Bundesverwaltungsgericht
06.09.2019
L526 2140713-1
L526 2140713-1/19E
L526 2140715-1/20E
L526 2140711-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Armenien, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am römisch 40 2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Armenien und Russische Föderation, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am römisch 40 .2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkte römisch II und römisch III zu lauten haben:
römisch II. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen.
römisch III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß Paragraphen 57, nicht zuerkannt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidungen gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen. Es wird gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß Paragraph 46, nach Armenien zulässig ist.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Armenien, gesetzlich vertreten durch die Mutter römisch 40 , diese vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am römisch 40 .2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
BESCHLUSS
1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Armenien, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , beschlossen:
A) Der Antrag auf Kostenersatz wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Armenien und Russische Föderation, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , beschlossen:
A) Der Antrag auf Kostenersatz wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Armenien, gesetzlich vertreten durch die Mutter römisch 40 , diese vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , beschlossen:
A) Der Antrag auf Kostenersatz wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrenshergang
römisch eins.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz "BF" oder gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als "BF1" bis "BF3" bezeichnet) brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union Anträge auf internationalen Schutz ein. BF1 und BF2 sind Ehegatten. BF3 ist ihr gemeinsamer Sohn. Alle BF sind Staatsangehörige der Republik Armenien; BF2 ist auch Staatsbürger der Russischen Föderation.
BF1 und BF3 reisten zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt mit einem polnischen Touristenvisum von römisch 40 über Moskau nach Wien und stellten am 11.8.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich ihrer Erstbefragung nach dem Asylgesetz gab BF1 zu ihren Ausreisegründen an, sie sei Hilfskrankenschwester in römisch 40 gewesen, wo sie mit einem Zahnarzt zusammengearbeitet habe. Dieser habe kurz nach ihrer Einstellung angefangen, sie sexuell zu belästigen. Nach acht Arbeitsmonaten habe sie dort gekündigt. Anschließend habe sie noch Anrufe von dem Zahnarzt erhalten, welcher sie damit erpresst habe, dass er alles ihrem Mann erzählen würde, wobei es sich jedoch um Unwahrheiten gehandelt habe. Die Ereignisse hätten sie nervlich krank gemacht, sodass sie von zu Hause weggelaufen sei und auch zwei Mal versucht habe, sich das Leben zu nehmen. Daraufhin sei sie von ihrem Mann in die Psychiatrie gebracht worden, wo sie vierundzwanzig Tage stationär behandelt worden sei; das sei im März 2013 gewesen. Nach ihrer Entlassung habe sie immer wieder zur Kontrolle in das Krankenhaus gehen müssen. Sie nehme nach wie vor Medikamente gegen ihre Beschwerden. Einen Monat später sei ihr Mann nach Russland gefahren, um dort zu arbeiten und habe sich dann bei ihr nicht mehr gemeldet. Sie habe in römisch 40 bei ihrer alten und kranken Großmutter gelebt. Da sie selbst auch krank gewesen sei und ihren Sohn nicht selbst habe versorgen können, hätte sie zu ihren Eltern nach Österreich reisen müssen.
Zu ihren Rückkehrbefürchtungen gab BF1 an, dass ihre Großmutter alt und krank sei und sie ihr Mann verlassen habe. Da sie an einer schweren Psychose leide, brauche sie die Eltern, damit diese für sie und ihren Sohn sorgen können.
Zu ihrem Reisepass gab BF1 an, dass sie ihren und jenen des Sohnes dem Rat des Schleppers folgend vernichtet habe.
Zum Akt gegeben wurden eine Heirats- und Geburtsurkunde, jeweils in armenischer Sprache
römisch eins.2. BF2 reiste mit einem Touristenvisum von Moskau über Ungarn nach Wien und stellte am 28.12.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz. BF2 gab bei seiner Erstbefragung an, dass seine Ehefrau gesundheitliche Probleme habe und seit 2012 in Österreich lebe. Er wolle bei ihr und dem gemeinsamen Sohn leben.
römisch eins.3. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der nunmehr belangten Behörde (in weiterer Folge auch kurz "bB" genannt) gab BF1 am 4.11.2014 zusammengefasst Folgendes an:
Sie habe zehn Jahre lang die Schule besucht und danach an der Universität Rechnungswesen studiert. Danach habe sie acht Monate als Krankenschwester und auch im Büro der Aufnahme gearbeitet. Sie habe mit ihrer Großmutter, ihrem Gatten und dem gemeinsamen Sohn in der Eigentumswohnung der Großmutter gelebt. Die Ausreise habe sie sich mit Geld aus einem Schmuckverkauf finanziert. Die Großmutter lebe noch in der Eigentumswohnung; finanziell gehe es dieser gut. Ihre Eltern würden in Österreich leben. Diese hätten den Status der subsidiär Schutzberechtigten erhalten; der Vater habe eine genetische Krankheit. Sie besuche die Eltern sehr oft und telefoniere auch jeden Tag mit ihnen.
Zu ihren Ausreisegründen gab BF1 zusammengefasst an, sie habe im Jahr 2012 in einem Krankenhaus zu arbeiten begonnen und mit einem Zahnarzt gearbeitet. Ihre Probleme hätten mit ihm begonnen. Er habe sie sexuell belästigt. Er habe sie begrapscht, sie sei ihm ausgewichen. Einmal sei er sehr aufdringlich geworden. Er sei wie ein Besessener, wie ein Tier geworden. Dieser Mann sei sehr reich gewesen. Er habe auch sexuelle Probleme gehabt und sie habe erfahren, dass er sein eigenes Kind sexuell missbraucht habe. Ihre Kolleginnen hätten sie vor ihm gewarnt. Einmal habe er die Türe versperrt, sodass sie nicht mehr hinauskönnen habe. Er habe ihr die Kleidung zerreißen, sie auf den Boden legen und küsse wollen. Er sei aggressiver geworden, je mehr sie sich gewehrt habe. Sie habe gedroht, zur Polizei zu gehen, da sie dort Verwandte habe, er habe aber gemeint, er habe so viel Geld, dass er diese kaufen könne und sie werde sich nur selber schaden. Er habe auch gedroht, alles ihrem Mann zu erzählen und ihrem Kind zu schaden, wenn sie zur Polizei gehen würde. Sie habe Psychosen bekommen und Stimmen gehört. Es sei ihr so vorgekommen, als leide sie an HIV und Syphilis und würde dieser Mann ihre Gedanken kontrollieren, sodass sie niemandem etwas erzählen könne. Sie habe ungefähr acht Monate dort gearbeitet. Die Belästigungen hätten nach etwa fünf Monaten begonnen. Sie sei ungefähr drei Mal in der Woche belästigt worden, wobei sie begrapscht worden sei - beispielsweise habe er sie von hinten gepackt und stark an sich gedrückt; er habe ihre Brüste und die Genitalien angefasst; wenn sie einen Rock getragen habe, habe er diesen hinuntergezogen, er sei von hinten gekommen und habe sie gegen ihren Willen geküsst - und dieser Mann ihr auch unanständige Angebote gemacht habe. Der erwähnte Übergriff, als der Zahnarzt die Türe versperrt habe, sei gegen 20 oder 21 Uhr erfolgt. Er sei von hinten gekommen, als sie am Tisch saß und habe sie ausziehen wollen. Er habe sie mit Gewalt auf den Behandlungsstuhl gelegt und habe versucht, sie an ihren Genitalien zu küssen. Während sie auf dem Stuhl gelegen sei, habe sie nach Gegenständen gesucht, mit denen sie den Mann hätte schlagen können und schließlich sei ihr das auch mit einer Plastikdose gelungen. Sie habe ihn auch getreten, jedoch sei er stärker als sie gewesen und er habe ihr auch den Mund zugehalten. Sie habe dann einen Erstickungsanfall vorgetäuscht, weshalb er seine Hand wieder von ihrem Mund genommen habe. Er habe es dann wohl mit der Angst zu tun bekommen und habe sich, nachdem sie zu schreien begann, schließlich zurückgezogen, woraufhin sie habe flüchten können. Das sei ihr letzter Arbeitstag gewesen. Wie lange genau sie danach die Heimat verlassen habe, wisse sie nicht, sie glaube aber, dass das ungefähr ein Jahr später gewesen sei.
Nach diesem Vorfall habe sie einige Tage nichts gegessen. Ihr Mann habe seine Tante angerufen, die auch in diesem Krankenhaus gearbeitet habe. Diese sei mit ihr zu einem Psychologen gegangen. Die Medikamente, die sie bekommen habe, hätten ihre Psychose jedoch nur akuter gemacht und danach sei es ihr schlechter gegangen. Es sei ihr vorgekommen, als habe dieser Mann ihre Gedanken kontrolliert. Sie sei von zu Hause weggelaufen, sei jedoch wieder gefunden worden. Sie habe, wie ihr die Großmutter erzählt habe, jeden für einen Feind gehalten und versucht, sich mit einem Messer zu verletzten. Ihr Mann habe verhindert, dass sie sich umbringt. Dann sei sie in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht worden, wo sie für vierundzwanzig Tage lang geblieben sei. Danach habe sie die Eltern gebraucht und den Entschluss gefasst, zu ihnen zu kommen. Ihr Mann habe seine Arbeit gekündigt und sei, nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, nach Russland gezogen. Sie habe keinen Geschlechtsverkehr mehr haben könne. Sie wissen nicht, ob er deshalb weggegangen sei oder wegen ihres Gesundheitszustandes, jedenfalls habe er sie verlassen. Ihr Mann habe sie etwa einen Monat nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus verlassen und sie habe danach noch ungefähr ein Jahr lang ohne ihn in der Heimat gelebt. Von diesem Arzt, der sie belästigt habe, habe sie in diesem Jahr nichts mehr gehört. Die Belästigungen habe sie nicht bei der Polizei angezeigt, weil er ihr gedroht habe. Sie sei in sehr schlechtem Zustand gewesen und habe bei der Großmutter mit ihrem Sohn gelebt. Den Sohn habe sie nicht mehr beaufsichtigen und versorgen können. Ihre Eltern und ihre Schwester hätten sie finanziell unterstützt, aber sie habe Hilfe gebraucht. Sie habe sich alleine gefühlt und immer wieder Selbstmordgedanken gehabt.
Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus sei es auch zu Streitigkeiten mit ihrem Mann gekommen, da zu ihren Eltern wollen und von ihm eine Einverständniserklärung verlangt habe. Sie habe kein Geld gehabt, um auszureisen.
Befragt, was der eigentliche Grund für ihre Reise nach Österreich war und konfrontiert mit der Feststellung, dass die Belästigungen nach ihrer Entlassung aufgehört hätten und sie auch in Armenien hätte bleiben können, gab BF1 an: "Ich bin zu meinen Eltern gekommen. Hier gelten Gesetze. Niemand kann mir hier Schaden zufügen, ohne dafür bestraft zu werden." Nochmals damit konfrontiert, dass ihre Erzählung dahingehend gedeutet werden kann, dass sie in Armenien hätte weiterleben können und dieser Mann sie nicht verfolgt habe, führte BF1 aus: "Ja, dieser Mann hat mich nicht verfolgt. Aber ich hätte in diesem Haus, in dieser Umgebung, dieser Atmosphäre nicht weiterleben können. Ich kann nicht in einem Land leben, in dem diese Person weiterhin arbeitet und mein Leben zerstört ist."
Zur Möglichkeit einer Rückkehr nach Armenien angesprochen, gab BF1 schließlich an, dass sie die Unterstützung ihrer Eltern benötige, Personen die ihr nahe stehen; sie könne ohne ihre Eltern nicht leben.
Die Frage, ob sie politisch engagiert sei, verneinte die BF.
Zum Akt gegeben wurden folgende Dokumente:
- Eine Meldebestätigung, in welcher unter anderem die Daten eines der BF1 im Jahr 2009 in Armenien ausgestellten Reisepasses festgehalten sind
- Ein fachärztlicher Befundbericht vom 9.10.2014 mit der Diagnose "depressive Episode, massive exogene Belastungsfaktoren"
- Ein Patientenbrief eines Krankenhauses vom 18.11.2013 mit der Diagnose "V.a. Gastritis, Depressio mit Somatisierungstandenz"
- Folgende Unterlagen der psychiatrischen Klinik römisch 40 in Armenien in armenischer Sprache samt Übersetzungen:
o Bescheinigung vom 13.9.2012 über einen Aufhalt in der geschlossenen Abteilung der genannten Klinik
o Auszug aus der ambulanten Patientenkarte und Krankengeschichte vom 15.7.2013
o Auszug aus der abmulanten, stationären Patientenkarte (Auszug Nr. 214)
- Zertifikat der Moskow State University of Service über den Abschluss der BF1 auf dem Gebiet des Rechnungswesens, der Analyse und Auditierung
- "Bestätigung" vom 18.10.2013, in welcher dargelegt wird, dass aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten ein Dolmetscher gebraucht wird
- Überweisungsschreiben vom 20.10.2016 und vom 3.5.2016
- Behandungsbestätigung vom 18.10.2013 mit der Diagnose "Reaktive Depression"
Am 27.9.2016 wurde BF1 neuerlich einer Befragung durch die bB unterzogen und gab anlässlich dessen zusammengefasst Folgendes an:
Sie leide unter Depressionen und Angstzuständen. Im Dezember sei sie im Krankenhaus gewesen, momentan nehme sie Medikamente. Im Dezember sei ihre Psychose wieder akut geworden und sie sei ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Eltern hätten sie in ein normales Krankenhaus gebracht und nicht in eine psychiatrische Klinik. Beim letzten Mal habe sie vergessen zu erzählen, dass sie doch noch belästigt worden sei. Diese Frage habe sie verneint, weil sie die Frage so verstanden habe, ob sie physisch belästigt worden sei. Sie sei aber psychisch durch zwei Anrufe von besagtem Zahnarzt weiter belästigt worden. Die Belästigungen hätten innerhalb von zwei Wochen einmal wöchentlich stattgefunden. Der Zahnarzt habe gesagt, wenn sie irgendwelche Schritte unternehme und sich an die Polizei wende, werde er sie umbringen. Außerdem habe er gesagt, dass er viel Geld habe und alle kaufen könne. Befragt, wie lange Zeit danach sie das Land verlassen hätte, gab BF1 an, dass sie etwa ein halbes Jahr Geld gesammelt hätte, vielleicht auch etwas länger. Lange Zeit habe sie keine finanziellen Mittel auftreiben können. Danach habe sie ihren ganzen Goldschmuck verkauft.
Befragt, warum nun ihr Ehegatte, von dem BF1 gesagt habe, dass er sie verlassen hätte, zurückgekehrt sei, gab BF1 an, sie habe keine Kontakt mehr zu ihm haben wollen, da sie im Dezember krank geworden sei; er sei gekommen und wolle jetzt zusammen mit ihnen leben.
Zu ihren privaten Interessen und ihrer Integration befragt, gab BF1 an, sie lerne Deutsch, sie zeichne und male zu Hause. Eine ehrenamtliche Tätigkeit habe sie bislang noch nicht ausgeübt, wiewohl sie das gerne möchte. Zu ihren familiären Verhältnissen gab BF1, sie habe eine Schwester in Polen.
römisch eins.4. BF2 gab vor der bB an lässlich seiner Einvernahme am 27.9.2016 im Wesentlichen an, dass er vor seiner Ausreise sowohl in Armenien als auch in Moskau gelebt habe. In Moskau habe er zwei bis drei Jahre gelebt. Er sei immer hin und her gereist. In den Jahren von 2006 bis 2015 habe er mehr in Russland als in Armenien gelebt. Er habe die russische Staatsbürgerschaft angenommen und habe, soweit er wisse, die Doppelstaatsbürgerschaft. Aus Armenien sei er nicht geflohen, er sei nach Russland gezogen und habe dort gelebt. Ende des Jahres 2012 habe er Armenien endgültig verlassen und sei seitdem nicht mehr in dort gewesen. Einen Reisepass habe er besessen, wobei er diesen vernichtet habe. Politisch engagiere er sich nicht und habe auch kein Problem mit den Behörden gehabt. Zu seinem Lebenslauf gab er an, dass er zehn Jahre lang die Schule besucht und als Taxifahrer und Goldschmied gearbeitet habe. Die Berufe habe er abwechselnd ausgeübt. Seine Mutter sowie ein Onkel und eine Tante würden noch in Armenien leben, eine Schwester lebe in Moskau. Die Mutter habe eine eigene Landwirtschaft und ein eigenes Grundstück. Die finanzielle Situation der Familie sei mittelmäßig. Er habe regelmäßig Kontakt zu den Verwandten, hauptsächlich zur Mutter.
Er befinde sich hier in der Grundversorgung. Er sei nach Österreich gekommen, da seine Familie hier sei. Sofern seine Frau angegeben habe, er habe sie verlassen, merke er an, dass dies gar nicht so gewesen sei. Er sei nach Moskau gegangen, um Arbeit zu finden. Seine Frau habe keinen Kontakt mehr wollen, weil sie krank geworden sei.
Zu seinen privaten Interessen und seiner Integration befragt, gab BF2 an, er besuche einen Deutschkurs und arbeite ehrenamtlich beim Roten Kreuz. Zu seinen familiären Interessen gab er an, dass er keine Angehörige in einem EU Staat habe.
römisch eins.5. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen und ihnen der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt römisch eins.). Gem. Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien (BF1 und BF3) bzw. die Russische Föderation (BF2) nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, wurde nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien (BF1 und BF3) bzw. in die Russische Föderation (BF2) gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung.
Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der BF in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu im Wesentlichen Folgendes aus: Zwar werde BF1 geglaubt, dass sie psychische Probleme habe und deshalb bereits seit dem Jahr 2012 in Behandlung gestanden sei und auch immer noch behandelt werde. Sie habe auch glaubhaft angegeben, dass sie nach Österreich gekommen sei, um in der Nähe ihrer Eltern zu sein. Nicht nachvollziehbar seien jedoch die Schilderungen in Bezug auf die persönliche Verfolgung durch einen Zahnarzt. Zwar habe BF1 die Belästigungen sehr nachvollziehbar geschildert, sodass an der Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens auch nicht gezweifelt werde und werde BF1 auch geglaubt, dass ihr labiler psychischer Zustand die Folge dieser Ereignisse sei, jedoch habe BF1 auch vorgebracht, sie habe danach noch fast ein Jahr lang in Armenien leben können, ohne dass er sich wieder gemeldet hätte, eine aktuelle individuelle Bedrohung sei demnach nicht ersichtlich. Auch sei darauf Bedacht zu nehmen, dass derartige Übergriffe auch in Armenien eine mit hoher Strafe geahndete Tat darstelle und den Länderinformationen zufolge sowohl die Schutzfähigkeit als auch die Schutzwilligkeit des armenischen Staates gegeben sei. Wiewohl es menschlich verständlich sei, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und zu den Eltern nach Österreich zu kommen, fehle des doch an asylrelevanten Gründen.
In Bezug auf BF3 wurde sinngemäß argumentiert.
In Bezug auf BF2 wurde ausgeführt, dass er keinerlei persönlich gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung geltend gemacht habe; er sei nach Österreich zu seiner Gattin und seinem Sohn gekommen. Eine Gefährdung im Falle der Rückkehr habe weder in Bezug auf Armenien noch auf die Russische Föderation festgestellt werden können. BF2 sei es auch leicht möglich, als ehemaliger armenischer Staatsangehöriger in Armenien ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Auch wäre es seiner Gattin und dem Sohn möglich, mit BF2 ihr Familienleben in der Russischen Föderation fortzusetzten.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien und der Russischen Föderation traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Artikel 8, EMRK dar.
römisch eins.6. Mit Verfahrensanordnung vom 7.11.2016 wurde den BF gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG ein kostenloser Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
römisch eins.7. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass BF1 in Armenien "sexuell verfolgt" würde und sie einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sei. Nach Wiedergabe ihres Vorbringens in Bezug auf die sexuellen Übergriffe und ihrer psychischen Probleme, die seit diesen Übergriffen vorlägen und derentwegen sie die Unterstützung ihrer Eltern bräuchte, wird ausgeführt, die Behörde sei richtigerweise davon ausgegangen, dass sie Opfer sexueller Übergriffe gewesen sei und habe richtigerweise auch die psychische Erkrankung auf die traumatischen Erlebnisse zurückgeführt. BF1 habe Furcht und aufgrund der daraus resultierenden psychischen Erkrankung auch versucht, sich das Leben zu nehmen. Die bB gelange zu unrichtigen Tatsachenfeststellungen, wenn sie feststelle, dass die Schilderungen in Bezug auf die Verfolgungshandlungen des Zahnarztes nicht nachvollziehbar und schlüssig gewesen seien. Dass sich der Zahnarzt lediglich zwei Mal telefonisch gemeldet hätte, entspreche nicht den Tatsachen und sei nicht ersichtlich, worauf die Behörde diese Annahme stütze. Den letzten Anruf habe sie kurz vor ihrer Ausreise aus Armenien erhalten. Über ein halbes Jahr lang habe BF1 Geld gesammelt, um ausreisen zu können und habe auch ihren Schmuck verkauft.
Zu den in Artikel 2 und 3 EMRK verbrieften Rechten wird ausgeführt, dass die bB die Sach- und Rechtslage verkenne, wenn sie ausführt, dass BF1 im Falle ihrer Rückkehr nach Armenien keiner unmenschlichen Behandlung unterworfen wäre und widerspreche dies auch ihren eigenen Feststellungen, wonach sie dem Vorbringen in Bezug auf die sexuellen Übergriffe zweifelsfrei für glaubhaft erachtet habe. Ferner wird auf die Länderfeststellungen und die im Land vorherrschende Korruption hingewiesen und in Bezug auf BF1 ausgeführt, dass es keine Garantie gebe, dass sie vor weiteren Übergriffen beschützt würde.
Zur den Möglichkeiten einer Behandlung in Armenien verkenne die bB, dass BF1 wegen einer Verfolgung geflüchtet sei und das Umfeld, auf welches ihre psychischen Probleme zurückzuführen seien, verlassen habe müssen. Die Behandlung ihrer psychischen Erkrankung sei in Armenien nicht möglich. Eine Abschiebung verletzte BF1 sohin in ihren Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK.
Nach allgemeinen Ausführungen zu Artikel 8, EMRK und den damit in Bezug stehenden Normen des innerstaatlichen Rechts wird ferner dargelegt, dass eine Ausweisung auf unzulässige Weise in das Recht auf Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens eingreife. Zu ihren in Österreich lebenden Eltern bestehe ein Abhängigkeitsverhältnis, als sie finanziell von diesen unterstützt werde, diese sich um den Sohn der BF1 kümmerten und vor allem mentale Unterstützung bieten würden. Eine Abhängigkeit aus gesundheitlichen Gründen begründe nach der Rechtsprechung ein schützenswertes Familienleben gleich wie eine finanzielle Abhängigkeit. Die bB habe es unterlassen, diesbezüglich Ermittlungen anzustellen. Die Rückkehrentscheidung wäre daher für auf Dauer unzulässig zu erklären gewesen.
In Bezug auf die Rückkehrsituation kreiere die Behörde aus unerfindlichen Gründen Tatsachen, nämlich in Bezug auf den Familen- bzw. Stammesverband, welche nicht vorlägen; in Armenien habe BF1 lediglich eine Großmutter.
Unter Anführungen der Integrationsbemühungen der BF wird dargelegt, dass es sich in gegenständlichem Fall um einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handle, wonach der Grad der Integration insbesondere an der Selbsterhaltungsfähigkeit, der schulischen und beruflichen Ausbildung, der Beschäftigung und Kenntnisse der deutschen Sprache zu bemessen sei. Die bB führe in ihrem Bescheid bloß textbausteinmäßig und unreflektiert aus, dass eine Interessensabwägung vorzunehmen sei, habe dies aber tatsächlich unterlassen. Die Rückkehrentscheidung stelle einen Eingriff in Artikel 8, EMRK dar und verkenne die bB dies in eklatanter und gröblicher Weise.
In Bezug auf das Verfahren wird unter Anführung der einschlägigen Normen ausgeführt, dass die bB der amtswegigen Ermittlungspflicht in keinster Weise nachgekommen sei. Die bB wäre verpflichtet gewesen, die individuelle und persönliche Situation der BF zu ermitteln und in weiterer Folge Feststellungen hinsichtlich der persönlichen Lebensumstände zu treffen. Dies betreffe insbesondere den Umstand, dass die bB sich nicht mit dem Gesundheitszustand der BF und den Folgen einer Abschiebung nach Armenien beschäftigt habe. Ferner seien keine Ermittlungen im Hinblick auf das schützenswerte Privatleben und die Abhängigkeit von den Eltern der BF1 vorgenommen worden. Hätte die bB die notwendigen Ermittlungsschritte gesetzt, wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass die Rechte im Sinne des Artikel 8 EMRK verletzt würden und eine Rückkehr nach Afghanistan (gemeint ist wohl Armenien) auch eine Verletzung des Artikel 2 und 3 EMRK zur Folge hätte.
Ferner wurde ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zitiert, wonach es nicht nachvollziehbar sei, dass in einer Maßnahmenbeschwerde ein Aufwandersatz bestehen solle, nicht jedoch für eine Schubhaftbeschwerde und wurde dargelegt, dass das auch in vorliegendem Fall gelten würde. Es wurde der Antrag gestellt, dem Rechtsträger der bB gemäß Paragraph 35, VwGVG den Ersatz der entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufzutragen.
Der Beschwerde wurden die bereits vorgelegten ärztlichen Berichte neuerlich beigeschlossen.
römisch eins.8. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.10.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung L523 abgenommen und der Gerichtsabteilung L515 zugewiesen. Aufgrund einer Einrede wegen Unzuständigkeit infolge eines behaupteten Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung gemäß Paragraph 20, Asylgesetz wurde die Rechtssache am 5.11.2019 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.
römisch eins.9. Am 28.2.2019 wurden folgende Unterlagen vorgelegt:
- Eine Bestätigung des Roten Kreuzes vom 21.12.2018, woraus hervorgeht, dass BF1 und BF2 regelmäßig bei der "Team Österreich Tafel" teilnehmen und ihre Arbeit jeweils zur vollsten Zufriedenheit erledigen würden
- Ein Dienstausweis des BF2 für das Rote Kreuz
- Drei Kursbestätigungen des "bfi" für die Zeiträume vom 11.8.2017 bis 25.10.2017, 30.10.2017 bis 14.12.2017 und 15.1.2018 bis 1.3.2018 für BF2, aus denen hervorgeht, dass dieser das 112-stündige Basis Modul in Rahmen der Basisbildung besucht habe
römisch eins.10. Am 1.7.2019 wurde ein Fristsetzungsantrag gemäß Artikel 132, B-VG und Paragraph 38, VwGG gestellt.
römisch eins.11. Am 31.7.2019 erging eine Stellungnahme zu den vom Bundesverwaltungsgericht zusammen mit einer Einladung zu einer mündlichen Verhandlung übermittelten Länderfeststellungen; beiden BF wurden jeweils Länderberichte zu Armenien und der Russischen Föderation übermittelt. Zudem wurde auf das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention) hingewiesen. Dazu wurde ausgeführt, dass dem erläuternden Bericht zu dieser Konvention zufolge die Vertragsparteien angehalten seien, anzuerkennen, dass geschlechterspezifische Gewalt eine Form der Verfolgung darstelle und zu Vergabe eines Flüchtlingsstatus führen könne. Nach der Konvention bilde dies einen Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Österreich habe diese Konvention ratifiziert, Armenien habe sie unterzeichnet, jedoch noch nicht ratifiziert. Unter Anführung verschiedener Berichte wird im Weiteren dargelegt, dass in Armenien nicht vom Schutz vor Gewalt gegen Frauen, wie er in der genannten Konvention vorgesehen ist, ausgegangen werden könne.
Unter Zitierung verschiedener Berichte aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation wird ferner dargelegt, dass sich, wie die Berichte aufzeigten, die Situation der Frauen in Armenien nicht verbessert habe. Ferner wird unter Anführung weiterer Berichte ausgeführt, dass der Herkunftsstaat auch nicht Willens sei, der BF zu helfen. Auch gehe aus den Länderinformationen hervor, dass eine psychiatrische Behandlung keinesfalls gesichert ist, zumal für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden sei. Eine erzwungene Rückkehr würde eine Re-Traumatisierung und eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Artikel 3, EMRK bedeuten.
Ferner wurden Ausführungen zur Situation in der russischen Föderation getätigt und, ebenfalls unter Zitierung von Berichten aus den Länderberichten der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, auf die im Land vorherrschenden Korruption und Menschenrechtsverletzungen hingewiesen.
Der Stellungnahme wurden Artikel über häusliche Gewalt und dem Umgang mit Vergewaltigungen in Armenien beigeschlossen und folgende Integrationsunterlagen vorgelegt:
- Eine Bestätigung des Österreichischen Roten Kreuzes, wonach BF1 seit 2018 regelmäßig für das "Team Österreich Tafel" tätig sei
- Ein Jahreszeugnis und Urkunden über die erfolgreiche Teilnahme des BF3 an einem Wettbewerb
- Bestätigungen über die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs aus Mai 2019 betreffend BF1 und BF2
römisch eins.12. Am 7.7.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, in welcher die BF in Anwesenheit ihrer gewillkürten Rechtsvertretung sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Armenisch und Vertreter der bB nochmals die Gelegenheit erhielten, über ihre Ausreisemotive, Rückkehrbefürchtungen, ihre privaten und familiären Interessen sowie ihre Integration zu berichten. In dieser Verhandlung hielten die BF ihr Vorbringen im Wesentlichen aufrecht.
Ein Vertreter der bB brachte in dieser Verhandlung vor, dass eine Abfrage von Visa Daten keinen Treffer für BF2 ergeben habe, woraus der Schluss zu ziehen sei, dass BF2 illegal eingereist sei oder über seine Identität täusche. Ferner wurde die Frage im Hinblick auf eine mögliche Doppelstaatsbürgerschaft des BF2 erörtert.
römisch eins.13. Am 13.8.2019 teilte die bB mit, dass eine Abfrage mit geändertem Wortlaut einen Treffer in der Visa-Datenbank ergeben habe. Eine Anfrage im Polizeikooperationszentrum Nikelsdorf habe zudem ergeben, dass eine Person namens römisch 40 , römisch 40 , männlich, StA. Russische Föderation, die Grenze am römisch 40 übertreten habe.
römisch eins.14. Am 13.8.2019 langte eine Stellungnahme der BF ein, mit welcher Unterlagen vorgelegt wurden, die die Einreise des BF2 dokumentiere; insbesondere wurde eine Reiseversicherung vorgelegt, auf welcher sich der Hinweis finde, dass der BF bei seiner Einreise in Europa über ein gültiges Visum verfügte. Ferner wurden Unterlagen über den Abschluss eines Studiums des BF2 und ein Absageschreiben des Magistrates der Stadt römisch 40 , ZMR-Auszüge betreffend die Eltern der BF1 sowie ein "Kurzbefund" über den gesundheitlichen Zustand der BF1 vorgelegt. Zudem wurde ein Antrag auf Fristverlängerung bis 2.9.2019 gestellt, um die Anmeldung der BF1 an einem Pflegekurs zu belegen. Die Verlängerung der Frist zur Vorlage der Anmeldebestätigung wurde unter Hinweis auf die der Gerichtsabteilung gesetzten Frist nicht gewährt.
römisch eins.15. Am 22.8.2019 wurde eine Note der armenischen Botschaft nachgereicht, aus welcher hervorgeht, dass BF1 armenischer Staatsbürger ist und ihm im Jahr 2007 ein armenischer Reisepass ausgestellt wurde.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
römisch II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
Die BF sind ethnische Armenier. BF2 besitzt neben der armenischen auch die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation. BF1 und BF3 besitzen ausschließlich die armenische Staatsbürgerschaft.
BF1 studierte von 2002 bis 2007 an der Moscow State University of Service im Bereich Rechnungswesen, Analyse und Auditierung. BF2 verfügt ebenfalls über einen Universitätsabschluss in Wirtschaftslehre. BF1 und BF2 lebten etwa drei Jahre lang gemeinsam in Moskau und dann weiter in Armenien, wo ihr Sohn geboren wurde. Im Jahr 2012 ging BF2 alleine nach Moskau, um dort zu leben und zu arbeiten.
BF1 und BF3 lebten vor der Ausreise in Armenien. Sie halten sich seit einem unbekannten Zeitpunkt in Österreich auf und stellten im August des Jahres 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. BF2 reiste im Dezember 2015 aus der Russischen Föderation aus und in Österreich ein, wo er am 28.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Die BF reisten jeweils mit einem erschlichenen Visum das Bundesgebiet ein.
Die Identität der BF steht fest. BF2 hat die Behörden und das Bundesverwaltungsgericht nicht über seine Identität getäuscht.
Die BF sind seit dem Zeitpunkt ihrer jeweiligen Antragstellung Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel.
BF1 und BF2 sind nach ihrer Ausbildung jeweils einer Beschäftigung nachgegangen. BF1 hat in einem Krankenhaus gearbeitet, BF2 hat den Beruf eines Goldschmiedes erlernt, welchen er auch in der Russischen Föderation ausübte. Er war auch als Taxifahrer beschäftigt.
BF1 leidet an keiner unmittelbar mit Lebensgefährdung oder einem schweren Leiden verbunden Krankheit. Sie leidet auch nicht an keiner Krankheit, welche in Armenien nicht behandelbar wäre. BF1 nimmt Medikamente ein. Die BF haben Zugang zum armenischen Gesundheitssystem.
Die BF verfügen über eine, wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich, gesicherte Existenzgrundlage in Armenien.
BF1 und BF2 sind junge, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten in Armenien, dies in Form der Großmutter der BF1, der Mutter, der Tante und der Schwester des BF2. Die Tante arbeitet als Krankenschwester, die Mutter hat eine Landwirtschaft und ein eigenes Grundstück. Zu beiden hält BF2 auch Kontakt.
Die Pflege und Obsorge des minderjährigen BF ist durch seine Eltern gesichert.
Alle BF sprechen Armenisch und Russisch. BF1 spricht auch Polnisch und Englisch.
Die Eltern der BF1 leben in Österreich, in der Nähe des Wohnortes der BF. Eine Schwester der BF1 lebt in Polen und eine Tante des BF2 lebt in Frankreich. Sonst haben die BF keine Verwandten außerhalb Armeniens oder der Russischen Föderation.
Die BF leben in Österreich von der Grundversorgung. Sie sind strafrechtlich unbescholten.
Alle BF verfügen bereits über gute Deutschkenntnisse. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten. Sie haben sich in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und arbeiten ehrenamtlich für das Rote Kreuz.
Die BF gingen darüber hinaus noch keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. BF1 und BF2 haben sich jeweils um eine Stelle beim Magistrat der Stadt römisch 40 beworben, welche jedoch abschlägig behandelt wurde. BF2 verfügt über zwei Einstellungszusagen. BF1 möchte beim Roten Kreuz einen Pflegehilfekurs besuchen und später eine entsprechende Stelle finden.
Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO.
römisch II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien
Zur Lage im Herkunftsstaat Armenien werden folgende Feststellungen getroffen (die Quellen wurden den BF gegenüber offen gelegt):
Politische Lage
Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).
Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a).
Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).
Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen "Mein Schritt" erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei "Blühendes Armenien" (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei "Leuchtendes Armenien" unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vergleiche ARMENPRESS 10.12.2018).
Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).
Sicherheitslage
Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 20.3.2019). Die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach dauern an. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Im Jahr 2018 fanden mehrere Waffenstillstandsverletzungen entlang der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien statt, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verlusten führten (gov.uk 21.3.2019, vergleiche EDA 7.5.2019).
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018).
Regionale Problemzone: Bergkarabach (Nagorny Karabach)
Die sogenannte "Republik Bergkarabach" ("RBK", russ.: Nagorny Karabach; in Armenien auch Arzach genannt) wird von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Die aserbaidschanische Regierung besitzt faktisch jedoch keine Kontrolle über das Gebiet. Auch Armenien erkennt die "Republik Bergkarabach" offiziell nicht an, praktisch sind beide aber wirtschaftlich und rechtlich stark verflochten. Die Bewohner von Bergkarabach erhalten neben ihrem RBK-Pass auch armenische Pässe (AA 7.4.2019).
Laut Angaben der selbsternannten Republik von Nagorny Karabach (auch Republik Artsach), umfasst das Gebiet mehr als 12.000 km², wobei hiervon 1.041 km² unter aserbaidschanischer Okkupation stünden. Die Bevölkerung belief sich 2013 auf rund 147.000 Einwohner, wovon 95% Armenier sind, nebst Russen, Ukrainern, Griechen, Georgiern und Aseri (NKR 21.3.2019).
Die sog. Republik Bergkarabach kontrolliert das in Aserbaidschan früher als Autonome Region Bergkarabach verwaltete Gebiet sowie weitere sieben Provinzen Aserbaidschans in den Grenzgebieten zu Armenien und Iran und in der Region um Agdam. Der Kreis Shahumyan nördlich der früheren Autonomen Region ist unter aserbaidschanischer Kontrolle, wird aber ebenfalls von der "RBK" beansprucht, da es sich nach deren Logik um "von Aserbaidschan besetztes Gebiet" mit ehemals armenischer Bevölkerungsmehrheit handelt. Insgesamt befindet sich etwa 13% des Staatsgebiets von Aserbaidschan unter armenischer Kontrolle, d.h. der sog. Republik Bergkarabach (AA 7.4.2019; vergleiche USDOS 13.3.2019).
Der amtierende Präsident Sahakyan, dessen zweite Amtszeit zu Ende ging, wurde im Juli 2017 mit 28 von 33 Stimmen zum Übergangspräsidenten gewählt. Er besiegte Eduard Agabekyan, den Vorsitzenden der oppositionellen "Bewegung 88". Nach der neuen Verfassung ist der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef und hat die volle Autorität, Kabinettsmitglieder zu ernennen und zu entlassen. Nach der Einweihung von Sahakyan im September 2017 wurde das Amt des Premierministers abgeschafft (FH 1.2018).
Die Justiz ist in der Praxis nicht unabhängig und die Gerichte werden von der Exekutive sowie von mächtigen politischen, wirtschaftlichen und kriminellen Gruppen beeinflusst. Die Verfassung garantiert grundlegende Verfahrensrechte, aber Polizei und Gerichte halten diese in der Praxis nicht immer ein. Die Regierung kontrolliert viele der Medien und die öffentlichen Fernseh- und Radiosender haben keine lokale Konkurrenz. Die meisten Journalisten praktizieren Selbstzensur, insbesondere bei Themen im Zusammenhang mit dem Friedensprozess. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, lässt aber Einschränkungen im Namen der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und anderer staatlicher Interessen zu. In der Verfassung ist die Armenische Apostolische Kirche als "nationale Kirche" des armenischen Volkes verankert. Die Religionsfreiheit anderer Gruppen wird in der Praxis eingeschränkt. Proteste sind in der Praxis relativ selten. Die Behörden blockieren Versammlungen und Demonstrationen, wenn sie diese als Bedrohung der öffentlichen Ordnung wahrnehmen, einschließlich Veranstaltungen, die von armenischen Aktivisten der Opposition geplant sind. Proteste, die die diplomatischen und sicherheitspolitischen Interessen des Territoriums unterstützen oder bestimmte wirtschaftliche Missstände anprangern, werden eher toleriert (FH 1.2018).
Es gibt keine Erkenntnisse, wonach Personen bei Bekanntwerden einer (auch) aserbaidschanischen Herkunft mit staatlichen Übergriffen zu rechnen hätten. In Bergkarabach gelten den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung. Im Sozialwesen gibt es "behördliche" Unterstützung. Die wirtschaftliche Situation in Bergkarabach ist nach allgemeiner Einschätzung besser als in Armenien (AA 7.4.2019).
Rechtsschutz / Justizwesen
Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte. Die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis seit Mitte 2018 verbessert. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wurde bisher durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert. Es gibt Anzeichen, dass allein der Regierungswechsel im Mai 2019 zu weniger Korruption in der Justiz geführt hat. Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz gab es bereits Fortschritte, dass die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 7.4.2019). Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 13.3.2019).
Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.2.2019). Allerdings entließen viele Richter nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 13.3.2019).
Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort, und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. Anwälte berichteten, dass das Kassationsgericht in der Vergangenheit das Ergebnis aller wichtigen Rechtssachen an niedere Richter diktiert habe. Im Februar wurde mit der Umsetzung der Verfassungsänderungen 2015 der Oberste Justizrat (HJC) gebildet. Viele Beobachter gaben dem HJC die Schuld für Machtmissbrauch und die Ernennung von Richtern, die mit der früheren Regierungspartei verbunden waren. Anwälte erklärten auch, dass die Kontrolle der HJC über die Ernennung, Beförderung und Verlegung von Richtern die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt habe. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperlichen Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren (USDOS 13.3.2019).
Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz hat dieses Recht nicht durchgesetzt. Zwar sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der "Moral", der nationalen Sicherheit und des "Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer". Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 13.3.2019).
Sicherheitsbehörden
Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 13.3.2019, vergleiche AA 7.4.2019). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 7.4.2019).
Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vergleiche USDOS 13.3.2019). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 13.3.2019).
Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festhalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 13.3.2019).
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz verbietet solche Folter und andere formen von Misshandlungen. Dennoch gab es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur "Samtenen Revolution" immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 7.4.2019).
Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 13.3.2019). In einem Antwortschreiben an die Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 20.12.2018 auf 49 (HCA 1.2019).
Korruption
Armenien verfügt nicht über wirksame Schutzmaßnahmen gegen Korruption. Dem bis 2018 an der Macht befindlichen Parlament gehörten einige der wohlhabendsten Wirtschaftsführer des Landes an, die trotz Interessenkonflikten ihre privatwirtschaftlichen Aktivitäten fortsetzten. Auch die Beziehungen zwischen Politikern und anderen Oligarchen haben die Politik historisch beeinflusst und zu einer selektiven Anwendung des Gesetzes beigetragen. Die Berichte über systemische Korruption, auch in allen drei Staatsgewalten, gingen jedoch weiter. Nach der "Samtenen Revolution" im Mai 2018 leitete die neue Regierung Untersuchungen zur Bekämpfung der Korruption ein, die systemische Korruption in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens aufdeckte. Das SIS leitete zahlreiche Strafverfahren gegen mutmaßliche Korruption durch ehemalige Regierungsbeamte und deren Angehörige sowie Parlamentarier ein, deren Fälle von einigen tausend bis zu Millionen von US-Dollar reichten (USDOS 13.3.2019, vergleiche FH 4.2.2019).
Ministerpräsident Pashinyan, für dessen Regierung die Korruptionsbekämpfung ein hochrangiges Ziel darstellt, berichtete im Juli 2018, dass innerhalb zweier Monate bereits 20,6 Milliarden Armenische Dram (36,8 Millionen Euro) an Geldern aus Steuerhinterziehungen sichergestellt wurden. Betroffen waren 73 Unternehmen, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Die Summe bezog sich ausschließlich auf die Steuerschuld (Haypress 13.7.2018, vergleiche JAMnews 24.7.2018). Während die meisten Beobachter der Meinung sind, dass es reichlich Beweise für Fehlverhalten gibt, warnten einige, dass es eine schmale Linie zwischen soliden Rechtsfällen und politisch motivierten gibt. Die mit der ehemaligen, langjährigen Regierungspartei verbündeten Eliten zeigten erheblichen Widerstand gegen diese Ermittlungen und schienen den Antikorruptionskurs der neuen Regierung zu erschweren (FH 4.2.2019).
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 belegte Armenien den Rang 105 von 180 Ländern (2017: 107 von 180 Staaten) und erhielt wie 2017 einen Wert von 35 auf einer Skala von 100 [100 ist der beste, 0 der schlechteste Wert] bezüglich der Korruption im öffentlichen Sektor (TI 2018).
NGOs und Menschrechtsaktvisten
Die Zivilgesellschaft ist in Armenien aktiv und weitgehend in der Lage, frei zu agieren. Das Gesetz über öffentliche Unternehmen und das Stiftungsrecht wurden kürzlich mit einer Reihe positiver Änderungen verabschiedet, darunter die Möglichkeit, direkt einkommensschaffende oder unternehmerische Aktivitäten durchzuführen; weiters die Möglichkeit von Freiwilligenarbeit sowie die Möglichkeit für Umweltorganisationen, die Interessen ihrer Mitglieder in Umweltfragen vor Gerichten zu vertreten. Es gibt jedoch noch eine Reihe von Herausforderungen. Zum Beispiel die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Steuerverpflichtungen im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen, das Fehlen klarer Regeln für den Zugang zu öffentlichen Mitteln sowie klarer Regelung für die Verwendung privater Daten. Einschränkungen gibt es für zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit sensiblen Themen wie den Rechten von Minderheiten und einigen Gender-spezifischen Fragen arbeiten (OHCHR 16.11.2018). Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fehlen lokale Mittel und sind weitgehend auf ausländische Geber angewiesen (FH 4.2.2019).
Die Zivilgesellschaft war sehr aktiv bei den Protesten 2018, den anschließenden Konsultationen mit der Regierung in politischen Fragen und bei der Überwachung der Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen im Dezember 2018 (FH 4.2.2019).
Ombudsperson
Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte "Ombudsperson für Menschenrechte" muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 7.4.2019).
Mit den im März 2017 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen wurde der Zuständigkeitsbereich des Büros der Bürgerbeauftragten erweitert. Es kann Gesetzesvorschläge einbringen, Rechtsvorschriften aus Menschenrechtssicht überprüfen, förmliche Gutachten durchführen und Empfehlungen zu Rechts- und Rechtsvollzugsmängeln abgeben. Experten zufolge reichten jedoch der Grad der Ermächtigung und die Ressourcen des Büros der Ombudsperson nicht aus, um das neue Mandat des Büros umzusetzen (USDOS 20.4.2018).
Die Zivilgesellschaft hat die Arbeit des Büros der Ombudsperson während der Proteste von April bis Mai 2018 allgemein als gut erachtet. Nach Angaben der Website des Menschenrechtsverteidigers arbeitete das Büro bei Protesten 24 Stunden am Tag, um den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In der ersten Jahreshälfte 2018 meldete das Büro eine beispiellose Zahl von Bürgerbeschwerden und -besuchen, die es auf ein gestiegenes Vertrauen in die Institution und neue Erwartungen der Öffentlichkeit zurückführte (USDOS 13.3.2019).
Wehrdienst und Rekrutierungen
Männer armenischer Staatsangehörigkeit unterliegen vom 18. bis zum 27. Lebensjahr der allgemeinen Wehrpflicht (24 Monate). Auf Antrag besteht die Möglichkeit der Befreiung oder Zurückstellung vom Wehrdienst sowie der Ableistung eines militärischen oder zivilen Ersatzdienstes. Bei der Zurückstellung vom Militärdienst aus sozialen Gründen (z.B. pflegebedürftige Eltern, zwei oder mehr Kinder) muss bei Wegfall der Gründe der Betreffende bis zum 27. Lebensjahr noch einrücken. Wenn die Gründe nach dem 27. Lebensjahr noch bestehen, ist eine Einrückung in Friedenszeiten nicht mehr vorgesehen. Derjenige muss sich allerdings als Reservist zur Verfügung stellen. Armenische Rekruten werden auch an der Waffenstillstandslinie um Bergkarabach eingesetzt. Männliche Armenier ab 16 Jahren sind zur Wehrregistrierung verpflichtet. Sofern sie sich im Ausland aufhalten und sich nicht vor dem Erreichen des 16. Lebensjahres aus Armenien abgemeldet haben, müssen sie zur Musterung nach Armenien zurückkehren; andernfalls darf ihnen kein Reisepass ausgestellt werden. Nach der Musterung kann die Rückkehr ins Ausland erfolgen. Mit der Ende 2017 erfolgten Novellierung des Wehrpflichtgesetzes bietet das armenische Verteidigungsministerium im Rahmen des Konzepts "Armee-Nation" zwei neue Optionen für den Wehrdienst. Das Programm "Jawohl" ermöglicht den Rekruten einen flexiblen Wehrdienst von insgesamt drei Jahren mit mehrmonatigen Unterbrechungen. Man wird u.a. auch an der Frontlinie eingesetzt. Im Anschluss erhalten die Rekruten ca. 9.000 Euro für eine Existenzgründung sowie einen Wohnungskredit. Diese Regelung ist seit Dezember 2017 in Kraft. Das Programm "Es ist mir eine Ehre" erlaubt Hochschulstudenten das Studium abzuschließen und erst dann als Offizier ihren Wehrdienst abzuleisten. Im Laufe des Studiums werden für diese Studenten Pflichtveranstaltungen im Militärinstitut organisiert. Diese Regelung tritt ab Mai 2018 in Kraft (AA 7.4.2019).
Laut Informationen des Verteidigungsministeriums soll es für Personen mit legalem Daueraufenthalt im Ausland auf Antrag Befreiungsmöglichkeiten auch im wehrpflichtigen Alter geben: Eine interministerielle Härtefall-Kommission prüft die Anträge auf Befreiung vom Wehrdienst (AA 7.4.2019).
Es besteht ein komplexes System von gesetzlichen Garantien und Schutzmechanismen sowie interne wie externe Mechanismen, damit die Rechte des Personals, inklusive der Rekruten, in den Streitkräften geschützt werden. Auch bestehen externe und alternative Mechanismen zum Schutz der Rechte des Militärpersonals, so etwa der Rechtsschutz oder Beschwerden, die sowohl an den armenischen Ombudsmann als auch den "Public Council" des Verteidigungsministeriums gerichtet werden können, welcher aus Vertretern von lokalen NGOs besteht, und sich mit Beschwerden zu Menschenrechtsverletzungen, speziell während der Einberufung, auseinandersetzt (OSCE 13.4.2018).
Wehrersatzdienst
Es gibt einen Ersatzdienst für Wehrdienstverweigerer. Im Gesetz über den alternativen Wehrdienst vom 17.12.2003 ist sowohl ein 30-monatiger Ersatzdienst innerhalb der Streitkräfte (ohne Waffen, d.h. in der Regel hauswirtschaftliche Tätigkeiten) als auch ein 36-monatiger Ersatzdienst außerhalb der Streitkräfte vorgesehen. Die Anzahl der Wehrdienstverweigerer ist gering. Das novellierte Zivildienstgesetz vom 8.6.2013 eröffnet die Möglichkeit des Zivildienstes auch aus religiöser Überzeugung. Der Zivildienst untersteht dabei nicht mehr der Dienstaufsicht des Militärs, sondern wird von einem Gremium bestehend aus je zwei Vertretern des Sozial-, Gesundheits- und Verteidigungsministeriums gestaltet und beaufsichtigt (AA 17.4.2018).
Der Europäische Ausschuss für Soziale Rechte des Europarates (ESCR) befand Ende 2016, dass auch nach der Reduktion der Zivildienstdauer von 42 auf 36 Monate bzw. auf 30 Monate innerhalb der Armee, die Dauer im Vergleich zum Wehrdienst von 24 Monaten zu lang ist, und somit weiterhin nicht mit der Europäischen Sozialcharta konform geht (CoE-ECSR 1.2017).
Wehrdienstverweigerung / Desertion
Wehrpflichtige, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, müssen trotz vorhandener Strafvorschriften grundsätzlich nicht mit einer Bestrafung rechnen, wenn sie sich nach der Rückkehr bei der zuständigen Behörde melden. Auch bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Wehrdienstentzugs werden in solchen Fällen eingestellt. Männer über 27 Jahre, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, können gegen Zahlung einer Geldbuße die Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung erreichen. Durch die letzte Modifizierung des Wehrpflichtgesetzes wurde die Ausnahmeregelung über die Einstellung des Strafverfahrens gegen Strafzahlung bei Personen, die sich im Zeitraum zwischen 1992 und 1. Dezember 2017 der Wehrpflicht entzogen haben, bis zum 31. Dezember 2019 verlängert (AA 7.4.2019).
Am 12.10.2017 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMRK), dass Mitglieder der Zeugen Jehovas zu Unrecht verurteilt wurden, weil sie sich geweigert hatten, unter militärischer Aufsicht Zivildienst zu leisten, feststellend, dass die Regierung Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen "einen alternativen Militärdienst wirklich ziviler Art" anbieten muss. Die Regierung führte noch im selben Jahr einen alternativen Zivildienst ein, der nicht vom Militär kontrolliert wird. Laut Vertretern der Zeugen Jehovas sei das Staatskomitee, zuständig für Koordination und Prüfung der Anträge auf Ersatzdienst, weiterhin kooperativ, und das Programm funktioniere gut (USDOS 20.4.2018).
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt. Presse und Menschenrechtsorganisationen berichten allerdings nachvollziehbar von Fällen willkürlicher Festnahmen (AA 7.4.2019).
Zu den Menschenrechtsfragen gehörten Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung; Polizeigewalt gegen Journalisten; physisches Einschreiten von Sicherheitskräften bei Versammlungen; Beschränkungen der politischen Partizipation; systemische Regierungskorruption; Verbrechen mit Gewalt oder Drohungen gegen Mitglieder sexueller Minderheiten; unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Menschen mit Behinderungen in zuständigen Einrichtungen Institutionen und schlimmste Formen von Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019, vergleiche HRW 17.1.2019). Die neue Regierung hat Schritte, auch strafrechtliche, unternommen, um Missbrauch zu untersuchen und zu ahnden, insbesondere gegen ehemalige Regierungsvertreter. Am 3. Juli 2018 erhob der Sonderermittlungsdienst (SIS) Anklage gegen einige ehemalige hochrangige Beamte im Zusammenhang mit ihrer angeblichen Rolle bei den Zusammenstößen nach den Wahlen im Jahr 2008, als acht Zivilisten und zwei Polizisten getötet wurden (USDOS 13.3.2019).
Meinungs- und Pressefreiheit
Die Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel (AA 7.4.2019, vergleiche USDOS 20.4.2018). Journalisten zeichneten neun Monate nach dem politischen Machtwechsel ein gemischtes Bild. Während die Regierung nicht mehr versucht, die Berichterstattung direkt zu orchestrieren, erweisen sich die neuen Behörden als dünnhäutig gegenüber Kritik. Premierminister Pashinyan selbst hat wiederholt öffentliche Angriffe auf Journalisten gestartet, von denen viele in den Medien sagen, dass sie ein Klima der Einschüchterung gegen kritische Berichterstattung geschaffen haben (Eurasianet 6.2.2019, vergleiche USDOS 13.3.2019).
Im Jahr 2018 wurden 13 neue Klagen gegen Reporter und Medienvertreter eingereicht. Alle zitierten Artikel 1087.1 des RoA Zivilgesetzbuches ("Beleidigung und Verleumdung"). Im Jahr 2018 verkündeten die Gerichte neun Urteile gegen Medien und Reporter und zehn Urteile zu deren Gunsten (HCA 1.2019).
Dem Rundfunk und auflagenstarken Printmedien fehlt es in der Regel an politischer Meinungsvielfalt und objektiver Berichterstattung. Privatpersonen oder private Gruppen besitzen die meisten Rundfunkmedien und Zeitungen, was in der Regel die politische Ausrichtung und die finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelt. Nach Ansicht einiger Medienkritiker präsentierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch nach der "Samtrevolution" weiterhin Nachrichten aus einer regierungsfreundlichen Perspektive (USDOS 13.3.2019). Im Parlamentswahlkampf im Herbst 2018 gab es keine größeren Einschränkungen der Pressefreiheit, obwohl politisch ausgerichtete Medien weiterhin die mit ihnen verbundenen Parteien und Kandidaten bevorzugten (FH 4.2.2019).
Eine Reihe von Reportern wurde während der Protestphase von der Polizei physisch angegriffen (USDOS 13.3.2019, vergleiche FH 4.2.2019). Im Jahr 2018 wurden insgesamt 21 Vorfälle von körperlicher Gewalt gegen Reporter und Kameramänner registriert, 67 Vorfälle von Druck auf Medien und deren Mitarbeiter und 98 Vorfälle von Verletzungen des Rechts auf Erhalt und Verbreitung von Informationen (HCA 1.2019). Insgesamt wurden elf Strafverfahren im Zusammenhang mit den Vorfällen eingeleitet; in fünf der Fälle wurden Anklagen erhoben, drei Fälle landeten schließlich vor Gericht (USDOS 13.3.2019).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Versammlungsfreiheit
Die Verfassung und das Gesetz sehen die Freiheit der friedlichen Versammlung vor und nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 respektierte die neue Regierung diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.3.2019). Das Versammlungsgesetz entspricht EU- und anderen internationalen Standards. Die Versammlungsfreiheit wird durch die Polizei respektiert. Die Versammlungsfreiheit wird unter der Regierung Pashinyan nicht mehr durch Anwendung des Gesetzes über administrative Haft und des Versammlungsgesetzes eingeschränkt (AA 7.4.2019). Der Schutz und die Zugänglichkeit des Rechts auf Versammlungsfreiheit haben sich durch die politischen Veränderungen der im April 2018 abgehaltenen Versammlungen erheblich verbessert (HCA 1.2019).
Versammlungen können ohne vorherige Genehmigung, aber nach Benachrichtigung der Behörden abgehalten werden. In einigen Fällen die Benachrichtigung nicht erforderlich ist, wenn spontane und dringende Versammlungen abgehalten werden, oder wenn die Teilnehmerzahlen 100 Personen nicht überschreiten. Darüber hinaus sieht dieses Gesetz vor, dass die Polizei unabhängig von der Art der Versammlung verpflichtet ist, für Sicherheit zu sorgen und Demonstrationen zu ermöglichen, solange sie friedlich sind. Einige problematische Gesetzesbestimmungen schränken die Versammlungsfreiheit jedoch ein. So erlaubt das Gesetz beispielsweise nicht, dass sich Menschen vor dem Eingang bestimmter öffentlicher Gebäude versammeln (OHCHR 16.11.2018).
Vereinigungsfreiheit
Die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang. Die Gesetzgebung entspricht im Wesentlichen internationalen Standards, weist aber in der Umsetzung Defizite auf (AA 7.4.2019, vergleiche OHCHR 16.11.2018). Das Gesetz schützt das Recht der Arbeitnehmer auf Gründung und Beitritt zu unabhängigen Gewerkschaften, Streiks und Tarifverhandlungen. Diese Schutzvorkehrungen werden jedoch mangelhaft durchgesetzt, und die Arbeitgeber sind im Allgemeinen in der Lage, die Gewerkschaftstätigkeit in der Praxis zu blockieren (FH 4.2.2019).
Opposition
Das Gesetz schränkt die Registrierung oder Tätigkeit von politischen Parteien nicht ein. Vor der "Samtenen Revolution" unterdrückten die Behörden jedoch den politischen Pluralismus auf andere Weise (USDOS 13.3.2019). Die politische Dominanz und Kontrolle der Republikanische Partei (HHK) über die administrativen Ressourcen hat in der Vergangenheit verhindert, dass die gleichen Wettbewerbsbedingungen für die konkurrierenden Parteien des Landes galten. Die Protestbewegung von 2018, die Sargsyan, den Ministerpräsidenten der bis dahin regierenden HHK, aus dem Amt zwang, gab den Oppositionsgruppen deutlich mehr Freiheit vor den nationalen Wahlen im Dezember 2018. Die Parlamentswahlen im Dezember veränderten die politische Landschaft, ließen die HHK ohne parlamentarische Vertretung und ebneten den Weg für das Oppositionsbündnis "Mein Schritt" zur Macht. Die Größe der neuen parlamentarischen Mehrheit gab am Jahresende Anlass zu einigen Bedenken, dass die beiden kleinen Parteien, die als Opposition fungieren sollten, nicht in der Lage sein würden, eine ausreichende Kontrolle der neuen Regierung zu gewährleisten (FH 4.2.2019).
Während sich der politische Pluralismus nach dem Regierungswechsel im Mai ausdehnte, stellten Beobachter eine zunehmende Radikalisierung der Gesellschaft fest, die sich am deutlichsten in den sozialen Medien widerspiegelte und den Raum für Kritik an der neuen Regierung einschränkte, da jede abweichende Meinung von den Anhängern des zivilen Protestbündnisses als "konterrevolutionär" bezeichnet wurde. Einige politische Akteure der Opposition behaupteten, dass die neue Regierung öffentlichen Druck gegen sie ausübte (USDOS 13.3.2019).
Eine Reihe von inhaftierten radikalen Oppositionellen wurde nach der Machtübernahme der Opposition freigelassen. Einige Beobachter kritisierten ein im Oktober verabschiedetes Amnestiegesetz als politisch motiviert. Dazu gehörte auch die Amnestie für Mitglieder von Sasna Tsrer, einer bewaffneten Oppositionsgruppe, die 2016 ein Polizeigebäude beschlagnahmte und drei Polizisten tötete (FH 4.2.2019).
[siehe auch: 2.Politische Lage]
Haftbedingungen
Mit Stand 1.1.2018 befanden sich 3.536 Personen in Haft, was einen Wert von 119 per 100.000 Einwohner ausmachte und eine Abnahme bedeutet (2016: 4.873; 162 per 100.000). Allerdings stieg die Quote bei Untersuchungshäftlingen 2018 auf rund 37% im Vergleich zu fast 29% im Jahr 2016 (ICPS 2018).
Die Haftbedingungen sind geprägt von schlechter Hygiene, unzureichender medizinischer Versorgung und systemischer Korruption. Überbelegung war auf der Ebene der Gefängnisse kein Problem mehr und wurde auf der Ebene der Zellen fast gelöst, trotzdem sind die Bedingungen in einigen Fällen hart und lebensbedrohlich. In den Gefängnissen fehlte es im Allgemeinen an Unterkünften für Häftlinge mit Behinderungen (USDOS 13.3.2019).
Es existieren in Armenien 12 Haftanstalten, darunter ein Krankenhausgefängnis. Drei Haftanstalten befinden sich in Jerewan, die übrigen in den Provinzen. Die Haftanstalt Abovyan ist für die Unterbringung von Frauen und Jugendlichen vorgesehen. Der bauliche Zustand der Haftanstalten unterscheidet sich erheblich. Kritisch sind die materiellen Haftbedingungen in der Haftanstalt Nurbarashen, welche von gravierender Überbelegung und fortgeschrittener Baufälligkeit betroffen ist. Am besten sind die Haftbedingungen in der Anstalt Armavir, welche auch nicht voll belegt ist. Häftlinge aus anderen Anstalten, insbesondere zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte, werden vermehrt nach Armavir verlegt. Aber auch hier machen sich bereits bauliche Alterserscheinungen bemerkbar. Die Zellen sind ausreichend beleuchtet. Ausreichende Belüftung ist zum Teil, Heizung stets sichergestellt. Die hygienischen Verhältnisse sind insgesamt zufriedenstellend. Die Sicherstellung einer regelmäßigen Versorgung mit Nahrung ist aufgrund bestehender Regulierungen des staatlichen Beschaffungswesens zum Teil problematisch. Spezielle Angebote für Sport/Freizeitaktivitäten existieren in der Regel nicht. Fälle von willkürlicher Gewalt durch Gefängnispersonal stellen die Ausnahme dar. Allerdings ist der Schutz vor Gewalt von Insassen untereinander nicht immer gewährleistet. Probleme bereitet die gesundheitliche Versorgung. So gibt es zu wenig medizinisches Personal in den Krankenstationen, die Ausstattung mit medizinischen Geräten verbessert sich jedoch zunehmend. Die Situation der Überbelegung hat sich, mit Ausnahme der Haftanstalt Nurbarashen, verbessert (AA 7.4.2019).
Neben dem schlechten Zustand der Einrichtungen dominiert eine organisierte kriminelle Struktur das Gefängnisleben. Gefängnisbeamte delegieren Befugnisse an ausgewählte Häftlinge (sogenannte "Beobachter") an der Spitze der informellen Gefängnishierarchie, welche dann die Insassen kontrollieren. Die Haftbedingungen von Angehörigen sexueller Minderheiten sind die schlimmsten. Sie sind, geduldet von der Gefängnisverwaltung, häufig Ziel von Diskriminierung, Gewalt, psychologischem und sexuellem Missbrauch und werden von anderen Häftlingen gezwungen, entwürdigende Arbeit zu leisten (USDOS 13.3.2019)
Die Behörden führen keine Ermittlungen durch und ergreifen keine Maßnahmen, um Probleme wie Misshandlung von Gefangenen, Streitigkeiten und Gewalt zwischen Häftlingen oder weit verbreitete Korruption sinnvoll anzugehen. Strafgefangene und Häftlinge haben nicht immer einen angemessenen Zugang zu den Besuchern, da es keine geeigneten Räumlichkeiten gibt. Die Leiter von Gefängnissen und Haftanstalten nützen mitunter ihre Position, um willkürlich Gefangenen und Häftlingen den Besuch und den Kontakt zu Familien zu verweigern. Die Regierung erlaubt im Allgemeinen nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen sowie dem Internationalen Comitee des Roten Kreuzes die Haftbedingungen in Gefängnissen zu überwachen und Insassen zu besuchen. Die Behörden gestatten den Beobachtern auch, privat mit den Gefangenen zu sprechen (USDOS 13.3.2018).
Das Jahr 2018 brachte einige Verbesserungen im Strafvollzug mit sich. Im Mai 2018 verabschiedete das Parlament Gesetzesänderungen, um Lücken im Programm für frühzeitige Haftentlassungen zu schließen. Mit den Änderungen wurden die unabhängigen Kommissionen abgeschafft. Stattdessen sind nun der Strafvollzugs- und der Bewährungsdienst für die Prüfung der Anträge auf vorzeitige Entlassung zuständig. Auf der Grundlage der Gutachten dieser beiden Institutionen gibt nun das Gericht die endgültige Empfehlung zur vorzeitigen Haftentlassung ab. Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament Änderungen des Strafgesetzes, mit denen die Anzahl der kurzen und langen Besuche von Personen, die wegen besonders schwerer Verbrechen verurteilt wurden, verdoppelt wurde. Im November 2018 trat ein Dekret in Kraft, das es Häftlingen, denen aufgrund von Entfernung oder Krankheit die Möglichkeit verwehrt war, sich mit ihren Verwandten zu treffen, erlaubt, zwei 20-minütige Videoanrufe pro Monat zu führen. Und im Dezember stellte die Regierung dem Justizministerium 270 Millionen Dram (556.000 Dollar) für die Renovierung von Justizvollzugsanstalten zur Verfügung (USDOS 13.3.2019).
Todesstrafe
Armenien hat im September 2003 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe ist damit abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 7.4.2019, vergleiche AI 23.10.2018, Standard 19.4.2003).
Religionsfreiheit
Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Gemäß Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5% aus. Auch in den 2015 beschlossenen Verfassungsänderungen genießt die Armenisch-Apostolische Kirche (AAK) nach wie vor Privilegien, die anderen Religionsgemeinschaften nicht zuerkannt werden (Zulässigkeit der Eröffnung von Schulen, Herausgabe kirchengeschichtlicher Lehrbücher, Steuervorteile u. a. bei Importen, Wehrdienstbefreiung von Geistlichen, Kirchenbau). Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich jedoch amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände nutzen, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Religionsgemeinschaften die Registrierung verweigert wurde bzw. wird. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt (AA 7.4.2019).
In Artikel 18 der Verfassung wird die Armenische Apostolische Kirche als "Nationalkirche" anerkannt, die für die Erhaltung der armenischen nationalen Identität verantwortlich ist. Religiöse Minderheiten haben in der Vergangenheit über Diskriminierung berichtet, und einige hatten Schwierigkeiten, Genehmigungen für den Bau von Gotteshäusern zu erhalten (FH 4.2.2019). Mitglieder religiöser Minderheiten werden bei der öffentlichen Beschäftigung benachteiligt (USDOS 13.3.2019).
Laut Vertretern christlicher Minderheitengruppen besteht Freiheit in der Ausrichtung ihres Glaubens, allerdings fühlen sie sich verpflichtet, ihre Religion diskret auszuüben, besonders während sie im Militärdienst dienen. Menschenrechtsaktivisten äußerten weiterhin ihre Besorgnis über die Zustimmung der Regierung, dass die AAK am Unterricht an Schulen mitwirkt und die Zugehörigkeit zur AAK mit der nationalen Identität oft gleichsetzt wird, was die staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung anderer religiöser Organisationen verstärkt (USDOS 29.5.2018).
Ethnische Minderheiten
Die Bevölkerung setzt sich aus ca. 96% armenischen Volkszugehörigen und ca. 4% Angehörigen von Minderheiten (vor allem Jesiden, Russen, Kurden und Assyrer, denen nach der neuen Verfassung als den vier größten Minderheitengruppen jeweils ein Parlamentssitz zusteht) zusammen. Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Reisepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies beantragt. Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie u.a. studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. Dennoch wird an einigen armenischen Schulen in Gegenden mit jesidischer Bevölkerung (derzeit in 23 Dörfern) auch Unterricht in Jesidisch erteilt. Angehörige der jesidischen Minderheit berichten zwar immer wieder über Diskriminierungen. Weder Jesiden noch andere Minderheiten sind Ziel systematischer und zielgerichteter staatlicher Repressionen (AA 7.4.2019).
Die größte Herausforderung für Minderheiten in Armenien ist ihre schiere Unsichtbarkeit in der Gesellschaft. Alle Minderheitengruppen zusammen machen weniger als 2% der armenischen Bevölkerung aus. Hinzu kommt, dass keine Minderheit in irgendeinem Teil des Landes die Mehrheit ausmacht und stattdessen in ganz Armenien verstreut lebt. Während die jüngsten Verfassungsänderungen dazu geführt haben, dass 2017 vier Minderheitenvertreter in das Parlament gewählt wurden, werden alle Regierungsgeschäfte weiterhin auf Armenisch geführt. Infolgedessen stehen Minderheiten nach wie vor Schwierigkeiten gegenüber, an Entscheidungen teilzunehmen, die ihr tägliches Leben betreffen, zumindest auf nationaler Ebene. Sie sind weiterhin größtenteils nur auf lokaler Regierungsebene vertreten (MRGI 2019).
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Verfassung und Gesetze schreiben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest und verbieten die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl durch das in der Bevölkerung verankerte patriarchalische Rollenverständnis geprägt (AA 7.4.2019, vergleiche USDOS 13.3.2019).
Frauen sind in Führungspositionen im öffentlichen Sektor deutlich unterrepräsentiert. Im Jahr 2018 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote der Frauen in Armenien bei 17,3%. Auch in der Exekutive bleibt die Beteiligung von Frauen auf den höchsten Entscheidungsebenen, auf regionaler und lokaler Ebene sowie im diplomatischen Dienst gering. Ungleichheit im Bereich der Löhne ist besonders offensichtlich (CoE-CommDH 29.1.2019, vergleiche USDOS 13.3.2019, FH 4.2.2019).
Seit 2015 hat Armenien bedeutende Fortschritte bei der Schaffung und Verbesserung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung häuslicher Gewalt gemacht. Wichtige gesetzgeberische Maßnahmen wurden von Sensibilisierungskampagnen begleitet, die zu einer öffentlichen Debatte und einem spürbaren Einstellungswandel zum Thema häusliche Gewalt führten. Trotz dieser begrüßenswerten Entwicklungen und sehr lobenswerten Bemühungen bleibt die häusliche Gewalt in Armenien ein schwerwiegendes, weit verbreitetes und teilweise noch unterschätztes Phänomen (CoE-CommDH 29.1.2019).
Das neue Gesetz über häusliche Gewalt hat einige Elemente und Normen des Istanbuler Übereinkommens übernommen, verschiedene Formen häuslicher Gewalt definiert und den staatlichen Behörden eine positive Verpflichtung auferlegt, solche Gewalt zu verhindern und ihre Opfer zu schützen. Es verpflichtet die Behörden auch, eine nationale Strategie zur Bekämpfung häuslicher Gewalt zu entwickeln und umzusetzen, Unterkünfte für Opfer von Gewalt einzurichten, ihnen kostenlose medizinische Versorgung zu bieten und regelmäßige Schulungen für alle in diesem Bereich tätigen Fachleute durchzuführen (CoE-CommDH 29.1.2019).
Nach Angaben von NGOs fehlte es der Regierung an Mitteln für die vollständige Umsetzung des Gesetzes. Polizeibeamte begannen ein Ausbildungsprogramm, hatten aber keine ausreichende Ausbildung oder den Willen, das Gesetz in Hinblick auf die Täter anzuwenden. Es gab nur eine Schutzeinrichtung für Opfer. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 hat das Ministerium für Arbeit und Soziales konkrete Schritte unternommen, wie z.B. die Finanzierung einer zweiten Schutzunterkunft und die Möglichkeit für NGOs, Informationen auf Ministeriums-Website zu veröffentlichen (USDOS 13.3.2019).
Das Gesetz verlangt, dass bestimmte Dienstleistungen für diejenigen erbracht werden, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, es sieht aber keine Maßnahmen für monetäre Entschädigungen der Opfer vor. Die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen - Verwarnungen und Schutzanordnungen - reichen möglicherweise nicht aus, um die Menschenrechtsverpflichtungen des Landes zum Schutz der Betroffenen von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt zu erfüllen, dies infolge des Umfanges des Ermessensspielraum für die Strafverfolgungsbehörden und Richter, der vorgesehenen limitierten Fristen (z.B. Wegweisung) sowie der schwachen Konsequenzen, die Tätern häuslicher Gewalt blühen. Das Gesetz enthält zudem keine Details hinsichtlich der Beweislast, die für die Erlangung von Verwarnungen oder Schutzanordnungen oder für die strafrechtliche Verfolgung von Tätern häuslicher Gewalt erforderlich ist. Es ist letztendlich nicht klar, ob das Gesetz für alle Paare gilt, oder nicht registrierte Ehen bzw. Lebensgemeinschaften ausnimmt (OHCHR 29.3.2019).
Für den Schutz von Opfern häuslicher Gewalt beinhaltet das Gesetz die Anwendung von Schutzmaßnahmen, einschließlich Warnung, Notfallintervention und Schutzanordnung. Die Anwendung dieser Maßnahmen kann dazu führen, dass folgende Einschränkungen gelten: die sofortige und gewaltsame Entfernung des Gewalttäters aus dem Wohnort des Opfers und das Verbot seiner Rückkehr bis zum Ablauf der durch die Anordnung vorgesehenen Frist; Verbot für den Täter, das Opfer und gegebenenfalls die in Obhut des Opfers befindlichen Personen sowie Orte, an denen sie arbeiten, studieren oder leben oder andere Orte, zu besuchen; Verbot für den Täter, sich dem Opfer in einer Entfernung zu nähern, die beim Opfer eine nachvollziehbare Angst um die persönliche Sicherheit hervorruft. Trotz der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen wurden nach den Daten aus dem Gerichtsinformationssystem nur vier Fälle mit Anträgen auf Schutzanordnung zur Prüfung angenommen. Im Rahmen dieses Gesetzes wurden 413 Verwarnungen durch die Polizei ausgesprochen, in 128 Fällen wurde eine Entscheidung über ein sofortiges Eingreifen getroffen und Registrierungskarten für 541 Täter ausgefüllt (HCA 1.2019).
Vergewaltigung ist eine Straftat. Die Höchststrafe beträgt 15 Jahre. Allgemeine gesetzliche Bestimmungen zur Vergewaltigung gelten für die Verfolgung von Vergewaltigungen in der Ehe. Häusliche Gewalt wird nach allgemeinen Gesetzen über Gewaltanwendung verfolgt, obwohl die Behörden die meisten Vorwürfe häuslicher Gewalt nicht wirksam untersuchen oder verfolgen. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet. Es gibt Berichte, wonach die Polizei, insbesondere außerhalb Jerewans, Frauen davon abhält, Beschwerden einzureichen. Laut einigen Vertretern von NGOs werden Frauen, welche Vergewaltigungen anzeigen, fallweise über ihre bisherige sexuelle Erfahrung befragt und einem "Jungfräulichkeitstest" unterzogen. Eine Mehrheit der Fälle von häuslicher Gewalt wird nach dem Gesetz als Straftaten von geringer oder mittlerer Schwere angesehen. Die Regierung hat nicht genügend weibliche Polizeibeamte und Ermittler für den Außendienst eingestellt, um gegen diese Straftaten vorzugehen (USDOS 13.3.2019).
Der Untersuchungsausschuss der Republik Armenien hat 519 Straftaten von häuslicher Gewalt im Jahr 2018 bearbeitet, im Vergleich zu 458 Straftaten im Jahr 2017. Die meisten Strafsachen beziehen sich auf Gewaltanwendung durch den Ehemann. Im Jahr 2018 wurden in Armenien rund 990 Fälle von häuslicher Gewalt registriert, in 413 Fällen wurde eine Verwarnung ausgesprochen, während 128 Fälle eine sofortige Einmischung der Strafverfolgungsbehörden erforderten (CSVaW 2019). Laut diversen Studien sind 30% der armenischen Frauen Opfer körperlicher Gewalt in der Famlie, während Zwei-Drittel Opfer psychischer Gewalt sind (HCA 1.2019).
Im World Gender Gap Index 2018 nahm Armenien Rang 98 von 149 Ländern ein (2017: 97 von 144; 2016: 102 von 144). Insbesondere in den Subkategorien Gesundheit (Rang 148) und politische Teilhabe (Rang 115) schnitt das Land besonders schlecht ab, wohingegen in der Unterkategorie "Teilhabe an der Bildung" mit dem 35. Rang, der entsprechende Wert überdurchschnittlich gut war (WEF 2019).
Bewegungsfreiheit
Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus und der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 7.4.2019).
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Allerdings müssen die BürgerInnen ein Ausreisevisum erlangen, um das Land vorübergehend oder auf Dauer zu verlassen. Das Ausreisevisum kann innerhalb eines Tages routinemäßig erhalten werden und kostet 1.000 Dram [ca. 1 Euro] für ein Jahr (USDOS 25.3.2019, vergleiche FH 4.2.2019). Reisen ins Ausland sind durch den Umstand erschwert, dass die Grenzen zur Türkei und Aserbaidschan geschlossen sind (FH 4.2.2019).
IDPs und Flüchtlinge
Mit Stand Februar 2019 wurden rund 14.700 Flüchtlinge aus Syrien, 1.390 aus Aserbaidschan und 1.100 aus dem Irak gezählt, in Summe rund 18.000 (UNHCR 2.2019). Seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien kamen über 20.000 Flüchtlinge nach Armenien (99% armenisch-stämmige Christen), davon wurde der Löwenanteil aufgrund des gegenüber Immigranten armenischer Abstammung liberalen armenischen Staatsangehörigkeitsrechts mittlerweile eingebürgert. In kleinerem Maße treffen noch immer Flüchtlinge aus Syrien in Armenien ein. Die wirtschaftliche Lage vieler aus Syrien Geflohener hat sich durch eine Steuerreform für Familienbetriebe, die gute Entwicklung des Tourismussektors, in welchem viele der Flüchtlinge tätig sind, sowie die Projekte des UNHCR und verschiedener Diasporaverbände deutlich verbessert (AA 7.4.2019).
Die Nationalversammlung hat den Aktionsplan der neuen Regierung gebilligt, der erstmals wesentliche Verweise auf Flüchtlinge und Migration enthält. Unzureichende Aufnahmekapazitäten, die Bestrafung von Asylbewerbern wegen illegaler Einreise und nationale Sicherheitserwägungen können einen wirksamen Flüchtlingsschutz behindern, obgleich Armenien Vertragsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention ist (UNHCR 2.2019)
Die Behörden bieten den im Land verbliebenen ethnischen Armeniern aus Syrien die Wahl zwischen verschiedenen Schutzoptionen, darunter eine beschleunigte Einbürgerung, eine Aufenthaltserlaubnis oder den Flüchtlingsstatus. Durch die schnelle Einbürgerung erhalten Vertriebene aus Syrien das gleiche rechtliche Recht auf Gesundheitsversorgung und die meisten anderen Sozialdienste wie andere Bürger (USDOS 13.3.2019).
Laut dem Internal Displacement Monitoring Center lebten bis 2016 etwa 8.400 Binnenvertriebene der geschätzten 65.000 Haushalte, die 1988-94 evakuiert wurden, noch in der Vertreibung. Einige der Binnenvertriebenen und ehemaligen Flüchtlinge des Landes hatten keine angemessene Unterkunft und nur begrenzte wirtschaftliche Möglichkeiten (USDOS 13.3.2019).
Anlässlich des wieder aufgeflammten Bergkarabach-Konflikts Anfang April 2016 kamen ca. 2.000 Flüchtlinge, ganz überwiegend Frauen, Kinder und ältere Personen von dort nach Armenien. Während die meisten von ihnen noch 2016 nach Bergkarabach zurückgekehrt sind, gab es in der ersten Hälfte 2017 keine weitere Rückkehr und dementsprechend hielten sich Ende August 2017 noch 573 Personen, mehrheitlich aus dem Dorf Talish nahe der Waffenstillstandslinie, in Armenien auf (AA 7.4.2019).
Grundversorgung und Wirtschaft
Über ein Viertel der armenischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, d.h. es stehen weniger als 75 Euro pro Monat zur Verfügung. Die registrierte Arbeitslosenquote liegt bei 20%. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen ist weder in Ausbildung noch in der Beschäftigung. Die Schattenwirtschaft macht über 30% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Wirtschaft wird nach wie vor von den sogenannten "Oligarchen" dominiert, Geschäftsleuten, die in bestimmten Wirtschaftszweigen Monopole gegründet und in der Vergangenheit erheblichen Einfluss auf die Politik ausgeübt haben (FriEnt 23.4.2019)
Das Durchschnittseinkommen betrug im ersten Quartal 2019 rund 174.000 Dram [ca. 323 Euro] (ArmStat 2019), während die monatliche Durchschnittspension 2017 40.634 Dram [ca. 74 Euro] ausmachte. Das Mindesteinkommen beträgt 55.000 Dram [100 Euro], die Mindestpension 16.000 Dram [29 Euro] (ArmStat 2018).
Der UNDP Human Development Index, ein Messwert zur Beurteilung der Humanentwicklung und der Ungleichheit, ergab 2017 für Armenien einen Wert von 0.757 [Statistischer Bestwert ist 1] (im Vergleich der HDI von Österreich beträgt 0.908). Damit belegte Armenien, dessen Wert sich seit 1990 kontinuierlich verbesserte, Platz 83 von 189 Staaten (UNDP 15.7.2018).
Für 2018 wird in Armenien ein Wirtschaftswachstum von 5% erwartet. Im Vergleich zu den Vorjahren ist es ein etwas moderaterer Wert. 2017 stieg das armenische BIP um 7,5%, was mit der Überwindung der Wirtschaftskrise Russlands, des wichtigsten Partners Armeniens, zusammenhängt. Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle, vor allem in Exporten des Landes. Der 8.5.2018 schlug ein neues Kapitel in der jüngeren Geschichte Armeniens auf. Der neue armenische Premierminister Pashinyan erklärte den Kampf gegen die alle Bereiche umfassende Korruption. Seine weiteren Ziele sind die Verbesserung der Lebensbedingungen der in großen Teilen verarmten Bevölkerung und der Wirtschaftsaufschwung (WKO 23.7.2018).
Sozialbeihilfen
Sozialwesen
Das Sozialsystem in Armenien ist wie folgt aufgebaut:
* Staatliches Sozialhilfeprogramm, z.B. Unterstützung von Familien, einmalige Geburtenzuschüsse, sowie Kindergeld bis zum Alter von zwei Jahren
* Sozialhilfeprogramme für Personen mit Behinderung, Veteranen, Kinder, insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationshilfe, Altersheime, Waisenhäuser, Internate
* staatliches Sozialversicherungsprogramm, welches aus Alters- und Behindertenrente, sowie Zuschüssen bei vorübergehender Behinderung und Schwangerschaft.
* Privilegien für Personen, die im Jahr 1999 signifikante Notlagen durchlebten, vor allem für Veteranen des Zweiten Weltkriegs.
Alle armenischen Staatsbürger sind berechtigt, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.
Anmeldeverfahren: RückkehrerInnen können in einem der 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (10 in Jerewan und 41 in der anderen Regionen) Sozialhilfe beantragen oder online ein Formular einreichen: http://www.ssss.am/arm/e-reception/send-application/
Pensionssystem
Das Renteneintrittsalter in Armenien liegt bei 63 Jahren. Eine Sozialrente wird ab 65 Jahre gewährt. Bei beschwerlicher oder gefährlicher Arbeit kann das Eintrittsalter niedriger liegen. Das staatliche Rentenversicherungssystem, basierend auf einer gesetzlichen Sozialversicherung, ist in folgende Elemente gegliedert:
-Altersrente
-Verlängerte Dienstrente
-Behindertenrente
-Rente für Familien, die den Einkommensträger verloren haben
Um eine armenische Rente in Anspruch nehmen zu können muss der/die Rückkehrende in Armenien registriert sein. Anmeldungen für die staatliche Rente können ebenfalls auf der Website des staatlichen Sozialversicherungsservice des Ministeriums für Arbeit und Soziales eingereicht werden (IOM 2018).
Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100% der Basispension von 16.000 Dram monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht 500 Dram monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (SSA 2016).
Schutzbedürftige Personen
Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2018).
Arbeitslosenunterstützung
2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (SSA 2016).
Mutterschaftsgeld
Obwohl der Geburtsvorgang eines Babys technisch gesehen nach dem Gesetz kostenlos ist, fallen jedoch im Laufe von neun Monaten und vor allem in den Tagen nach der Geburt viele weitere Kosten an. Dies betrifft im Allgemeinen auch die Krankenhausgebühren. In den ersten sieben Lebensjahren eines Kindes sind alle Arztbesuche und Impfungen kostenlos. Dazu gehören auch Allergietests und ähnliche Untersuchungen, die für das Kind notwendig sind. Medikamentenkosten sind das Einzige, wofür die Eltern [fallweise] aufkommen müssen. Bestimmte Medikamente, wie Vitamin D bei Wintergeburten, werden von den Kliniken ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt. In einige Krankenhäusern werden sogar kostenlos Windeln oder Cremes ausgeben, sobald das Baby geboren ist. Die Geburt ist in Armenien offiziell kostenlos, die meisten Krankenhäuser verlangen jedoch inoffiziell Geldleistungen für die Anwesenheit des Arztes (Repat Armenia 26.6.2018).
Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindesgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Für das dritte und vierte Kind stehen je 1 Million Dram zu und zusätzlich 500.000 Dram, eingezahlt auf ein Spezialkonto für das Kind, von dem vor dem 18. Lebensjahr nur für bestimmte Zwecke wie etwa für Schulgebühren Geld abgehoben werden darf. Ab dem fünften Kind wird der einmalige Geldbetrag bis auf 1,5 Millionen Dram erhöht plus einer halben Million auf dem Spezialkonto. Außerdem haben Mütter, auch selbständig erwerbstätige, das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen Geburten auf 155 oder Mehrlingsgeburten auf 180 Tage ausgedehnt. In diesem Zeitraum wird das Gehalt zu 100% weiter bezahlt. Es können bis zu drei Jahre unbezahlte Karenz in Anspruch genommen werden, ohne das es zum Verlust des Arbeitsplatzes kommt (Repat Armenia 26.6.2018).
Medizinische Versorgung
Die primäre medizinische Versorgung ist in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 (Stand: 2016) regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei (AA 17.4.2018, vergleiche MedCOI 2.2018).
Um Zugang zu kostenlosen medizinischen Primärleistungen zu erhalten, muss eine Person armenischer Staatsbürger sein und in einer der Polikliniken oder primären Gesundheitseinrichtungen (Primary Healthcare - PHC) in der Nähe ihres Wohnortes registriert sein. In diesen Polikliniken oder PHC-Einrichtungen sind alle allgemeinen und wichtigsten spezialisierten medizinischen Dienstleistungen völlig kostenlos (einschließlich Impfungen und routinemäßiger labortechnischer Untersuchungen). Die folgenden Dienstleistungen stehen in den Polikliniken kostenlos zur Verfügung:
* allgemeines Gesundheitswesen: Allgemeinmediziner, Hausarzt, Bezirkstherapeut, Kinderarzt
* spezialisierte medizinische Dienste: Neurologen, Endokrinologen, Onkologen, Kardiologen, Chirurgen, Phthysiatern, Hals-Nasen-Ohren-Heilern (HNO), Gynäkologen, Dermatologen, Chirurgen/Traumatologen, Augenärzten, Infektions-/Immunologen, Stomatologen; und in mehreren Polikliniken Rheumatologen, Urologen
* Laboruntersuchungen: Blutkörperchenzahl, biochemische Routineuntersuchungen
* medizinisch-technische Untersuchungen: Ultraschall, EKG, Röntgen, Spirometrie, Fundoskopie
* Impfungen und Hausbesuche durch einen Hausarzt: bei akuten Erkrankungen - Infektionen der oberen Atemwege, Temperatur, Schmerzsyndrom; bei onkologischen Patienten durch Onkologen (MedCOI 2.2018).
Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem (AA 7.4.2019).
Alle armenischen StaatsbürgerInnen, einschließlich Rückkehrende, Asylsuchende und Flüchtlinge, haben ohne Einschränkungen das Recht auf Dienstleistungen von Krankenversicherungen. Rückkehrende, die nicht von der staatlichen Krankenkasse profitieren, können eine freiwillige private Krankenversicherung abschließen. Die Preise variieren zwischen 230 USD und 350 USD pro Jahr. Für die Anmeldung werden der Pass/Personalausweis und die Krankenversicherungskarte benötigt. Für den Abschluss einer privaten Krankenversicherung muss die Person die Krankenkassen direkt kontaktieren (IOM 2018).
Die armenische Verfassung von 1995 garantiert den universellen Anspruch auf medizinische Leistungen, die vom Staat finanziert werden sollten. Ab 1997 wurden aufgrund der Finanzierungsnöte die Ansprüche durch die Einführung des Basis-Leistungspakets (BBP) begrenzt, bei dem es sich um ein öffentlich finanziertes Paket handelt, das eine Liste von Dienstleistungen festlegt, die für die gesamte Bevölkerung kostenlos sind (weitgehend Grundversorgung, sanitär-epidemiologische Dienstleistungen und Behandlung von rund 200 gesellschaftlich bedeutsamen Krankheiten) und die diejenigen Gruppen festlegt, die alle Dienstleistungen kostenlos erhalten sollten. Die unter den BBP fallenden Dienstleistungen und Bevölkerungsgruppen werden jährlich seitens der Regierung überprüft. Zu den Kategorien von Menschen, die nach dem BBP Anspruch auf kostenlose Gesundheitsleistungen haben, gehören Menschen mit Behinderungen, die je nach Schweregrad in die Gruppen römisch eins, römisch II oder römisch III eingeteilt sind; Kriegsveteranen; Hinterbliebene von Gefallenen, aktive Soldaten und ihre Familienmitglieder; generell Kindern unter sieben Jahren, unter 18 Jahren mit Behinderung, Kinder von vulnerablen Bevölkerungsgruppen oder Familien mit vier oder mehr Minderjährigen, von minderjährigen Elternteilen, Kindern ohne elterliches Sorgerecht oder aus Familien mit Menschen mit Behinderungen, Kinder in Pflegeheimen; alte Menschen in Pflegeheimen, Häftlinge, Opfer von Menschenhandel, Schutzsuchende und deren Familienmitglieder. D.h., wenn ein Patient unter das BBP fällt, ist die Behandlung kostenlos. Auch private medizinische Einrichtungen müssen kostenlose Dienstleistungen für die unter das BBP fallenden Personengruppen erbringen. Die Kosten übernimmt das Gesundheitsministerium. Gehört jedoch der Patient nicht zu einer der sozial schwachen oder besonderen Bevölkerungsgruppen, ist er nicht versichert oder fällt nicht unter ein "spezielles Krankheitsprogramm" (z.B. AIDS, Tuberkulose, Psychiatrie, etc. sowie die teilweise Abdeckung anderer Erkrankungen, wie Krebs), so muss er für die erhaltene Behandlung bezahlen (MedCOI 2.2018).
Für die hospitale Behandlung zahlreicher Erkrankungen und Leiden besteht ein komplexes System des Selbstbehalts (Co-Payment System), wodurch nicht die gesamten Kosten beim Patienten liegen. Ausgenommen sind wiederum Minderjährige und Personen, die unter das BBP hinsichtlich der Hospitalsbetreuung fallen, für die die gesamten Kosten übernommen werden. Wenn ein Patient eine Krankenhausbehandlung benötigt, nimmt die primäre medizinische Einrichtung (z.B. Poliklinik) eine Überweisung an den entsprechenden Krankenhausdienst vor. Die Hausärzte informieren die Patienten in der Regel über ihre Chance auf kostenlose Behandlung oder Zuzahlung in Krankenhäusern, die Dienstleistungen im Rahmen des BBP anbieten. Nach der Anmeldung hat der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter den ersten erforderlichen Betrag seines Anteils an der Zuzahlung zu begleichen. Der Selbstbehalt (Zuzahlungsbetrag) kann vollständig oder schrittweise bezahlt werden, spätestens jedoch mit der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus. Die staatliche Gesundheitsbehörde übernimmt den Rest der Gesamtkosten nach der Analyse der monatlichen Finanzberichte der Krankenhäuser. Es gibt keine Rückerstattung und beide Parteien (Patient und Staat) zahlen ihren eigenen Anteil. Der Betrag, den jede Partei innerhalb des Zuzahlungssystems zahlen muss, ist kein fester Prozentsatz für alle betroffenen Krankheiten (MedCOI 2.2018).
Folgende Personengruppen können kostenfreie Medikamente in lokalen Polykliniken erhalten:
- Behinderte, 1. und 2. Gruppe (die Kategorien werden vom Ministerium für Arbeit und Soziales bestimmt)
- Behinderte Kinder unter 18 Jahren
- Veteranen des römisch II. Weltkriegs
- Kinder ohne elterliche Aufsicht, sowie Halbwaisen unter 18 Jahren
- Kinder (unter 18 Jahren) aus Familien mit 4 oder mehr minderjährigen Kindern
- Angehörige von Militärangehörigen, die im Dienste der Republik Armenien verstorben sind
- Kinder aus Familien mit behinderten Kindern unter 18 Jahren Kinder unter 7 Jahre
Eine Kostenerstattung in Höhe von 50% ist für folgende Personengruppen gewährleistet:
- Behinderte der 3.Gruppe
- Rechtswidrig Verurteilte
- Alleinstehende, arbeitslose Pensionäre
- Familien bestehend aus arbeitslosen Pensionären
- Alleinstehende Mütter mit Kindern unter 18 Jahren
Eine Kostenerstattung in Höhe von 30% erhalten arbeitslose Pensionäre (IOM 2018).
Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. 250 Euro/Monat). Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen - meist Privatkliniken - stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung (AA 7.4.2019).
Behandlungsmöglichkeiten von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS)
Die größeren Krankenhäuser in Eriwan sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos (AA 7.4.2019). Die Gebühren für die Behandlung sind flexibel, je nach den finanziellen Mitteln des Patienten (MedCOI 2.2018). Im Rahmen des BBP haben Patienten mit psychiatrischen/mentalen Störungen freien Zugang zu verschriebenen psychotropen Medikamenten, die in der NEDL (National Essential Drug List) aufgeführt sind. Die freie Bereitstellung von psychotropen Substanzen steht im Zusammenhang mit der "Krankheitsgruppe". Psychiater arbeiten in spezialisierten Apotheken, in denen Psychopharmaka kostenlos an registrierte psychisch kranke Patienten mit einer Ambulanzkarte abgegeben werden. Ein Rezept ist erforderlich, wenn ein Patient ein psychotropes Medikament in einer Apotheke kaufen möchte. Die [privaten] Krankenversicherungen decken keine medizinischen Dienstleistungen und psychotropen Medikamente ab, die bereits im Basis-Leistungspakets (BBP) enthalten sind (MedCOI 21.2.2018).
Rückkehr
Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 7.4.2019).
Das offizielle Internet-Informationsportal "Tundarc" bietet potentiellen armenischen Rückkehrern, auch Doppelstaatsbürgern, wichtigen Informationen zu den zu beachtenden Formalitäten bei einer Rückkehr sowie den wichtigsten Themenbereichen, wie Gesundheitsfürsorge, Pension, Bildung oder Militärdienst an. Überdies findet sich eine Orientierung zu bestehenden Hilfsprogrammen (Tundarc o.D.).
römisch II.1.3. Zur Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft nach armenischem Recht werden folgende Feststellungen getroffen:
Armenische Staatsbürger verlieren die armenische Staatsbürgerschaft nicht ex lege, wenn sie eine andere Staatsbürgerschaft erhalten. Sogenannte "Mehrfachstaater" werden im armenischen Inland allein als Inländer behandelt und können insbesondere nicht den diplomatischen Schutz eines anderen Staates anrufen.
römisch II.1.4. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat, Aufenthaltstitel
BF2 und BF3 brachten keine eigenen Fluchtgründe vor. Sie berufen sich auf die Gründe der BF1 und auf den gemeinsamen Familienverband.
Die BF gehören keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatten in ihrem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder ihres Religionsbekenntnisses zu gewärtigen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass BF1 und BF3 der behaupteten Gefährdung ausgesetzt waren bzw. im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefahr ausgesetzt wären. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass BF1 einem Vergewaltigungsversuch und nachfolgenden Drohungen durch eine Person aus ihrem Arbeitsumfeld ausgesetzt war. Ebensowenig ist für BF2 und BF3 eine Gefährdung daraus ableitbar.
Den BF droht im Falle einer Rückkehr nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge in Armenien.
2. Beweiswürdigung
römisch II.2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakten unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der BF und der im Gefolge des Verfahrens erster Instanz in Vorlage gebrachten Unterlagen sowie des Inhaltes der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde und Stellungnahmen, ferner durch Vernehmung der BF als Parteien in einer vor dem erkennenden Gericht durchgeführten mündlichen Verhandlung und Einsichtnahme in die im Gefolge der mündlichen Verhandlung ergänzend durch die BF vorgelegten Urkunden und Stellungnahmen; schließlich durch Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage in Armenien und der Russischen Föderation und Einsichtnahme in eine Anfragebeantwortung des Transkaukasus Institut vom 25.8.2006, in das Staatsbürgerschaftsgesetz der Republik Armenien sowie eine Durchführungsverordnung; alle genannten Quellen wurden den BF jeweils zu Gehör gebracht.
römisch II.2.2. Der eingangs angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verfahrensakts der belangten Behörde.
römisch II.2.3. Die Feststellungen zu den persönlichen und familiären Lebensumständen in Armenien als auch in der Russischen Föderation ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben der BF in den Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem erkennenden Gericht, sie sind im Beschwerdeverfahren nicht strittig.
Die Feststellungen zum Lebenslauf der BF, insbesondere ihrer Schulbildung, ihren Universitätsabschlüssen gründen auf ihren insoweit schlüssigen Angaben vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht.
Dass BF1 und BF2 über Berufserfahrung verfügen, ließ sich ebenfalls ihren Angaben vor der bB und dem Gericht entnehmen.
Auf ihren Angaben basieren auch die Feststellungen über die Einreise und die Lebensumstände in Österreich.
Von dem zunächst vom belangten Bundesamt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erhobenen Vorwurf, BF2 sei ohne ein gültiges Visum eingereist oder täusche seine Identität vor, trat das Bundesamt nach einer Anfrage beim zuständigen Polizeikooperationszentrum und einer Einsichtnahme in die Visa-Datenbank des Bundesministeriums für Inneres wieder zurück. Die Identität des BF2 wurde auch durch den von der bB übermittelten Auszug aus dem Visadatensystem des Bundesministeriums, in welchem auch ein Lichtbild des BF2 enthalten ist, dargelegt und war demgemäß davon auszugehen, dass BF2 seine Identität nicht vortäuscht.
In Bezug auf BF1 ist zwar festzuhalten, dass sie ihren Angaben zufolge mittels eines polnischen Touristenvisums eingereist ist, dieses sowie ihren Reisepass jedoch nicht in Vorlage brachte. Da auch BF2 gleichlautend anlässlich der Ersteinvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie auch anlässlich seiner Befragung durch die bB angab, seine Familie sei im Jahr 2012 nach Österreich gereist, kann letztlich nicht festgestellt werden, wann BF1 und BF3 tatsächlich einreisten.
Dass die Identität der BF1 feststeht, war deshalb festzustellen, da die Daten ihres Reisepasses (Dokumentennummer und Ausstellungsdatum) in einer Meldebestätigung aus dem Jahr 2013 (AS 83) enthalten ist, weshalb davon auszugehen ist, dass BF1 den Reisepass dort auch vorlegte. Im Gegensatz zu ihrer Angabe, ihren Reisepass auf Anraten eines Schleppers vernichtet zu haben, ist daher auch davon auszugehen, dass BF1 noch im Besitz ihres Reisepasses ist.
Die Feststellung, dass die BF mittels eines erschlichenen Visums in das Bundesgebiet einreisten ergibt sich aus folgenden Erwägungen: BF1 gab anlässlich ihrer Erstbefragung an, sie und BF3 seien mit einem von einem Schlepper organisierten polnischen Touristenvisum, gültig für fünfundzwanzig Tage, eingereist. Vor der bB gab sie zum Grund ihrer Ausreise an, sie sei nach Österreich zu ihren Eltern gekommen; sie benötige diese als psychische Stütze. Zu BF2 legte die bB im Rechtsmittelverfahren den schon erwähnten Auszug aus dem Visadatensystem (CVIS) des Bundesministeriums für Inneres vor, aus welchem ersichtlich ist, dass BF2 mit einem Touristenvisum, gültig von römisch 40 bis römisch 40 , ausgestellt von der Ungarischen Botschaft in Moskau, einreiste; dies findet auch in den Angaben des BF2 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Deckung. BF2 gab sowohl anlässlich seiner Ersteinvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, anlässlich seiner Einvernahme durch die bB als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, er sei wegen seiner Familie nach Österreich gereist und habe sonst keine Gründe für eine Einreise.
Den Aussagen der BF1 und des BF2 ist zu entnehmen, dass sie jeweils gezielt mit der Absicht nach Österreich reisten, um sich hier niederzulassen - BF1 bei ihren in Österreich lebenden Eltern und BF2 bei seiner Frau und seinem Sohn.
Laut Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) muss von der Auslandsvertretungsbehörde u.a. Folgendes festgestellt werden: die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit des Reisezwecks nach Österreich sowie die Bereitschaft des Visumsinhabers, vor Gültigkeitsablauf des Visums den Schengenraum wieder zu verlassen. Daraus ist erschließbar, dass BF1 und BF2 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens die Vertretungsbehörden über ihre tatsächlichen Absichten täuschten bzw. verschleierten, um ein Visum zu erlangen, indem sie ihre Niederlassungsabsicht und den Unwillen, den Schengenraum wieder zu verlassen, verschwiegen. Zu den Folgen dieses Verhaltens und der Rechtswidrigkeit der Einreise wird im Rahmen der rechtlichen Beurteilung noch näher einzugehen sein.
Aufgrund der im Rechtsmittelverfahren vorgelegten Note der armenischen Botschaft vom 22.8.2019 geht das Gericht abweichend von den Feststellungen der bB davon aus, dass BF2 die armenische Staatsbürgerschaft besitzt. Auf den Umstand, dass BF2 auch die russische Staatsbürgerschaft innehat, weist der von der bB vorgelegte Auszug aus dem Visadatensystem des Bundesministeriums für Inneres hin, wonach BF2 mit einem russischen Reisepass eingereist ist. Einer vom Gericht eingesehenen und den Parteien zu Gehör gebrachten Anfragebeantwortung des Transkaukasus Institut an die Geschäftsstelle der Sächsischen Härtefallkommission vom 25.8.2006 ist zu entnehmen, dass Artikel 14 letzter Satz der armenischen Verfassung ("Staatsangehörige der Republik Armenien können nicht gleichzeitig Angehörige eines anderen Staates sein") nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass ein armenischer Staatsbürger die armenische Staatsbürgerschaft ex lege verliert, wenn er eine andere Staatsbürgerschaft erhält, sondern soll Artikel 14, leg. cit. dahingehend verstanden werden, dass ein "Mehrfachstaater" im armenischen Inland allein als Inländer behandelt wird und insbesondere nicht den diplomatischen Schutz eines anderen Staates anrufen kann. Dem ist BF2 auch nicht entgegengetreten; vielmehr ließen die Stellungnahmen des BF2 und seiner gewillkürten Vertretung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 7 und 8 bis 9) darauf schließen, dass BF2 ebenfalls davon ausgeht, er sei im Besitz einer Doppelstaatsbürgerschaft. Zumal sich weder dem Vorbringen des BF noch der Auskunft der armenischen Botschaft entnehmen lässt, dass ein Entziehungsverfahren eingeleitet wird oder BF2 die armenische Staatsbürgerschaft zurücklegen möchte, ist auch davon auszugehen, dass er weiterhin armenischer Staatsbürger bleibt.
BF2 hat keine Gründe für eine Verfolgung oder Gefährdung in der russischen Föderation geltend gemacht, sondern sich auf die Gründe seiner Frau bezogen, weshalb diesem Erkenntnis die Länderfeststellungen zu Armenien zugrunde gelegt werden. Zudem liegt es, wie noch zu erörtern sein wird, aufgrund der in Armenien gegebenen familiären bzw. verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte und der dort vorhandenen Wohnmöglichkeiten nahe, dass die BF als Familie gemeinsam nach Armenien zurückkehren werden.
römisch II.2.4. Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Armenien ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, welche den BF zur Stellungnahme übermittelt wurden. Zur Sicherstellung der notwendigen Ausgewogenheit in der Darstellung wurden Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. In Anbetracht der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild zeichnen, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Aus diesen geht im Wesentlichen hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat grundsätzlich gewillt und befähigt ist, die auf seinem Territorium befindlichen Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen.
Zudem ist festzuhalten, dass es sich bei Armenien inzwischen um einen sicheren Drittstaat im Sinne der Herkunftsstaatenverordnung handelt, worauf im Rahmen der rechtlichen Beurteilung noch näher einzugehen sein wird.
Dass die BF von den Geschehnissen in Berg-Karabach betroffen wären, haben sie im Verfahren nicht behauptet.
Zu den von den BF vorgelegten Berichten im Hinblick auf Gewalt gegen Frauen die beispielsweise unter www.ecoi.net oder www.coe.int veröffentlicht wurden, ist anzumerken, dass diese auch nicht in Widerspruch zu den vom Bundesverwaltungsgericht ins Verfahren eingebrachten Berichten stehen, aus welchen beispielsweise hervorgeht, dass Opfer von Vergewaltigungen fallweise über ihre bisherigen sexuellen Erfahrungen befragt und einem "Jungfräulichkeitstest" unterzogen würden oder zu wenig weibliches Personal für diese Art von Straftaten zur Verfügung steht.
Sofern die Berichte auf häusliche Gewalt in Armenien Bezug nehmen, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies im Zusammenhang mit dem Vorbringen der BF1 relevant ist. Häusliche Gewalt liegt vor, wenn Personen innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären oder eheähnlichen, partnerschaftlichen Beziehung Gewalt ausüben oder androhen. BF1 jedoch behauptet eine sexuelle Belästigung bzw. einen Vergewaltigungsversuch an ihrem Arbeitsplatz.
Keinesfalls verkennt das Gericht die in den Länderberichten aufgezeigten Defizite in der effizienten Verfolgung von Gewaltakten gegen Frauen und sexuellen Übergriffen. Dass der armenische Staat grundsätzlich nicht gewillt oder fähig wäre, derartige Übergriffe zu verfolgen und zu sanktionieren, lässt sich jedoch weder den vom Gericht herangezogenen Länderberichten noch den von den BF vorgelegten Berichten entnehmen. Im gegenständlichen Fall ist auch noch zu beachten, dass BF1 die Polizei gar nicht kontaktiert hat und ist im Rahmen der weiteren Beweiswürdigung auch noch eingehend auf die Glaubwürdigkeit ihres Vorbringens einzugehen.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen sieht sich das Gericht nicht veranlasst, die Feststellungen in Bezug auf die Situation im Herkunftsland der BF zu ändern.
Zu den in der Beschwerde getätigten Ausführungen in Bezug auf die "Istanbul Konvention" und die daraus abzuleitende Verpflichtung für die Vertragsstaaten, geschlechterspezifische Gewalt als eine Form der Verfolgung anzuerkennen, die zu Vergabe eines Flüchtlingsstatus führen könne, ist anzumerken, dass dies von der bB auch nicht in Abrede gestellt wurde. In gegebenem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass im Rahmen eines Asylverfahrens zu prüfen ist, ob eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) und die Verfolgungsgefahr nicht nur aktuell sein, sondern auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194). Die bB ging davon aus, dass es BF1 nicht gelungen ist, die behaupteten Verfolgungshandlungen, insbesondere die nach einem Vergewaltigungsversucht erfolgten Drohungen, glaubhaft zu machen und begründete dies auch hinreichend. Das Gericht gelangt darüberhinaus zur Auffassung, dass sexuelle Übergriffe von erheblicher Intensität nicht stattgefunden haben, wie unter römisch II.2.5. noch ausführlich zu erörtern sein wird. Eine Kollision mit der Istanbul Konvention ist insoferne nicht ersichtlich.
In Bezug auf die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten, der Menschenrechtslage und der allgemeinen Situation in Armenien sowie der Russischen Föderation verweisen die BF ebenfalls auf die vom Bundesverwaltungsgerichte herangezogenen Länderinformationen und wird darauf im Rahmen der weiteren Beweiswürdigung ebenfalls noch näher einzugehen sein.
Die unter römisch II.1.3. getroffenen Feststellungen zur Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft in Armenien ließen sich aus einer vom Gericht eingesehenen und den BF zu Gehör gebrachten Anfragebeantwortung des Transkaukasus Institut an die Geschäftsstelle der Sachsischen Härtefallkommission vom 25.8.2006 ableiten, dessen Inhalt in Bezug auf die hier relevante Frage wie folgt zusammengefasst werden kann: Artikel 14 letzter Satz der armenischen Verfassung ("Staatsangehörige der Republik Armenien können nicht gleichzeitig Angehörige eines anderen Staates sein") kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass ein armenischer Staatsbürger die armenische Staatsbürgerschaft ex lege verliert, wenn er eine andere Staatsbürgerschaft erhält, sondern soll Artikel 14, leg. cit. dahingehend verstanden werden, dass ein "Mehrfachstaater" im armenischen Inland allein als Inländer behandelt wird und insbesondere nicht den diplomatischen Schutz eines anderen Staates anrufen kann.
römisch II.2.5. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus vergleiche VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.02.1993, Zl. 92/03/0011; 01.10.1997, Zl. 96/09/0007). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
Unter Berücksichtigung der vorstehend angeführten Rechtsprechung ist es BF1 nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen glaubwürdig und in sich schlüssig darzulegen.
römisch II.2.5.1. BF1 erachtet sich ausweislich ihres Vorbringens von einer Person, einem Zahnarzt, bedroht, welcher sie während ihrer Tätigkeit in einem Krankenhaus sexuell belästigt und sie nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses telefonisch bedrängt habe. Die Übergriffe seien der Grund für einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt gewesen. Der armenische Staat sei nicht schutzwillig bzw. - fähig. Eine Anzeige bei der Polizei habe sie deshalb nicht erstattet, da dieser Mann, ein Zahnarzt, wohlhabend sei und damals in Armenien Korruption geherrscht hätte; sie hätte keine Chance gehabt hätte, wenn es zu einem Strafverfahren gekommen wäre. Ferner habe diese Person ihr mit dem Tod gedroht und in Aussicht gestellt, auch ihrem Sohn etwas anzutun.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das vorgebrachte Bedrohungsbild als nicht plausibel. Zudem erfuhr das Vorbringen im Laufe des Verfahrens Modifikationen in wesentlichen Aspekten. Schließlich steht das Vorbringen der BF auch nicht in Einklang mit den Inhalten der von ihr im Verfahren der bB vorgelegten Unterlagen; im Einzelnen:
römisch II.2.5.2. Anlässlich ihrer Ersteinvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.8.2013 gab BF1 zu ihrem Ausreisegrund im Wesentlichen an, sie sei im Juli 2012 als Hilfskrankenschwester in einem Zahnambulatorium "inoffiziell" aufgenommen worden. Kurze Zeit danach habe ein Zahnarzt begonnen, sie sexuell zu belästigen. Nach acht Arbeitsmonaten habe sie die Arbeit gekündigt. "Anschließend" habe sie Anrufe vom Zahnarzt bekommen, der sie damit erpresst habe, dass er alles ihrem Mann erzählen würde, wobei es sich aber um Unwahrheiten gehandelt hätte. Die Ereignisse hätten sie nervlich krank gemacht. Sie sei von zu Hause weggelaufen und habe zwei Mal versucht, sich das Leben zu nehmen. Daraufhin sei sie von ihrem Mann in die Psychiatrie gebracht worden, wo sie im März 2013 zunächst vierundzwanzig Tage stationär behandelt worden und dann auch immer wieder zur Kontrolle hingegangen sei. Im April 2013 habe ihr Mann sie verlassen; er sei nach Russland gegangen und habe sich nicht mehr bei ihr gemeldet. Sie habe mit ihrem Sohn in römisch 40 bei ihrer alten, kranken Großmutter gelebt.
Vor der bB gab BF1 anlässlich ihrer ersten Einvernahme am 14.11.2014 an, die Belästigungen hätten nach ungefähr fünf Monaten begonnen; an ihrem letzten Arbeitstag sei es dann zu einem massiven Übergriff gekommen.
Zumal sie gleichbleibend angab, in dieser Klinik insgesamt acht Monate lang beschäftigt gewesen zu sein, kann der Beginn der behaupteten Belästigungen nicht als "kurze Zeit" nach ihrer Einstellung bezeichnet werden, was bereits erste Zweifel an den Ausführungen der BF begründete.
Ferner erwähnte BF1 die nachfolgenden telefonischen Kontaktaufnahmen und telefonische Erpressung bei dieser ersten Einvernahme durch die bB am 4.11.2014 mit keinem Wort. Vielmehr gab sie zur Frage, ob sie wieder von diesem Mann gehört habe an, dass dies nicht der Fall sei. Auf die Frage, ob sie weiterhin in Armenien leben hätte können und ihre Aussage dahingehend gedeutet werden kann, dass dieser Mann sie nicht mehr verfolgt hat, gab BF1 an: "Ja, dieser Mann hat mich nicht verfolgt. Aber ich hätte in diesem Haus, in dieser Umgebung, dieser Atmosphäre nicht weiterleben können. Ich kann nicht in einem Land leben, in dem diese Person weiterhin arbeitet und mein Leben zerstört."
Anlässlich einer weiteren Einvernahme am 27.9.2016 gab BF1 an, sie sei nach ihrer Kündigung doch noch belästigt worden. Sie habe beim letzten Mal vergessen, das zu erzählen. Sie sei gefragt worden, ob sie belästigt worden sei und habe diese Frage verneint, weil sie die Frage so verstanden habe, ob sie physisch belästigt wurde. Sie sei aber psychisch durch zwei Anrufe belästigt worden.
Dazu ist zunächst anzumerken, dass die Aussage vom 27.9.2016 schon in sich widersprüchlich ist, als ein Sachverhalt (Belästigungen nach der Kündigung) nicht gleichzeitig in Vergessenheit geraten und eine Aussage dazu auf einem Missverständnis basieren kann. Zudem gab BF2 vor dem Bundesverwaltungsgericht abweichend davon wiederum an, sie habe darüber nichts erzählt, da sie psychische Probleme gehabt habe. Dem Wortlaut der oben zitierte Aussage der BF vom 4.11.2014 lassen sich auch keinerlei Hinweise entnehmen, die den Schluss zuließen, BF1 habe die Frage missverstanden; vielmehr geht unmissverständlich daraus hervor, dass es nicht die Verfolgungshandlungen des Zahnarztes gewesen seien, die sie zur Ausreise bewogen haben. BF1 gab vor dem Bundesverwaltungsgericht auch zu Protokoll, dass sie an der Einvernahme-Situation bei der Behörde nichts zu beanstanden hätte und auch nichts korrigieren oder richtigstellen möchte.
Dass BF1 durch erfolgte Telefonanrufe bedroht worden sei, war auch insofern nicht glaubwürdig, als sie anlässlich ihrer Ersteinvernahme angegeben hatte, sie wäre im Anschluss an ihre Kündigung telefonisch belästigt worden (AS 25) - die Kündigung erfolgte ihrer Aussage im weiteren Verfahren kurz vor ihrer Einlieferung in die psychiatrische Klinik im Frühjahr 2013 - in ihrer Beschwerde wurde dann jedoch vorgebracht, der letzte Drohanruf sei kurz vor ihrer Ausreise aus Armenien erfolgt (AS 317).
In der mündlichen Verhandlung zu den genauen Daten der genannten Belästigungen befragt, erstattete BF1 auffallend ausweichende Antworten, in dem sie etwa auf die Fragen zur zeitlichen Einordnung der physischen und telefonischen Belästigungen und Häufigkeit der telefonischen Kontaktaufnahmen lediglich angab, dass das sehr lange her sei. Auf Nachfrage, wann nach Beendigung ihrer Arbeit bis zu ihrer Ausreise sie telefonisch kontaktiert worden sei, gab sie an: "Ich war in einem sehr schlechten Zustand. Meine Oma hat mich in die psychiatrische Klinik begleitet. Ich war dort in Behandlung.". Auf die Frage, ob sie auch nach ihrer Behandlung in der psychiatrischen Abteilung noch angerufen wurde, gab sie an: "Ein Jahr lang habe ich in Angst verbracht. Ich hatte keine finanziellen Mittel um auszureisen." Schließlich vermeinte BF1, dass die Beantwortung dieser Fragen sehr stressig für sie sei.
Dass der psychische Zustand der BF eine weitere Einvernahme nicht zugelassen hätte, konnte das Gericht nicht erkennen, zumal BF1 nach Erörterung der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Feststellung ihres tatsächlichen Gesundheitszustandes - einer am Verhandlungstag vorgelegten ärztlichen Bestätigung ließ sich lediglich entnehmen, dass BF1 in Behandlung eines Facharztes für Psychiatrie steht - angab, sie könne die Fragen schon beantworten. Die von gewillkürten Rechtsvertretung beantragte Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Einvernahmefähigkeit der BF wurde nach einer Unterredung zwischen dieser und der BF auch wieder zurückgezogen. Zu beachten war auch, dass das Aufkommen von Stress nicht in Zusammenhang mit Fragen behauptet wurde, die sich auf die sexuellen Übergriffe - davon hat BF1 ungefragt erzählt (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 18) - oder Gesprächsinhalte bezogen, sondern ging es um die zeitlichen Abläufe und die im bisherigen Verfahren aufgetretenen Widersprüche dazu. Da BF1 mit ihrem Vorbringen sehr stark den Eindruck erweckte, einen schlechten psychischen Zustand vorzuschieben, um über das Unvermögen, die aufgetretenen Widersprüchen und Ungereimtheiten aufzuklären, hinwegzutäuschen und sie auch von sich aus angab, in der Lage zu sein, weitere Fragen zu beantworten, wurde von einer Vertagung und einer vom Gericht veranlassten Überprüfung der Einvernahmefähigkeit der BF1 abgesehen.
BF1 tätigte ferner inkonsistente Angaben im Hinblick auf die Zeit, die sie nach ihrer Kündigung bzw. Entlassung aus der psychiatrischen Klinik bis zu ihrer Ausreise noch in Armenien verbrachte. Vor der bB gab sie am 4.11.2014 an, dass sie etwa ein Jahr nach ihrem letzten Arbeitstag die Heimat verlassen habe (AS 77). Bei der Erstbefragung hatte sie angegeben, sie sei im Juli 2012 eingestellt worden und habe nach acht Monaten - sohin im März 2013 - gekündigt (AS 25). Zumal BF1 den Zeitpunkt ihrer Ausreise immer gleichbleibend mit August 2013 bezeichnete, wären ihren Angaben bei der Erstbefragung zufolge maximal fünf Monate bis zu ihrer Ausreise vergangen und ist eine derart auffällige Abweichung auch nicht mit einer Stress-Situation oder einem schlechten psychischen Zustand zu erklären. Anlässlich der weiteren Einvernahme vor der bB am 27.9.2016 sowie in ihrer Beschwerdeschrift bezeichnete BF1 den Zeitraum bis zu ihrer Ausreise wieder als "ungefähr ein halbes Jahr" (AS 171), wohingegen sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wiederum angab, sie habe ein Jahr lang in Angst verbracht (Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 7.7.2019, S.17).
Eine Ungereimtheit in der Aussage der BF ergab sich auch in Bezug auf ihren Aufenthalt in Russland. Beide BF gaben in der mündlichen Verhandlung an, drei Jahre lang nach ihrer Verehelichung zusammen in Moskau gelebt zu haben, wobei der vorgelegten Heiratsurkunde zufolge die Verehelichung im Jahr 2011 im Registerbuch für Eheschließungen eingetragen wurde - die BF hätten demnach beide bis zum Jahr 2014 in Moskau gelebt, was sowohl mit ihren Angaben über die Einreise nach Österreich - BF1 zufolge seien sie und BF3 im Jahr 2013 hier eingereist; BF2 zufolge wären sie bereits im Jahr 2012 hier eingereist - als auch die Aussagen zu den Geschehnissen in Armenien kollidiert.
Ferner hat BF1 auch ein inkonsistentes Vorbringen zur Finanzierung ihrer Ausreise getätigt, als sie anlässlich der ersten Befragung durch die bB angab, sie habe ihre Ausreise mit Geld aus einem Schmuckverkauf finanziert und anlässlich der zweiten Befragung auch angab, sie habe nach den Übergriffen so lange für die Ausreise gebraucht, da sie überdies auch Geld gesammelt hätte.
Schon aufgrund der oben aufgezeigten Inkonsistenzen und Widersprüchen in den Aussagen der BF1, die auch durch gezieltes Nachfragen nicht aufgeklärt werden konnten, verfestigte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht der Eindruck, dass sich BF1 in Bezug auf die Verfolgung durch eine Privatperson einer konstruierten Geschichte bedient.
römisch II.2.5.3. Maßgeblich ins Gewicht fällt auch, dass sich das Vorbringen der BF in mehrerlei Hinsicht als nicht plausibel bzw. nachvollziehbar erweist:
BF1 gab an, sie hätte sich nicht an die Polizei gewandt, da sie Angst gehabt und wegen der im Land vorherrschenden Korruption auch befürchtet hätte, das Nachsehen gegenüber dem gut situierten Zahnarzt zu haben.
Dass sich jemand entscheidet, die Polizei nicht zu kontaktieren, wenn mit Tod und Verfolgung gedroht wird, ist grundsätzlich verständlich (wie diese Entscheidung im Hinblick auf die Asylrelevanz des Vorbringens zu bewerten ist, wird im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausführlich zu erläutern sein und ist dieses Faktum auch im Rahmen der Würdigung ihres Vorbringen über die mangelnde Schutzwilligkeit des armenischen Staates zu beachten), jedoch ist im Falle der BF1 auch darauf hinzuweisen, dass sie in der Einvernahme durch die bB angegeben hat, sie hätte Verwandte bei der Polizei (AS 75). BF1 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht auch mit dieser Aussage konfrontiert; die unterlassene Anzeige erklärte sie mit der Angst um ihren Sohn (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 18). Gerade vor diesem Hintergrund ist jedoch nicht verständlich, warum BF1 eine Kontaktaufnahme kategorisch ausgeschlossen und nicht zumindest einen ihrer Verwandten ins Vertrauen gezogen bzw. um Rat gefragt hat. Sofern BF1 Korruption als Grund für die Abstandnahme von einem Kontakt zu den Behörden nennt, so wäre auch in dieser Hinsicht zu erwarten gewesen, dass die bei der Polizei tätigen Verwandten zumindest um eine Einschätzung der Chancen bzw. Folgen einer Anzeige gebeten werden. Dass sie derartige Versuche unternommen hat, hat BF1 nicht erwähnt. In Bezug auf die Glaubwürdigkeit des Vorbringens vor dem Hintergrund der eingesehenen Länderberichte wird auf die Ausführungen unter römisch II.5.4. verwiesen. Schließlich erschließt sich für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht, weshalb BF1 befürchtet haben sollte, in einem Strafprozess zu unterliegen, wie sie vor der bB vorbrachte, zumal davon auszugehen ist, dass eine Anklage gegen den Zahnarzt auch nur erfolgt wäre, wenn sich die Verdächtigungen der BF1 für die Behörden als nachvollziehbar dargestellt hätten.
In Bezug auf das Vorbringen, BF1 habe nach dem Übergriff bzw. ihrem Aufenthalt in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses noch ein halbes Jahr bzw. ein Jahr in Armenien gelebt, da ihr das Geld für die Ausreise gefehlt hat, stellte sich zudem die Frage, wie BF1 in dem von ihr geschilderten, schlechten Zustand noch allein mit ihrem Kind und ihrer Großmutter in Armenien ihren Alltag bewältigen hätte können. Dazu gab BF1 in der Beschwerdeverhandlung an, sie hätte immer Kontakt, telefonischen oder über das Internet, zu ihren Eltern gehabt und das habe ihr sehr geholfen. Dies weist jedoch zum einen darauf hin, dass BF1 ihr Leben sehr wohl auch ohne die Präsenz ihrer Eltern meistern konnte, zum anderen weist dies auch darauf hin, dass BF1 ihr Heimatland nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat, zumal es schlicht nicht nachvollziehbar ist, dass jemand in einem psychisch devastierten Zustand, bedrängt von einer Person, die mit Ermordung der eigenen Person und Übel für das Kind gedroht hätte, noch über einen so langen Zustand in Furcht und Angst verharrt, ohne die Polizei aufzusuchen oder den Aufenthaltsort zu wechseln.
Die Aussagen der BF sind auch mit den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht in Einklang zu bringen: In der mündlichen Verhandlung gab BF1 dezidiert an, dass die sexuellen Übergriffe vor ihrer Erkrankung begonnen hätten (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 18). Den während des Verfahrens der bB vorgelegten armenischen Krankenberichten ist jedoch zu entnehmen, dass sich bereits im Jahr 2011 Verhaltensauffälligkeiten gezeigt hätten (AS 119). Ferner lässt sich einem Auszug aus der Krankheitsgeschichte der psychiatrischen Klinik römisch 40 vom 15.7.2013 entnehmen, dass BF1 dort angab, sie habe Ehebruch begangen und wolle man sie deshalb hereinlegen; ihr Mann wolle ihr schaden. Auch aus einer Patientenkarte dieses Institutes vom 6.4.2012 lässt sich entnehmen, dass BF1 ihren Angaben zufolge Ehebruch begangen habe. Von sexuellen Übergriffen eines Vorgesetzten oder Kollegen ist dort nichts vermerkt.
Diese Abweichung zu der im gegenständlichen Verfahren vorgetragenen Geschichte erklärte BF1 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung mit ihrem damaligen psychischen Zustand. Der Krankengeschichte vom 15.7.2013 zufolge trat bei der Patientin eine "Akute polymorphe psychotischen Störung ohne schizophrenische Störung" auf, wobei darin auch festgehalten ist, dass wahnhafte Erlebnisse nicht aktuell seien, die Patientin sich aber über ein Angstgefühl und körperliches Unwohlsein beklagt habe und Schlafstörungen vorlägen; ferner sei die Patientin klar im Bewusstsein und vollständig orientiert, es würden sich keine Wahrnehmungsstörungen oder intellektuell-mnestische Störungen zeigen.
Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung, insbesondere hinsichtlich der Bewusstseins- Klarheit und vollständigen Orientierung der BF zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Krankengeschichte ist nicht davon auszugehen, dass BF1 eine möglicherweise in den Phasen ihrer psychotischen Störung erdachte Geschichte aufrechterhielt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die wahnhaften Vorstellungen nachwirkten, so erklärt dies nicht, weshalb BF1 im Laufe ihres Aufenthalts in der geschlossenen Abteilung der psychiatrischen Klinik römisch 40 sowie auch in der Folge im Rahmen der weiteren ambulanten Betreuung durch dieses Institut nie von dem sexuellen Übergriff und den am letzten Arbeitstag ausgesprochenen Drohungen des Zahnarztes, er würde ihr und ihrem Kind schaden (AS 73) gesprochen hat - das lässt sich zumindest aus den zuvor genannten Krankengeschichten aus den Jahren 2012 und 2013 ableiten - und ist dies vor allem deshalb bemerkenswert, als BF1 genau diese Übergriffe und Drohungen als Auslöser für ihre psychische Krankheit bezeichnet. Unverständlich ist zudem, dass jemand, der seine Umwelt und sein näheres familiäres Umfeld plötzlich als feindlich wahrnimmt - BF1 gab in der Beschwerdeverhandlung an, sie hätte fälschlicherweise eine Bedrohung von ihrem Mann ausgehen gesehen (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 18) - und davon auch im Laufe seiner Therapie berichtet (AS 139), einen tatsächlich erfolgten gewaltsamen Übergriff und in diesem Zusammenhang ausgestoßene Drohungen einer anderen Person nicht erwähnenswert finden sollte.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auch das Vorbringen in Bezug auf den am letzten Arbeitstag erfolgten Übergriff und die dabei erfolgten Drohungen nicht glaubhaft. Ob BF1 jemals Belästigungen sexueller Natur am Arbeitsplatz erfahren hat, ist nicht feststellbar. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese die für die Annahme einer Verfolgung erforderliche erhebliche Intensität und Aktualität aufweisen (siehe dazu auch die Ausführungen im Rahmen der Rechtlichen Beurteilung), zumal davon ausgegangen werden kann, dass derartige Übergriffe in die Berichte der psychiatrischen Klinik Eingang gefunden hätten.
römisch II.5.4. Schließlich findet das Vorbringen der BF, ihr Herkunftsstaat sei nicht in der Lage bzw. Willens, ihr zu helfen, in der vorgenommenen Überprüfung des realen Hintergrundes der vorgetragenen Fluchtgeschichte im Hinblick auf die Schutzwilligkeit und -fähigkeit des armenischen Staates keine Deckung (zur Verpflichtung des Bundesverwaltungsgerichtes, bei der Beweiswürdigung den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in die Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit der Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen siehe allgemein statt aller VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0108).
Wenn von Seiten der BF in der Stellungnahmen vom 31.7.2019 Ausdruck gebracht werden soll, dass kein hinreichender Schutzmechanismus seitens des Staates besteht, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Schutz vor Gewalttaten in keinem Staat der Erde lückenlos möglich ist.
Das Gericht verkennt nicht die im Herkunftsstaat bestehenden Defizite in der effizienten Verfolgung von Gewaltakten gegen Frauen und sexuellen Übergriffen, zumal in den eingesehenen Berichten auch dargelegt wird, dass zu wenig weibliches Personal für diese Art von Straftaten zur Verfügung steht und einigen Vertretern von NGOs zufolge Frauen, welche Vergewaltigungen anzeigen, fallweise über ihre bisherige sexuelle Erfahrung befragt und einem "Jungfräulichkeitstest" unterzogen werden.
Sofern in der Stellungnahme von Defiziten bei der Verfolgung häuslicher Gewalt gesprochen wird, ist darauf hinzuweisen, dass BF1 dies gar nicht vorgebracht hat; sie behauptete eine Belästigung am Arbeitsplatz.
Dass der armenische Staat grundsätzlich nicht gewillt oder fähig wäre, sexuelle Übergriffe zu verfolgen und zu sanktionieren, lässt sich weder den vom Gericht herangezogenen Länderberichten als auch den von den BF vorgelegten Berichten entnehmen. (Versuchte) Vergewaltigung ist in Armenien eine Straftat. Die Höchststrafe beträgt fünfzehn Jahre. Allgemeine gesetzliche Bestimmungen zur Vergewaltigung gelten auch für Vergewaltigungen in der Ehe.
Die grundsätzliche Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Staates ist somit gegeben vergleiche hierzu auch die Ausführungen des VwGH im Erkenntnis vom 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141 zu den Voraussetzungen der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit, hier in Bezug auf die Türkei; in diesem Erkenntnis wird weiters ausgeführt: "Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem die Gewährung von Asyl an einen algerischen Staatsangehörigen betreffenden Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0256, ausgesprochen, dass mangelnde Schutzfähigkeit des Staates nicht bedeute, dass der Staat nicht mehr in der Lage sei, seine Bürger gegen jedwede Art von Übergriffen durch Dritte präventiv zu schützen, sondern dass mangelnde Schutzfähigkeit erst dann vorliege, wenn eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung "infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt" nicht abgewendet werden könne (wobei auf die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0037, und vom 6. Oktober 1999, Zl. 98/01/0311, Bezug genommen wird). Dies sei dann der Fall, wenn für einen von dritter Seite Verfolgten trotz des staatlichen Schutzes der Eintritt eines - entsprechende Intensität erreichenden - Nachteiles mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.").
Im vorliegenden Fall spricht schon der erhobene Hintergrund gegen das Vorbringen der BF1, insbesondere dagegen, dass sie gar nicht erst zur Polizei gegangen sei, da sie sich ohnehin keinen Schutz erwarten konnte, zum anderen ist das Vorbringen in Bezug auf die Schutzwilligkeit und -fähigkeit auch im Kontext ihrer Fluchtgeschichte zu sehen und erweist sich die Befürchtung, im Falle einer Rückkehr neuerlichen Angriffen wegen der mangelhaften Schutzfähigkeit des armenischen Staates ausgesetzt zu sein, auch deshalb als unbegründet, da ein Nachteil von entsprechender Intensität mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im vorliegenden Fall aufgrund der Verfahrensergebnisse eben nicht zu erwarten ist.
Selbst wenn man BF1 soweit folgen möchte, dass es sexuelle Belästigungen oder Übergriffe am Arbeitsplatz gegeben hat, die einen psychotischen Schub ausgelöst oder ihre psychischen Probleme verstärkt haben, so ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass aufgrund der aufgezeigten gravierenden Widersprüche, Unplausibilitäten und Modifikationen im Vorbringen der BF1 der Behauptung in Bezug auf die nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses erfolgten Drohungen keinesfalls Glauben geschenkt werden konnte.
Im gegenständlichen Fall ist auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Drittstaat handelt, was im Rahmen der rechtlichen Beurteilung noch eingehend erläutert wird. Aus dem Umstand, dass sich der innerstaatliche Normengeber im Rahmen einer richtlinienkonformen Vorgangsweise und unter Einbeziehung der allgemeinen Berichtslage zum Herkunftsstaat der BF ein umfassendes Bild über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien verschaffte, ist ableitbar, dass ein bloßer Verweis auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat bzw. die Vorlage von allgemeinen Berichten grundsätzlich nicht geeignet ist, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher geeignet ist von der Beurteilung der grundsätzlichen Funktionsfähigkeit des armenischen Sicherheitsapparates für den Regelfall abzuweichen. BF1 hat im Verfahren keinen solchen Sachverhalt bescheinigen können.
römisch II.5.5. Beschwerdepunkte in Bezug auf die Feststellung der Ausreisegründe
In Bezug auf die Mangelhaftigkeit der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das belangte Bundesamt ist zunächst anzumerken, dass dies in der Beschwerde - abgesehen vom Vorwurf es seien Ermittlungen unterblieben - nicht substantiiert dargelegt wird. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes von einem Asylwerber - auch in Anbetracht seiner Mitwirkungspflicht - zu verlangen ist, dass dieser die wesentlichen Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates eigeninitiativ darlegt vergleiche hiezu insbesondere Paragraph 15, Absatz eins, AsylG 2005). Wohl hat die belangte Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen (Paragraph 18, AsylG 2005). Aus dieser Gesetzesstelle kann jedoch keine Verpflichtung abgeleitet werden, Umstände ermitteln zu müssen, die ein Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0202). Ferner zieht Paragraph 18, AsylG 2005 nicht die Pflicht nach sich, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (VwGH 15.10.2018, Ra 2018/14/0143).
Sofern die Beschwerde auf eine mangelnde Befragung abzielt, ist anzumerken, dass die BF im Zuge zweier Einvernahmen durch die bB zu den behaupteten sexuellen Übergriffen, ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie und den Geschehnissen bis zu ihrer Ausreise befragt wurde. BF1 wurde ersichtlich nicht nur hinreichend Zeit für freie Erzählungen gegeben, sondern wurden ihr auch mehrfach Fragen gestellt, die darauf zielten, den Sachverhalt zu ergänzen und aufgetretene Widersprüche und Unplausibilitäten in ihrer Erzählung aufzuklären. Im Zuge der Beendigung der Einvernahmen wurde BF1 ferner jeweils explizit danach gefragt, ob sie noch etwas angeben wolle, was von ihr in der Folge verneint wurde. Auch auf die Mitwirkungspflichten und das Neuerungsverbot wurde BF1 explizit hingewiesen.
Zwar kommt das Bundesverwaltungsgericht vor allem aufgrund der Erörterung zusätzlicher Themenkreise in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (beispielsweise im Hinblick auf die armenischen Krankenberichte, wie bereits erörtert) zu etwas abweichenden Schlussfolgerungen, eine grundsätzliche Mangelhaftigkeit der Einvernahme und Sachverhaltsfeststellung im Verfahren erster Instanz wurde jedoch nicht begründet. Auch führen die Interpretation der eingesehenen Krankenberichte und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf das Gesamtergebnis zu keinen Abweichungen, zumal auch das belangte Bundesamt den Ausführungen zu den den Übergriffen folgenden Drohungen keinen Glauben schenkte. Die Einwendungen in der Beschwerde und die vom Bundesverwaltungsgericht zusätzlich vorgenommenen Prüfungen hindern insbesondere nicht die Heranziehung der im Übrigen auch in formaler Hinsicht mängelfreien Niederschriften im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Darüber hinaus erweist sich der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, das belangte Bundesamt sei seiner amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, als unbegründet, zumal in der Beschwerde auch nicht dargelegt wird, was konkret noch zu ermitteln gewesen wäre. BF1 hat selbst angegeben, dass sie die Vorfälle rund um die sexuellen Belästigungen und Drohungen nicht gemeldet hat. Auch in Bezug auf die erfolgten Drohanrufe wäre es an der BF gelegen, konkrete Beweisanträge zu stellen. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass sich schon im Verfahren der bB Widersprüche und Inkonsistenzen gezeigt haben, und der bB vor diesem Hintergrund auch nicht vorzuwerfen ist, dass sie den Sachverhalt ohne weitere Ermittlungen, wie etwa Nachforschungen am Arbeitsplatz der BF durch einen Verbindungsbeamten vor Ort, als geklärt erachtete.
Was BF1 im gegebenen Zusammenhang daran gehindert hätte, weitere Angaben zu tätigen oder konkrete Beweisanträge zu stellen, kann vom Bundesverwaltungsgericht insgesamt betrachtet nicht nachvollzogen werden. Auch das Bundesverwaltungsgericht sah sich aufgrund der Ergebnisse im Rechtsmittelverfahren in Zusammenschau mit den bisherigen Verfahrensergebnissen nicht veranlasst, weitere Erhebungen zu tätigen.
In Bezug auf die Lebensumstände und die Interessen der BF in Österreich ist den BF darin zu folgen, dass die bB in ihrem Bescheid keine Interessensabwägung im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK tätigt, jedoch wurde der Sachverhalt aus Sicht des Bundesverwaltungsgericht lückenlos erhoben und der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt. Im Rechtsmittelverfahren wurden die Angaben aktualisiert.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes liegt aus den erörterten Gründen keine Verletzung von Verfahrensvorschriften und schon gar keine Verletzung der durch Paragraph 18, AsylG 2005 konkretisierten Verpflichtung vor, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt amtswegig zu ermitteln.
Sofern der bB vorgeworfen wird, sie tätige aktenwidrige Feststellungen, nämlich in Bezug auf die Ausführungen, BF1 sei von dem Zahnarzt lediglich zwei Mal angerufen worden und sei nicht erklärlich, wie das Bundesamt zu dieser Feststellung gelangt, ist auf die Ausführungen der BF vor der bB am 27.9.2016 zu verweisen ("... ich wurde aber psychisch durch zwei Anrufe belästigt.", AS 171). Im Übrigen gab BF1 auch vor dem Bundesverwaltungsgericht an, sie sei zwei oder drei Mal belästigt worden (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 16).
römisch II.2.5.6. Zusammenfassend erweist sich das Vorbringen der BF1 in Bezug auf ihre Ausreisemotive als nicht glaubhaft und - auch im Kontext der Lage im Herkunftsstaat - als nicht plausibel. Ebensowenig war aus der vorgetragenen Geschichte für BF3 oder BF2 eine Verfolgung ableitbar. Da die vorgebrachten ausreisekausalen Vorfälle mangels glaubhafter Darlegung nicht festgestellt werden können, ergibt sich daraus auch keine Rückkehrgefährdung.
Darüberhinaus versuchte BF1 psychische Probleme vorzuschieben, um die Feststellung des Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht zu verhindern, was für sich alleine die Glaubwürdigkeit der BF1 beschädigte.
Nicht außer Acht gelassen werden darf letztlich auch, dass die Glaubwürdigkeit beider BF darunter litt, dass sie BF ihre Reisepässe nicht in Vorlage brachten und dermaßen nicht an der Feststellung ihrer Identität mitwirkten. BF1 erzählte offenbar auch in diesem Zusammenhang die Unwahrheit, als sie am 11.8.2013 bei der bB angab, ihren Reisepass auf Anraten eines Schleppers vernichtet zu haben, diesen anlässlich ihrer Wohnsitzmeldung bei der dazu zuständigen Behörde am 14.8.2013 aber offenbar doch vorlegen konnte, wie bereits ausgeführt. BF2 gab immerhin zu, seinen Reisepass vorsätzlich zum Zweck der Vereitelung einer Abschiebung vernichtet zu haben. Ferner haben sich die BF, wie ebenfalls bereits dargelegt, jeweils ein Visum, mit welchem sie in den Schengenraum einreisten, erschlichen.
römisch II.2.7. Schwierigkeiten aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit brachten die BF nicht vor und ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es sich bei den BF um Angehörige der im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörigen Armenier handelt, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen, sodass eine Rückkehrgefährdung aus diesen Gründen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ausgeschlossen werden kann.
römisch II.2.8. Die Feststellungen betreffend das nicht vorhandene politische Engagement der BF sowie die nicht vorhandenen Schwierigkeiten mit den Behörden im Heimatstaat beruhen auf den diesbezüglichen Angaben der BF vor der bB. Auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind keine Hinweise auf ein (exil-) politisches Engagement hervorgekommen.
römisch II.2.9. Armenien hat im September 2003 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe ist damit abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert. Dem folgend war zur Feststellung zu gelangen, dass die BF im Fall einer Rückkehr nicht der Todesstrafe unterzogen würden. Ebenso kann aus dem Vorbringen keine anderweitige individuelle Gefährdung der BF durch drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe abgeleitet werden, zumal keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften vorgebracht wurden.
Im Übrigen ist in Armenien, wie bereits ausgeführt, von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen.
Dass die BF rund um die Geschehnisse in der selbsternannten "Republik Bergkarabach" (russisch: Nagorny Karabach, in Armenien auch Arzach genannt) betroffen wären, wo die Sicherheitslage immer noch als angespannt bezeichnet werden kann, haben die BF nicht vorgebracht. Ihre Heimatstadt römisch 40 liegt auch weit weg von den Gebieten, die von der selbsternannten Republik umfasst werden.
Darüberhinaus lassen sich den eingesehenen Länderberichten sowie auch der aktuellen Medienberichterstattung keine Hinweise auf einen aktuell vorliegenden oder unmittelbar bevorstehenden bewaffneten Konflikt entnehmen oder auf eine im Land vorherrschende Situation, die von einem dermaßen hohem Niveau an willkürlicher Gewalt gekennzeichnet wäre, sodass alleine die Anwesenheit der BF ein reales Risiko für ihre Unversehrtheit oder ihr Leben wäre.
römisch II.2.10. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF2 und des BF3 sowie der Arbeitsfähigkeit des BF2 gründen auf den diesbezüglichen Aussagen im Verfahren. Dass die BF als armenische Staatsbürger Zugang zum armenischen Gesundheitssystem haben, ergibt sich aus den eingesehenen Länderberichten.
römisch II.2.11. Dass BF1 an keiner unmittelbar mit Lebensgefährdung oder einem schweren Leiden verbunden Krankheit leidet, ließ sich den im Verfahren vorgelegten ärztlichen Attesten und den eingesehenen Länderberichten entnehmen. Eingesehen wurden im Verfahren insbesondere folgende Atteste bzw. Krankenberichte:
- Die bereits erwähnten Berichte der armenischen psychiatrischen Klinik XXXX
- Behandlungsbestätigungen vom 24.9.2013 und 18.10.2013 (Dr. römisch 40 ), in welchen von einem "reaktiv depressiven Zustandsbild" bzw. "Reaktive Depression"
- Arztbrief des Krankenhauses der römisch 40 vom 18.11.2013, in welchem "V.a. Gastritis" und "Depressio mit Somatisierungstendenz" bescheinigt wurden
- Fachärztlicher Befundbericht vom 9.10.2014 von römisch 40 , in welchem eine depressive Episode sowie massive exogene Belastungsfaktoren bescheinigt wurden
- Ein Dankschreiben für eine Überweisung vom 3.5.2016 von Dr. römisch 40 , Facharzt für Neurologie, in welcher eine ängstliche, vermeidende Persönlichkeit mit Hinweis auf schizoaffektive Störung aus der Anamnese diagnostiziert wurde
- Ein Transferierungsbrief des Landesklinikums römisch 40 für eine Untersuchung in der Dermatologie
- Bestätigung über eine Behandlung durch einen Facharzt für Psychiatrie vom 5.8.2019
- Kurzbefund vom 11.8.2019, in welchem PTBS und St.p. Psychose, attestiert werden
Den vorgelegten Berichten ist zu entnehmen, dass BF1 aufgrund einer akuten polymorphen psychotischen Störung ohne Symptome einer Schizophrenie in eine armenische Klinik eingeliefert und dort bis Juli 2013 beobachtet wurde, vorhergehende Wahnhafte Erlebnisse zum Zeitpunkt der Erstellung des Dokuments im Juli 2013 nicht aktuell waren und die Patientin bei klarem Bewusstsein und vollständig orientiert gewesen ist, wiewohl sie über Ängste und Schlafstörungen geklagt hat.
In Bezug auf die vorgelegten Atteste österreichischer Ärzte sticht zunächst der häufige Arztwechsel ins Auge, der sich nicht nur durch den Ortswechsel der BF im Zuge ihrer Übersiedlung an den Aufenthaltsort ihrer Eltern erklären lässt und ist durch den häufigen Arztwechsel auch keine fundierte Aussage über den Verlauf der Krankheit bzw. des psychischen Zustandes der BF1 über einen längeren Zeitraum möglich. Im Wesentlichen werden Depression und PTPS sowie die verschiedenen oben erwähnten weiteren Krankheitsbilder diagnostiziert. Keinem dieser Berichte ist zu entnehmen, dass BF1 aktuell oder während der Dauer ihres Aufenthaltes in Österreich an einer akuten psychischen Störung leidet bzw. litt; vielmehr geht aus dem letzten Befund hervor, dass eine St.p. - d.h.: status post - Psychose vorliegt, was den Zustand nach einer Erkrankung bezeichnet. In keinem der vorgelegten Berichte, auch dem aktuellsten vom 5.8.2019, ist eine Empfehlung über eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik enthalten. Es werden Medikamente verschrieben (letzmalig am 5.8.2019) und in einem Attest aus Oktober 2015 wird eine Psychotherapie als sinnvoll erachtet (AS 109).
Auch die von BF1 behauptete Pflegebedürftigkeit ihrer Person, die an manchen Tagen bestehe, lässt sich aus keinem der vorgelegten ärztlichen Atteste ableiten: Aus einem der genannten ärztlichen Schreiben aus dem Jahr 2014 geht zwar hervor, dass ein Verbleib der Patientin in der Nähe ihres familiären Umfeldes aus therapeutischer Sicht zu befürworten sei - dies offenbar vor dem Hintergrund, dass BF1 zunächst in einer Asylunterkunft in römisch 40 untergebracht wurde, die Eltern der BF jedoch in römisch 40 leben - konkrete Maßnahmen, wie etwa die Notwendigkeit einer Pflege oder die Aufsicht über BF1 werden in dem Artzbrief jedoch nicht empfohlen.
Ferner ist auch noch darauf hinzuweisen, dass BF1 anlässlich ihrer ersten Einvernahme bei der bB auch noch nichts von ihrer Pflegebedürftigkeit erwähnte; dort gab sie lediglich an, sie besuche die Eltern sehr oft, diese würden auch auf ihren Sohn aufpassen und sie telefoniere auch jeden Tag mit ihnen (AS 71). Zumal den eingesehenen Krankenberichten nicht zu entnehmen ist, dass sich der Zustand der BF1 seit dieser Zeit wesentlich geändert hat, geht das Gericht davon aus, dass es sich bei den anlässlich dieser Einvernahme geschilderten Umständen in Bezug auf die Beziehung zu ihren Eltern um den wahren Sachverhalt handelt. Im Übrigen kollidiert eine Pflegebedürftigkeit der BF1 auch mit der von ihr in der Beschwerdeverhandlung behaupteten Arbeitsfähigkeit und der Angabe, dass ihr die Ärzte auch zu Arbeit geraten hätten (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 20). Dass BF1 im Zuge der weiteren Befragung - mit der Tatsache konfrontiert, dass auch aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht von einem Pflegebedarf auszugehen ist - zur Aussage gelangte, sie brauche die Unterstützung der Eltern schon an manchen Tagen, wenn sich die Situation zuspitze, ist wohl vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie damit ihr Vorbringen über eine bestehende Abhängigkeit von den Eltern im Hinblick auf die vom Gericht vorzunehmende Prüfung im Rahmen des Artikel 8, EMRK untermauern wollte. In einer Gesamtbetrachtung stellt sich die Behauptung in Bezug auf die Pflegebedürftigkeit der BF1 jedoch als rein verfahrenstaktisches Vorbringen dar.
Dass BF1 auch nicht an keiner Krankheit leidet, die im Herkunftsstaat nicht behandelbar wäre, wurde aus einer Betrachtung der eingesehenen ärztlichen Atteste vor dem Hintergrund der Situation im Land, wie sie sich nach den eingesehenen Länderfeststellungen darstellt, abgeleitet.
Was die Möglichkeiten einer weiteren Behandlung in Armenien betrifft, so räumte BF1 auch ein, dass eine weitere Behandlung ihrer psychischen Störungen dort weiter problemlos möglich gewesen wäre, führte allerdings ins Treffen, dass sie die ihr dort verabreichten Medikamente nicht vertragen hätte, da es sich um russische Importware gehandelt hätte, wobei sie dieses Vorbingen lediglich in den Raum stellte, ohne dies näher zu substantiieren.
Aus den eingesehenen Länderberichten (siehe unter römisch II.1.2.) geht hervor, dass die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen in Armenien auf gutem Standard gewährleistet sind und kostenlos erfolgt bzw. sich die Gebühren flexibel nach je nach den finanziellen Mitteln des Patienten gestalten. Dass Behandlungen für verschiedenste psychische Erkrankungen zur Verfügung stehen, zeigt sich auch daran, dass BF1 bereits in einer psychiatrischen Klinik in ihrem Heimatort, sowohl stationär als im Rahmen weiterer Kontrollen, behandelt wurde
Im Rahmen des Basis-Leistungspaketes haben Patienten mit psychiatrischen/mentalen Störungen freien Zugang zu verschriebenen psychotropen Medikamenten, die in der NEDL (National Essential Drug List) aufgeführt sind. Die [privaten] Krankenversicherungen decken zwar keine medizinischen Dienstleistungen und psychotropen Medikamente ab, die bereits im Basis-Leistungspakets enthalten sind, woraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden kann, dass andere Medikamente in Armenien nicht verfügbar wären.
Ebenfalls sind in Armenien entsprechende Medikamente bzw. die für die Behandlung einzelner Krankheitsbilder notwendigen Wirkstoffe vorhanden, wie sich aus allgemein zugänglichen Quellen ergibt (siehe etwa die öffentlich einsehbare Essential Drug List of the Republic of Armenia [http://pharm.cals.am/pharm/drug_images/index.php]).
Den Länderberichten zufolge haben alle armenischen StaatsbürgerInnen, einschließlich Rückkehrende, Asylsuchende und Flüchtlinge, ohne Einschränkungen das Recht auf Dienstleistungen von Krankenversicherungen. Es ergab sich im Verfahren auch keine konkreten Hinweise, dass BF1 der Zugang zum armenischen Gesundheitsweisen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verwehrt würde und wurde dies auch nicht vorgebracht.
Dass BF1 besondere Bedürfnisse hinsichtlich ihrer Behandlung und medikamentösen Versorgung hat, geht aus den ärztlichen Berichten bzw. Attesten auch nicht hervor. Im Übrigen wird auch in keinem der eingesehenen armenischen Krankenberichte eine Unverträglichkeit der ihr in Armenien verabreichten Medizin thematisiert. In gegenständlichem Fall war auch festzustellen, dass die Familie in der Lage sein wird, sich ein Einkommen in Armenien zu erwirtschaften und steht es ihnen, allenfalls mit weiterer Unterstützung ihrer dort ansässigen Verwandten, eine über die kostenlose Basisbehandlung hinausgehende Behandlung bzw. der darin enthaltenen Medikamente zu konsumieren. Ferner besteht auch noch die Möglichkeit, dass die in Österreich lebenden Eltern der BF1 Medikamente westlicher Konzerne beziehen und BF1 diese auf postalischem Weg zukommen lassen.
Anzumerken bleibt, dass das erkennende Gericht keinesfalls verkennt, dass ein Aufenthalt unter vertrauten Personen für eine Genesung hilfreich sein kann. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Asyl- und Fremdenrechtes, einem Asylwerber einen Schutzstatus im Bundesgebiet aus diesen Gründen zuteil werden zu lassen, wenn keine EMRK relevante Gefährdung im Rückkehrfall ersichtlich ist, wie das Verfahren ergeben hat (siehe dazu auch die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung). Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die BF im Verfahren auch angegeben haben, sie würden nach wie vor über Verwandte im Herkunftsland verfügen. So leben etwa die Großmutter der BF1, welche diese auch im Jahr vor ihrer Ausreise unterstützte oder die Tante des BF2, welche Krankenschwester ist und BF1 vor ihrer Ausreise ebenfalls betreute, nach wie vor in Armenien und hat BF2 auch noch weitere Verwandte dort. BF1 wird auch zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn ausreisen, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, sie wäre nun auf sich allein gestellt.
römisch II.2.12. Aus den Feststellungen zum Gesundheitszustand, zur Arbeitsfähigkeit und den im Herkunftsland existierenden familiären Anknüpfungspunkten, worauf im Folgenden noch näher einzugehen sein wird, resultiert auch, dass die BF in Armenien auch über eine Existenzgrundlage verfügen.
Die BF verfügen über eine fundierte Ausbildung - beide haben einen Universitätsabschluss - sowie Berufserfahrung.
Soweit zur Erhebung des maßgeblichen Sachverhaltes Angaben der BF1 über ihre Arbeitsfähigkeit erforderlich waren, erwiesen sich ihre Angaben als widersprüchlich.
Zwar gab sie zunächst unter Hinweis auf ihre ehrenamtliche Tätigkeit beim Roten Kreuz an, arbeitsfähig zu sein und dass ihr die Ärzte auch Arbeit empfohlen hätten; sie würde gerne in der Altenpflege arbeiten (Verhandlungsprotokoll vom 7.7.2019, Sitzung 20 und 22), in Bezug auf die Frage, weshalb eine weitere Behandlung ihres Gesundheitszustandes nicht auch in Armenien möglich sein sollte, gab BF1 wiederum an, dass es Tage gebe, wo sich die Situation zuspitze, sie den Tag im Bett verbringen müsse und sie der Hilfe ihrer Eltern bedürfe. Ein derart labiler Zustand kann aber wohl nicht mit Arbeitsfähigkeit im Sinne der Bewältigung von Aufgaben im Rahmen einer entlohnten Anstellung mit geregelten Arbeitszeiten - auch im Pflegebereich, wo BF1 arbeiten möchte, ist mit fixen Arbeitszeiten zu rechnen - als vereinbar angesehen werden. Den ärztlichen Attesten lassen sich keine Aussagen übe die Arbeitsfähigkeit entnehmen. Wie oben unter römisch II.5.11. dargelegt, war aufgrund des Eindruckes, den BF1 vor dem Bundesverwaltungsgericht hinterlassen hat, auch davon auszugehen, dass ihre Angaben über ihre Pflegebedürftigkeit lediglich aus verfahrenstaktischen Gründen erfolgten. In Zusammenschau mit der Tatsache, dass aus keinem der zahlreichen vorgelegten ärztlichen Atteste ableitbar ist, dass BF1 nicht arbeitsfähig ist, sie im Gegenteil vor dem Bundesverwaltungsgericht davon berichtete, die Ärzte hätten ihr auch geraten zu arbeiten, ist insgesamt davon auszugehen, dass auch BF1 arbeitsfähig ist. Zumal BF3 die Schule besuchen wird, wäre BF1 zumindest eine Teilzeitarbeit möglich.
Sollte sich die Entwicklung des psychisch Zustandes der BF1 in der Folge derart gestalten, dass diese nicht wird arbeiten können, so wird es zumindest BF2 - dieser ist ethnischer Armenier und hat, wie das Beweisverfahren ergab, auch noch seine armenische Staatsbürgerschaft - möglich sein, einer Arbeit nachzugehen und damit den Unterhalt für die Familie zu sichern.
Die BF verfügen, wie deren Aussagen vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht zu entnehmen ist, noch über ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netzwerk in Armenien, zumal dort, wie bereits erwähnt, noch die Großmutter der BF1 sowie die Mutter und eine Tante des BF2 dort leben und ist auch eine Schwester des BF2, die zuvor in der Russischen Föderation gelebt hat, nach Armenien gezogen. BF2 gab auch an, dass er mit seinen Verwandten in Kontakt stehe. Die BF werden im Falle der Rückkehr nicht auf sich alleine gestellt sein, zumal auch davon auszugehen ist, dass sie wieder Aufnahme in den Familienverband und - zumindest für die Phase einer ersten Orientierung am Arbeitsmarkt - Unterstützung durch das familäre bzw. verwandtschaftliche Netzwerk finden. BF1 gab im Verfahren vor der bB auch an, sie und ihre Familie hätten in der Eigentumswohnung der Großmutter gewohnt; BF1 gab an, seine Mutter betreibe eine Landwirtschaft auf eigenem Grund, weshalb auch nicht ersichtlich ist, warum die BF nicht wieder in der Wohnung der Großmutter aufgenommen werden sollten oder aber auch am Hof der Mutter des BF2 eine Unterkunft finden könnten.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass BF2 vor der bB (AS 49) angab, seine Verwandten hätten ihn bei seiner Ausreise finanziell unterstützt und weist das auf einen familiären Zusammenhalt der Familie des BF2 hin, was ebenfalls Anlass zu Annahme bietet, dass den BF auch im Falle einer Wiedereinreise Unterstützung zuteil werden wird.
Dass die BF im Fall einer Rückkehr in eine existentielle Notlage im Hinblick auf die Versorgung mit Lebensmitteln und mit Wohnraum geraten würden, wurde im Übrigen auch nicht vorgebracht.
Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass den BF im Rückkehrfall als armenischen Staatsbürgern der Zugang zum dortigen Sozialsystem (siehe dazu die Feststellungen zur allgemeinen Lage) offensteht, sodass insgesamt eine gesicherte Existenzgrundlage in Armenien als erwiesen anzusehen ist.
Wenn die rechtsfreundliche Vertretung der BF vorbringt, die belangte Behörde hätte den entscheidungsrelevanten Sachverhalt in Bezug auf die EMRK relevante Situation und die Rückkehrbedingungen nicht im ausreichenden Maße ermittelt, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit und die Situation im Falle der Rückkehr der BF, kann diesbezüglich nicht gänzlich gefolgt werden. Zwar fehlen explizite Feststellungen zur Rückkehrsituation und wird lediglich beweiswürdigend darauf eingegangen, die bB tätigt aber sehr wohl Feststellungen im Hinblick auf den Gesundheitszustand der BF1 basierend auf den eingebrachten Arztbriefen. Sofern in der Beschwerde ausgeführt wird, die bB kreiere Tatsachen über einen Familienverband im Herkunftsland, sei angemerkt, dass das Faktum, es lebe noch eine Tante der BF1 im Herkunftsland tatsächlich nicht in Einklang mit der Aussage der BF1 steht. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass BF1 von der Tante ihres Ehegatten gesprochen hat, die sie während ihrer psychischen Krise unterstützt habe. Ferner hat BF2 im Verfahren von seiner Mutter und anderen Verwandten gesprochen, sodass die Ausführungen über das Vorhandensein eines familiären bzw. verwandtschaftlichen Netzwerkes insgesamt nicht zu beanstanden sind; diese Annahme wird auch durch das Ermittlungsverfahren des Bundesverwaltungsgerichtes bestätigt.
Darüberhinaus ist auch darauf hinzuweisen, dass BF1 anlässlich ihrer Einvernahme am 4.11.2014 auch angegeben hat, sie habe dem Gewalttäter gesagt, sie habe Verwandte bei der Polizei (AS 73).
römisch II.2.13. Schließlich ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass es sich bei den BF um eine Familie mit einem minderjährigen Kind und bei Kindern um eine besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Personengruppe handelt. Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob den BF bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation die revisionswerbenden Parteien tatsächlich vorfinden (siehe dazu statt aller VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 mwN; VfGH 11.12.2018, E 2025/2018).
Eingangs ist festzuhalten, dass von einer Rückkehr des minderjährigen BF gemeinsam mit seinen Eltern auszugehen ist, sodass seine die Betreuung und Beaufsichtigung sichergestellt ist. Darüber hinaus ist in der Herkunftsregion, wie zuvor erörtert, ein familiäres Netzwerk vorhanden, welches ebenfalls subsidiär im Fall der Notwendigkeit für die Kinderbetreuung herangezogen werden könnte. Eine inadäquate Beaufsichtigung ist daher fallbezogen nicht zu befürchten.
BF3 ist schulpflichtig. Er hat im Juni die vierte Klasse der Volksschule in Österreich abgeschlossen und spricht auch Armenisch, wie er in der mündlichen Verhandlung angab. Dass es ihm nicht möglich wäre, Zugang zum regulären Schulsystem zu finden oder er sonstige im Rahmen des Verfahrens zu beleuchtende Nachteile zu erwarten hätte, wurde nicht vorgebracht.
Dem minderjährigen BF steht auch ein adäquater Zugang zu medizinischer Versorgung offen, wobei bereits erörtert wurde, dass ein Behandlungsbedarf zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht oder die Einnahme von Medikamenten nicht feststellbar war. Im Übrigen lässt sich auch den Länderberichten entnehmen, dass eine flächendeckende medizinische Versorgung in Armenien gewährleistet ist. Die primäre medizinische Versorgung ist in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 (Stand: 2016) regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei.
Das Bundesverwaltungsgericht kann außerdem in Ansehung des minderjährigen BF nicht die reale Gefahr erkennen, dass dieser im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen wäre. BF1 und BF2 vermittelten den Eindruck, am Wohlergehen ihres Kindes interessiert zu sein. Hinweise auf gewalttätige Übergriffe auf den minderjährigen BF im Bundesgebiet liegen nicht vor. BF1 und BF2 brachten auch keine von Verwandten im Herkunftsstaat potentiell ausgehenden Gewalttätigkeiten vor. Ausgehend davon ist nicht zu besorgen, dass BF3 im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen wäre.
Die von BF1 vorgebrachte Gefährdung im Herkunftsstaat wurde bereits als nicht glaubhaft befunden, sodass kein dahingehendes Rückkehrhindernis erkannt werden kann.
Ob der Erwägungen zur Sicherheitslage in Armenien ist auch nicht zu besorgen, dass BF3 als besonders vulnerable Person im Rückkehrfall von terroristische Aktivitäten, innerstaatlichen Konflikten oder kriminellen Aktivtäten überhaupt betroffen wäre. Ein dahingehendes Vorbringen wurde im Verfahren nicht erstattet und es kann das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung des persönlichen Profiles des BF auch kein amtswegig wahrzunehmendes besonderes Gefährdungsmoment erkennen. In römisch 40 finden weder Kampfhandlungen statt noch gibt es Hinweise darauf, dass die Sicherheitslage angespannt wäre.
In Anbetracht der getroffenen Feststellungen zur sozioökonomischen Lage in Armenien besteht schließlich nicht die reale Gefahr, dass BF3 im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen ist.
Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor.
Ausgehend von den Informationen über die Lage in Armenien, dem persönlichen Profil des BF3 und den Erwägungen zur Lebensgrundlage im Herkunftsstaat unter Punkt römisch II.2.12. geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der minderjährige BF im Wege der Versorgung durch seine Eltern und der durch das familiäre Netzwerk erlangbare Hilfe nicht nur eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs sondern insbesondere auch im Hinblick auf seine altersgerechten Bedürfnisse erfahren wird.
römisch II.2.14. Dass Rückkehrer aus dem Ausland besonders vulnerabel wären, kann den zur Rückkehr getroffenen Feststellungen zur Lage in Armenien nicht entnommen werden. Die BF haben dahingehend auch kein Vorbringen erstattet.
Ausweislich der Länderberichte werden Rückkehrer grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und sogar überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt. Das offizielle Internet-Informationsportal "Tundarc" bietet potentiellen armenischen Rückkehrern, auch Doppelstaatsbürgern, wichtigen Informationen zu den zu beachtenden Formalitäten bei einer Rückkehr sowie den wichtigsten Themenbereichen, wie Gesundheitsfürsorge, Pension, Bildung oder Militärdienst an. Überdies findet sich eine Orientierung zu bestehenden Hilfsprogrammen (Tundarc o.D.).
römisch II.2.15. Im Verfahren ist zutage getreten, dass alle BF armenische Staatsbürger sind und vom Verlust oder der Entziehung der armenischen Staatsbürgerschaft des BF2 nicht auszugehen ist. Vor dem Hintergrund des in Armenien vorhandenen familiären bzw. verwandtschaftlichen Netzwerkes und der dort verfügbaren Wohnmöglichkeiten ist auch davon auszugehen, dass die BF zunächst gemeinsam nach Armenien zurückkehren werden und wurden diesem Erkenntnis daher lediglich die Länderfeststellungen zu Armenien zugrunde gelegt.
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass es den BF auch frei steht, sich in der Russischen Föderation niederzulassen. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass BF2 auch russischer Staatsangehöriger ist. Da BF1 in Moskau studierte, nämlich an der Moscow State University of Service von 2002 bis 2007 und zusammen mit BF2 auch drei Jahre lang gemeinsam in Moskau lebte (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 6), ist davon auszugehen, dass sie und BF3 ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis bekommen werden. BF3 spricht im Übrigen auch Russisch, wie er vor dem Bundesverwaltungsgericht angab.
Wie den eingesehenen Länderberichten, die beiden BF auch zur jeweiligen Stellungnahme übermittelt wurden, zu entnehmen ist, werden auch psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Störungen und Krankheiten in der gesamten Russischen Föderation angeboten. Es gibt auch psychiatrische Krisenintervention für Selbstmordgefährdete. Diverse Antidepressiva sind ebenfalls in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Da BF2 in der Russischen Föderation bereits gearbeitet hat, ist davon auszugehen, dass es ihm auch im Falle einer Rückkehr möglich sein wird, den Unterhalt für die Familie zu erwirtschaften. Auch BF1 wird aufgrund ihrer früheren Aufenthalte in Moskau und ihrer dortigen Ausbildung keine Probleme haben, eine Arbeit zu finden.
In ihrer Stellungnahme zu den übermittelten Länderberichten weisen die BF zum einen darauf hin, dass in Russland enorme Menschenrechtsverletzungen immer noch alltäglich seien, zum anderen auf den enormen Grad an Korruptionszahlungen. Wie sich die angespannte Lage bezüglich der Menschenrechte auf die BF konkret auswirken würde, wird nicht ausgeführt. In Bezug auf die Problematik mit der dort vorherrschenden Korruption führen die BF aus, dass ihnen in diesem Zusammenhang sowohl der Zugang zu lebensnotwendigen Behandlungen als auch der Schulbesuch des BF3 verwehrt würde.
Zwar wird in den Länderberichten dargelegt, dass informelle Zahlungen in der Russischen Föderation zum Alltag gehören, dass dies jedoch dazu führen würde, dass für die dort lebende und arbeitende Bevölkerung Schulbesuche der Kinder oder Gesundheitsbehandlungen generell nicht leistbar wären, lässt sich aus den Berichten nicht ableiten. Den Länderberichten zufolge handle es sich bei den Zahlungen für Gesundheitsbehandlungen generell auch um kleine Beträge.
BF2 gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht lediglich an, dass die Lage in Russland mittlerweile so wäre, wie sie früher in Armenien gewesen sei. BF1 vermerkte, dass sie dort niemanden habe. In diesem Zusammenhang sei, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Ausführungen in Bezug auf das Nicht-Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit der BF1, verwiesen. Anderweitige Gründe, die gegen eine Niederlassung in der Russischen Föderation sprechen, brachten die BF nicht vor.
römisch II.2.16. Die Feststellungen in Bezug auf die Integration der BF wurden auch aufgrund der vorgelegten Empfehlungsschreiben und Kurs-Teilnahmebestätigungen getroffen (BF1 legte ein Zertifikat über eine Deutschprüfung auf dem Niveau B2 vor, BF2 ein Zertifikat über eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2; bei BF3 war davon auszugehen, dass er sich aufgrund seines Schulbesuches in der Deutschensprache ähnlich gut ausdrücken kann). Die Feststellungen im Zusammenhang mit den Sprachkenntnissen wurden vornehmlich aufgrund des persönlichen Eindruckes getroffen, den die BF vor dem Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich hinterließen.
Die Feststellungen in Bezug auf Leistungen aus dem Grundversorgungssystem wurden aufgrund des eingesehenen Speicherdatenauszuges aus dem Bundesbetreuungs-informationssystem getroffen.
Im Hinblick auf die sozialen Kontakte der BF ist Folgendes festzuhalten: Die BF haben glaubhaft vorgebracht, dass sie sich im Bundesgebiet einen Bekannten- und Freundeskreis aufgebaut haben und sich vor allem durch ihre Tätigkeiten beim Roten Kreuz gut vernetzt haben. Dies wurde nicht zuletzt durch eine Unterschriftenliste des Roten Kreuzes sowie auch mehrerer Empfehlungsschreiben für die Familie dargelegt. BF3 geht zur Schule und ist offenkundig ein guter Schüler mit besonderen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Musik.
BF1 brachte auch glaubhaft vor, mit ihren Eltern, die in der Nähe der Wohnung der BF wohnen, in engem Kontakt zu stehen. Dass diese sie darüberhinausgehend pflegen würden, konnte jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht geglaubt werden.
Dass die BF strafrechtlich unbescholten sind, ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich. Der aktuelle Wohnsitz der BF ist dem Zentralen Melderegister zu entnehmen.
römisch II.2.17. Durch die Einsichtnahme in öffentliche Register (Zentrales Melderegister, Zentrales Fremdenregister) ist erwiesen, dass die BF derzeit über keinen Aufenthaltstitel verfügen und ihr Aufenthalt darüber hinaus nie nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Absatz eins a, FPG geduldet war. Hinweise auf die Verwirklichung eines anderen in Paragraph 57, AsylG 2005 genannten Tatbestandes sind im Verfahren ebenfalls nicht hervorgekommen.
3. Rechtliche Beurteilung
römisch II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat
römisch II.3.1.1. Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
römisch II.3.1.2. Gemäß Paragraph 6, des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 10 aus 2013, idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.
römisch II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. Paragraph 17, leg. cit das AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Paragraph eins, BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 144 aus 2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. Paragraphen 16, Absatz 6,, 18 Absatz 7, BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
römisch II.3.1.4. Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.
römisch II.3.1.5. Gem. Paragraph 19, Absatz 5, BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sicher Herkunftsstaaten definieren. Nach der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009, idgF, gilt die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat.
römisch II.3.1.5.1. Gem. Artikel 37, der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz Rechts- und Verwaltungsvorschriften beinhalten oder erlassen, die im Einklang mit Anhang römisch eins zur VO sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat bestimmt werden kann, werden verscheide Informationsquellen, insbesondere Informationen anderer Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarates und andere einschlägiger internationaler Organisationen herangezogen
Nach dem oben genannten Anhang römisch eins gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.
Bei der entsprechenden Beurteilung wird unter anderem berücksichtigt, inwieweit Schutz vor Verfolgung und Misshandlung geboten wird durch
a) die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Staates und die Art und Weise ihrer Anwendung;
b) die Wahrung der Rechte und Freiheiten nach der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und/oder dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und/oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention keine Abweichung zulässig ist;
c) die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention;
d) das Bestehen einer Regelung, die einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzung dieser Rechte und Freiheiten gewährleistet.
Artikel 9 der Richtlinie 2011/95/EU definiert Verfolgung wie folgt:
"1) Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung
a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder
b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und
f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Gemäß Artikel 2 Buchstabe d muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen."
Aus dem allgemein anerkannten Grundsatz der richtlinienkonformen Umsetzung und Interpretation innerstaatlicher Rechtsnormen, welche der höchstgerichtlichen Judikatur folgend als geboten anzusehen ist, wonach wann immer nationale Behörden oder Gerichte Recht anwenden, das Richtlinien umsetzt, diese gemäß der richtlinienkonformen Interpretation dazu verhalten sind, "das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Licht und Zielsetzung auszulegen" (VfSlg. 14.391/1995; zur richtlinienkonformen Interpretation siehe weiters VfSlg. 15.354/1998, 16.737/2002, 18.362/2008; VfGH 5.10.2011, B 1100/09 ua.) ergibt sich, dass davon ausgegangen werden kann, dass sich der innerstaatliche Gesetzgeber und in weiterer Folge die Bundesregierung als zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung berufenes Organ bei der Beurteilung, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat gelten kann, von den oa. Erwägungen leiten lässt bzw. ließ. Hinweise, dass die Republik Österreich entsprechende Normen, wie etwa hier die Herkunftssaaten-Verordnung in ihr innerstaatliches Recht europarechtswidrig umsetzt bestehen nicht, zumal in diesem Punkt kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich anhängig ist bzw. eingeleitet wurde vergleiche Artikel 258, f AEUV).
Der VfGH (Erk. vom 15.10.20014 G237/03 ua. [dieses bezieht sich zwar auf eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des Paragraph 19, BFA-VG, ist aber nach Ansicht des ho. Gerichts nach wie vor anwendbar]) stellt ein Bezug auf die innerstaatliche Rechtslage ua. fest, dass der Regelung des AsylG durch die Einführung einer Liste von sicheren Herkunftsstaaten kein Bestreben des Staates zu Grunde liegt, bestimmte Gruppen von Fremden kollektiv außer Landes zu schaffen. Es sind Einzelverfahren zu führen, in denen auch über die Sicherheit des Herkunftslandes und ein allfälliges Refoulement-Verbot endgültig zu entscheiden ist. Dem Gesetz liegt - anders als der Vorgangsweise im Fall Conka gegen Belgien (EGMR 05.02.2002, 51564/1999) - keine diskriminierende Absicht zu Grunde. Die Liste soll bloß der Vereinfachung des Verfahrens in dem Sinne dienen, dass der Gesetzgeber selbst zunächst eine Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall vornimmt. Sicherheit im Herkunftsstaat bedeutet, dass der Staat in seiner Rechtsordnung und Rechtspraxis alle in seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen vor einem dem Artikel 3, EMRK und der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechenden Verhalten seiner Behörden ebenso schützt wie gegen die Auslieferung an einen "unsicheren" Staat. Das Schutzniveau muss jenem der Mitgliedstaaten der EU entsprechen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass die anderen sicheren Herkunftsstaaten in Paragraph 6, Absatz 2, AsylG [Anm. a. F., nunmehr Paragraph 19, Absatz eins und 2 BFA-VG] in einem Zug mit den Mitgliedstaaten der EU genannt werden.
Die Einführung einer Liste sicherer Herkunftsstaaten führte zu keiner Umkehr der Beweislast zu Ungunsten eines Antragstellers, sondern ist von einer normativen Vergewisserung der Sicherheit auszugehen, soweit seitens des Antragstellers kein gegenteiliges Vorbringen substantiiert erstattet wird. Wird ein solches Vorbringen erstattet, hat die Behörde bzw. das ho. Gerichten entsprechende einzelfallspezifische amtswegige Ermittlungen durchzuführen.
Aus dem Umstand, dass sich der innerstaatliche Normengeber im Rahmen einer richtlinienkonformen Vorgangsweise und unter Einbeziehung der allgemeinen Berichtslage zum Herkunftsstaat der BF ein umfassendes Bild über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien verschaffte, ist ableitbar, dass ein bloßer Verweis auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, bzw. die Vorlage von allgemeinen Berichten grundsätzlich nicht geeignet ist, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher geeignet ist von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abweichen (das ho. Gericht geht davon aus, dass aufgrund der in diesem Punkt vergleichbaren Interessenslage die Ausführungen des VwGH in seinem Erk. vom 17.02.1998, Zl. 96/18/0379 bzw. des EGMR, Urteil Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77 sinngemäß anzuwenden sind, zumal sich die genannten Gerichte in diesen Entscheidungen auch mit der Frage, wie allgemeine Berichte im Lichte einer bereits erfolgten normativen Vergewisserung der Sicherheit [dort von sog. "Dublinstaaten"] zu werten sind).
römisch II.3.1.5.2. Auf den konkreten Einzelfall umgelegt bedeutet dies, dass im Rahmen einer verfassungs- und richtlinienkonformen Interpretation der hier anzuwendenden Bestimmungen davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bundesregierung im Rahmen einer normativen Vergewisserung ein umfassendes Bild von der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien verschaffte und zum Schluss kam, dass die Republik Armenien die unter Anhang römisch eins der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und den im Erk. des VfGH vom 15.10.20014 G237/03 ua. genannten Kriterien erfüllt. Aufgrund dieser normativen Vergewisserung besteht für die bB bzw. das Bundesverwaltungsgericht die Obliegenheit zur amtswegigen Ermittlung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage nur insoweit, als seitens eines Beschwerdeführers ein konkretes Vorbringen erstattet wird, welches im konkreten Einzelfall gegen die Sicherheit Armeniens spricht und der bB bzw. dem Bundesverwaltungsgericht im Lichte der bereits genannten Kriterien die Obliegenheit auferlegt, ein entsprechendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen.
Die bB und das Bundesverwaltungsgericht haben ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Wie im Verfahren hervorkam, war das Vorbringen der BF jedoch nicht geeignet, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher die Annahme zuließe, dass ein von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt. Die Behörde bzw. Bundesverwaltungsgericht waren in diesem Zusammenhang auch nicht verpflichtet, Asylgründen nachzugehen, die die BF gar nicht behauptet haben (Erk. des VfGH vom 15.10.2014 G237/03 ua mit zahlreichen wN) und liegt auch kein notorisch bekannter Sachverhalt vor, welcher über das Vorbringen der BF hinausgehend noch zu berücksichtigen wäre.
römisch II.3.1.5.3. Es steht außer Zweifel, dass das ho. Gericht gehörig kundgemachte Gesetze und Verordnungen anzuwenden hat, weshalb das Bundesverwaltungsgericht Paragraph 19, AsylG, sowie die Herkunftsstaaten-Verordnung selbstredend anzuwenden hat. Die BF bringen dies zwar nicht explizit vor, jedoch deutet ihr Vorbringen darauf hin, dass sie die Auffassung vertreten, dass die Republik Armenien in die Herkunftssaatenverordnung aufgenommen wurde, ohne die bereits beschriebenen Kriterien zu erfüllen. Es steht ihnen frei, den Weg zum Verfassungsgerichtshof zu beschreiten.
Zu A) (Spruchpunkt römisch eins)
römisch II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 3, AsylG lauten:
"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) ...
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offensteht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§6) gesetzt hat
..."
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (Paragraph 4, AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (Paragraph 4 a, AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (Paragraph 5, AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der bP inhaltlich zu prüfen ist.
Flüchtling im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
römisch II.3.2.1. BF1 brachte im Wesentlichen vor, sie habe sexuelle Belästigungen an ihrem Arbeitsplatz und einen Vergewaltigungsversuch an ihrem letzten Arbeitstag erlebt und sei ihr mit Tod und Übel für ihren Sohn gedroht worden; durch die Übergriffe sei sie erkrankt und in eine psychiatrische Klinik gebracht worden. Auch nach ihrer Kündigung sei sie weiter telefonisch bedroht worden. Ein Jahr oder ein halbes Jahr danach sei sie mit ihrem Sohn ausgereist. BF2 und BF3 brachten keine eigenen Fluchtgründe vor und beriefen sich auf den Familienverband.
römisch II.3.2.2. Wie in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert, war dem Vorbringen der BF1 zum behaupteten Ausreisegrund, nämlich den ihr gegenüber ausgesprochenen Drohungen sie selbst und ihren Sohn betreffend, insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen.
Dass BF1 an ihrem Arbeitsplatz den beschriebenen Vergewaltigungsversuch oder Übergriffe ähnlicher Intensität erfahren hat, war vor allem aufgrund der vorgelegten medizinischen Unterlagen aus dem Heimatland ebenfalls nicht glaubwürdig.
Ob BF1 die sexuellen Belästigungen, wie etwa das geschilderte "Begrapschen", an ihrem Arbeitsplatz erfahren hat, war nicht feststellbar.
Dem Vorbringen der BF, dass geschlechterspezifische Gewalt eine Form der Verfolgung darstelle und zu Vergabe eines Flüchtlingsstatus führen könne, wird nicht entgegengetreten. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass befürchtete sexuelle Übergriffe in bestimmten Fallkonstellationen asylrelevant sein können. Für den gegenständlichen Fall ergibt sich jedoch, dass die geschilderten Belästigungen und Übergriffe, sollten diese tatsächlich stattgefunden haben, nicht die von der GFK normierte Intensität aufweisen. BF1 behauptete, die Belästigungen und Übergriffe durch den Zahnarzt wären Auslöser für ihre psychischen Probleme gewesen und sei sie deshalb in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden. Im Verfahren ist jedoch hervorgekommen, dass das geschilderte Vorbringen nicht mit den vorgelegte Unterlagen, insbesondere der Krankengeschichte aus der psychiatrischen Klinik in Armenien, in welcher BF1 behandelt wurde, in Einklang zu bringen ist - wie beweiswürdigend ausführlich dargelegt, haben Berichte über gröbere oder wiederkehrende Belästigungen bzw. Übergriffe am Arbeitsplatz auch in der Zeit, als BF1 wieder Bewusstseinsklarheit und vollständige Orientierung erlangte, nicht in die Krankengeschichte Eingang gefunden, was jedoch zu erwarten gewesen wäre; BF1 hat in dieser Klinik lediglich von Ehebruch gesprochen. Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter römisch II.2.5.3. verwiesen.
Zum anderen könnten die Belästigungen auch nicht als ausreisekausal gesehen werden, zumal sich BF1 und BF3 noch ein Jahr lang oder ein halbes Jahr im Land aufgehalten haben, bevor sie das Land verließen. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter römisch II.2.5.3. verwiesen.
Schon aus den vorstehenden Erwägungen ist das Vorbringen nicht geeignet, BF1 den Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen vergleiche Erk. d. VwGH vom 23.1.1997, Zahl 95/20/221 mit Verweis auf Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1081; ebenso Erk. d. VwGH vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0800-0803). Auch konnte im Rahmen einer Prognoseentscheidung vergleiche Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass BF1 nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr einer sexuellen Belästigung oder Übergriffen zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194). Hier wird auf die bereits getroffenen Feststellungen verwiesen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Der bB ist beizupflichten, dass - rein hypothetisch betrachtet ohne hierdurch den behaupteten ausreiskausalen Sachverhalt als glaubwürdig werten zu wollen - es den BF möglich und zumutbar wäre, sich im Falle der behaupteten Bedrohungen an die Sicherheitsbehörden ihres Herkunftsstaates zu wenden, welche willens und fähig wären, ihr Schutz zu gewähren.
Auch wenn ein solcher Schutz (so wie in keinem Staat auf der Erde) nicht lückenlos möglich ist, stellen die von BF1 geschilderten Übergriffe in ihrem Herkunftsstaat offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und andererseits existieren im Herkunftsstaat der BF Behörden, welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen sind. Auch wenn zu wenig weibliche Einsatzkräfte zur Verfügung stehen und bei Einvernahmen mitunter ohne die für Opfer sexueller Übergriffe notwendige Sensibilität vorgegangen wird, so weist dennoch nichts darauf hin, dass gemeldeten Übergriffen grundsätzlich nicht nachgegangen wird. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden konnte somit als gegeben angesehen werden vergleiche hierzu auch die Ausführungen des VwGH im Erk. vom 8.6.2000, Zahl 2000/20/0141 zu den Voraussetzungen der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des [in diesem Erkenntnis] türkischen Staates; Im soeben zitierten Erk. führte der weiter aus: "Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem die Gewährung von Asyl an einen algerischen Staatsangehörigen betreffenden Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0256, ausgesprochen, dass mangelnde Schutzfähigkeit des Staates nicht bedeute, dass der Staat nicht mehr in der Lage sei, seine Bürger gegen jedwede Art von Übergriffen durch Dritte präventiv zu schützen, sondern dass mangelnde Schutzfähigkeit erst dann vorliege, wenn eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung "infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt" nicht abgewendet werden könne (wobei auf die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0037, und vom 6. Oktober 1999, Zl. 98/01/0311, Bezug genommen wird). Dies sei dann der Fall, wenn für einen von dritter Seite Verfolgten trotz des staatlichen Schutzes der Eintritt eines - entsprechende Intensität erreichenden - Nachteiles mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.
Die belangte Behörde leitete aus dem Umstand, dass der türkische Staat bereits die Androhung einer schweren und rechtswidrigen Schadenszufügung strafgerichtlich verpöne, jedenfalls aber eine mit dem Motiv der Blutrache begangene Tötung mit der [Anm: nunmehr in der Türkei nicht mehr angewandten] Todesstrafe bedrohe, die nicht unschlüssige Folgerung ab, dass der türkische Staat gewillt sei, den erforderlichen Schutz zu gewähren. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der türkische Staat sowohl den Willen als auch die Fähigkeit, den Beschwerdeführer vor den Gefahren einer befürchteten Blutrache ausreichend zu schützen. Die Beschwerde hält dem Argument, der Beschwerdeführer hätte bei staatlichen Stellen Schutz vor Verfolgung finden können, lediglich entgegen, dass ein einmal gegebenes Versprechen, für eine getötete, nahe stehende Person Blutrache zu verüben, nicht einfach wieder zurückgenommen werden könne. Das Versprechen, Blutrache zu üben, binde - nach islamischer Weltanschauung - jene Person, die das Versprechen abgegeben habe, und keine wie auch immer geartete Strafdrohung könne eine die Vollziehung der Blutrache versprechende Person von der Ausübung ihrer nunmehrigen "Pflicht" abschrecken. Der Vollzug der versprochenen Blutrache werde zur Lebensaufgabe des Versprechenden. Es erscheine nicht möglich, sich unter den Schutz des türkischen Staates zu stellen, weil der Beschwerdeführer rund um die Uhr bis zu seinem Lebensende vom türkischen Staat beschützt werden müsste. Der türkische Staat habe weder die finanziellen Mitteln noch ein Interesse an einem solchen Personenschutz.
... Die belangte Behörde hat ...klar zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer ausreichenden Schutzgewährung durch den türkischen Staat ausgehe und sie hat den Beschwerdeführer erfolglos aufgefordert, Beweismittel vorzulegen, die diese Annahme erschüttern könnten .... Staatliche Schutzgewährung ist umso eher zu erwarten, als es sich bei den mutmaßlichen Verfolgern um verhältnismäßig leicht auszuforschende Verwandte des vom Beschwerdeführer widerrechtlich Getöteten handeln würde. Der Beschwerdeführer hat überdies nicht einmal den Versuch unternommen, etwa durch Anzeige im Sinne des Artikel 191, des türkischen Strafgesetzbuches staatlichen Schutz vor möglicher Blutrache in Anspruch zu nehmen. Es ist auch nicht offenkundig, dass der Beschwerdeführer der von ihm behaupteten Gefahr in der gesamten Türkei ausgesetzt wäre und ihm daher keine Möglichkeit offen stünde, innerhalb seines Heimatstaates einen sicheren Aufenthaltsort zu finden.").
Die bloße Möglichkeit, dass staatlicher Schutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, vermag eine gegenteilige Feststellung nicht zu begründen, solange nicht von der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Nichtgewährung staatlichen Schutzes auszugehen ist. Von dieser Wahrscheinlichkeit kann im vorliegenden Fall aus den unter römisch II.5.4. im Detail erörterten Gründen nicht ausgegangen werden.
römisch II.3.2.3. Auch aus dem nahe liegenden tatsächlichen Ausreisemotiv der BF1, nämlich der Wunsch, mit ihren Eltern zusammenzuleben, kann kein Hinweis auf das Vorliegen eines Anknüpfungspunktes an die GFK erkannt werden.
Auch in Bezug auf den Zugang zum armenischen Gesundheitssystem konnte nicht festgestellt werden, dass sich die für BF1 zugänglichen Leistungen aus einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund schlechter darstellen, als dies für die sonstige armenische Bevölkerung der Fall ist oder dass ihr aufgrund eines solchen Motivs der Zugang zur medizinischen Versorgung erschwert oder verunmöglicht wird. Dass BF1 pflegebedürftig ist, konnte im Verfahren nicht festgestellt werden. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass oben Gesagtes auch in Bezug auf den Zugang zum armenischen Sozial- und Pflegesystem übertragen werden kann.
römisch II.3.2.4. Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten somit aus.
römisch II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
römisch II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 8, AsylG lauten:
"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. ...
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, ... zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
..."
Bereits Paragraph 8, AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Artikel 2, EMRK lautet:
"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
...
Artikel 3, EMRK lautet:
"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Artikel eins, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Artikel 3, EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Artikel 3, EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden vergleiche etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Artikel 3, EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Artikel 3, EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt vergleiche Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Artikel 3, EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Artikel 3, EMRK führen vergleiche für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, Sitzung 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus vergleiche EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: römisch zehn u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, Sitzung 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle vergleiche VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] Paragraph 8, Absatz eins, AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre vergleiche VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
römisch II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der BF (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Da sich die Herkunftsregion der BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet - dass die BF rund um die Geschehnisse in der selbsternannten "Republik Bergkarabach" (russisch: Nagorny Karabach, in Armenien auch Arzach genannt) betroffen wären, wo die Sicherheitslage immer noch als angespannt bezeichnet werden kann, haben die BF nicht vorgebracht und liegt ihre Heimatstadt römisch 40 auch weit weg von den Gebieten, die von der selbsternannten Republik umfasst werden - kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht erkannt werden, dass für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Weitere, in der Person der BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
In Bezug auf die individuelle Versorgungssituation der BF kam im Verfahren hervor, dass diese in Armenien über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Bei den volljährigen BF handelt es sich um mobile, junge und arbeitsfähige Menschen. Einerseits stammen sie aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den BF auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern. BF1 verfügt über Berufserfahrung in einem Krankenhaus, wo sie ihren eigenen Angaben zufolge als Krankenschwester und in der Administration gearbeitet hat; BF2 verfügt über Berufserfahrung als Goldschmied und Taxifahrer. Wie beweiswürdigend ausgeführt, war davon auszugehen, dass BF1 arbeitsfähig ist, zumal sie in der mündlichen Verhandlung dies auch bestätigte und auch den ärztlichen Attesten nicht Gegenteiliges zu entnehmen war. Sollte sich die Entwicklung ihres psychischen Zustandes derart gestalten, dass sie künftig nicht in der Lage ist, einer geregelten Arbeit nachzugehen, so ist jedenfalls davon auszugehen, dass BF2 das Auskommen der Familie erwirtschaften kann.
Die Zumutbarkeit der Annahme einer gegebenenfalls auch unattraktiven- Erwerbsmöglichkeit wurde bereits in einer Vielzahl hg. Erkenntnisse bejaht und ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass BF2 trotz seiner universitären Ausbildung bereits als Taxifahrer gearbeitet hat.
Ferner steht es den BF frei, das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.
Ebenso kam hervor, dass die BF im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte in Form der Großmutter der BF1, der Mutter und einer Tante des BF2 und weitere Verwandte verfügen. In Bezug auf die Mutter des BF2 wurde festgestellt, dass diese eine Landwirtschaft betreibt und die Tante als Krankenschwester arbeitet. Die BF stammen aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird, was auch dadurch bestätigt wurde, dass BF2, wie er im Verfahren angab, Unterstützung seitens seiner Verwandten bei der Ausreise erfahren hat. Die BF werden daher - zumindest für eine Phase der ersten Orientierung am Arbeitsmarkt - Unterstützung durch ihre Familie und Verwandtschaft erwarten können.
Darüber hinaus ist es den BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen werden können und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.
Soweit der Gesundheitszustand der BF1 thematisiert wird, wird Folgendes erwogen:
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Artikel 3, EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Armenien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte.
Der VfGH fasste in seinem Erkenntnis vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9 die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Artikel 3, EMRK zusammen und verweist insbesondere auf D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06.
Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Artikel 3, EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).
Wie bereits erwähnt, geht der EGMR weiters davon aus, dass aus Artikel 3, EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet und kann nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Artikel 3, EMRK führen {EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964 ("St. Kitts-Fall")}. Im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Beschwerdeführers nahm der EGMR außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände im "St. Kitts-Fall" an. Im Mai 1997 hatte der EGMR die Abschiebung eines HIV-infizierten Drogenhändlers, welcher laut medizinischen Erkenntnissen auch in Großbritannien bei entsprechender Behandlung nur mehr ca. 8 - 14 Monate zu leben gehabt hätte und sich somit im fortgeschrittenen Krankheitsstadium befand, aus Großbritannien auf seine Heimatinsel St. Kitts/kleine Antillen (Karibik) als "unmenschliche Behandlung" im Sinne des Artikel 3, der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen. Die im zitierten Erkenntnis beschriebene außergewöhnliche, exzeptionale Notlage ( er hätte dort keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Betreuung, nicht einmal zu einem Pflegebett gehabt hätte und wäre so qualvollst, einsam und in extremer Armut gestorben) die ihn dort erwarte, würde seine Lebenserwartung deutlich reduzieren und ihn psychischem und physischem Leiden aussetzen. Diese Abschiebung war daher in diesem Einzelfall unzulässig (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964).
Auch der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter wären als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend (HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05).
Die genannten allgemeinen Ausführungen gelten auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen bzw. Störungen. Zur Verdeutlichung der vom EGMR gesetzten Schwelle sei hier aus der Application no. 7702/04 by SALKIC and others against Sweden zitiert, wo es um die Zulässigkeit der Abschiebung schwer traumatisierter und teilweise suizidale Tendenzen aufweisende Bosnier nach Bosnien und Herzegowina ging, wobei hier wohl außer Streit gestellt werden kann, dass das bosnische Gesundheitssystem dem schwedischen qualitätsmäßig erheblich unterliegt: "Das Gericht ist sich bewusst, dass die Versorgung bei psychischen Problemen in Bosnien-Herzegowina selbstverständlich nicht den gleichen Standard hat wie in Schweden, dass es aber dennoch Gesundheitszentren gibt, die Einheiten für geistige Gesundheit einschließen und dass offensichtlich mehrere derartige Projekte am Laufen sind, um die Situation zu verbessern. Auf jeden Fall kann die Tatsache, dass die Lebensumstände der Antragsteller in Bosnien-Herzegowina weniger günstig sind als jene, die sie während ihres Aufenthaltes in Schweden genossen haben, vom Standpunkt des Artikel 3, [EMRK] aus nicht als entscheidend betrachtet werden (siehe, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich Urteil, oben angeführt, Artikel 38,). ... Abschließend akzeptiert das Gericht die Schwere des psychischen Gesundheitszustandes der Antragsteller, insbesondere den der beiden Kinder. Dennoch mit Hinblick auf die hohe Schwelle, die von Artikel 3, [EMRK] gesetzt wurde, besonders dort, wo der Fall nicht die direkte Verantwortlichkeit des Vertragsstaates für die Zufügung von Schaden betrifft, findet das Gericht nicht, dass die Ausweisung der Antragsteller nach Bosnien-Herzegowina im Widerspruch zu den Standards von Artikel 3, der Konvention stand. Nach Ansicht des Gerichtes zeigt der vorliegende Fall nicht die in seinem Fallrecht festgelegten außergewöhnlichen Umstände auf (siehe, unter anderem, D. gegen Vereinigtes Königreich, oben angeführt, Artikel 54,). Dieser Teil des Antrages ist daher offenkundig unbegründet."
Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtern würde ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".
Will man aus einem im Jahr 2014 ausgestellten Befundbericht, in welchem angeführt wird, dass der Verbleib der Patientin in der Nähe ihres familiären Umfeldes aus therapeutischer Sicht zu befürworten wäre, ableiten, dass eine Überstellung nach Armenien problematisch wäre, ist dazu festzuhalten, dass der Maßstab der Beurteilung der Zulässigkeit der Überstellung der BF aus juristischer und therapeutisch/medizinischer Sicht ein unterschiedlicher ist. Wenngleich es die Aufgabenstellung der Angehörigen eines medizinischen, bzw. therapeutischen Berufes ist, den bestmöglichen psychischen Zustand eines Beschwerdeführers oder einer Beschwerdeführerin zu erhalten bzw. (Wieder-) herzustellen und aus dieser Sicht daher jede Maßnahme strikt abzulehnen ist, welche diesem Ziel entgegensteht, hat die BF aus juristischer Sicht jede Maßnahme hinzunehmen, welche keinen Eingriff in die durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte darstellen.
Aufgrund der hier vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung mag zwar dem Verfasser des in Rede stehenden Bescheinigungsmittels insoweit nicht entgegen getreten werden, als daraus ableitbar ist, dass eine Trennung der BF von ihren Eltern zu einer Beeinträchtigung ihres gesundheitlichen Zustandes führen, bzw. eine Wiederherstellung der psychischen Gesundheit erschwert oder verzögert werden kann, womit jedoch noch nicht gesagt ist, dass dies zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK führt. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass BF1 zusammen mit ihrem Sohn und auch ihrem Ehegatten ausreisen würde. Zum Zeitpunkt der Erstellung des besagten Befundes befand sich BF1 ohne ihren Ehegatten in Österreich und ist die vorgelegte ärztliche Empfehlung auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Anzumerken bleibt, dass es nicht Aufgabe des Asyl- und Fremdenrechtes ist, einem Asylwerber einen Schutzstatus im Bundesgebiet aus diesen Gründen zuteil werden zu lassen, wenn keine EMRK relevante Gefährdung im Rückkehrfall ersichtlich ist.
Im vorliegenden Fall konnten seitens der BF keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle ihrer Überstellung nach Armenien belegt, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt werden. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen im Sinne der oben zitierten Judikatur ersichtlich.
In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der EGMR es für eine Artikel 3, EMRK-konforme Überstellung ausreicht, dass Behandlungsmöglichkeiten [für Traumatisierte, hier aufgrund der identischen Interessenslage jedoch analog anwendbar] im Land der Überstellung verfügbar sind vergleiche Paramasothy v. Netherlands 10.11.2005; Ramadan Ahjeredine v. Netherlands, 10.11.2005, Ovidienko v. Finland 31.5.2005; Hukic v. Sweden, 27.9.2005), was im Herkunftsstaat hinsichtlich der von BF1 vorgebrachten Erkrankung offensichtlich der Fall ist vergleiche etwa die bereits erörterte Berichtslage zum Gesundheitswesen im Herkunftsstaat.) und führte der EGMR in Bezug auf jene Fälle, welche in welchen außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände im Lichte des Artikel 3, EMRK vergleiche Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"]) im Urteil Paposhvili v. Belgium (no. 41738/10, GC) vom 13 Dezember 2016 aus, dass der tatsächlichen Zugang der Partei zu medizinischer Versorgung realistischer Weise erwartbar sein muss, wobei hier festzuhalten ist, dass bloß spekulative Erwägungen in Bezug auf den fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung auszublenden sind (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).
Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass BF1 vom Zugang zu medizinsicher Versorgung in Armenien ausgeschlossen wäre und bestehen auch keine Hinweise, dass die psychischen Beeinträchtigungen der BF nicht behandelbar wären; vielmehr wurde BF1 bereits im Herkunftsland in den Jahren 2012 und 2013 wegen einer "akuten polymorphen psychotischen Störung ohne schizophrenische Symptome" behandelt und lässt sich den Krankenberichten auch nicht entnehmen, dass eine unzureichende Behandlung oder Medikation erfolgt wäre. Wie beweiswürdigend ausgeführt, ist die allgemeine medizinische Versorgung bei PTBS und Depression in Armenien auch auf gutem Stand und kostenlos verfügbar. Ferner sind in Armenien entsprechende Medikamente bzw. die für die Behandlung einzelner Krankheitsbilder notwendigen Wirkstoffe vorhanden.
Dass BF1 die im Herkunftsstaat verfügbaren Medikamente nicht verträgt, konnte nicht festgestellt werden. Wie beweiswürdigend näher dargelegt, ist dies weder substantiiert ausgeführt worden, noch konnten den eingesehenen armenischen Krankenberichte diesbezügliche Hinweise entnommen werden.
Auch faktische Hindernisse, welche das Fehlen eines weiteren Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person der BF gelegenen Umständen begründen würden, kamen nicht hervor.
In Bezug auf die BF ist auch darauf hinzuweisen, dass die Familie in der Lage sein wird, sich ein Einkommen zu erwirtschaften und es ihnen - allenfalls mit Unterstützung ihrer Verwandten - auch freisteht, eine über die Basisbehandlung hinausgehende Behandlung zu konsumieren.
Ferner sei auch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die in Österreich lebenden Eltern der BF1 im Bedarfsfall die in Österreich verschriebenen Medikamente beziehen und BF1 auf postalischem Weg zukommen zu lassen.
Im gegenständlichen Fall wird schließlich noch auf das Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05, hingewiesen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat seine Rechtsprechung in Bezug auf Krankheiten und Artikel 3, EMRK zusammengefasst und neben dem Urteil D. v. The United Kingdom auf die Entscheidungen B.B. v. France, Nr. 30.930/96, Karara
v. Finland, Nr. 40.900/98, S.C.C. v. Sweden, Nr. 46.553/99, Bensaid
v. The United Kingdom, Nr. 44.599/98, Arcila Henao v. The Netherlands, Nr. 13.669/03, Ndangoya v. Sweden, Nr. 17.868/03, sowie Amegnigan v. The Netherlands, Nr. 25.629/04 verwiesen (Randnrn. 35 bis 41 des Urteils N. v. The United Kingdom).
Im konkreten Fall N. v. The United Kingdom lag die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebung einer an Aids Erkrankten nach Uganda zugrunde. Nach Informationen der WHO ist antiretrovirale Medikamentation in Uganda erhältlich, auch wenn wegen mangelnder Ressourcen nur die Hälfte jener Personen, die sie benötigen, in den Genuss dieser Behandlung kommt. Die Bf. behauptete, sie könne sich die Behandlung nicht leisten und diese wäre in der ländlichen Gegend, aus der sie stamme, gar nicht erhältlich. Der Gerichtshof führte aus, dass es scheint, dass sie Familienmitglieder in Uganda hat, auch wenn sie behauptet, dass diese nicht gewillt oder nicht in der Lage wären, sich um sie zu kümmern. Das Vereinigte Königreich hat der Bf. während des Asylverfahrens und der folgenden Verfahren über die Zulässigkeit ihrer Ausweisung neun Jahre lang auf öffentliche Kosten medizinische und soziale Unterstützung gewährt. Dies begründet jedoch keine Verpflichtung seitens des belangten Staates, weiterhin für sie zu sorgen. Der GH anerkannte, dass die Lebensqualität der Bf. und ihre Lebenserwartung im Falle ihrer Abschiebung nach Uganda beeinträchtigt würde. Sie sei im Moment jedoch nicht todkrank. Wie rasch sich ihr Zustand verschlechtern würde und in welchem Ausmaß sie in der Lage wäre, Zugang zu medizinischer Behandlung, Unterstützung und Pflege, einschließlich der Hilfe durch Verwandte, zu erhalten, sei bis zu einem gewissen Grad spekulativ, insbesondere angesichts der sich stetig fortentwickelnden Situation was die Behandlung von AIDS und HIV weltweit betrifft. Der EGMR erkannte in diesem Fall, dass keine Verletzung des Artikel 3, EMRK vorlag.
Aus der genannten Quellenlage ergibt sich auch dass die Behandlungsmöglichkeiten der BF1 bei Ausschöpfung der bereits beschriebenen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln weit über jenen liegen, wie sie im Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05 beschrieben wurden und ergibt sich auch unter den im Urteil Paposhvili v. Belgium (no. 41738/10, GC) vom 13 Dezember 2016 genannten Determinanten nichts anderes.
Aus den oben getätigten Erwägungen folgt, dass der Gesundheitszustand der BF kein Abschiebehindernis darstellt.
Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN).
Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass BF1 nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des Paragraph 8, AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.
römisch II.3.4. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
römisch II.3.4.1. Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:
Wird ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ist gemäß Paragraph 58, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung ist gemäß Paragraph 58, Absatz 3, AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 sieht ferner vor, dass eine Entscheidung nach dem Asylgesetz dann mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, wenn wie im Gegenstand - der Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen wird (Ziffer 3, leg. cit.) und von Amts wegen kein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt wird. Die Rückkehrentscheidung setzt daher eine vorangehende Klärung der Frage voraus, ob ein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt wird.
Im Ermittlungsverfahren sind keine Umstände zu Tage getreten, welche auf eine Verwirklichung der in Paragraph 57, Absatz eins, AsylG 2005 alternativ genannten Tatbestände hindeuten würden, insbesondere wurde von den BF selbst nichts dahingehend dargetan und auch in der Beschwerde kein diesbezügliches Vorbringen erstattet.
Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet war ausweislich der Feststellungen nie nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Absatz eins a, FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden schließlich nicht Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO.
Den BF ist daher kein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen. Der dagegen erhobenen Beschwerde kommt daher keine Berichtigung zu.
römisch II.3.4.2. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8, EMRK und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
römisch II.3.4.2.1. Die Einreise der BF in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Bisher stützte sich der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet alleine auf die Bestimmungen des AsylG 2005 für die Dauer der nunmehr abgeschlossenen Verfahren. Ein sonstiger Aufenthaltstitel ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt der BF im Bundesgebiet mehr vor und es unterliegen diese auch nicht dem Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.
Die Entscheidung ist damit gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung nach dem 8. Hauptstück des FPG 2005 zu verbinden.
Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden nach Artikel 8, Absatz eins, EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts der BF auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Artikel 8, EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (VfSlg. 16.928/2003).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nur dann unter den Schutz des Artikel 8, Absatz eins, EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen vergleiche dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 09. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 08.06.2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22.08.2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29.03.2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Artikel 8, EMRK Rz 76). Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, Zl. 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, Zl. 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, Zl. 97/21/0778; 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung vergleiche VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.
In Bezug auf die BF untereinander ist festzuhalten, dass diese gleichermaßen von einer Rückkehrentscheidung betroffen sind, schon deshalb liegt insoweit kein Eingriff in das schützenswerte Familienleben vor (VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/22/0221 mwN).
Die Eltern der BF1 leben im Bundesgebiet. Diesen wurde Subsidiärer Schutz zuerkannt. BF1 lebt nicht im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern; diese wohnen in der Nähe der Wohnung der BF. Dass den BF finanzielle Zuwendungen von Seiten der Eltern der BF1 gewährt würden, wurde in der Beschwerde lediglich in den Raum gestellt, wiewohl dort auch zum Ausdruck gebracht wird, dass die Unterstützung vorwiegend mental ist und ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass die BF Mittel aus der Grundversorgung beziehen. Von einer nennenswerten finanziellen Unterstützung der BF ist auch angesichts des Hintergrundes der Eltern der BF nicht auszugehen - die Mutter arbeitet als Reinigungskraft, der Vater bezieht soziale Unterstützungsleistungen. Das Vorbringen der BF1, sie werde von den Eltern (tageweise) gepflegt, war, wie beweiswürdigend ausführlich dargelegt, nicht glaubhaft und geht das Gericht vielmehr davon aus, dass BF1 ihre Eltern oft besucht, mit diesen auch jeden Tag telefoniert und ihre Eltern im Bedarfsfall auf BF3 aufpassen, wie BF1 anlässlich ihrer ersten Befragung durch die bB angab. Eine hinreichend starke Nahebeziehung oder eine Abhängigkeit im Sinne der Rechtsprechung vermochte das Gericht in vorliegendem Fall insgesamt nicht zu erkennen. Die von BF1 insoweit gepflegten Beziehungen zu ihren Eltern sind dem Bereich des Privatlebens zuzuordnen.
Dass weitere Angehörige oder Verwandte im Bundesgebiet leben, welche vom Recht auf Achtung des Familienlebens nach Artikel 8, EMRK erfasst wären, wurde nicht vorgebracht.
In Anbetracht dessen ist im gegenständlichen Fall eine mögliche Verletzung des Rechts der BF auf ein Familienleben in Österreich mangels familiärer Bindungen zu verneinen.
römisch II.3.4.2.2. Der Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff im Sinn des Artikel 8, Absatz 2, EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist voranzustellen, dass die Rückkehrentscheidung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtigung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind (EGMR U 18.02.1991, Moustaquim gegen Belgien, Nr. 12313/86).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Die Konventionsstaaten sind nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (EGRM U 30.10.1991, Vilvarajah u.a. gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 13163/87).
Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Berufungswerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten regelmäßig ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfSlg. 17.516/2005).
römisch II.3.4.2.3. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Artikel 8, EMRK einer Ausweisung entgegensteht (zur Maßgeblichkeit dieser Kriterien vergleiche VfSlg. 18.223/2007).
Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine fixen zeitlichen Vorgaben knüpft (EGMR U 31.1.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99; U 16.9.2004, M. C. G. gegen Deutschland, Nr. 11.103/03), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR GK 28.05.1985, Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 9214/80, 9473/81, 9474/81; U 20.6.2002, Al-Nashif gegen Bulgarien, Nr. 50.963/99) und dessen Intensität (EGMR U 02.08.2001, Boultif gegen Schweiz, Nr. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert vergleiche EGMR U 04.10.2001, Adam gegen Deutschland, Nr. 43.359/98; GK 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Nr. 48321/99; vergleiche VwGH 5.7.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (EGMR U 11.04.2006, Useinov gegen Niederlande Nr. 61292/00) für maßgeblich erachtet.
Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann - ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR U 24.11.1998, Mitchell gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 40.447/98; U 05.09.2000, Solomon gegen die Niederlande, Nr. 44.328/98; 31.1.2006, U 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99).
Bereits vor Inkrafttreten des nunmehrigen Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erkenntnissen VfSlg. 18.224/2007 und VwGH 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Leitlinien, welche im Rahmen der Interessensabwägung gem. Artikel 8, Absatz 2, EMRK zu berücksichtigen sind. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Artikel 8, MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (VwGH 28.04.2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (VwGH 13.06.2016, Ra 2015/01/0255). Ferner sind nach der eingangs zitieren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie dies Verfassungsgerichtshofs die strafgerichtliche Unbescholtenheit aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht sowie Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und schließlich die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis VfSlg. 19.203/2010 eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Artikel 8, EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen vergleiche auch VfSlg. 19.357/2011).
Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiter dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten wie insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes, relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich (VwGH 2.10.1996, Zl. 95/21/0169; 28.06.2007, Zl. 2006/21/0114; VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).
Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren. Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag nach den fremdenpolizeilichen bzw. niederlassungsrechtlichen Bestimmungen vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.
Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Artikel 8, Absatz 2, EMRK daher ein hoher Stellenwert zu (VfSlg. 18.223/2007; VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251).
Die öffentliche Ordnung, hier im Besonderen das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird etwa beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, Zl. 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat.
römisch II.3.4.2.4. In Abwägung der gemäß Artikel 8, EMRK maßgeblichen Umstände in Ansehung der Beschwerdeführer ergibt sich für den gegenständlichen Fall Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Die BF stellten nach unrechtmäßiger Einreise am 11.8.2013 (BF1 und BF3) und am 28.12.2015 (BF2) jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Gewicht des etwa sechsjährigen bzw. etwas weniger als vier jährigen Aufenthaltes der BF1 in Österreich ist allerdings dadurch abgeschwächt, dass die BF ihren Aufenthalt durch unberechtigte Anträge auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchten, sie konnten alleine durch die Stellung ihres Antrags jedoch nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung ihres Aufenthalts ausgehen vergleiche VwGH 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479 mwN).
Die BF sind seit ihrer Einreise als Asylwerber in Österreich aufhältig. Hätten sie ihre unbegründeten Asylanträge nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.
Mit negativem Abschluss des Asylverfahrens lebt auch die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts, sowie die Strafbarkeit der rechtswidrigen Einreise wieder auf vergleiche Paragraph 120, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 7, FPG) bzw. käme die Strafbarkeit gem. Paragraph 120, Absatz eins a, leg. cit. im Falle der unterlassenen Ausreise innerhalb der festgesetzten Frist hinzu. Der Verstoß gegen die Einhaltung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen stellt einen Sachverhalt mit hohem sozialen Unwert dar, was sich insbesondere auch in den vergleichsweise hohen Strafdrohungen zeigt, woraus abzuleiten ist, dass der Gesetzgeber bereits durch diese generalpräventiv wirkende Strafdrohung Einhaltung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes als einen äußerst erstrebenswerten Umstand im Rahmen der öffentlichen Ordnung betrachtet. Auch wenn im Rahmen dieses Faktums entsprechend der aktuellen Judikatur zu berücksichtigen ist, dass eine Antragstellung vom Ausland aus nicht möglich und daher - de facto in den überwiegenden Fällen - eine solche erst nach illegaler Einreise möglich ist, muss auch darauf hingewiesen werden, dass die handlungsfähigen BF die rechtswidrige Einreise sichtlich in Umgehungsabsicht von fremden- und niederlassungsrechtlichen Vorschriften zur Stellung eines sichtlich unbegründeten Antrages auf internationalen Schutzes vornahmen und die Behörden wiederholt täuschten, was wiederum sehr wohl fremdenrechtlichen Interessen, im Sinne eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung berührt.
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die erwachsenen BF sich jeweils ein Visum erschlichen, um ins Bundesgebiet einreisen zu können. Wie unter römisch II.2.3. ausgeführt, konnte dies aus den Aussagen der BF im Verfahren bzw. einem Auszug aus der Visadatenbank über die Art des Visums (Touristenvisum), mit dem sie eingereist sind, und den Ausführungen über den Grund ihrer Einreise geschlossen werden (laut Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) muss von der Auslandsvertretungsbehörde u.a. Folgendes festgestellt werden: die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit des Reisezwecks nach Österreich sowie die Bereitschaft des Visumsinhabers, vor Gültigkeitsablauf des Visums den Schengenraum wieder zu verlassen; die BF sind jeweils in der Absicht eingereist, sich hier niederzulassen).
Die Absicht der BF hätte einen Visa-Versagungsgrund gem. Artikel 32, des oben genannte Visakodex dargestellt, wenn sie der Behörde bekannt geworden wäre und setzten die BF dieses Visum widmungswidrig ein, indem sie jeweils nicht zu touristischen Zwecken sondern in Niederlassungsabsicht in das Bundesgebiet einreisten. Damit stellen sich die Einreise und der Aufenthalt vor der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz durch BF1 und BF2 als rechtswidrig dar. Eine vorübergehende Legalisierung ihrer rechtswidrigen Einreise war den BF nur durch die Stellung eines unbegründeten bzw. rechtsmissbräuchlichen Antrages auf internationalen Schutz möglich.
Durch ihr Verhalten verletzten die BF das hoch einzuschätzende öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremden- und Niederlassungsrecht.
Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass sich die Kinder das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung gemäß Ar. 8 EMRK nicht im vollen Umfang subjektiv verwerfen lassen müssen, doch ist dieses Verhalten dennoch nicht unbeachtlich. Hier sei etwa auf eine Zusammenschau der Erkenntnisse des VfGH vom 12.6.2010 U 614/10 (Beschwerdeführerin wurde 1992 geboren, war zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich minderjährig, hatte zumindest am Anfang ihres Aufenthaltes in Österreich keinen Einfluss auf das bzw. die Asylverfahren, entzog sich aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Alter der mündigen Minderjährigkeit und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge), U613/10 (Beschwerdeführerin wurde 1962 geboren, war während des gesamten Verfahrens handlungsfähig und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge) und den Beschluss des selben Tages U615/10 ua (minderjährige Asylwerber während des gesamten Asylverfahrens, welche auf den Verlauf des Verfahrens bzw. der Verfahren keinen Einfluss hatten). In diesen Verfahren stellte der VfGH in Bezug auf die 1962 geborene Beschwerdeführerin im vollen Umfang und in Bezug auf die 1992 geborene Beschwerdeführerin (Tochter der 1962 geborenen Beschwerdeführerin) in einem gewissen eingeschränkten Umfang fest, dass sich diese das Verhalten, welches zum langen Aufenthalt in Österreich führten, zurechnen lassen müssen und es daher nicht zu ihren Gunsten im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Artikel 8, EMRK geltend machen kann. Obwohl die minderjährigen Beschwerdeführer auf das Verhalten ihrer 1962 geborenen Mutter und 1992 geborenen Schwester keinerlei Einfluss hatten und ihnen deren Verhalten, insbesondere jenes der Mutter nicht subjektiv vorgeworfen werden konnte, wurde die Behandlung derer Beschwerden dennoch mit Beschluss U615/10 ua. abgewiesen. Im Lichte der Erk. des VfGH B 950-954/10-08, Sitzung 19, bzw. v. 10.03.2011, B1565/10, wo die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer in Österreich aufgrund den Beschwerdeführern nicht zurechenbarer Dauer der Asylverfahren als wesentliches Argument für eine Interessensabwägung zu Gunsten der Beschwerdeführer herangezogen wurde, ist ableitbar, dass in den in Beschluss U615/10 genannten Fällen trotz fehlender subjektiver Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Verfahrensdauer aufgrund deren Minderjährigkeit und des Verhaltens der Mutter gerade dieses Verhalten der Mutter im Rahmen der Interessensabwägung in Bezug auf die minderjährigen Kinder dennoch eine Rolle spielte, sie sich dieses zwar nicht vorwerfen aber in einem gewissen Umfang zurechnen lassen mussten, da ansonsten davon auszugehen gewesen wäre, dass ein mit den in den Erk. des VfGH B 950-954/10-08, Sitzung 19, bzw. v. 10.03.2011, B1565/10 beschriebener Fällen vergleichbarer Fall vorliegen würde und zu einer vergleichbaren Entscheidung geführt hätte.
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]
Die BF verfügen über die bereits beschriebenen privaten Anknüpfungspunkte.
- die Schutzwürdigkeit des Familienlebens [Privatlebens]
Die BF begründeten ihr Privat- bzw. Familienleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung ihrer unbegründeten Asylanträge vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der BF zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privat- und Familienlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt. Es ist auch festzuhalten, dass die BF nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten vergleiche Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK", ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es den BF frei - so wie jedem anderen Fremden auch - sich um eine legale Wiedereinreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.
Das Vorbringen der BF lässt auch erkennen, dass diese sichtlich hier auch die Sach- und Rechtslage, wonach ein Aufenthalt in Österreich primär und regelmäßig unter Einhaltung der fremden- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zu begründen und fortzusetzen ist, verkennen.
Auch ergibt sich hieraus, dass beim Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels den Fremden die Obliegenheit zukommt, das Bundesgebiet - hier innerhalb von 14 Tagen - zu verlassen.
Nur beim Vorliegen von außergewöhnlichen, besonders berücksichtigenden Sachverhalten kann sich ergeben, dass den Fremden, welche rechtswidrig in das Bundesgebiet einreisten oder sich rechtswidrig in diesem aufhalten, ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nachgesehen und ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Derartige Umstände liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Sollte bei den BF die gegenteilige Erwartungshaltung geweckt wurden sein, hat das ho. Gericht dennoch im Rahmen der Gesetze (Artikel 18, B-VG) entgegen dieser Erwartungshaltung zu entscheiden.
Keinesfalls entspricht es der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Systematik, dass das Knüpfen von privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkten nach rechtswidriger Einreise oder während eines auf einen unbegründeten Antrag fußenden Asylverfahrens im Rahmen eines Automatismus zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führen. Dies kann nur ausnahmsweise in Einzelfällten, beim Vorliegen eines besonders qualifizierten Sachverhalts der Fall sein, welcher hier bei weitem nicht vorliegt vergleiche hier etwa Erk. d. VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013).
- Grad der Integration
Betreffend BF1:
BF1 hat bereits gute Kenntnisse der deutschen Sprache durch den Besuch von Qualifizierungsmaßnahmen erworben, sie legte die Prüfung auf dem Niveau B1 am 21. und 22.1.2019 ab. Der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, stellen zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich dar.
In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst der Umstand, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
BF1 hat hierorts keine belegten Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen und ist zum Entscheidungszeitpunkt zur Sicherstellung ihres Auskommens auf Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber angewiesen. BF1 gab vor dem Bundesverwaltungsgericht an, sie möchte einen Pflegekurs absolvieren und sich dafür im Herbst anmelden und später einer entsprechenden Arbeit nachgehen, was auch als wahr unterstellt wurde, eine Zusage für eine konkrete Stelle hat sie jedoch nicht in Aussicht. Im Rechtsmittelverfahren wurde ein Absageschreiben einer Gemeinde in Bezug auf die Bewerbung für eine Stelle im Gemeindedienst vom 9.10.2016 vorgelegt. Darüberhinausgehende, ernsthafte Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit, wie etwa eine Kontaktaufnahme mit dem Arbeitsmarktservice, konnte BF1 nicht nachweisen.
Darüber hinaus verfügt BF1 über soziale Kontakte im festgestellten Umfang. BF1 engagiert sich beim Roten Kreuz und hat dort freundschaftliche Beziehungen geknüpft. Dass BF1 dort fleißig ist, höflich, hilfsbereit und freundlich ist - nicht nur zu ihren Kollegen, sondern auch zu den Hilfsbedürftigen - war aufgrund der vorgelegten Unterstützungsschreiben als erwiesen anzusehen. Jedoch ist auch darauf hinzuweisen, dass BF1 ihre Tätigkeit beim Roten Kreuz erst etwa fünf Jahre nach ihrer Einreise aufnahm, wohingegen BF2, welcher im Jahr 2015 einreiste, dort seit dem Jahr 2016 tätig ist. Eine besondere Initiative, die Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen oder sonstige Beiträge zur Erhöhung des Gemeinwohls zu leisten, war in Bezug auf BF1 nicht zu verzeichnen.
Betreffend BF2:
Auch BF2 stellte nach unrechtmäßiger Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz und ist seit etwas weniger als vier Jahre im Bundesgebiet als Asylwerber aufhältig.
Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt ohne dem Dazutreten weiterer maßgeblicher Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0031 mwN).
BF1 hat ebenfalls Kenntnisse der deutschen Sprache durch den Besuch von Qualifizierungsmaßnahmen erworben, er legte die Prüfung seiner Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 am 24. und 25.4.2017 ab. Darüber hinaus verfügt BF2 über soziale Kontakte im festgestellten Umfang. Er engagierte sich ab dem Jahr 2016 beim Roten Kreuz. Auch ihm wurde bescheinigt, dass er seine Arbeit zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten erledigt und konnte BF2 vor dem Bundesverwaltungsgericht auch glaubhaft darlegen, dass er dort freundschaftliche Beziehungen geknüpft hat.
BF2 hat ebenfalls keine belegten Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder und ist zum Entscheidungszeitpunkt ebenfalls auf Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber angewiesen. Auch BF2 konnte ein Absageschreiben einer Gemeinde aus Oktober 2016 vorlegen. Darüberhinaus hat BF2 nicht belegte Schritte, etwa einen Probearbeitstag in einem Pferdestall, glaubhaft machen können. Darüberhinaus konnte BF2 aktuell zwei Einstellungszusagen vorlegen. Aus einer dieser Zusagen - dieser zufolge könne er als Gärtner offenbar in einem Privathaushalt arbeiten - lassen sich jedoch Arbeitszeit noch Entgelt entnehmen.
Die zweite Zusage ist zwar als "Beschäftigungsvoranmeldung, Vorvertrag" bezeichnet und lassen sich dem Schreiben auch konkrete Daten entnehmen - BF1 würde für eine Vollzeitbeschäftigung als Bauhilfsarbeiter ein Anfangseinkommen von 1450 Euro brutto/1200 Euro netto erhalten - jedoch kann das vorliegende Scheiben weder als Vorvertrag noch als Beschäftigungsanmeldung bezeichnet werden; es handelt sich lediglich um eine Mitteilung. Zwar kann formlosen Schreiben nicht von vorneherein die Ernsthaftigkeit einer Zusage abgesprochen werden, jedoch ist in gegenständlichem Fall auch zu beachten, dass in dem Schreiben auch mitgeteilt wird, dass "der Vertrag als rechtskräftig" gelte, "sobald die Parteien sowohl Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterzeichnen" und lässt sich daraus ableiten, dass sich der Aussteller des Dokumentes eben nicht binden wollte.
Insgesamt ist zu beiden Einstellungszusagen festzuhalten, dass diese lediglich eine einseitige, sichtlich nicht einklagbare Willenserklärung darstellen und ist in gegebenem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass die BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung mit der rechtlichen Einordnung dieses Schreibens konfrontiert wurden und ihnen die Gelegenheit gegeben wurde, weitere Integrationsunterlagen vorzulegen, was bislang nicht erfolgt ist.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass - selbst wenn man davon ausginge, dass eine rechtsverbindliche Zusage bestünde, den BF im Falle des Erhalts eines Bleiberechts auf Dauer einzustellen - dies auch kein Beleg für die tatsächliche Selbsterhaltungsfähigkeit der BF ist, sondern allenfalls ein Hinweis darauf ist, dass sich BF2, sofern er sich auf dem entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich bewährte, in die Situation kommen könnte, den Lebensunterhalt aus Eigenem zu bestreiten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt einer Einstellungszusage gegenüber einem Asylwerber, der nur über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Vorschriften und nicht über eine Arbeitserlaubnis verfügt, daher keine wesentliche Bedeutung zu (VwGH 22.02.2011, Zl. 2010/18/0323 mwN).
Betreffend BF3:
BF3 schloss im Juni 2019 die vierte Klasse der Musik-Volksschule ab. Nicht übersehen wird, dass er im Fach Musik mit "Sehr gut" abgeschnitten und in den Jahren 2017 bis 2019 jeweils einen ersten bzw. zweiten Platz bei einem Malwettbewerb errungen hat. Auch im Fall von BF3 ist auch davon auszugehen, dass er sich einen Freundeskreis in Österreich aufgebaut hat.
Zum Schulbesuch selbst ist jedoch auch festzuhalten, dass dies die Erfüllung einer durchsetzbaren gesetzlichen Verpflichtung darstellt, welcher im Rahmen der Interessensabwägung nur sehr untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH v. 26.9.2007 2006/21/0288 mwN).
Die gesamte Familie betreffend:
Die vorgelegten Empfehlungsschreiben und der Unterschriftenliste von Mitarbeitern des Roten Kreuzes dokumentieren, dass sich die BF im Rahmen ihres Aufenthaltes eine gewisse soziale Vernetzung im Bundesgebiet aufbauten und ehrenamtliche Arbeit leisten. Es wird auch nicht verkannt, dass die BF fleißig, höflich, freundlich und hilfsbereit und sind und ihre Arbeit zur vollsten Zufriedenheit aller erledigen.
Werte wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Höflichkeit sind jedoch nicht als Zeichen besonderer Integration anzusehen und werden gerade für Personen, die sich in Österreich auf Dauer niederlassen wollen, vom erkennenden Gericht als selbstverständlich vorausgesetzt.
Zur Aufenthaltsdauer der BF ist insbesondere auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, in denen selbst nach langjährigem Aufenthalt und erfolgten Integrationsschritten seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeenden Maßnahme bejaht wurde: VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 ua. (Familie; siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine staatliche Unterstützung), VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (siebeneinhalbjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; ein Jahr lang Ehe mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; 3 Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert als Zeitungsausträger, Sportverein), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Grundversorgung), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (knapp achtjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen; Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; unbescholten; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; Vereinsmitglied).
In Bezug auf die Selbsterhaltungsfähigkeit der Familie fällt maßgeblich ins Gewicht, dass die erwachsenen BF nicht darlegen konnten, dass sie während ihres Aufenthaltes nennenswerte Bemühungen unternommen hätten, auf ihre Selbsterhaltungsfähigkeit hinzuwirken. Vor allem konnte nicht belegt werden, dass eine Vorsprache beim zuständigen Arbeitsmarktservice erfolgte und konnte auch durch die nunmehr vorgelegten aktuellen Einstellungszusagen für BF2, wie oben ausgeführt, nicht darlegt werden, dass das Einkommen der Familie im Falle der Erlangung eines Aufenthaltstitels gesichert wäre.
Für eine nachhaltige Integration in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, beruflicher und sozialer Hinsicht erweisen sich die nicht verkannten privaten Anknüpfungspunkte letztlich als zu wenig und ist auch keineswegs gesichert, dass die Familie ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels ohne weitere Unterstützung aus öffentlichen Mitteln bewältigen würde.
- Bindungen zum Herkunftsstaat
Die BF verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens in Armenien, wurden dort sozialisiert, gehören der dortigen Mehrheits- und Titularethnie an, bekennen sich zum dortigen Mehrheitsglauben und sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Die BF haben auch familiäre bzw. verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte im Heimatland. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Armenien auch noch ein gewisser Freundes- und/oder Bekanntenkreises der BF existiert. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. In Bezug auf BF2 ist anzumerken, dass dieser von 2012 bis kurz vor seiner Einreise in Österreich Ende des Jahres 2015 in der Russischen Föderation lebte, er jedoch in Armenien geboren ist und - bis zu seiner Ausreise aus Armenien im Jahr 2012 seinen Lebensmittelpunkt dort hatte. Vor diesem Hintergrund ist, auch bezogen auf sein Lebensalter, davon auszugehen, dass abseits der erwähnten familiären und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte auch in Bezug auf BF2 noch amikale Bindungen bestehen und es ihm daher im Falle einer Rückkehr nach Armenien möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Zur Bindung zum Aufnahme- bzw. Herkunftsstaat in Bezug auf den minderjährigen BF3 ist ferner festzuhalten, dass schon aufgrund seines geringeren Alters und der Aufenthaltsdauer in Österreich die Abwägung zwischen den Bindungen zum Herkunftsstaat und den nunmehrigen Bindungen zu Österreich anders zu bewerten sein wird, als im Hinblick auf die Eltern. Hier wird von geringeren Bindungen zum Herkunftsstaat und stärkeren Bindungen zu Österreich auszugehen sein. In die Überlegungen hat jedoch einzufließen, dass BF3 - er ist etwa zwölfeinhalb Jahre alt - dennoch im Herkunftsstaat geboren wurden, sich dort eine zeitlang aufhielt - er ist mit etwa sechseinhalb Jahren aus Armenien ausgereist und hier eingereist - und über sein Umfeld bzw. die Eltern die Kultur und Sprache seines Herkunftsstaates auch über den Zeitpunkt der Ausreise hinaus vermittelt bekommen hat. Auch kann aufgrund der Sprachkenntnisse der Eltern davon ausgegangen werden, dass im Familienverband zumindest noch teilweise in der Sprache des Herkunftsstaates kommuniziert wird und somit dieser "Vermittlungseffekt" bis in die Gegenwart nachwirkt. BF3 gab vor dem Bundesverwaltungsgericht - er wurde nicht persönlich geladen, hat die Eltern dennoch begleitet und sich den Anwesenden vorgestellt - auch an, dass er Armenisch und sogar etwas Russisch spreche. BF3 hat seine Anpassungs- und Integrationsfähigkeit durch die vorgelegten Bescheinigungsmittel zur seiner Integration in Österreich bzw. das diesbezüglich nicht widerlegte Vorbringen bewiesen. Es kann daher angenommen werden, dass es ihm unter Nutzung dieser Fähigkeiten gelingt, sich spiegelbildlich betrachtet, ebenso wie in die österreichische auch in die Gesellschaft ihres Herkunftsstaats vollständig zu integrieren.
- strafrechtliche Unbescholtenheit
Die BF sind strafrechtlich unbescholten.
Die Feststellung, wonach die BF strafrechtlich unbescholten sind, relativiert sich durch den erst verhältnismäßig kurzen Aufenthalt der BF und in Bezug auf BF3 auch durch dessen Strafunmündigkeit und stellt darüber hinaus nach der Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.
- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts
Die BF reisten schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein. Auch in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass BF1 und BF2 die Vertretungsbehörden über ihre tatsächlichen Absichten im Hinblick auf die Einreise in den Schengenraum täuschten bzw. verschleierten, um ein Visum zu erlangen, indem sie ihre Niederlassungsabsicht und den Unwillen, den Schengenraum wieder zu verlassen, verschwiegen. Dieses Verhalten hätte einen Visa-Versagungsgrund gem. Artikel 32, des oben genannte Visakodex dargestellt, wenn er der Behörde bekannt geworden wäre und setzten die BF dieses Visum widmungswidrig ein, indem sie jeweils nicht zu touristischen Zwecken sondern in Niederlassungsabsicht in das Bundesgebiet einreisten. Die Einreise und der Aufenthalt vor der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz durch BF1 und BF2 stellen sich daher als rechtswidrig dar. Eine vorübergehende Legalisierung ihrer rechtswidrigen Einreise war den BF nur durch die Stellung eines unbegründeten bzw. rechtsmissbräuchlichen Antrages auf internationalen Schutz möglich. Durch ihr Verhalten verletzten die BF das hoch einzuschätzende öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremden- und Niederlassungsrecht.
Ins Gewicht fällt auch, dass die BF ihre Reisepässe nicht in Vorlage bringen wollten. BF2 hat zugegeben, dass er seinen Reisepass vorsätzlich vernichtet hat, um eine Abschiebung zu vereiteln; BF2 hat ebenfalls angegeben, ihren und den Pass des BF3 vernichtet zu haben, jedoch ließ sich aus der Bestätigung des österreichischen Zentralen Melderegisters ableiten, dass BF1 ihren Reisepass anlässlich ihrer Wohnsitzmeldung am 14.8.2013 vorlegte. Dieses Verhalten zeigt, dass die BF nicht willens sind, die österreichischen fremdenrechtlichen Bestimmungen zu respektieren.
Soweit der minderjährige BF3 hierbei keinen Einfluss auf das Verhalten ihrer Eltern hatte, wird auf die bereits getroffenen Ausführungen hinsichtlich der objektiven Zurechenbarkeit des Verhaltens der Eltern hingewiesen, welche hier sinngemäß gelten.
- die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Den volljährigen BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass den BF die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass sie in diesem Fall diese weitaus weniger kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätten.
In Bezug auf den minderjährigen BF wird auch an dieser Stelle auf die bereits getroffenen Ausführungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens ihrer Eltern verwiesen.
- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer
Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens beim Vorhandensein entsprechender Ressourcen denkbar wäre. Allerdings stellt dieses Faktum lediglich einen Aspekt von mehreren in der hier vorzunehmenden Interessensabwägung dar. Im gegenständlichen Fall ist aufgrund des Vorbringens der BF, sowie ihrem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Artikel 8, EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen der BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vergleiche auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Artikel 8, EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
- Auswirkung der allgemeinen Lage in Armenien auf die BF
Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem Artikel 8, EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist vergleiche etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Artikel 8, EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche die BF im Falle einer Rückkehr vorfindet, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle Artikel 8, EMRK - anders als Artikel 3, leg. cit. - einen Eingriffsvorbehalt kennt.
Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage in der der Republik Armenien ist zu berücksichtigen, dass - wie bereits mehrfach erwähnt - gem. Paragraph eins, Ziffer 12, der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009, idgF, die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat gilt und ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt.
Der Rechtsposition der BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes und des öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Begehung strafbarer Handlungen gegenüber. Auch wenn die BF über soziale Kontakte an ihrem Unterbringungsort, in der Schule oder beim Roten Kreuz verfügen und schon gute Deutschkenntnisse erworben haben, stehen dem die unrechtmäßige Einreise, die unberechtigte Antragstellung sowie die Vertretbarkeit des Eingriffs in die im Bundesgebiet vorhandenen Bindungen gegenüber. Ferner war in Bezug auf beide BF insgesamt kein hervorhebenswertes Engagement bei einer Integration ins Berufsleben erkennbar. Zu beachten ist auch, dass sich die BF - insbesondere nach Erhalt des angefochtenen Bescheides - der Ungewissheit ihres weiteren Verbleibes im Bundesgebiet bewusst gewesen sein mussten.
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die Frage von wesentlicher Bedeutung, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann - ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR U 24.11.1998, Mitchell gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 40.447/98; U 05.09.2000, Solomon gegen die Niederlande, Nr. 44.328/98; 31.1.2006, U 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99).
Die BF mussten sich stets - insbesondere nach Erlassung der angefochtenen Bescheide - ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein.
Würde sich ein Fremder generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Ferner ist nach wie vor von starken Bindungen zum Herkunftsstaat auszugehen. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes würde es ferner einen Wertungswiderspruch und eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung von Fremden, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, darstellen, zumal diese letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007; vergleiche auch VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde).
Im Rahmen einer Abwägung der erwähnten Fakten anhand des Artikel 8, Absatz 2, EMRK sowie nach Maßgabe der im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG angeführten Kriterien gelangt das Bundesverwaltungsgericht - wie bereits das belangte Bundesamt - zum Ergebnis, dass die individuellen Interessen der BF im Sinn des Artikel 8, Absatz eins, EMRK nicht so ausgeprägt sind, dass sie das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.
römisch II.3.4.2.5. Soweit Kinder von einer Ausweisung betroffen sind, sind nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (EGMR U 18.10.2006, Üner gegen Niederlande, Nr. 46.410/99; GK 6.7.2010, Neulinger und Shuruk gegen Schweiz, Nr. 1615/07). Maßgebliche Bedeutung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter (EGMR U 31.7.2008, Darren Omoregie ua. gegen Norwegen, Nr. 265/07; U 17.2.2009, Onur gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 27.319/07; siehe dazu auch VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205; 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072) befinden.
BF3 wurde am 16.2.2007 geboren und verließ Armenien im Alter von etwa sechseinahlb Jahren. Er verfügt mithin über eigene bewusste Wahrnehmungen der Herkunftsregion und hält sich seit nunmehr etwa sechs Jahre im Bundesgebiet auf. In Bezug auf seine Integration und die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Wiedereingliederung in die armenische Gesellschaft wird auf die oben getätigten Ausführungen verwiesen.
Ein besonderes Naheverhältnis zu Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie wurde abgesehen von dem Vorbringen, die Großeltern würden im Bedarfsfall auf ihn aufpassen, im Verfahren nicht dargetan.
BF3 ist auch ein weiterer Schulbesuch in der Herkunftsregion möglich und verfügt die Familie dort nicht nur über eine gesicherte Lebensgrundlage, sondern auch Anknüpfungspunkte in Gestalt ihrer dort lebenden Familienmitglieder und Verwandten.
Die Rückkehr nach Armenien im Familienverbund mit den Eltern ist sohin auch dem minderjährigen BF zumutbar. Die gebotene Berücksichtigung des Kindeswohles führt daher nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung.
Im Übrigen ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schlägt - wenngleich Kindern das fremdenrechtliche Fehlverhalten nicht zum Vorwurf gemacht werden kann - dieses auch auf die Kinder von Fremden durch und ist daher insbesondere das Bewusstsein der Eltern um die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus auch in Bezug auf die minderjährigen Beschwerdeführer von entscheidungswesentlicher Bedeutung (VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0001; 20.03.2012, Zl. 2010/21/0471 mwN).
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG wider die beschwerdeführenden Parteien keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.
römisch II.3.4.3. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG wider die BF keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.
römisch II.3.5. Zulässigkeit der Abschiebung:
Für die gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG 2005 von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des Paragraph 50, FPG2005 (VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0234).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des Paragraph 50, Absatz eins, oder Absatz 2, FPG 2005 - diese Bestimmungen stellen auf dieselben Gründe ab, wie sie in Paragraphen 3 und 8 AsylG 2005 enthalten sind - glaubhaft zu machen. Es ist die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen; für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße im Sinn des Paragraph 50, Absatz eins, FPG 2005 durch den betroffenen Staat bekannt geworden sind (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).
Der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz entspricht somit jenem des Refoulementverbots im FPG 2005. Erkennbar eben deshalb ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aber auch ein gesonderter Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Grunde des Paragraph 50, FPG 2005 nicht möglich; einem Fremden ist es verwehrt, eine derartige Feststellung zu begehren, weil über das Thema dieser Feststellung ohnehin im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen ist. Ein inhaltliches Auseinanderfallen der genannten Entscheidungen (insbesondere nach Paragraph 8, AsylG 2005) einerseits und der Feststellung nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG 2005 andererseits ist ausgeschlossen (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).
Bezüglich Paragraph 50, Absatz eins, FPG 2005 bleibt festzuhalten, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens betreffend die von den BF gestellten Anträge auf internationalen Schutz nicht festgestellt werden konnte, dass die BF im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht ihnen im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht vor.
Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Ebenso sind keine von Amts wegen aufzugreifenden stichhaltige Gründe für die Annahme erkennbar, dass im Herkunftsstaat der BF deren Leben oder Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten im Sinn des Paragraph 50, Absatz 2, FPG 2005 bedroht wäre und wird insoweit auf die Erwägungen in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung betreffend den von den BF gestellten Anträgen auf internationalen Schutz verwiesen.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz 3, FPG 2005 schließlich unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine solche Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme besteht hinsichtlich der Republik Armenien nicht.
römisch II.3.6. Frist für die freiwillige Ausreise:
Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus Paragraph 55, Absatz 2, erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die die Drittstaatsangehörigen bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen und es wurde diesbezüglich im Verfahren auch kein Vorbringen erstattet.
Sohin war die Beschwerde auch in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen.
römisch II.3.7. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
Spruchpunkt römisch II. und Spruchpunkt römisch III. betreffend BF2 waren jeweils mit der Maßgabe zu bestätigen, dass diese auf den Herkunftsstaat Armenien Bezug nehmen, zumal sich im Rechtsmittelverfahren herausstellte, dass BF2 nicht nur Staatsbürger der Russischen Föderation ist, sondern auch armenischer Staatsbürger. BF2 hat keine Gründe für eine Verfolgung oder Gefährdung in der russischen Föderation geltend gemacht, sondern sich auf die Gründe seiner Frau bezogen und liegt es aufgrund der in Armenien gegebenen familiären bzw. verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte und der dort vorhandenen Wohnmöglichkeiten nahe, dass die BF als Familie gemeinsam nach Armenien zurückkehren werden. Darüber hinaus erwiesen sich die angefochtenen Bescheide ob der vorstehenden Ausführungen im Ergebnis als rechtsrichtig, sodass die dagegen erhobene gemeinsame Beschwerde mit der im Spruch ersichtlichen Maßgabe als unbegründet abzuweisen ist.
römisch II.3.8. Ersatz der Kosten
Paragraph 52, BFA-VG lautet:
(1) Das Bundesamt hat den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung einer Entscheidung, ausgenommen Entscheidungen nach Paragraph 53, BFA-VG und Paragraphen 76 bis 78 AVG, oder einer Aktenvorlage gemäß Paragraph 16, Absatz 2, VwGVG mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.
(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Absatz eins, vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten.
(3) Der Bundeskanzler verordnet die Höhe der Entschädigung der Rechtsberater für den Zeit- und Arbeitsaufwand. Ist eine juristische Person mit der Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht betraut, verordnet der Bundeskanzler die Höhe der Entschädigung für den Zeit- und Arbeitsaufwand für die Rechtsberatung einschließlich der Dolmetschkosten in Form von Pauschalbeträgen pro beratenem Fremden oder Asylwerber. Die Entschädigung hat sich am zuvor eingeholten Angebot der betrauten juristischen Person zu orientieren.
Paragraph 35, VwGVG lautet:
(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Artikel 130, Absatz eins, Ziffer 2, B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) ... (7)
Paragraph 70, AsylG lautet:
Die in Verfahren nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Eingaben, Vollmachtsurkunden, Niederschriften, Zeugnisse und ausländischen Personenstandsurkunden sowie die Verlängerung von Aufenthaltsberechtigungen sind von den Gebühren befreit. Weiters sind für Amtshandlungen auf Grund oder unmittelbar für Zwecke dieses Bundesgesetzes Verwaltungsabgaben des Bundes sowie Barauslagen nicht zu entrichten. Die Befreiung von Gebühren, Verwaltungsabgaben und Barauslagen gilt auch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Hinsichtlich des Begehrens, dem Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der dem Beschwerdeführer entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufzutragen, ist darauf hinzuweisen, dass das VwGVG mit Ausnahme des oben zitierten Paragraph 35, VwGVG zur Kostentragung keine Regelung enthält, wodurch die Parteien des Verfahrens die Kosten grundsätzlich selbst zu tragen haben (Eder/Martin/Schmid, Das Verwaltungsverfahren der Verwaltungsgerichte2 Paragraph 49, VwGVG E 1). Paragraph 52, BFA-VG sieht die Beistellung eines kostenlosen Rechtsberaters in Asylverfahren vor. Den BF wurde auch amtswegig ein solcher Rechtsberater beigestellt. Die Kosten für die gewillkürte Rechtsvertretung sind von den BF daher selbst zu tragen. Gemäß Paragraph 70, AsylG fallen im Verfahren auch keine Gebühren oder Barauslagen für die BF an.
Der Antrag auf Kostenersatz war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung und ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Auslegung des Begriffs des internationalen Schutzes, sowie des durch Artikel 8, EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienlebens abgeht. Im Hinblick auf die Auslegung des Rechtsinstituts des sicheren Herkunftsstaates orientiert sich das ho. Gericht ebenfalls an der hierzu einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur. Ebenso löst das ho. Gericht die Frage, ob eine Verhandlung stattzufinden hatte im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur.
Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.
ECLI:AT:BVWG:2019:L526.2140713.1.00