BVwG
25.02.2019
W252 2160243-1
W252 2160243-1/11E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 05.02.2019 VERKÜNDETEN
ERKENNTNISSE:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Elisabeth SHALA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA: Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 3, AsylG als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten für ein Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 27.10.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am folgenden Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Als Fluchtgrund gab der BF an, dass die Al Shabaab ihn für den Bürgerkrieg zwangsrekrutieren haben wolle.
Mit Schriftsatz vom 17.02.2017 brachte der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter eine Säumnisbeschwerde ein. Am 08.03.2017 wurde der BF von der belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der BF als Fluchtgrund im Wesentlichen an, er habe eine Frau eines höher stehenden Clans geheiratet. Die Familie seiner Frau sei damit nicht einverstanden gewesen und habe deswegen Probleme gemacht. Die Familie der Frau des BF habe das Haus des BF angezündet und ihn mit dem Tode bedroht. Als weiteren Fluchtgrund gab der BF an, dass ihn die Al Shabaab gezwungen hätte, Waffen zu transportieren, währenddessen hätten die Al Shabaab seinen Onkel und seinen Bruder als Geisel gehalten. Der BF sei von der Polizei erwischt worden und ins Gefängnis gebracht worden. Als er wieder in sein Heimatdorf gekommen sei, habe er erfahren, dass sein Onkel und sein Bruder getötet worden seien.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt römisch II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch IV.).
Das BFA stellte dem BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
3. Mit Schriftsatz vom 29.05.2017 (am selben Tag bei der belangten Behörde eingebracht) erhob der BF durch seine Vertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, dass seine Fluchtgeschichte glaubwürdig sei und zitierte ACOORD Anfragen und Zeitungsartikel zur Untermauerung seiner Fluchtgeschichte und zur schlechten Lage in Somalia, vornehmlich in Mogadischu.
4. Mit Schreiben vom 31.05.2017 (eingelangt am 02.07.2017) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
5. Mit Schriftsatz vom 31.07.2018 gab die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH ihre Vertretungsvollmacht bekannt und brachte eine Beschwerdeergänzung ein.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.01.2019 eine Strafregisterabfrage durch.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.01.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsberaters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin u.a. ausführlich zu ihren Fluchtgründen und ihrer Integration in Österreich befragt wurde. Der BF legte in der Verhandlung ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor, unter anderem Zertifikate über die bestandenen Deutschprüfungen A1 und A2 und eine Teilnahmebestätigung über die Teilnahme am Sprachkurs B1. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift und das mündlich verkündete Erkenntnis wurde dem BFA übermittelt. Der BF gab nach Beratung mit seinem Rechtsberater an, auf die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshofs und eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshofes zu verzichten.
8. Das BFA stellte am 11.02.2019 einen Antrag auf Ausfertigung des am 05.02.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF führt den im Spruch geführten Namen und ist am im Spruch genannten Datum geboren. Der BF ist somalischer Staatsbürger und Angehöriger des Clans der XXXXund bekennt sich zum muslimischen Glauben. Der BF ist verheiratet und hat keine Kinder.
Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 27.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF ist in der Stadt römisch 40 , im Verwaltungskreis der Stadt römisch 40 , in der Provinz Bay, geboren und aufgewachsen und hat dort bis zu seiner Ausreise aus Somalia gelebt. Der Vater des BF ist bereits verstorben. Die Mutter, Geschwister und die Ehefrau des BF befinden sich in Äthiopien, der BF hat Kontakt zu seiner Familie. Der BF verfügt über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in Somalia.
Der BF hat keine Schulbildung, er hat ein Jahr eine Koranschule besucht, und hat auch keinen Beruf erlernt. Der BF spricht Somalisch als Muttersprache.
Der BF leidet an Lymphknotentuberkulose und ist in der TBC-Abteilung des römisch 40 aufhältig.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Dem BF droht im Falle einer Rückkehr nach Somalia keine asylrelevante Verfolgung durch die Al Shabaab.
Dem BF droht keine Bedrohung und/oder Verfolgung durch die Familie seiner Ehefrau.
Dem BF droht nicht allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Clan der römisch 40 individuell physische und/oder psychische Gewalt in Somalia.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.01.2018 (letzte KI eingefügt am: 17.09.2018):
Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017). Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).
Süd-/Zentralsomalia
Die Präsenz von AMISOM in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in Somalia zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vergleiche ICG 20.10.2017).
AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017). Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).
Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vergleiche ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).
Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vergleiche UNSC 9.5.2017). Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017). Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf. Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017). Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).
Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017). Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vergleiche BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017). Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 9.2016).
Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfern niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017).
Auch wenn die Zahl von Gewalt gegen Zivilisten seit dem Jahr 2013 relativ konstant bleibt, so hat sich die Letalität - etwa aufgrund der Proliferation von destruktiveren Methoden - erhöht. Im Durchschnitt kommen bei jedem Vorfall also mehr Menschen zu Schaden (SEMG 8.11.2017). Absolutes Beispiel dieses Trends ist der Anschlag vom 14.10.2017 in Mogadischu, bei welchem mehr als 500 Menschen getötet wurden - wiewohl sich al Shabaab bislang nicht zu dem Anschlag bekannt hat (DS 2.12.2017). Dahingegen ist bei den staatlichen Sicherheitskräften ein positiver Trend zu erkennen. Sie sind in keine größeren Angriffshandlungen gegen Zivilisten verwickelt (SEMG 8.11.2017).
Bundesstaat South West State (SWS; Lower Shabelle, Bay, Bakool)
Die Macht der Regierung des SWS reicht kaum über Baidoa hinaus. In vielen nicht von der al Shabaab kontrollierten Orten in Bay und Bakool bestehen nur rudimentäre Verwaltungen, die oftmals von Äthiopien organisiert worden sind. Die al Shabaab kontrolliert viele Straßenverbindungen und ländliche Gebiete (BFA 8.2017). Im Dezember 2017 hat der SWS begonnen, Bezirksräte für Baidoa, Baraawe und Berdale aufzustellen. Der Bezirksrat für Xudur war bereits im Oktober eingerichtet worden, auch ein Bürgermeister wurde ernannt (UNAMIS 20.12.2017). Der Regierung ist es mit internationaler Unterstützung gelungen, eine eigene kleine Armee aufzubauen, die South West State Special Police Force (SWSSPF) (BFA 8.2017).
Die al Shabaab hat 2017 einige Gebiete im Shabelle-Tal zurückgewonnen, darunter die Stadt Bariire. Regierungskräfte hatten sich von dort aus Protest gegen Rückstände bei der Auszahlung des Soldes zurückgezogen (ICG 20.10.2017). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind besonders hart von der Gewalt betroffen (DIS 3.2017). Einerseits bildet das Dreieck Afgooye-Mogadischu-Merka das einsatztechnische Schwergewicht der al Shabaab (BFA 8.2017). Andererseits ist die Gewalt im Gebiet eher von Clanauseinandersetzungen geprägt, als von al Shabaab (DIS 3.2017). Die drei maßgeblichen Akteure im Dreieck sind folglich AMISOM, Milizen und al Shabaab. Dabei kommt es in und um Afgooye häufig zu Anschlägen und Angriffen (BFA 8.2017). Zwar wird Afgooye von AMISOM kontrolliert (DIS 3.2017), doch ist die al Shabaab bereits mehrfach in die Stadt eingedrungen und hat die SNA dort auch regelmäßig zurückgeworfen. Genauso regelmäßig ist die al Shabaab aus Afgooye auch wieder abgezogen. Al Shabaab hat bisher nicht erkennen lassen, dass sie die Stadt länger besetzt halten oder mit der dort stationierten AMISOM den Kampf aufnehmen möchte (BFA 8.2017). Qoryooley wird zwar von AMISOM kontrolliert (DIS 3.2017), doch ist das Gebiet gefährdet. Gleichzeitig gibt es in diesem Gebiet auch Clan-Konflikte, v.a. zwischen Habr Gedir, Biyomaal und Rahanweyn. Die Fruchtbarkeit der Gegend ist ein Mitgrund für die Dichte an Gewalttätigkeiten. Es kommt häufig zum Streit über Ressourcen; und viele Clans sind involviert. Die al Shabaab und AMISOM ergreifen im Rahmen derartiger Konflikte Partei (BFA 8.2017).
Clanauseinandersetzungen in Lower Shabelle, bei welchen in erster Linie Habr Gedir, Biyomaal und Digil involviert sind, dauern seit 2014 an. Nach der kurzfristigen Übernahme von Merka durch die al Shabaab im Februar 2016, bei welcher sich offenbar Milizen der Habr Gedir und Elemente der somalischen Armee auf die Seite der Islamisten geschlagen hatten, haben sich die Biyomaal mit AMISOM alliiert. Dahingegen haben sich Netzwerke der Habr Gedir auf die Seite der al Shabaab gestellt (SEMG 8.11.2017). In der Folge hat al Shabaab bereits im Oktober 2016 mit dem Verbrennen und Plündern von Biyomaal-Dörfern begonnen (SEMG 8.11.2017); bei Kämpfen zwischen Habr Gedir und Biyomaal in Lower Shabelle wurden 2016 insgesamt 28 Zivilisten getötet (USDOS 3.3.2017). Die Situation ist im Mai 2017 eskaliert (SEMG 8.11.2017), als mindestens achtzehn Dörfern zwischen Merka und Afgooye Häuser von Biyomaal verbrannt und zahlreiche Menschen vertrieben wurden. Außerdem wurden Dutzende Menschen entführt und in einem provisorischen Lager in Mubarak gefangen gehalten (HRW 26.7.2017). 2017 ging al Shabaab gegen die Biyomaal vor. Ganze Dorfbevölkerungen wurden aus dem Gebiet zwischen Merka und Afgooye vertrieben (BFA 8.2017). Im August 2017 kam es zwischen Milizen der Biyomaal auf der einen und Milizen der Habr Gedir und al Shabaab auf der anderen Seite zum Streit um die Stadt Merka (SEMG 8.11.2017).
Merka wurde 2013 von AMISOM eingenommen, doch ist die Präsenz der al Shabaab im Umland groß und die Gruppe konnte wiederholt nach Merka vordringen (DIS 3.2017). Gegenwärtig ist die Lage von Merka reichlich verworren und Änderungen unterworfen (BFA 8.2017). Im Herbst 2016 hat AMISOM die Stellungen in der Stadt geräumt. Allerdings befindet sich in der unmittelbaren Peripherie von Merka weiterhin ein Stützpunkt der AMISOM (DIS 3.2017; vergleiche BFA 8.2017). Die dort stationierten ugandischen Truppen unternehmen auch sporadische Patrouillen in die Stadt. In Merka gibt es eine funktionierende Verwaltung und einen vom SWS eingesetzten District Commissioner. Die Stadtverwaltung betreibt eine Stadtpolizei und eine Polizeistation. Kräfte der SNA befinden sich hingegen keine in der Stadt (BFA 8.2017). Es kann attestiert werden, dass weder AMISOM noch al Shabaab die Stadt kontrollieren (BFA 8.2017; vergleiche DIS 3.2017). Lokale Milizen (Biyomaal und Habr Gedir) spielen eine bedeutende Rolle (BFA 8.2017). Wer die Stadt effektiv kontrolliert, ist unklar (DIS 3.2017)
Aus der Stadt Baraawe kommen seit Monaten keine Meldungen mehr über relevante Gefechte. Die Stadt scheint ruhig zu sein, es gibt einen Stützpunkt der AMISOM. Am Stützpunkt Bali Doogle sind größere Kräfte der SNA stationiert, darunter die Spezialeinheit Danaab. Außerdem befinden sich dort ein Ausbildungsstützpunkt der USA sowie eine Drohneneinsatzbasis (BFA 8.2017). Sablaale und Kurtunwaarey werden von al Shabaab kontrolliert (DIS 3.2017).
Al Shabaab kontrolliert weiterhin große Gebiete von Bay und Bakool. Die Gruppe betreibt dort auch mindestens drei Ausbildungslager (SEMG 8.11.2017). Die Sicherheitslage in Baidoa hat sich in den vergangenen Monaten verbessert. Die Stadt wird als relativ sicher beschrieben. Regelmäßig kommt es zu Sicherheitsoperationen und Razzien durch Sicherheitskräfte. Die Einsatzfähigkeit der SWS Police Force (SWSPF) hat sich nach der Aufnahme lokaler Rekruten verbessert. Gleichzeitig ist Baidoa auf die Anwesenheit der äthiopischen AMISOM-Truppen angewiesen. Al Shabaab scheint in der Lage zu sein, Baidoa in der Nacht zu infiltrieren (BFA 8.2017). Polizisten der SWSPF sind auch in Qansax Dheere und in Bakool stationiert. Stützpunkte der SWS Special Police Force (SWSSPF) befinden sich in Baidoa, Buur Hakaba und Goof Gaduud. Stützpunkte von anti-al-Shabaab-Kräften in der Region Bay befinden sich in Berdale, Baidoa, Buur Hakaba, Awdiinle, Leego, Qansax Dheere und Bush Madina (BFA 8.2017). Der Ort Leego wurde Anfang August von al Shabaab eingenommen, nachdem AMISOM von dort abgezogen war (JF 15.8.2017). In der Region Bay ist die al Shabaab relativ aktiv, ihr dortiger Schwerpunkt befindet sich östlich der Verbindungsstraße von Baidoa nach Waajid. Generell kontrollieren die Islamisten mit Ausnahme der genannten Garnisonsstädte die gesamte Region Bay. Einfluss und Kontrolle der Regierung enden nur wenige Kilometer außerhalb von Baidoa (BFA 8.2017).
Die SWS-Administration hat für Bakool einen Gouverneur installiert, dieser hat aber nur in Xudur Einfluss. In Xudur befindet sich auch ein größerer Stützpunkt der SNA. Ein ca. 20km breiter Grenzstreifen an der Grenze zu Äthiopien wird als frei von al Shabaab bezeichnet. Dort ist auch die äthiopische Liyu Police aktiv. Außerdem operieren hier unabhängige ClanMilizen. Insgesamt steht die Verwaltung von Bakool massiven Problemen gegenüber, um die Bevölkerung zu erreichen. Al Shabaab kontrolliert weite Teile der Region (BFA 8.2017). Stützpunkte von anti-al-Shabaab-Kräften in der Region Bakool befinden sich in Yeed, Rab Dhuure, Garas Weyne, Buur Dhuxunle, Xudur, Waajid, Abeesale, Ato und Ceel Barde (BFA 8.2017).
In den Regionen Bakool, Bay und Lower Shabelle lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 2,36 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 100 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians").
Benadir / Mogadischu
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 22.2.2017). Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv (BFA 8.2017). Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt - speziell durch die Aufstellung der Mogadishu Stabilization Mission (MSM). Die Zahl von Angriffen der al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Andererseits scheint sich die al Shabaab aufgrund der Erfolge der Sicherheitskräfte zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachen (UNSC 5.9.2017). Regelmäßig kommt es zu sogenannten komplexen Anschlägen in Mogadischu, wobei ein Sprengstoffanschlag mit dem Einsatz einiger weniger bewaffneter Selbstmordkämpfer kombiniert wird. Ziele sind i.d.R. Hotels oder Restaurants, die häufig von Behördenbediensteten oder Sicherheitskräften frequentiert werden (SEMG 8.11.2017). Der Einsatz von Artillerie (Mörsern) mit Ziel Mogadischu ist wieder im Steigen begriffen. Im ersten Halbjahr 2017 kam es zu zwölf derartigen Angriffen, im Gesamtjahr 2016 waren es 17 (SEMG 8.11.2017). Am 12.6. und am 4.7.2017 wurden insgesamt neun Mörsergranaten auf Stadtgebiet abgeschossen (UNSC 5.9.2017). Dabei verfügt al Shabaab nunmehr auch über schwere, von AMISOM erbeutete Mörser (120mm), was ihre Möglichkeiten erweitert (SEMG 8.11.2017). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vergleiche EASO 2.2016). Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BFA 8.2017; vergleiche UKUT 3.10.2014, vergleiche EGMR 10.9.2015). Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017).
Die Sicherheitslage hat sich also verbessert (UNSOM 13.9.2017; vergleiche UNNS 13.9.2017), bleibt aber volatil (UNSC 5.9.2017). Die MSM hat einige Erfolge verzeichnet, darunter Maßnahmen zur Entwaffnung von Milizen und Zivilisten. Auch die Polizei in Mogadischu funktioniert merklich besser, als vor drei oder vier Jahren. Das Polizeikontingent der AMISOM ist aktiv. Es werden in der ganzen Stadt regelmäßig Patrouillen durchgeführt. Zusätzlich befinden sich Stützpunkte der Armee an neuralgischen Punkten der Stadt. Auch die National Intelligence and Security Agency (NISA) und ihre Spezialeinheiten werden in Mogadischu eingesetzt. Der wichtigste Faktor in Mogadischu ist aber die Präsenz der AMISOM. Sie ist in Mogadischu mit je einem Bataillon aus Uganda und Burundi, mit dem militärischen Stab und mit rund 300 Polizisten präsent. In einem gewissen Ausmaß stellt sie für al Shabaab einen Abschreckungsfaktor dar. Sie macht es für AS schwieriger, in die Stadt zu gelangen (BFA 8.2017). Auch die Regierung zeigt einige Bemühungen, die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. Allerdings sind diese ungenügend; korrupte, unbezahlte Soldaten und unzufriedene Clans in der Peripherie ermöglichen es der al Shabaab, Mogadischu zu infiltrieren (ICG 20.10.2017).
Mogadischu ist folglich nicht absolut abgeschottet (BFA 8.2017). Der Amniyat ist schon seit Jahren in der Stadt aktiv und konnte Sicherheitsstrukturen unterwandern (ICG 20.10.2017). Insgesamt reicht die in Mogadischu gegenwärtig gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte nicht aus, um eine flächeneckende Präsenz sicherzustellen. Al Shabaab hingegen verfügt eindeutig über eine Präsenz in der Stadt (BFA 8.2017). Diese Präsenz ist aber keine offen militärische, sondern eine verdeckte (DIS 3.2017). Diese ist in den Außenbezirken stärker, als in den inneren. Zentral-Mogadischu ist relativ konsolidiert. Gleichzeitig hängt die Präsenz der Gruppe auch von der Tageszeit ab. Die nördlichen Bezirke - v.a. Dayniile und Heliwaa - werden in der Nacht von al Shabaab kontrolliert (BFA 8.2017).
Insgesamt scheint sich die al Shabaab bei der Durchführung von Attentaten von Quantität auf Qualität verlegt zu haben. Dabei sucht die al Shabaab ihre Ziele v.a. im Bereich der Regierung. Für die Zivilbevölkerung ist das größte Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (DIS 3.2017; vergleiche LI 1.4.2016). Ob Mogadischu als sicher oder unsicher bezeichnet wird, hängt maßgeblich von der subjektiven Wahrnehmung und von persönlichen Erfahrungen ab (BFA 8.2017). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014). Mindestens einmal pro Monat kommt es zu einem signifikanten Sprengstoffanschlag. Tödliche, von al Shabaab inszenierte Zwischenfälle ereignen sich regelmäßig. Pro Monat töten die Islamisten ca. 20 Personen in Mogadischu. Dabei richten sich die Aktivitäten vorwiegend gegen die Regierung. Zusätzlich sind neben der al Shabaab auch andere Akteure für Mode und Attentate verantwortlich (BFA 8.2017). Bis in den Oktober 2017 hat Mogadischu eine moderate Verbesserung der Sicherheitslage erlebt. Die Zahl an Attentaten und Anschlägen ging zurück, die Sicherheitskräfte konnten einige Angriffe erfolgreich verhindern (ICG 20.10.2017). Andererseits schien sich al Shabaab später aus taktischen Überlegungen heraus auf Mogadischu zu konzentrieren. Dort sollen Anschläge - speziell auf sogenannte "soft targets" (z.B. Hotels und Märkte) - verstärkt werden (UNHRC 6.9.2017). In welche Richtung sich die Sicherheitslage mittelfristig entwickeln wird, ist schwer einschätzbar (BFA 8.2017).
Grundversorgung/Wirtschaft
Generell hätte Somalia großes wirtschaftliches Potential, sei es im Agro-Business, in der Viehzucht, der Fischerei oder im Handel, bei erneuerbaren oder anderen Energiequellen. Außerdem verfügt Somalia über sehr unternehmerische Staatsbürger, sowohl im Land als auch in der Diaspora. Dieses Potential wäre vorhanden (UNSOM 13.9.2017). Die Diaspora investiert auch seit mehreren Jahren auf unterschiedliche Art in ganz Somalia (SHU 16.6.2016). Laut Schätzungen überweist die Diaspora pro Jahr mehr als 1,3 Milliarden USDollar in die Heimat. Damit ist die somalische Wirtschaft aber gleichzeitig eine der am meisten von Remissen abhängigen Ökonomien der Welt (SHU 16.6.2017). Doch noch gehört Somalia zu den ärmsten Ländern der Erde. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung kann sich nicht ausreichend mit Lebensmitteln und Trinkwasser versorgen (AA 4.2017b). Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia seit Jahrzehnten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe (AA 1.1.2017; vergleiche AA 4.2017b). Das Land ist also in hohem Grade von Hilfe abhängig (UNSOM 13.9.2017). 43% der somalischen Bevölkerung leben in extremer Armut von weniger als einem US-Dollar pro Tag (UNHRC 6.9.2017). Fehlende Daten machen es schwierig, die makro-ökonomische Situation Somalias ausreichend beschreiben zu können. Schätzungen zufolge ist das BIP im Jahr 2015 um 5% gestiegen, im Jahr 2016 um 6%. Die Prognose für 2017 lautet auf ein Wachstum von 2,5%. Dabei ist dieses Wachstum vor allem im urbanen Raum entstanden und von Konsum, Remissen und Gebergeldern abhängig (WB 18.7.2017).
Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar (ÖB 9.2016). Das gegebene Wachstum des BIP ist in Somalia ein urbanes Phänomen, getrieben vom Konsum, von Hilfen aus dem Ausland und von Überweisungen aus der Diaspora. Dabei wirkt sich das von al Shabaab im Juni 2017 in drei Bundesstaaten ausgesprochene Verbot der Verwendung des Somali Shilling negativ aus, der Kurs der Währung ist gefallen (UNSC 5.9.2017; vergleiche SEMG 8.11.2017). Mit ein Grund für das Verbot der al Shabaab war sicherlich das nicht regulierte und nicht genehmigte Nachdrucken von Banknoten durch die State Bank of Puntland (SEMG 8.11.2017). Es gibt unterschiedliche Zahlen darüber, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Somalia ist. Am Human Development Index 2012 wurde die allgemeine Arbeitslosigkeit mit 54% angegeben, für Jugendliche (14-29jährige) mit 67% (ÖB 9.2016; vergleiche SHU 16.6.2017). UNDP gab die Zahl im Jahr 2012 mit 67% an. Bei der aktuellen Studie aus dem Jahr 2016 gaben aber nur 14,3% der befragten Jugendlichen (Mogadischu 6%, Kismayo 13%, Baidoa 24%) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist, als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat;
c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von "arbeitslos" unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016). Außerdem sind nach anderen Angaben viele Männer aufgrund ihres Khat-Konsums mehr oder weniger berufsunfähig - ein Grund, warum oft Frauen als Familienerhalterinnen einspringen müssen (SZ 13.2.2017). All dies bedeutet jedenfalls, dass man die Arbeitslosigkeit in Somalia und in Mogadischu nicht beziffern kann (LI 1.4.2016). Insgesamt sind zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren (ÖB 9.2016). Außerdem haben sich bisherige Studien darüber, wie Menschen in Mogadischu ihren Lebensunterhalt bestreiten, auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel - v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LI 1.4.2016).
Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose jedenfalls keinerlei Unterstützung (LI 1.4.2016). In einer Studie von IOM gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60%) und von Verwandten im Ausland (27%) versorgt zu werden (IOM 2.2016). Insgesamt ist das traditionelle Recht (xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.:
in etwa die unterste Ebene des Clansystems] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017).
2015 wurde ein Wirtschaftsaufschwung am Hafen Mogadischus registriert. Dank der reduzierten Bedrohung durch Piraterie und die dadurch verbesserte Sicherheitslage interessieren sich immer mehr Investoren für Mogadischu. Die somalische Wirtschaft ist jedoch im Allgemeinen weiterhin fragil. Dies hängt mit der schmalen Wirtschaftsbasis zusammen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist nach wie vor von der Tierhaltung und Fischerei abhängig und damit externen und Umwelt-Einflüsse besonders ausgesetzt (ÖB 9.2016). Es kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung (LI 1.4.2016). In der Stadt gibt es eine steigende Nachfrage an Hilfsarbeitern. Früher hatten die nicht-Ausgebildeten größere Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt aber auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit. Mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu sind auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen (IOM 2.2016; vergleiche LI 1.4.2016). Dementsprechend sind unqualifizierte Arbeitskräfte, bei denen es nur um physische Kraft geht (Bauwirtschaft, Hafenarbeiter etc.) in Mogadischu zahlreich verfügbar. Junge Kandidaten werden bevorzugt (IOM 2.2016). Einen großen Bedarf gibt es an folgenden ausgebildeten Kräften und Fähigkeiten - bzw. womöglich auch an Ausbildungswilligen: Handwerker (Tischler, Maurer, Schweißer etc.); im Gastgewerbe (Köche, Kellner etc.); Schneider; Ingenieure; medizinisches Personal;
fortgeschrittene IT- und Computerkenntnisse; Agrarfachwissen;
Lehrkräfte auf allen Ebenen. Einen Bedarf gibt es auch an folgenden Arbeitskräften und Fähigkeiten: Mechaniker, Elektriker, Installateure, Fahrer von Spezialfahrzeugen; Betriebswirte und Buchhalter; Verkauf und Marketing; Englisch-Sprechern; IT- und Computerkenntnisse (IOM 2.2016). Der Mangel an Fachkräften ist so groß, dass in manchen Bereichen auf Gastarbeiter zurückgegriffen wird (z.B. im Gastgewerbe auf Kenianer und Somaliländer; oder im Baugewerbe auf Handwerker aus Bangladesch) (LI 1.4.2016; vergleiche IOM 2.2016). Fast alle in der Studie von IOM befragten Arbeitgeber haben angegeben, dass sie mittelfristig mehr Personal einstellen wollen (IOM 2.2016). Weil freie Arbeitsplätze oft nicht breit beworben werden und die Arbeitgeber den Clan und die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne richtige Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen (IOM 2.2016; vergleiche DIS 9.2015), Witwen und Migranten ohne Familien schlechtere Chancen (DIS 9.2015). Arbeitssuchende greifen also auf ihre privaten Netzwerke zurück. Größere Firmen platzieren Jobangebote auch an Hauswänden oder in lokalen Medien. Öffentliche Stellen greifen auch auf Onlinemedien zurück (z.B. baidoanews.net oder somalijobs.net). Männliche Hilfsarbeiter stellen ihre Arbeitskraft frühmorgens an bestimmten Plätzen zur Verfügung (Mogadischu: Bakara; Baidoa: Kilo 7; Kismayo: Golol Place) (IOM 2.2016).
Der militärische Erfolg gegen al Shabaab in Mogadischu hat dazu geführt, dass viele Somali aus der Diaspora zurückgekehrt sind (BS 2016; vergleiche LI 1.4.2016). Die Rückkehrer haben investiert und gleichzeitig eine wachsende Nachfrage geschaffen (LI 1.4.2016). Außerdem traten neue Investoren in den Vordergrund, z.B. die Türkei (BS 2016; vergleiche LI 1.4.2016), China und die Golf-Staaten (LI 1.4.2016). Die Wirtschaft von Mogadischu hat begonnen zu wachsen. Dies wird angesichts des Baubooms am offensichtlichsten (BS 2016). Heute ist Mogadischu vom Wiederaufbau, ökonomischer Wiedererholung und Optimismus gekennzeichnet (LI 1.4.2016). Supermärkte, Restaurants und Hotels wurden neu geöffnet. Auch in anderen, der al Shabaab abgerungenen Städten steigt die Zahl wirtschaftlicher Aktivitäten (BS 2016). Viele UN-Agenturen (bspw. UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen (ÖB 9.2016). Die UNO betreibt in Somalia gegenwärtig 18 auf Jugendliche zugeschnittene Programme und hat dort 28 Mio. US-Dollar investiert. Sieben dieser Programme unterstützen die (Berufs-)Ausbildung um die Jugendarbeitslosigkeit zu senken (UNSC 5.9.2017). Der Somalia Stability Fund betreibt Infrastrukturprojekte in Hobyo, Xudur und Berdale - dadurch wurden Arbeitsplätze geschaffen. UNDP und UNIDO unterstützen Jugendliche in Jubaland, um deren Arbeitschancen zu erhöhen - etwa durch Ausbildung, Mikrokredite. In Afmadow wurde mit Unterstützung von USAID ein neuer Markt eröffnet. USAID unterstützt auch den Wiederaufbau auf Gemeindeebene, u.a. in den Bezirken Kismayo, Baardheere und Diinsoor (UNSC 5.9.2017).
Das meiste Einkommen lukriert Somalia mit Viehexport, Häuten, Fisch, Holzkohle und Bananen. Ein Schlüsselelement der Wirtschaft ist der Telekommunikationsbereich. Außerdem sind seit dem Rückzug der al Shabaab aus Mogadischu einige Bereiche stark gewachsen: Die öffentliche Verwaltung; internationale Organisationen; Botschaften; der Bausektor; und der Dienstleistungsbereich (Hotels, Restaurants, Transportsektor, Schulen, Spitäler etc.) (LI 1.4.2016). Viele Bereiche liegen in den Händen privater Anbieter (LI 1.4.2016; vergleiche BS 2016). Neben Schulen und Spitälern wird beispielsweise auch die Steuer von einer Privatfirma eingehoben. Berechnungen zufolge ist die somalische Wirtschaft ständig gewachsen; für 2014 schätzt der IWF das Wachstum auf 3,7% (LI 1.4.2016). Ein potentieller Wachstumssektor wäre auch die Fischindustrie. Die somalischen Hoheitsgewässer beherbergen einige der reichsten Fischgründe der Welt. Es mangelt aber noch an Ausbildung für Fischer, an Ausrüstung und Regulierungen. OXFAM und die EU unterstützen den diesbezüglichen Ausbau der Kapazitäten (OXFAM 30.9.2015). Aufgrund der Tatsache, dass bereits eine Anzahl von somalischen Flüchtlingen bereit ist, freiwillig zurückzukehren, besteht eine berechtigte Hoffnung das Land als zunehmend sicherer und bewohnbarer zu qualifizieren (ÖB 9.2016).
Dürresituation
Vier aufeinanderfolgende Regenzeiten sind ausgefallen. Diese Dürre hat nahezu zu einem Gesamtausfall der Ernte geführt und zur Reduzierung der Arbeitsmöglichkeiten in ländlichen Gebieten beigetragen. Die Dürre hat zu Engpässen bei Wasser und Weideland geführt - und in der Folge zur Verendung von Viehbestand. Insbesondere ärmere Haushalte haben Probleme, die stark angestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel bezahlen zu können; und andererseits können sie durch den Verkauf von Vieh kaum Einkommen erwerben (WB 18.7.2017). Drei Jahre Dürre haben zu einer humanitären Krise geführt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist von Nahrungsmittelknappheit, von Kindersterblichkeit und Unterernährung betroffen. Rund 60% des Viehbestands wurde vernichtet, wobei die Viehzucht das Haupteinkommen großer Bevölkerungsteile darstellt (UNHRC 6.9.2017). Dabei hat die Dürre Auswirkungen auf alle ökonomischen Aktivitäten in Somalia, darunter Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei. Mittlerweile machen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der Dürre auch substantiell im Bundesbudget bemerkbar (UNSC 5.9.2017). Allerdings ist der Schaden an Leben und Lebensbedingungen - vor allem von Frauen, Kindern und Benachteiligten - enorm (UNSOM 13.9.2017). Für die Zukunft wird an Programmen gearbeitet, um Resilienz gegenüber künftigen Dürreperioden zu entwickeln (UNSC 5.9.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht gewährleistet (AA 1.1.2017). Die Versorgungslage ist durch geringe Ernteerträge und Trockenperioden anhaltend schlecht. Aufgrund der schwierigen Sicherheitslage und Einschränkungen durch die Aktivitäten diverser Milizen, ist es für humanitäre Organisationen eine Herausforderung benachteiligte Bevölkerungsteile zu erreichen (ÖB 9.2016).
Zu Beginn des Jahres 2017 hatte sich die humanitäre Lage in Somalia mit alarmierender Geschwindigkeit verschlechtert. Der somalische Präsident hat am 28.2.2017 den nationalen Notstand ausgerufen und um verstärkte Hilfe der internationalen Gemeinschaft gebeten (UNSC 9.5.2017). Am 2.2.2017 wurde für Somalia eine Alarm-Erklärung hinsichtlich einer bevorstehenden Hungersnot ("pre-famine alert") ausgegeben. Danach wurden humanitäre Aktivitäten weiter hochgefahren (SEMG 8.11.2017). Zuletzt hat am 5.12.2017 die Regierung von Puntland den Notstand ausgerufen und um Nahrungsmittel- und Wasserlieferungen gebeten (VOA 5.12.2017). Die somalische Regierung hat aufgrund der Lage in Zusammenarbeit mit humanitären Kräften die Planung von einer Reaktion auf die Dürre ("drought response") bereits auf die Prävention einer Hungersnot ("famine prevention") umgestellt (UNHRC 6.9.2017). Nur die rasche Unterstützung internationaler humanitärer Partner und somalischer Organisationen hat eine Hungersnot verhindert (SEMG 8.11.2017). Hungertote wurden nur sehr sporadisch gemeldet, so etwa im Jänner 2017 aus Bay (UNSOM 16.1.2017) und Gedo (SMN 15.1.2017) sowie im März 2017 aus Bay (BBC 4.3.2017).
Das Risiko einer Hungersnot besteht jedoch auch weiterhin (FEWS 30.12.2017; vergleiche UNSOM 13.9.2017, UNHCR 30.11.2017b). Die Gu-Regenfälle (März-Juni) sind im Durchschnitt wieder schwach ausgefallen, in Somaliland und Puntland erreichten sie nahezu normale Werte. In einigen Gebieten ist das Risiko einer Hungersnot größer geworden, die Nahrungsmittelsicherheit wird sich auch bis Ende 2017 nicht verbessern. In den Regionen Galgaduud, Gedo, Mudug, Middle und Lower Shabelle wird sogar eine Verschlechterung erwartet. In einigen Gebieten hat sich die Situation also entspannt, aufgrund der Länge der diesmaligen Dürre ist aber von einer tatsächlichen Erholung erst nach zwei aufeinanderfolgenden Perioden guter Regenfälle auszugehen (UNSC 5.9.2017). Auch wenn bisher das Schlimmste verhindert worden ist (UNNS 13.9.2017; vergleiche UNSC 5.9.2017), besteht auch im zweiten Halbjahr 2017 weiterhin das Risiko einer Hungersnot (UNSC 5.9.2017). Auch die Deyr Regenfälle gegen Ende 2017 sind in den meisten Landesteilen unterdurchschnittlich ausgefallen. Nur einige begrenzte Gebiete in Zentralsomalia sowie entlang der äthiopischen Grenze konnten durchschnittliche oder überdurchschnittliche Niederschläge aufweisen (FEWS 3.1.2018).
Im ersten Trimester 2017 waren 6,2 Millionen Menschen von akuter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, davon waren knapp drei Millionen auf akute lebensrettende Hilfe angewiesen (UNSC 9.5.2017). In der Folge hat sich die Situation verschlechtert, die Zahl der auf Unterstützung angewiesenen Menschen ist auf 6,7 Millionen gestiegen. Davon benötigen 3,2 Millionen akute lebensrettende Hilfe (UNSC 5.9.2017). 70% der Menschen, die unmittelbar auf Hilfe angewiesen sind, befinden sich in Süd/Zentralsomalia, wo der Zugang durch Sicherheitsprobleme und die al Shabaab behindert wird (UNHRC 6.9.2017); dies betraf sowohl Gebiete außerhalb der als auch unter Kontrolle von al Shabaab. Während aber die Gruppe bei der Hungersnot im Jahr 2011 aufgrund ihrer Blockade erheblich zur hohen Zahl von 260.000 Hungertoten beigetragen hatte, verteilte al Shabaab diesmal - auch zu Propagandazwecken - selbst Hilfsgüter. Dies betraf Gebiete in Bay, Bakool, Galgaduud, Hiiraan, Lower Shabelle und Mudug. Andererseits wurde humanitäre Hilfe von außen auch diesmal behindert oder blockiert; wurde die Einhebung von Steuern verstärkt; wurden humanitäre Bedienstete entführt; und Hilfslieferungen an Straßensperren besteuert. Immerhin wurde diesmal vor der Dürre Flüchtenden in manchen Fällen die Weiterreise gewährt. Auch Behörden haben die Arbeit humanitärer Kräfte auf unterschiedliche Art behindert (SEMG 8.11.2017; vergleiche USDOS 3.3.2017). Berichte prognostizieren, dass im Jahr 2018 6,2 Millionen Menschen - und damit die Hälfte der Bevölkerung - auf Hilfe angewiesen sein werden (UNHCR 30.11.2017b).
Rund 900.000 Kinder sind akut unterernährt (UNHRC 6.9.2017). Die Zahl der akut unterernährten Kinder könnte bis Ende 2017 auf 1,4 Millionen ansteigen, darunter 275.000 mit schwerer - lebensbedrohlicher - akuter Unterernährung (UNHRC 6.9.2017; vergleiche UNSC 5.9.2017). Bis Juni 2017 wurden fast 400.000 Betroffene behandelt, mehr als 173.000 Kinder erhielten Unterstützung, damit sie weiterhin die Schule besuchen können. Insgesamt wurden drei Millionen Menschen durch Unterstützung erreicht, teils auch durch Geld-Programme (UNSC 5.9.2017). Alleine der UNHCR erreichte im Zeitraum 11.2016-11.2017 mehr als 800.000 Menschen (UNHCR 30.11.2017b). Über 80% der Nahrungsmittelhilfe erfolgt durch Geld und Gutscheine (SEMG 8.11.2017). 225 Ernährungszentren wurden eingerichtet. Im Zeitraum Jänner-August 2017 wurde für 3,5 Millionen Menschen der Zugang zu sauberem Wasser gewährleistet. Auch AMISOM hat Wasserbohrungen durchgeführt. 18,5 Millionen Stück Vieh wurden behandelt und dadurch 2,8 Millionen Menschen geholfen (UNSC 5.9.2017). Bereits im April 2017 konnte für 1,7 Millionen Menschen der Zugang zu Nahrungsmitteln verbessert werden. Alleine im März 2017 wurden 332.000 Kinder ernährungstechnisch behandelt. Dabei behindert al Shabaab nach wie vor den Zugang zu Menschen in Not auf dem Gebiet unter Kontrolle dieser Gruppe (UNSC 9.5.2017). Aufgrund der schnellen und großzügigen Beiträge konnte das Schlimmste verhindert werden. Pro Monat werden über drei Millionen Menschen erreicht (UNSOM 13.9.2017). Mobile Teams des somalischen Roten Halbmonds dringen auch in entlegene Gebiete vor (ICRC 28.7.2017).
900.000 Menschen mussten im Jahr 2017 ihre Heimat in Somalia verlassen (UNSOM 13.9.2017); nach anderen Angaben hat die Dürre zur Vertreibung von 714.000 Menschen geführt - zusätzlich zu den bereits davor existierenden rund 1,1 Millionen IDPs (UNHRC 6.9.2017). Davon suchten rund 7.000 Schutz in Äthiopien und Kenia (UNSC 5.9.2017).
Die internationale Unterstützung erfolgte diesmal relativ rasch, die Anstrengungen sind besser koordiniert. Auch auf nationaler Ebene wurde reagiert und geholfen. Die Regierung hat Anstrengungen unternommen, selbst Studenten wurden ermutigt, jeweils 10 USD zu spenden. Firmen und Wirtschaftstreibende haben signifikant zu den Hilfskampagnen beigetragen (ICG 9.5.2017). Insgesamt erreichen Hilfsprojekte der UN oder von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen in der Regel aber nicht die gesamte Bevölkerung. Dies gilt im Großen und Ganzen auch für Puntland, allerdings erreichen dort Hilfsorganisationen im Falle einer Dürrekatastrophe aufgrund der besseren Sicherheitslage mehr Menschen (AA 1.1.2017). Überhaupt variiert die Abdeckung mit internationaler humanitärer Unterstützung regional. Die meisten Gebiete in Somaliland und Puntland sind besser abgedeckt, die Möglichkeiten in Süd-/Zentralsomalia mehr eingeschränkt (ICG 9.5.2017). Die Situation in Puntland ist also besser als im Süden, mehr Menschen haben Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung. In Puntland hat der Handel über Seehäfen und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt einen spürbaren Aufschwung genommen, der jedoch bislang fast ausschließlich der dort lebenden Stadtbevölkerung zu Gute kommt (AA 4.2017b).
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation) Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vergleiche UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).
Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.
Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018). In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.9.2018).
Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.9.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 1.9.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 2.9.2018).
Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vergleiche FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018) Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).
KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation) Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018). Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018). Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):
Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der GuRegenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vergleiche FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a). Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDPKonzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).
Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a). In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vergleiche FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).
Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).
Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vergleiche FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).
Rückkehr
Bereits in einer Studie aus dem Jahr 2016, bei welcher 130 Somali der Diaspora in London, Minneapolis, Toronto, Bern, Malmö, Amsterdam und Helsinki befragt wurden, gaben viele an, bereits nach Somalia zu reisen (UNHCR 1.2016). Schon nach den Jahren 2011 und 2012 hat die Zahl der aus der Diaspora nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehrenden Menschen stark zugenommen. Es gibt keine Statistiken, doch alleine die vollen Flüge nach Mogadischu und die sichtbaren Investments der Diaspora scheinen die Entwicklung zu bestätigen (EASO 12.2017). Auch weiterhin bleibt die steigende Rückkehr von somalischen Flüchtlingen nach Somalia eine Tatsache. Viele Angehörige der somalischen Diaspora wagen in diesen Tagen die Rückkehr (DW 27.9.2017; vergleiche ÖB 9.2016). Die Gründe dafür sind: intensivierte Bemühungen Kenias, somalische Flüchtlinge nach Somalia zu repatriieren; der Krieg im Jemen, der somalische Flüchtlinge zur Rückkehr bewegte; Anstrengungen anderer Staaten, die aufgrund der voranschreitenden territorialen Befreiung von der al Shabaab Druck auf somalische Flüchtlinge ausüben (ÖB 9.2016); die herrschende Aufbruchstimmung z. B. in Mogadischu (DW 27.9.2017). Auch der Rückkehrtrend somalischer Flüchtlinge aus dem Jemen kann als Zeichen dafür gedeutet werden, dass mehr und mehr Familien eine Zukunft in Somalia als annehmbare Alternative sehen (ÖB 9.2016). Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft (BFA 3./4.2017).
Der UNHCR und andere internationale Partner unterstützen seit 2015 die freiwillige Rückkehr von Somaliern aus Kenia (AA 1.1.2017). Dabei haben die drei Parteien die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen und des Non-Refoulement zugesichert (UNHRC 28.10.2015; vergleiche LI 1.4.2016). Im Zeitraum 2014-2017 zählte der UNHCR in Somalia 110.913 freiwillige Rückkehrer aus der Region (UNHCR 31.12.2017). 74.606 davon kehrten aus Kenia zurück und weitere 34.077 aus dem Jemen. Alleine im November 2017 kehrten 663 Somalia aus Kenia und 156 aus dem Jemen in ihre Heimat zurück (UNHCR 30.11.0217b), im Dezember 2017 waren es 1.596 (UNHCR 31.12.2017). Mindestens 19.000 rückkehrwillige Somali warten in Kenia auf ihren Transport (UNHCR 20.12.2017). Seit Beginn der Krise im Jemen im März 2015 kamen von dort 34.085 Somali zurück nach Somalia; davon 33.667 spontan und 418 mit Unterstützung. Im Jahr 2017 waren es 4.610, davon 4.192 spontan (UNHCR 30.11.0217b). Im Jemen warten weitere rückkehrwillige Somali auf Hilfe, um nach Hause zurückzukommen. UNHCR kann weiteren 10.000 bei der Rückkehr behilflich sein. Die meisten der Rückkehrer wollen nach Mogadischu (UNNS 19.5.2017; vergleiche RMMS 7.2016). Nur rund 15-20% bleiben in Somaliland oder Puntland (BFA 3./4.2017). IOM unterstützte zahlreiche Rückkehrer aus dem Jemen mit Weitertransport - v.a. nach Mogadischu (USDOS 3.3.2017). Insgesamt erfolgte die Rückkehr teils auf dem Landweg (etwa über Dhobley), teils auf dem Luftweg (etwa nach Kismayo) und teils auf dem Seeweg (vor allem aus dem Jemen) (UNHCR 30.11.2017a; vergleiche UNHCR 30.11.2017b). Auch nach Mogadischu gab es Flüge mit Rückkehrern (BFA 3./4.2017). Eines der maßgeblichen Zielgebiete der Rückkehrer ist Kismayo und das südliche Jubbaland. Deutschland unterstützt dort ein Vorhaben, das der Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinden für freiwillige Rückkehrer dient (AA 1.1.2017).
Soweit bekannt blockieren die somalischen Behörden Rückführungen nach Süd/Zentralsomalia nicht. Es ist auch nicht bekannt, dass die somalischen Behörden Rückkehrer überwacht oder misshandelt haben (NLMBZ 11.2017). Laut einer anderen Quelle liegen hinsichtlich der Behandlung rückgeführter somalischer Staatsangehöriger keine belastbaren Erkenntnisse vor, da insbesondere westliche Staaten Rückführungen nur in sehr begrenztem Ausmaß durchgeführt haben. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge dieser
Personengruppe, sondern das gelegentlich unvorhersehbare Verhalten der Sicherheitskräfte, die Sicherheits- und Versorgungslage allgemein sowie mögliche Übergriffe der al Shabaab (AA 1.1.2017). Trotz aller Erfolge von somalischer Armee und AMISOM ist die Sicherheitslage in vielen Teilen Somalias nicht stabil genug, um die Aufnahme von Rückkehrern zu gewährleisten (UNHRC 28.10.2015). Andererseits sind nach Somalia Rückgeführte nicht per se einem höheren Risiko ausgesetzt. Diese Feststellung wird durch fehlende negative Meldungen bezüglich der zahlreichen aus Saudi Arabien deportierten Personen unterstützt (UKUT 3.10.2014). Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) nach einer längeren Abwesenheit bei einer Rückkehr nach Mogadischu aufgrund der Tatsache, dass er in einem europäischen Land gelebt hat, keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vergleiche EGMR 10.9.2015).
Menschenrechtsorganisationen mahnen die prekäre Situation der Rückkehrer in Somalia an (AA 1.1.2017). Obwohl der UNHCR bei der Rückführung aus Kenia eine große Rolle spielt, mahnt die gleiche Organisation angesichts der von ihr bewerteten Sicherheitslage davor, Personen in Gebiete in Süd-/Zentralsomalia zurückzuschicken.
Genannt werden: eine nichtexistente Infrastruktur; mangelnde Einrichtungen für somalische Rückkehrer; die weiterhin schwierige Sicherheitslage; die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen und Kinder; sowie die Spannungen mit der lokalen Bevölkerung im Kontext eines allgemeinen Ressourcenmangel, die eine Massenrückkehr aus den Nachbarländern auslösen kann. Somalia scheint auf eine Rückkehr von Flüchtlingen in größerem Ausmaß nicht vorbereitet zu sein (ÖB 9.2016). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (AA 1.1.2017). Es kann aber insgesamt davon ausgegangen werden, dass sich ein erheblicher Teil der Rückkehrer als IDPs wiederfinden wird bzw. andere Flucht/Migrationsrouten aufgesucht werden. Es kommt auch zur Re-Migration von Rückkehrern nach Kenia (ÖB 9.2016). Abschiebungen nach Somalia sollten laut UN ausschließlich nach Konsultierung der Bundesregierung und nach Abwägung der in Somalia vorhandenen Ressourcen stattfinden (UNHRC 6.9.2017). Das Rückkehrprogramm (Kenia) nach Kismayo musste Mitte 2016 für mehrere Monate ausgesetzt werden, da Jubaland nicht in der Lage war, zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung zu stellen (DIS 3.2017). In manchen Regionen könnte die großflächige Ansiedlung von Rückkehrern zu Spannungen führen - etwa hinsichtlich von Landbesitz, Rechten und Demographie. Dies gilt insbesondere jetzt, wo viele ländliche Herkunftsgebiete von Rückkehrern noch von al Shabaab kontrolliert werden und die Rückkehrer daher auf urbane Ballungszentren ausweichen (DDG 24.10.2017).
Allein die Tatsache, dass eine Person nach Somalia zurückkehrt, macht diese nicht zum Ziel - auch nicht für die al Shabaab (NLMBZ 11.2017). Rückkehrern in Gebiete der al Shabaab könnte vorgeworfen werden, als Spione zu dienen (BFA 8.2017). Rückkehrer aus Kenia werden von al Shabaab normalerweise nicht angegriffen (BFA 3./4.2017). Ob ein Rückkehrer zum Ziel der al Shabaab wird, hängt maßgeblich von seinem eigenen Verhalten ab. Die al Shabaab wird ihr bekannte Rückkehrer genauer beobachten. Ein Neuankömmling läuft auch eher Gefahr, an einem Checkpoint angehalten und verhört zu werden. Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur al Shabaab (DIS 3.2017). Andererseits kann es auch vorkommen, dass Rückkehrer von Regierungskräften verdächtigt werden, da es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen von im Westen radikalisierten Somali der Diaspora gekommen ist. Auch Rückkehrer aus dem Jemen werden in Mogadischu teilweise als "high-risk" angesehen (BFA 3./4.2017).
Rückkehrspezifische Grundversorgung
Viele Angehörige der somalischen Diaspora wagen in diesen Tagen die Rückkehr. In der Hauptstadt lässt sich die Aufbruch-Stimmung an unzähligen Baustellen und an neuen Straßen, Cafés und Geschäften ablesen. Ausländische Diplomaten, Berater und Helfer strömen ins Land. Botschaften werden gebaut. Doch die meisten Ausländer verschanzen sich hinter hohen Sprengschutzmauern auf dem geschützten Flughafengelände (DW 27.9.2017). Alleine aus der Region zählte der UNHCR im Zeitraum 2014-2017 in Somalia 109.317 freiwillige Rückkehrer (UNHCR 30.11.2017b).
Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. So berichteten Personen, die aus Kenia nach Orte in Süd/Zentralsomalia zurückgekehrt waren, über mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten. UNHCR gewährt finanzielle Unterstützung und bietet temporäre Unterkünfte (USDOS 3.3.2017). Allerdings wird - z.B. seitens des UNHCR - versucht, hier Abhilfe zu schaffen. Ein ohne Bedingungen ausgegebenes, sogenanntes Rückkehrpaket enthält: ein aus Sachgütern bestehendes Paket (etwa: Decken, Seife, Planen, Kanister etc.); eine einmalige Wiedereingliederungshilfe von 200 US-Dollar pro Person; eine auf sechs Monate begrenzte Reintegrationshilfe von 200 US-Dollar pro Haushalt; eine zusätzliche, auf sechs Monate begrenzte Unterstützung mit Essensrationen; eine Bildungsunterstützung, auf neun Monate begrenzt, von 25 US-Dollar pro Kind und Monat (zusätzlich: Schuluniformen, Schulmaterial); und - bei Auswahl - bis zu 1.000 US-Dollar für eine Unterkunft; sowie die Aufnahme in Selbsterhaltungsprojekte (UNHCR 30.11.2017a). In Programmen aufgenommenen Rückkehrern gewährt UNHCR einmalige Wiedereingliederungshilfen und für sechs Monate Reintegrationshilfe. Im November 2017 wurden derartige Gelder an knapp 27.000 Rückkehrer ausbezahlt (rd. 6.000 Haushalte). Andere profitierten von sog. cash-for-work Programmen oder erhielten eine Ausbildung (UNHCR 30.11.2017b). Die EU unterstützt zahlreiche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer in Somalia mit mehr als 33 Millionen Euro aus dem EU Trust Fund (EEAS 5.4.2017). Außerdem hat der UNHCR im Zeitraum 1.-11.2017 1.306 Unterkünfte und 409 Latrinen für Rückkehrer gebaut (UNHCR 30.11.2017b). In Puntland und Somaliland hat die UN für Rückkehrer und IDPs mehr als 5.000 "housing units" errichtet (BFA 3./4.2017). In sog. community empowerment activities werden Rückkehrer in die Rehabilitation von wichtiger öffentlicher Infrastruktur eingebunden. Derartige Projekte laufen etwa in Galkacyo, Baidoa, Kismayo, Afmadow, Luuq und Mogadischu. In anderen Projekten werden Rückkehrer in Berufen ausgebildet. So etwa in Hargeysa (Elektriker, Maler, Installateure, Köche, Schneider), Kismayo (Geflügelzucht), Baidoa (Tischler). Zusätzliche Programme richten sich an Kleinhändler, z.B. in Garoowe, Bossaso, Kismayo, Hargeysa, Luuq und Mogadischu (UNHCR 30.11.2017a). In den Straßen Kismayos sind kleine Geschäfte zu sehen, die von zurückgekehrten ehemaligen Flüchtlingen betrieben werden (UNHCR 18.12.2017). Auch die EU-Agentur ECHO unterstützt mit Programmen und dem Social Safety Net Project 5.000 vulnerable Haushalte (ca. 30.000 Personen) (ACTED 6.12.2017).
Der Jilib [Anm.: in etwa die unterste Ebene des Clansystems] ist u. a. dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017). Daher gilt als allgemeine Regel, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Allerdings wurde das Konzept der Clan-Solidarität in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen (DIS 9.2015). Beide - Familie (auch die erweiterten und entfernt verwandten Teile) und Clan - bleiben einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung) geht. Eine Person, die an einen neuen Wohnort zieht, erwartet sich die Akzeptanz des Clans in der lokalen Gemeinschaft. Diese Akzeptanz bedeutet, dass die Menschen über den Neuankömmling und seine Verbindungen Bescheid wissen; damit steht auch der Schutz in Verbindung, den diese Person vom Clan erlangen kann. Dies gilt auch für Rückkehrer, doch können diese ja nach Fähigkeiten und Kapazitäten auch autark leben, ohne einer Clan-Belästigung ausgesetzt zu sein. Auf der anderen Seite ist eine schwache Person mit wenigen Ressourcen auf die Unterstützung von Angehörigen, Verwandten oder einem engen Netzwerk angewiesen, um Unterkunft und Einkünfte zu erlangen. Grundsätzlich wird dabei nicht zuerst der Clan um Unterstützung angefragt (DIS 9.2015). Hier wendet man sich zuerst an die Familienebene. Wenn aber eine Person in einem Gebiet weder über Kernfamilie noch über Verwandte verfügt, dann kann der Clan Ressourcen zur Verfügung stellen (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014), wobei dies im Falle von Mogadischu eher bei großen Clans Erfolg haben wird (UKUT 3.10.2014). Eine übersiedelnde Person, wird sich in einem IDP-Lager wiederfinden und sich keinen Lebensunterhalt sichern können, wenn sie in einer Stadt weder über Kern- oder erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügt (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 5.11.2015) noch auf Remissen zurückgreifen kann (UKUT 5.11.2015). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ 11.2017).
Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann also in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängen. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem wenn sie aus dem Westen zurückkehren (ÖB 9.2016). Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015). Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015).
Minderheiten und Clans
Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.1.2017). Allerdings waren Regierung und Parlament für lange Zeit entlang der sogenannten
"4.5 Lösung" organisiert, welche bedeutet, dass die Vertreter der großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam die Hälfte dieser Sitze zustehen (ÖB 9.2016; vergleiche USDOS 3.3.2017). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren. Insgesamt hat sie bisher weder zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clanbedingten Gleichberechtigung beigetragen, noch hatte sie positive Auswirkungen auf das Miteinander auf Gemeindeebene (ÖB 9.2016). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017).
Die Minderheiten sind im somalischen Parlament und der somalischen Regierung vertreten, ihre Stimme hat aber wenig Gewicht. Weder das traditionelle Recht xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen die Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. (SEM 31.5.2017). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 3.3.2017). Einzelne Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Gabooye) leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.1.2017).
Minderheitengemeinden sind überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 3.3.2017). Gruppen wie die Rahanweyn, die Bantu oder die Madhiban können nur in geringerem Ausmaß auf Rücküberweisungen durch Angehörige in der Diaspora zählen, da sich in der Diaspora verhältnismäßig wenige Rahanweyn und Bantu finden (SEMG 8.11.2017).
Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).
Berufsständische Minderheiten
Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation Berufsständische Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich Abstammung, Sprache und Kultur nicht von der Mehrheitsbevölkerung. Anders als die "noblen" Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten (SEM 31.5.2017). Madhiban sind in ganz Somalia zu finden, speziell aber im Norden des Landes (SEMG 8.11.2017). Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017). Dabei sind Madhiban teils schwerer Diskriminierung ausgesetzt. Ein Beispiel der Benachteiligung zeigt sich im Konflikt um Galkacyo, wo die Madhiban durch humanitäre Organisationen benachteiligt wurden. Da den Madhiban in IDP-Lagern dort die Aufnahme verweigert wurde, haben sie mit Hilfe einiger Angehöriger in der Diaspora den Kauf eines geeigneten Grundstücks in Galkacyo organisiert, um dort Madhiban-IDPs unterzubringen. Im August 2017 taten es die Tumal den Madhiban gleich (SEMG 8.11.2017).
Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffen oder Misshandlungen hinsichtlich der Gabooye (SEM 31.5.2017).
Einzig in der Frage der Mischehen besteht noch eine gesellschaftliche Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Als besonders problematisch wird es angesehen, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch. Mischehen kommen äußerst selten vor - insbesondere die zuletzt genannte Konstellation. Es bestehen aber offenbar regionale Unterschiede: Im clanmäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017). Kommt eine Mischehe zustande, dann kommt es häufig zur Verstoßung der betroffenen Person durch die eigenen Familienangehörigen (des Mehrheits-Clans). Sie besuchen sie nicht mehr, kümmern sich nicht um ihre Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck. Die Gesprächspartner der Fact-Finding Mission bekräftigten, dass es unter solchen Umständen so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötungen kommt. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017).
Insgesamt ist aber die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel weniger gut organisiert sind und eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. die Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum benachteiligt Minderheitenangehörige bei der Arbeitssuche, bei der ohnehin auch oft schon die Clanzugehörigkeit zu Diskriminierung führen kann. Da sie über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren Angehörige berufsständischer Gruppen zudem in geringerem Ausmaß von Auslandüberweisungen als die Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017). Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige der berufsständischen Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Sie stellen zwar nach wie vor die ärmste Bevölkerungsschicht; trotzdem gibt es Minderheitenangehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. (SEM 31.5.2017)
Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge
Die somalische Regierung arbeitet mit der internationalen Gemeinschaft zusammen, um den Zugang von Vertriebenen zur Grundversorgung, zu Arbeit und dauerhaften Lösungen zu verbessern. Die somalische Regierung und Somaliland arbeiten mit dem UNHCR und IOM zusammen, um IDPs, Flüchtlinge, Rückkehrer und Asylwerber zu unterstützen (USDOS 3.3.2017). Die EU unterstützt zahlreiche Reintegrationsprojekte für rückkehrende IDPs in Somalia mit mehr als 33 Millionen Euro aus dem EU Trust Fund (EEAS 5.4.2017).
Die Gesamtzahl an IDPs in Somalia wird im November 2017 mit 1,56 Millionen beziffert. Im Zeitraum 1.-11.2017 wurden 874.000 Menschen innerhalb Somalias aufgrund der Dürre vertrieben; weitere 188.000 aufgrund von Konflikt oder Unsicherheit (UNHCR 30.11.2017b). Alleine zwischen November 2016 und April 2017 haben mehr als 570.000 Menschen aufgrund der Dürre ihre Heimat verlassen und wurden so zu IDPs (UNSC 9.5.2017). Eine andere Quelle beziffert die Zahl der durch die Dürre vertriebenen Menschen im Zeitraum November 2016 bis Juli 2017 mit 859.000 (SEMG 8.11.2017). Davon suchten rund 7.000 Schutz in Äthiopien und Kenia (UNSC 5.9.2017). Die al Shabaab ist mitverantwortlich dafür, dass von der Dürre betroffene Personen aus ihrer Heimat fliehen mussten, da die Gruppe humanitäre Hilfe behindert und Blockaden betreibt. Außerdem wurden im Zuge des Konflikts und der Unsicherheit in Lower Shabelle rund 87.000 Menschen vertrieben (SEMG 8.11.2017). Dabei ist die Aufnahmekapazität der Zufluchtsgebiete begrenzt (ÖB 9.2016). Vor allem in Mogadischu kam es weiterhin zur Vertreibung bzw. Zwangsräumung von IDPs (AI 22.2.2017). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 waren 80.000 IDPs von Zwangsräumungen betroffen, v. a. in Mogadischu (HRW 12.1.2017), nach anderen Angaben waren im ersten Halbjahr 2016 ca. 91.000 Personen betroffen (USDOS 3.3.2017). Für den Zeitraum Jänner bis Juli 2017 wird eine Zahl von ca. 90.000 Betroffenen genannt. Wiederum waren vor allem IDPs in Mogadischu betroffen, im August 2017 kam es aber auch zur Vertreibung von rund 5.000 IDPs in Baidoa (SEMG 8.11.2017). An den Vertreibungen waren staatliche Sicherheitskräfte beteiligt, die auch Gewalt angewendet haben (USDOS 3.3.2017).
IDPs gehören in Somalia zu den am meisten gefährdeten Personengruppen (NLMBZ 11.2017). Laut UNOCHA gelten IDPs als besonders benachteiligte Gruppe, die kaum Schutz genießt und Ausbeutung, Misshandlung und Marginalisierung ausgesetzt ist. Single- oder alleinerziehende Frauen und Kinder sind besonders gefährdet (ÖB 9.2016). Die Regierung und Regionalbehörden bieten den IDPs nur unwesentlichen Schutz und Unterstützung und trugen sogar in manchen Fällen zur Vertreibung von IDPs bei (USDOS 3.3.2017). In Mogadischu sind für Vergewaltigungen bewaffnete Männer - darunter Regierungssoldaten und Milizionäre - verantwortlich (HRW 12.1.2017). Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung besonders gefährdet (USDOS 3.3.2017). IDPs sind über die Maße von der Dürre betroffen, da sie steigende Preise für Lebensmittel nicht bezahlten können. Außerdem gibt es für sie weniger Beschäftigungsmöglichkeiten. Üblicherweise überleben sie aufgrund der Überweisung von Remissen und mittels internationaler Unterstützung (ICG 9.5.2017). IDPs - und hier v.a. Frauen und Kinder - sind sehr vulnerabel und von Unterstützung abhängig (HRW 12.1.2016). Der UNHCR versucht, sich über die Gegebenheiten und Notwendigkeiten in den rund 1.800 IDP-Lagern in Somalia einen Überblick zu verschaffen (UNHCR 30.11.2017b). Alleine in Mogadischu gibt es 486 IDP-Lager (BFA 3./4.2017). Rund 1,5 Millionen IDPs werden durch UNHCR erreicht. Einigen wurde zu Einkommen und/oder Ausbildung verholfen (UNHCR 30.11.2017b). In Puntland und Somaliland hat die UN für Rückkehrer und IDPs mehr als 5.000 "housing units" errichtet (BFA 3./4.2017).
Somalia ist ein äußerst unattraktives Zufluchtsland für Asylsuchende. Die Zahl ausländischer Flüchtlinge wird als sehr gering eingeschätzt. Trotzdem sind seit der Eskalation im benachbarten Jemen sind einige Tausend Menschen nach Somalia geflohen (AA 1.1.2017). Trotzdem befanden sich im November 2017 ca.
14.500 Asylwerber und 14.200 Flüchtlinge in Somalia. 62% davon waren Äthiopier, weitere 37% Jemeniten. Mindestens 58% der Asylwerber und Flüchtlinge befinden sich Somaliland, mindestens weitere 23% in Puntland; in Mogadischu befinden sich 10% (UNHCR 30.11.2017b). Auch weiterhin kommen Flüchtlinge nach Somalia. Alleine im November 2017 trafen 86 Jemeniten ein. Der UNHCR gewährte im November 2017 rund
2.500 Asylwerbern und Flüchtlingen medizinische Versorgung; weitere profitieren von Einkommensmöglichkeiten und Ausbildungsprogrammen.
2.418 Haushalte wurden mit Geld unterstützt (UNHCR 30.11.2017b).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:
Die Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des BF ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden und stringenten Angaben des BF im gesamten Verfahren. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF (Namen und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich zur Identifizierung des BF im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Clan- und Religionszugehörigkeit des BF gründen sich auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Somalia deckenden - Aussagen des BF zu zweifeln.
Die Angaben des BF zu seinem Familienstand, seiner Kinderlosigkeit, seinen Aufenthaltsorten, seinem schulischen und beruflichen Werdegang, seinen Familienangehörigen und deren Aufenthaltsort, seinen sozialen und familiären Anknüpfungspunkten in Somalia und seiner Muttersprache waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozioökonomischen Strukturen in Somalia plausibel.
Das Datum der Einreise ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung und den in der Verhandlung vorgelegten medizinischen Unterlagen.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:
2.2.1. Soweit der BF vorbringt ihm drohe bei einer Rückkehr nach Somalia eine Verfolgung und/oder Bedrohung durch die Al Shabaab vermochte er keine individuelle und konkrete gegen ihn gerichtete Bedrohung aufzuzeigen. Seine diesbezüglichen Ausführungen waren unplausibel, detaillos und teilweise widersprüchlich.
In der Erstbefragung führte der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass die Al Shabaab ihn für den Bürgerkrieg rekrutieren wollte und er deshalb sein Land verlassen habe (AS 15). Vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF jedoch an, dass er sein Heimatland verlassen habe, weil er eine Frau geheiratet habe, die in der Clanhierachie über ihm stehe und weil die Al Shabaab ihn gezwungen hätte Waffen zu schmuggeln, er dabei erwischt worden sei und daraufhin die Mitglieder der Al Shabaab an die Regierung verraten habe, welche den BF bedroht hätten (AS 50; OZ8 S 9f).
Gemäß Paragraph 19, Absatz eins, Asylgesetz 2005 (AsylG) dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen vergleiche hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.
Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht in erster Linie auf Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers bezog und diese nur in aller Kürze angegeben sowie protokolliert wurden. Die divergierenden Aussagen des BF zwischen der Erstbefragung, der Einvernahme beim BFA und der mündlichen Verhandlung sowie der Umstand, dass der BF den - erst in weiterer Folge - angab von der Familie seiner Frau verfolgt und bedroht zu werden und dass ihn die Al Shabaab gezwungen hätten Waffen zu schmuggeln, somit einen wesentlichen Teil seiner Fluchtgründe zunächst nicht einmal ansatzweise erwähnte, ist für das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht nachvollziehbar und zumindest als weiteres Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Fluchtvorbringen zu werten.
Der BF erzählte eine gleichbleibende Rahmengeschichte, blieb aber bei seinen Schilderungen des Zusammentreffens mit der Al Shabaab detaillos und auf Nachfrage zu weiteren Details, gab der BF nur kurze knappe Antworten (AS 52, 53; OZ8 S 12, 13). Die Fluchtgeschichte wirkt dadurch auswendig gelernt und konstruiert.
Zu seiner Festnahme und Gefangenschaft brachte der BF in der Einvernahme vor dem BFA vor, dass er ins Gefängnis gebracht und geschlagen worden sei. Er habe den Polizisten erzählt, wie er zu den Waffen gekommen sei, als am Abend der Chef der Polizeistation gekommen sei, sei der BF freigelassen worden, weil der Chef der Polizeistation ihn gekannt habe (AS 50). Auf Nachfrage gab der BF nur ein paar wenige Details zu seiner Festnahme und Gefangenschaft bekannt, wie zum Bespiel: "... F: Zu welcher Polizeistation sind Sie gekommen? A: Ich weiß es nicht. F: Waren Sie in einer Gefängniszelle eingesperrt? A: das war ein kleines Zimmer. ...". In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte der BF zur Verhaftung der Polizei und seiner Gefangenschaft nicht viel mehr Details (OZ8 S 10).
Der BF wurde in der Einvernahme vor dem BFA dazu befragt, wie das Geschäft hieß wohin er die Waffen bringen sollte und wo das Geschäft sei (AS 52). Er gab dazu an, dass er den Namen des Geschäftes nicht wisse und dass er der Polizei genau erzählt habe, wo sich dieses befände (AS 53). Genauer dazu befragt, was die Al Shabaab dem BF über das Geschäft erzählt habe, gab dieser an: "...A: Ich wusste dadurch, dass ich in dieser Gegend schon vorher Obst und Gemüse verkauft hatte, den ungefähren Aufenthaltsort des Geschäftes. Den Rest haben die Polizisten selbst rausgefunden. ..." (AS 52).
Widersprüchlich gab der BF in der mündlichen Verhandlung an: "... Die Polizei sind dorthin gegangen, auf die Adresse, die ich aufgeschrieben habe und haben dann die Leute festgenommen. ..." Es ist nicht nachvollziehbar, dass der BF in der niederschriftlichen Einvernahme schildert, dass er eine ungefähre Vorstellung davon gehabt habe, wo sich das Geschäft befinde jedoch widersprüchlich in der mündlichen Verhandlung behauptet, dass er die exakte Adresse gewusst habe. Nachdem es sich bei der Lokalisierung des Ortes, wo der BF die Waffen hinbringen habe sollen um ein wichtiges Detail der Fluchtgeschichte handelt, ist es nicht nachvollziehbar, dass der BF zwei widersprüchliche Angaben dazu macht.
Bereits in der Einvernahme vor dem BFA gab der BF auf Nachfrage an, dass auch die Leute aus dem Geschäft, wohin der BF die Waffen hätte bringen sollen, verhaftet worden seien und diese Leute auch auf die Polizei Station gebracht worden seien. Einer dieser Männer habe den BF als Verräter bezichtigt und dass der BF dafür zu büßen habe. Auf weitere Nachfrage gab der BF an, dass die Männer im Nebenraum gewesen seien und ihn durch das Fenster einen Verräter genannt hätten (AS 52, 54). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF in seiner freien Erzählung zu seinen Fluchtgründen an, die Leute, die festgenommen worden seien, seien gegenüber der Zelle des BF inhaftiert worden. Die gefangenen Al Shabaab Mitglieder hätten den BF gesehen, die Türen seien gegenübergewesen und es habe ein Netzfenster gegeben. Die Al Shabaab Mitglieder hätten dem BF gesagt, dass er einen Fehler begangen habe und dafür getötet werden würde. Abgesehen davon, dass der BF sein Vorbringen bezüglich der Bedrohung im Gefängnis insofern steigert, als er in der mündlichen Verhandlung angibt von mehreren Gefangenen bedroht worden zu sein, schildert er die Situation wesentlich drastischer als in der Einvernahme vor dem BFA.
Es ist überdies unplausibel, warum die Polizisten den BF freigelassen haben. Wie der BF angab, hat er für die Al Shabaab Waffen geschmuggelt. Auch wenn dies nach Angaben des BF unter Zwang passiert ist, hätte die Polizei dem weiter nachgehen müssen, insbesondere, ob die Al Shabaab wirklich den Onkel und den Bruder des BF festgehalten hat. Die Polizei hat nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass der BF kein Al Shabaab Mitglied ist bzw. mit der Al Shabaab zusammenarbeitet, wie der BF selbst angibt, wohnte er zum Zeitpunkt des Vorfalls in einem Dorf, in dem die Al Shabaab die Macht hatte. Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Polizei einen Gefangenen einfach gehen lässt, wenn er eines Verbrechens bezichtigt wird, wie in diesem Fall dem Waffenschmuggel.
Der BF konnte aufgrund seiner detaillosen, unplausiblen und teils widersprüchlichen Aussagen nicht glaubhaft machen, dass er von Mitgliedern der Al Shabaab aufgefordert worden ist, für diese Waffen zu schmuggeln, dabei von der Polizei erwischt worden zu sein und Mitglieder der Al Shabaab verraten zu haben und deshalb bei einer Rückkehr nach Somalia von der Al Shabaab bedroht und verfolgt zu werden.
2.2.2. Der BF brachte vor, dass er eine Frau eines Mehrheitsclans geheiratet habe und die Familie der Frau ihn deshalb verfolgt und bedroht habe, aus folgenden Gründen kommt dem Vorbringen des BF keine Glaubhaftigkeit zu:
Wir bereits unter 2.2.1. erläutert, führte der BF in der Erstbefragung nicht an, dass er aufgrund einer Mischehe von der Familie der Frau verfolgt werden, es ist auf die Ausführungen unter
2.2.1. zu verweisen.
Unplausibel scheint, dass der BF sich der Clanprobleme aufgrund der Beziehung zu einer Frau des Hawiye-Clans nicht bewusst gewesen sei. So gab der BF in der mündlichen Verhandlung befragt an, dass sie sich auf ihr Schicksal und Glück verlassen hätten, ie hätten mit allem gerechnet, auch dass sie getötet werden. Dies zeigt, dass dem BF die Probleme, die durch die Beziehung zu einer Frau eines höheren Clans entstehen, sehr wohl bewusst gewesen sind. Umso mehr ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sich trotzdem mit einer Frau eines höheren Clans getroffen habe und diese sogar heiraten haben wolle.
Den ins Verfahren eingebrachten Ländermaterialien ist folgendes zu entnehmen:
Einzig in der Frage der Mischehen besteht noch eine gesellschaftliche Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Als besonders problematisch wird es angesehen, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch. Mischehen kommen äußerst selten vor - insbesondere die zuletzt genannte Konstellation. Es bestehen aber offenbar regionale Unterschiede: Im clanmäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017). Kommt eine Mischehe zustande, dann kommt es häufig zur Verstoßung der betroffenen Person durch die eigenen Familienangehörigen (des Mehrheits-Clans). Sie besuchen sie nicht mehr, kümmern sich nicht um ihre Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck. Die Gesprächspartner der Fact-Finding Mission bekräftigten, dass es unter solchen Umständen so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötungen kommt. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017).
Es ist aufgrund der eingebrachten Ländermaterialien nicht nachvollziehbar, dass die Familie der Frau des BF die Frau um jeden Preis zurückhaben will und die Scheidung vom BF erzwingen will. Es ist eher wahrscheinlich, dass die Frau von ihrer Familie verstoßen wird und der Kontakt zu ihr abgebrochen wird, was auch dafürspricht, dass die Frau des BF mittlerweile bei der Familie des BF in Äthiopien lebt. Dass es aber zu Übergriffen auf den BF gekommen ist, ist unwahrscheinlich.
2.2.3. In Bezug auf seine Eigenschaft als Zugehöriger zum Clan der römisch 40 vermochte der BF eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung nicht aufzeigen. Die diesbezüglichen Ausführungen des BF vor dem BFA, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht waren vorwiegend abstrakt gehalten und nicht hinreichend substantiiert (siehe insbesondere AS 50 des Verwaltungsaktes: "F: Warum haben Sie ihr Heimatland verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt? Nennen Sie bitte alle ihre Fluchtgründe! A: Ich hatte viele Probleme in meiner Heimat. Deshalb wollte ich nach Europa. Da ich einem Minderheitsclan angehöre, wurden wir erniedrigt. Es gab niemanden
der uns unterstützt hat. ... F: Wurden Sie wegen Ihrer
Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen Ihrer Religionszugehörigkeit in Somalia verfolgt, bzw. hatten Sie aufgrund dieser Schwierigkeiten?
A: Wegen der Zugehörigkeit zu meinem Minderheitsclan ja, nicht wegen meiner Religionszugehörigkeit. ..." Aus dem allgemeinen Vorbringen des BF lässt sich keine drohende konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung ableiten. Zu Heirat mit einer Mehrheitsclananghörigen wird auf Punkt 2.2.2. verwiesen.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend Somalia vom 12.01.2018, zuletzt aktualisiert am 17.09.2018, wurde dem BF bereits mit der Ladung übermittelt. Dem BF wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Der BF gab keine Stellungnahme ab und beantrage keine Frist für eine schriftliche Stellungnahme.
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat, welche dem BF im Rahmen der Ladung sowie in der mündlichen Verhandlung vorgehalten und denen in weiterer Folge nicht substantiiert entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist zulässig.
3.2. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten.
3.2.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes eines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohl begründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgungsstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht drauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohl begründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.3.1995,95/19/0041; 26. 2. 2002, 99/20/0509 mwN; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nichtausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann vergleiche VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt und nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutz der Eintritt eines - asylrelevant Intensität erreichenden - Nachteils aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist vergleiche VwGH 13.11.20008, 2006/01/0191, mwN).
3.2.3. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit seiner Mitwirkung, d.h. er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, Paragraph 45,, RZ 3, mit Literaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" begründete Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und der Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel insbesondere diesen Feststellungen zu Grunde liegenden vorbringend Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.3.1997, 95/0 1/0466) zu. Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
3.2.4. Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.2.5. Wie bereits in der Beweiswürdigung unter Punkt römisch II.2.2. dargestellt, mangelt es den vorgebrachten Fluchtgründen des BF an der erforderlichen Glaubhaftigkeit, weshalb es ihm nicht gelungen ist, eine konkrete und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursachen in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Mangels Bestehen einer aktuellen maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK aufgezählt sind, war der Antrag auf internationalen Schutz vom 28.04.2015 in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG als unbegründet abzuweisen.
Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion der Beschwerdeführerin erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
3.3. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.3.1. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, leg.cit. zu verbinden.
Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, leg.cit.) offensteht.
Nach Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
3.3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Artikel 2, oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat vergleiche etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen vergleiche VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Artikel 3, EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (Paragraph 11, AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht vergleiche hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).
Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat; es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (VwGH 23.01.2018, Ra2018/18/0001). Dabei handelt es sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mwN).
3.3.3. Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten:
Weite Teile Somalias sind den Länderfeststellungen zufolge nach wie vor von einer fragilen allgemeinen Sicherheitslage geprägt. Kampfhandlungen zwischen der Al Shabaab auf der einen und Truppen der somalischen Regierung und der AMISOM auf der anderen Seite finden regelmäßig statt. Verbreitet kommt es zudem zu bewaffneten Auseinandersetzungen unter Beteiligung weiterer bewaffneter Milizen, die vor allem Clans zugerechnet werden. Bei alledem werden regelmäßig auch Zivilisten verletzt und umgebracht. Al Shabaab verübt zudem komplexe Angriffe, Selbstmordattentate und gezielte Attentate auf Einzelpersonen. Regelmäßig kommen dabei auch Unbeteiligte zu Schaden. Ferner kommt es auch zu gezielten Angriffen auf Zivilisten und zivile Infrastruktur durch Selbstmordattentäter und andere Sprengstoffanschläge seitens der Al Shabaab. Zudem stehen weite Teile Somalias auch effektiv unter Kontrolle oder zumindest unter wesentlichem Einfluss der Al Shabaab. In diesem Fall übt diese gegenüber der Bevölkerung eine repressive Form der Herrschaft aus; selbst geringfügiges Abweichen von der Erwartung der Al Shabaab an das Verhalten der Bevölkerung, die nahezu jeden Bereich des Lebens bis hin zum höchstpersönlichen (etwa betreffend Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren und Bildung) einschränkt, ziehen für die Bevölkerung drakonische Strafen bis hin zur Hinrichtung nach sich. Auch pflegt die Al Shabaab gegenüber der Bevölkerung Vergeltungsmaßnahmen zu üben, wenn sie über Gebiete die Kontrolle (wieder)erlangt, welche zuvor der Kontrolle anderer Truppen zugerechnet wurden. In solchen Fällen kommt es zu Mord, Folter, Entführung und Vernichtung humanitärer Güter. Auch behindert die Al Shabaab regelmäßig die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern, welche diese insbesondere wegen der Auswirkungen der letzten Dürrekatastrophe dringend benötigen würde. Allgemein besonders gefährlich stellt sich die Lage für Personen in Territorien dar, wo der Clan, dem sie angehören, nicht stark verbreitet ist und daher keinen Schutz bieten kann.
Die aktuellen Länderberichte stellen für die Herkunftsregion des BF - er hat sein ganzes Leben in römisch 40 , im Verwaltungskreis römisch 40 in der Provinz Bay gelebt - eine nach wie vor volatile Sicherheitslage fest. Die Herkunftsregion des BF ist noch immer durch eine volatile Sicherheitslage gekennzeichnet, die von einer starken Präsenz der Al Shabaab bedroht wird. Die Situation willkürlicher Gewalt in der Herkunftsregion des BF erreicht das relevante Niveau, um eine Schutzbedürftigkeit nach Paragraph 8, AsylG anzunehmen.
Miteinzubeziehen in diese Abwägung ist überdies die Angehörigkeit des BF zu einem Minderheitenclan, die diesen besonders vulnerabel macht, sowie das Fehlen relevanter familiärer Anknüpfungspunkte vor Ort, die daher auch keinen Schutz darstellen können. Der BF hätte im Falle seiner Rückkehr keine Unterstützungsleistungen zu erwarten, die ihn vor der mangelnden Versorgung mit Nahrungsmitteln bewahren könnten. Er hat keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte in Somalia. Zudem gehört der BF einem Clan an, der in Somalia nur eine schwache Minderheit bildet; auch für seinen Clan ist nicht davon auszugehen, dass er den BF, der über kein Eigentum in Somalia verfügt, effektiv unterstützen könnte. Es ist nicht davon auszugehen, dass der BF sich seine Existenz trotz der in den eingebrachten Länderberichten beschriebenen mangelhaften Nahrungsmittelversorgung von Rückkehrern aus eigenem würde sichern können.
In Anbetracht der notorischen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen durch die Al Shabaab in der Herkunftsregion des BF würde eine Rückkehr des BF in seine Herkunftsregion im Artikel 3, EMRK widersprechen. Im vorliegenden Fall liegt daher durchaus im Sinne des jüngst ergangenen Erkenntnisses des VwGH vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 ein Akteur, von dem der Schaden ausgeht und vor dem geschützt werden müsse, nämlich die Al-Shabaab und die Unmöglichkeit des somalischen Staates entsprechenden Schutzes zu gewähren, vor. Daher ist ernstlich zu befürchten, dass der BF in seiner Heimatregion Gefahr läuft, unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden oder gar umzukommen. Dort besteht für ihn ein "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gemäß Artikel 2 und 3 EMRK.
Ferner besteht für den Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative:
In Abwägung der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers kommt eine IFA in einen anderen Teil Somalias insbesondere Mogadischu nicht in Betracht. Betreffend Mogadischu ist auszuführen, dass für zuziehende, vermögenslose und alleinstehende Personen ohne soziale Anbindung vor Ort eine nach wie vor akute Unterversorgung mit Nahrungsmitteln als Folge der vorangegangenen Dürreperiode aus. Dezidiert wird ausgeführt, dass zuziehende Personen sich keinen Lebensunterhalt werden sichern können, die in der Stadt weder über eine Kern- noch über eine erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügen; solche Personen würden gezwungen sein, sich in Lagern für Binnenvertriebene niederzulassen. Gerade die Nahrungsmittelversorgung solcher Personen in Mogadischu beschreiben die Länderberichte als nach wie vor kritisch. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nicht über Fertigkeiten verfügt, die nahe legen, dass er dazu imstande wäre, sich sein Auskommen vor Ort aus eigenem trotz der beschriebenen örtlichen Gegebenheiten zu sichern. Ferner hat der Beschwerdeführer vor Ort keine Unterstützung zu erwarten, die ihn vor der mangelhaften Versorgung bewahren könnte: Das Wohnhaus seiner Familie wurde verkauft, um seine Ausreise zu finanzieren. Die Familie des BF befindet sich mittlerweile in Äthiopien, weitere Familienangehörige hat der BF in Somalia nicht. Zudem gehört der Beschwerdeführer einem Clan an, der in Somalia nur eine schwache Minderheit bildet; auch für seinen Clan ist mithin nicht davon auszugehen, dass er den Beschwerdeführer effektiv unterstützen könnte. Angesichts dieser Umstände und der beschriebenen schlechten Versorgungslage von zuziehenden Personen ohne sozialen Anschluss ist ernstlich zu befürchten, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr nach Mogadischu in eine aussichtslose Lage geraten oder gar umkommen würde.
Ferner führt die generell prekäre Versorgungslage von Binnenflüchtlingen, insbesondere, wenn sie wie der Beschwerdeführer einem Minderheitenclan angehören, dazu, dass ihm keine zumutbare innerstaatliche Alternative offensteht, sich der prekären Versorgungslage in seiner Heimatstadt anderswo in Somalia zu entziehen. Dabei ist auch maßgeblich, dass weite Teile Somalias nach wie vor unter einer besorgniserregenden Sicherheitslage leiden und unter intensivem Einfluss der Al Shabaab stehen.
Es kamen keine Ausschlussgründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutz-berechtigten hervor. Insbesondere ist der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten.
Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG war dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist dies nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
ECLI:AT:BVWG:2019:W252.2160243.1.00