Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

28.08.2019

Geschäftszahl

W102 2012548-2

Spruch

W102 2012548-2/12E

W102 2009977-3/9E

W102 2012860-2/9E

W102 2010629-2/8E

W102 2010608-2/8E

W102 2009137-2/8E

W102 2015000-2/8E

W102 2188141-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Katharina DAVID und den Richter Mag. Karl Thomas BÜCHELE als Beisitzer über den Antrag der Umweltorganisation römisch XXXX vom 17.07.2019 auf Wiederaufnahme der mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.05.2015, W102 2009977-1, W102 2012860-1, W102 2010629-1, W102 2010608-1, W102 2009137-1, W102 2015000-1, vom 18.11.2016, W102 2012548/85E und vom 25.04.2018, W102 2188141-1, abgeschlossenen Verfahren betreffend das Vorhaben "Semmering-Basistunnel neu" beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme der mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.05.2015, W102 2009977-1, W102 2012860-1, W102 2010629-1, W102 2010608-1, W102 2009137-1, W102 2015000-1, abgeschlossenen Verfahren betreffend das Vorhaben "Semmering-Basistunnel neu" wird zurückgewiesen.

B)

Der Antrag auf Wiederaufnahme der mit den Erkenntnissen vom 18.11.2016, W102 2012548/85E und vom 25.04.2018, W102 2188141-1, abgeschlossenen Verfahren betreffend das Vorhaben "Semmering-Basistunnel neu" wird abgewiesen.

C)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

römisch eins. Verfahrensgang:

Mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.05.2015, W102 2009977-1, W102 2012860-1, W102 2010629-1, W102 2010608-1, W102 2009137-1, W102 2015000-1, vom 18.11.2016, W102 2012548/85E und vom 25.04.2018, W102 2188141-1, wurde das Vorhaben "Semmering-Basistunnel neu" rechtskräftig genehmigt.

Die römisch XXXX stellte mit Schriftsatz vom 17.07.2019 gemäß Paragraph 32, Absatz eins, VwGVG einen Antrag auf Wiederaufnahme der mit den oben genannten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren. Konkret thematisiert wird darin ein Wassereinbruch im Bereich des Zwischenangriffs Göstritz und es werden diverse Medienberichte darüber auszugsweise wiedergegeben. Aufgrund dieser neuen Tatsachen stellt römisch XXXX als Partei in den oben aufgelisteten Verfahren betreffend den "Semmering-Basistunnel neu" den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren. Dem Antrag mit Schreiben vom 20.07.2019 nachgereicht ist auch eine ingenieurgeologische Stellungnahme vom Privatgutacher der Antragstellerin, der bereits im behördlichen UVP-Verfahren und im Beschwerdeverfahren weit höhere Wasserzutritte prognostiziert und vor Wassereinbrüchen wie den nunmehr eingetretenen wiederholt gewarnt habe. Das Thema wurde in diversen Beschwerdeverfahren eingehend behandelt.

Die mitbeteiligte Partei erstattete dazu binnen Frist eine Stellungnahme und stellte den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge die Wiederaufnahmeanträge zurück- bzw. abweisen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakte Beweis erhoben.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu den Spruchpunkten A) und B)

Der Paragraph 32, VwGVG regelt die Wiederaufnahme des Verfahrens. In welcher Erledigungsform das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, ist gesetzlich nicht angeordnet. Der allgemeinen Systematik des VwGVG folgend ist anzunehmen, dass sämtliche Erledigungen über Wiederaufnahmeanträge - auch selbstständige Erledigungen - in Beschlussform erfolgen (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren² [2018] Paragraph 32, VwGVG Anmerkung 13).

Gemäß Paragraph 32, Absatz eins, VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (Paragraph 38, AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (Paragraph 32, Absatz 2, VwGVG).

Unter den Voraussetzungen des Absatz eins, kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Absatz eins, Ziffer eins, stattfinden (Paragraph 32, Absatz 3, VwGVG).

Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen (Paragraph 32, Absatz 4, VwGVG).

Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse (Paragraph 32, Absatz 5, VwGVG).

Mit Schriftsatz vom 17.07.2019 stellte die römisch XXXX gemäß Paragraph 32, Absatz eins, VwGVG einen Antrag auf Wiederaufnahme der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.05.2015, W102 2009977-1, W102 2012860-1, W102 2010629-1, 2012548-1/15E, W102 2010608-1, W102 2009137-1, W102 2015000-1, vom 18.11.2016, W102 2012548/85E und vom 25.04.2018, W102 2188141-1, abgeschlossenen Verfahren und stützte sich hiebei wohl im gegenständlichen Fall auf den Wiederaufnahmegrund des Paragraph 32, Absatz eins, Ziffer 2, VwGVG, nämlich "neue Tatsachen oder Beweismittel, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten".

Vorab ist anzumerken, dass die Frist für alle bis auf zwei Erkenntnisse des BVwG bereits abgelaufen ist. Die Frist von drei Jahren für eine Wiederaufnahme ist hinsichtlich der Erkenntnisse vom 21.05.2015 jedenfalls abgelaufen. Anzumerken ist bezüglich der Erkenntnisse vom 21.05.2015, dass das auch im Wiederaufnahmeantrag erwähnte Erkenntnis W102 2012548-1/15E vom VwGH aufgrund der Revision der römisch XXXX mit Erkenntnis vom 17.11.2015, Ra 2015/03/0058-12 aufgehoben wurde und die naturschutzrechtliche Detailgenehmigung bezogen auf Niederösterreich im fortgesetzten Verfahren erst durch das Erkenntnis vom 18.11.2016, W102 2012548-1/85E, rechtskräftig erteilt werden konnte.

Lediglich für das Erkenntnis vom 18.11.2016, W102 2012548-1/85E, betreffend das naturschutzrechtliche Detailgenehmigungsverfahren bezogen auf Niederösterreich und für das Erkenntnis vom 25.04.2018, W102 2188141-1, betreffend das wasserrechtliche und abfallrechtliche Ergänzungsverfahren ist die gesetzlich vorgesehene Frist zur Wiederaufnahme eines Verfahrens noch nicht abgelaufen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist jedoch diesbezüglich nicht begründet. Hinsichtlich der vier taxativ aufgezählten Wiederaufnahmegründe ist im gegenständlichen Fall lediglich der Wiederaufnahmegrund des Paragraph 32, Absatz eins, Ziffer 2, VwGVG denkbar. Auf diesen Wiederaufnahmegrund stützt sich der Wiederaufnahmeantrag, da im letzten Absatz auf Seite 6 von "Aufgrund dieser neuen Tatsachen ..."

gesprochen wird. Dieser Grund ist gegeben, wenn eine Partei dem Verwaltungsgericht neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel im Rahmen eines Verfahrens auf Wiederaufnahme vorlegt und den bzw. die zuständigen Richter überzeugt, dass mit diesen Tatsachen oder Beweismitteln alleine oder zumindest in Zusammenschau mit den anderen Beweisergebnissen mit gewisser Wahrscheinlichkeit eine anderslautende Entscheidung getroffen worden wäre (Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte. Praxiskommentar zum VwGVG und VwGG, 2., überarbeitete Auflage, zu Paragraph 32, VwGVG K 15ff., Seite 262 und 263). Maßgeblich für die Tauglichkeit als Wiederaufnahmegrund ist, dass die Tatsachen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts schon existiert haben, aber von der Partei unverschuldet nicht im Verfahren eingebracht werden konnten, weil sie erst nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hervorgekommen sind, sprich während des bereits abgeschlossenen Verfahrens nicht bekannt oder nicht zugänglich waren (Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte. Praxiskommentar zum VwGVG und VwGG, 2., überarbeitete Auflage, Paragraph 32, VwGVG K 14; VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0510, VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0403).

Argumentiert wird (erneut) von der römisch XXXX , bereits im UVP-Genehmigungsverfahren vor "Wassereinbrüchen wie dem nunmehr eingetretenen wiederholt gewarnt" zu haben. Der Privatgutachter der Antragstellerin wiederholt in seiner Stellungnahme, es sei eine effiziente Tunnelabdichtung wie die von ihm erfundene Polyamid-Druckabdichtung vorzusehen oder der Bau einzustellen. Es kann schon deshalb keine neue Tatsache für die römisch XXXX iSd Paragraph 32, Absatz eins, Ziffer 2, VwGVG vorliegen. Für das Bundesverwaltungsgericht ist insgesamt erkennbar, dass es zu keiner anderslautenden Entscheidung betreffend den "Semmering Basistunnel neu" kommen wird, da die hydrogeologischen Gutachten und vorgeschlagenen Auflagen des gerichtlichen Sachverständigen im Beschwerdeverfahren trotz Kenntnis der fachlichen Gutachten vom Privatgutachter der Antragstellerin nachvollziehbar und schlüssig für die Entscheidung waren.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine mündliche Erörterung der Angelegenheit eine weitere Klärung der Rechtssache nicht hätte erwarten lassen. Der Sachverhalt war daher iSd Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG entscheidungsreif und dem Entfall der Verhandlung stehen weder Artikel 6, Absatz eins, der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Bundesgesetzblatt Nr. 2010 aus 1958,, vergleiche VwGH 04.03.2008, 2005/05/0304) noch Artikel 47, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vergleiche VfGH 14.03.2012, U466/11, wonach die Judikatur zu Artikel 6, EMRK auch zur Auslegung der Artikel 47, GRC heranzuziehen ist) entgegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt C)

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2019:W102.2012548.2.01