Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

03.07.2019

Geschäftszahl

W134 2174783-1

Spruch

W134 2176163-1/13E

W134 2176167-1/12E

W134 2176161-1/13E

W134 2176160-1/14E

W134 2176158-1/12E

W134 2176165-1/10E

W134 2176078-1/10E

W134 2174783-1/16E

W134 2174768-1/16E

W134 2174786-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zahl 1093232706-151672239, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zahl 1093234101-151672344, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde des Drittbeschwerdeführers römisch XXXX , geboren am römisch XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zahl 1093235904-151672395, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

römisch II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

römisch III. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass gemäß Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 wird römisch XXXX eine "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

4. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zahl 1093237310-151672492, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

5. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Fünftbeschwerdeführerin römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zahl 1093238405-151672549, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

6. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Sechstbeschwerdeführerin römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zahl 1093238808-151672590, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

7. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde des Siebtbeschwerdeführers römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zahl 1093240610-151672646, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

8. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde des Achtbeschwerdeführers römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2017, Zahl 1093235109-151672352, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

9. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Neuntbeschwerdeführerin römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2017, Zahl 1093241400-151672697, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

10. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Zehntbeschwerdeführerin römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2017, Zahl 1159563101-170835541, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht:

A)

römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 24 aus 2016,.

2. Am 02.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführer statt.

Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: "BF1" genannt) brachte zunächst vor, dass er schiitischer Moslem sei.

Zu seinem Fluchtgrund befragt brachte der BF1 vor, dass er mit seiner Familie geflüchtet sei, weil die Taliban in seinem Dorf geraubt, entführt und getötet hätten. Zwei seiner Brüder seien vor seinen Augen getötet worden. Seine Kinder hätten nicht zur Schule gehen können. Er wolle eine bessere Zukunft für seine Kinder.

Die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF2" genannt) brachte zunächst vor, dass sie keine Ausbildung gemacht habe. Sie sei mit dem BF1 verheiratet und habe 6 Kinder den Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: "BF3" genannt), den Viertbeschwerdeführer (im Folgenden: "BF4" genannt), die Fünftbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF5" genannt) die Sechstbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF6" genannt), den Siebtbeschwerdeführer (im Folgenden: "BF7" genannt) und den Achtbeschwerdeführer (im Folgenden: "BF8" genannt). Ihre Schwiegertochter, die Neuntbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF9" genannt) und ihre Enkelin, die Zehntbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF10" genannt) leben ebenfalls in Österreich.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt brachte die BF2 dieselben Fluchtgründe wie der BF1 vor.

Der BF3 brachte zunächst vor, dass er schiitischer Moslem sei. Zu seinem Fluchtgrund befragt brachte der BF3 vor, dass seine Schwägerin wegen einer Schießerei im Dorf ihr Kind verloren habe. Er habe Angst vor den Taliban und um sein Leben.

Der BF4 brachte zunächst vor, dass er schiitischer Moslem sei. Zu seinem Fluchtgrund befragt brachte der BF4 vor, dass die Taliban sein Dorf angegriffen hätten. Er habe nicht mehr zur Schule gehen können.

Die BF5 brachte zunächst vor, dass sie schiitische Muslimin sei. Zu ihrem Fluchtgrund befragt brachte die BF5 vor, dass Krieg geherrscht habe und ihre Eltern daher beschlossen hätten nach Europa zu gehen.

Für den minderjährigen BF6 und die minderjährige BF7 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Der BF8 brachte zunächst vor, dass er schiitischer Moslem sei. Zu seinem Fluchtgrund befragt brachte der BF8 vor, dass die Taliban sein Dorf angegriffen hätten. Er habe nicht mehr zur Schule gehen können.

Die BF9 brachte zunächst vor, dass sie schiitische Muslimin sei. Zu ihrem Fluchtgrund befragt brachte die BF9 vor, dass die Taliban ihr Dorf angegriffen hätten. Durch die Aufregung und die Anstrengung bei der Flucht habe sie ihr Kind verloren.

Für die minderjährige B10 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

3. Am 01.08.2017, am 02.08.2017 und am 03.08.2017 wurden die Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg (im Folgenden: "BFA" genannt) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

Der BF1 brachte zunächst vor, dass er schiitischer Moslem sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Er sei in Ghazni aufgewachsen. Seit römisch XXXX habe er bis zu seiner Abschiebung nach Afghanistan 10 Jahre im Iran gelebt. Er habe als Schneider und als Hilfsarbeiter auf den Feldern gearbeitet. Seine Schwester und drei Cousins würden in Kabul leben. Er habe sechs Kinder, die BF3 bis BF8, eine Schwiegertochter, die BF9 und eine Enkelin, die BF10 in Österreich.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF1 zusammengefasst an, dass im Jahr 2015 die Taliban regelmäßig sein Dorf angegriffen hätten. Die Taliban hätten gemeint, dass Schiiten eine Schande für den Islam seien und getötet werden sollten. Zudem hätten die Taliban gemeint, dass jeder Dorfbewohner verpflichtet sei, den heiligen Kampf Jihad zu unterstützen. Ein Dorfbewohner namens Haidar habe dagegen protestiert und sei daraufhin von den Taliban totgeprügelt worden. Als römisch XXXX , der Bruder des BF1, gegen diese Gewalttat protestiert habe, sei er von einem Mann namens römisch XXXX , welcher sich den Taliban angeschlossen habe, erschossen worden. römisch XXXX , der andere Bruder des BF1, habe sich daraufhin nicht mehr kontrollieren können, sei nachhause gelaufen, habe eine Waffe geholt und habe den Bruder des Mörders von römisch XXXX erschossen. Daraufhin hätten die Taliban römisch XXXX getötet. Wenig später habe der BF1 einen Drohbrief erhalten. Er und seine Kinder seien darin mit dem Umbringen bedroht worden, weil römisch XXXX behaupte, dass die Brüder des BF1 den Bruder von römisch XXXX getötet hätten. Da römisch XXXX Rache geschworen habe, habe der BF1 Angst bekommen und sei gemeinsam mit seiner Familie geflüchtet.

Die BF2 brachte zunächst vor, dass sie schiitische Muslimin sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Sie spreche Dari. Sie sei in Ghazni aufgewachsen. Sie sei mit dem BF1 verheiratet. Die BF3-BF8 seien ihre leiblichen Kinder.

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die BF2 zusammenfassend an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe. Sie beziehe sich voll und ganz auf ihren Mann.

Ihre Kinder, die BF3-BF8 hätten auch keine eigenen Fluchtgründe.

Der BF3 brachte zunächst vor, dass er schiitischer Moslem sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Er sei in Ghazni geboren. Er habe 5 Jahre eine Grundschule im Iran besucht. Anschließend habe er seinem Vater in der Schneiderei und auf der Landwirtschaft geholfen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF3 zusammengefasst an, dass sein Dorf immer wieder von den Taliban angegriffen worden sei. Einmal sei seine schwangere Schwägerin auf der Flucht gestürzt und habe ihr Kind verloren. Seine beiden Onkel seien von den Taliban erschossen worden und die Familie habe einen Drohbrief erhalten. Deshalb seien sie geflüchtet.

Der BF4 brachte zunächst vor, dass er schiitischer Moslem sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Er sei in Ghazni geboren. Er habe 5 Jahre eine Grundschule im Iran besucht. Anschließend habe er seinem Vater in der Schneiderei und auf der Landwirtschaft geholfen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF4 zusammengefasst an, dass sein Dorf immer wieder von den Taliban angegriffen worden sei. Einmal habe seine schwangere Schwägerin einen Unfall gehabt und habe ihr Kind verloren. Seine beiden Onkel seien von den Taliban erschossen worden und die Familie habe einen Drohbrief erhalten. Deshalb seien sie geflüchtet.

Für die BF5-BF7 wurden weder vom BF1 noch von der BF2 eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Der BF8 brachte zunächst vor, dass er schiitischer Moslem sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Er sei in Ghazni geboren. Er habe 4 Jahre eine Grundschule im Iran besucht. Anschließend habe er seinem Vater in der Schneiderei und auf der Landwirtschaft geholfen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF8 zusammengefasst an, dass sein Dorf immer wieder von den Taliban angegriffen worden sei. Bei einem weiteren Angriff der Taliban hätte er versucht sich mit seiner schwangeren Frau irgendwo zu verstecken. Dabei sei seine Frau gestolpert und habe dadurch ihr Kind verloren. Es habe eine Schießerei gegeben, bei der zwei seiner Onkel von den Taliban erschossen worden seien. Ein paar Tage darauf habe die Familie einen Drohbrief erhalten. Deshalb seien sie geflüchtet.

Die BF9 brachte zunächst vor, dass sie schiitische Muslimin sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Sie spreche Dari. Sie sei in Ghazni aufgewachsen. Sie sei mit dem BF8 verheiratet. Die BF10 sei ihre leibliche Tochter.

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die BF9 zusammenfassend an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe. Sie beziehe sich voll und ganz auf ihren Mann.

Ihre Tochter, die BF10 habe auch keine eigenen Fluchtgründe.

4. Das BFA hat mit den angefochtenen Bescheiden die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurde gemäß Paragraphen 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und weiters gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß Paragraph 46, FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde in Spruchpunkt römisch IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Zur Begründung der Bescheide führte die belangte Behörde aus, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der BF1 einen Drohbrief erhalten habe. römisch XXXX hätte sich direkt bei der Familie gerächt, wenn er dies vorgehabt hätte und hätte nicht zuerst einen Drohbrief geschickt und abgewartet, sodass die Familie genug Zeit hatte um unbehelligt auszureisen. Auch die Bedrohung durch die Taliban habe nicht glaubhaft gemacht werden können, weil der BF1 angegeben habe, dass er nie mitbekommen habe, dass jemand mitgenommen worden sei. Auch seiner Familie sei niemals etwas Konkretes zugestoßen. Der BF3 habe ebenfalls angegeben, dass die Taliban nie bei ihnen zuhause gewesen seien. Auch der BF8 habe ausgeführt, dass nichts Konkretes vorgefallen sei. Es habe keine konkreten Übergriffe oder gezielte Bedrohungen gegen den BF8 und seine Familie gegeben. Die BF2 und die BF9 hätten keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei den Beschwerdeführern gemeinsam zumutbar.

5. Mit Verfahrensanordnung gemäß Paragraph 63, Absatz 2, AVG, Bundesgesetzblatt Nr. 51 aus 1991, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 161 aus 2013,, (in der Folge: AVG) vom 12.10.2017 wurde den BF1-BF7 gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Mit Verfahrensanordnung gemäß Paragraph 63, Absatz 2, AVG, Bundesgesetzblatt Nr. 51 aus 1991, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 161 aus 2013,, (in der Folge: AVG) vom 27.09.2017 wurde den BF8-BF10 gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

6. Gegen die oben genannten Bescheide richten sich die im Wege der Rechtsvertretung erhobenen Beschwerden, welche fristgerecht beim BFA einlangten. In diesen wird u.a. ausgeführt, dass es für die Beschwerdeführer keinen staatlichen Schutz im Herkunftsstaat gegen die Verfolgung durch die Taliban gebe. Die Beschwerdeführer würden in eine existenzbedrohende Notlage geraten. Die Beschwerdeführer seien Hazara und Schiiten und deshalb einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt. Die BF9 hätte von einem weiblichen Bediensteten einvernommen werden sollen. Es sei den Taliban möglich, individuelle Personen zu verfolgen. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei schlecht. Es würden Feststellungen hinsichtlich der Diskriminierung von Frauen in Afghanistan fehlen. Die BF8 und die BF9 seien westlich orientiert. römisch XXXX könne die Beschwerdeführer in ganz Afghanistan ausfindig machen.

7. Die gegenständlichen Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 25.10.2017 und am 08.11.2017 vom BFA vorgelegt.

8. Den Beschwerdeführern wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 29.06.2018, sowie das Ländergutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Mag. Karl Mahringer vom 05.03.2017 (Aktualisierung 15.05.2017) im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2018 zur Kenntnis gebracht.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte in den gegenständlichen Rechtssachen am 17.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführer im Beisein ihrer bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahmen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF1:

Der BF1 wurde am römisch XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des BF1 ist Dari. Er wurde in Ghazni geboren. 2001 zog er mit seiner Familie für 10 Jahre in den Iran, bis er wieder nach Afghanistan abgeschoben wurde. Der BF1 arbeitet als Schneider und als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft. Die Schwester und 3 Cousins des BF1 leben in Kabul. Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet. Die BF3-BF8 sind seine leiblichen Kinder. Der BF1 hat noch eine Schwiegertochter, die BF9 und eine Enkelin, die BF10 in Österreich.

Der BF1 lebt mit seiner Ehefrau, seinen Kindern, seiner Schwiegertochter und seiner Enkelin in Österreich. Der BF1 ist strafrechtlich unbescholten, arbeitsfähig und gesund.

Auf die Fluchtgründe des BF1 war nicht näher einzugehen.

1.2. Zur Person der BF2:

Die BF2 wurde am römisch XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanischer Staatsangehörige, schiitische Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF2 ist Dari. Sie wurde in der Provinz Ghazni geboren und lebte seit 2001 10 Jahre im Iran. Dann zog sie nach der Abschiebung des BF1 nach Afghanistan wieder nach Afghanistan zurück. Die BF2 ist Analphabetin, besuchte nie die Schule und war Hausfrau.

Die BF2 ist mit dem BF1 verheiratet und hat 6 Kinder, die BF3-BF8. Sie lebt mit ihrem Ehemann, ihren Kindern, ihrer Schwiegertochter und ihrer Enkelin in Österreich.

Auf die Fluchtgründe der BF2 war nicht näher einzugehen.

1.3. Zur Person des BF3:

Der BF3 wurde am römisch XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist afghanische Staatsangehörige, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des BF3 ist Dari. Er wurde im Ghazni geboren und ist der leibliche Sohn des BF1 und der BF2. Der BF3 besuchte 5 Jahre die Grundschule im Iran. Anschließend half er seinem Vater in der Schneiderei und in der Landwirtschaft.

Der BF3 ist strafrechtlich unbescholten, arbeitsfähig, jung und gesund. Der BF3 arbeitete gemeinnützig und absolvierte zuletzt Schnuppertage auf einem landwirtschaftlichen Betrieb.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF3 seinen Herkunftsstaat aufgrund einer Verfolgung durch die Taliban oder einer anderen konkreten individuellen Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlies oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der BF3 bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul, Herat und Mazar-e Sharif mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

Der BF3 lebt mit seiner gesamten Familie in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF3 und seine Familie unterstützen sich gegenseitig. Der BF3 und seine Familie führen ein intensives Familienleben. Der BF3 unterstützt seine Eltern beim Deutsch lernen. Der BF3 hat sein gesamtes bisheriges Leben gemeinsam mit seiner Familie verbracht.

1.4. Zur Person des BF4:

Der BF4 wurde am römisch XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist afghanische Staatsangehörige, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des BF4 ist Dari. Er wurde im Ghazni geboren und ist der leibliche Sohn des BF1 und der BF2. Der BF4 besuchte 5 Jahre die Grundschule im Iran. Anschließend half er seinem Vater in der Schneiderei und in der Landwirtschaft.

Der BF4 ist strafrechtlich unbescholten, arbeitsfähig, jung und gesund. Der BF4 arbeitete gemeinnützig und holte den Pflichtschulabschluss nach.

Der BF4 war zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig. Auf die Fluchtgründe der BF4 war nicht näher einzugehen.

1.5. Zur Person der BF5:

Die BF5 wurde am römisch XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanische Staatsangehörige, schiitische Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF5 ist Dari. Sie wurde in Ghazni geboren. Sie ist die leibliche Tochter des BF1 und der BF2.

Die BF5 entscheidet selber über ihren Kleidungsstil und genießt es sich modisch anzuziehen sowie sich zu schminken (siehe VH-Protokoll Seite 20). Sie geht selbständig einkaufen und mit ihren Freundinnen schwimmen. Die BF5 geht alleine außer Haus und trifft sich auch mit österreichischen Mädchen. Die BF5 hat ein eigenes Bankkonto. Die BF5 besucht die Schule und möchte anschließend einen Beruf ergreifen. Die BF5 schätzt ihre in Österreich neu gewonnene Entscheidungsfreiheit. Sie möchte sich nicht verschleiern und sich aussuchen können, welchen Mann sie heiraten will. Die BF5 lebt selbstbestimmt und erledigt ihre Angelegenheiten alleine. Die BF5 genießt es selbst über ihr Leben zu bestimmen und alleine ausgehen und mit Männern reden zu können. Die BF5 möchte in Zukunft berufstätig sein. Sie möchte eine Ausbildung als Krankenschwester machen und dann Hebamme werden und hat sich auch schon über die Berufsvoraussetzungen informiert.

Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass die der BF5 im Fall der Rückkehr nach Afghanistan drohende Situation als Frau und auf Grund der von ihrer inneren Wertehaltung getragenen und nach außen hin erkennbaren überwiegenden Orientierung am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild, ihrem bisherigen Verhalten sowie ihrer individuellen Lebensumstände in ihrer Gesamtheit von asylrelevanter Intensität ist.

Der BF5 steht keine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative zur Verfügung.

1.6. Zur Person des BF6:

Der BF6 wurde am römisch XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist afghanische Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des BF6 ist Dari. Er ist der leibliche Sohn des BF1 und der BF2.

Eigene in der Person des BF6 liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.

1.7. Zur Person des BF7:

Die BF7 wurde am römisch XXXX und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanische Staatsangehöriger, schiitische Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF7 ist Dari. Sie ist die leibliche Tochter des BF1 und der BF2.

Eigene in der Person des BF7 liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.

1.8. Zur Person des BF8:

Der BF8 wurde am römisch XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des BF8 ist Dari. Er wurde in Ghazni geboren. Dann zog er mit seiner Familie für 12 Jahre in den Iran, bis er wieder nach Afghanistan zurückkehrte und dort 2 Jahre lebte. Der BF8 arbeitet 10 Jahre als Schneider im Iran. Der BF1 und die BF2 sind die leiblichen Eltern des BF8. Der BF8 ist Ehemann der BF9 und Vater der BF10.

Auf die Fluchtgründe des BF8 war nicht näher einzugehen.

1.9. Zur Person der BF9:

Die BF9 wurde am römisch XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanische Staatsangehörige, schiitische Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF9 ist Dari. Sie wurde in Ghazni geboren. Sie ist die Ehefrau des BF8 und die Mutter der BF10.

Die BF9 entscheidet selber über ihren Kleidungsstil und genießt es sich modisch anzuziehen sowie sich zu schminken und ihre Haare zu färben (siehe VH-Protokoll Seite 38). Sie geht selbständig einkaufen, zum Arzt und Rad fahren. Die BF9 geht alleine außer Haus und trifft sich auch mit österreichischen Frauen. Die BF9 hat ein eigenes Handy und ein Bankkonto über das sie selbst verfügen kann. Die BF9 hat bereits einen A1 Deutschkurs positiv absolviert und einen A2 Kurs begonnen. Da sie aufgrund ihrer kleinen Tochter momentan keinen Deutschkurs besuchen kann, lernt sie mit einer Nachhilfelehrerin Zuhause Deutsch. Sie möchte einen B1 Deutschkurs besuchen, sobald ihre Tochter größer ist und hat sich bereits dafür angemeldet. Die BF9 schätzt ihre in Österreich neu gewonnene Entscheidungsfreiheit. Die BF9 und der BF8 betreuen gemeinsam den Haushalt. Die BF9 lebt selbstbestimmt und erledigt ihre Angelegenheiten alleine. Die BF9 genießt es selbst über ihr Leben zu bestimmen und alleine ausgehen zu können. Die BF9 möchte in Zukunft berufstätig sein. Sie strebt den Beruf der Kindergärtnerin an und hat sich auch schon über die dafür notwenigen Berufsvoraussetzungen informiert.

Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass die der BF9 im Fall der Rückkehr nach Afghanistan drohende Situation als Frau und auf Grund der von ihrer inneren Wertehaltung getragenen und nach außen hin erkennbaren überwiegenden Orientierung am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild, ihrem bisherigen Verhalten sowie ihrer individuellen Lebensumstände in ihrer Gesamtheit von asylrelevanter Intensität ist.

Der BF9 steht keine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative zur Verfügung.

1.7. Zur Person der BF10:

Die BF10 wurde am römisch XXXX in Österreich geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanische Staatsangehöriger, schiitische Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF10 ist Dari. Sie ist die leibliche Tochter des BF8 und der BF9.

Eigene in der Person der BF10 liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.

1.8. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.8.1. Staatendokumentation (Stand 29.06.2018):

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vergleiche Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vergleiche Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vergleiche Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vergleiche UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vergleiche FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vergleiche VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

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Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vergleiche AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vergleiche MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vergleiche RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vergleiche NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

[...]

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vergleiche Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand vergleiche Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vergleiche NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vergleiche EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vergleiche EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vergleiche EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vergleiche EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vergleiche RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vergleiche RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vergleiche UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

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Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vergleiche NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vergleiche NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vergleiche AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vergleiche UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vergleiche Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vergleiche DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vergleiche Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vergleiche NYT 29.8.2017).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

[...]

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen vergleiche Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vergleiche Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vergleiche Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vergleiche Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vergleiche BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vergleiche iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vergleiche Tolonews 22.4.2017).

Bild kann nicht dargestellt werden

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vergleiche PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vergleiche PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vergleiche Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

[...]

Ghazni

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi (UN-OCHA 4.2014; vergleiche Pajhwok o.D.a). Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 4.2017). Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind (Pajhwok o. D.a).

Ghazni besteht aus den folgenden Distrikten: die Provinzhauptstadt Ghazni, sowie die Distrikte Andar, Muqur, Khugiani/Khugaini/Khogyani, Qara Bagh/Qarabagh, Gilan/Gelan/Gailan, Waghiz/Waghaz, Giro/Gairo, Deh Yak/Dehyak, Nawar/Nawur, Jaghori/Jaghuri, Malistan/Malestan, Rashidan, Ab Band/Abband, Khugiani, Nawa, Jaghato/Jaghato, Zankhan/Zanakhan, Ajeristan/Ajrestan und Khwaja Omari/Khwajaumari (Pajhwok o.D.a; vergleiche UN OCHA 4.2014, GI o.D.). Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet (Khaama Press 2.7.2017; vergleiche HoA 15.3.2016).

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist (UNODC 11.2017).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv (Khaama Press 1.2.2018; vergleiche SD 1.2.2018). In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (Xinhua 18.3.2018).

Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (IWPR 15.1.2018).

Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (UNGASC 27.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Bild kann nicht dargestellt werden

Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt (Pajhwok 14.1.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Ghazni

Miliärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt (Tolonews 17.3.2018; vergleiche Xinhua 27.1.2018, ZNI 3.3.2018, Tolonews 5.2.2018, Tolonews 24.3.2018, MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017; MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Pajhwok 13.3.2018; vergleiche MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017, MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017). Luftangriffe werden ebenso durchgeführt (Khaama Press 1.2.2018), bei denen auch Taliban getötet werden (Khaama Press 1.2.2018; vergleiche Pajhwok 12.3.2018).

Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (AJ 11.6.2018; vergleiche AJ 21.5.2018, VoA 22.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni

Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv (VoA 10.1.2018). Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein (Pajhwok 1.7.2017).

Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei (VoA 10.1.2018). Für den Zeitraum 1.1.-15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert (ACLED 23.2.2018).

[...]

Erreichbarkeit

Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Verkehrsunfälle sind in Afghanistan keine Seltenheit; jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, hohe Geschwindigkeiten und Nachlässigkeit der Fahrer während der Fahrt (KT 17.2.2017; vergleiche IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen sowie Zusammenstöße zwischen letzteren und den Sicherheitskräften entlang einiger Straßenabschnitte gefährden die Sicherheit auf den Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kandahar-Uruzgan (Pajhwok 28.4.2018), Ghazni-Paktika (Reuters 5.5.2018), Kabul-Logar (Tolonews 21.7.2017) und Kunduz-Takhar (Tolonews 12.5.2017).

Ring Road

Straßen wie die "Ring Road", auch bekannt als "Highway One", die das Landesinnere ringförmig umgibt, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (HP 9.10.2015; vergleiche FES 2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vergleiche TG 22.10.2014, BFA Staatendokumentation 4.2018). Die Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts von 3.360 km Länge, das 16 Provinzen mit den größten Städten Afghanistans, Kabul, Mazar, Herat, Ghazni und Jalalabad, verbinden soll (Tolonews 9.12.2017). Die asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank - ADB, Anmerkung genehmigte 150 Millionen USD, um die Kabul Ring Road fertig zu stellen. Die fehlenden 151 Kilometer sollen künftig den Distrikt Qaisar (Provinz Faryab, Anmerkung mit Dar-e Bum (Provinz Badghis, Anmerkung verbinden. Dieses Straßenstück ist der letzte Teil der 2.200 km langen Straße, welche die großen Städte Afghanistans miteinander verbindet. Mittlerweile leben mehr als 80% der Afghanen weniger als 50 km von der Ring Road entfernt. Die Fernstraße wird in diesem Projekt außerdem mit einem Entwässerungssystem ausgestattet, als auch mit weiteren modernen Sicherheitsfunktionen. Durch das Ring Road Projekt sollen regionale Verbindungen erleichtert und die Qualität der Transportdienste verbessert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

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(TD 5.12.2017)

USAID hat ebenso in die Errichtung und Erhaltung von mehr als 2.000 Kilometern Straße in Afghanistan investiert, um Reise- und Warenbewegung zu fördern - dies gilt insbesondere für die Ring Road (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Autobahnabschnitt Kandahar - Kabul - Herat

Die afghanische "Ring Road" verbindet große afghanische Städte wie Herat, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (TD 12.4.2018). Sie erstreckt sich südlich von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (Reuters 13.10.2015). Der Kandahar-Kabul Teil der Ring Road erstreckt sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni in Richtung Kabul, während die Ring Road westlich von Kandahar nach Gereshk in Helmand und Delaram in Nimroz verläuft (ISW o.D.). Ein Teil der Ring Road verbindet die Provinz Kandahar mit Lashkargah, der Hauptstadt der Provinz Helmand (Xinhua 1.11.2015; vergleiche UPI 1.11.2015).

Der Autobahnabschitt zwischen Kabul und Herat beträgt 1.400 km (IWPR 26.3.2018). Die an die Ring-Road anknüpfende 218 km lange Zaranj-Dilram-Autobahn (Provinz Nimroz, Anm.), auch "Route 606" genannt, soll zukünftig Afghanistan mit Chabahar im Iran verbinden (AD 15.8.2017; vergleiche TET 9.8.2017, TD 24.5.2017).

Anrainer beschweren sich über den schlechten Zustand des Autobahnabschnitts Kandahar-Kabul-Herat (Tolonews 14.3.2018). Ursachen dafür sind die mangelnde Instandhaltung und ständige Angriffe durch Aufständische (IWPR 26.3.2018).

Autobahnabschnitt Baghlan-Balkh

Die Baghlan-Balkh-Autobahn ist Teil der Ring Road und verbindet den Norden mit dem Westen des Landes. Sie gilt als eine unabdingbare Transitroute zwischen der Hauptstadt der Provinz Baghlan, Pul-e Khumri, und den nordwestlichen Provinzen Samangan, Balkh, Jawjzan, Sar-e Pul und Faryab. In der Vergangenheit versuchten die Taliban mehrmals ihre Präsenz auf der Route zu verstärken (AAN 15.8.2016).

Autobahnabschnitt Gardez - Khost (NH08)

Die Gardez-Khost-Autobahn, auch "G-K-Autobahn" genannt, ist 101,2 km lang (USAID 7.11.2016; vergleiche, Pajhwok 15.12.2015) und verbindet die Provinzhauptstadt der Provinz Paktia, Gardez, mit Khost City, der Provinzhauptstadt von Khost (Pajhwok 15.12.2015). Sie verbindet aber auch Ostafghanistan mit der Ghulam-Khan-Autobahn in Pakistan. Mitte Dezember 2015 wurde die sanierte Gardez-Khost Autobahn eröffnet. Ebenso wurden 410 kleine Brücken und 25 km Schutzwände auf dieser Autobahn errichtet (Pajhwok 15.12.2015; vergleiche auch: USAID 7.11.2016).

Grand Trunk Road

Die Grand Trunk Road, auch bekannt als "G.T. Road", ist die älteste, längste und bekannteste Straße des indischen Subkontinentes (GS o. D.; vergleiche Doaks o.D., EIPB 2006). Die über 2.500 km lange Route beginnt in der bangladeschischen Stadt Chittagong, verläuft über Delhi in Indien, Lahore und Peshawar in Pakistan, den Khyber Pass an der afghanisch-pakistanischen Grenze und endet in Kabul (Samaa 9.8.2017; vergleiche Scroll 4.5.2018, EIPB 2006). Der Khyber-Pass erstreckt sich über 53 km durch das Safed-Koh-Gebirge und ist eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Afghanistan und Pakistan; er verbindet Kabul mit Peshawar (EB 30.3.2017; vergleiche BL o.D., NG o.D.).

Autobahnabschnitt Jalalabad-Peshawar / Pak-Afghan-Highway

Die Torkham-Peshawar Autobahn verbindet Jalalabad mit Peshawar in Pakistan, über die afghanische Grenzstadt Torkham in der Provinz Nangarhar. Sie ist eine der am stärksten befahrenen Straßen Afghanistans. Der afghanische Teil der Straße besteht aus zwei Abschnitten: die 76 km langen Torkham-Jalalabad-Straße und die Jalalabad-Kabul-Verbindung, die sich über 155 km erstreckt (ET 27.10.2016). Die Straße, die auch als "Pak-Afghan Highway" bekannt ist, wird als Wirtschaftsroute zwischen Pakistan, Afghanistan, Usbekistan, Tadschikistan und den südasiatischen Ländern genutzt (ET 7.3.2016; vergleiche Pajhwok 28.8.2015, PCQ o.D.).

Autobahnabschnitte Kabul-Bamyan und Bamyan-Mazar-e Sharif

Am 29.8.2016 wurde die Straße Kabul-Bamyan eingeweiht. Das von der italienischen Agentur für Entwicklung finanzierte Straßenprojekt sollte die Verbindung zwischen Kabul und Bamyan erleichtern und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region fördern. Durch die neu errichtete Straße beträgt die Reisezeit von Kabul nach Bamyan zweieinhalb Stunden (Farnesina 29.8.2016).

Ausgeführt durch ein chinesisches Unternehmen, wurde der Startschuss zur Weiterführung des Projektes "Dare-e-Sof and Yakawlang Road" gegeben. In der ersten, bereits beendeten Phase, wurde Mazar-e Sharif mit dem Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan durch eine Straße verbunden. Der zweite Teil dieses Projektes, eine 178 km lange Straße, die durch mehr als 37 Dörfer verlaufen soll, wird den Distrikt Dare-e-Sof in der Provinz Samangan mit dem Distrikt Yakawlang verbinden; angedacht ist eine dritte Phase - dabei sollen die Provinzen Bamyan und Kandahar durch eine 550 km lange Straße verbunden werden (Xinhua 9.1.2017).

Kabul Ring Road

Mitte September 2017 gewährte die islamische Entwicklungsbank (IDB) der afghanischen Regierung ein langfristiges Darlehen im Wert von 74 Millionen USD zum Bau der Kabul-Ring-Road, die sich über eine Strecke von 95 km erstrecken wird; die Straße soll innerhalb von fünf Jahren gebaut werden (TKT 25.9.2017).

Salang Tunnel/Salang Korridor

Der Salang-Korridor gilt als Vorzeigeobjekt des Kalten Krieges und wurde im Jahr 1964 zum ersten Mal eröffnet (TD 21.10.2015). Er ist die einzige direkte Verbindung zwischen der Hauptstadt Kabul und dem Norden des Landes (WP 22.1.2018; TD 21.10.2015). Der Salang-Tunnel ist 2.7 km (1.7 Meilen) lang und wurde für den täglichen Verkehr von 1.000 bis 2.000 Fahrzeugen gebaut. Heute befahren ihn jedoch täglich über 10.000 Transportmittel, was den Bedarf an Instandhaltungsarbeiten erhöht (WP 22.1.2018). Durch das von der Weltbank finanzierte Trans-Hindukush Road Connectivity Project soll bis 2022 u.a. der Salang-Korridor dank einer Förderung von 55 Millionen USD renoviert werden (TWB o.D.; vergleiche RW 6.7.2017).

Transportwesen

Das Transportwesen in Afghanistan gilt als "verhältnismäßig gut". Es gibt einige regelmäßige Busverbindungen innerhalb Kabuls und in die wichtigsten Großstädte Afghanistans (UB 3.2016; vergleiche IE o.D.). Die Kernfrage bleibt nach wie vor die Sicherheit (IWPR 26.3.2018; vergleiche Reuters 13.6.2016, UB 3.2016). Es existieren einige nationale Busunternehmen, welche Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamiyan miteinander verbinden; Beispiele dafür sind Bazarak Panjshir, Herat Bus, Khawak Panjshir, Ahmad Shah Baba Abdali (vertrauliche Quelle 14.5.2018; vergleiche IWPR 26.3.2018).

Aus Bequemlichkeit bevorzugen Reisende, die es sich leisten können, die Nutzung von Gemeinschaftstaxis nach Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamiyan (vertrauliche Quelle 14.5.2018). Der folgenden Tabelle können die Preise für besagte Reiseziele entnommen werden:

Distanz

Preis

Kabul - Mazar

1.500 AFN - 1.700 AFN

Mazar - Herat

ca. 2.800 AFN (keine direkte Verbindung)

Kabul - Jalalabad

ca. 800 AFN

Kabul - Bamiyan

ca. 1.500 AFN

(vertrauliche Quelle 14.5.2018)

Beispiele für Busverbindungen

Kabul-Stadt

Der Mangel an Bussen insbesondere während der Stoßzeit in Kabul-Stadt ist eine Herausforderung für die afghanische Regierung. Im Laufe der Jahre wurde versucht, dieses Problem zu lösen, indem Indien dem staatlichen Busunternehmen "Afghan Milli Bus Enterprise" Busse zur Verfügung stellte (AZ 26.7.2015). Bis Ende 2018 sollen 350 Busse durch indische Hilfsgelder instand gesetzt werden (Khaama Press 27.11.2017). Auch wird gemäß Aussagen des Bürgermeisters von Kabul ein Projekt zur Einrichtung eines Metro-Bus-Dienstes, auch Bus Rapid Transit genannt, in Kabul-Stadt geplant, der 2018 vollendet werden soll. Die erste Strecke soll 8 km abdecken und Deh Afghana mit Sara-e-Shamali verbinden, während die zweite Route vom Baraki Platz bis Deh Afghana über Kote Sangi und Deh Mazang verlaufen soll. Insgesamt sollen 111 km innerhalb der Stadt durch den Metro-Bus-Dienst abgedeckt werden (Khaama Press 12.9.2017; vergleiche Tolonews 15.6.2017).

Mazar-e Sharif

Es gibt einige Busverbindungen zwischen Mazar-e Sharif und Kabul. Bis zu 50 unterschiedliche Unternehmen bieten 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, Fahrten von und nach Kabul an. Ausführende Busunternehmen sind beispielsweise Bazarak Panjshir Bus, Hesarak Panjshir Bus, Jawid Bus, Khorshid Bus und Jabal Seraj Bus. Die Preise pro Passagier liegen zwischen 400 und 1.000 Afghani und hängen stark vom Komfort im Bus ab. So kann man zum Beispiel in einem Bus der Marke Mercedes Benz mit Toiletten, Kühlschränken und Internet reisen. Busreisen gelten als relativ günstig (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Ahmad Shah Baba Abdali Bus Service

Gemäß einem Sprecher des Verkehrsministeriums gehörte das Busunternehmen Ahmad Shah Baba Abdali im Jahr 2017 zu den führenden Transportunternehmen des Landes. In den letzten Jahren war das Busunternehmen in zahlreiche Verkehrsunfälle auf der Kandahar-Kabul-Herat-Route involviert. Verschiedenen Quellen zufolge wurden zu hohe Geschwindigkeit, Drogenkonsum der Fahrer, Angst vor Angriffen und die schlechten Straßenbedingungen als Gründe für die hohe Anzahl an Verkehrsunfällen angeführt (IWPR 26.3.2018). Laut einem offiziellen Vertreter der Firma ist Ahmad Shah Baba Abdali das größte Busunternehmen Afghanistans. Die Busse dieser Firma transportieren Passagiere von Kandahar nach Kabul, Helmand, Nimroz, Herat und in andere Provinzen (Pajhwok 18.3.2015).

Beispiele für Buspreise

Distanz

Preis

Kabul - Mazar

400 AFN - 600 AFN

Mazar - Herat

1.500 AFN - 2.000 AFN (keine direkte Verbindung; zuerst Mazar - Kabul und dann Kabul - Herat z.B.)

Kabul - Jalalabad

300 AFN - 600 AFN

Kabul - Bamiyan

ca. 1.000 AFN - 1.500 AFN

(vertrauliche Quelle 14.5.2018)

Flugverbindungen

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Der folgenden Karte können Informationen über aktive Militär-, Regional- und internationale Flughäfen in den verschiedenen Städten Afghanistans entnommen werden.

Anmerkung der Staatendokumentation: Zu beachten ist, dass es innerhalb von kurzer Zeit zu Änderungen der Flugverbindungen kommen kann und in der Karte ausschließlich jene Flughäfen eingetragen sind, die laut Quellen am 8.5.2018 Linienverbindungen für Passagiere oder eine geplante Flugbewegung im Zeitraum bis sieben Tage nach der Abfrage aufwiesen.(BFA Staatendokumentation 8.5.2018, Flughafenkarte; vergleiche Migrationsverket 4.5.2018).

Internationale Flughäfen in Afghanistan

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

Internationaler Flughafen Kabul

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vergleiche HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Internationaler Flughafen Kandahar

Der internationale Flughafen Kandahar befindet sich 16 km von Kandahar-Stadt entfernt und ist einer der größten Flughäfen des Landes (MB o.D.). Er hat 37 Stellplätze für insgesamt 250 Flugzeuge (Pajhwok 3.6.2015). Der Flughafen ist Ziel nationaler sowie internationaler Flüge z.B. aus Indien, Iran, Dubai und anderen Abflugsorten (Pajhwok 3.6.2015; vergleiche Pajhwok 16.9.2017). Ein Teil des Flughafens steht den internationalen Streitkräften zur Verfügung. Eine separate Militärbasis für einen Teil des afghanischen Heeres ist dort ebenso zu finden, wie Gebäude für Firmen (Pajhwok 3.6.2015; LCA 5.1.2018).

Internationaler Flughafen Herat

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vergleiche TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).

Zugverbindungen

In Afghanistan existieren insgesamt drei Zugverbindungen: Eine Linie verläuft entlang der nördlichen Grenze zu Usbekistan (von Hairatan nach Mazar-e Sharif, Anmerkung und zwei kurze Strecken verbinden Serhetabat in Turkmenistan mit Torghundi (in der Provinz Herat, Anmerkung und Aqina (in der Provinz Faryab, Anmerkung in Afghanistan (RoA 23.2.2018; vergleiche RoA o.D.a, RFE/RL 29.11.2016; vergleiche vertrauliche Quelle 16.5.2018). Alle drei Zugverbindungen sind für den Transport von Fracht gedacht, wobei sie prinzipiell auch Passagiere transportieren könnten (vertrauliche Quelle 16.5.2018). Die afghanischen Machthaber lehnten lange Zeit den Bau von Eisenbahnen in Afghanistan ab, aus Angst, ausländische Mächte könnten ihre Unabhängigkeit gefährden (RoA o.D.a).

Im Laufe des Jahres 2017 fanden verschiedene Treffen zwischen Repräsentanten Afghanistans und seiner Nachbarstaaten u.a. zur Förderung und Vertiefung bestehender Projekte zur Implementierung von Zugverbindungen wie dem Five-Nation Railway Corridor und dem Afghanistan Rail Network statt (TD 26.1.2018). Das Five-Nation Railway Corridor Projekt soll China mit dem Iran verbinden und Kirgisistan, Tadschikistan und Afghanistan über eine Länge von insgesamt 2.100 km durchqueren. Mehr als 1.000 km des Eisenbahnkorridors werden durch die afghanischen Provinzen Herat, Badghis, Faryab, Jawzjan, Balkh und Kunduz verlaufen und sollen zum Teil von der Asian Development Bank (ADB) finanziert werden (MoFA o. D.a; vergleiche Tolonews 14.2.2018). Der Afghanistan Rail Network Plan (ANRP) hat das Ziel, den Transport in den Bereichen Landwirtschaft, Fertigung, Bergbau und anderen Branchen zu fördern. Die Afghanistan Railway Authority (ARA) ist verantwortlich für den ANRP. Bereits gebaut wurde die 75 km lange Eisenbahnstrecke zwischen Hairatan und Mazar-e Sharif in Balkh (MoFA o.D.b; vergleiche RoA o.D.b). Die Bauarbeiten zur Errichtung einer Eisenbahnverbindung zwischen der iranischen Stadt Khaf und dem afghanischen Herat sind im Gange (RoA 23.1.2018; vergleiche ID 11.4.2018). Im November 2017 wurde zwischen Afghanistan und weiteren fünf Staaten das sogenannte Lapislazuli-Korridor-Abkommen unterzeichnet, das u.a. den Bau von Eisenbahnverbindungen im Land vorsieht (SIGAR 4.2018).

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Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vergleiche CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vergleiche CIA Factbook 18.1.2018).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vergleiche MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

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Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vergleiche AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vergleiche IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vergleiche GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vergleiche BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vergleiche USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

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Rückkehr

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

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Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart römisch II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart römisch II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018).

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

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Frauen

Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft. Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung. Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vergleiche UNAMA/OHCHR 5.2018). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was großteils aus der Talibanzeit stammenden, unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018). Viel hat sich seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vergleiche UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016; vergleiche USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5.2018).

Bildung

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vergleiche MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig. Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).

In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017).

Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017).

Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit 16.049 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon

77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017).

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vergleiche MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vergleiche UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).

Berufstätigkeit

Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5.2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o. D.).

Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor. Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht. Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 20.4.2018).

Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten. Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sind keine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind. In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden. In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019. In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit. Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts. Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Politische Partizipation und Öffentlichkeit

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vergleiche USDOS 20.4.2018). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018 (AA 5.2018). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UNW o.D.). Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt (APA 5.12.2017). Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen. Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen (USDOS 20.4.2018).

Informationen zu Frauen in NGOs, den Medien und den afghanischen Sicherheitskräften können den Kapiteln 8. "NGOs und Menschenrechtsaktivisten", 11. "Meinungs- und Pressefreiheit" und 5. "Sicherheitsbehörden" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Strafverfolgung und rechtliche Unterstützung

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vergleiche MPI 27.1.2004). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 5.2018; vergleiche USDOS 20.4.2018). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 5.2018). Andere Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können, erhalten in einigen Fällen Unterstützung vom Ministerium für Frauenangelegenheiten und Nichtregierungsinstitutionen, indem Ehen für diese arrangiert werden (USDOS 20.4.2018). Eine erhöhte Sensibilisierung seitens der afghanischen Polizei und Justiz führt zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016). Um Frauen und Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, beizustehen, hat das Innenministerium (MoI) landesweit Family Response Units (FRU) eingerichtet. Die FRU sind mit Fachleuten wie Psychologen und Sozialarbeitern besetzt, welche die Opfer befragen und aufklären und ihre physische sowie psychische medizinische Behandlung nachverfolgen. Im Jahr 2017 existierten 208 FRU im Land (USDOD 12.2017).

EVAW-Gesetz

Das Law on Elimination of Violence against Women (EVAW-Gesetz) wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt (AA 5.2018). Das EVAW-Gesetz ist nach wie vor in seiner Form als eigenständiges Gesetz gültig (Pajhwok 11.11.2017; vergleiche UNN 22.2.2018); und bietet rechtlichen Schutz für Frauen (UNAMA 22.2.2018).

Das EVAW-Gesetz definiert fünf schwere Straftaten gegen Frauen:

Vergewaltigung, Zwangsprostitution, die Bekanntgabe der Identität eines Opfers, Verbrennung oder Verwendung von chemischen Substanzen und erzwungene Selbstverbrennung oder erzwungener Selbstmord. Dem EVAW-Gesetz zufolge muss der Staat genannte Verbrechen untersuchen und verfolgen, auch, wenn die Frau die Beschwerde nicht einreichen kann bzw. diese zurückzieht. Dieselben Taten werden auch im neuen afghanischen Strafgesetzbuch kriminalisiert (UNAMA/OHCHR 5.2018). Das EVAW-Gesetz wird jedoch weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Frauen können sich grundsätzlich, abgesehen von großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht ohne einen männlichen Begleiter in der Öffentlichkeit bewegen. Es gelten strenge soziale Anforderungen an ihr äußeres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, deren Einhaltung sie jedoch nicht zuverlässig vor sexueller Belästigung schützt (AA 5.2018).

Frauenhäuser

Nichtregierungsorganisation in Afghanistan betreiben etwa 40 Frauenhäuser, zu denen auch Rechtsschutzbüros und andere Einrichtungen für Frauen, die vor Gewalt fliehen, zählen. Alle Einrichtungen sind auf Spenden internationaler Gruppen angewiesen - diese Einrichtungen werden zwar im Einklang mit dem afghanischen Gesetz betrieben, stehen aber im Widerspruch zur patriarchalen Kultur in Afghanistan. Oftmals versuchen Väter ihre Töchter aus den Frauenhäusern zu holen und sie in Beziehungen zurückzudrängen, aus denen sie geflohen sind, oder Ehen mit älteren Männern oder den Vergewaltigern zu arrangieren (NYT 17.3.2018). Die EVAW-Institutionen und andere Einrichtungen, die Gewaltmeldungen annehmen und für die Schlichtung zuständig sind, bringen die Gewaltopfer während des Verfahrens oft in Schutzhäuser (z. B. Frauenhäuser) (UNAMA/OHCHR 5.2018).

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft für die Notlage (mit-)verantwortlich ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre (AA 5.2018). Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte (AA 5.2018; vergleiche NYT 17.3.2018). Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden. Das Schicksal von Frauen, die auf Dauer weder zu ihren Familien noch zu ihren Ehemännern zurückkehren können, ist bisher ohne Perspektive. Für diese erste "Generation" von Frauen, die sich seit Ende der Taliban-Herrschaft in

den Schutzeinrichtungen eingefunden haben, hat man in Afghanistan bisher keine Lösung gefunden. Generell ist in Afghanistan das Prinzip eines individuellen Lebens weitgehend unbekannt. Auch unverheiratete Erwachsene leben in der Regel im Familienverband. Für Frauen ist ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes kaum möglich und wird gemeinhin als unvorstellbar oder gänzlich unbekannt beschrieben (AA 5.2018). Die EVAW-Institutionen konsultieren in der Regel die Familie und das Opfer, bevor sie es in ein Frauenhaus bringen (UNAMA/OHCHR 5.2018).

Gewalt gegen Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet und kaum dokumentiert. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord (AA 5.2018). Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden, Anmerkung bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden, Anmerkung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vergleiche TD 4.12.2017). Dem Bericht der AIHRC zufolge wurden für das Jahr 2017 4.340 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert. Die Anzahl der gemeldeten Gewaltvorfälle und der Gewaltopfer steigt (AIHRC 11.3.2018).

Soziale Medien in Afghanistan haben Frauen und Mädchen neue Möglichkeiten eröffnet, um ihr Schicksal zu teilen. In den Medien ist der Kampf afghanischer Frauen, Mädchen und Buben gegen geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt in all ihren Formen tiefgründig dokumentiert. Die afghanische Regierung hat anerkannt, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Problem ist und eliminiert werden muss. Das soll mit Mitteln der Rechtsstaatlichkeit und angemessenen Vollzugsmechanismen geschehen. Zu diesen zählen das in Afghanistan eingeführte EVAW-Gesetz zur Eliminierung von Gewalt an Frauen, die Errichtung der EVAW-Kommission auf nationaler und lokaler Ebene und die EVAW-Strafverfolgungseinheiten. Auch wurden Schutzzentren für Frauen errichtet und die Rekrutierung von Frauen in der Polizei verstärkt. Mittlerweile existieren für Frauen 205 Spezialeinsatzeinheiten, die hauptsächlich von weiblichen Mitarbeiterinnen der afghanischen Nationalpolizei geleitet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Legales Heiratsalter:

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre (15 Jahre, wenn dies von einem Elternteil bzw. einem Vormund und dem Gericht erlaubt wird) und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (USDOS 20.4.2018; vergleiche AA 5.2018). Dem Gesetz zufolge muss vor dem Ehevertrag das Alter der Braut festgestellt werden. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung besitzt Geburtsurkunden. Quellen zufolge ist die frühe Heirat weiterhin verbreitet. Gemäß dem EVAW-Gesetz werden Personen, die Zwangsehen bzw. Frühverheiratung arrangieren, für mindestens zwei Jahre inhaftiert; dennoch hält sich die Umsetzung dieses Gesetzes in Grenzen (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen von Traditionen geben arme Familien ihre Mädchen im Gegenzug für "Brautgeld" zur Heirat frei, wenngleich diese Praxis in Afghanistan illegal ist. Lokalen NGOs zufolge, werden manche Mädchen im Alter von sechs oder sieben Jahren zur Heirat versprochen - unter der Voraussetzung, die Ehe würde bis zum Erreichen der Pubertät nicht stattfinden. Berichte deuten an, dass diese "Aufschiebung" eher selten eingehalten wird. Medienberichten zufolge existiert auch das sogenannte "Opium-Braut-Phänomen", dabei verheiraten Bauern ihre Töchter, um Schulden bei Drogenschmugglern zu begleichen (USDOS 3.3.2017).

Familienplanung und Verhütung

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22% (überwiegend in den Städten und gebildeteren Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten (AA 5.2018). Ohne Diskriminierung, Gewalt und Nötigung durch die Regierung steht es Paaren frei, ihren Kinderwunsch nach ihrem Zeitplan, Anzahl der Kinder usw. zu verwirklichen. Es sind u.a. die Familie und die Gemeinschaft, die Druck auf Paare zur Reproduktion ausüben (USDOS 3.3.2017). Auch existieren keine Berichte zu Zwangsabtreibungen, unfreiwilliger Sterilisation oder anderen zwangsverabreichten Verhütungsmitteln zur Geburtenkontrolle (USDOS 20.4.2018). Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 5.2018; vergleiche USDOS 3.3.2017).

Orale Empfängnisverhütungsmittel, Intrauterinpessare, injizierbare Verhütungsmethoden und Kondome sind erhältlich; diese werden kostenfrei in öffentlichen Gesundheitskliniken und zu subventionierten Preisen in Privatkliniken und durch Community Health Workers (CHW) zur Verfügung gestellt (USDOS 3.3.2017).

Ehrenmorde

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014) und kommen auch weiterhin vor (USDOS 3.3.2017). Laut AIHRC waren von 277 Mordfällen an Frauen im Jahr 2017 136 Eherenmorde (AIHRC 11.3.2018; vergleiche Tolonews 11.3.2018).

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist das Misstrauen eines Großteils der afghanischen Bevölkerung in das juristische System (KP 23.3.2016).

Reisefreiheit

Es existieren gewisse Sicherheitsbedenken, wenn Frauen alleine reisen: Manchmal ist es der Vater, der seiner Tochter nicht erlaubt alleine zu reisen und manchmal ist es die Frau selbst, die nicht alleine reisen will. In vielen Firmen, öffentlichen Institutionen sowie NGOs ist die Meinung verbreitet, dass Frauen nicht alleine in die Distrikte reisen sollten und es daher besser sei einen Mann anzustellen. Doch hat sich die Situation wesentlich verbessert. So kann nach eigener Aussage eine NGO-Vertreterin selbst in unsichere Gegenden reisen, solange sie sich dabei an die örtlichen Gegebenheiten hält, also lokale Kleidungsvorschriften einhält (z. B. tragen einer Burqa) und sie die lokale Sprache kennt (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Während früherer Regierungen (vor den Taliban) war das Tragen des Chador bzw. des Hijab nicht verpflichtend - eine Frau konnte auch ohne sie außer Haus gehen, ohne dabei mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. In der Stadt Mazar-e Sharif wird das Tragen des Hijab heute nicht so streng gehandhabt, wie in den umliegenden Gegenden. Andere Provinzen sind bei diesem Thema viel strenger. In Mazar-e Sharif könnte es in Einzelfällen sogar möglich sein, ganz auf den Hijab zu verzichten, ohne behelligt zu werden. Garantie besteht darauf natürlich keine (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Frauen in Afghanistan ist es zwar nicht verboten Auto zu fahren, dennoch tun dies nur wenige. In unzähligen afghanischen Städten und Dörfern, werden Frauen hinter dem Steuer angefeindet etwa von Gemeindevorständen, Talibansympathisanten oder gar Familienmitgliedern. Viele Eltern unterstützen zwar grundsätzlich die Idee ihren Töchtern das Autofahren zu erlauben, haben jedoch Angst vor öffentlichen Repressalien. Die Hauptstadt Kabul ist landesweit einer der wenigen Orte, wo autofahrende Frauen zu sehen sind. In Kabul sowie in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Jalalabad gibt es einige Fahrschulen; in Kabul sogar mehr als 20 Stück. An ihnen sind sowohl Frauen als auch Männer eingeschrieben. In Kandahar zum Beispiel sind Frauen generell nur selten alleine außer Haus zu sehen - noch seltener als Lenkerin eines Fahrzeugs. Jene, die dennoch fahren, haben verschiedene Strategien um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Manche tragen dabei einen Niqab, um unerkannt zu bleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 5.2018).

[...]

Kinder

Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Während Mädchen unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren, machen sie von den heute ca. acht Millionen Schulkindern rund drei Millionen aus. Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Den geringsten Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (AA 5.2018). Landesweit gehen in den meisten Regionen Mädchen und Buben in der Volksschule in gemischten Klassen zur Schule; erst in der Mittel- und Oberstufe werden sie getrennt (USDOS 3.3.2017).

Bildungssystem in Afghanistan

Der Schulbesuch ist in Afghanistan bis zur Unterstufe der Sekundarbildung Pflicht (die Grundschule dauert sechs Jahre und die Unterstufe der Sekundarbildung drei Jahre). Das Gesetz sieht kostenlose Schulbildung bis zum Hochschulniveau vor (USDOS 20.4.2018).

Aufgrund von Unsicherheit, konservativen Einstellungen und Armut haben Millionen schulpflichtiger Kinder keinen Zugang zu Bildung - insbesondere in den südlichen und südwestlichen Provinzen. Manchmal fehlen auch Schulen in der Nähe des Wohnortes (USDOS 3.3.2017). Auch sind in von den Taliban kontrollierten Gegenden gewalttätige Übergriffe auf Schulkinder, insbesondere Mädchen, ein weiterer Hinderungsgrund beim Schulbesuch. Taliban und andere Extremisten bedrohen und greifen Lehrer/innen sowie Schüler/innen an und setzen Schulen in Brand (USDOS 20.4.2018). Nichtregierungsorganisationen sind im Bildungsbereich tätig, wie z. B. UNICEF, NRC, AWEC und Save the Children. Eine der Herausforderungen für alle Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich - speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind. UNICEF unterstützt daher durch die Identifizierung von Dorfgemeinschaften, die mehr als drei Kilometer von einer ordentlichen Schule entfernt sind. Dort wird eine Dorfschule mit lediglich einer Klasse errichtet. UNICEF bezeichnet das als "classroom". Auf diese Art "kommt die Schule zu den Kindern". Auch wird eine Lehrkraft aus demselben, gegebenenfalls aus dem nächstgelegenen Dorf, ausgewählt - bevorzugt werden Frauen. Lehrkräfte müssen fortlaufend Tests des Provinzbüros des Bildungsministeriums absolvieren. Je nach Ausbildungsstand beträgt das monatliche Gehalt der Lehrkräfte zwischen US$ 90 und 120. Die Infrastruktur für diese Schulen wird von der Dorfgemeinschaft zur Verfügung gestellt, UNICEF stellt die Unterrichtsmaterialien. Aufgrund mangelnder Finanzierung sind Schulbücher knapp. Wenn keine geeignete Lehrperson gefunden werden kann, wendet sich UNICEF an den lokalen Mullah, um den Kindern des Dorfes doch noch den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. UNICEF zufolge ist es wichtig, Kindern die Möglichkeit zu geben, auch später einem öffentlichen Schulplan folgen zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018).

In Afghanistan existieren zwei parallele Bildungssysteme; religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet (BFA Staatendokumentation 4.2018). Nachdem in den meisten ländlichen Gemeinden konservative Einstellungen nach wie vor präsent sind, ist es hilfreich, wenn beim Versuch Modernisierungen durchzusetzen, auf die Unterstützung lokaler Meinungsträger zurückgegriffen wird - vor allem lokaler religiöser Würdenträger, denen die Dorfgemeinschaft vertraut. Im Rahmen von Projekten arbeiten unterschiedliche UN-Organisationen mit religiösen Führern in den Gemeinden zusammen, um sie in den Bereichen Frauenrechte, Bildung, Kinderehen und Gewalt, aber auch Gesundheit, Ernährung und Hygiene zu beraten. Eines dieser Projekte wurde von UNDP angeboten; als Projektteilnehmer arbeiten die Mullahs der Gemeinden, die weiterzugebenden Informationen in ihre Freitagpredigten ein. Auch halten sie Workshops zu Themen wie Bildung für Mädchen, Kinderehen und Gewalt an Frauen. Auf diesem Wege ist es ihnen möglich eine Vielzahl von Menschen zu erreichen. Im Rahmen eines Projektes hat UNICEF im Jahr 2003 mit rund 80.000 Mullahs zusammengearbeitet, mit dem Ziel Informationen zu Gesundheit, Ernährung, Hygiene, Bildung und Sicherheit in ihre Predigten einzubauen. Die tatsächliche Herausforderung dabei ist es, die Informationen in den Predigten zu vermitteln, ohne dabei Widerstand innerhalb der Gemeinschaft hervorzurufen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können (AA 9.2016). Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld (AA 9.2016; vergleiche CAN 2.2018), in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 9.2016). Einer Befragung in drei Städten zufolge (Jalalabad, Kabul und Torkham), berichteten Kinder von physischer Gewalt - auch der Großteil der befragten Eltern gab an, physische Gewalt als Disziplinierungsmethode anzuwenden. Eltern mit höherem Bildungsabschluss und qualifizierterem Beruf wendeten weniger Gewalt an, um ihre Kinder zu disziplinieren (CAN 2.2018).

Bacha Bazi (Bacha Bazi) - Tanzjungen

Bacha Bazi, auch Tanzjungen genannt, sind Buben oder transsexuelle Kinder, die sexuellem Missbrauch und/oder dem Zwang, bei öffentlichen oder privaten Ereignissen zu tanzen, ausgesetzt sind (MoJ 15.5.2017: Artikel 653,). In weiten Teilen Afghanistans, vor allem in den Rängen von Armee und Polizei, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert und wird nicht selten unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten verschwiegen oder verharmlost. Ein Großteil der Täter hat keinerlei Unrechtsbewusstsein (AA 5.2018). Mit Inkrafttreten des neuen afghanischen Strafgesetzbuch im Jahr 2018, wurde die Praxis des Bacha Bazi kriminalisiert. Den Tätern drohen bis zu sieben Jahre Haft. Jene, die mehrere Buben unter zwölf Jahren halten, müssen mit lebenslanger Haft rechnen. Das neue afghanische Strafgesetzbuch kriminalisiert nicht nur die Praxis von Bacha Bazi, sondern auch die Teilnahme an solchen Tanzveranstaltungen. Der Artikel 660 des fünften Kapitels beschreibt, dass Beamte der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF), die in die Praxis von Bacha Bazi involviert sind, mit durchschnittlich bis zu fünf Jahren Haft rechnen müssen (MoJ 15.5.2017; vergleiche LSE 24.1.2018).

Üblicherweise sind die Jungen zwischen zehn und 18 Jahre alt (SBS 20.12.2016; vergleiche AA 9.2016); viele von ihnen werden weggeben, sobald sie erste Anzeichen eines Bartes haben (SBS 21.12.2016). Viele der Jungen wurden entführt, manchmal werden sie auch von ihren Familien aufgrund von Armut an die Täter verkauft (SBS 20.12.2016; vergleiche AA 5.2018). Manchmal sind die Betroffenen Waisenkinder und in manchen Fällen entschließen sich Jungen, Bacha Bazi zu werden, um ihre Familien zu versorgen (TAD 9.3.2017). Die Jungen und ihre Familien werden oft von ihrer sozialen Umgebung verstoßen; eine polizeiliche Aufklärung findet nicht statt (AA 5.2018).

Kinderarbeit

Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest; es erlaubt Jugendlichen ab 14 Jahren als Lehrlinge zu arbeiten und solchen über 15 Jahren "einfache Arbeiten" zu verrichten. 16- und 17-Jährige dürfen bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. Kinder unter 14 Jahren dürfen unter keinen Umständen arbeiten. Das Arbeitsgesetz verbietet die Anstellung von Kindern in Bereichen, die ihre Gesundheit gefährden. In Afghanistan existiert eine Liste, die gefährliche Jobs definiert; dazu zählen: Arbeit im Bergbau, Betteln, Abfallentsorgung und Müllverbrennung, arbeiten an Schmelzöfen sowie in großen Schlachthöfen, arbeiten mit Krankenhausabfall oder Drogen, arbeiten als Sicherheitspersonal und Arbeit im Kontext von Krieg (USDOS 20.4.2018).

Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert (AA 5.2018; vergleiche UNTC 9.4.2018). Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten (AA 5.2018). Berichten zufolge arbeiten mindestens 15% der schulpflichtigen Kinder (IRC 15.2.2018; vergleiche FEWS NET 29.3.2018, IDMC 1.2018). Viele Familien sind auf die Einkünfte ihrer Kinder angewiesen (AA 5.2018; vergleiche IDMC 1.2018). Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z. B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen für diese gesetzlichen Regelungen (AA 5.2018). Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien (USDOS 20.4.2018; vergleiche AA 5.2018).

Kinderarbeit bleibt ein tiefgreifendes Problem (USDOS 20.4.2018; vergleiche IRC 15.2.2018, FEWS NET 29.3.2018, IDMC 1.2018). Das Arbeitsministerium verweigert Schätzungen zur Zahl der arbeitenden Kinder in Afghanistan und begründet dies mit fehlenden Daten und Mängeln bei der Geburtenregistrierung. Dies schränkt die ohnehin schwachen Kapazitäten der Behörden bei der Durchsetzung des Mindestalters für Arbeit ein. Berichten zufolge werden weniger als 10% der Kinder bei Geburt registriert. Oft sind Kinder sexuellem Missbrauch durch erwachsene Arbeiter ausgesetzt (USDOS 20.4.2018).

Strafverfolgung von Kindern

Das Gesetz besagt, dass die Festnahme eines Kindes als letztes Mittel und so kurz wie möglich vorgenommen werden soll. Berichten zufolge mangelt es Kindern in Jugendhaftanstalten landesweit an Zugang zu adäquater Verpflegung, Gesundheitsvorsorge und Bildung. Festgenommenen Kindern werden oftmals Grundrechte wie z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, oder das Recht auf Information über die Haftgründe sowie das Recht, nicht zu einem Geständnis gezwungen zu werden, verwehrt. Das Gesetz sieht eine eigene Jugendgerichtsbarkeit vor; wegen limitierter Ressourcen sind spezielle Jugendgerichte nur in sechs Gebieten funktionsfähig:

Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Nangarhar und Kunduz. In anderen Provinzen, in denen keine speziellen Gerichte existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte. Im afghanischen Strafjustizsystem sind Kinder oftmals eher die Opfer als die Täter (USDOS 20.4.2018).

Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt (AA 9.2016). Nachdem im Jahr 2016 die Zahl getöteter oder verletzter Kinder gegenüber dem Vorjahr um 24% gestiegen war (923 Todesfälle, 2.589 Verletzte), sank sie 2017 um 10% (861 Todesfälle, 2.318 Verletzte). 2017 machten Kinder 30% aller zivilen Opfer aus. Die Hauptursachen sind Kollateralschäden bei Kämpfen am Boden (45%), Sprengfallen (17%) und zurückgelassene Kampfmittel (16%) (AA 5.2018).

Rekrutierung von Kindern

Im Februar 2016 trat das Gesetz über das Verbot der Rekrutierung von Kindern im Militär in Kraft. Berichten zufolge rekrutieren die ANDSF und andere regierungsfreundliche Milizen in limitierten Fällen Kinder; die Taliban und andere regierungsfeindliche Gruppierungen benutzen Kinder regelmäßig für militärische Zwecke. Im Rahmen eines Regierungsprogramms werden Schulungen für ANP-Mitarbeiter zu Alterseinschätzung und Sensibilisierungskampagnen betreffend die Rekrutierung von Minderjährigen organisiert sowie Ermittlungen in angeblichen Kinderrekrutierungsfällen eingeleitet (USDOS 20.4.2018).

Waisenhäuser

Die Lebensbedingungen für Kinder in Waisenhäusern sind schlecht. Berichten zufolge sind 80% der Kinder zwischen vier und 18 Jahren in den Waisenhäusern keine Waisenkinder, sondern stammen aus Familien, die nicht die Möglichkeit haben, für Nahrung, Unterkunft und Schulbildung zu sorgen. Quellen zufolge werden Kinder in Waisenhäusern mental, physisch und sexuell misshandelt; auch sind sie manchmal Menschenhandel ausgesetzt. Der Zugang zu fließendem Wasser, Heizung, Sanitäranlagen, Gesundheitsversorgung, Freizeiteinrichtungen und Bildung wird nicht regelmäßig gewährleistet (USDOS 20.4.2018).

[...]

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Herkunft der Beschwerdeführer (BF1-BF10), zu ihrer Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu ihrer familiären Situation in Afghanistan und in Österreich ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführer (BF1-BF5, BF8, BF9) im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass die Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten sind ergibt sich aus der Einsichtnahme ins österreichische Strafregister. Dass alle volljährigen Beschwerdeführer Deutschkurse besuchen ergibt sich aus den in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 17.10.2018 vom BF gemachten Angaben und aus den vorgelegten Unterlagen.

Die Länderfeststellungen gründen insbesondere auf dem Länderinformationsblatt des BFA, Stand 29.06.2019 und den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

Mit ihrem Verhalten und Auftreten in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG hat die BF5 gezeigt, dass ihre persönliche Haltung über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind, steht. Die BF5 war nicht nur westlich gekleidet, sondern lebt auch selbstbestimmt. Die BF5 machte diesbezüglich glaubhafte Angaben über ihren eigenständigen Alltag und den Wunsch in Freiheit leben zu können.

Die BF5 ist nunmehr von ihrer persönlichen Wertehaltung her überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert.

Die persönliche und nach außen offen dargelegte Wertehaltung der BF5 an ein würdiges Leben als Frau, ihre Absichten, berufstätig und selbständig zu sein steht zu der in Afghanistan weiterhin vorherrschenden Situation für Frauen im völligen Gegensatz. Die BF5 hat in der mündlichen Verhandlung zudem glaubhaft dargelegt, dass ihr in Afghanistan die Ausübung eines Berufes, aufgrund der dort vorherrschenden Zwänge für Frauen nicht möglich wäre. Die BF5 geht alleine außer Haus, trifft sich mit österreichischen Freundinnen und Freunden und entscheidet selbst über ihren Alltag. Sie geht Volleyball spielen und schwimmen. Die BF5 möchte selbst über ihr Leben bestimmen, wann sie das Haus verlässt mit wem sie spricht und welche Kleidung sie trägt. Sie genießt es sich modisch anzuziehen und zu schminken (siehe VH-Protokoll Seite 20). Die BF2 möchte als Hebamme tätig sein. Auch das äußere Erscheinungsbild der BF5 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und die Bemühungen Deutsch zu lernen und eine Ausbildung zu machen waren dahingehende Indizien.

In einer Gesamtschau der glaubhaften Angaben der BF5 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen der BF5 zu ihrer Furcht vor Verfolgung in Afghanistan aus den angeführten Gründen als glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF5 im Fall der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage oder gewillt sein würden, der BF5 vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

Zu den Angaben der BF1, BF2, BF4, BF6 und BF7 über die Gründe, aus denen sie ihr Herkunftsland verlassen haben, werden mangels Relevanz für den Verfahrensausgang keine Feststellungen getroffen.

Dass der BF3 nicht aus einem asylrelevanten Grund verfolgt wird ergibt sich aus seinem Vorbringen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 17.10.2018. Der BF3 brachten vor, dass ein Onkel väterlicherseits von Taliban getötet worden sei. Im Gegenzug habe ein anderer Onkel väterlicherseits den Bruder des römisch XXXX getötet. Dieser Onkel ist daraufhin auch ermordet worden. Nun wolle sich römisch XXXX an der ganzen Familie rächen, weil sein Bruder vom Onkel getötet worden sei. Sie hätten auch einen Drohbrief von römisch XXXX erhalten. Der BF3 konnten trotz mehrmaliger Nachfrage nur sehr wenig Details zur Bedrohung durch römisch XXXX angeben. Eine Verfolgung durch diesen konnte daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Selbst bei Wahrunterstellung der Blutrachegefahr durch römisch XXXX , ist nicht davon auszugehen, dass es römisch XXXX möglich wäre den BF3 in einer Großstadt wie Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ohne Meldewesen ausfindig zu machen. Es wäre dem BF3 daher möglich sich durch einen Umzug in die genannten Städte dem Einflussbereich des römisch XXXX zu entziehen.

Dass der BF3 bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte zu Kabul, Mazar-e Sharif und Herat und den festgestellten persönlichen Umständen und familiären (finanziellen) Verhältnissen des BF3. In einer Gesamtschau der angeführten Länderberichte wird zwar deutlich, dass die Versorgungslage in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat angespannt ist, eine Versorgung mit Nahrung und Wasser, in einem lebensnotwenigen Ausmaß, jedoch möglich ist. Auch Wohnraum, Unterkünfte und Gesundheitseinrichtungen stehen, wenn auch nur begrenzt, den Länderberichten zu Folge, zur Verfügung.

Die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat sind auch über die jeweiligen Flughäfen sicher erreichbar. Es ist zudem notorisch, dass der Beschwerdeführer bei einer freiwilligen Rückkehr nach negativem Verfahrensausgang Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann, wodurch er Rückkehrhilfe bzw. zusätzlich die Aufnahme in ein Reintegrationsprojekt beantragen kann: In Österreich stehen für afghanische Staatsangehörige zwei spezielle Reintegrationsprojekte zur Verfügung (ERIN oder RESTART römisch II). Beide Angebote zielen effektiv auf die Wiedereingliederung im Heimatland ab und können erst nach Ankunft im Herkunftsland bezogen werden. Ziel ist es, den Rückkehrer vor allem durch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, sowie Start Ups den Neustart im Heimatland zu erleichtern. Die Sachleistung beträgt bei ERIN 3.000 EUR; in bar erhalten die Personen 500,- EUR; beim IOM-Projekt (RESTART römisch II) besteht die Sachleistung aus 2.800,- EUR und der Barwert aus 500,- EUR. Je nach Bedarf stellt hier IOM auch Leistungen, wie Family Assessment, temporäre Unterkunft nach der Ankunft und die Weiterreise zum Zielort, zur Verfügung (sämtliche Informationen dazu können auch jederzeit aktuell auf www.voluntaryreturn.at in diversen Sprachen abgerufen werden).

Bei einer zwangsweisen Außerlandesbringung stellt Österreich die sogenannte "Post Arrival Assistance" zur Verfügung. Die International Organization for Migration (IOM) führt dieses EU-finanzierte Unterstützungsprogramm im Auftrag der Europäischen Kommission (Directorate General for International Cooperation and Development) aus. Im Detail umfasst die Post-Arrival-Assistance die vorübergehende Unterkunftnahme, Hilfestellung beim weiteren Transport sowie ggf. medizinische und psychosoziale Betreuung. Der Fremde erhält im Rahmen des Kontaktgespräches im Zuge der Abschiebevorbereitung eine Information über die Möglichkeiten der "Post Arrival Assistance" und ein Informationsblatt mit den Kontaktdaten von IOM in Kabul. IOM Afghanistan wird vom Bundesamt über die jeweiligen Ankünfte vorab informiert. Bei nicht vorhandenen Eigenmitteln erhält der zwangsweise Rückzuführende zusätzlich seitens des Bundesamtes 50,00 EUR als sogenanntes Zehrgeld zur Sicherung des Fortkommens in den ersten Tagen nach seiner Rückführung. Eine Betragserhöhung ist im Einzelfall möglich. Dem BF3 wäre es daher auch möglich die Rück- bzw. Weiterreise zu finanzieren.

Es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es dem BF3 möglich sein wird eine Unterkunft und Arbeit zu finden und sich ernähren zu können. Dies aus folgenden Erwägungen:

Bei dem BF3 handelt es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF3 hat, wie er in dem Verfahren vor dem BFA und dem BVwG vorbrachte, insgesamt 6 Jahre die Schule besucht in der Landwirtschaft gearbeitet. Mit dieser Berufserfahrung ist es dem BF3 den Länderberichten zufolge durchaus möglich, zumindest Hilfstätigkeiten in Städten, wie Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat, zu verrichten. Der BF3 beherrscht Dari, eine der Landessprachen und sind mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates vertraut. Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb es dem BF3 nach etwaigen anfänglichen Schwierigkeiten bzw. einer Eingewöhnungsphase nicht möglich sein sollte, bei seiner Rückkehr nach Afghanistan, ein im Vergleich zu seinen Landsleuten "relativ normales" Leben zu führen. Zudem gehört der BF3 keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Auch in sonstiger Hinsicht ist der BF3 nicht schlechter gestellt als seine Landsleute, daher ist nicht davon auszugehen, dass dem BF3 bei einer Rückkehr nach Afghanistan unbilligen Härten treffen werden.

Dass die BF9 westlich orientiert ist, ergibt sich vor allem aus ihrer Einvernahme und dem Erscheinungsbild im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.

Die BF9 war in der Verhandlung nicht nur westlich gekleidet, sondern hat auch einen selbstbewussten Eindruck hinterlassen. Nach der Art ihres Auftretens und ihres Kommunizierens handelt es sich bei der BF9 um eine Frau, die sich der sozio-kulturellen Problematik der Stellung der Frau in Afghanistan bewusst ist. Dies zeigte sich insbesondere, darin, dass die BF9 keinem Zwang untergeordnet sein und selbst über ihr Leben bestimmen will. Sie möchte selbst über ihre Kleidung entscheiden, sich schminken und ihre Haare färben. Sie hat bereits Deutschkurs besucht und lernt mit einer Privatlehrerin Zuhause Deutsch. Sie möchte Kindergärtnerin werden und hat sich bereits über die Berufsvoraussetzungen informiert. Sie führte aus, dass es in Afghanistan für Frauen nicht möglich sei, ihr Leben alleine zu meistern. Die BF9 legte glaubhaft dar, dass sie sich ein selbstbestimmtes Leben wünscht, in dem sie selbst über ihre Ausbildung, ihre Berufswahl und ihre Kleidung entscheiden kann. Sie lebt selbständig und absolviert die täglichen Erledigungen alleine.

Die BF9 gab glaubhaft an, dass sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchtet, ihr selbständiges Leben aufgeben zu müssen. Sie ist nicht bereit ihr selbstbestimmtes Leben aufzugeben und in die strengtraditionelle und religiöse Gesellschaft in Afghanistan zurückzukehren. Der BF9 ist ihr selbstbestimmtes Leben und ihre persönliche Entwicklung sehr wichtig. Sie will über eigenes Geld verfügen und von Niemanden abhängig sein.

Die BF9 hat glaubhaft gemacht, dass sie in Österreich noch ein besseres Deutschniveau erreichen, einen Beruf erlernen, arbeiten und auf eigenen Beinen stehen möchte. Bei der BF9 war zu erkennen, dass sie das streng konservativ-afghanische Frauenbild und die konservativ-afghanische Tradition ablehnt und abgelegt hat und demgegenüber bereits stark "westliche" Werte verinnerlicht hat und auch danach lebt. Dieses Verständnis der BF9 steht im eklatanten Widerspruch zur gesellschaftlichen Situation von Frauen in Afghanistan.

Zu den Angaben des BF8 und der BF10 über die Gründe, aus denen sie ihr Herkunftsland verlassen haben, werden mangels Relevanz für den Verfahrensausgang keine Feststellungen getroffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß Paragraph 18, AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

3.1. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide der BF5 und der BF9

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974, (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde vergleiche VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr vergleiche VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Bei dem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Asylgrund der "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der sich in weiten Bereichen mit den Gründen "Rasse, Religion und Nationalität" überschneidet, jedoch weiter gefasst ist als diese. Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine - nicht sachlich gerechtfertigte - Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht vergleiche VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Artikel eins, Abschnitt C Ziffer 5, GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative:

Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, Ziffer eins und Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK vorliegen kann vergleiche zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur Genfer Flüchtlingskonvention judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341, mwN).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der BF5 und der BF9, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:

Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Afghanistan haben sich zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass alle afghanischen Frauen bzw. Mädchen gleichermaßen allein auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter sowie individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefen, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von den in den Länderberichten aufgezeigten Einschränkungen und Diskriminierungen kann jedoch bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere einer diesen - traditionellen und durch eine konservativ-religiöse Einstellung geprägten - gesellschaftlichen Zwängen nach außen hin offen widerstrebenden Wertehaltung einer Frau, ein asylrelevantes Ausmaß erreichen.

Für die BF5 und die BF9 wirkt sich die derzeitige Situation in Afghanistan so aus, dass sie im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt sowie unmittelbaren Einschränkungen und durch das Bestehen dieser Situation der Gefahr einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wären. Es bestehen nach wie vor gesellschaftliche Normen dahingehend, dass Frauen sich nur bei Vorliegen bestimmter Gründe alleine außerhalb ihres Wohnraumes bewegen sollen. Widrigenfalls haben Frauen mit Beschimpfungen und Bedrohungen zu rechnen bzw. sind der Gefahr willkürlicher Übergriffe ausgesetzt. Die BF5 und die BF9 unterliegen einer diesbezüglich erhöhten Gefährdung, weil sie auf Grund ihrer Wertehaltung und Lebensweise bei einer Rückkehr gegenwärtig in Afghanistan als (junge) Frauen wahrgenommen werden würde, die sich als nicht konform ihrer durch die Gesellschaft, Tradition und das Rechtssystem vorgeschriebenen geschlechtsspezifischen Rolle benehmen; sie sind insofern einem besonderen Misshandlungsrisiko ausgesetzt vergleiche hierzu auch EGMR 20.07.2010, 23.505/09, N./Schweden, ebenfalls unter Hinweis auf

UNHCR).

Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der BF5 und der BF9 im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen drohen würde.

Diese Verfolgungsgefahr findet auch ihre Deckung in einem der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründe, zumal die BF5 und die BF9 einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich jener der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen, zugehörig sind vergleiche dazu VwGH 20.06.2002, 99/20/0172, mwN).

Es ist nach Lage des Falles davon auszugehen, dass die BF5 und die BF9 vor diesen Bedrohungen in Afghanistan nicht ausreichend geschützt werden können. Zwar stellen die angeführten Bedrohungen keine Eingriffe von staatlicher Seite dar, es ist der Zentralregierung jedoch nicht möglich, für die umfassende Gewährleistung grundlegender Rechte und Freiheiten der afghanischen Frauen bzw. Mädchen Sorge zu tragen; gegenwärtig besteht in Afghanistan dahingehend kein funktionierender Polizei- und Justizapparat. Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund der oben getroffenen Länderfeststellungen nicht davon auszugehen, dass im Wirkungsbereich einzelner lokaler Machthaber effektive Mechanismen zur Verhinderung von Übergriffen und Einschränkungen gegenüber Frauen bzw. Mädchen bestünden; ganz im Gegenteil liegt ein derartiges Vorgehen gegenüber Frauen bzw. Mädchen teilweise ganz im Sinne der lokalen Machthaber. Für die BF5 und die BF9 ist damit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie angesichts des sie als westlich orientierte (junge) Frauen betreffenden Risikos, Opfer von Misshandlungen und Einschränkungen zu werden, ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden können.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist im Fall der BF5 und der BF9 nicht gegeben. Es ist im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen, in der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frauen einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind.

Die BF5 und die BF9 konnten somit glaubhaft machen, dass ihnen im Herkunftsstaat auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen mit hoher Wahrscheinlichkeit Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK droht. Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Paragraph 6, AsylG 2005) oder eines Endigungsgrundes (Artikel eins, Abschnitt C GFK) ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung sowohl des Verfassungs- als auch des Verwaltungsgerichtshofes haben die Ermittlungen hinsichtlich der Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen eigenständig durch die belangte Behörde (bzw. das Bundesverwaltungsgericht) zu erfolgen vergleiche VfGH vom 23.02.2015, E 155/2014, und VwGH vom 16.01.2008, 2006/19/0182). Danach ist es erforderlich, dass "auch ohne besonderen Hinweis der Asylwerberin zu berücksichtigenden Maßnahmen [...] gegen Frauen" untersucht werden müssen (VwGH vom 16.04.2002, 99/20/0483). Dazu gehört das aktive Ermittlungshandlungen (etwa durch Befragung der BF2) durch die belangte Behörde (bzw. das BVwG im Falle der Unterlassung durch die belangte Behörde) zu tätigen sind, was vorliegend im Rahmen der öffentlich mündlichen Verhandlung erfolgt ist.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der BF5 und der BF9 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der BF5 und der BF9 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides des BF1, der BF2, des BF4, der BF6-BF7, des BF8 und der BF10.

Dem BF1 und der BF2 wird auf Grund der Zuerkennung von Asyl an ihre Tochter (BF5) der Status der Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt.

Dem zum Antragszeitpunkt minderjährigen BF4 und den minderjährigen BF6-BF7 wird auf Grund der Zuerkennung von Asyl an ihre Eltern (BF1-BF2) der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt.

Dem BF8 wird auf Grund der Zuerkennung von Asyl an seine Ehefrau (BF9) der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt.

Der BF10 wird auf Grund der Zuerkennung von Asyl an ihre Mutter (BF9) der Status der Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt.

Nach Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder im Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß Paragraph 34, Absatz eins, leg.cit. als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß Paragraph 34, Absatz 2, leg.cit. auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Paragraph 2, Absatz 3, leg.cit.), die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 7, leg.cit.).

Gemäß Paragraph 34, Absatz 4, AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Absatz 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Zwischen dem BF1, der BF2, und der BF5 und dem BF1, der BF2 und dem BF4 und den BF6-BF7 besteht ein aufrechtes Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK. Im gesamten Verfahren haben sich keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass dem BF1, der BF2 oder den BF4 und BF6-BF7 die Führung des Familienlebens in einem anderen Staat zumutbar oder möglich wäre.

Die BF5 ist nicht straffällig im Sinne des Paragraph 2, Absatz 3, AsylG 2005 geworden. Gegen die Tochter des BF1 und der BF2, und den Eltern der BF4, BF6-BF7 denen der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist ein Verfahren zur Aberkennung dieses Status gemäß Paragraph 7, AsylG 2005 nicht anhängig.

Da im gegenständlichen Fall alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, war dem BF1, der BF2 und den BF4, BF6-BF7 im Familienverfahren der Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 zuzuerkennen.

Paragraph 34, Absatz 6, Ziffer 2, AsylG 2005 schließt eine nach den Bestimmungen des Familienverfahrens erfolgte Zuerkennung des Status von Asylberechtigten an die Eltern im Fall minderjähriger lediger Kinder - was auf die BF4 und BF6-BF7 zutrifft - nicht aus, dass auch diesen wiederum im Weg des Familienverfahrens der Status von Asylberechtigten in Ableitung von ihren Eltern zuerkannt werden kann vergleiche VwGH vom 24.10.2018, Ra 2018/14/0040).

Es ist darauf hinzuweisen, dass der BF4 und seine Eltern den Antrag auf internationalen Schutz zur selben Zeit gestellt haben. Zu diesem Zeitpunkt war der BF4 noch minderjährig. In Bezug auf den BF4 kommen die Vorschriften für das Familienverfahren nach Paragraph 34, AsylG 2005 daher umfänglich zur Anwendung. vergleiche VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040)

In Hinblick auf die jüngste Judikatur des VwGH war auf die Fluchtgründe des BF1, der BF2 und der BF4, BF6-BF7 nicht näher einzugehen, da dem BF1, der BF2 und den BF4, BF6-BF7 bereits im Familienverfahren den Asylstatus zuerkannt bekommen vergleiche VwGH vom 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Zwischen dem BF8, der BF10 und der BF9 besteht ein aufrechtes Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK. Im gesamten Verfahren haben sich keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass dem BF8 und der BF10 die Führung des Familienlebens in einem anderen Staat zumutbar oder möglich wäre.

Die BF9 ist nicht straffällig im Sinne des Paragraph 2, Absatz 3, AsylG 2005 geworden. Gegen die Ehefrau des BF8 bzw. die Mutter der BF10 der der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist ein Verfahren zur Aberkennung dieses Status gemäß Paragraph 7, AsylG 2005 nicht anhängig.

Da im gegenständlichen Fall alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, war dem BF8 und der BF10 im Familienverfahren der Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 zuzuerkennen.

In Hinblick auf die jüngste Judikatur des VwGH war auf die Fluchtgründe des BF8 und der BF10 nicht näher einzugehen, da der BF8 und die BF10 bereits im Familienverfahren den Asylstatus zuerkannt bekommen vergleiche VwGH vom 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides des BF3

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 55 aus 1955, (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU] verweist.). Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK (in der Fassung des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 78 aus 1974,) - deren Bestimmungen gemäß Paragraph 74, AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde vergleiche VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl vergleiche zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung angemerkt, hat der BF3 kein konkretes asylrelevantes Fluchtvorbringen glaubhaft machen können. Der BF3 konnte nicht glaubhaft machen, dass er in ganz Afghanistan aufgrund von Blutrache verfolgt werden würden.

Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den BF3 eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht herleiten:

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar vergleiche etwa VwGH vom 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen vergleiche etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

Daher war die Beschwerde des BF3 gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.4 Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides des BF3:

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, leg.cit. zu verbinden.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, leg.cit.) offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Absatz eins, oder aus den Gründen des Absatz 3, oder 6 abzuweisen, so hat gemäß Paragraph 8, Absatz 3 a, AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zahl 95/18/0049; 05.04.1995, Zahl 95/18/0530;

04.04.1997, Zahl 95/18/1127; 26.06.1997, Zahl 95/18/1291;

02.08.2000, Zahl 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zahl 93/18/0214; VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz 105)

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zahl 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, Zahl 98/01/0122; 25.01.2001, Zahl 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zahl 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu Paragraph 8, AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikel 3, EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zahl 95/21/0294; 25.01.2001, Zahl 2000/20/0438; 30.05.2001, Zahl 97/21/0560).

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/006; VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; ; BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen vergleiche jüngst das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2017, Ra 2016/18/0137, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung sowie die Rechtsprechung des EGMR und EuGH; BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Artikel 3, EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde vergleiche VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, römisch eins gegen Schweden, Nr. 61 204/09; s. dazu zuletzt auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214; siehe BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).

In dem bereits zitierten Beschluss Ra 2015/01/0134 hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde.

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des BF bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des BF als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013; U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012; 13.09.2013, U370/2012).

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Artikel 3, EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (Paragraph 11, AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden vergleiche Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 11, AsylG 2005, K15). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht vergleiche hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

Nach Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach allgemeiner Auffassung soll die Frage der Zumutbarkeit danach beurteilt werden, ob der in einem Teil seines Herkunftslandes verfolgte oder von ernsthaften Schäden (iSd Artikel 15, Statusrichtlinie) bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härte führen kann vergleiche etwa UNHCR Richtlinien Nr. 4., Rz 22 ff; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie [2009], 226 ff). Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (Paragraph 11, Absatz 2, AsylG 2005; vergleiche auch die im Wesentlichen gleichlautenden Vorgaben des Artikel 8, Absatz 2, Statusrichtlinie).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Asylwerber konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül somit insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063 siehe BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits erkannt, dass eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. Mit Bezug auf die Verhältnisse in Afghanistan wurde ausgeführt, es könne zutreffen, dass ein alleinstehender Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und ohne finanzielle Unterstützung in der afghanischen Hauptstadt Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sei. Soweit es sich aber um einen jungen und gesunden Mann, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, handle, sei - auf der Grundlage der allgemeinen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat - nicht zu erkennen, dass eine Neuansiedlung in Kabul nicht zugemutet werden könne. Dies stehe auch im Einklang mit der Einschätzung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016, denen zufolge es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich sei, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben vergleiche VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118).

Der EGMR geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar ist, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder den Stamm am Zielort verfügbar ist; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien ist es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden ist, ist aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (VfGH 13.09.2013, U 370/2012 mit Verweis auf EGMR, 13.10.2011, Fall Husseini, App. 10.611/09, Ziffer 96 ;, 09.04.2013, Fall H. und B., Appl. 70.073/10 und 44.539/11, Ziffer 45 und 114).

Auch der Verfassungsgerichtshof hat in einem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 12. Dezember 2017, E 2068/2017, ausgesprochen, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er - wie im entschiedenen Fall -nicht in Afghanistan geboren worden sei, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen sei. vergleiche VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz 124)

Dem ist lediglich hinzuzufügen, dass bei dieser Sichtweise dem Kriterium der "Zumutbarkeit" neben jenem der Gewährleistung von Schutz vor Verhältnissen, die Artikel 3, EMRK widersprechen, durchaus Raum gelassen wird. Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr - im Sinne des bisher Gesagten -möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlageausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers indem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss vergleiche dazu nochmals VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mwN, VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz 122).

Auch der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Beschwerdeführer konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Vor diesem Hintergrund ging der Verwaltungsgerichtshof jüngst mitunter auch davon aus, dass betreffend die Beschwerdeführer in den konkreten Verfahren - auf Basis der darin getroffenen Feststellungen - keine Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul dargetan worden sei vergleiche VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert nämlich im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, ausgeführt hat, reicht es für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan nicht aus, bloß auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu verweisen. Hinsichtlich der Sicherheitslage geht der Verwaltungsgerichtshof von einer kleinräumigen Betrachtungsweise aus, wobei er trotz der weiterhin als instabil bezeichneten Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Kabul, im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage als nicht grundsätzlich ausgeschlossen betrachtet (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, siehe BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).

Mit dem Aufzeigen der bloßen Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat wird die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Artikel 3, EMRK im Sinne der obigen Rechtsgrundsätze damit in Bezug auf Kabul, Mazar-e Sharif und Herat nicht dargetan. Auch das Faktum, dass der Asylwerber über keinen guten Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul verfügt, reicht für sich betrachtet für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus vergleiche VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt; VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz 123).

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 gegenständlich nicht gegeben sind:

Aus den herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zunächst, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Den Länderberichten zufolge zählt die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes. Dem BF3 ist daher eine Rückkehr nach Ghazni nicht zumutbar.

Der BF3 könnte jedoch alternativ auf eine andere Region des Landes - nämlich die Hauptstadt Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat - verwiesen werden kann:

Wie zu zeigen sein wird, ist dem BF3 die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat sowohl unter dem Aspekt der Sicherheit als auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände zumutbar.

Was die Sicherheitslage in der Stadt Kabul betrifft, wird zunächst seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen keineswegs verkannt, dass die Situation unzweifelhaft als prekär anzusehen ist. Aus den entsprechenden Länderfeststellungen ergibt sich, dass in Kabul "high-profile" Angriffen regierungsfeindlicher, bewaffneter Gruppierungen nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Die jüngst gehäuften Anschläge ereignen sich jedoch hauptsächlich im Bereich staatlicher Einrichtungen (afghanischer und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländischer Vertretungen, militärischer Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGO's. Sie richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Um die Sicherheitslage in der Stadt zu verbessern werden durch die Regierung Sicherheitsoperationen durchgeführt. Es werden Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt errichtet und ein Schlüsselbereich, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind zur "Green Zone" deklariert. Die Sicherheitskräfte erhöhen ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten. Auch die Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt wird verbessert. Eine von "high-profile" Anschlägen ausgehende Gefährdungsquelle ist jedoch für reine Wohngebiete nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Allein der Umstand, dass ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, begründet bei der derzeitigen Gefahrenlage für den BF noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Artikel 2, oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor (VwGH 25.04.2017, 2017/01/0016, mwN, jüngst auch 19.06.2017, Ra 2017/19/009517). Somit ist - und auch nicht bei Heranziehung der vom BF zur Entwicklung der Sicherheitslage in der Stadt Kabul vorgelegten Informationen - nicht der Schluss zu ziehen, dass das Ausmaß der Gewalt bereits ein Niveau erreicht hat, wonach es geradezu wahrscheinlich wäre, dass auch der BF tatsächlich und durch seine bloße Anwesenheit in der Stadt Kabul Opfer eines Gewaltaktes werden würden.

Auch aus den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen ereigneten und sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen richteten, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren.

Bei der nunmehr in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 vertretenen Ansicht, dass in der Hauptstadt Kabul generell keine zumutbare Fluchtalternative zur Verfügung stehe, handelt es sich nicht um eine Tatsache, sondern um eine rechtliche Beurteilung, die dem Gericht obliegt.

In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderinformationen (aktuelles LIB, UNHCR, EASO) waren die Gefährdungsquellen in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden konnte.

Auf Basis der bereits dargestellten Judikatur des EGMR, des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs führt aufgrund des festgestellten Sachverhalts die Prüfung der maßgeblichen Kriterien daher entgegen der allgemeinen Einschätzung des UNHCR (und gleichzeitig in Übereinstimmung mit dem EASO-Leitfaden) im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem BF bei Inanspruchnahme der innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul keine Verletzung seiner durch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte droht und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. (siehe VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz 138)

Die Inanspruchnahme innerstaatlicher Fluchtalternative in Kabul ist dem BF3 auch zumutbar, da es ihnen, wie in der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, möglich ist, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten dort Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Aufgrund dieser Feststellungen kommt das BVwG zu dem Schluss, dass Kabul als zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative angenommen werden kann.

Die Stadt Herat ist eine vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Die Taliban konnten die Stadt Herat nicht einnehmen, da sie von den Sicherheitskräften sehr gut bewacht ist. In Herat ist nach den vorliegenden Länderberichten die allgemeine Lage als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Innerhalb Herats existieren demnach in verschiedenen Vierteln unterschiedliche Sicherheitslagen. Insgesamt ist die Sicherheitslage in der Stadt Herat als ausreichend sicher zu bewerten.

Die Stadt Mazar-e-Sharif gilt als eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans. Balkh ist die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Der Beschwerdeführer könnte Mazar-e-Sharif von Kabul aus sicher erreichen. Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan.

In einer Gesamtbetrachtung sind Kabul, Mazar-e Sharif und Herat für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, noch relativ sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Städte.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Wie aus den o.a. Erkenntnisquellen ersichtlich ist, stellt sich die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum in Kabul insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und finanzielle Unterstützung schwierig dar.

Laut den oben auszugsweise wiedergegebenen Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vergleiche u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es allerdings nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Artikel 3, EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände vermochte der BF im Verfahren jedoch nicht darzulegen (siehe BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt):

Wie festgestellt, ist der BF3 jung, mobil, sowie anpassungs- und arbeitsfähig. Der BF3 ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und der Sprache vertraut. Es ist daher nicht erkennbar, dass der BF3 bei der Rückkehr nach Afghanistan in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens kämen vergleiche VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). Die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation für den Asylwerber im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen und/oder fehlende Ortskenntnisse in Großstädten, so auch eine schwierige Situation bei der Wohnraum,-oder Arbeitsplatzsuche, reicht nach der Judikatur des VwGH explizit nicht aus, um die Voraussetzungen zur Erlangung von subsidiärem Schutz glaubhaft zu machen (VwGH 25.04.2017, Zl. Ra 2017/01/0016; 19.06.2017, Zl. Ra 2017/19/0095; jüngst VwGH 08.08.2017, Zl. Ra 2017/19/0118; VwGH 10.08.2017, Zl. Ra 2016/20/0389; vergleiche VwGH 20.09.2017, Zl. Ra 2017/19/0205 mit Iran-Bezug; VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VwGH 20.04.2018, Ra 2018/18/0194). Der BF3 hat eine 6-jährige Schulbildung absolviert. Der BF3 hat in der Landwirtschaft gearbeitet, er könnte sich daher zumindest durch die Annahme von Hilfstätigkeiten eine Existenzgrundlage schaffen. Mangelnde Ortskenntnisse und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat reichen am Boden der bisherigen Feststellungen zur Situation für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat nicht aus (VwGH 08.09.2016, Zl. Ra 2016/20/0063). Außerdem könnte der BF3 durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat das Auslangen finden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor sie in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der BF3 in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des BF3 ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würden, eine Verletzung seiner durch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem BF3 eine Ansiedlung in der Stadt Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat möglich und auch zumutbar ist. (zu Kabul siehe VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz 138, zu Mazar-e Sharif und Herat siehe VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz 139ff)

Aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich, dass die Hauptstadt Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat nicht als derart unsicher qualifiziert werden kann, dass es dem BF3 von vornherein verunmöglicht würde, dorthin zu gelangen. Kabul, Mazar-e Sharif und Herat verfügen über eine vergleichsweise gute Infrastruktur mit einem Flughafen, der für den zivilen Flugverkehr geeignet ist. Zudem steht dem BF3 eine finanzielle Rückkehrhilfe zur Verfügung, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Gemäß Paragraph 52 a, BFA-VG in Verbindung mit Paragraph 12, Absatz 2, GVG-B 2005 umfasst die Rückkehrhilfe jedenfalls die notwendigen Kosten der Rückreise. Zusätzlich stehen dem BF3 noch diverse Hilfsprogramme (ERIN, RESTART römisch II, "Post Arrival Assistance") zur Verfügung. Dem BF3 ist es daher zumutbar nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zurückzukehren, da der Rückreiseweg in diese Städte sicher und finanziell abgesichert ist.

Ausgehend davon, ist mit Blick auf die persönliche Situation des BF3 nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und tatsachlich Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369).

Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben des BF3 und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den BF3 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Artikel 3, EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage in Afghanistan reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; konkret zu Afghanistan: zB Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2010, Zl. BVerwG 10 C 10.09;

weiters EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff;

13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 84; 20.12.2011, J.H. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 48839/09, Rz 55).

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF3 somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958, idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Nr. 138 aus 1985, idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Teil 3, Nr. 22 aus 2005, idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF3 als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides des BF3 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.5. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides des BF3:

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt.

Paragraph 55, AsylG 2005 lautet:

"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017,, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."

Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Abs. EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG im Sinne des Artikel 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Artikel 8 Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8 Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Artikel 8 Absatz 2, EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).

Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bereits die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung), nicht erst deren Vollzug einen Eingriff in das durch Artikel 8 Absatz eins, EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt vergleiche die bei Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, Seite 344 zitierte Judikatur des VfGH).

Entsprechend der Rechtsprechung des EGMR als auch jener des Verfassungsgerichtshofes muss der Eingriff hinsichtlich des verfolgten legitimen Zieles verhältnismäßig sein.

Die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2, EMRK ein hoher Stellenwert zu.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Artikel 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Artikel 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Artikel 8 EMRK zu schützende Beziehungen neben den zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienleben bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt vergleiche Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Als Kriterien hierfür kommen in einer Gesamtbetrachtung etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Intensität und die Dauer des Zusammenlebens bzw. die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Sich bei der Prüfung allein auf das Kriterium der Abhängigkeit zu beschränken, greift jedenfalls zu kurz vergleiche VwGH vom 26.1.2006, Zl. 2002/20/0423).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sowie der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK zu berücksichtigen sind, ist im gegenständlichen Fall der Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer nicht durch die in Artikel 8, Absatz 2, EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt. Dies aus folgenden Gründen:

Neben den Eltern verfügt der BF3 über weitere, familiäre Bindungen im Bundesgebiet. So leben die mitgereisten Geschwister, die Schwägerin und die Nichte des BF3 in Österreich. Die übrigen Familienmitglieder bekommen mit diesem Erkenntnis jeweils den Status des Asylberechtigten zuerkannt, sodass eine Ausweisung des BF3 in einer Gesamtbetrachtung auch einen Eingriff in ihr Familienleben darstellen würde, da nach der Rechtsprechung des EGMG der Begriff des "Familienlebens" nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Unter anderem wurden in der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen als unter dem Blickwinkel des Artikel 8, EMRK zu schützende Beziehungen auch solche zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gewertet, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt vergleiche EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Ein Umzug der übrigen BF nach Afghanistan zur Aufrechterhaltung des Familienlebens zum BF3 ist den übrigen BF nicht zuzumuten, da diesen mit Erkenntnis vom heutigen Tag der Status der Asylberechtigten zuerkannt wird und ihnen in Afghanistan eine Verfolgung drohen würde. Der BF3 lebt in einem gemeinsamen Haushalt mit den übrigen BF. Der BF3 und seine Familie unterstützen sich gegenseitig. Der BF3 hilft seinen Eltern beim Deutsch lernen. Der BF3 hat sein gesamtes bisheriges Leben mit seiner Familie zusammengelebt. Der BF3 hat keine familiären Bindungen mehr in Afghanistan.

Weiters kommen zu den familiären Beziehungen, über die der BF3 in Österreich verfügt, noch weitere Aspekte hinzu, die bei einer Interessensabwägung zugunsten des BF3 zu werten sind. Der BF3 spricht ausgezeichnet Deutsch; der BF3 hat die Niveaustufe B1 erreicht. Ferner verfügt der BF3 in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis, sodass im Gesamtzusammenhang festgehalten werden kann, dass er sowohl sprachlich als auch gesellschaftlich in Österreich ausreichend integriert ist. Betreffend seine berufliche Integration ist auf die ehrenamtlichen Tätigkeiten des BF3 zu verweisen. Dass der BF3 grundsätzlich arbeitswillig ist, zeigt sich eben genau durch diese freiwilligen Tätigkeiten, sodass für die Zukunft davon ausgegangen werden kann, dass der BF3 seinen Lebensunterhalt künftig von staatlichen Unterstützungsleistungen weitgehend unabhängig bestreiten können wird. Zudem hat der BF3 zuletzt in einem landwirtschaftlichen Betrieb Schnuppertage absolviert und könnte dort eine Stelle antreten. Der BF3 ist strafrechtlich unbescholten und zeigt durch sein Verhalten, dass er willens und fähig ist, die österreichischen Gesetze einzuhalten sowie die Rechtsordnung zu akzeptieren.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Artikel 8, Absatz 2, EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu vergleiche etwa VfGH vom 01.07.2009, U992/08 sowie VwGH vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216; vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479; vom 16.01.2007, Zl. 2006/18/0453; vom 08.11.2006, Zl. 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; vom 22.06.2006, Zl. 2006/21/0109 und vom 20.09.2006, Zl. 2005/01/0699), im gegenständlichen Fall überwiegen aber aufgrund der dargestellten Umstände in einer Gesamtabwägung dennoch die privaten - im vorliegenden Fall nicht nur private, sondern auch familiäre - Interessen des BF3 an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung, für die sich in der vorliegenden Konstellation keine begründete Rechtfertigung erkennen lässt vergleiche VfSlg. 17.457/2005 sowie VwGH vom 26.03.2007, Zl. 2006/01/0595 und vom 22.02.2005, Zl. 2003/21/0096). Die vom Bundesamt in den angefochtenen Bescheiden verfügten Rückkehrentscheidungen nach Afghanistan ist angesichts der vorliegenden Bindungen unverhältnismäßig im Sinne des Artikel 8, Absatz 2,

EMRK.

Da im gegenständlichen Fall die drohenden Verletzungen des Familien- und Privatlebens des BF3 auf Umständen beruhen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind, war der Beschwerde gegen den Spruchpunkte römisch III. des angefochtenen Bescheides des BF3 stattzugeben und festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Zur Erteilung der Aufenthaltstitel:

Wie oben bereits angeführt, ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist (Ziffer eins,) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017,, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist gemäß Absatz 2, eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Paragraph 9, Absatz 4, Integrationsgesetz (IntG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017, idgF, mit der Überschrift "Modul 1 Integrationsvereinbarung" lautet:

"(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß Paragraph 11, vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß Paragraph 11, Absatz 4, über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des Paragraph 64, Absatz eins, Universitätsgesetz 2002, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 120 aus 2002,, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß Paragraph 41, Absatz eins, oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß Paragraph 43 a, NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins bis 3 Kunstförderungsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 146 aus 1988,, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (Paragraph 10,) beinhaltet das Modul 1."

Paragraph 10, Absatz 2, IntG mit der Überschrift "Modul 2 der Integrationsvereinbarung" lautet:

"Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß Paragraph 12, vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß Paragraph 12, Absatz 4, über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (Paragraph 3, Absatz 3, Schulorganisationsgesetz (SchOG), Bundesgesetzblatt Nr. 242 aus 1962,) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (Paragraph 3, Absatz 4, SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand "Deutsch" durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach "Deutsch" positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach "Deutsch" auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 72 aus 2012, nachweist,

6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach "Deutsch" nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,

7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 142 aus 1969,, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder

8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt."

Paragraph 11, Absatz 2, IntG mit der Überschrift "Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1" lautet:

"(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig."

Betreffend der in Paragraph 55, Absatz eins, Ziffer 2, zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung alternativ aufgezählten Voraussetzung einer erlaubten Erwerbstätigkeit bestimmt Paragraph 5, Absatz 2, ASVG:

"Ein Beschäftigungsverhältnis gilt als geringfügig, wenn daraus im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 425,70 € Anmerkung, gemäß Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 339 aus 2017, für 2018: 438,05 €) gebührt. An die Stelle dieses Betrages tritt ab Beginn jedes Beitragsjahres (Paragraph 242, Absatz 10,) der unter Bedachtnahme auf Paragraph 108, Absatz 6, mit der jeweiligen Aufwertungszahl (Paragraph 108 a, Absatz eins,) vervielfachte Betrag."

Gemäß der Übergangsbestimmung des Paragraph 81, Absatz 36, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, in der Fassung vor dem Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017, vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017, erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Der BF3 hat am 09.10.2018 die Integrationsprüfung des Österreichischen Integration Fonds bestanden. Der BF3 konnte einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß Paragraph 11, vorlegen. Da der BF3 somit das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, IntG erfüllt hat war dem BF3 eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Die entsprechende Kompetenz des Bundesverwaltungsgerichts, diesen Ausspruch zu tätigen ergibt sich daraus, dass Paragraph 55, AsylG 2005 im Wesentlichen die Kehrseite der Überprüfung einer Rückkehrentscheidung iSd Paragraph 52, FPG darstellt und daher die Verfahrensgegenstände als nicht trennbare erscheinen vergleiche VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325, 23.02.2017, Ra 2017/20/0029; 22.02.2017, Ra 2017/19/0043) Eine entsprechende Interpretation des Paragraph 58, Absatz 2, AsylG 2005 ergibt sich schon aus Effizienzgründen vergleiche VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0343). Die faktische Ausstellung der entsprechenden Karte unterfällt der Kompetenz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem BF3 den Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 58, Absatz 7, AsylG 2005, auszufolgen, welche gemäß Paragraph 54, Absatz 2, AsylG 2005 für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen ist; der BF3 hat hieran gemäß Paragraph 58, Absatz 11, AsylG 2005 mitzuwirken.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die im Erkenntnis zitierte Judikatur des VwGH). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2019:W134.2174783.1.00