es bestehen aber offenbar regionale Unterschiede: Im clanmäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017).

Kommt eine Mischehe zustande, dann kommt es häufig zur Verstoßung der betroffenen Person durch die eigenen Familienangehörigen (des Mehrheits-Clans). Sie besuchen sie nicht mehr, kümmern sich nicht um ihre Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck. Die Gesprächspartner der Fact-Finding Mission bekräftigten, dass es unter solchen Umständen so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötungen kommt. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017).

Insgesamt ist aber die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel weniger gut organisiert sind und eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. die Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum benachteiligt Minderheitenangehörige bei der Arbeitssuche, bei der ohnehin auch oft schon die Clanzugehörigkeit zu Diskriminierung führen kann. Da sie über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren Angehörige berufsständischer Gruppen zudem in geringerem Ausmaß von Auslandüberweisungen als die Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017).

Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige der berufsständischen Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Sie stellen zwar nach wie vor die ärmste Bevölkerungsschicht; trotzdem gibt es Minderheitenangehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. (SEM 31.5.2017).

Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit

Auch Angehörige "starker" Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gilt, dass eine Einzelperson immer dann in der "Minderheiten"-Rolle ist, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Sie gilt als "Gast" in dem Territorium, was sie in eine schwächere Position bringt als die "Gastgeber". In diesem System von "hosts and guests" sind also Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als "Gäste". Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017). Dabei sind IDPs, die einem Minderheitenclan angehören, doppelt benachteiligt. Da sie oftmals nicht auf verwertbare Clanverbindungen oder auf den Schutz eines Clans zurückgreifen können sind sie Diskriminierung ausgesetzt (USDOS 3.3.2017).

In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 3.3.2017). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung im Lichte der jeweiligen Clan- bzw. Subclan-Zugehörigkeit auszugehen. Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung beispielsweise im Rahmen staatlicher Vergabeverfahren, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 1.1.2017), beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 3.3.2017). Angehörige eines (Sub-)Clans können in Gebieten, die von einem anderen (Sub-)Clan dominiert werden, darüber hinaus auch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 1.1.2017).

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Grundversorgung/Wirtschaft

Generell hätte Somalia großes wirtschaftliches Potential, sei es im Agro-Business, in der Viehzucht, der Fischerei oder im Handel, bei erneuerbaren oder anderen Energiequellen. Außerdem verfügt Somalia über sehr unternehmerische Staatsbürger, sowohl im Land als auch in der Diaspora. Dieses Potential wäre vorhanden (UNSOM 13.9.2017). Die Diaspora investiert auch seit mehreren Jahren auf unterschiedliche Art in ganz Somalia (SHU 16.6.2016). Laut Schätzungen überweist die Diaspora pro Jahr mehr als 1,3 Milliarden US-Dollar in die Heimat. Damit ist die somalische Wirtschaft aber gleichzeitig eine der am meisten von Remissen abhängigen Ökonomien der Welt (SHU 16.6.2017).

Doch noch gehört Somalia zu den ärmsten Ländern der Erde. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung kann sich nicht ausreichend mit Lebensmitteln und Trinkwasser versorgen (AA 4.2017b). Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia seit Jahrzehnten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe (AA 1.1.2017; vergleiche AA 4.2017b). Das Land ist also in hohem Grade von Hilfe abhängig (UNSOM 13.9.2017). 43% der somalischen Bevölkerung leben in extremer Armut von weniger als einem US-Dollar pro Tag (UNHRC 6.9.2017).

Fehlende Daten machen es schwierig, die makro-ökonomische Situation Somalias ausreichend beschreiben zu können. Schätzungen zufolge ist das BIP im Jahr 2015 um 5% gestiegen, im Jahr 2016 um 6%. Die Prognose für 2017 lautet auf ein Wachstum von 2,5%.

Dabei ist dieses Wachstum vor allem im urbanen Raum entstanden und von Konsum, Remissen und Gebergeldern abhängig (WB 18.7.2017).

Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar (ÖB 9.2016). Das gegebene Wachstum des BIP ist in Somalia ein urbanes Phänomen, getrieben vom Konsum, von Hilfen aus dem Ausland und von Überweisungen aus der Diaspora. Dabei wirkt sich das von al Shabaab im Juni 2017 in drei Bundesstaaten ausgesprochene Verbot der Verwendung des Somali Shilling negativ aus, der Kurs der Währung ist gefallen (UNSC 5.9.2017; vergleiche SEMG 8.11.2017). Mit ein Grund für das Verbot der al Shabaab war sicherlich das nicht regulierte und nicht genehmigte Nachdrucken von Banknoten durch die State Bank of Puntland (SEMG 8.11.2017).

Es gibt unterschiedliche Zahlen darüber, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Somalia ist. Am Human Development Index 2012 wurde die allgemeine Arbeitslosigkeit mit 54% angegeben, für Jugendliche (14-29jährige) mit 67% (ÖB 9.2016; vergleiche SHU 16.6.2017). UNDP gab die Zahl im Jahr 2012 mit 67% an. Bei der aktuellen Studie aus dem Jahr 2016 gaben aber nur 14,3% der befragten Jugendlichen (Mogadischu 6%, Kismayo 13%, Baidoa 24%) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist, als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat; c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von "arbeitslos" unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016). Außerdem sind nach anderen Angaben viele Männer aufgrund ihres Khat-Konsums mehr oder weniger berufsunfähig - ein Grund, warum oft Frauen als Familienerhalterinnen einspringen müssen (SZ 13.2.2017).

All dies bedeutet jedenfalls, dass man die Arbeitslosigkeit in Somalia und in Mogadischu nicht beziffern kann (LI 1.4.2016). Insgesamt sind zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren (ÖB 9.2016). Außerdem haben sich bisherige Studien darüber, wie Menschen in Mogadischu ihren Lebensunterhalt bestreiten, auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel - v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LI 1.4.2016).

Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose jedenfalls keinerlei Unterstützung (LI 1.4.2016). In einer Studie von IOM gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60%) und von Verwandten im Ausland (27%) versorgt zu werden (IOM 2.2016). Insgesamt ist das traditionelle Recht (xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.:

in etwa die unterste Ebene des Clansystems] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017).

2015 wurde ein Wirtschaftsaufschwung am Hafen Mogadischus registriert. Dank der reduzierten Bedrohung durch Piraterie und die dadurch verbesserte Sicherheitslage interessieren sich immer mehr Investoren für Mogadischu. Die somalische Wirtschaft ist jedoch im Allgemeinen weiterhin fragil. Dies hängt mit der schmalen Wirtschaftsbasis zusammen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist nach wie vor von der Tierhaltung und Fischerei abhängig und damit externen und Umwelt-Einflüsse besonders ausgesetzt (ÖB 9.2016).

Es kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung (LI 1.4.2016). In der Stadt gibt es eine steigende Nachfrage an Hilfsarbeitern. Früher hatten die nicht-Ausgebildeten größere Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt aber auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit. Mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu sind auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen (IOM 2.2016; vergleiche LI 1.4.2016). Dementsprechend sind unqualifizierte Arbeitskräfte, bei denen es nur um physische Kraft geht (Bauwirtschaft, Hafenarbeiter etc.) in Mogadischu zahlreich verfügbar. Junge Kandidaten werden bevorzugt (IOM 2.2016).

Einen großen Bedarf gibt es an folgenden ausgebildeten Kräften und Fähigkeiten - bzw. womöglich auch an Ausbildungswilligen: Handwerker (Tischler, Maurer, Schweißer etc.); im Gastgewerbe (Köche, Kellner etc.); Schneider; Ingenieure; medizinisches Personal;

fortgeschrittene IT- und Computerkenntnisse; Agrarfachwissen;

Lehrkräfte auf allen Ebenen. Einen Bedarf gibt es auch an folgenden Arbeitskräften und Fähigkeiten: Mechaniker, Elektriker, Installateure, Fahrer von Spezialfahrzeugen; Betriebswirte und Buchhalter; Verkauf und Marketing; Englisch-Sprechern; IT- und Computerkenntnisse (IOM 2.2016). Der Mangel an Fachkräften ist so groß, dass in manchen Bereichen auf Gastarbeiter zurückgegriffen wird (z.B. im Gastgewerbe auf Kenianer und Somaliländer; oder im Baugewerbe auf Handwerker aus Bangladesch) (LI 1.4.2016; vergleiche IOM 2.2016).

Fast alle in der Studie von IOM befragten Arbeitgeber haben angegeben, dass sie mittelfristig mehr Personal einstellen wollen (IOM 2.2016). Weil freie Arbeitsplätze oft nicht breit beworben werden und die Arbeitgeber den Clan und die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne richtige Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen (IOM 2.2016; vergleiche DIS 9.2015), Witwen und Migranten ohne Familien schlechtere Chancen (DIS 9.2015). Arbeitssuchende greifen also auf ihre privaten Netzwerke zurück. Größere Firmen platzieren Jobangebote auch an Hauswänden oder in lokalen Medien. Öffentliche Stellen greifen auch auf Onlinemedien zurück (z.B. baidoanews.net oder somalijobs.net). Männliche Hilfsarbeiter stellen ihre Arbeitskraft frühmorgens an bestimmten Plätzen zur Verfügung (Mogadischu: Bakara; Baidoa: Kilo 7; Kismayo: Golol Place) (IOM 2.2016).

Der militärische Erfolg gegen al Shabaab in Mogadischu hat dazu geführt, dass viele Somali aus der Diaspora zurückgekehrt sind (BS 2016; vergleiche LI 1.4.2016). Die Rückkehrer haben investiert und gleichzeitig eine wachsende Nachfrage geschaffen (LI 1.4.2016). Außerdem traten neue Investoren in den Vordergrund, z.B. die Türkei (BS 2016; vergleiche LI 1.4.2016), China und die Golf-Staaten (LI 1.4.2016). Die Wirtschaft von Mogadischu hat begonnen zu wachsen. Dies wird angesichts des Baubooms am offensichtlichsten (BS 2016). Heute ist Mogadischu vom Wiederaufbau, ökonomischer Wiedererholung und Optimismus gekennzeichnet (LI 1.4.2016). Supermärkte, Restaurants und Hotels wurden neu geöffnet. Auch in anderen, der al Shabaab abgerungenen Städten steigt die Zahl wirtschaftlicher Aktivitäten (BS 2016).

Viele UN-Agenturen (bspw. UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen (ÖB 9.2016). Die UNO betreibt in Somalia gegenwärtig 18 auf Jugendliche zugeschnittene Programme und hat dort 28 Mio. US-Dollar investiert. Sieben dieser Programme unterstützen die (Berufs-)Ausbildung um die Jugendarbeitslosigkeit zu senken (UNSC 5.9.2017). Der Somalia Stability Fund betreibt Infrastrukturprojekte in Hobyo, Xudur und Berdale - dadurch wurden Arbeitsplätze geschaffen. UNDP und UNIDO unterstützen Jugendliche in Jubaland, um deren Arbeitschancen zu erhöhen - etwa durch Ausbildung, Mikrokredite. In Afmadow wurde mit Unterstützung von USAID ein neuer Markt eröffnet. USAID unterstützt auch den Wiederaufbau auf Gemeindeebene, u.a. in den Bezirken Kismayo, Baardheere und Diinsoor (UNSC 5.9.2017).

Das meiste Einkommen lukriert Somalia mit Viehexport, Häuten, Fisch, Holzkohle und Bananen. Ein Schlüsselelement der Wirtschaft ist der Telekommunikationsbereich. Außerdem sind seit dem Rückzug der al Shabaab aus Mogadischu einige Bereiche stark gewachsen: Die öffentliche Verwaltung; internationale Organisationen; Botschaften; der Bausektor; und der Dienstleistungsbereich (Hotels, Restaurants, Transportsektor, Schulen, Spitäler etc.) (LI 1.4.2016). Viele Bereiche liegen in den Händen privater Anbieter (LI 1.4.2016; vergleiche BS 2016). Neben Schulen und Spitälern wird beispielsweise auch die Steuer von einer Privatfirma eingehoben. Berechnungen zufolge ist die somalische Wirtschaft ständig gewachsen; für 2014 schätzt der IWF das Wachstum auf 3,7% (LI 1.4.2016). Ein potentieller Wachstumssektor wäre auch die Fischindustrie. Die somalischen Hoheitsgewässer beherbergen einige der reichsten Fischgründe der Welt. Es mangelt aber noch an Ausbildung für Fischer, an Ausrüstung und Regulierungen. OXFAM und die EU unterstützen den diesbezüglichen Ausbau der Kapazitäten (OXFAM 30.9.2015).

Aufgrund der Tatsache, dass bereits eine Anzahl von somalischen Flüchtlingen bereit ist, freiwillig zurückzukehren, besteht eine berechtigte Hoffnung das Land als zunehmend sicherer und bewohnbarer zu qualifizieren (ÖB 9.2016).

Dürresituation

Vier aufeinanderfolgende Regenzeiten sind ausgefallen. Diese Dürre hat nahezu zu einem Gesamtausfall der Ernte geführt und zur Reduzierung der Arbeitsmöglichkeiten in ländlichen Gebieten beigetragen. Die Dürre hat zu Engpässen bei Wasser und Weideland geführt - und in der Folge zur Verendung von Viehbestand. Insbesondere ärmere Haushalte haben Probleme, die stark angestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel bezahlen zu können; und andererseits können sie durch den Verkauf von Vieh kaum Einkommen erwerben (WB 18.7.2017). Drei Jahre Dürre haben zu einer humanitären Krise geführt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist von Nahrungsmittelknappheit, von Kindersterblichkeit und Unterernährung betroffen. Rund 60% des Viehbestands wurde vernichtet, wobei die Viehzucht das Haupteinkommen großer Bevölkerungsteile darstellt (UNHRC 6.9.2017). Dabei hat die Dürre Auswirkungen auf alle ökonomischen Aktivitäten in Somalia, darunter Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei. Mittlerweile machen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der Dürre auch substantiell im Bundesbudget bemerkbar (UNSC 5.9.2017). Allerdings ist der Schaden an Leben und Lebensbedingungen - vor allem von Frauen, Kindern und Benachteiligten - enorm (UNSOM 13.9.2017). Für die Zukunft wird an Programmen gearbeitet, um Resilienz gegenüber künftigen Dürreperioden zu entwickeln (UNSC 5.9.2017).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht gewährleistet (AA 1.1.2017). Die Versorgungslage ist durch geringe Ernteerträge und Trockenperioden anhaltend schlecht. Aufgrund der schwierigen Sicherheitslage und Einschränkungen durch die Aktivitäten diverser Milizen, ist es für humanitäre Organisationen eine Herausforderung benachteiligte Bevölkerungsteile zu erreichen (ÖB 9.2016).

Zu Beginn des Jahres 2017 hatte sich die humanitäre Lage in Somalia mit alarmierender Geschwindigkeit verschlechtert. Der somalische Präsident hat am 28.2.2017 den nationalen Notstand ausgerufen und um verstärkte Hilfe der internationalen Gemeinschaft gebeten (UNSC 9.5.2017). Am 2.2.2017 wurde für Somalia eine Alarm-Erklärung hinsichtlich einer bevorstehenden Hungersnot ("pre-famine alert") ausgegeben. Danach wurden humanitäre Aktivitäten weiter hochgefahren (SEMG 8.11.2017). Zuletzt hat am 5.12.2017 die Regierung von Puntland den Notstand ausgerufen und um Nahrungsmittel- und Wasserlieferungen gebeten (VOA 5.12.2017).

Die somalische Regierung hat aufgrund der Lage in Zusammenarbeit mit humanitären Kräften die Planung von einer Reaktion auf die Dürre ("drought response") bereits auf die Prävention einer Hungersnot ("famine prevention") umgestellt (UNHRC 6.9.2017). Nur die rasche Unterstützung internationaler humanitärer Partner und somalischer Organisationen hat eine Hungersnot verhindert (SEMG 8.11.2017). Hungertote wurden nur sehr sporadisch gemeldet, so etwa im Jänner 2017 aus Bay (UNSOM 16.1.2017) und Gedo (SMN 15.1.2017) sowie im März 2017 aus Bay (BBC 4.3.2017).

Das Risiko einer Hungersnot besteht jedoch auch weiterhin (FEWS 30.12.2017; vergleiche UNSOM 13.9.2017, UNHCR 30.11.2017b). Die Gu-Regenfälle (März-Juni) sind im Durchschnitt wieder schwach ausgefallen, in Somaliland und Puntland erreichten sie nahezu normale Werte. In einigen Gebieten ist das Risiko einer Hungersnot größer geworden, die Nahrungsmittelsicherheit wird sich auch bis Ende 2017 nicht verbessern. In den Regionen Galgaduud, Gedo, Mudug, Middle und Lower Shabelle wird sogar eine Verschlechterung erwartet. In einigen Gebieten hat sich die Situation also entspannt, aufgrund der Länge der diesmaligen Dürre ist aber von einer tatsächlichen Erholung erst nach zwei aufeinanderfolgenden Perioden guter Regenfälle auszugehen (UNSC 5.9.2017). Auch wenn bisher das Schlimmste verhindert worden ist (UNNS 13.9.2017; vergleiche UNSC 5.9.2017), besteht auch im zweiten Halbjahr 2017 weiterhin das Risiko einer Hungersnot (UNSC 5.9.2017). Auch die Deyr Regenfälle gegen Ende 2017 sind in den meisten Landesteilen unterdurchschnittlich ausgefallen. Nur einige begrenzte Gebiete in Zentralsomalia sowie entlang der äthiopischen Grenze konnten durchschnittliche oder überdurchschnittliche Niederschläge aufweisen (FEWS 3.1.2018).

Im ersten Trimester 2017 waren 6,2 Millionen Menschen von akuter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, davon waren knapp drei Millionen auf akute lebensrettende Hilfe angewiesen (UNSC 9.5.2017). In der Folge hat sich die Situation verschlechtert, die Zahl der auf Unterstützung angewiesenen Menschen ist auf 6,7 Millionen gestiegen. Davon benötigen 3,2 Millionen akute lebensrettende Hilfe (UNSC 5.9.2017). 70% der Menschen, die unmittelbar auf Hilfe angewiesen sind, befinden sich in Süd-/Zentralsomalia, wo der Zugang durch Sicherheitsprobleme und die al Shabaab behindert wird (UNHRC 6.9.2017); dies betraf sowohl Gebiete außerhalb der als auch unter Kontrolle von al Shabaab. Während aber die Gruppe bei der Hungersnot im Jahr 2011 aufgrund ihrer Blockade erheblich zur hohen Zahl von 260.000 Hungertoten beigetragen hatte, verteilte al Shabaab diesmal - auch zu Propagandazwecken - selbst Hilfsgüter. Dies betraf Gebiete in Bay, Bakool, Galgaduud, Hiiraan, Lower Shabelle und Mudug. Andererseits wurde humanitäre Hilfe von außen auch diesmal behindert oder blockiert; wurde die Einhebung von Steuern verstärkt; wurden humanitäre Bedienstete entführt; und Hilfslieferungen an Straßensperren besteuert. Immerhin wurde diesmal vor der Dürre Flüchtenden in manchen Fällen die Weiterreise gewährt. Auch Behörden haben die Arbeit humanitärer Kräfte auf unterschiedliche Art behindert (SEMG 8.11.2017; vergleiche USDOS 3.3.2017). Berichte prognostizieren, dass im Jahr 2018 6,2 Millionen Menschen - und damit die Hälfte der Bevölkerung - auf Hilfe angewiesen sein werden (UNHCR 30.11.2017b).

Rund 900.000 Kinder sind akut unterernährt (UNHRC 6.9.2017). Die Zahl der akut unterernährten Kinder könnte bis Ende 2017 auf 1,4 Millionen ansteigen, darunter 275.000 mit schwerer - lebensbedrohlicher - akuter Unterernährung (UNHRC 6.9.2017; vergleiche UNSC 5.9.2017). Bis Juni 2017 wurden fast 400.000 Betroffene behandelt, mehr als 173.000 Kinder erhielten Unterstützung, damit sie weiterhin die Schule besuchen können. Insgesamt wurden drei Millionen Menschen durch Unterstützung erreicht, teils auch durch Geld-Programme (UNSC 5.9.2017). Alleine der UNHCR erreichte im Zeitraum 11.2016-11.2017 mehr als 800.000 Menschen (UNHCR 30.11.2017b). Über 80% der Nahrungsmittelhilfe erfolgt durch Geld und Gutscheine (SEMG 8.11.2017). 225 Ernährungszentren wurden eingerichtet. Im Zeitraum Jänner-August 2017 wurde für 3,5 Millionen Menschen der Zugang zu sauberem Wasser gewährleistet. Auch AMISOM hat Wasserbohrungen durchgeführt. 18,5 Millionen Stück Vieh wurden behandelt und dadurch 2,8 Millionen Menschen geholfen (UNSC 5.9.2017). Bereits im April 2017 konnte für 1,7 Millionen Menschen der Zugang zu Nahrungsmitteln verbessert werden. Alleine im März 2017 wurden 332.000 Kinder ernährungstechnisch behandelt. Dabei behindert al Shabaab nach wie vor den Zugang zu Menschen in Not auf dem Gebiet unter Kontrolle dieser Gruppe (UNSC 9.5.2017). Aufgrund der schnellen und großzügigen Beiträge konnte das Schlimmste verhindert werden. Pro Monat werden über drei Millionen Menschen erreicht (UNSOM 13.9.2017). Mobile Teams des somalischen Roten Halbmonds dringen auch in entlegene Gebiete vor (ICRC 28.7.2017).

900.000 Menschen mussten im Jahr 2017 ihre Heimat in Somalia verlassen (UNSOM 13.9.2017); nach anderen Angaben hat die Dürre zur Vertreibung von 714.000 Menschen geführt - zusätzlich zu den bereits davor existierenden rund 1,1 Millionen IDPs (UNHRC 6.9.2017). Davon suchten rund 7.000 Schutz in Äthiopien und Kenia (UNSC 5.9.2017).

Die internationale Unterstützung erfolgte diesmal relativ rasch, die Anstrengungen sind besser koordiniert. Auch auf nationaler Ebene wurde reagiert und geholfen. Die Regierung hat Anstrengungen unternommen, selbst Studenten wurden ermutigt, jeweils 10 USD zu spenden. Firmen und Wirtschaftstreibende haben signifikant zu den Hilfskampagnen beigetragen (ICG 9.5.2017). Insgesamt erreichen Hilfsprojekte der UN oder von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen in der Regel aber nicht die gesamte Bevölkerung. Dies gilt im Großen und Ganzen auch für Puntland, allerdings erreichen dort Hilfsorganisationen im Falle einer Dürrekatastrophe aufgrund der besseren Sicherheitslage mehr Menschen (AA 1.1.2017). Überhaupt variiert die Abdeckung mit internationaler humanitärer Unterstützung regional. Die meisten Gebiete in Somaliland und Puntland sind besser abgedeckt, die Möglichkeiten in Süd-/Zentralsomalia mehr eingeschränkt (ICG 9.5.2017). Die Situation in Puntland ist also besser als im Süden, mehr Menschen haben Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung. In Puntland hat der Handel über Seehäfen und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt einen spürbaren Aufschwung genommen, der jedoch bislang fast ausschließlich der dort lebenden Stadtbevölkerung zu Gute kommt (AA 4.2017b).

Rückkehrspezifische Grundversorgung

Viele Angehörige der somalischen Diaspora wagen in diesen Tagen die Rückkehr. In der Hauptstadt lässt sich die Aufbruch-Stimmung an unzähligen Baustellen und an neuen Straßen, Cafés und Geschäften ablesen. Ausländische Diplomaten, Berater und Helfer strömen ins Land. Botschaften werden gebaut. Doch die meisten Ausländer verschanzen sich hinter hohen Sprengschutzmauern auf dem geschützten Flughafengelände (DW 27.9.2017). Alleine aus der Region zählte der UNHCR im Zeitraum 2014-2017 in Somalia 109.317 freiwillige Rückkehrer (UNHCR 30.11.2017b).

Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. So berichteten Personen, die aus Kenia nach Orte in Süd-/Zentralsomalia zurückgekehrt waren, über mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten. UNHCR gewährt finanzielle Unterstützung und bietet temporäre Unterkünfte (USDOS 3.3.2017). Allerdings wird - z.B. seitens des UNHCR - versucht, hier Abhilfe zu schaffen. Ein ohne Bedingungen ausgegebenes, sogenanntes Rückkehrpaket enthält: ein aus Sachgütern bestehendes Paket (etwa: Decken, Seife, Planen, Kanister etc.); eine einmalige Wiedereingliederungshilfe von 200 US-Dollar pro Person; eine auf sechs Monate begrenzte Reintegrationshilfe von 200 US-Dollar pro Haushalt; eine zusätzliche, auf sechs Monate begrenzte Unterstützung mit Essensrationen; eine Bildungsunterstützung, auf neun Monate begrenzt, von 25 US-Dollar pro Kind und Monat (zusätzlich: Schuluniformen, Schulmaterial); und - bei Auswahl - bis zu 1.000 US-Dollar für eine Unterkunft; sowie die Aufnahme in Selbsterhaltungsprojekte (UNHCR 30.11.2017a). In Programmen aufgenommenen Rückkehrern gewährt UNHCR einmalige Wiedereingliederungshilfen und für sechs Monate Reintegrationshilfe. Im November 2017 wurden derartige Gelder an knapp 27.000 Rückkehrer ausbezahlt (rd. 6.000 Haushalte). Andere profitierten von sog. cash-for-work Programmen oder erhielten eine Ausbildung (UNHCR 30.11.2017b). Die EU unterstützt zahlreiche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer in Somalia mit mehr als 33 Millionen Euro aus dem EU Trust Fund (EEAS 5.4.2017).

Außerdem hat der UNHCR im Zeitraum 1.-11.2017 1.306 Unterkünfte und 409 Latrinen für Rückkehrer gebaut (UNHCR 30.11.2017b). In Puntland und Somaliland hat die UN für Rückkehrer und IDPs mehr als 5.000 "housing units" errichtet (BFA 3./4.2017). In sog. community empowerment activities werden Rückkehrer in die Rehabilitation von wichtiger öffentlicher Infrastruktur eingebunden. Derartige Projekte laufen etwa in Galkacyo, Baidoa, Kismayo, Afmadow, Luuq und Mogadischu. In anderen Projekten werden Rückkehrer in Berufen ausgebildet. So etwa in Hargeysa (Elektriker, Maler, Installateure, Köche, Schneider), Kismayo (Geflügelzucht), Baidoa (Tischler). Zusätzliche Programme richten sich an Kleinhändler, z.B. in Garoowe, Bossaso, Kismayo, Hargeysa, Luuq und Mogadischu (UNHCR 30.11.2017a). In den Straßen Kismayos sind kleine Geschäfte zu sehen, die von zurückgekehrten ehemaligen Flüchtlingen betrieben werden (UNHCR 18.12.2017). Auch die EU-Agentur ECHO unterstützt mit Programmen und dem Social Safety Net Project 5.000 vulnerable Haushalte (ca. 30.000 Personen) (ACTED 6.12.2017).

Der Jilib [Anm.: in etwa die unterste Ebene des Clansystems] ist u.

a. dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017). Daher gilt als allgemeine Regel, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Allerdings wurde das Konzept der Clan-Solidarität in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen (DIS 9.2015).

Beide - Familie (auch die erweiterten und entfernt verwandten Teile) und Clan - bleiben einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung) geht. Eine Person, die an einen neuen Wohnort zieht, erwartet sich die Akzeptanz des Clans in der lokalen Gemeinschaft. Diese Akzeptanz bedeutet, dass die Menschen über den Neuankömmling und seine Verbindungen Bescheid wissen; damit steht auch der Schutz in Verbindung, den diese Person vom Clan erlangen kann. Dies gilt auch für Rückkehrer, doch können diese ja nach Fähigkeiten und Kapazitäten auch autark leben, ohne einer Clan-Belästigung ausgesetzt zu sein. Auf der anderen Seite ist eine schwache Person mit wenigen Ressourcen auf die Unterstützung von Angehörigen, Verwandten oder einem engen Netzwerk angewiesen, um Unterkunft und Einkünfte zu erlangen. Grundsätzlich wird dabei nicht zuerst der Clan um Unterstützung angefragt (DIS 9.2015). Hier wendet man sich zuerst an die Familienebene. Wenn aber eine Person in einem Gebiet weder über Kernfamilie noch über Verwandte verfügt, dann kann der Clan Ressourcen zur Verfügung stellen (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014), wobei dies im Falle von Mogadischu eher bei großen Clans Erfolg haben wird (UKUT 3.10.2014). Eine übersiedelnde Person, wird sich in einem IDP-Lager wiederfinden und sich keinen Lebensunterhalt sichern können, wenn sie in einer Stadt weder über Kern- oder erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügt (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 5.11.2015) noch auf Remissen zurückgreifen kann (UKUT 5.11.2015). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ 11.2017).

Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann also in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängen. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem wenn sie aus dem Westen zurückkehren (ÖB 9.2016). Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015).

Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015).

Rückkehr

Bereits in einer Studie aus dem Jahr 2016, bei welcher 130 Somali der Diaspora in London, Minneapolis, Toronto, Bern, Malmö, Amsterdam und Helsinki befragt wurden, gaben viele an, bereits nach Somalia zu reisen (UNHCR 1.2016). Schon nach den Jahren 2011 und 2012 hat die Zahl der aus der Diaspora nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehrenden Menschen stark zugenommen. Es gibt keine Statistiken, doch alleine die vollen Flüge nach Mogadischu und die sichtbaren Investments der Diaspora scheinen die Entwicklung zu bestätigen (EASO 12.2017). Auch weiterhin bleibt die steigende Rückkehr von somalischen Flüchtlingen nach Somalia eine Tatsache. Viele Angehörige der somalischen Diaspora wagen in diesen Tagen die Rückkehr (DW 27.9.2017; vergleiche ÖB 9.2016). Die Gründe dafür sind: intensivierte Bemühungen Kenias, somalische Flüchtlinge nach Somalia zu repatriieren; der Krieg im Jemen, der somalische Flüchtlinge zur Rückkehr bewegte; Anstrengungen anderer Staaten, die aufgrund der voranschreitenden territorialen Befreiung von der al Shabaab Druck auf somalische Flüchtlinge ausüben (ÖB 9.2016); die herrschende Aufbruchstimmung z. B. in Mogadischu (DW 27.9.2017). Auch der Rückkehrtrend somalischer Flüchtlinge aus dem Jemen kann als Zeichen dafür gedeutet werden, dass mehr und mehr Familien eine Zukunft in Somalia als annehmbare Alternative sehen (ÖB 9.2016). Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft (BFA 3./4.2017).

Der UNHCR und andere internationale Partner unterstützen seit 2015 die freiwillige Rückkehr von Somaliern aus Kenia (AA 1.1.2017). Dabei haben die drei Parteien die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen und des Non-Refoulement zugesichert (UNHRC 28.10.2015; vergleiche LI 1.4.2016). Im Zeitraum 2014-2017 zählte der UNHCR in Somalia 110.913 freiwillige Rückkehrer aus der Region (UNHCR 31.12.2017). 74.606 davon kehrten aus Kenia zurück und weitere 34.077 aus dem Jemen. Alleine im November 2017 kehrten 663 Somalia aus Kenia und 156 aus dem Jemen in ihre Heimat zurück (UNHCR 30.11.0217b), im Dezember 2017 waren es 1.596 (UNHCR 31.12.2017). Mindestens 19.000 rückkehrwillige Somali warten in Kenia auf ihren Transport (UNHCR 20.12.2017).

Seit Beginn der Krise im Jemen im März 2015 kamen von dort 34.085 Somali zurück nach Somalia; davon 33.667 spontan und 418 mit Unterstützung. Im Jahr 2017 waren es 4.610, davon 4.192 spontan (UNHCR 30.11.0217b). Im Jemen warten weitere rückkehrwillige Somali auf Hilfe, um nach Hause zurückzukommen. UNHCR kann weiteren 10.000 bei der Rückkehr behilflich sein. Die meisten der Rückkehrer wollen nach Mogadischu (UNNS 19.5.2017; vergleiche RMMS 7.2016). Nur rund 15-20% bleiben in Somaliland oder Puntland (BFA 3./4.2017). IOM unterstützte zahlreiche Rückkehrer aus dem Jemen mit Weitertransport - v.a. nach Mogadischu (USDOS 3.3.2017).

Insgesamt erfolgte die Rückkehr teils auf dem Landweg (etwa über Dhobley), teils auf dem Luftweg (etwa nach Kismayo) und teils auf dem Seeweg (vor allem aus dem Jemen) (UNHCR 30.11.2017a; vergleiche UNHCR 30.11.2017b). Auch nach Mogadischu gab es Flüge mit Rückkehrern (BFA 3./4.2017). Eines der maßgeblichen Zielgebiete der Rückkehrer ist Kismayo und das südliche Jubbaland. Deutschland unterstützt dort ein Vorhaben, das der Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinden für freiwillige Rückkehrer dient (AA 1.1.2017).

Soweit bekannt blockieren die somalischen Behörden Rückführungen nach Süd-/Zentralsomalia nicht. Es ist auch nicht bekannt, dass die somalischen Behörden Rückkehrer überwacht oder misshandelt haben (NLMBZ 11.2017). Laut einer anderen Quelle liegen hinsichtlich der Behandlung rückgeführter somalischer Staatsangehöriger keine belastbaren Erkenntnisse vor, da insbesondere westliche Staaten Rückführungen nur in sehr begrenztem Ausmaß durchgeführt haben. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge dieser Personengruppe, sondern das gelegentlich unvorhersehbare Verhalten der Sicherheitskräfte, die Sicherheits- und Versorgungslage allgemein sowie mögliche Übergriffe der al Shabaab (AA 1.1.2017). Trotz aller Erfolge von somalischer Armee und AMISOM ist die Sicherheitslage in vielen Teilen Somalias nicht stabil genug, um die Aufnahme von Rückkehrern zu gewährleisten (UNHRC 28.10.2015). Andererseits sind nach Somalia Rückgeführte nicht per se einem höheren Risiko ausgesetzt. Diese Feststellung wird durch fehlende negative Meldungen bezüglich der zahlreichen aus Saudi Arabien deportierten Personen unterstützt (UKUT 3.10.2014). Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) nach einer längeren Abwesenheit bei einer Rückkehr nach Mogadischu aufgrund der Tatsache, dass er in einem europäischen Land gelebt hat, keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vergleiche EGMR 10.9.2015).

Menschenrechtsorganisationen mahnen die prekäre Situation der Rückkehrer in Somalia an (AA 1.1.2017). Obwohl der UNHCR bei der Rückführung aus Kenia eine große Rolle spielt, mahnt die gleiche Organisation angesichts der von ihr bewerteten Sicherheitslage davor, Personen in Gebiete in Süd-/Zentralsomalia zurückzuschicken.

Genannt werden: eine nicht-existente Infrastruktur; mangelnde Einrichtungen für somalische Rückkehrer; die weiterhin schwierige Sicherheitslage; die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen und Kinder; sowie die Spannungen mit der lokalen Bevölkerung im Kontext eines allgemeinen Ressourcenmangel, die eine Massenrückkehr aus den Nachbarländern auslösen kann. Somalia scheint auf eine Rückkehr von Flüchtlingen in größerem Ausmaß nicht vorbereitet zu sein (ÖB 9.2016). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (AA 1.1.2017). Es kann aber insgesamt davon ausgegangen werden, dass sich ein erheblicher Teil der Rückkehrer als IDPs wiederfinden wird bzw. andere Flucht-/Migrationsrouten aufgesucht werden. Es kommt auch zur Re-Migration von Rückkehrern nach Kenia (ÖB 9.2016). Abschiebungen nach Somalia sollten laut UN ausschließlich nach Konsultierung der Bundesregierung und nach Abwägung der in Somalia vorhandenen Ressourcen stattfinden (UNHRC 6.9.2017). Das Rückkehrprogramm (Kenia) nach Kismayo musste Mitte 2016 für mehrere Monate ausgesetzt werden, da Jubaland nicht in der Lage war, zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung zu stellen (DIS 3.2017). In manchen Regionen könnte die großflächige Ansiedlung von Rückkehrern zu Spannungen führen - etwa hinsichtlich von Landbesitz, Rechten und Demographie. Dies gilt insbesondere jetzt, wo viele ländliche Herkunftsgebiete von Rückkehrern noch von al Shabaab kontrolliert werden und die Rückkehrer daher auf urbane Ballungszentren ausweichen (DDG 24.10.2017).

Allein die Tatsache, dass eine Person nach Somalia zurückkehrt, macht diese nicht zum Ziel - auch nicht für die al Shabaab (NLMBZ 11.2017). Rückkehrern in Gebiete der al Shabaab könnte vorgeworfen werden, als Spione zu dienen (BFA 8.2017). Rückkehrer aus Kenia werden von al Shabaab normalerweise nicht angegriffen (BFA 3./4.2017). Ob ein Rückkehrer zum Ziel der al Shabaab wird, hängt maßgeblich von seinem eigenen Verhalten ab. Die al Shabaab wird ihr bekannte Rückkehrer genauer beobachten. Ein Neuankömmling läuft auch eher Gefahr, an einem Checkpoint angehalten und verhört zu werden. Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur al Shabaab (DIS 3.2017). Andererseits kann es auch vorkommen, dass Rückkehrer von Regierungskräften verdächtigt werden, da es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen von im Westen radikalisierten Somali der Diaspora gekommen ist. Auch Rückkehrer aus dem Jemen werden in Mogadischu teilweise als "high-risk" angesehen (BFA 3./4.2017).

Aus Europa führen folgende Länder Abschiebungen durch:

Großbritannien grundsätzlich; die Niederlande, Dänemark und Norwegen unterstützen freiwillige Rückkehrer; die Niederlande und Dänemark nur nach Somaliland, Norwegen auch in andere Landesteile; Finnland kann in Ausnahmefällen verurteilte Straftäter nach Somaliland zurückführen, Schweden nach Somaliland und Puntland (AA 1.1.2017). Auch aus den Vereinigten Staaten werden Somali abgeschoben (UNHRC 6.9.2017). Im Zeitraum 10.2015-10.2016 sollen es ca. 200 Personen gewesen sein, im Zeitraum 10.2016-6.2017 bereits knapp 520 (ST 4.6.2017). Aus Österreich sind bisher nur Operationen zur freiwilligen Rückkehr (nach Somaliland) bekannt (BFA 3./4.2017). Seit 2015 betreut IOM ein Programm für freiwillige Rückkehrer aus den Niederlanden nach Mogadischu, Baidoa und Kismayo. Die meisten Rückkehrer gehen nach Mogadischu, wo die meisten Hilfsorganisationen beheimatet sind, wo der Wiederaufbau für Arbeitsplätze sorgt, wo der Lebensstandard besser und die Clan-Diversität größer ist (NLMBZ 11.2017).

Ein westeuropäisches Land erklärt, über ein Sonderabkommen mit der somalischen Bundesregierung zu Verfügen. Rückzuführende Personen werden mit einem Laissez-Passer ausgestattet und nach Mogadischu geflogen. Dies gilt auch für jene Personen, die aus Somaliland stammen - diesen wird ein Weiterflug nach Hargeysa finanziert (BFA 3./4.2017).

Seit dem Jahr 2013 kommt es auch zu massiven Deportationen aus Saudi Arabien. Seit damals sind ca. 85.000 Menschen nach Somalia zurückgebracht worden. Viele dieser zwangsweise Rückgeschobenen wurden bei ihrer Rückkehr zu IDPs, da sie nicht in ihre eigentliche Heimat zurückkehren konnten (USDOS 3.3.2017).

Einen geordneten Direktflugverkehr nach Mogadischu aus Europa gibt es bislang nur aus Istanbul mit Turkish Airlines. Darüber hinaus fliegen nur regionale Fluglinien, die Vereinten Nationen, die Europäische Union und private Chartermaschinen Mogadischu aus Nairobi regelmäßig an. Die Abfertigung der Flüge von Turkish Airlines findet in der zentralen Abfertigungshalle des Flughafens statt. Der Aufenthalt oder die Passage durch diese Abfertigungshalle wird aus Sicherheitsgründen dem gesamten in Mogadischu tätigen oder dorthin reisenden Personal von UN, EU und infolgedessen auch den meisten Botschaftsvertretern untersagt. Das muss im Hinblick auf eine etwaige Rückführung begleitende Beamte in Betracht gezogen werden (AA 1.1.2017).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, der von ihm vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht, die ergänzende Heranziehung aktueller länderkundlicher Informationen zur allgemeinen Lage in Somalia sowie die amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.

2.2. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen bisherigen Angaben im Verfahren. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des BF gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren.

2.3. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit und zur Clanzugehörigkeit des BF gründet sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben. Ebenso waren die Angaben des BF zu seinem familiären Hintergrund sowie seinem Werdegang in Somalia chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden Clanstrukturen in Somalia plausibel. Die erkennende Richterin hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des BF zu zweifeln.

2.4. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.5. Die Feststellungen zur aktuellen Lebenssituation des BF in Österreich basieren auf den Angaben des BF vor dem BVwG sowie den dazu ergänzend beigeschafften Informationen des Gerichtes.

2.6. Die Feststellungen, dass der BF aufgrund der prekären Sicherheitslage Somalia verlassen hat ergibt sich aus dem gleichbleibenden und lebensnahen Vorbringen des BF in allen Verfahrensstadien vergleiche AS 11, 63, 71 sowie Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Die Feststellungen zu den Problemen seines Vaters ergeben sich aus dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 20.08.2019 vergleiche Seite 10 des Verhandlungsprotokolls).

Was die konkreten fluchtauslösenden Umstände in Somalia anbelangt, erstattete der BF im Zuge des gesamten Verfahrens widerspruchsfreie Angaben; soweit er lediglich grobe Ausführungen tätigte bzw. seine Schilderungen eine gewisse Detailfülle vermissen lassen, sind im vorliegenden Fall die Minderjährigkeit des BF beim Erleben des Vorbringens sowie der verstrichene Zeitraum seit den fluchtauslösenden Ereignissen zugunsten des BF zu würdigen. Das konkrete Verfolgungsvorbringen in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia - nämlich Einbruch in das Geschäft des Vaters des BF, Eigentumsdelikte, Drohungen und physische Übergriffe gegenüber den Eltern des BF durch dem BF unbekannte Täter - erweist sich angesichts der oben angeführten Länderfeststellungen als nicht unplausibel; auch die Behauptung, dass dem Vater des BF das Geschäft weggenommen wurde, kann nicht widerlegt werden, zumal im Jahr 2010 die Sicherheitslage in Mogadischu eine noch weit schlechtere als derzeit war.

Schließlich ist festzuhalten, dass auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Vorbringen des BF als im Wesentlichen glaubhaft erachtete (siehe AS 139 ff).

Die Angaben des BF waren daher vollinhaltlich der vorliegenden Entscheidung zugrunde zu legen.

2.7. Die Feststellungen oben zur allgemeinen Lage in Somalia stützen sich auf die denselben zugrunde liegenden, zeitlich aktuellen und als objektiv anzusehenden Informationsquellen (siehe Beilage im Akt).

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Dies gilt insbesondere für die Feststellungen zum Clan der Ashraf, betreffend welchen keine neuen Erkenntnisse vorliegen bzw. aus aktuellem Berichtsmaterial keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass sich die Situation für diese Clans (auch im Verhältnis zu anderen Clans) maßgeblich geändert hätte.

Die unter Pkt. römisch II.1.3. getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Situation in Somalia wurden dem BF gemeinsam mit der Ladung zur Verhandlung übermittelt und sie wurden ihm im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20.08.2019 vorgehalten, wobei er die Gelegenheit erhielt, dazu Stellung zu nehmen. Er gab dazu an, dass er sehr oft höre, dass es in seinem Heimatland viele Bombenanschläge gebe und viele unschuldige Menschen sterben würden. Zu den im Rahmen der Verhandlung zusätzlich eingeführten Länderinformationen (Focus Somalia: Clans und Minderheiten vom 31.Mai 2017) wollte der BF keine Stellungnahme abgeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in Paragraph 6, Absatz eins, AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 2, AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des Paragraph 3, AsylG 2005 im Vergleich zu Paragraph 7, AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung vergleiche VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen vergleiche VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass der BF Somalia lediglich aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage verlassen habe und dass aus seinen Ausführungen keine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu erkennen war. Insgesamt hätte er keine unmittelbare persönliche Betroffenheit durch die Al Shabaab glaubhaft gemacht.

1.3. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:

Eine allgemeine Kriegssituation in der Heimatregion begründet grundsätzlich keine asylrelevante Verfolgungsgefahr. Es muss vielmehr eine Gefährdung des Asylwerbers vorliegen, die über - allgemeine alle gleichtreffende - Unbilligkeiten einer Kriegssituation hinausgehen vergleiche VwGH vom 19.10.2000 98/20/0233). Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen also konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen dargelegt werden vergleiche VwGH vom 10.03.1994, 94/19/0056). Vage oder generelle Angaben sind nicht ausreichend vergleiche AsylGH vom 29.10.2008, E12 235.572-0/2008). Der BF brachte vor, er habe mit seinen Eltern aufgrund der prekären Sicherheitslage (regelmäßige Bombenschläge, für Kriegszustand typische Rechtsverletzungen ua. durch Rebellen) sein Heimatdorf verlassen. Der BF sei persönlich nie betroffen gewesen. Dieses Vorbringen zeigt keine asylrelevante Gefährdung auf. Auch die Wegnahme des Geschäfts seines Vaters, als eines unter vielen, sowie wiederholte Einbruchsdiebstähle in sein Elternhaus gehen nicht über allgemeine Unbilligkeiten des Kriegszustandes hinaus. Die Rückkehrbefürchtung, Zielscheibe einer Rebellenbewegung in einem Krisengebiet zu werden, ist Ausfluss von genereller Gewalt und Gegenstand des subsidiären Schutzes vergleiche VwGH vom 21.02.2017 Ra 2016/18/0137-14).

Hinzu kommt, dass sich das Vorbringen, durch "vermummte Leute" verfolgt zu werden, auch als zu abstrakt und vage erweist, um eine konkrete Bedrohungssituation nahe zu legen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der BF auf Nachfrage zum konkreten Interesse der "vermummten Leute" am BF antwortete: "Erstens habe ich niemanden dort und zweitens, wenn ich dorthin zurückkehre, erkennen sich mich sofort". Letztendlich gab der BF in der mündlichen Verhandlung selbst an, dass es keinen spezifischen Grund geben würde, weshalb er persönlich in Somalia verfolgt werden sollte.

1.4. Im Übrigen können individuelle konkrete Verfolgungshandlungen gegen Familienmitglieder nur dann eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung darstellen, wenn davon ausgegangen werden muss, dies führe zu asylrelevanten Maßnahmen gegen den Asylwerber vergleiche VwGH vom 07.09.2009, 2000/01/0153). Mit Blick darauf, dass der BF bereits 2010 (als Zehnjähriger) Mogadischu verlassen hat, Regierung und AMISOM eine Stadtverwaltung etablieren konnten und in Mogadischu kein Risiko mehr besteht, alleine aufgrund der Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden, erscheint es zwar nicht ausgeschlossen, aber doch sehr unwahrscheinlich, dass der BF lediglich aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan der Ashraf verfolgt werden würde vergleiche Länderfeststellungen zur Sicherheitslage Mogadischu).

Allgemein ist aus den eingeholten und unter Pkt. römisch II.1.3. festgehaltenen Länderinformationen nicht festzustellen, dass Ashraf allein schon aufgrund der Zugehörigkeit zu ihrem Clan Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder diesen gleichzuhaltenden Diskriminierungen ausgesetzt wären. Insbesondere werden Ashraf nicht als Gruppe verfolgt, sondern allenfalls als einzelne Individuen. Eine solch individuelle Bedrohungslage ist für BF allerdings im vorliegenden Fall - in dem der BF schon im Alter von zehn Jahren Somalia verlassen hat - nicht zu erkennen.

Generell geht aus dem Berichtsmaterial zur Lage in Somalia hervor, dass die Hauptstadt Mogadischu nicht mehr von Clangewalt geprägt ist, die bloße Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan dort also keine allgemein drohende Verfolgungsgefahr bewirkt vergleiche in diesem Zusammenhang auch EGMR 10.09.2015, Fall R.H. v. Schweden, Appl. 4601/14). Die Ashraf stellen zwar einen Minderheitenclan dar, aus den Länderfeststellungen geht jedoch nicht hervor, dass sie dadurch besonderen Diskriminierungen ausgesetzt wären.

Zudem geht aus den Länderfeststellungen hervor, dass Ashraf darüber hinaus prinzipiell respektiert und vom Clan im jeweiligen Ansiedlungsgebiet unterstützt werden. Weiters gab der BF selbst an, er würde Probleme aufgrund seiner Clanzugehörigkeit nur vermuten vergleiche Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). So spricht auch der Bericht der schweizerischen Flüchtlingshilfe von 2010 lediglich davon, dass Angehörige von Minderheitenclans in Süd- und Zentralsomalia einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, Opfer von Kriminalität zu werden. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit wird dadurch aber auch nicht aufgezeigt. Auch nach der Fact-Finding Mission gibt es außerdem keine systematische Benachteiligung von Minderheiten und zwar weder durch das traditionelle Recht Xeer noch durch Polizei und Justiz vergleiche Länderfeststellungen "Minderheiten/Clans"). Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass selbst soziale gesellschaftliche Missachtungen bzw. Beschimpfungen keine asylrelevante Verfolgung begründen. Diesen Handlungen mangelt es an der ausreichenden Intensität und dem Charakter einer Verfolgungshandlung vergleiche AsylGH 22.03.2010, B6 237.583-0/2008).

1.5. Dasselbe gilt für die lediglich allgemein in den Raum gestellte Befürchtung des BF vor der Al Shabaab: Die bloße Tatsache, dass diese Terrormiliz in Somalia operativ tätig ist, bedeutet für sich genommen noch nicht, dass der BF durch sie eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit zu gewärtigen hätte. Zur vorgebrachten Verfolgung bzw. Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab ist auszuführen, dass nach den Länderberichten Mogadischu weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM steht. Ein Risiko, von der Al Shabaab, zwangsrekrutiert zu werden, besteht aktuell nicht mehr. Eine Wiedererlangung der Kontrolle über Mogadischu seitens der Al Shabaab ist gemäß den Länderberichten höchst unwahrscheinlich. Eine immanente Bedrohung des BF durch Al Shabaab ist somit objektiv mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Schlussendlich konnte auch das Vorbringen des BF kein individuelles Interesse der Al Shabaab am BF nachvollziehbar begründen. Nach dem Bericht von Prof. Gundel von 2009 können zwar Digil-Mirifle-Ashraf durchaus zum Angriffspunkt der Al Shabaab werden. Die Digil-Mirifle-Ashraf leben im Gebiet zwischen den Flüssen Juba und Shabelle. Der BF stammt jedoch aus der Küstenstadt Mogadischu. Er brachte auch nur vor, dem Clan der Ashraf und dem Subclan römisch 40 anzugehören. Eine konkrete individuelle Verfolgungsgefahr des BF liegt damit nicht vor. Die verfahrensgegenständlichen Länderfeststellungen basieren auf Quellen aus dem Jahr 2017 (siehe Feststellungen zur Sicherheitslage in Mogadischu). Der Bericht der Jamestown Foundation zur Gefahr von Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab stammt von 2014. Dem vorgelegten Beweismittel kommt daher nicht der erforderliche aktuelle Stellenwert zu vergleiche UBAS vom 06.07.2006 301.594-C1/E1-XV/53/06). Gleiches gilt für den Accord-Bericht aus dem Jahr 2013 zum Themengebiet der Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab und dem Bericht von Professor Gundel ("Clans in Somalia").

1.6. Die vom BF ins Treffen geführte Judikatur W234 2117341-1/7E und W139 1429924-1/12E ist letztendlich auch nicht einschlägig und führt daher zu keiner anderen Beurteilung. Der BF stammte in beiden angeführten Fällen nämlich aus Afgooye und nicht aus Mogadischu. Darüber hinaus schilderte der BF in den genannten Fällen konkrete clanmotivierte Übergriffe durch individuell bestimmbare Personen vergleiche Feststellungen Seite 16 in W234 2117341 und Seite 13 in W139 1429924-1).

1.7. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch eins des bekämpften Bescheides war sohin als unbegründet abzuweisen.

2. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen waren im gg. Fall alleine Fragen der gerichtlichen Beweiswürdigung entscheidungsrelevant.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2019:W268.2131810.1.00