Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

03.05.2019

Geschäftszahl

W253 2134225-1

Spruch

W253 2134225-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Jörg C. BINDER als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch XXXX alias römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. Gerhard MORY, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch XXXX , Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.05.2017 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 26.11.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.11.2014 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei am römisch XXXX in der Provinz römisch XXXX geboren, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und habe fünf Jahre die Grundschule besucht. Der Beschwerdeführer sei traditionell verheiratet und habe zwei Brüder. Seine Flucht begründete der Beschwerdeführer damit, dass die Taliban von ihm verlangt hätten, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dieser Aufforderung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen, weshalb er ungefähr vor einem Monat illegal aus Afghanistan ausgereist sei.

3. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09.05.2016 führte der Beschwerdeführer zusammenfassend ergänzend aus, er sei sunnitischen Bekenntnisses und habe regelmäßig Kontakt zu seiner Familie, welche sich derzeit in der Stadt römisch XXXX befinde. Der Vater des Beschwerdeführers habe als Verkäufer gearbeitet, wodurch er den Lebensunterhalt der Familie bestreiten habe können.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, in seinem Heimatdorf römisch XXXX würden die Taliban herrschen; diese hätten den Beschwerdeführer und seinen Cousin mitnehmen wollen. Nach drei Tagen hätten die Taliban das Haus der Familie angegriffen und den Cousin des Beschwerdeführers mitgenommen, woraufhin der Beschwerdeführer mit seinen Eltern in die Stadt römisch XXXX geflüchtet sei. Vier Tage nach dem Vorfall hätten sie erfahren, dass der Cousin von den Taliban umgebracht worden wäre. Der Vater des Beschwerdeführers habe anschließend die Ausreise aus Afghanistan organisiert. Näher zu den Taliban befragt, gab der Beschwerdeführer an, er kenne diese Leute nicht und könne keine Namen nennen. Sie seien zu seinem Onkel gekommen, zumal er der Familienälteste sei. Der Beschwerdeführer sei nicht persönlich bedroht worden, jedoch hätten die Taliban ihn mitnehmen und ihn einer Kampfausbildung unterziehen wollen.

4. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ihm wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraphen 57 und 55 AsylG 2005 erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch IV.).

Der Begründung des im Spruch bezeichneten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer in Bezug auf die versuchte Rekrutierung durch die Taliban in mehrere Widersprüche verstrickt habe. Individuelle Umstände, die dafürsprechen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage gelangen würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Artikel 3, EMRK darstellen würde, würden nicht vorliegen. In der Hauptstadt Afghanistans, Kabul, besitze der Beschwerdeführer eine innerstaatliche Lebens- und Wohnalternative. Weiters seien keine erheblichen Gründe hervorgetreten, welche auf eine besondere Bindung zu Österreich hinweisen würden.

Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARG Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

5. Mit Schreiben vom 26.07.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid, in welcher er seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des Paragraph 16, Absatz eins, BFA-VG ins Treffen führte und anregte, die Aufhebung dieser präjudiziellen Norm beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Der Beschwerdeführer monierte, die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und würden sich nicht mit seinem konkreten Fluchtvorbringen auseinandersetzen. Es seien wesentliche Ermittlungen hinsichtlich Zwangsrekrutierungen unterlassen worden. Zudem seien die Länderberichte der belangten Behörde über die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des afghanischen Staates unvollständig. Der Beschwerdeführer zitierte in diesem Zusammenhang diverse Länderberichte. Insgesamt habe das Bundesamt nach mangelhaftem Ermittlungsverfahren und Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs das Verfahren mit einer mangelhaften Beweiswürdigung und Begründung belastet. In Bezug auf die Ausführungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, wonach der Beschwerdeführer einmal den Begriff "unser Haus" benutzt und ansonsten die Bedrohung und Entführung im Haus des Onkels geschildert hätte, hält der Beschwerdeführer weiters fest, dass er mit dem Begriff "unser Haus" ein Haus seiner Familie gemeint habe.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem Beschwerdeführer nicht offen, zumal die Taliban in ganz Afghanistan aktiv seien. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der kampffähigen Männer und aufgrund seiner unterstellten politischen Einstellung von den Taliban verfolgt werde, lasse für ihn die Definition des Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zutreffen, weil sich die Verfolgungshandlungen und asylrelevanten Diskriminierungen unter Artikel 10, Absatz eins, Litera a und d der Statusrichtlinie subsumieren ließen. Eine Rückkehr zu seinen Verwandten komme aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage nicht in Betracht. Letztlich sei dem Beschwerdeführer zumindest ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK gemäß Paragraph 55, AsylG zu gewähren. Dem Beschwerdeschriftsatz fügte der Beschwerdeführer abschließend diverse Integrationsbestätigungen bei.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 06.09.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Stellungnahme vom 05.09.2016 führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, als low-profile-Fall sei der Beschwerdeführer in Kabul keiner erhöhten Gefährdung ausgesetzt. Weiters sei es nur schwer vorstellbar, dass die mit dem Beschwerdeführer in Kontakt getretenen Taliban wie aus dem Nichts von der Ferne aufgetaucht und wieder in der Ferne verschwunden seien. Naheliegend sei, dass die Taliban aus dem Dorf oder der näheren Umgebung stammten; somit hätte der Beschwerdeführer die Taliban identifizieren können. Ferner hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, es sei unverständlich, auf welchen Argumenten die "politische Einstellung" des Beschwerdeführers beruhe, sei sein bisheriges Leben bisher unpolitisch verlaufen. Abschließend hielt die belangte Behörde fest, der Besuch eines Deutschkurses oder eine Berufsausbildung allein würde noch kein schützenswertes Privatleben begründen.

7. Am 11.01.2018 wurde die Vollmacht von Rechtsanwalt Dr. Gerhard MORY bekanntgegeben und die Beschwerde wie folgt ergänzt: Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers, römisch XXXX , sei besonders stark von den Aktivitäten aufständischer Gruppen geprägt und überschattet. Junge, wehrfähige Männer und heranwachsende Jugendliche befänden sich in diesem Gebiet in besonderer Weise im Verfolgungsfokus der Aufständischen. Die relevanten, individuellen Verfolgungsvorfälle und Bedrohungsereignisse hätten im Zeitraum vom ungefähr 15. bis 20.10.2014 stattgefunden. Der Onkel des Beschwerdeführers sei in dem Heimatgebiet ein besonders angesehener Mann. In der Nachbarschaft würden Dorfbewohner leben, die mit den Taliban zusammenarbeiten. Diese hätten offensichtlich den Taliban Informationen über die Betroffenen gegeben, sodass die Taliban in das Haus des Onkels gegangen seien. Ebengenanntes Haus sei ungefähr fünfzehn bis zwanzig Minuten Gehstrecke vom Haus der Familie des Beschwerdeführers entfernt. Beim ersten Mal seien die Taliban in das Haus des Onkels gekommen und hätten gefordert, dass der Cousin des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer für die Taliban kämpfen und sich ihnen anschließen. Nach dieser ersten Bedrohung sei der Onkel zu Besuch in das Haus des Beschwerdeführers gekommen und habe vom Vorfall berichtet, wobei er diesen nicht ausreichend ernst genommen habe. Drei oder vier Tage später sei der Onkel erneut zum Beschwerdeführer und dessen Familie gekommen und habe ihnen erzählt, dass die Taliban seinen Sohn mitgenommen hätten. Am nächsten Tag sei der Beschwerdeführer mit seinen Eltern aus dem Dorf in die Stadt geflüchtet.

Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer ein persönliches Zusammentreffen mit den Taliban in seinem eigenen Haus nicht geschildert. Hätte die Verwaltungsbehörde ihrer Verpflichtung entsprochen, die Aussage des Beschwerdeführers gesamthaft zu betrachten, zu analysieren und zu würdigen und dabei auf die besonderen Umstände abzustellen, unter denen derartige asylbehördliche Einvernahmen ablaufen, so hätte sie dem Beschwerdeführer wegen der in Rede stehenden, geringfügigen Ungereimtheit oder Unklarheit, im Punkte der Tatsachenfrage: "Hat es nun einen direkten Kontakt zwischen den die Zwangsrekrutierung fordernden / vornehmenden Taliban und dem Beschwerdeführer gegeben?" keinesfalls zur Gänze die Unglaubwürdigkeit absprechen dürfen.

Weiters bestehe für den Beschwerdeführer keinesfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative, zumal er als Taliban-Deserteur einer besonderen Verfolgungsgefährdung ausgesetzt sei. Ob dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe, lasse sich zudem nicht allgemein, abstrakt und generell beurteilen. In Bezug auf die Lage in Kabul verwies der Beschwerdeführer auf die gutachterliche Äußerung des Sachverständigen Dr. Rasuly zur AZ W217 2119069.

8. Mit Schriftsatz vom 26.04.2017 teilte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, er könne an der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht teilnehmen, und beantragte, ihm nach der mündlichen Verhandlung nochmals schriftliches Parteiengehör einzuräumen.

9. Am 02.05.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Vertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, diese umfassend darzulegen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Beschwerdeführervertreterin stellte zum Beweis, dass die Taliban durchaus auf die vom Beschwerdeführer geschilderte Art operieren würden, den Antrag auf Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens.

10. Mit Beschluss vom 18.05.2017 wurde Frau M römisch XXXX römisch XXXX D zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet Länderkunde (Afghanistan) bestellt und mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt.

11. In der Stellungnahme vom 23.05.2017 führte der Beschwerdeführervertreter im Rahmen des ergänzend eingeräumten Parteiengehörs im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe durchaus schlüssig dargelegt, warum er eingangs der Verhandlung seinen Namen mit römisch XXXX angeführt habe. Weiters wurde die Frage in den Raum gestellt, wie der Beschwerdeführer über die Taliban, deren Kommandostruktur etc. wissen könne, wo doch derartige Organisationen solche Internas nicht nach außen hin preisgeben würden und der Beschwerdeführer nie Mitglied dieser Organisation gewesen sei. Es sei keinesfalls unplausibel und widerspreche nicht der Lebenserfahrung, dass die Taliban die Weigerung des Onkels, seinen Sohn den Taliban zu überlassen, mit der Entführung des Sohnes sowie mit dessen Ermordung sanktioniert hätten. Ferner stelle die Vermutung, die Taliban wären nicht in der Lage, den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers anderswo in Afghanistan in Erfahrung zu bringen, eine reine Hypothese und Fiktion dar. So zeige der Artikel von Friederike Stahlmann, Bedrohungen im sozialen Alltag Afghanistans, Asylmagazin 3/2017, auf, dass es nicht möglich sei, in Afghanistan unter falscher Identität eine neue Existenz aufzubauen. Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Bedürfnisse des Beschwerdeführers sei auch zu berücksichtigen, dass ihm das Recht zugestanden werden müsse, mit seiner Ehefrau zusammen zu leben, was auch den paschtunischen Traditionen entspreche. Es wäre daher eine Mindestexistenzsicherung für zwei Personen in Kabul oder einer anderen als Rückkehroption in Betracht gezogenen afghanischen Großstadt erforderlich. Daran anschließend brachte der Beschwerdeführervertreter ausführlich zur Lage in Afghanistan vor, insbesondere verwies er darauf, dass nach Stahlmann die Annahme, dass zumindest alleinstehende, junge und gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern können, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend in Frage zu stellen sei. Als aus Europa abgeschobener "verwestlichter", unter dem Verdacht des Glaubensabfalls stehender Rückkehrer wäre der Beschwerdeführer von Bedrohungen durch "Gewalt im sozialen Umfeld" in besonderer Weise betroffen. Abschließend führte der Beschwerdeführervertreterin Einwendungen zum Gutachten von Mag. Karl Mahringer ins Treffen.

Der Beschwerdeführervertreter stellte den Antrag, ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme zum eingeholten Gutachten einzuräumen.

12. Am 21.01.2019 wurde dem erkennenden Gericht mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer mit römisch XXXX aus der Grundversorgung des Landes römisch XXXX aufgrund einer saisonellen Beschäftigung im Bundesland römisch XXXX entlassen worden sei.

13. Mit Eingabe vom 22.02.2019 wurden diverse Integrationsbestätigungen in Vorlage gebracht.

14. Am 19.02.2019 übermittelte die Sachverständige M römisch XXXX römisch XXXX D das in Auftrag gegebene Gutachten, in welchem zusammenfassend ausgeführt wurde, die Angaben des Beschwerdeführers hätten insofern bestätigt werden können, als dass er tatsächlich aus dem Dorf römisch XXXX , Distrikt

römisch XXXX , Provinz römisch XXXX stamme. Die Vorortrecherche habe ergeben, dass der Vater des Beschwerdeführers in der Stadt römisch XXXX ein Geschäft geführt und gelegentlich seine Söhne mitgenommen habe. Bewohner des Dorfes hätten weiters bestätigt, dass der Vater und auch der Onkel des Beschwerdeführers bei Ratsversammlungen des Dorfes hinzugezogen worden seien. Die Taliban seien in der gesamten Provinz römisch XXXX präsent und in mehreren Distrikten vorherrschend, weshalb Zwangsrekrutierungen durch die Taliban in dieser Provinz nicht ausgeschlossen werden könnten. Auch Bewohner aus der Heimatregion des Beschwerdeführers hätten von Fällen von Zwangsrekrutierung durch die Taliban erzählt. Die Probleme der Großfamilie mit den Taliban, insbesondere im Zusammenhang mit der Entführung und der anschließenden Tötung des Cousins des Beschwerdeführers durch die Taliban seien den Bewohnern weitgehend bekannt. Der Onkel des Beschwerdeführers lebe mit dessen römisch XXXX und Töchtern nach wie vor im Heimatdorf. Dorfbewohner hätten erzählt, dass die Taliban über hinreichend Einfluss im Dorf verfügen würden und von vielen Bewohnern, darunter auch Dorfälteste freiwillig unterstützt werden würden. Regierungstruppen hätten zu vielen Dörfern in der Provinz

römisch XXXX keinen Zugang. Jugendliche, die der Forderung der Taliban, sich ihnen anzuschließen, nicht Folge leisten würden, würden sich der Verfolgung der Taliban aussetzen. Wenn solch ein Jugendlicher nicht greifbar sei, müsse sich das Familienoberhaupt des jungen Mannes vor den Taliban direkt oder über eine Kontaktperson (zum Beispiel über den Mullah der Dorfmoschee) gegenüber den Taliban verantworten. Es gebe Fälle, in denen das Familienoberhaupt von den Taliban getötet worden sei. Dies trete insbesondere dann auf, wenn die Taliban herausfinden, dass das Familienoberhaupt den Jugendlichen zum Beispiel bei der Flucht unterstützt habe. Der Onkel des Beschwerdeführers sei eine ältere Person, weshalb er von den Taliban nicht dazu aufgefordert werde, für sie Dienste zu erbringen. Mit der Ermordung von dessen Sohn hätten die Taliban die zu erwartende Bedrohung umgesetzt. Die Taliban würden über ein Informationsnetzwerk verfügen.

Bei Paschtunen sei es ferner üblich, dass vor allem männliche Gäste nur in Anwesenheit einer männlichen Person im Haus empfangen und bewirtet werden. Zur Ehe des Beschwerdeführers führte die Sachverständige aus, dass einer der befragten Dorfbewohner angegeben habe, dass der älteste Sohn von römisch XXXX vor vielen Jahren seine Cousine geheiratet hätte.

15. Am 06.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde das Ergebnis der Beweisaufnahme sowie die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 sowie der Landinfo report zu Afghanistan übermittelt und ihnen eine Frist zur allfälligen Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.

16. In der daraufhin eingelangten Stellungnahme vom 18.03.2019 brachte der Beschwerdeführervertreter im Wesentlichen vor, es könne nicht zweifelhaft sein, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Heimatprovinz und seines Heimatgebietes von asylrelevanter, hinreichend eingriffsintensiver Verfolgung durch die Taliban bedroht sei und diese Verfolgung auf einer der in der Konvention genannten Gründe - auf politischen oder religiösen Gründen - beruhe. Die Vorstellung, der Beschwerdeführer könne zum Beispiel in Kabul oder Mazar-e Sharif als Fremder untertauchen, ohne dass seine Verfolger davon Kenntnis erlangen würden, sei schlichtweg naiv und realitätsfern. Es sei konkret zu befürchten, dass sich der Beschwerdeführer auf der schwarzen Todesliste der Taliban befinde. Im Falle einer Ansiedlung in einer der Großstädte habe der Beschwerdeführer damit zu rechnen, dass über bestehende soziale Netzwerke diese Ansiedlung früher oder später auch in seiner Herkunftsgemeinde bekannt werde und dort den Taliban verraten werde. Letztlich sei dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative jedenfalls nicht zumutbar, zumal er nicht in der Lage wäre, seine elementarsten Versorgungsbedürfnisse aus eigener Kraft abzudecken. Dabei verwies er erneut auf die Gefährdung des Beschwerdeführers als Rückkehrer aus Europa und zitierte diverse Länderberichte. In Hinblick auf den EASO-Länderbericht von August 2017 wurde ausgeführt, in Afghanistan gebe es schlichtweg keine realistischen sozio-ökonomischen Überlebens-und Existenzmöglichkeiten. In der Stadt Mazar-e Sharif gebe es seit 2013 einen wirtschaftlichen Einbruch; Gelegenheitsarbeiter hätten weniger Jobmöglichkeiten und würden die Löhne stagnieren oder gar sinken. Wer keine Tazkira habe, könne im Bereich einer weiten Bandbreite von "elementaren Rechten" einschließlich Wohnen, Gesundheitsdienste, Bildung, humanitäre Unterstützung, öffentliche Dienstleistungen benachteiligt werden. Weiters verschärfe sich die humanitäre Krise durch die anhaltende Dürre in Afghanistan. Eine Zuflucht in Kabul, Herat, Mazar-e Sharif oder einer anderen Großstadt sei aufgrund des mangelnden Zugangs zu lebensunterhalterwirtschaftender Arbeit und mangelnder, zumutbarer, nicht schwer gesundheitsschädlicher Unterkunft, fehlender medizinischer Notfall- und Grundversorgung, mangelndem sauberen Trinkwasser und ausreichenden Nahrungsmitteln unzumutbar. In weiterer Folge führte der Beschwerdeführervertreter zum Länderinformationsblatt vom 31.01.2019 zusammenfassend aus, die Sicherheitslage in Afghanistan sei extrem volatil und im ganzen Land herrsche ein sehr hohes Maß an willkürlicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung.

Abschließend hielt der Beschwerdeführervertreter fest, beim Beschwerdeführer liege eine gut gelungene Integration in sprachlicher, zivilgesellschaftlicher und privater Hinsicht vor. Der Beschwerdeführer sei vom römisch XXXX .2018 bis römisch XXXX .2019 als Abwäscher tätig gewesen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde sowie der Beschwerdeergänzung gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Stellungnahmen, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, des eingeholten Sachverständigengutachtens, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 26.11.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ihm wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraphen 57 und 55 AsylG 2005 erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch IV.). Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26.07.2016 fristgerecht Beschwerde, woraufhin am 02.05.2017 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Vertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu stattfand, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, diese umfassend darzulegen. Mit Beschluss vom 18.05.2017 wurde Frau M römisch XXXX römisch XXXX D zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet Länderkunde (Afghanistan) bestellt und mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt. Am 19.02.2019 übermittelte die Sachverständige das in Auftrag gegebene Gutachten, in welchem sie die Angaben des Beschwerdeführers im Wesentlichen bestätigte.

1.2. Zum Beschwerdeführer:

Der volljährige und kinderlose Beschwerdeführer führt den Namen römisch XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und wurde am römisch XXXX in der Provinz römisch XXXX , im Distrikt römisch XXXX , im Dorf römisch XXXX geboren. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischer Muslim und seine Muttersprache ist Paschtu. Der Beschwerdeführer ist mit seiner Cousine väterlicherseits ungefähr seit seinem römisch XXXX Lebensjahr traditionell verheiratet.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besteht aus seinen Eltern, seinen zwei jüngeren Brüdern sowie seiner Ehefrau, welche seit der Ausreise des Beschwerdeführers in der Nähe von römisch XXXX , Afghanistan, leben. Seine Ehefrau wird vom Vater des Beschwerdeführers finanziell versorgt.

Der Beschwerdeführer ist im Distrikt römisch XXXX , im Dorf römisch XXXX aufgewachsen und hat ebendort fünf Jahre die Schule besucht. Sein Vater hat in der Provinzhauptstadt römisch XXXX ein Textilgeschäft geführt und wurde dabei im Verkauf gelegentlich vom Beschwerdeführer unterstützt. Die Führung des Textilgeschäftes obliegt nunmehr dem Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers, wobei sein Vater für die Verwaltung des Geldes zuständig ist. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt mit seiner Familie.

Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter und gesund. Er ist mit der afghanischen Tradition und Lebensweise vertraut.

Der Beschwerdeführer verfügt in Afghanistan neben seiner Kernfamilie noch über einen Onkel väterlicherseits und dessen Familie, welche sich nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers aufhalten; zu diesen pflegt der Beschwerdeführer keinen Kontakt.

Der Beschwerdeführer beherrscht die deutsche Sprache gut und hat das Österreichische Sprachdiplom Deutsch (in Folge kurz "ÖSD") -Zertifikat auf dem Sprachniveau A2 mit gutem Erfolg bestanden. Zuletzt hat der Beschwerdeführer einen Deutschkurs auf dem Sprachniveau B1 besucht. Zusätzlich hat er den Pflichtschulabschluss am römisch XXXX .07.2017 erworben und am Clearing für die Aufnahme in das Ausbildungsprojekt römisch XXXX teilgenommen. In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer freitags für zwei Stunden Fußball in einem Verein und hilft bei Bedarf seinem Unterkunftgeber, dem Pfarrer römisch XXXX . Der Beschwerdeführer pflegt Freundschaften zu Österreichern. Im Zeitraum vom römisch XXXX .2018 bis römisch XXXX .2019 war er als Abwäscher im römisch XXXX beschäftigt und selbsterhaltungsfähig[l1]. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Onkel des Beschwerdeführers wurde im Jahr 2014 von den Taliban, welche in der Heimatregion des Beschwerdeführers präsent sind, aufgefordert, seinen Sohn sowie seinen Neffen (den Beschwerdeführer), als Rekruten zu übergeben. Nachdem dieser der Forderung nicht nachgekommen ist, wurde der Sohn des Onkels von den Taliban entführt und in weiterer Folge getötet.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Kernfamilie wurden von den Taliban jemals persönlich bedroht oder verfolgt.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hat. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan (Mazar-e Sharif oder Herat) Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten ebenfalls nicht festgestellt werden. Er kann dort seine Existenz - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Es kann nicht festgestellt werden, dass er nicht in der Lage ist, in Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Mazar-e Sharif und Herat sind über die dort vorhandenen Flughäfen sicher erreichbar.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht von seiner Familie finanziell unterstützt werden kann.

1.5. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der im Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen:

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 31.01.2019 [l2](in Folge kurz "LIB"):

1.5.1.1. Zur Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen (LIB Kapitel 3.):

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil. Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben.

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant.

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben. Dies deutet auf einen Rückgang von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nichtziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016.

Im Jänner 2018 waren 56,3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14,5% der Distrikte kontrollierten bzw unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29,2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw dem Einfluss der afghanischen Regierung.

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte) zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen.

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben. Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen. Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen.

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die Afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu.

1.5.1.2. Neueste Ereignisse (LIB Kapitel 1.):

Am Samstag dem 26.01.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern. Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren. Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde. Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden. Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.01.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten. Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt. Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen, fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte.

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.01.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben. Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet. Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war. Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar.

Am Vortag, dem 20.01.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere.

Des Weiteren detonierte am 14.01.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe. Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt. Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban.

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung. Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben. Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag.

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl Am 06.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig. Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert. Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet. Am 08.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige. Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10 % der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden. Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange. Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint. Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht. Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.04.2019 auf den 20.07.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt.

1.5.1.3. Zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, Kunar (LIB Kapitel 3.4.):

Die Provinz Kunar befindet sich in Ostafghanistan. Sie grenzt im Norden an die Provinz Nuristan, im Süden an die Provinz Nangarhar, im Westen an die Provinz Laghman und im Osten an die Durandlinie.

Kunar hat folgende Distrikte: Asadabad, Khas Kunar/Khaskunar, Noorgul/Noorgul, Sawkai/Chawki, Narang, Sarkano/Sarkani, Marawar/Marawara, Shigal/Shigal Wa Sheltan, Dangal/Dangam, Asmar, Ghazi Abad/Ghaziabad, Nari, Watapur, Chapa Dara/Chapadara und Dara-e-Pech/Pech; die Provinzhauptstadt ist Asadabad. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 465.706 geschätzt. In der Provinz leben Teilstämme der Paschtunen und Nuristani.

In Kunar stieg die Opium-Produktion im Jahr 2017 (+358 Hektar), wenngleich nicht so stark wie in der Provinz Nangarhar. Insgesamt wurden im selben Jahr in Kunar 31 Hektar an Opiumfeldern umgewidmet.

In den ersten zwei Monaten des Jahres 2018 zählte Kunar zu den relativ volatilen Provinzen Ostafghanistans: Aufständische der Taliban und des IS waren in einigen Distrikten aktiv. Verlautbart wurde auch, dass al-Qaida-Aufständische in einigen Distrikten aktiv sind.

Kunar gehört zu den Provinzen, in denen sicherheitsrelevante Vorfälle bedeutend waren. Auch zählt Kunar zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Obwohl die Anzahl der Gefechte in Kunar zunahm, wurden in der Provinz weniger zivile Opfer in Folge von Bodenoffensiven registriert. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.04.2018 wurden in der Provinz 120 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Kunar 224 zivile Opfer (70 getötete Zivilisten und 154 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gezielte Tötungen und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 43% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Dabei werden u.a. Taliban und IS-Kämpfer getötet. Im Rahmen von Luft- bzw. Drohnenangriffen werden Aufständische getötet. Auch wurden Anführer des IS in Afghanistan, wie z.B. Abu Sayed, getötet. Im Rahmen von Luftangriffen wurden auch Mitglieder der pakistanischen Taliban Tehreek-e-Taliban (TTP) getötet. Unter ihnen befand sich der Sohn des pakistanischen TTP-Chefs Mullah Fazlullah.

In der Provinz kam es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Pakistanische Sicherheitskräfte feuern Granaten und Mörser auf die Provinz Kunar ab. Betroffen sind die Distrikte Asmar, Shigal wa Sheltan, Marwara, Sarkano, Dangam, Nari und Khaskunar; zahlreiche Familien mussten Ende 2017 aus den betroffenen Distrikten flüchten.

Unterschiedliche terroristische Organisationen sind in der Provinz in abgelegenen Distrikten aktiv; zu diesen Gruppierungen zählen die Taliban, der IS und auch al-Qaida. Konflikte zwischen aufständischen Gruppierungen fanden statt. In der Provinz sind Taliban-Kämpfer aktiv, insbesondere Mitglieder der TTP, einer Taliban-Gruppierung deren Kämpfer aufgrund von Angriffen der pakistanischen Streitkräfte aus Pakistan in die Grenzprovinzen Ostafghanistans geflüchtet sind. Die TTP hat in der Vergangenheit enge Kontakte zu al-Qaida gepflegt. Die konkrete Mitgliederanzahl der al-Qaida, unter anderem in der Provinz Kunar, ist umstritten.

Die konkrete Anzahl von IS-Kämpfern in Kunar ist nicht bekannt, Schätzungen zufolge soll es sich um einige Hunderte handeln. Die afghanische Regierung wurde bezichtigt, landesweit die Zahlen zu IS-Kämpfern aufzublähen. Die IS-Kämpfer in der Provinz Kunar sollen angeblich von Ausländern ausgebildet werden. IS-Anführer hatten im Juli 2017 in der Provinz Kunar, im Distrikt Shigal wa Sheltan, ihren Stützpunkt. Berichten zufolge sollen Sympathisanten des Islamischen Staates angefangen haben, in der Provinz Kunar Mitglieder zu rekrutieren; die Zielgruppe der Rekrutierungen sind insbesondere die zahlreichen arbeitslosen Jugendlichen. Trotzdem ist fraglich, ob der IS tatsächlich Kontrolle in der Provinz Kunar ausübt.

Im Zeitraum 01.01.2017 - 31.01.2018 wurden IS-bezogene sicherheitsrelevante Vorfälle in der Provinz Kunar registriert.

1.5.1.4. Zur Sicherheitslage in der Stadt Herat, der Hauptstadt der Provinz Herat (LIB Kapitel 3.13.):

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt.

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden. Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet. Die Safran-Produktion garantierte zB auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten.

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat.

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen. Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen. Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden.

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern. Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge.

Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.04.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen.

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren. Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen.

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden. ACLED registrierte für den Zeitraum 01.01.2017 - 15.07.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat.

1.5.1.5. Zur Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh (LIB Kapitel 3.5.):

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden. Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt.

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen.

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren.

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur. Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

In der Provinz befindet sich ua das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North), sowie auch das Camp Shaheen.

Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.04.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68 % im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt.

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen. Im Zeitraum 01.01.2017 - 15.07.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.07.2017 - 31.01.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert.

1.5.1.6. Zur Lage der Paschtunen (LIB Kapitel 16.1.):

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari. Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben.

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen.

1.5.1.7. Religionsfreiheit (LIB Kapitel 15.):

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan.

1.5.2. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge (LIB Kapitel 20.):

Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs). Im Zeitraum 2012 bis 2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen. Zwischen 01.01.2018 und 15.05.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23 % davon sind erwachsene Männer, 21 % erwachsene Frauen und 55 % minderjährige Kinder.

Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30 % der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.03.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt. Mit Stand Dezember 2017 lebten 54 % der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung.

Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern. Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw.

1.5.3. Grundversorgung und Wirtschaft (LIB Kapitel 21.):

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu. Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich sechs Prozent prognostiziert. Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1,4 % aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3,4 bzw 1,8 %. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3 % zurückgingen und die Importe um 8 % stiegen.

1.5.4. Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit (LIB Kapitel 21.):

In den Jahren 2016 und 2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013 bis 2014 bei 22,6 % gelegen hatte, um 1 %. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40 % der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80 % davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner).

1.5.5. Projekte der afghanischen Regierung (LIB Kapitel 21.):

Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern. Darunter fällt ua der fünfjährige (2017 bis 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind ua der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien. Das "Citizens' Charter National Priority Program" zB hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

1.5.6. Medizinische Versorgung (LIB Kapitel 22.):

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen. Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (va Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund zehn Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung.

In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht. Gründe dafür waren ua eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. Einer Umfrage der Asia Foundation zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert.

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011 bis 2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012 bis 2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren.

Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41 % der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel. In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 bis 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt. Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt.

1.5.7. Krankenkassen und Gesundheitsversicherung (LIB Kapitel 22.):

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden. Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken. Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden.

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen. 90 % der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen

1.5.8. Krankenhäuser in Afghanistan (LIB Kapitel 22.1.):

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw schnellere medizinische Versorgung zu bekommen. Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw der Tazkira erforderlich. In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw fachlicher Expertise nicht behandelt werden können. Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung.

1.5.9. Zur wirtschaftlichen Situation von Rückkehrern (LIB Kapitel 23.):

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (zB IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (zB IPSO und Anzahl der Rückkehrer/innen aus dem Ausland nach Provinzen). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung.

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben.

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten.

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

1.5.10. Zur Lage von als "verwestlicht" wahrgenommenen Personen:

Personen, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten, wurden Berichten zufolge von regierungsfeindlichen Gruppen bedroht, gefoltert oder getötet, weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen gemacht hätten, "Ausländer" geworden seien oder als Spione oder auf andere Weise ein westliches Land unterstützten. Heimkehrern wird von der örtlichen Gemeinschaft, aber auch von Staatsbeamten oft Misstrauen entgegengebracht, was zu Diskriminierung und Isolierung führt (UNHCR 30.08.2018 S. 52 f).

1.5.11. Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte:

Regierungsfeindliche Kräfte nutzen in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, Berichten zufolge verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind Berichten zufolge ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden. Regierungsfeindliche Kräfte rekrutieren, so wird berichtet, weiterhin Kinder, um sie für Selbstmordanschläge, als menschliche Schutzschilde oder für die Beteiligung an aktiven Kampfeinsätzen zu verwenden, um Sprengsätze zu legen, Waffen und Uniformen zu schmuggeln sowie als Spione, Wachposten oder Späher für die Aufklärung (UNHCR 30.08.2018 S. 59 f).

1.5.12. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018:

"[...] 2. Analyse der Zumutbarkeit

[...]

c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben

Eine vorgeschlagene Flucht- oder Neuansiedlungsalternative ist nur dann zumutbar, wenn der Antragsteller in dem betreffenden Gebiet seine grundlegenden Menschenrechte ausüben kann und Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben unter würdigen Bedingungen vorfindet. In dieser Hinsicht muss bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative insbesondere auf Folgendes geachtet werden: (i) Zugang zu einer Unterkunft im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet (ii) Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur und Zugang zu grundlegender Versorgung im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet wie Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung (iii) Lebensgrundlagen einschließlich des Zugangs zu Land für Afghanen, die aus ländlichen Gebieten stammen, oder im Fall von Antragstellern, von denen nicht erwartet werden kann, dass sie für ihren eigenen Unterhalt sorgen (zum Beispiel ältere Antragsteller), erwiesene und nachhaltige Unterstützung zur Erreichung eines angemessenen Lebensstandards. Zu den Punkten (i) - (iii) im konkreten Kontext von Afghanistan wurde die Bedeutung der Verfügbarkeit und des Zugangs zu sozialen Netzen, bestehend aus der erweiterten Familie des Antragstellers oder aus Mitgliedern seiner ethnischen Gemeinschaft, bereits ausführlich dokumentiert. In dieser Hinsicht kann allein aus der Anwesenheit von Personen mit demselben ethnischen Hintergrund wie der des Antragstellers im geplanten Neuansiedlungsort nicht geschlossen werden, dass solche Gemeinschaften den Antragsteller maßgeblich unterstützen würden; eine solche Unterstützung würde in der Regel vielmehr konkrete frühere gesellschaftliche Beziehungen zwischen dem Antragsteller und einzelnen Mitgliedern der betreffenden ethnischen Gemeinschaft voraussetzen. Selbst wenn derartige bereits zuvor bestehende, soziale Beziehungen gegeben sind, sollte aber geprüft werden, ob die Mitglieder dieses Netzes auch bereit und trotz der prekären humanitären Lage in Afghanistan, der niedrigen Entwicklungsindikatoren und der generellen wirtschaftlichen Zwänge, unter denen weite Teile der Bevölkerung leiden, auch wirklich in der Lage sind den Antragssteller tatsächlich zu unterstützen. Inwiefern Antragsteller auf Unterstützung durch Familiennetzwerke im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet zurückgreifen können, muss auch im Lichte der berichteten Stigmatisierung und Diskriminierung von Personen, die nach einem Aufenthalt im Ausland nach Afghanistan zurückkehren, geprüft werden.

Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen. [...]"

1.5.13. Auszug aus der Arbeitsübersetzung des Landinfo report Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne:

"[...]

ZUSAMMENFASSUNG

Die Strukturen der Nachrichtendienste der Taliban sind im Laufe der Zeit entstanden und wurden dabei zunehmend ausgefeilter. Trotz der Bemühungen, die nachrichtendienstliche Tätigkeit über die verschiedenen Taliban-Shuras hinweg zu koordinieren und zu synchronisieren, wirkte sich die interne Aufspaltung der Taliban auf deren Funktionsweise aus. Die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Taliban ist mittlerweile ziemlich flächendeckend, aber die Qualität der Informationen, die die Taliban-Führung erreichen, ist nicht immer die beste. Es zählt zu den Hauptaufgaben dieser Dienste, die Einschüchterungskampagne der Taliban gegen ‚Kollaborateure' der Kabuler Regierung und gegen andere Feinde der Taliban zu ermöglichen. Der Taliban-Führung scheint daran gelegen zu sein, willkürliche Gewaltanwendung möglichst zu vermeiden und sich nach klar definierten Regeln ausschließlich auf Personen zu konzentrieren, die eindeutig Taliban-Gegner sind. Zwar werden die Regeln nicht immer eingehalten, aber die Führung scheint sich redlich darum zu bemühen.

[...]

IDENTIFIZIERUNG VON ZIELPERSONEN ZUR EINSCHÜCHTERUNG UND TÖTUNG

Insbesondere die Einschüchterung und Identifizierung von Zielpersonen durch die Taliban hängt stark von den Resultaten ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit ab. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Einschüchterung und Verfolgung nur eine von vielen Aufgaben der Nachrichtendienste sind. Die Taliban-Interviewpartner beschrieben die Aufgaben der Nachrichtendienste wie folgt: Tätigkeit für alle Bereiche der Taliban-Bewegung, Grundlagen für künftige Operationen legen und Gefahren seitens des Feindes abwehren, u.a. durch die Entlarvung feindlicher Informanten. Sie untersuchen auch verdächtige Kollaborateure der Regierung und wählen die Zielpersonen aus der schwarzen Liste aus, die auf die Abschussliste gesetzt werden sollen (dies ist eine Teilmenge der schwarzen Liste, mit denjenigen, die zur Tötung frei gegeben wurden). Eine Ausnahme bildet hier der Nachrichtendienst von Quetta, der nicht zu einer Militär-Kommission gehört und soweit berichtet wurde, keine Zielpersonen auswählt. Außerdem sollen die Dienste ein Auge auf Taliban haben, die sich daneben benehmen, wenn es also zu Übergriffen gegen die Bevölkerung und Korruption kommt.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach ‚fehlverhalten':

a) Politische Feinde: die Anführer und wichtigsten Mitglieder der Parteien und Gruppen, die den Taliban feindlich gesinnt sind; dazu gehören beispielsweise

a. Prof. Rabbani;

b. der starke Mann von Uruzgan, Jan Mohammad:

c. Gen. Daud.

b) Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer 'feindlicher' Regierungen - alle Zivilisten, die für die Regierung oder für westliche diplomatische Vertretungen und andere Einrichtungen arbeiten;

c) Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges;

d) Personen, von denen angenommen wird, dass sie die Taliban für die Regierung ausspionieren oder Informationen über sie liefern;

e) Personen, die gegen die Shari'a (entsprechend der Auslegung der Taliban) und die Regeln der Taliban verstoßen;

f) Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft;

g) Kollaborateure des ausländischen Militärs - praktisch jeder, der den ausländischen Streitkräften in irgendeiner Weise hilft;

h) Auftragnehmer der afghanischen Regierung;

i) Auftragnehmer anderer Länder, die gegen die Taliban sind;

j) Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten;

k) Personen jeder Art, die die Taliban in irgendeiner Weise für nützlich oder notwendig für ihre Kriegsführung erachten, die die Zusammenarbeit verweigern.

Diese Kategorien von Zielpersonen beinhalten eine Reihe von Gruppen, die sich nur schwer genau quantifizieren lassen, aber es dürften mit aller Wahrscheinlichkeit insgesamt mehr als eine Million Menschen sein (die Sicherheitskräfte sind zirka 400.000 bis 450.000 Mann stark, ferner hat die Regierung über 500.000 zivile Mitarbeiter, dazu kommen noch zehntausende von Auftragnehmern).

Anschläge gegen die genannten Personengruppen gibt es seit den Anfängen des Aufstandes (2002). In der Tat war die Ermordung einzelner ‚Kollaborateure' 2002-2004, als ihr militärisches Potenzial noch schwach war, die wesentliche Aktivität der Taliban. 2005-2007 begannen die Taliban großangelegte militärische Operationen und die gezielten Morde verloren etwas an Bedeutung. Ab 2007 mussten die Taliban vermehrt Einschüchterungstaktiken anwenden, als sie dem vermehrten militärischen Druck durch die ausländischen Streitkräfte (ISAF) ausgesetzt waren. Eine asymmetrische Taktik sollte die Konsolidierung der Kabuler Regierung verzögern bzw. verhindern.

Mit dem Abzug eines Großteils der ausländischen Streitkräfte im Laufe des Jahres 2014 verschoben sich die Prioritäten für die Taliban wiederum. 2014, als die ausländischen Kräfte kaum noch an den Kampfhandlungen teilnahmen, zeigten die Unterlagen der UNAMA über die zivilen Opfer von gezielten Ermordungen durch die Taliban einen leichten Rückgang um 3,6%, dies war der erste Rückgang seit Beginn der Erhebungen durch die UNAMA 2008. 2015 schnellte die Zahl dann wieder um 10,4% nach oben, 2016 fiel sie stärker als jemals zuvor, um 27,3% (Tabelle 1 unten). Da die Taliban nach übereinstimmenden Berichten zu diesem Zeitpunkt ihre Operationen ausweiteten und weite Gebiete unter ihre Kontrolle brachten, istdieser Rückgang sicherlich nicht darauf zurückzuführen, dass sie dazu weniger in der Lage gewesen wären, sondern vielmehr auf einen anderen Fokus und eine Änderung der Strategie: man war weniger daran interessiert, die afghanische Regierung zu unterminieren, als daran, sie direkt zu stürzen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass viele der ‚Kollaborateure', die sich schutzlos fühlten, aus diesen gefährdeten Gebieten flohen und die Taliban somit keine leichten Ziele mehr hatten.

Außer den Personen in den oben genannten Kategorien a), d), e) und

k) bieten die Taliban allen Personen, die sich ‚fehlverhalten' die Chance, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Personen in den Kategorien a), d), e) und k) haben allein schon durch die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie, Verbrechen begangen, im Gegensatz zu einer Tätigkeit als Auftragnehmer. Dies sehen die Taliban nur dann als Verbrechen an, wenn der Auftragnehmer die Warnungen der Taliban in den Wind schlägt. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperation an die Taliban zu binden. Die Personen der Kategorien b), c), f), g), h), i) und j) können einer ‚Verurteilung' durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlichen 'feindseligen' Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen.

b) Regierungsmitarbeiter und Mitarbeiter westlicher Regierungen: Sie können einer Warnung oder Verurteilung vor Erhalt des letzten Drohbriefes entgehen, wenn sie Abgaben zahlen, Informationen liefern und ihre Kollegen für die Taliban ausspionieren, um deren Aktionen gegen die eigenen Arbeitgeber zu unterstützen oder zur Verbesserung der Organisation der Taliban beizutragen. Bekannte Einzelfälle sind:

römisch eins. Personal im Bildungswesen: können arbeiten, wenn ihre Bildungsbehörde oder Schule eine Vereinbarung mit den Taliban schließt, die Lehrpläne und Schulbücher ändert, für religiöse Fächer von den Taliban empfohlene Lehrer einstellt und den Taliban die Überwachung der Schule gestattet.

römisch II. Personal im Gesundheitswesen: darf arbeiten, wenn es sich bereit erklärt, verletzte Taliban-Mitglieder zu behandeln.

c) Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges: wie

b) oben, sie haben aber auch die Option, zu den Taliban überzulaufen und Absichtserklärungen mit den Taliban zu unterzeichnen (als gesamte Einheit), in denen eine im gemeinsamen Interesse liegende Gegenleistung angeboten wird.

f) Kollaborateure der afghanischen Regierung: wie b) oben

g) Kollaborateure des ausländischen Militärs und im militärischen Zusammenhang stehende Unterstützungsleistungen, einschließlich der Mitarbeiter in den Unterkünften: wie b) oben

h) Auftragnehmer der afghanischen Regierung: wie b) oben

  1. Litera i
    Auftragnehmer, die für talibanfeindliche Länder tätig sind: wie
  2. Litera b
    oben

j) Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten: wie b) oben

Die Taliban nennen als ihre wichtigsten Zielpersonen die Offiziere der nationalen Sicherheitsdienste (NDS), Dolmetscher bzw. alle, die für das/mit dem ausländischen Militär und Diplomaten arbeiten. So behaupten die Taliban beispielsweise, dass sie 2015 15 Dolmetscher in Kabul und den umliegenden Vororten getötet hätten und im Jahr 2016 bis Anfang Dezember 23; es bleibt unklar, ob die Taliban ihre Opfer auch zu Recht als Dolmetscher identifiziert haben. Die Taliban bauschen ihre Erfolge sicherlich auf, indem sie unzutreffende Opferzahlen angeben (insbesondere, wenn Bomben eingesetzt werden). Die meisten Angriffe fanden in den Vororten statt (2016 waren es 17). Die Taliban nehmen natürlich auch Ausländer ins Visier, insbesondere, wenn sie irgendwie an der Bekämpfung des Aufstandes beteiligt sind.

Überall, wo die Taliban vertreten sind, zielten sie von vorne herein insbesondere auf die Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte ab, die sich weigern, den Dienst zu quittieren. Sie übten Druck auf deren Familien aus, um deren Ausscheiden zu erzwingen und drohten Bestrafung an, wenn ihrer Forderung nicht Folge geleistet würde. In einigen Fällen sind sie sogar soweit gegangen, Verwandte hinzurichten. Zumeist waren diese Sicherheitskräfte und ihre Familien schließlich gezwungen, in sicherere, von der Regierung kontrollierte Gebiete umzusiedeln, obwohl die Taliban ihre Ziele teilweise auch dort heimsuchen. Andere, die es sich leisten können, scheiden aus und im Laufe der Jahre sind hunderte hingerichtet worden. Selbst diejenigen, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden.

Allerdings gibt es auch Ausnahmen von diesen allgemeinen Regeln zur Verfolgung von Zielpersonen. Die Mashhad Shura misst den Regierungskollaborateuren nur geringe Priorität zu, stattdessen konzentriert sie sich auf die Kollaborateure mit westlichen Regierungen, mit Daesh und auf Gegenspione sowie auf westliche Staatsangehörige. Die Rasool Shura kooperiert häufig taktisch mit den Sicherheitskräften der afghanischen Regierung und verfolgt die Regierungsmitarbeiter überhaupt nicht. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Jagd nach Eindringlingen von anderen Taliban-Gruppen. Ob aktive Angehörige der Sicherheitskräfte verfolgt werden, hängt auch von taktischen Erwägungen ab: die Mashhad Shura tut dies seit 2015 nicht mehr und in bestimmten Gebieten, in die sie erst kürzlich vorgedrungen sind, fahren die Taliban einen sanfteren Kurs, sie wirken auf die Familien ein, ihre Söhne aus den Sicherheitskräften herauszuholen, jedoch ohne Gewaltandrohung. Somit hängt das Maß der tatsächlichen proaktiven Verfolgung von Angehörigen der Sicherheitskräfte durch die Taliban von taktischen Erwägungen ab.

Ende 2016 gaben Taliban-Quellen an, dass fast 15.000 Personen auf ihrer nationalen schwarzen Liste stünden. Das lässt vermuten, dass die Taliban keinen Zugang zu den staatlichen Datenbanken über das Sicherheitspersonal oder Regierungsmitarbeiter haben, ansonsten wäre die Zahl wesentlich höher. Dies ist nicht überraschend, denn die Regierung selbst ist kaum in der Lage zuverlässig anzugeben, wer den Sicherheitskräften angehört bzw. für die Regierung arbeitet. Im Anfangsstadium des Krieges war es durchaus üblich, dass die Taliban Polizisten und Soldaten an Straßensperren abfingen, wenn sie im Urlaub waren und ihre Ausweise dabei hatten. Sehr schnell wurde es immer schwieriger, jemanden zu fangen, der dumm genug war, seinen Ausweis mit sich zu führen.

Im Grunde genommen steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein ‚Übeltäter' ist und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können. Diese Details sind wesentlich, denn nach den Regeln der Taliban, muss ein Kollaborateur gewarnt werden und Gelegenheit erhalten, auf den richtigen Weg zurückzukehren, bevor er auf die schwarze Liste gesetzt wird. Damit die Einschüchterungstaktiken der Taliban funktionieren, hängen sie also davon ab, dass ihre Informanten Angaben zu den potenziellen Zielpersonen liefern. Die Taliban behaupten jedoch, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, dass sie regelmäßig Berichte darüber erhalten, wer neu ins Land einreist.

Gezielte Tötungen können relativ einfach gezählt werden und haben eindeutig im Laufe der Jahre als Rache für die ‚Nachtangriffe' der ISAF dramatisch zugenommen, sie richteten sich zunehmend gegen Zivilisten [...]. Es gibt keine UN-Daten über gezielte Morde vor 2008, es ist jedoch offensichtlich, dass die Taliban solche Morde auch schon 2004, möglicherweise noch früher, verübten, wenngleich in relativ geringem Ausmaß. Schon 2006 berichtete USAID, dass ihre Mitarbeiter seit drei Jahren in der Schusslinie stünden und sie ca. 100 Mitarbeiter verloren hätten. Die Morde an regierungstreuen Geistlichen begannen im Sommer 2005 im Süden. In Ermangelung genauer Zahlen für frühere Jahre lässt sich nur schwer abschätzen, was die Zahl von 2008 für die Tendenz der Ermordungen durch die Taliban aussagt, aber die Zahl der zivilen Opfer der Taliban stieg in diesem Jahr insgesamt um über die Hälfte, daher wäre die Vermutung naheliegend, dass auch die Zahl der gezielten Morde deutlich zugenommen hat. Es ist zu beachten, dass die UNAMA-Zahlen nur die zivilen Opfer gezielter Morde beinhalten, nicht aber Polizisten oder Armeeangehörige, obwohl diese die wichtigste Zielgruppe der Taliban sind. ISAF-Quellen schätzen, dass im Zeitraum März bis September 2011 von den 190 der von ihnen erfassten gezielten Morde, 50 afghanische Sicherheitskräfte betrafen, 32 Regierungsmitarbeiter und die Übrigen Personen, die nicht für die Regierung tätig waren: somit machten Sicherheitskräfte grob ein Viertel aller gezielten Morde aus.

Auf dieser Grundlage kann man schätzen, dass die Gesamtzahl der gezielten Morde bis 2015-16 fast 1.000 pro Jahr betrug. Die Taliban selbst behaupten, dass sie 2015 1.633 Personen bestraft hätten und über 2.000 im Jahr 2016. Diese Zahlen beinhalten Amputationen, körperliche Strafen und Verletzungen.31 Berücksichtigt man fehlgeschlagene Angriffe und willkürliche Tötungen (aus der Sicht der Taliban sind dies ‚nicht autorisierte Angriffe'), kann man schätzen, dass die Taliban jedes Jahr mindestens 15-20% der Personen auf ihrer schwarzen Liste angreifen.

DIE REGELN DER TALIBAN

Genauso wie Selbstmordattentate und Minen waren auch die gezielten Morde an Zivilisten bei den Taliban umstritten, denn einige waren dagegen, gegen Lehrer, Ärzte, Ingenieure etc. vorzugehen. Obwohl ehemalige Taliban oft wehmütig der mythischen ersten Jahre des Aufstandes gedenken, einer Zeit in der Zurückhaltung und Rechtsstaatlichkeit bei den Taliban herrschte und die endete als die alten Führer einer nach dem anderen getötet oder verhaftet wurden, waren die gezielten Tötungen 2005-2010 im Süden Afghanistans am intensivsten, obwohl die Taliban damals eine wesentlich kleinere Gruppe waren. Die gezielten Tötungen waren in Kandahar besonders schlimm als Hunderte von Ältesten umgebracht wurden. Nach einer ersten Welle der Gewalt, kam es nur noch relativ selten zu willkürlichen Tötungen von Spionageverdächtigen und Regierungskollaborateuren, da sich nur wenige Dorfbewohner trauten, den Taliban entgegenzutreten. Viele Älteste hatten Schwierigkeiten, sich an spezielle Gewaltakte ab 2014-16 zu erinnern.

In dem Maße, in dem das System der Taliban Gestalt annahm und ihre Verhaltenskodizes ausgefeilter wurden, wurden auch Regeln eingeführt, die vorschrieben, dass die Taliban Kollaborateure mindestens zweimal warnen mussten, bevor sie gegen sie vorgingen. Dieses Verfahren galt wohl ab 2009 oder 2010. Von der Regel ausgenommen sind lediglich ‚schlimme Kriminelle', wie führende Persönlichkeiten in der Regierung. Daher gilt folgendes Verfahren für das Vorgehen gegen einen bestimmten Kollaborateur:

1. Person identifizieren;

2. Kontaktdaten herausfinden (Adresse oder Telefonnummer);

3. Person mindestens zweimal warnen;

4. verhören und vor Taliban-Gerichte stellen;

5. Person auf die schwarze Liste setzen, wenn sie sich weigert, den Anordnungen der Taliban Folge zu leisten;

6. Günstige Gelegenheit abwarten, um zuzuschlagen.

Teil 4 wird ausgesetzt, wenn die Umstände Verhöre oder Inhaftierung nicht zulassen. So können die Taliban zum Beispiel in der Stadt Kabul normalerweise keine Verdächtigen oder Täter festnehmen, daher gibt es die beiden Alternativen, die Verdächtigen zu überwachen, bis sie Kabul verlassen und sie dann festzunehmen (die Taliban behaupten, 2015/16 350 solcher Festnahmen durchgeführt zu haben) oder die Mordkommandos zum Einsatz zu bringen, ohne den Umweg über ein Gerichtsverfahren.

Die praktische Durchführung von Abschnitt 6 (s.o.) hängt normalerweise von den Fähigkeiten des lokalen Verfolgungsteams ab, dessen Arbeitsauslastung und dem mit der Vollstreckung des ‚Urteils' verbundenen Risiko. Eine geschützte Zielperson bzw. eine in einem Gebiet, das von den Behörden stark bewacht wird, könnte zwar für die Taliban wichtig sein, bei ihrer Liquidierung bestünde aber andererseits auch ein hohes Risiko, dass das Mordkommando die Operation nicht überlebt. Eine weniger wichtige Zielperson, die in einem leicht zugänglichen Gebiet mit guten Fluchtmöglichkeiten wohnt, könnte von den Taliban eher liquidiert werden, als eine bedeutendere, die besser geschützt ist. Die Nachrichtendienste der Taliban geben ihre Listen der Verdächtigen an die Militär-Kommission (im Falle der Quetta Shura, an den Schattengouverneur; im Falle der Miran Shah Shura an den Provinzverteter des Haqqani-Netzes) weiter, die dann darüber entscheidet, welche von diesen Personen auf die schwarze Liste gesetzt werden. Jeder nachrichtendienstliche Abteilung in den Provinzen ist ein Team (Istakhbarati Karwan) zugeordnet, das in Absprache mit der Militär-Kommission Kollaborateure verfolgt. In den meisten Provinzen besteht das Team aus 20 Mitgliedern, ist aber an Orten wie Kabul größer. Die meisten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verfolgung einer Zielperson werden von den Karwan ausgeführt, weitere Gefahr droht ihnen jedoch durch die Kontrollstellen der Taliban und deren Patrouillen in den Dörfern, die jeweils über Auszüge der Liste der Zielpersonen verfügen.

Obwohl die politische Führung der Taliban anscheinend großen Wert auf die von ihr eingeführten Regeln legt und will, dass sie eingehalten werden, geben die meisten Taliban zu, dass es immer noch willkürliche Hinrichtungen gibt. Gelegentlich nehmen die Taliban Hinrichtungen aus Wut wegen Luft- und Nachtangriffen auf sie vor. Da er nichts dagegen unternehmen kann, könnte ein Taliban-Kommandant einige der Dorfbewohner zu Sündenböcken machen, insbesondere, wenn man sie sowieso schon in Verdacht hatte, den Taliban gegenüber nicht loyal zu sein. Außerdem leidet die Informationsbeschaffung der Taliban, genau wie die ihrer Gegner - der afghanischen Regierung und der ISAF - unter Falschinformationen, die durch Fehden oder Vendetten motiviert sind.

Gelegentlich werden auch Familienangehörige zu Zielpersonen; es scheint, dass die Taliban diese Aktionen eingeschränkt haben, nachdem die Polizei und die Miliz als Vergeltungsmaßnahme die Familienangehörigen der Taliban verfolgten. Zumindest teilweise hat das Justizsystem der Taliban den Zweck, deutlich zu machen, dass ihre Bewegung einen Schattenstaat darstellt. Es liegt den Taliban daher viel daran, die Kontinuität zwischen der aktuellen Bewegung von Aufständischen und dem Taliban-Emirat von 1996-2001 zu betonen; tatsächlich bezeichnen sich die Taliban selbst immer noch als das Islamische Emirat Afghanistan. Daher gelten alle Urteil, die die Taliban für jegliches Verbrechen einmal gesprochen haben, immer noch weiter, einschließlich derer, die vor dem Fall des Emirates ergingen. Tatsächlich befinden sich, laut den Taliban-Quellen, auf der 15.000 Personen um fassenden schwarzen Liste, immer noch 3.000, die zu Zeiten des Emirats verurteilt wurden (die Gerichtsunterlagen wurden nach Pakistan geschafft, als das Emirat fiel). Es ist naheliegend, dass diejenigen, die den Urteilen der Taliban damals entgingen, sich im Ausland aufhielten, daher wurden recht viele dieser Personen (ca. 200) von den Taliban erst 2002-2016 gefasst.

Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr. [...]"

Rechercheergebnis

zum Beschwerdeverfahren

vor dem Bundesverwaltungsgericht

von XXXX

Inhalt

römisch eins. Einleitung: 4

römisch II. Die gestellten Fragen 4

römisch III. Angaben des Beschwerdeführers: 5

römisch IV. Ergebnis der Recherche 6

römisch fünf. Beantwortung der Fragen des Gerichts 7

1. Sind die Angaben zur Bezeichnung des Heimatortes des Beschwerdeführers korrekt? 7

2. Lebt die (Groß-) Familie des Beschwerdeführers im Dorf römisch XXXX ? 8

3. Wie ist die Stellung des Onkels bzw. des Vaters in der dörflichen Struktur? Sind diese

Mitglieder im Ältestenrat? 8

4. Ist über die vom Beschwerdeführer geschilderte Entführung des Cousins, XXXX

und dessen Tötung etwas bekannt? 9

5. Was ist über den Verbleib des Onkels und der anderen Familienangehörigen bekannt? 9

6. Welche Angehörige des Beschwerdeführers leben noch im Dorf? 9

7. Sind die Taliban in dieser Region in der vom Beschwerdeführer geschilderten Art und Weise

tätig? 9

8. Treten in der vom Beschwerdeführer angegebenen Gegend Zwangsrekrutierung durch die

Taliban auf? 10

9. Beherrschten bzw. beherrschen die Taliban den Heimatort des Beschwerdeführers? 10

10. Was sind die Konsequenzen, wenn sich ein junger Mann einer drohenden

Zwangsrekrutierung entzieht? Was bedeutet dies für die nächsten Angehörige? Gibt es zum Vorbringen des Beschwerdeführers vergleichbare Fälle? 11

11. Ist es möglich, dass der Onkel trotz der behaupteten Ermordung seines Sohnes weiterhin

unbehelligt im Heimatort leben kann? 11

12. Ist es in der Heimatregion des Beschwerdeführers notwendig, dass sich junge Männer in

der vom Beschwerdeführer geschilderten Art und Weise, Zuhause vor einer Zwangsrekrutierung verstecken müssen bzw. können und deshalb das Haus nicht verlassen dürfen? 12

13. Ist es bei Pashtunen üblich, dass Gäste nur in Anwesenheit einer männlichen Person im

Haus empfangen und bewirtet werden? 12

14. Ist über die Ehe des Beschwerdeführers etwas bekannt? 12

15. Hat der Beschwerdeführer im Geschäft des Vaters mitgearbeitet? 13

16. Ist das tägliche Pendeln mit einem Privatfahrzeug zwischen dem Heimatort des

Beschwerdeführers und der Stadt römisch XXXX möglich? 13

17. Verfügen die Taliban über ein entsprechendes Informationsnetzwerk, das es ihnen

ermöglicht, den Beschwerdeführer innerhalb Afghanistans im Falle seiner Rückkehr aufzuspüren? Sind solche Fälle bekannt? 13

18. Für den Fall, dass nur Freiwillige rekrutiert werden: ist das Vorbringen des

Beschwerdeführers realistisch? 13

Einleitung:

Der Rechercheauftrag vom 18.05.2017 bezieht sich auf die Angaben des Herrn römisch XXXX , geb. am römisch XXXX , die er im Rahmen seines Asylverfahrens in Österreich getätigt hat. Die Ausführungen des Herrn römisch XXXX in der mündlichen Verhandlung am 02.05.2017 vor dem beauftragenden Bundesverwaltungsgericht werden zusammengefasst. Im Anschluss werden die Ergebnisse der vor Ort Recherche erläutert und abschließend die gestellten Fragen des Gerichtes beantwortet.

römisch II. Die gestellten Fragen

Vom Bundesverwaltungsgericht wurden im Gutachtensauftrag folgende Fragen gestellt:

1. Sind die Angaben zur Bezeichnung des Heimatortes des Beschwerdeführers korrekt?

2. Lebt die (Groß-) Familie des Beschwerdeführers im Dorf römisch XXXX ?

3. Wie ist die Stellung des Onkels bzw. des Vaters in der dörflichen Struktur? Sind diese Mitglieder im Ältestenrat?

4. Ist über die vom Beschwerdeführer geschilderte Entführung des Cousins, römisch XXXX und dessen Tötung etwas bekannt?

5. Was ist über den Verbleib des Onkels und der anderen Familienangehörigen bekannt?

6. Welche Angehörige des Beschwerdeführers leben noch im Dorf?

7. Sind die Taliban in dieser Region in der vom Beschwerdeführer geschilderten Art und Weise tätig?

8. Treten in der vom Beschwerdeführer angegebenen Gegend Zwangsrekrutierung durch die Taliban auf?

9. Beherrschten bzw. beherrschen die Taliban den Heimatort des Beschwerdeführers?

10. Was sind die Konsequenzen, wenn sich ein junger Mann einer drohenden Zwangsrekrutierung entzieht? Was bedeutet dies für die nächsten Angehörige? Gibt es zum Vorbringen des Beschwerdeführers vergleichbare Fälle?

11. Ist es möglich, dass der Onkel trotz der behaupteten Ermordung seines Sohnes weiterhin unbehelligt im Heimatort leben kann?

12. Ist es in der Heimatregion des Beschwerdeführers notwendig, dass sich junge Männer in der vom Beschwerdeführer geschilderten Art und Weise, zuhause vor einer

Zwangsrekrutierung verstecken müssen bzw. können und deshalb das Haus nicht verlassen dürfen?

13. Ist es bei Pashtunen üblich, dass Gäste nur in Anwesenheit einer männlichen Person im Haus empfangen und bewirtet werden?

14. Ist über die Ehe des Beschwerdeführers etwas bekannt?

15. Hat der Beschwerdeführer im Geschäft des Vaters mitgearbeitet?

16. Ist das tägliche Pendeln mit einem Privatfahrzeug zwischen dem Heimatort des Beschwerdeführers und der römisch XXXX möglich?

17. Verfügen die Taliban über ein entsprechendes Informationsnetzwerk, das es ihnen ermöglicht, den Beschwerdeführer innerhalb Afghanistans im Falle seiner Rückkehr aufzuspüren? Sind solche Fälle bekannt?

18. Für den Fall, dass nur Freiwillige rekrutiert werden: ist das Vorbringen des Beschwerdeführers realistisch?

römisch III. Angaben des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer sei laut seinen eigenen Angaben in der Provinz römisch XXXX , im römisch XXXX , Dorf römisch XXXX geboren. Der Beschwerdeführer führte dazu aus, dass der römisch XXXX in seinem Dialekt mit römisch XXXX bezeichnet würde. Das Dorf habe zwei Namen. Zum einen würde es römisch XXXX genannt werden und zum anderen wird es im Sprachgebrauch als römisch XXXX bezeichnet. Konkretisierend behauptete er, dass das Dorf südlich von römisch XXXX in der Nähe des bekannten römisch XXXX liegt. In der Nähe seines Hauses befindet sich laut Angaben des Beschwerdeführers die Moschee römisch XXXX . Er habe im Haus seiner Eltern gemeinsam mit seiner Ehefrau römisch XXXX bis zur Flucht gelebt. Bei seiner Ehefrau handle es sich um seine Cousine väterlicherseits. Im Ort hätte auch der Onkel des Beschwerdeführers mit dessen Familie gelebt.

Der BF habe zum Teil seinem Vater in dessen Geschäft in der Stadt römisch XXXX geholfen, hätte aber wegen der schlechten Sicherheitslage im Ort und der behaupteten Gefahr der Zwangsrekrutierung junger Männer durch die Taliban das Haus schließlich nicht mehr verlassen dürfen.

Schließlich wären die Taliban bei seinem Onkel, einer angeblich anerkannten wichtigen Persönlichkeit im Ort, erschienen und hätten diesen aufgefordert, den Beschwerdeführer sowie dessen Cousin väterlicherseits, als Rekruten dieser regierungsfeindlichen Organisation zu übergeben. Nachdem der Onkel dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, hätten die Taliban dessen Sohn, den Cousin des Beschwerdeführers, entführt und in weiterer Folge getötet.

Außerdem gab der Beschwerdeführer an, dass sein Familienname römisch XXXX laute und er daher römisch XXXX als Namen führen würde

römisch IV. Ergebnis der Recherche

> Die Angaben des Herrn römisch XXXX zu seinem Heimatort können insofern bestätigt werden, als dass er tatsächlich aus dem Dorf römisch XXXX , römisch XXXX und römisch XXXX stammt. Die Dorfmoschee Heißt römisch XXXX . In der Gegend befindet sich auch der Schrein römisch XXXX , welches laut den Angaben der Dorfbewohner eine viel besuchte Gebetsstätte ist.

> Auch die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Wohnverhältnissen, im Haus seines Vaters gemeinsam mit seiner Ehefrau, römisch XXXX mit dem Rufnamen römisch XXXX , die gleichzeitig seine Cousine väterlicherseits ist, gelebt zu haben, konnten bestätigt werden.

> Die vor Ort Recherche ergab darüber hinaus, dass der Vater des Beschwerdeführers ein Geschäft in der Stadt römisch XXXX geführt hat. Die befragten Personen gaben auch an, dass gelegentlich seine Söhne mit ihm in seinem Textilgeschäft gearbeitet haben. Sie haben keine konkreten Namen der Söhne, die mitgeholfen haben, genannt. Sie ergänzten, dass die Familie des Beschwerdeführers das Geschäft verlassen haben und auch nicht mehr in der Provinz römisch XXXX lebt.

> Im Dorf sind Herr römisch XXXX , der Vater des Beschwerdeführers und Herr römisch XXXX , der Onkel des Beschwerdeführers insofern bekannt, als dass die

Bewohner des Dorfes bestätigen konnten, dass beide bei Ratsversammlungen des Dorfes hinzugezogen wurden.

> Laut den erhaltenen Information im Rahmen der Durchführung der vor Ort Recherche, sind die Taliban in der gesamten Provinz römisch XXXX präsent und in mehreren Distrikten auch vorherrschend, weshalb Zwangsrekrutierungen durch die Taliban in dieser Provinz nicht ausgeschlossen werden können. So erzählten auch Bewohner aus der Heimatregion des Beschwerdeführers von Fällen von Zwangsrekrutierung durch die Taliban.

> Die Erhebungen im Heimatdorf des Beschwerdeführers führten zu dem Ergebnis, dass die Probleme der Großfamilie mit den Taliban, insbesondere im Zusammenhang mit der Entführung und der anschließenden Tötung des Cousins des Beschwerdeführers durch die Taliban weitgehend den Bewohnern bekannt sind.

römisch fünf. Beantwortung der Fragen des Gerichts

1. Sind die Angaben zur Bezeichnung des Heimatortes des Beschwerdeführers korrekt?

Herr römisch XXXX gab im Verfahren an, aus der römisch XXXX genannt, zu stammen. Nach Durchführung der Recherchen vor Ort konnte festgestellt werden, dass diese vom Beschwerdeführer im Verfahren angegebene Adresse existiert. Laut meiner Kontaktperson ist das römisch XXXX ein ausschließlich von Pashtunen bewohntes Dorf. Angehörige anderer Volksgruppen, wie Tadschiken haben dort absolut keinen Zugang. Meine Kontaktperson ergänzte, dass Bewohner dieser Region jeden, der nicht als jemand aus dieser Gegend identifiziert werden kann, als einen Eindringling einstufen und als Feind verdächtigen, was zu großen Schwierigkeiten führen kann. Aus diesem Grund konnte meine Kontaktperson nicht persönlich in das Dorf römisch XXXX fahren, um dort Bewohner zur Familie des römisch XXXX zu befragen. Meine Kontaktperson musste daher eine Vertrauensperson ausfindig machen, welche zu dieser Gegend problemlos Zugang hatte. Dies gestaltete sich äußerst schwierig wie auch zeitaufwendig, da die meisten der kontaktierten Vertrauenspersonen nicht bereit waren, wegen der aus dieser Regionen bekannten schwierigen Umstände dort Recherchen vorzunehmen. Schließlich erklärte sich

Herr römisch XXXX , der aus dem Distrikt römisch XXXX in römisch XXXX stammt und dessen Schwiegersohn römisch XXXX aus dem Heimatdistrikt des römisch XXXX abstammt, bereit, nach römisch XXXX zu gehen, und die Recherchen vor Ort durchzuführen. Herr römisch XXXX selbst wohnt seit vielen Jahren berufsbedingt in der Stadt römisch XXXX . Herr römisch XXXX erzählte meiner Kontaktperson nach seiner Rückkehr aus dem Dorf des Beschwerdeführers, dass niemand im Dorf bereit gewesen ist, ihm Informationen betreffend die Großfamilie römisch XXXX zu geben. Überdies gab er an, dass einer der Dorfbewohner ihm sogar den Rat gegeben hätte, keine weiteren Personen im Dorf mit dieser Thematik zu konfrontieren, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten.

Der Schwiegersohn von Herrn römisch XXXX stellt meiner Kontaktperson einen Mann aus der Heimatregion des Beschwerdeführers vor, der namentlich nicht erwähnt werden wollte und der bereit war, die Informationen bezüglich der Familie von römisch XXXX einzuholen. Darüber hinaus führte meine Kontaktperson Recherchen in der Stadt römisch XXXX zur Familie des Beschwerdeführers durch.

2. Lebt die (Groß-) Familie des Beschwerdeführers im Dorf römisch XXXX ?

Den eingeholten Informationen zu Folge, lebt der Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers Herr römisch XXXX mit seiner Frau und Töchtern im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Dieser Onkel hat die Arbeit des Vaters von Herrn römisch XXXX in römisch XXXX übernommen.

Aus den erhaltenen Auskünften geht hervor, dass die Kernfamilie des Beschwerdeführers die Heimatprovinz verlassen hat und in die Provinz römisch XXXX . Genauere Details zum Aufenthaltsort der Kernfamilie des Beschwerdeführers wurden wegen Wahrung der Anonymität nicht genannt.

3. Wie ist die Stellung des Onkels bzw. des Vaters in der dörflichen Struktur? Sind diese Mitglieder im Ältestenrat?

Der Vater des Beschwerdeführers nimmt, den erhaltenen Informationen zu Folge, seit seiner Flucht aus dem Dorf vor etwa fünf Jahren nicht mehr am Dorfleben teil. Er lebt anonym in einer anderen Provinz, weshalb er nicht mehr als Mitglied des Ältestenrates des Heimatdorfes römisch XXXX bei den Versammlungen anwesend ist. Der Onkel väterlicherseits

römisch XXXX hingegen ist weiterhin im Dorfleben integriert. Er nimm auch an den Versammlungen des Ältestenrates im Dorf teil.

4. Ist über die vom Beschwerdeführer geschilderte Entführung des Cousins, römisch XXXX und dessen Tötung etwas bekannt?

Im Zuge der Erhebungen im Heimatdorf von Herrn römisch XXXX konnte herausgefunden werden, dass die Taliban an den Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers herangetreten sind und von ihm gefordert haben, seinen Sohn römisch XXXX und seinen Neffen römisch XXXX (Beschwerdeführer) an die Taliban zu übergeben, damit beide für die Taliban arbeiten. Im Dorf wurde erzählt, dass Herr römisch XXXX und römisch XXXX , der Vater des Beschwerdeführers daraufhin das Ältestenrat um Unterstützung gebeten haben. Da aber das Ältestenrat nicht helfen konnte und Herr römisch XXXX sich geweigert hat, seinen Sohn und seinen Neffen an die Taliban zu übergeben, haben die Taliban seinen Sohn aus dem Elternhaus entführt und schließlich getötet. Die Dorfbewohner sagten auch, dass der Bruder von römisch XXXX seither mit seiner Familie flüchtig ist.

5. Was ist über den Verbleib des Onkels und der anderen Familienangehörigen bekannt?

Herr römisch XXXX , der Onkel väterlicherseits von Herrn römisch XXXX lebt weiterhin im Dorf römisch XXXX , im Distrikt römisch XXXX in der römisch XXXX . Die Familie des Beschwerdeführers hingegen hat im Jahr 2014 das Heimatdorf verlassen und lebt in der Provinz römisch XXXX . Siehe dazu Punkt 3.

6. Welche Angehörige des Beschwerdeführers leben noch im Dorf?

Im Dorf römisch XXXX lebt der Onkel väterlicherseits römisch XXXX mit dessen römisch XXXX und Töchtern.

7. Sind die Taliban in dieser Region in der vom Beschwerdeführer geschilderten Art und Weise tätig?

Die Dorfbewohner erzählten, dass die Taliban über hinreichend Einfluss im Dorf verfügen. Viele Bewohner aus dem Dorf, darunter auch manche Dorfälteste unterstützen freiwillig die Taliban. Es haben sich auch Jugendliche ohne einen Druck den Taliban angeschlossen, um mit ihnen zusammenzuarbeiten. Den erhaltenen Informationen zu Folge haben

Regierungstruppen keinen Zugang zu vielen Dörfern in der Provinz römisch XXXX , insbesondere in Dörfern, die nahe der Grenze zu Pakistan liegen.

8. Treten in der vom Beschwerdeführer angegebenen Gegend Zwangsrekrutierung durch die Taliban auf?

Im Rahmen der vor Ort Recherche konnte herausgefunden werden, dass in dieser Gegend die Taliban über viel Macht verfügen und Regierungstruppen zu vielen Gebieten überhaupt keinen Zutritt haben. Somit sind die Taliban in der Lage ihre Ziele zu verfolgen. Die befragten Personen aus der Heimatregion des Beschwerdeführers erzählten von Fällen, in denen Zwangsrekrutierung von den Taliban vorgenommen wurde. Sie gaben dazu an, dass die Taliban bei solchen Aktionen unterschiedlich vorgehen. Teilweise wenden sie sich direkt an das Familienoberhaupt des Jugendlichen und fordern ihn auf, den jungen Mann an die Taliban zu übergeben, damit dieser für sie arbeitet. Es wurde auch von Fällen berichtet, in denen die Taliban Kontakt mit einem oder mehreren Dorfältesten aufgenommen haben und sie aufgefordert haben, sich an eine von den Taliban bekanntgegebene Familie zu wenden und dafür zu sorgen, dass der Jugendliche aus dieser Familie sich den Taliban anschließt. Auch kommt es vor, dass eine solche Forderung über den Mullah des Dorfes an die vorgesehene Familie gestellt wird.

9. Beherrschten bzw. beherrschen die Taliban den Heimatort des Beschwerdeführers?

Der Einfluss der Taliban im Heimatdorf des Beschwerdeführers und in den benachbarten Dörfern ist sehr groß. Sicherheitskräfte bzw. Regierungstruppen haben keinen Zugang in diese Region. Viele Bewohner der Gegend, zum Teil auch Dorfälteste sympathisieren mit den Taliban und unterstützen sie bei ihrem Vorhaben, indem sie in den Dörfern mit den Bewohnern sprechen und versuchen, sie davon zu überzeugen, für die Taliban zu arbeiten oder sie mit Geld- und Sachspenden sowie warmen Mahlzeiten zu unterstützen. Jener Bevölkerungsgruppe, die gegen die Taliban eigestellt ist, bleibt nichts Anderes über, als die Taliban zu unterstützen, da sie sich sonst einer Bedrohung und Verfolgung durch die Taliban aussetzen würden.

10. Was sind die Konsequenzen, wenn sich ein junger Mann einer drohenden Zwangsrekrutierung entzieht? Was bedeutet dies für die nächsten Angehörige? Gibt es zum Vorbringen des Beschwerdeführers vergleichbare Fälle?

Wenn sich ein junger Mann einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die Taliban entzieht, so muss er mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen. Jugendliche, die von den Taliban aufgefordert werden, sich ihnen anzuschließen, dieser Forderung nicht Folge leisten, setzen sich der Verfolgung der Taliban aus. Wenn die Taliban solche Leute aufgreifen, nehmen sie diese fest und töten sie schließlich. Ist ein Jugendlicher, der von den Taliban zur Zusammenarbeit aufgefordert wurde, nicht greifbar, so muss sich das Familienoberhaupt dieses jungen Mannes vor den Taliban direkt oder über eine Kontaktperson (zum Beispiel über den Mullah der Dorfmoschee) gegenüber den Taliban verantworten. Wenn das Familienoberhaupt bereits alt ist und in der Familie keine weiteren jungen Männer leben, so kommt es vor, dass die Taliban diese Person begnadigen. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen das Familienoberhaupt von den Taliban getötet wurde, so die Dorfbewohner. Dies tritt insbesondere dann auf, wenn sie herausfinden, dass das Familienoberhaupt zum Beispiel den Jugendlichen bei der Flucht unterstützt hat. Den befragten Personen sind solche Fälle bekannt gewesen, sie wollten jedoch keine konkreten Angaben zu den Identitäten der Betroffenen machen.

11. Ist es möglich, dass der Onkel trotz der behaupteten Ermordung seines Sohnes weiterhin unbehelligt im Heimatort leben kann?

Mit der Ermordung des Herrn römisch XXXX haben die Taliban die zu erwartende Bedrohung umgesetzt. Der Onkel des Beschwerdeführers ist eine ältere Person und wird daher von den Taliban nicht dazu aufgefordert, für sie Dienste zu erbringen. Außerdem hat Herr römisch XXXX keine weiteren Söhne, weswegen er keine Verfolgungshandlungen durch die Taliban erwartet. Es ist ihm also möglich, sein Leben im Heimatdorf fortzusetzen. Er muss aber, wie die restlichen Dorfbewohner die Taliban mit Geld- und Sachspenden unterstützen, wenn dies verlangt wird.

12. Ist es in der Heimatregion des Beschwerdeführers notwendig, dass sich junge Männer in der vom Beschwerdeführer geschilderten Art und Weise, Zuhause vor einer Zwangsrekrutierung verstecken müssen bzw. können und deshalb das Haus nicht verlassen dürfen?

Die befragten Dorfbewohner führten hierzu aus, dass sich zwar Jugendliche in ihren Häusern verstecken, weil sie sich auf diese Weise einer drohenden Zwangsrekrutierung entziehen wollen, in der Realität es ihnen das aber nicht gelingt, denn nur das Verstecken Zuhause hindert die Taliban nicht daran, sie dennoch mitzunehmen. Wenn die Taliban eine solche Forderung an eine Familie stellen, sind sie auch im Heimatdorf von Herrn römisch XXXX dazu in der Lage, diese umzusetzen und im Falle einer Weigerung auch die Bedrohung entsprechen zu vollziehen. Diese Leute sagten auch, dass ein dauerhaftes Verstecken in einem Haus nicht möglich sei, da die menschlichen Bedürfnisse dies nicht zulassen, zum Beispiel wären solche Leute in Krankheitsfällen jedenfalls gezwungen, einen Arzt aufzusuchen.

13. Ist es bei Pashtunen üblich, dass Gäste nur in Anwesenheit einer männlichen Person im Haus empfangen und bewirtet werden?

Bei Pashtunen ist es üblich, dass vor allem männliche Gäste nur in Anwesenheit einer männlichen Person im Haus empfangen und bewirtet werden. Männliche Gäste werden von weiblichen Gästen getrennt bewirtet, auch wenn diese Gäste aus einer Familie kommen. Die Männer werden meist im Hof in einem gesonderten, für männliche Gäste vorgesehen Raum empfangen. Frauen des Hauses haben zu diesen Räumen keinen Zutritt, wenn Gäste anwesend sind. Die männlichen Gäste werden überdies ausschließlich von den Männern des Hauses bewirtet, obgleich die Frauen die Vorbereitung von Tee und Speisen treffen.

14. Ist über die Ehe des Beschwerdeführers etwas bekannt?

Einer der befragten Dorfbewohner gab an, dass der älteste Sohn von römisch XXXX vor vielen Jahren seine Cousine geheiratet hat. Die Eheschließung fand im Dorf statt und wurde traditionell, wie in dieser Gegend üblich, geschlossen. Dieser Mann konnte keine Angaben dazu machen, ob die Ehe staatlich registriert wurde. Er führte jedoch auch aus, dass diese Vorgangsweise im Dorf unüblich wäre.

15. Hat der Beschwerdeführer im Geschäft des Vaters mitgearbeitet?

Durch die erhaltenen Informationen kann bestätigt werde, dass der Beschwerdeführer gelegentlich im Textilgeschäft seines Vaters gearbeitet hat.

16. Ist das tägliche Pendeln mit einem Privatfahrzeug zwischen dem Heimatort des Beschwerdeführers und der Stadt römisch XXXX möglich?

Grundsätzlich ist es möglich, mit dem Privatfahrzeug zwischen römisch XXXX und römisch XXXX zu pendeln. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, auf dem Weg von den Taliban angehalten und kontrolliert zu werden. Das Augenmerkt liegt bei solchen Kontrollen auf Verdächtige, die für den Staat arbeiten, zum Beispiel Soldaten, Polizisten und dergleichen, aber auch auf Personen, die aus anderen Gründen, zum Bespiel wegen einer Verweigerung einer Zusammenarbeit, ins Visier der Taliban geraten sind.

17. Verfügen die Taliban über ein entsprechendes Informationsnetzwerk, das es ihnen ermöglicht, den Beschwerdeführer innerhalb Afghanistans im Falle seiner Rückkehr aufzuspüren? Sind solche Fälle bekannt?

Diese Frage wurde grundsätzlich von den befragten Personen bejaht. Die meisten von ihnen gaben nämlich an, dass die Taliban sehr wohl über ein Informationsnetzwerk verfügen. Sie vermuteten, dass sie somit in der Lage sein könnten, jemanden, den sie sich zum Ziel gesetzt haben, auch an einem anderen Ort, als das Heimatgebiet aufzuspüren. Ein konkretes Beispiel konnten die Dorfbewohner nicht nennen. Ein Dorfbewohner konnte sich jedoch an einen Fall erinnern, bei dem die Familie in eine private Feindschaft verwickelt gewesen sei, weshalb sie die Provinz römisch XXXX verlassen habe. Die andere Familie habe Unterstützung von den Taliban verlangt. Schließlich wurde diese Familie in der Provinz Kabul, Distrikt römisch XXXX angegriffen. Er konnte aber nicht konkretisieren, ob die Taliban hinter diese Tat standen.

18. Für den Fall, dass nur Freiwillige rekrutiert werden: ist das Vorbringen des Beschwerdeführers realistisch?

Im Zuge der gegenständlichen Erhebungen konnte herausgefunden werden, dass in Afghanistan sowohl freiwillige Rekrutierungen als auch Rekrutierungen unter Zwang durch die Taliban vollzogen werden. Bei den freiwilligen Rekrutierungen ist zu beachten, dass diese zum Teil nicht tatsächlich aus freiem Willen stattfinden, denn auch hier besteht ein gewisser Druck und eine Bedrohungslage, die zu dieser Entscheidung führen, zum Beispiel aus Angst vor etwaigen Konsequenzen für den Betroffenen und/oder dessen Angehörige oder aus finanzieller Not.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und vor der belangten Behörde, im bekämpften Bescheid und im Beschwerdeschriftsatz sowie der Beschwerdeergänzung, in die vorgelegten Urkunden, in die Stellungnahmen, in das eingeholte Sachverständigengutachten sowie in den diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Afghanistan vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 31.01.2019, sowie der Arbeitsübersetzung des Landinfo report Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne und den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018. Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zu Grunde:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zum Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zur Staats- und Volksgruppenangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen diesbezüglichen glaubhaften Angaben. Der erkennende Richter hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben im behördlichen sowie gerichtlichen Verfahren. Dass sein Familienname tatsächlich römisch XXXX lautet, konnte der Beschwerdeführer glaubhaft und schlüssig in der mündlichen Beschwerdeverhandlung darlegen und decken sich seine diesbezüglichen Angaben mit den Rechercheergebnissen der Sachverständigen, wonach der Vater sowie Onkel des Beschwerdeführers, namens römisch XXXX und römisch XXXX , im Dorf bekannt seien (S. 6 f des Gutachtens). Das Geburtsdatum stützt sich ebenfalls auf die Aussage des Beschwerdeführers sowie auf die im behördlichen Verfahren vorgelegte Tazkira, aus deren Inhalt sich erschließt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1391 (nach der gregorianischen Zeitrechnung: 2012) römisch XXXX Jahre alt war (AS 243 ff).

Dass der Beschwerdeführer sunnitischen Glaubensbekenntnisses ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen unbedenklichen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht. Gleiches gilt für die Feststellung, dass die Muttersprache des Beschwerdeführers Paschtu ist, sowie für die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer kinderlos ist.

Die Feststellungen zu seiner Geburt, seiner Familie, seinem Aufenthalt in Afghanistan sowie seiner Berufserfahrung und der fünfjährigen Schulbildung beruhen auf den eigenen im Wesentlichen gleichbleibenden glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellungen zu seiner Familie und seinem Heimatdorf decken sich überdies mit den Rechercheergebnissen des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens der Sachverständigen. So wurde in diesem insbesondere bestätigt, dass der Beschwerdeführer vor vielen Jahren seine Cousine geheiratet (S. 12 des Gutachtens) und in dem von seinem Vater geführten Geschäft, welches nunmehr von dem Bruder seines Vaters übernommen wurde (S. 8 des Gutachtens), mitgearbeitet hat (S. 13 des Gutachtens). Dass der Onkel mit seiner Familie nach wie vor im Heimatdorf aufhältig ist (S. 9 des Gutachtens) und die Familie des Beschwerdeführers das Dorf im Jahr 2014 verlassen hat (S. 9 des Gutachtens) wurde darin ebenfalls bestätigt.

Die Feststellung zur finanziellen Versorgung seiner Ehefrau resultieren auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (S. 14 des Verhandlungsprotokolls). Gleiches gilt für die Feststellung, dass der Vater des Beschwerdeführers für die Verwaltung des Geldes aus dem Betrieb des Textilgeschäftes zuständig ist (S. 14 des Verhandlungsprotokolls).

Dass der Beschwerdeführer zu seiner Kernfamilie, nicht jedoch zu seinem Onkel in Kontakt steht, stützt sich auf dessen schlüssigen Angaben in der Beschwerdeverhandlung. So spreche er unter anderem mit seiner Ehefrau, wenn er seinen Vater kontaktiere, habe allerdings aufgrund der funktionsuntüchtigen Mobiltelefone in seinem Heimatdorf keinen Kontakt zu seinem Onkel. Nach dessen Wohlbefinden erkundige sich der Beschwerdeführer jedoch über seinen Vater (S. 21 des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglichen gleichbleibenden und glaubhaften Angaben im gesamten Verfahren. So führte er in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde aus, gesund zu sein (S. 3, 6 der Niederschrift), und gab ergänzend in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, an keinen Krankheiten zu leiden (S. 4 des Verhandlungsprotokolls). Die Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinem guten Gesundheitszustand, seinem jungen Alter sowie der Tatsache, dass er in Österreich zuletzt bereits zwei Monate als Abwäscher gearbeitet (siehe vorgelegter Sozialversicherungsauszug der römisch XXXX ; Beilage der OZ 27) und am Clearing für die Aufnahme in das Ausbildungsprojekt römisch XXXX teilgenommen hat (siehe vorgelegte Bestätigung vom 25.04.2017).

Dass der Beschwerdeführer mit der afghanischen Tradition und Lebensweise vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in einem engen afghanischen Familienverband aufgewachsen ist und bis zu seiner Ausreise nach Europa in Afghanistan gelebt hat.

Die Feststellungen zu seinen Deutschkenntnissen ergeben sich aus der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, in welcher der Beschwerdeführer in der Lage war, die Fragen verständlich zu beantworten (S. 24 ff des Verhandlungsprotokoll), und der mit dem gewonnen Eindruck des erkennenden Richters in Einklang stehenden vorgelegten unbedenklichen Deutschkursbestätigungen sowie Empfehlungsschreiben, deren Verfasser kongruent auf den Fleiß des Beschwerdeführers, die deutsche Sprache zu erlernen, hinweisen. Die Feststellung zum Erwerb eines Deutsch-Sprachzertifikates resultiert aus der Vorlage des Zertifikates vom römisch XXXX .06.2018 (Beilage der OZ 27). Die Feststellungen zu seinem Pflichtschulabschluss und der Teilnahme am Clearing für die Aufnahme in das Ausbildungsprojekt römisch XXXX folgt aus den diesbezüglich vorgelegten Bestätigungen, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel bestehen (siehe die in der Beschwerdeverhandlung vorgelegte Bestätigung vom 25.04.2017 und das mit Stellungnahme vom 18.03.2019 [OZ 27] vorgelegte Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung).

Betreffend die Feststellungen zu seiner Freizeitgestaltung in Österreich ist insbesondere auf die glaubhafte Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung hinzuweisen, wonach er freitags mit den "Oldies" im Verein Fußball spiele (S. 24 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer Freundschaften zu Österreichern pflegt, geht ebenfalls aus seinen Angaben im Beschwerdeverfahren hervor. So führte er diesbezüglich glaubhaft aus, er treffe sich mit römisch XXXX und römisch XXXX zum Deutsch lernen, Kaffee und Saft trinken, und habe zudem auch weibliche Freunde, wie Frau römisch XXXX und Frau römisch XXXX (S. 27 des Verhandlungsprotokolls). Sein soziales Verhalten wird auch in einem der vorgelegten Empfehlungsschreiben als äußerst positiv hervorgehoben (AS 29: "Was Herrn [...] aber auszeichnet, ist sein hohes Maß an sozialer Kompetenz!").

Dass der Beschwerdeführer seinem Unterkunftgeber bei Bedarf hilft, lässt sich auf seine eigene Aussage in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zurückführen (S. 26 des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellung zur zweimonatigen Beschäftigung des Beschwerdeführers beim römisch XXXX resultiert aus den unbedenklichen vorgelegten Nachweisen (Lohnzettel, Sozialversicherungsauszug und Gehaltszettel [OZ 27]; Bestätigung des Arbeitgebers vom römisch XXXX .01.2019 [OZ 25]). Dass er in dieser Zeit selbsterhaltungsfähig war, folgt aus der Bekanntgabe vom 21.01.2019, wonach der Beschwerdeführer mit römisch XXXX 2018 aus der Grundversorgung des Landes römisch XXXX aufgrund einer saisonellen Beschäftigung im Bundesland römisch XXXX entlassen worden sei.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer über keine Verwandten in Österreich verfügt, ergibt sich aus seiner diesbezüglichen Angabe in der Beschwerdeverhandlung, als er gefragt nach Verwandten in Österreich angab, niemanden in Österreich zu haben (S. 23 des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellung zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit stützt sich auf die Einsichtnahme in den aktuellen Strafregisterauszug.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Präsenz der Taliban in der Heimatregion des Beschwerdeführers einerseits aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im behördlichen sowie gerichtlichen Verfahren und andererseits aus dem damit in Einklang stehenden schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten vergleiche S. 7, 9 des Gutachtens: "Die Dorfbewohner erzählten, dass die Taliban über hinreichend Einfluss im Dorf verfügen. Viele Bewohner aus dem Dorf, darunter auch manche Dorfälteste unterstützen freiwillig die Taliban. [...] Der Einfluss der Taliban im Heimatdorf des Beschwerdeführers und in den benachbarten Dörfern ist sehr groß. Sicherheitskräfte bzw. Regierungstruppen haben keinen Zugang in diese Region.") sowie dem eingebrachten Länderinformationsblatt zu Afghanistan, wonach in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers Taliban-Kämpfer aktiv sind, insbesondere Mitglieder der TTP, einer Taliban-Gruppierung deren Kämpfer aufgrund von Angriffen der pakistanischen Streitkräfte aus Pakistan in die Grenzprovinzen Ostafghanistans geflüchtet sind vergleiche ausführlich unter Pkt. römisch II.1.5.1.3.), ergibt.

Dass der Onkel des Beschwerdeführers von den Taliban aufgefordert wurde, seinen Sohn sowie seinen Neffen (den Beschwerdeführer), als Rekruten zu übergeben, ergibt sich aus den im Wesentlichen gleichbleibenden, chronologisch stringenten sowie vor dem Hintergrund des eingeholten Sachverständigengutachtens plausiblen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der Einvernahme vor der belangten Behörde und der mündlichen Beschwerdeverhandlung. So bestätigt das unbedenkliche Sachverständigengutachten die Angaben des Beschwerdeführers vergleiche S. 6 der Erstbefragung: "In unserer Ortschaft arbeiten alle Leute mit den Taliban zusammen. Die Taliban haben von mir verlangt, dass ich mit ihnen zusammenarbeite. Da ich dies nicht wollte, habe ich meine Heimat verlassen.", S. 4 der Niederschrift: "Im Dorf herrschen die Taliban. Diese wollten mich und meinen Cousin mitnehmen." und S. 15 des Verhandlungsprotokolls:

"In meinem Heimatdorf gibt es viele Taliban, manche Dorfbewohner arbeiten mit ihnen zusammen. Die Taliban wollten, dass mein Cousin und ich auch mit ihnen zusammenarbeiten, wir wollten das aber nicht."), dass die Taliban an den Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers herangetreten sind und von ihm gefordert haben, seinen Sohn römisch XXXX und seinen Neffen römisch XXXX (Beschwerdeführer), an die Taliban zu übergeben, damit beide für die Taliban arbeiten. Nachdem der Ältestenrat nicht helfen konnte und sich der Onkel des Beschwerdeführers weigerte, der Forderung der Taliban nachzukommen, wurde dessen Sohn aus dem Elternhaus entführt und schließlich getötet (S. 9 des Gutachtens). In Hinblick auf die festgestellte Präsenz der Taliban im Heimatdorf des Beschwerdeführers erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers nach Ansicht des zur Entscheidung berufenen Richters zudem als äußerst plausibel.

Es ist dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zwar zuzustimmen, wenn es in seiner Begründung vermeint, der Beschwerdeführer habe einerseits den Terminus "unser Haus" verwendet, als es um den Angriff der Taliban ging, andererseits aber angegeben habe, dass die Taliban zu seinem Onkel gekommen wären und diesen in seinem Haus angegriffen hätten (S. 94 des Bescheides). Dieser Widerspruch vermag an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers nach Ansicht des zur Entscheidung berufenen Richters allerdings nichts zu ändern, hat der Beschwerdeführer schließlich nie ein persönliches Zusammentreffen mit den Taliban vorgebracht, führte er - abgesehen von der einmaligen Verwendung "unser Haus" - gleichbleibend ins Treffen, dass die Taliban zu seinem Onkel gekommen seien vergleiche S. 4 der Niederschrift, S. 15, 18 des Verhandlungsprotokolls) und bestätigte auch das eingeholte Sachverständigengutachtens eine ebensolche Entführung "aus dem Elternhaus" (S. 9 des Gutachtens).

Dass der Beschwerdeführer und seine Kernfamilie nie einer persönlichen Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt waren, ergibt sich aus einer Zusammenschau der Angaben des Beschwerdeführers. So führte er in seiner behördlichen Einvernahme auf die Frage, ob ihm die Taliban persönlich bekannt seien, aus, diese Leute nicht zu kennen (S. 10 der Niederschrift), und gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung dazu ergänzend schlüssig an, dass weder er noch sein Vater persönlichen Kontakt mit den Taliban gehabt hätten, zumal sein Onkel das Familienoberhaupt sei und die Taliban aus diesem Grund zuerst an ihn herangetreten seien (S. 19 f des Verhandlungsprotokolls). Der zur Entscheidung berufene Richter hat keine Veranlassung, an diesen soeben zitierten Angaben des Beschwerdeführers zu zweifeln.

2.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dass eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat möglich ist, ergibt sich aus den Länderfeststellungen und den Ausführungen betreffend die Ausbildung und bisherige Berufserfahrung des Beschwerdeführers; dies stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:

Dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan (Mazar-e Sharif oder Herat) Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer einerseits über eine fünfjährige Schulbildung und andererseits über Berufserfahrung, die er in Österreich durch die Tätigkeit als Abwäscher weiter ausbauen konnte, verfügt. Der erwerbsfähige Beschwerdeführer, der eine in Afghanistan gesprochene Sprache spricht, kann auch nach Rückkehr nach Afghanistan eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieso er in Mazar-e Sharif oder Herat nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz - etwa auch durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten - zu sichern und eine einfache Unterkunft zu finden. Auch ergibt sich unter Zugrundelegung der Länderberichte unter dem Aspekt der Sicherheitslage in Mazar-e Sharif oder Herat keine besondere Gefährdungssituation für den Beschwerdeführer.

Es ist darüber hinaus notorisch, dass der Beschwerdeführer bei einer freiwilligen Rückkehr nach negativem Verfahrensausgang Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann, wodurch er Rückkehrhilfe bzw. zusätzlich die Aufnahme in ein Reintegrationsprojekt beantragen kann.

Die Feststellung, dass Mazar-e Sharif und Herat über die dort vorhandenen Flughäfen sicher erreichbar sind, gründet sich auf das Länderinformationsblatt.

Die dargestellten Umstände rechtfertigen aus Sicht des erkennenden Gerichtes im Lichte einer Gesamtbetrachtung die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer in Mazar-e Sharif oder Herat eine Existenz aufbauen und sichern kann. Dafür spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in der Lage war, völlig auf sich alleine gestellt über ihm unbekannte Länder die Flucht bis nach Österreich zu meistern, wobei er sicherlich ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit darlegen musste.

Dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht von seiner Familie unterstützt werden kann, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben, wonach die Flucht des Beschwerdeführers von dessen Onkel und Vater finanziert worden sei (S. 6 der Niederschrift), sein Vater für die Verwaltung des Geldes aus dem Betrieb des Textilgeschäftes zuständig ist (S. 14 des Verhandlungsprotokolls) und der Beschwerdeführer in Kontakt zu seinem Vater steht (S. 14 des Verhandlungsprotokolls). Zusammengefasst kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer von seiner Familie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützt wird, und war diesbezüglich eine Negativfeststellung zu treffen.

2.5. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da dieser aktuelle Länderbericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zu Grunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuellen Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

In die vom Beschwerdeführer verwiesenen und weitgehend zitierten bzw. eingebrachten Länderberichte[l3] wurde Einsicht genommen, diese waren allerdings nicht geeignet, zu anderen Feststellungen als den getroffenen zu gelangen, und trat der Beschwerdeführer dem vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten und nach Ansicht des zur Entscheidung berufenen Richters unbedenklichen Länderberichtsmaterial nicht substantiiert entgegen. Das mit Stellungnahme vom 18.03.2019 verwiesene Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 31.01.2019 wurde der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Da die Feststellungen dieses Erkenntnisses nicht auf dem Gutachten Mahringers beruhen, war den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 23.05.2017 nicht entgegenzutreten. Gleiches gilt für die Ausführungen des Beschwerdeführers zur innerstaatlichen Fluchtalternative Kabul, weil im gegenständlichen Erkenntnis nicht Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative angenommen wurde. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 18.03.2019 auf Seite 5 vermeint, die Vorstellung, er könne irgendwo in Afghanistan untertauchen oder geheim Aufenthalt nehmen, ohne dass seine Verfolger davon Kenntnis erlangen würden, sei schlichtweg naiv und realitätsfern, ist auf die Ausführungen unter Punkt römisch II.3.1.1.1. zu verweisen. Ferner reichen die Ausführungen in den Stellungnahmen des Beschwerdeführers betreffend die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan nicht aus, um signifikante existenzbedrohende Verhältnisse im Sinne exponentieller Umstände in der insoweit notwendigen Intensität einer realen Gefahr zu begründen. Mit dem Aufzeigen der bloßen Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die Beurteilung des erkennenden Gerichts fundiert in Zweifel zu ziehen. Letztlich ist dem Vorbringen in der Stellungnahme vom 18.03.2019, wonach Personen, die keine Tazkira besitzen würden, im vielen Bereichen benachteiligt werden könnten, entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer seine Tazkira im Verfahren in Vorlage brachte (AS 243 f) und in der behördlichen Einvernahme ausführte, die Tazkira von seinem Onkel zugeschickt bekommen zu haben (S. 3 der Niederschrift), weshalb auch auf dieses Vorbringen nicht näher einzugehen war.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A):

3.1.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (im Folgenden kurz "GFK") ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde vergleiche VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr vergleiche VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509, mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann vergleiche VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 in Verbindung mit Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe vergleiche VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0036, mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG Paragraph 45, Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein vergleiche VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sogenannte "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist demnach ausgeschlossen, wenn für den Drittstaatsangehörigen in einem erreichbaren Teil seines Herkunftslandes Schutz vor einer ihm in einem lokal begrenzten Gebiet seines Heimatlandes drohenden asylrelevanten Gefährdung gewährleistet werden kann und ihm der Aufenthalt in diesem Landesteil zumutbar ist (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016) Paragraph 11, AsylG K3).

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar vergleiche etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen vergleiche etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt.

3.1.1.1. Zur vorgebrachten (versuchten) Zwangsrekrutierung durch die Taliban:

Einer (versuchten) Zwangsrekrutierung kommt dann Asylrelevanz zu, wenn aus der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, eine tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung abgeleitet wird, an die eine Verfolgung anknüpft. Entscheidend für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist, mit welchen Reaktionen der Taliban der Revisionswerber aufgrund seiner Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, rechnen muss und ob in seinem Verhalten eine - wenn auch nur unterstellte - politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (siehe dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. März 2016, Ra 2015/01/0069 u.v.m.).

Das relevante Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers bezieht sich auf eine versuchte Zwangsrekrutierung durch die Taliban über seinen Onkel väterlicherseits im Jahr 2014. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung unter Punkt römisch II.2.3. ausführlich begründet wurde, kommt diesem Vorbringen des Beschwerdeführers Glaubwürdigkeit zu. Nach den getroffenen Länderfeststellungen sind die Taliban in der Heimatregion des Beschwerdeführers präsent, und werden von regierungsfeindlichen Kräften in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang, genutzt vergleiche Pkt. römisch II.1.5.11.). Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Furcht vor einem erneuten Versuch einer Zwangsrekrutierung durch die in seiner Herkunftsregion römisch XXXX (Dorf römisch XXXX ) präsenten Taliban ist daher nach Ansicht des zur Entscheidung berufenen Richters[l4] objektiv nachvollziehbar und nach der unter Punkt römisch II.3.1.1. angeführten Judikatur auch als Indiz bei der rechtlichen Bewertung der Lage mit zu berücksichtigen. Dem Beschwerdeführer würde in seinem Heimatdistrikt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch die Taliban drohen. [l5]

Eine solche Wahrscheinlichkeit bzw. ein solcher Grad an Gefährdung wäre jedoch in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif als möglicher Ort einer Rückkehr bzw. Neuansiedelung in Afghanistan im Sinne einer innerstaatlichen Fluchtalternative gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 vergleiche ausführlich Pkt. römisch II.3.1.2.) aus nachstehenden Erwägungen und im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers vergleiche die Ausführungen auf S. 5 der Stellungnahme vom 18.03.2019 [OZ 27]) nicht gegeben:

Eingangs ist ausdrücklich festzuhalten, dass nach den getroffenen Länderfeststellungen die Städte Herat und Mazar-e Sharif unter der Kontrolle der afghanischen Regierung stehen vergleiche Pkt. römisch II.1.5.1.) und von einem dortigen aktiven Konflikt zwischen der Regierung und regierungsfeindlichen Kräften nicht auszugehen ist. Zwar verfügen die Taliban über ein Informationsnetzwerk, durch welches sie in der Lage sind, jemanden, den sie sich zum Ziel gesetzt haben, auch an einem anderen Ort als dem Heimatgebiet aufzuspüren vergleiche S. 13 des Gutachtens; siehe auch Pkt.II.1.5.13.). Dass der Beschwerdeführer jedoch tatsächlich zum Ziel der Taliban geworden sei, ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Vorweg ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nie persönlich von den Taliban verfolgt oder bedroht worden ist und es überdies nie zu einem persönlichen Kontakt zwischen den Taliban und dem Beschwerdeführer gekommen ist vergleiche S. 10 der Niederschrift).

Weiters lebt sein Onkel väterlicherseits, welcher im Jahr 2014 von den Taliban aufgefordert wurde, unter anderem den Beschwerdeführer als Rekruten zu übergeben, nach wie vor im Heimatdorf, in welchem die Taliban präsent sind. Hierbei ist beachtlich, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht vorgebracht hat, dass es zu weiteren Aufforderungen bzw. zu weiteren Handlungen der Taliban gegenüber seinem Onkel gekommen sei. Außerdem hat der Beschwerdeführer ebenso wenig vorgebracht, dass seine Kernfamilie, welche sich seit bereits viereinhalb Jahren in der Nähe der Stadt römisch XXXX aufhält, die im Übrigen viel näher am Heimatort gelegen ist, als die dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Neuansiedlungsgebiete Mazar-e Sharif und Herat, jemals von den Taliban aufgespürt worden sei. Würde jedoch tatsächlich ein besonderes Interesse der Taliban an der Person des Beschwerdeführers vorliegen, ist davon auszugehen, dass diese ihr Informationsnetzwerk genützt hätten, um die Familie des Beschwerdeführers ausfindig zu machen, respektive hätten sie versucht, über den Onkel des Beschwerdeführers, der ja weiterhin im von den Taliban beherrschten Heimatdorf lebt, zu Informationen betreffend den Beschwerdeführer und dessen Familie zu gelangen; dies kann auch trotz des nunmehr bereits fortgeschrittenen Alters des Onkels (S. 20 des Verhandlungsprotokolls) angenommen werden, zumal das eingeholte Gutachten auf S. 11 lediglich davon spricht, dass die Taliban ältere Personen nicht dazu auffordern, für sie Dienste zu erbringen.

Stattdessen haben die Taliban im gesamten Zeitraum der Abwesenheit des Beschwerdeführers von viereinhalb Jahren keineswegs ein Interesse daran gezeigt, etwaige Verfolgungshandlungen zu setzen, obwohl nach den Länderfeststellungen auch Familienangehörige zu Zielpersonen werden können (Pkt. römisch II.1.5.13.).

Überdies kann der Beschwerdeführer aufgrund der vorhandenen Flughäfen in die Städte Mazar-e Sharif sowie Herat von Österreich aus sicher reisen vergleiche Pkt. römisch II.3.1.2.), weshalb keine Gefahr besteht, dass der Beschwerdeführer bei einem Checkpoint der Taliban kontrolliert werden könnte.

Eine Gesamtschau der soeben genannten Aspekte ergibt für den zur Entscheidung berufenen Richter, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan (Neuansiedlung in Herat oder Mazar-e Sharif) - trotz der festgestellten versuchten Zwangsrekrutierung im Jahr 2014 in seinem Heimatdorf - keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung durch die Taliban droht.

3.1.1.2. Zur Gefährdung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Rückkehrer:

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 23.05.2017 vorbringt, als aus Europa abgeschobener "verwestlichter", unter dem Verdacht des Glaubensabfalls stehender Rückkehrer zu sein, von Bedrohungen durch "Gewalt im sozialen Umfeld" in besonderer Weise betroffen zu sein, ist ihm entgegenzuhalten, dass aus den getroffenen Länderfeststellungen sowie dem notorischen Amtswissen nicht ersichtlich ist, dass alleine eine westliche Geisteshaltung bei Männern mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185 mwN). Insbesondere verneint der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur auch eine Vergleichbarkeit solcher Sachverhalte mit seiner Judikatur zum "selbstbestimmten westlichen Lebensstil" von Frauen vergleiche VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329).

Die möglicherweise stattfindenden Diskriminierungen und Ausgrenzungen erreichen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht jenes Ausmaß, das notwendig wäre, um eine spezifische Verfolgung aller afghanischen Staatsangehörigen, die einen wesentlichen Teil außerhalb von Afghanistan bzw. Europa verbracht haben und eine "westliche Wertehaltung" angenommen haben, für gegeben zu erachten vergleiche hierzu auch die Ausführungen in BVwG 07.11.2016, W169 2007031-1, Pkt. römisch eins.8.). Konkrete Angaben hat der Beschwerdeführer darüber hinaus auch nicht getätigt, die auf eine derartige Gesinnung hindeuten könnten. Auch wurde bereits in einigen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts nach Einholung länderkundlicher Sachverständigengutachten eine Verfolgung aufgrund einer Verwestlichung verneint vergleiche BVwG 29.05.2017, W119 2143212-1; W119 2142462-1).

Die Beschwerde war daher gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abzuweisen.

3.1.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Ziffer eins,), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Ziffer 2,), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd Paragraph 11, offen steht.

Nach Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (Paragraph 11, Absatz 2, AsylG 2005).

Es ist somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht. Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen. Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein sowie ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikel 3, EMRK zu fallen (siehe z.B. VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0250, mit Verweis auf VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mwN).

Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Antragsteller nicht aus, sich bloß auf eine allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen. Die allgemeine Situation in Afghanistan ist nämlich nicht so gelagert, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3, EMRK geschützten Rechte bedeuten würde vergleiche VwGH 23.01.2018, Ra 2017/20/0361).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Asylwerber konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr ua innewohnende Zumutbarkeitskalkül somit insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Nach allgemeiner Auffassung soll die Frage der Zumutbarkeit danach beurteilt werden, ob der in einem Teil seines Herkunftslandes verfolgte oder von ernsthaften Schäden (iSd Artikel 15, Statusrichtlinie) bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härte führen kann. Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).

Bei der Einzelfallprüfung hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Übersiedlung nach Herat oder Mazar-e Sharif kommt den Fragestellungen, ob der Asylwerber bereits vor seiner Flucht dort gelebt hat, ob er dort über soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, die es ihm ermöglichen, seinen Lebensunterhalt zu sichern, oder ob er auch ohne solche Anknüpfungspunkte seinen Lebensunterhalt derart sichern kann, dass er nicht in eine Artikel 3, EMRK widersprechende, aussichtslose Lage gelangt, maßgebliches Gewicht zu vergleiche dazu z.B. VfGH 11.12.2013, U 2643/2012).

Der UNHCR formuliert in seinen Richtlinien, dass die Beantwortung der Frage, ob dem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, von mehreren Faktoren abhängt. Dazu müssten die persönlichen Umstände des Betroffenen (einschließlich allfälliger Traumata infolge früherer Verfolgung), die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden (siehe VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

Den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken vergleiche in Bezug auf die UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016:

VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mit Verweis auf VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN). Nach den Richtlinien des UNHCR vom 30.08.2018 ist eine interne Schutzalternative grundsätzlich nur dann zumutbar, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen. (UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 S. 124 f).

Auch der EGMR geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar ist, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder den Stamm am Zielort verfügbar ist; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien ist es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben (siehe dazu VfGH 13.09.2013, U 370/2012, mwN).

Der Verfassungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis ausgesprochen, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative [in Kabul] zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren ist, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (VfGH 12.12.2017, E 2068/2017; siehe auch unlängst VwGH 20.02.2018, Ra 2018/20/0067).

Mit dem Aufzeigen der bloßen Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat wird die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Artikel 3, EMRK im Sinne der obigen Rechtsgrundsätze damit in Bezug auf Herat und Mazar-e Sharif nicht dargetan (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 gegenständlich nicht gegeben sind:

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Wie bereits oben unter Pkt. römisch II.3.1.1. dargelegt, ist gegenständlich nicht davon auszugehen, dass es maßgeblich wahrscheinlich wäre, dass dem Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Afghanistan und Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat eine Verfolgung durch die Taliban drohen würde. Eine "wohlbegründete Furcht" nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK liegt sohin nicht vor.

3.1.2.1. Zur Rückführung des Beschwerdeführers nach Kunar:

Entsprechend der Judikatur des VfGH (Erkenntnis vom 13.09.2013, U370/2012) ist zunächst die Heimatregion des Beschwerdeführers für eine allfällige Rückkehr zu prüfen. Nach den getroffenen Länderfeststellungen zählte die Heimatprovinz des Beschwerdeführers in den ersten zwei Monaten des Jahres 2018 zu den relativ volatilen Provinzen Ostafghanistans. So waren in einigen Distrikten Aufständische der Taliban und des IS aktiv und kamen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben. In der Provinz werden zudem regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. In abgelegenen Distrikten der Provinz sind unterschiedliche terroristische Organisationen aktiv vergleiche ausführlich Pkt. römisch II.1.5.1.3.). Eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in seine Heimatprovinz könnte daher mit ernstzunehmender Gefahr für Leib und Leben verbunden sein.

3.1.2.2. Der Beschwerdeführer kann aber jedenfalls gemäß Paragraph 11, Absatz 2, AsylG 2005 auf eine andere Region des Landes - nämlich die Städte Herat oder Mazar-e Sharif - aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände verwiesen werden vergleiche VfGH 11.10.2012, U677/12).

In Herat und Mazar-e Sharif ist nach den vorliegenden Länderberichten die allgemeine Lage als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen. Wie bereits unter Pkt. römisch II.3.3.1.1. festgehalten wurde, hat die afghanische Regierung die Kontrolle über Herat und Mazar-e Sharif. Darüber hinaus sind Herat und Mazar-e Sharif über den Luftweg aufgrund der vorhandenen Flughäfen sicher erreichbar.

Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, sind in Herat und Mazar-e Sharif nicht auszuschließen. Die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen vermag für sich alleine betrachtet aber noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Allein der Umstand, dass ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, begründet bei der derzeitigen Gefahrenlage für den Beschwerdeführer noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Artikel 2, oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor vergleiche VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137).

Weiters ist festzuhalten, dass die Lage wegen der Zahl der Binnenvertriebenen (Dürre, schwere Unwetter) auch in Balkh und Herat zwar angespannt ist. Mit Blick auf die angeführten Länderfeststellungen ist der Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung sowie Erwerbsmöglichkeiten in den Städten Mazar-e Sharif und Herat allerdings grundsätzlich gegeben. So ist aus den getroffenen Länderfeststellungen ersichtlich, dass, wenn auch die Infrastruktur noch unzureichend ist, sich die Region um Mazar-e Sharif grundsätzlich gut entwickelt, indem neue Arbeitsplätze entstehen, sich Firmen ansiedeln und der Dienstleistungsbereich wächst; zudem wurde im Jahr 2017 ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren vergleiche Pkt. römisch II.1.2.1.4.). Auch die Heimatprovinz der BF, Herat, ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Im dort gelegenen Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wird Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion, wodurch zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen werden vergleiche Pkt. römisch II.1.2.1.3.). Der aktuellen Berichtlage ist nicht zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung (mit Nahrungsmittel und Trinkwasser) generell nicht mehr gewährleistet oder das Gesundheitsversorgungssystem zusammengebrochen wäre. Weder wird in den in das Verfahren eingeführten Berichten eine bestehende (oder unmittelbar drohende) Hungersnot noch eine (herannahende) humanitäre Katastrophe geschildert.

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten reicht es entsprechend der oben wiedergegeben Judikatur nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Artikel 3, EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen:

Solche Umstände vermochte der Beschwerdeführer im Verfahren nicht darzulegen. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter mit fünfjähriger Schulbildung und Berufserfahrung als Verkäufer und Abwäscher. Er ist in Afghanistan geboren und ist mit einer in Afghanistan gesprochenen Sprache (Paschtu) vertraut. Der Beschwerdeführer hat den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht und ist überdies in einem engen afghanischen Familienverband aufgewachsen, sodass er mit der afghanischen Tradition und Lebensweise vertraut ist. Er hat in Afghanistan seinem Vater gelegentlich im Verkauf geholfen und zudem in Österreich zwei Monate lang als Abwäscher gearbeitet, weshalb die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Obwohl der Beschwerdeführer verheiratet ist, müsste er bei einer Rückkehr nur für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen, zumal seine in Afghanistan aufhältige Ehefrau vom Vater des Beschwerdeführers finanziell versorgt wird (S. 14 des Verhandlungsprotokolls). Überdies hat der Beschwerdeführer keine Kinder, für deren Unterhalt er aufzukommen hätte. Das Ermittlungsverfahren hat zusätzlich ergeben, dass eine finanzielle Unterstützung durch seine Familie nicht auszuschließen ist vergleiche Pkt. römisch II.1.4.). Mit der Ansiedlung des Beschwerdeführers in Herat oder Mazar-e Sharif ist daher keineswegs die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Artikel 3, EMRK im Sinne der obigen Rechtsgrundsätze in Bezug auf diese Städte behaftet.

Wenn nach ständiger Rechtsprechung die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative sogar einem Beschwerdeführer, welcher nicht in Afghanistan geboren ist, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist, zugemutet wird vergleiche in Bezug auf Kabul VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VfGH 12.12.2017, E 2068/2017-17), muss dies umso mehr für den Fall des Beschwerdeführers gelten, der den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht hat, die kulturellen Gepflogenheiten in Afghanistan kennt und dessen Familie nach wie vor in Afghanistan aufhältig ist.

Allein die fehlenden tragfähigen Beziehungen und Ortskenntnisse in afghanischen Großstädten vermögen die Gefahr einer individuellen Bedrohung des Lebens des Beschwerdeführers nicht darzutun vergleiche VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). Die wohl schwierige Lebenssituation des Beschwerdeführers bei einer Neuansiedlung in Mazar-e Sharif bzw. Herat bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche und in wirtschaftlicher Hinsicht stellt für sich ebenfalls keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und damit keine Verletzung von Artikel 3, EMRK dar vergleiche VfGH 12.12.2017, E 2068/2017). Insbesondere ist in Bezug auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 festzuhalten, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen, leben können.

Zudem kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Herat oder Mazar-e Sharif das Auslangen finden. Der Beschwerdeführer könnte z.B. auch nach seiner Ankunft von einer temporären Unterbringungsmöglichkeit Gebrauch machen, weshalb auch nicht zu befürchten ist, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei er seine Berufserfahrung nutzen könnte. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Der Beschwerdeführer gehört zudem keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

Daher wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer passable Chancen hätte, sich am Arbeitsmarkt in Herat oder Mazar-e Sharif zu integrieren und dort eine Unterkunft zu finden, also somit in diesen Städten ein Leben ohne unbillige Härten führen könnte, wie es auch andere Landsleute führen können.

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif möglich und auch zumutbar ist.

Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Aufgrund der vorgenommenen Prüfung im Einzelfall unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers sowie unter Beachtung der Rechtsprechung des VwGH sowie des VfGH und Bezugnahme der Rechtsprechung des EGMR war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.1.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Absatz eins a, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde auch nicht Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005. Im Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, welche auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufenthaltsberechtigung aus den in Paragraph 57, AsylG 2005 angeführten Gründen hätten schließen lassen.

Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn 1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird, 2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, 3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder 4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.

(5-6) ..."

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Artikel 8, EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (siehe VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings auch bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (VwGH 06.09.2017, Ra 2017/20/0209; VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187). Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen vergleiche VwGH 22.09.2011, 2007/18/0864 bis 0865, mwN). Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Artikel 8, EMRK thematisiert.

Vom Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Artikel 8, EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind vergleiche dazu EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.03.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; ebenso VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423, sowie VwGH 26.01.2006, 2002/20/0235, wonach das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der Begriff des "Familienlebens" ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, ua). Bei dem Begriff "Familienleben" im Sinne des Artikel 8, EMRK handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen vergleiche EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60.654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg 17.516/2005 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

3.1.3.1. Zum Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Familienangehörigen oder sonstigen Verwandten in Österreich. Vom Vorliegen eines Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK ist daher nicht auszugehen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher lediglich allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

3.1.3.2. Zum Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers:

Es wird seitens des erkennenden Gerichts zwar nicht verkannt, dass sich der Beschwerdeführer seit etwa viereinhalb Jahren in Österreich befindet (Antragstellung im November 2014) und in diesem Zeitraum durchaus Schritte zu seiner Integrationsverfestigung gesetzt hat. Zugunsten des Beschwerdeführers ist in der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache gut beherrscht, das ÖSD-Zertifikat auf dem Sprachniveau A2 mit gutem Erfolg bestanden hat, zuletzt einen Deutschkurs auf dem Sprachniveau B1 besucht hat, den Pflichtschulabschluss erworben hat, Freundschaften aufbauen konnte und schließlich für zwei Monate als Abwäscher gearbeitet hat, wodurch er nicht mehr auf den Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung angewiesen war. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass zwischen dem Abschluss der Pflichtschule ( römisch XXXX .07.2017) und der anschließenden Aufnahme der saisonellen beruflichen Tätigkeit ( römisch XXXX .12.2018) ein Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren liegt, in welchem der Beschwerdeführer keine beruflichen Integrationsschritte gesetzt hat.

Der Beschwerdeführer hat nach Ansicht des zur Entscheidung berufenen Richters für seinen viereinhalbjährigen Aufenthaltszeitraum zwar gute integrationsverfestigende Maßnahmen gesetzt, diese sind jedoch nicht in einem derartigen Umfang gegeben, um vorliegend von entscheidungserheblicher Relevanz zu sein und den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben zu genügen. Der Zeitraum des Aufenthalts des Beschwerdeführers, in dem er die angeführten Integrationsschritte gesetzt hat, ist mit viereinhalb Jahren im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; vergleiche auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, wonach einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt) als noch relativ kurz zu werten.

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung im Bundesgebiet auf, wo er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren verfügt hat. Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte in weiterer Folge seinen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwies. Die Dauer des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Bundesverwaltungsgericht überstieg zudem nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen vergleiche VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt gegen Norwegen, Appl. 47.017/09, 85 f).

Das Gewicht des mehrjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers wird dadurch wesentlich relativiert, dass das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Interessen und Kontakte dadurch geschwächt wird, dass er sich nicht darauf verlassen konnte, sein Leben nach Beendigung des Asylverfahrens in Österreich fortzuführen. Der Beschwerdeführer musste sich also zum Zeitpunkt, in dem das Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein. Das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet ist jedenfalls dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten eines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste. Er durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war vergleiche z.B. VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Es ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen das Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr - letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich, vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen vergleiche VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188).

Der Beschwerdeführer verfügt über Bindungen zum Herkunftsstaat, indem er mit der Landessprache vertraut ist, in einem engen afghanischen Familienverband aufgewachsen ist, den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht hat und nach wie vor in Kontakt mit seiner Kernfamilie steht. Somit deutet nichts darauf hin, dass sich der Beschwerdeführer in die dortige Gesellschaft nicht wieder integrieren können wird.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

Die Voraussetzungen des Paragraph 10, AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch kein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach Paragraph 50, Absatz eins, FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den tragenden Gründen des gegenständlichen Erkenntnisses betreffend die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine Umstände vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan iSd Paragraph 50, FPG ergeben würden. Die Abschiebung ist schließlich nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

3.1.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach Paragraph 55, Absatz 2, FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige besondere Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht behauptet und sind auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war die Beschwerde auch zu diesen Spruchpunkten (römisch III. und römisch IV.) als unbegründet abzuweisen.

3.1.5. Sonstiges:

Soweit in der Beschwerde verfassungsrechtliche Bedenken betreffend die zweiwöchige Beschwerdefrist geäußert wurden und in diesem Zusammenhang angeregt wurde, das Bundesverwaltungsgericht möge die Aufhebung dieser Norm beim Verfassungsgerichtshof beantragen, ist abschließend darauf zu verweisen, dass die Beschwerdefrist mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.09.2017, G 134/2017 und G 207/2017 vergleiche Bundesgesetzblatt römisch eins. 140 aus 2017,), geändert wurde und nunmehr vier Wochen beträgt, sowie darauf, dass die gegenständliche Beschwerde ohnehin rechtzeitig eingebracht wurde.

3.2. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2019:W253.2134225.1.00