BVwG
17.01.2019
W270 2170954-1
W270 2170954-1/37E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Günther GRASSL über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.08.2017, Zl. römisch 40 , betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. römisch 40 (in Folge: "Beschwerdeführer") stellte am 18.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.01.2016 gab er befragt zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, dass seine Familie bereits vor einigen Jahren seine Heimatprovinz verlassen habe, weil die Taliban seinen Vater bedroht hätten. Die Taliban hätten die Unterstützung der Familie des Beschwerdeführers gewollt. Afghanistan habe er aufgrund der Sicherheitslage verlassen. Es gebe täglich Anschläge. Außerdem habe er Angst gehabt entführt und zwangsrekrutiert zu werden.
3. Am 15.06.2016 stellte die belangte - nach erfolgter Bestimmung des Knochenalters - mit Verfahrensanordnung fest, dass der Beschwerdeführer spätestens am 28.06.2000 geboren wurde. Dies wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
4. Bei seiner Einvernahme am 06.03.2017 vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für seine Asylantragstellung befragt zusammengefasst an, dass er und seine Familie Baghlan aufgrund der Sicherheitslage verlassen hätten, weil die Taliban die Provinz angegriffen hätten. Sie seien nach Kabul zu einem Freund seines Vaters namens " römisch 40 " gegangen. Dieser habe dem Beschwerdeführer einen Computer gegeben und ihm gesagt, dass er vor dessen Geschäft sitzen und damit etwas Geld verdienen könne. Es seien laufend junge Burschen, die am Bazar Sachen verkauft hätten, von bewaffneten Männern entführt worden. Eines Tages, der Beschwerdeführer war arbeiten, hätten diese Männer auch versucht ihn zu entführen. " römisch 40 " habe mit diesen gestritten und einer der Männer hätte diesem dann in den Kopf geschossen. Der Beschwerdeführer sei nach Hause geflüchtet. Ein paar Tage sei er zu Hause gewesen, dann habe sein Vater gesagt, es sei besser, wenn er nach Europa gehe, weil es dort Menschenrechte gebe.
5. Die belangte Behörde wies den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, i.V.m.
Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, i.V.m. Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt römisch II.) mit Bescheid vom 17.08.2017 ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 i.V.m. Paragraph 9, BFA-VG, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen. Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Afghanistan zulässig ist und dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt römisch III. und römisch IV.).
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Er würde außerdem bei Rückkehr nach Afghanistan in keine Existenz bedrohende Notlage gedrängt werden, weil er über Angehörige sowie ein soziales Netz im Herkunftsstaat verfügen würde und wirtschaftlich ausreichend abgesichert sei.
6. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde insbesondere nochmals auf die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers sowie in der Stadt Kabul sowie die Gefahren einer Zwangsrekrutierung und die Gefährdung aufgrund einer westlichen Lebenseinstellung hingewiesen.
7. Gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie weitere länderkundliche und sonstige Informationen im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.
8. Mit Schriftsatz vom 31.08.2018 übermittelte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen zu seiner Integration.
9. Am 07.09.2018 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in deren Rahmen der Beschwerdeführer insbesondere nochmals zu den geltend gemachten Fluchtgründen, einer möglichen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sowie seinem Leben in Österreich einvernommen wurde und weitere Urkunden zur Integration vorlegte. In der Verhandlung wurden außerdem weitere länderkundliche und sonstige Informationen als Beweismittel seitens des Bundesverwaltungsgerichts in das Verfahren eingeführt. Der Beschwerdeführer verzichtete diesbezüglich auf die Möglichkeit eine Stellungnahme zu erstatten.
10. Mit Schreiben vom 11.09.2018 legte der Beschwerdeführer einen Befundbericht vor.
11. Am 21.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer weitere Beweismittel betreffend eine Aufenthaltsberechtigung plus.
12. Mit Schriftsatz vom 12.11.2018 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahem zum Verlust der Lehrstelle des Beschwerdeführers aufgrund dessen Erkrankung.
13. Mit Schreiben vom 14.11.2018 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er ein Interview für den australischen Nachrichtensender "SBS.com" gegeben habe, welches seit 22.10.2018 auf der Homepage des Senders online abrufbar ist.
14. Am 23.11.2018 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen sowie Befunde zu seiner Erkrankung vor.
15. Im Rahmen des Parteiengehörs wurden dem Beschwerdeführer am 18.12.2018 weitere länderkundliche Informationen übermittelt und diesem die Möglichkeit gegeben, binnen einer Frist von drei Wochen dazu Stellung zu nehmen.
16. Mit Schriftsatz vom 07.01.2018 nahm der Beschwerdeführer Stellung zu den eingeführten Länderinformationen und verwies in dieser nochmals auf das mögliche Risiko aufgrund einer Verwestlichung.
17. Mit Schriftsatz vom 11.01.2019 erstattete der Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme, in welcher er insbesondere auch auf neueste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Privat- und Familienleben hinwies.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Identität, Herkunft und Sprachkenntnisse:
1.1.1.1. Der Beschwerdeführer trägt den Namen römisch 40 und ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan. Er wurde am römisch 40 in der Provinz Baghlan, im Distrikt Pol-e-Khumri, im Dorf römisch 40 geboren und ist dort auch aufgewachsen. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan verbrachte der Beschwerdeführer - gemeinsam mit seiner Familie - zwei Monate in der Stadt Kabul.
1.1.1.2. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Neben dieser Sprache hat er noch Kenntnisse der Sprachen Paschtu, Urdu, Farsi, Englisch und Deutsch. In Dari, Paschtu, Englisch und Deutsch kann der Beschwerdeführer auch lesen und schreiben (s. dazu unten Pkt. römisch II.1.3.).
1.1.1.3. Der Beschwerdeführer hatte in seinem Herkunftsstaat weder Probleme mit den Behörden noch wurde er wegen seiner Nationalität, seinem Geschlecht, seiner sexuellen Orientierung oder seinem Bekenntnis zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken oder wegen einer Zugehörigkeit zu einer anderen gesellschaftlichen Gruppe bedroht oder wurde sonst eine Handlung oder Maßnahme aus diesen Gründen gegen ihn gesetzt.
1.1.2. Volksgruppe und Religion:
Der Beschwerdeführer gehört der afghanischen Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.
1.1.3. Familiäre Situation und wirtschaftliche Lage:
1.1.3.1. Die Familie des Beschwerdeführers - bestehend aus dessen Vater, seiner Stiefmutter seinen beiden Stiefbrüdern und seinen beiden Stiefschwestern - leben je nach Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers - Baghlan - oder in der Stadt Kabul.
1.1.3.2. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet als Taxifahrer. Durch seine Arbeit kann der Vater des Beschwerdeführers grundsätzlich den Lebensunterhalt für seine Familie sicherstellen. Wenn der Vater krank ist - dieser wurde auch bereits am Magen operiert - und nicht arbeiten kann, halbiert der Beschwerdeführer sein Taschengeld in Österreich und schickt dieses seiner Familie.
1.1.3.3. Die Familie des Beschwerdeführers verfügt in Baghlan über ein Haus.
1.1.3.4. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie regelmäßig, ungefähr ein Mal pro Woche - wenn diese online ist - in Kontakt.
1.1.4. Ausbildung und Berufserfahrung:
1.1.4.1. Der Beschwerdeführer hat in seiner Heimatprovinz in Afghanistan zehn Jahre lang die öffentliche, staatliche Schule besucht. Während seines zweimonatigen Aufenthaltes in der Stadt Kabul besuchte er die Schule dort als außerordentlicher Schüler.
1.1.4.2. In Kabul arbeitete der Beschwerdeführer neben der Schule in einem Handygeschäft. Seine Aufgabe war es, Musik auf Mobiltelefonen zu installieren. Mit dieser Tätigkeit verdiente der Beschwerdeführer ungefähr 500 bis 1000 Afghani. Damit finanzierte er sich Nahrungsmittel aber auch Kleidung.
1.1.5. Gesundheitszustand:
1.1.5.1. Der Beschwerdeführer ist gesund und nimmt keine Medikamente ein.
1.1.5.2. In der Vergangenheit litt der Beschwerdeführer an Scabies. Diese wurde mittels einer ärztlich verordneten Creme behandelt und ist nunmehr ausgeheilt.
1.1.6. Ausreise aus Afghanistan und Antragstellung in Österreich
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan ungefähr Ende Dezember 2015 verlassen und stellte schließlich am 18.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
1.2. Zum individuellen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Nicht festzustellen ist, dass der Beschwerdeführer bedroht oder sonstige Handlungen oder Maßnahmen - insbesondere ein Entführungsversuch - gegen ihn gesetzt wurden.
1.2.2. Weiters ist nicht festzustellen, dass gegen die in Afghanistan lebende Familie des Beschwerdeführers eine sonstige Maßnahme oder Handlungen gesetzt wurden, insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass seine Familie persönlich bedroht wurde.
1.3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
1.3.1. Der Beschwerdeführer lebt in einer Unterkunft in römisch 40 .
1.3.2. In Österreich leben weder Verwandte noch sonstige nahe Angehörige des Beschwerdeführers. Er selbst ist ledig.
1.3.3. Der Beschwerdeführer hat bereits das Zertifikat für das Sprachniveau B1 erworben und besuchte in römisch 40 auch bereits einen Deutschkurs für das Sprachniveau B2. Von 30.09.2016 bis 30.06.2017 besuchte er die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in römisch 40 und von 20.02.2017 bis 24.02.2017 einen " römisch 40 " von " römisch 40 ", welcher an der römisch 40 stattfand. Von 15.12.2017 bis 26.06.2018 nahm der Beschwerdeführer überdies am Basisbildungsangebot der römisch 40 teil. Darüber hinaus besuchte er auch einen von Freiwilligen angebotenen Deutschkurs. Der Beschwerdeführer ist in der Lage bei klarer Standardsprache über vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. zu reden. Darüber hinaus kann er über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben.
Des Weiteren partizipierte der Beschwerdeführer an der Veranstaltung " römisch 40 " und dem Workshop " römisch 40 ", welcher vom Verein " römisch 40 " angeboten wurde und absolvierte am 02.11.2017 auch einen Workshop zum Thema " römisch 40 ", welcher von " römisch 40 " veranstaltet wurde.
Im Oktober 2018 gab der Beschwerdeführer überdies ein Interview für den australischen Nachrichtensender " römisch 40 ". Die verantwortliche Reporterin " römisch 40 " führte dieses Interview im Rahmen ihrer Reportage über den Umgang mit Flüchtlingen in Österreich. Das Interview wurde in deutscher Sprache geführt und mit englischen Untertiteln versehen und ist seit 22.10.2018 unter dem Link https://www.sbs.com.au/news/the-country-that-has-overturned-its-promise-to-refugees online abrufbar. Der Beschwerdeführer spricht in diesem vor allem über sein Asylverfahren und bringt seinen Wunsch zum Ausdruck in Österreich bleiben zu können.
1.3.4. Der Beschwerdeführer half ehrenamtlich während des vom Verein " römisch 40 " in römisch 40 veranstalteten Sommerfestes 2017 als auch beim Sommerfest 2018 als "Botschafter" mit. Des Weiteren unterstützte er auch den römisch 40 bei dessen Oktoberfest ehrenamtlich.
Der Beschwerdeführer ist selbst auch als "Botschafter" des genannten Patenschaftsvereins tätig. So nahm er etwa an einer Diskussionsrunde im Rahmen des Konfirmationsunterrichts der evangelischen Pfarre Purkersdorf teil.
1.3.5. Der Beschwerdeführer spielte in der Vergangenheit auch in einem Verein Fußball. Seine Lehre und die damit einhergehenden wechselnden Arbeitszeiten waren mit der Mitgliedschaft jedoch nicht vereinbar.
1.3.6. In seiner Freizeit geht der Beschwerdeführer gerne ins Fitnessstudio oder zeichnet. Er unternimmt auch viel mit seiner Patenfamilie, so geht er mit diesen z.B. Schwimmen oder ins Kino.
1.3.7. Seine österreichischen Kontaktpersonen sind insbesondere seine Paten " römisch 40 " und " römisch 40 ", welche die Patenschaft für ihn - vermittelt durch den Verein " römisch 40 " - im Mai 2016 übernahmen, und deren Kinder, sowie auch " römisch 40 ".
1.3.8. Sein soziales Umfeld bezeichnet den Beschwerdeführer als zuverlässigen, begeisterungsfähigen, gebildeten, sozialen, kooperativen, hilfsbereiten, freundlichen, liebenswürdigen jungen Mann.
1.3.9. Der Beschwerdeführer war in Österreich von 27.06.2018 bis 21.09.2018 als Lehrling für die Ausbildung im Lehrberuf Gastronomiefachmann im Unternehmen römisch 40 angestellt. Dafür erhielt er auch eine monatliche Lehrlingsentschädigung in Höhe von ungefähr EUR
630. Aufgrund seiner in der Vergangenheit bestandenen Hautkrankheit - Scabies - verlor er jedoch seine Lehrstelle. Er lebt nunmehr wieder von der staatlichen Grundversorgung.
1.3.10. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.
1.4. Zur persönliche Situation des Beschwerdeführers bei Rückkehr nach Afghanistan:
1.4.1. Der Beschwerdeführer könnte bei Rückkehr nach Afghanistan in geringfügigem Ausmaß und vorübergehend von seiner nach wie vor im Heimatstaat lebenden Familie finanziell unterstützt werden.
1.4.2. Für den Beschwerdeführer besteht außerdem die Möglichkeit, staatliche Rückkehrhilfe zu beziehen:
Von 1. Jänner 2017 bis 31. Dezember 2019 implementiert die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt "RESTART römisch II - Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und Iran". Das Projekt wird durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert.
Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr in die Islamische Republiken Afghanistan und Iran sowie bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden.
Das Projekt sieht die Teilnahme von 490 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen.
Die Maßnahmen, die die Rückkehrer/innen bei ihren Reintegrationsbemühungen unterstützen, werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen erarbeitet und sind auf deren individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt.
IOM setzt im Rahmen des Projekts folgende Maßnahmen um:
Rückkehrunterstützung
* Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich;
* Möglichkeit der Erhebung der familiären Situation im Rückkehrland im Falle der Rückkehr von unbegleiteten Minderjährigen;
* Logistische Organisation der Reise (inklusive Kauf des Flugtickets);
* Unterstützung bei der Abreise am Flughafen Wien Schwechat;
* Empfang und Unterstützung bei der Ankunft sowie Organisation der Weiterreise zum endgültigen Zielort in Afghanistan und der Islamischen Republik Iran;
* Temporäre Unterkunft nach der Ankunft im Rückkehrland.
Reintegrationsunterstützung
* Beratung der Projektteilnehmer/innen nach der Rückkehr bezüglich ihrer Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation;
* Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld: EUR 500,- für jede/n Projektteilnehmer/in, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken;
* Unterstützung in Form von Sachleistungen wie
* Unterstützung bei Gründung von oder Beteiligung an einem Unternehmen (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren);
* Aus- und Weiterbildung;
* Unterkunft;
* Unterstützung für Kinder;
* Medizinische Unterstützung
* Leitfaden zur Unternehmensgründung und Weitervermittlung zu kostenlosen Business Trainings.
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.5.1. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil.
Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren.
Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.612 registrierten zivilen Opfer (440 Tote und 1.172 Verletzte). Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen.
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielten Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen. Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden.
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF; diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 [in Folge: "LIB"], Pkt. 4. "Sicherheitslage")
Regierungsfeindliche Gruppierungen
Allgemeines
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus.
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen. Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren. Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet.
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird.
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan. Die Gründe dafür sind verschiedene:
das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten.
Taliban
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht. Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen.
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen.
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten. Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand. Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten. Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vergleiche Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten:
Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden.
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen. Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben. Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS.
IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat
Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation. Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen. Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet.
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben. Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen. Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen.
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt; er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an, aber auch ausländische Botschaften. Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätte. Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind.
Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar.
Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben.
Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens.
(Auszüge aus dem LIB, Pkt. 4. "Sicherheitslage")
Grundversorgungs- und Wirtschaftslage
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu.
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert. Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 22. "Grundversorgung und Wirtschaft")
Rechtsschutz und Justizwesen in Afghanistan
Im Bereich des Rechtsschutzes und des Justizwesens in Afghanistan gibt es legislative Fortschritte; dennoch gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen und werden Dispute überwiegend außerhalb des formellen Justizsystems gelöst. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, in den ländlichen Gebieten aber schwächer ausgeprägt. Dem Justizsystem mangelt es an Leistungsfähigkeit, teils mangels qualifizierten Personals (insbesondere in ländlichen Gebieten), teils wegen der eingeschränkten Zugänglichkeit von Gesetzestexten; die Situation bessert sich jedoch. Innerhalb des Gerichtswesens ist auch Korruption vorhanden und sind Richterinnen und Richter und Anwältinnen und Anwälte oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen.
(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 5. "Rechtsschutz/Justizwesen")
Sicherheitsbehörden in Afghanistan
In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA-Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anmerkung Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA). Auch das NDS ist Teil der ANDSF.
Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen.
Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat. Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt.
Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats.". Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt.
Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt. Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden US-amerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen. Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF-Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden.
Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei. Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich. Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf. Nachdem die Operation Shafaq römisch II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020.
Reformen der ANDSF
Die afghanische Regierung versucht die nationalen Sicherheitskräfte zu reformieren. Durch die Afghanistan Compact Initiative sollen u.a. sowohl die ANDSF als auch ihre einzelnen Komponenten ANA und ANP reformiert und verbessert werden. Ein vom Joint Security Compact Committee (JSCC) durchgeführtes Monitoring der afghanischen Regierung ergab, dass die für Dezember 2017 gesetzten Ziele des Verteidigungs- und des Innenministeriums zum Großteil erreicht wurden. Das Aufstocken des ANASOC, der Ausbau der AAF, die Entwicklung von Führungskräften, die Korruptionsbekämpfung und die Vereinheitlichung der Führung innerhalb der afghanischen Streitkräfte sind einige Elemente der 2017 angekündigten Sicherheitsstrategie der afghanischen Regierung. Auch soll diese im Rahmen der neuen US-amerikanischen Strategie für Südasien Beratung und Unterstützung bei Lufteinsätzen bekommen.
Mit Unterstützung der RS-Mission implementieren und optimieren das MoI und das MoD verschiedene Systeme, um ihr Personal präzise zu verwalten, zu bezahlen und zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist das Afghan Human Resource Information Management System (AHRIMS), welches alle Daten inklusive Namen, Rang, Bildungsniveau, Ausweisnummer und aktuelle Position des ANDSF-Personals enthält. Auch ist das Afghan Personnel Pay System (APPS), das die AHRIMS-Daten u.a. mit Vergütungs- und in Lohndaten integrieren wird, in Entwicklung.
Geheimdienstliche Tätigkeiten
Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anmerkung und das Nasrat, auch National Threat Intelligence Center, unter dem NDS, tauschen sich regelmäßig aus. Obwohl der Austausch von geheimdienstlichen Informationen als Stärke der ANDSF gilt, blieb Mitte 2017 die geheimdienstliche Analyse schwach. Gemäß einem Bericht von SIGAR finden Ausbildungen zur Verbesserung der geheimdienstlichen Fähigkeiten des MoI und des MoD im Rahmen der Resolute Support Mission statt.
Das National Directorate for Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist für die Untersuchung von Strafsachen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul. Die Bush- und die Obama-Administration konzentrierten sich auf den Ausbau des ANAund ANP-Personals und vernachlässigten dadurch den afghanischen Geheimdienst. Die Rekrutierungsmethode für NDS-Personal war mit Stand Juli 2017 sehr restriktiv und der Beitritt für Bewerber ohne Kontakte fast unmöglich.
Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)
Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert.
Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren. Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind. Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben. Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern.
Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorfältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen. Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen. Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel.
Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden. Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw.
Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3%.
Afghanische Nationalarmee (ANA)
Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte. Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen.
Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen. Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2%.
Quellen zufolge beginnt die Grundausbildung der ANA-Soldaten am Kabul Military Training Center (KMTC) und beträgt zwischen sieben und acht Wochen. Anschließend gibt es verschiedene weiterführende Ausbildungen für Unteroffiziere und Offiziere.
Resolute Support Mission (RS)
Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verlautbarte am 9. November 2017, dass sie zukünftig auf 16.000 Mann angehoben werden soll. Die RS-Mission befasst sich mit zahlreichen Aspekten bzw. Problematiken der afghanischen Sicherheitsbehörden. Involviert ist die Mission z. B. in die Förderung von Transparenz, in den Kampf gegen Korruption, den Ausbau der Streitkräfte, die Verbesserung des Geheimdienstes usw.
Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten. Die US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan (United States Forces-Afghanistan, USFOR-A) und die Resolute Support Mission werden von General John Nicholson koordiniert. Korruption, Vetternwirtschaft, schwache Führung usw. sind einige der Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit der ANDSF unterminieren. Einer Quelle zufolge ist der Einsatz von ausländischen Sicherheitskräften ein wirksames Mittel für die Verbesserung von einigen Bereichen wie die Institutionalisierung einer meritokratischen Anwerbung, Beförderungen im afghanischen Sicherheitsbereich und die Entpolitisierung der ANDSF.
(Auszug aus dem LIB, Pkt. 6. "Sicherheitsbehörden")
Folter und unmenschliche Behandlung
Laut den Artikeln 29 und 30 der afghanischen Verfassung ist Folter verboten. Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt wurden, sind ungültig. Auch ist Afghanistan Vertragsstaat der vier Genfer Abkommen von 1949, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC). Am 22. April 2017 genehmigte die afghanische Regierung ein neues Anti-Folter-Gesetz und erweiterte das im ursprünglichen Strafgesetzbuch enthaltene Folterverbot. Das neue Gesetz bezieht sich jedoch nur auf Folterungen, die im Rahmen des Strafrechtssystems erfolgt sind, und nicht eindeutig auf Misshandlungen, die von militärischen sowie anderen Sicherheitskräften verübt werden. Fehlende Regelungen zur Entschädigung von Folteropfern wurden im August 2017 durch ein entsprechendes Addendum ergänzt.
Trotz dieser Vorgaben gibt es zahlreiche Berichte über Misshandlungen durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Gefängnispersonal und Polizei. Quellen zufolge wenden die Sicherheitskräfte weiterhin exzessive Gewalt an, einschließlich Folter und Gewalt gegen Zivilisten. Personen, die im Rahmen des bewaffneten Konflikts festgenommen wurden, werden insbesondere während des ersten Verhörs gefoltert, um Geständnisse zu erhalten.
Im Zuge einer Befragung gaben für den Zeitraum 1.1.2015 - 31.12.2016 181 (39%) von 469 befragten Personen an, von den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF) gefoltert worden zu sein. Auch 38 (45%) von 85 befragten Kinder gaben an im Berichtszeitraum Opfer von Folter oder Missbräuchen geworden zu sein. Die meisten Misshandlungen fanden unter der Obhut des National Directorate of Security (NDS) und der afghanischen Nationalpolizei statt (ANP).
Zwei Jahre nach der Verlautbarung des Nationalplans von 2015 zur Eliminierung der Folter durch die afghanische Regierung, hat diese einige dauerhafte Fortschritte gemacht, insbesondere auf der Gesetzesebene. Zahlreiche im Nationalplan eingegangene Hauptverpflichtungen wurden jedoch nur teilweise verwirklicht
(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 7. "Folter und unmenschliche Behandlung")
Binnenflüchtlinge
Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs). Im Zeitraum 2012-2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen.
Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).
Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya. Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt.
Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz. Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung.
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden.
Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe. Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern. Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw.
Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an.
Flüchtlinge in Afghanistan
Die afghanischen Gesetze sehen keine Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus vor und es existiert kein staatliches System zum Schutz von Flüchtlingen aus anderen Ländern.
In Afghanistan leben pakistanische Flüchtlinge, die 2014 aus Nord-Waziristan in die Provinzen Khost und Paktika geflüchtet sind.
42.262 dieser Flüchtlinge sind in der Provinz Khost registriert: Das Gulan-Flüchtlingslager in Khost beherbergt 13.167 pakistanische Flüchtlinge und der Rest lebt in anderen Distrikten der Provinz Khost. In der Provinz Paktika wurden 2016 35.949 pakistanische Flüchtlinge registriert. In den Provinzen Khost und Paktika wurden ca. 76.925 pakistanische Flüchtlinge aus Nord-Waziristan registriert und verifiziert. In den urbanen Zentren leben ungefähr 505 Asylwerber, die auf die Verabschiedung eines Asylgesetzes warten. Ihre lokale Integration ist aus rechtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und anderen Gründen derzeit unmöglich; auch bleiben die Umsiedlungsmöglichkeiten eingeschränkt.
(Auszug aus dem LIB, Pkt. 21. "Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge")
1.5.2. Lage der Heimatprovinz bzw. dem Heimatdistrikt des Beschwerdeführers in Afghanistan:
Baghlan liegt in Nordostafghanistan und gilt als eine der industriellen Provinzen Afghanistans. Sie befindet sich auf der Route der Autobahn Kabul-Nord, welche neun Provinzen miteinander verbindet. Ihre Hauptstadt heißt Pul-i-Khumri und ist als Wirtschaftszentrum bekannt. Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Andarab, Baghlan-e-Jadid/Baghlan-e Markazi, Burka, Dahana-e-Ghori, Dehsalah/Banu, Doshi, Fereng Wa Gharu, Guzargah-e-Nur, Khenjan, Khost Wa Fereng, Nahrin, Pul-e-Hasar, Pul-e-Khumri, Tala Wa Barfak/Barfak, Jalga/Khwajahejran. Im Nordosten grenzt Baghlan an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kunduz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 943.394 geschätzt.
Durch das von der Weltbank finanzierte Trans-Hindukush Road Connectivity Project soll bis 2022 u.a. die Baghlan-Bamiyan-Straße, auch "B2B-Road" genannt, durch eine Förderung von 170 Millionen USD gebaut werden.
Mit Stand November 2017 wird in der Provinz Baghlan Opium angebaut.
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes. Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen. Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften. Quellen zufolge versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen ihre Aktivitäten in einigen Schlüsselprovinzen des Nordens und Nordostens zu verstärken. Nichtsdestotrotz gehen die afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte mit Anti-Terrorismus-Operationen gegen diese Gruppierungen vor. Als einer der Gründe für die sich verschlechternde Sicherheitslage wird vom Gouverneur der Provinz die Korruption angegeben, die er gleichzeitig zu bekämpfen versprach. Auch zählt Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam.
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Militärische Operationen in Baghlan
In Baghlan werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien. Bei diesen Militäroperationen werden Aufständische und in manchen Fällen auch ihre Anführer getötet.
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Baghlan
Berichten zufolge waren im August 2017 die Taliban im Nordwesten der Provinz aktiv. Anfang 2017 fiel der Distrikt Tala Wa Barfak an die Taliban; später wurde er jedoch von den Regierungsmächten wieder eingenommen.
In Baghlan stellen Kohlenbergwerke, nach der Drogenproduktion, eine der Haupteinnahmequellen der Taliban dar, nachdem im Jahr 2017 einige Bergwerke der Provinz unter Kontrolle aufständischer Gruppierungen gekommen war. Berichtet wurde von Vorfällen, in denen die Gruppierung Check-Points errichtete, um Geld von Kohle-transportierenden Fahrzeugen einzuheben.
Informationen eines hochrangigen Beamten zufolge war noch im Mai 2017 die Präsenz des IS im Norden Afghanistans schwach; ihm zufolge existierten keine Informationen zu der Anwesenheit des IS in der Provinz Baghlan. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurde im Süden der Provinz Baghlan Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch den IS gemeldet, während zwischen dem 16.7.2017 und dem 31.1.2018 keine Vorfälle registriert wurden.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 4.4. "Baghlan")
Im Jahr 2017 dokumentierte UNAMA 222 zivile Opfer (66 Tote und 156 Verletzte), ein Rückgang von 38 % gegenüber 2016. Die meisten Opfer waren Opfer von Bodeneinsätzen, nicht explodierten Kampfmitteln oder Landminen sowie von gezielten und vorsätzlichen Morden (288). Bodenunfälle verursachten 131 zivile Opfer (33 Tote und 98 Verletzte), ebenfalls ein Rückgang von 38 % gegenüber 2016.
UNAMA betont, dass es einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Opfer von explosiven Kriegsmassen und dem Einsatz indirekter Waffen wie Mörser, Raketen und Granaten gibt. Baghlan gehört zu den Provinzen mit einer hohen Anzahl von Detonationsvorfällen von explosiven Kriegsmassen, die zivile Opfer fordern, und auch zu den Provinzen mit dem höchsten Einsatz von indirekten Waffen.
In einer Karte, die die "Konfliktstärke" im Jahr 2017 darstellt - eine Kombination aus drei Indikatoren: Sicherheitsvorfälle, zivile Opfer und konfliktbedingte Vertreibung - ordnet UNOCHA die Bezirke Pul-e Khumri und Baghlan-e Jadid (Baghlan-e Markazi) in die höchste Kategorie ein, Dushi und Khenjan in der Kategorie unten.
Im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. März 2018 wurden 95 Vorfälle im Zusammenhang mit Aufständischen in der Provinz Baghlan in Open Media Quellen auf der Website der Global Incidents Map gefunden.
Im November 2017 erklärten die humanitären Akteure in der Provinz die Sicherheitslage für "kritisch innerhalb des Bezirks Tala Wa Barfak, des Bezirks Burka und des Pul-e Khumri".
Luftangriffe während militärischer Operationen im Gebiet von Dand-e Shahabudin im Stadtteil Pul-e Khumri zerstörten eine Reihe von Wohnhäusern und führten zu Protesten der Einheimischen.
Im März 2018 wurden fünf ALP-Beamte aus Dahan-e Ghori getötet und drei weitere bei einem Angriff auf ihren Posten in Dand-e Ghori verwundet.
Angriffe auf polizeiliche Kontrollposten und Zusammenstöße zwischen ANSF und Taliban ereigneten sich auch am Rande der Provinzhauptstadt im November, Dezember 2017 und Januar 2018. Im Gebiet Chasm-e Shar entlang der Autobahn nach Balkh betreiben die Taliban mobile Kontrollpunkte, so AAN-Analyst Obaid Ali. Die Taliban sollen die Straße zwischen Baghlan und Kunduz kontrollieren. Im Januar 2018 wurden auch im Burkah-Distrikt Angriffe auf Polizeiposten gemeldet.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus EASO, COI Report: Afghanistan:
Security Situation - Update, Mai 2018 [in Folge:
"EASO-Sicherheitsupdate Mai 2018", abrufbar unter:
https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan-security_situation_2018.pdf,
abgerufen am 21.12.2018], Sitzung 44f)
Erreichbarkeit
Im Gebiet Chasm-e Shar entlang der Autobahn nach Balkh betreiben die Taliban mobile Kontrollpunkte, so AAN-Analyst Obaid Ali. Die Taliban sollen die Straße zwischen Baghlan und Kunduz kontrollieren.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus EASO-Sicherheitsupdate Mai 2018, Sitzung 45ff)
1.5.3. Lage in der Stadt Mazar-e Sharif:
Allgemeines
Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt der Provinz Balkh, die sich im Norden Afghanistans befindet. Die Bevölkerung von Balkh ist heterogen, wobei Tadschiken und Paschtunen die größten Gruppen bilden, gefolgt von Usbeken, Hazara, Turkmenen, Arabern und Belutschen. Die Bevölkerung Mazar-e Sharifs ist im Jahr 2017/2018 auf rund 427.647 angewachsen und zeichnet sich durch ihre ethnische und sprachliche Vielfalt aus. Laut einer Umfrage vom Januar 2015 sind etwa 38% der Mazar-e Sharif-Bevölkerung Migranten. Die meisten von ihnen stammen aus anderen afghanischen Provinzen. Nur 17% der Migranten sind Rückkehrer aus dem Ausland. Laut UNHCR hat die Provinz Balkh seit Anfang 2015 19.764 konfliktinduzierte Binnenvertriebene erhalten: 2.509 im Jahr 2015 und 17.227 im Jahr 2016, von denen die meisten im städtischen und semi-urbanen Gebiet Mazar-e Sharif identifiziert wurden. Die steigende Zahl der Binnenvertriebenen in der Provinz Balkh ist ein Indikator für die sich verschlechternde Sicherheitslage in einer großen Zahl von Provinzen im Norden und Nordosten. Zusammenfassend hat die Provinz Balkh, meist Mazar-e Sharif, in den letzten zwei Jahren etwa 26.000 Menschen aufgenommen.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem ACCORD-Bericht "Afghanistan:
Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018", abrufbar unter:
https://www.ecoi.net/en/document/2001546.html#alert, Sitzung 6 und 13, welcher unter anderem auf den Country of Origin Information Report Afghanistan, Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, August 2017 [in Folge: "EASO-Bericht Sozioökonomie"], des European Asylum Support Office [in Folge: "EASO"], abrufbar unter:https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_COI_Afghanistan_IPA_August2017.pdf, abgerufen am 21.12.2018; Pkt. 1.3. verweist)
Mazar-e Sharif ist eines der größten Handels- und Finanzzentren Afghanistans, das auch als das "de facto politische, wirtschaftliche und administrative Zentrum Nordafghanistans" bezeichnet wird. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Stadt liegt außerdem an einer wichtigen Ost-West-Verbindung zwischen Herat im Westen und Kabul und Kundus im Osten. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar. An der Grenze zu Usbekistan liegt der wichtige wirtschaftliche Trockenhafen Hairatan.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan, Security Situation, Dezember 2017 [in Folge: "EASO-Bericht Sicherheitslage"], abrufbar unter:
https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_Afghanistan_security_situation_2017.pdf, abgerufen am 21.12.2018, Pkt. 2.1. und LIB, Pkt. 4.5. "Balkh")
Sicherheit
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen.
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 4.5. "Balkh")
Die UNAMA dokumentiert in seinem im Februar 2018 erschienenen Jahresbericht für das Jahr 2017 in der Provinz Balkh 129 zivile Opfer (52 Getötete und 77 Verletzte). Dies komme einem Rückgang von 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gleich. USBVs, Bodeneinsätze und Blindgänger bzw. Landminen seien bezüglich dieser Opferzahlen für die Provinz Balkh die häufigsten Arten von Vorfällen.
UNHCR gibt in einem Gespräch vom November 2018 zur Lage in Mazar-e Sharif und der Provinz Balkh an, dass die afghanischen Sicherheitskräfte stark an sogenannten Räumungsoperationen beteiligt seien. Derzeit richte sich die laufende Räumungsaktion gegen die Präsenz der regierungsfeindlichen Elemente in den nahe der Hauptstraße von Mazar-e Sharif liegenden Dörfern, die die einzige Verbindung zwischen der Stadt und den anderen Provinzen sei. Es gebe einen sich ändernden Trend in der üblichen Vorgehensweise der regierungsfeindlichen Elemente. In den Jahren 2016 und 2017 hätten sie diese Gebiete im Frühjahr und Sommer kontrolliert, hätten sich jedoch in der Regel im Winter wieder aus dem Distrikt Chimtal zurückgezogen. Nun würden sie ihr Möglichstes tun, um ihre Präsenz im zuvor dazugewonnenen Gebiet in der Nähe Mazar-e Sharifs beizubehalten. Es werde erwartet, dass es in der nördlichen Region zu einer Zunahme an Militäroperationen von afghanischen Sicherheitskräften und der von der NATO geführten Beratungs- und Unterstützungsmission Resolute Support Mission kommen werde.
SIGAR schätzt laut Quartalsbericht vom Oktober 2018 die Stabilität der Distrikte der Provinz Balkh mit Stand 31. Juli 2018 wie folgt ein: Die beiden Distrikte Chahar Bolak und Chimtal seien "umkämpft", alle übrigen befänden sich unter der "Kontrolle der afghanischen Regierung".
Für das Jahr 2018 wurden bislang unter anderem folgende Vorfälle dokumentiert: Laut einem Artikel der PAN seien am 24. Mai 2018 in Mazar-e Sharif bei einem Angriff bewaffneter Männer auf einen Polizeikonvoi zwei Personen (darunter ein Gefangener) getötet und sieben weitere Gefangene entführt worden (PAN, 25. Mai 2018); ACLED dokumentiert für diesen Vorfall nur eine getötete Person (ACLED, 12. November 2018). ACLED inkludiert einen weiteren Vorfall vom 22. Juli 2018 in seine Zahlen, bei dem Kämpfer der Taliban einen Polizei-Checkpoint in Mazar-e Sharif überrannt hätten. Dabei seien fünf Polizisten und ein Taliban-Mitglied getötet und neun weitere Polizisten verletzt worden (ACLED, 12. November 2018). PAN berichtet von einem Vorfall vom 1. September 2018, bei dem ein Imam in Mazar-e Sharif von bewaffneten Männern erschossen worden sei.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem ACCORD-Bericht "Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018" [in Folge: Bericht ACCORD Versorgungs- und Sicherheitslage"], Sitzung 205f, 209, 222f)
Erreichbarkeit von Österreich
Der Flughafen von Mazar-e Sharif, der 2013 eröffnet wurde, ist auch als Mazar Mawlana Jalaluddin Balkhi International Airport bekannt. Turkish Airlines bietet seit 2013 Direktflüge von und nach Istanbul von Mazar-e Sharif an. Der Flugplan von Kam Air listet 2017 internationale Flüge von Mazar-e Sharif nach Istanbul und Mashhad, entsprechend dem Online-Flugplan. Flüge nach Delhi und Dubai sind ebenfalls gelistet, jedoch mit dem Datum 2015. Im März 2017 führte Kam Air auch einen Dienst zwischen Herat und Mazar-e Sharif als über den Flug RQ-006 aktiv an.
Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 4.35. "Erreichbarkeit - Flugverbindungen" und "EASO-Bericht Sozioökonomie", Pkt. 5.3.3.)
Der Flughafen von Mazar-e Sharif liegt 9 Kilometer östlich der Stadt im Distrikt Marmul.
(Auszug aus dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 102).
Wirtschaftliche Lage durch bzw. für Rückkehrer
Rückkehrer aus anderen Staaten
Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt und war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten.
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung.
Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:
IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart römisch II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird.
UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben.
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden.
Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung
Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen.
Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können.
Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 24. "Rückkehr")
Versorgung mit Lebensmitteln
Während die Ernährungslage in Mazar-e Sharif im Jänner 2010 und Jänner 2015 durch das Famine Early Warning Systems Network (FEWS NET) als nur minimal bedroht eingestuft wurde, befand sich die Stadt im Februar 2018 in einer Zone, in welcher FEWS NET die Lage als angespannt einstuft. D.h. auch mit humanitärer Hilfe verfügt mindestens einer von fünf Haushalten in einem als angespannt eingestuften Gebiet über eine minimal ausreichende Ernährungslage. Allerdings können grundlegende Ausgaben für andere Güter als Lebensmittel nur auf Kosten zukünftiger Einkommensgrundlagen getätigt werden.
(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan "Versorgungslage Mazar-e Sharif im Zeitverlauf 2010-2018" vom 19.11.2018, Sitzung 4f und 41ff)
Negative Niederschlagsanomalien bestehen im ganzen Land, insbesondere im zentralen Hochland. Für Anfang Januar wird jedoch ein breiter, starker Schneefall prognostiziert, der die Defizite voraussichtlich reduzieren wird.
(Aktuelle Beobachtung des FEWS-NET zu besonderer Besorgnis hervorrufenden Gegenden ("Areas of Higehst Concern"):
http://fews.net/, abgerufen am 09.01.2019)
Auszug aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Afghanistan aus dem Jahr 2018:
1. Wie wirkt sich diese Dürre auf die Versorgungslage der Bevölkerung im Hinblick auf die Wasserversorgung sowie auf die Versorgung mit Lebensmitteln in den Städten Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) und Herat (Hauptstadt der Provinz Herat) aus?
Den Quellen ist zu entnehmen, dass es im Umland von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, zu Wasserknappheit und einer unzureichenden Wasserversorgung kommt. Über die Situation in Mazar-e-Sharif selbst wird nicht berichtet. Zur Wasserversorgung in der Provinz Herat konnte ein Bericht gefunden werden, demzufolge Zahlungen an die Wasserversorgungsanstalt in der Höhe von 208 Mio. Afghanis ausstehen. Aufgrund der ausstehenden Zahlungen musste die Wasseranstalt Infrastrukturprojekte verschieben. Über die konkrete Versorgungslage in Herat-Stadt wurde nicht berichtet.
Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte in Afghanistan dieses Jahr deutlich geringer ausfallen als in den vergangenen Jahren. Gemäß einer Quelle lagen die Getreidepreise auf den Märkten in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund guter Ernten im Iran und Pakistan im Mai 2018 dennoch nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.
2. Gibt es bedingt durch diese Dürre in den Provinzen Balkh und Herat eine Landflucht in die Provinzhauptstädte?
Es kann davon ausgegangen werden, dass von Mai bis Mitte August rund 12.000 Familien, unter anderem aufgrund der Dürre, aus den Provinzen Badghis und Ghor nach Herat-Stadt geflohen sind. Zur Lage in Mazar-e-Sharif wurde nichts berichtet.
3. Falls ja,
a. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Möglichkeit der Wohnraumbeschaffung für Neuansiedler in diesen Städten aus?
Gemäß den Quellen handelt es sich bei den Personen, welche vor der Dürre nach Herat-Stadt geflohen sind, um Personen, die ihren gesamten Besitz verloren haben. Sie leben in behelfsmäßigen Zelten in den armen Gegenden am westlichen Stadtrand von Herat. Über den Wohnungsmarkt, oder auch Versuche dieser Personen, erschwinglichen Wohnraum in Herat-Stadt zu finden, konnten keine Berichte gefunden werden.
b. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler in diesen Städten aus?
Der Quelle kann entnommen werden, dass die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 rund 17 Prozent unter dem Fünfjahresdurchschnitt lagen. Damit steht die Lohnentwicklung in Herat-Stadt im Kontrast zu Entwicklungen in anderen urbanen Zentren Afghanistans. In Mazar-e-Sharif lagen die Löhne für Gelegenheitsarbeit im Mai 2018 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.
4. Gibt es staatliche oder internationale Hilfsmaßnahmen für die in den Dürregebieten lebenden Personen?
Gemäß mehreren Berichten gibt es insbesondere von internationaler Seite Hilfe für die von der Dürre betroffenen Personen. Das Humanitarian Country Team (HCT) der UN hat den Humanitarian Response Plan (HRP) für 2018 aufgrund der anhaltenden Dürre aktualisiert. Dementsprechend benötigt Afghanistan in diesem Jahr rund 547 Mio. Dollar an Hilfsgeldern, wobei Ende Juli rund ein Drittel dieses Plans finanziert war. Bislang hat OCHA an die von der Dürre betroffene Bevölkerung unter anderem Trinkwasser und Nahrungsmittel verteilt. Weiters erhielten Betroffene auch Geld, über welches sie selbst verfügen können. In jenen Zentren, in denen sich von der Dürre Geflohene ansiedelten (Herat-Stadt, Qala-e-Naw und Chaghcharan) wurden unter anderem auch Zelte verteilt.
Das World Food Programme (WFP) gab Ende Juli an, über 400.000 Personen in den von der Dürre betroffenen Provinzen Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jowzjan mit Nahrungsmittelsoforthilfe unterstützen zu wollen. Australien sagte eine Zahlung von 3,6 Mio. Dollar an das WFP zu. Auf Betreiben der WHO sind in Herat mobile Gesundheitsteams im Einsatz.
Die afghanische Regierung verteilte in Chaghcharan, Provinz Ghor, Getreide an 155.000 Familien.
(Auszug bzw. Zusammenfassung unter Wiedergabe entscheidungsrelevanter Passagen aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.09.2018, "Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre")
In einem im November 2018 geführten Gespräch ergänzt Carter auf die Frage, ob Vertriebene, Rückkehrende und generell mittellose Menschen in Mazar-e Sharif Zugang zu Lebensmitteln und Trinkwasser hätten, dass es seines Wissens nach in Mazar-e Sharif keine Ernährungssicherheitsprogramme für längerfristig Vertriebene gebe. Es gebe in Mazar-e Sharif keine Wasserlieferungen mit Lastwagen ("water trucking"), allerdings hätten die Menschen meist Zugang zu Wasser aus Bohrlöchern, was keine sichere Quelle für Trinkwasser sei. Die Wege zu den Bohrlöchern könnten zudem recht lang sein. Zugang zu Trink- und Badewasser sei aber generell gegeben.
In einem Gespräch zur Lage in Mazar-e Sharif führt UNHCR im November 2018 an, dass es für neu ankommende Binnenvertriebene eine Art Ernährungssicherungssystem gebe. Abhängig von der konkreten Situation dauere es jedoch manchmal Wochen oder sogar Monate bis Soforthilfe geleistet werde. Abgesehen von UNHCRs Programm für Personen mit besonderen Bedürfnissen ("Persons with Specific Needs", PSN) gebe es von anderen Organisationen kein generelles Programm als Reaktion auf die Bedürfnisse der am meisten vulnerablen RückkehrerInnen. Im Fall von Naturkatastrophen gebe es auch staatliche Hilfe. Sowohl Rückkehrer als auch aus Europa Abgeschobene würden häufig Geld als Unterstützung zur Integration erhalten. In der Regel gebe es aber keine weiterführenden Hilfsprogramme ("follow-up assistance programmes"). Die gewährte Hilfe sollte für die ersten 2 oder 3 Monate nach der Ankunft in Afghanistan reichen.
(Auszug aus einer Anfragebeantwortung von ACCORD "Afghanistan:
Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Blkh) und Kabul 2010-2018", abrufbar unter:
https://www.ecoi.net/en/file/local/2001546/Afghanistan_Versorgungslage+und+Sicherheitslage_2010+bis+2018.pdf, abgerufen am 10.01.2019, Pkt. 2.1.3.)
Wohnungsmarkt in Mazar-e Sharif
Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 besitzt die Mehrheit der Einwohner in Mazar-e Sharif ihre Häuser während 24,5 % ihre Wohnungen mieten. Mehr als die Hälfte der Häuser in der Stadt sind aus Schlamm oder Erde mit Holzbalken gebaut, der Rest aus Kalk mit Ziegeln und Metall, Zement oder anderen Materialien. Die meisten haben Erdboden (70 %) oder Zement (26 %). Die Haushalte in Mazar-e Sharif werden mit Holz, Holzkohle oder Kohle beheizt. Der Strom ist in der Regel in der Stadt verfügbar (93 % der Haushalte haben Zugang). Die meisten Menschen haben Zugang zu verbesserten Trinkwasserquellen (76 %), meist in Rohrleitungen oder aus den Brunnen. 92 % der Haushalte verfügen über verbesserte sanitäre Einrichtungen. Laut IOM lagen die Mietkosten in Mazar-e Sharif im Jahr 2014 zwischen 150-250 USD für eine Dreizimmerwohnung in einem sicheren Bereich. Der Preis für eine ähnliche Wohnung betrug USD 40.000. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 haben etwa 94 % der Haushalte Zugang zum Handy, 91 % haben einen Fernseher, 51 % einen Kühlschrank, 28 % einen Computer, 20 % haben ein Auto, 20 % Zugang zum Internet.
Im Rahmen ihrer Displacement Tracking Matrix veröffentlicht die Internationale Organisation für Migration (IOM) im Juni 2017 einen Bericht, in dem unter anderem die Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrenden in der Provinz Balkh untersucht wurde. Laut diesem Bericht würden die Mietkosten in der Provinz Balkh 1500 bis 3000 Afghani (umgerechnet 22 bis 45 USD) betragen.
In den Städten gibt es auch die Möglichkeit, günstig in sog. "Teehäusern" (engl. "tea houses") Unterkunft zu nehmen, die zudem einen wichtigen Treffpunkt und Schauplatz für Sozialisation darstellen.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan, Afghanistan Networks, Februar 2018 [in Folge: "EASO-Bericht Netzwerke"], abrufbar unter:
https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan_Networks.pdf, abgerufen am 21.12.2018, Pkt. 4.2. und EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.7.6. sowie ACCORD-Bericht "Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018", Sitzung 72ff)
In Bezug auf den erwähnten seit 2016 bestehenden Mangel an humanitären Hilfsorganisationen, die Unterkünfte für Rückkehrende und Binnenvertriebene zur Verfügung stellen würden, teilte UNHCR in einem Gespräch im November 2018 mit, dass die Hilfe nicht ganz eingestellt worden sei. Man würde nun aber in einem kleineren Umfang arbeiten. UNHCR führe nach wie vor Schutzmaßnahmen durch, die sich an die am stärksten gefährdeten Menschen in der Region richten würden. Diese könnten sich sowohl an neu oder längerfristig Vertriebene und auch an Rückkehrende richten.
UNHCR betont, dass es wichtig sei, zwischen der Situation der Rückkehrenden, die an ihren ursprünglichen Ort zurückkehren, und denen, die zum ersten Mal nach Mazar-e Sharif kommen würden, zu unterscheiden. Diejenigen, die aus Europa zurückkehren würden, hätten große Probleme, eine Unterkunft zu finden. Sie hätten häufig nicht genug Geld, um im Zentrum der Stadt zu leben. Außerdem würden ihnen oft die notwendigen Dokumente fehlen, um Land kaufen zu können. Ein weiteres Problem, sei ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft. Einige Menschen hätten Angst vor den Rückkehrenden, andere würden glauben, die Rückkehrenden seien reich, was sie zu einem gängigen Ziel der Verfolgung mache. Die aus Europa Abgeschobenen seinen außerdem mit Verfolgung durch regierungsfeindliche Netzwerke in Mazar-e Sharif konfrontiert. Es scheine einen großen Unterschied zwischen der Situation von Rückkehrenden aus Pakistan oder dem Iran, die oft in größeren Gruppen ankommen würden, und der von Rückkehrenden aus Europa, die allein kommen würden, zu geben.
(Auszug aus der Anfragebeantwortung von ACCORD zur Versorgungs- und Sicherheitslage von Dezember 2018, Sitzung 75 f)
Sanitäre Situation
Der Zugang zu Trinkwasser ist oft eine Herausforderung, vor allem in den Slums und Binnenvertriebenen-Siedlungen in Kabul. In Mazar-e Sharif haben die meisten Menschen Zugang zu verbesserten Wasserquellen und verbesserten Sanitäranlagen.
(Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.7.3.1., auf welchen insbesondere im ACCORD-Bericht "Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018", Sitzung 30 verwiesen wird)
Die 2016/17 durchgeführte Erhebung zu den Lebensbedingungen in Afghanistan habe laut der CSO ergeben, dass hinsichtlich der sanitären Grundversorgung 41,1 Prozent der Bevölkerung verbesserte Anlagen nutze, die nicht mit anderen Haushalten geteilt würden, während sich 52,9 Prozent entweder limitierte oder unverbesserte Sanitäranlagen teilweise mit anderen Haushalten teilen würden. Dies würde im Vergleich zur vorangegangen Studie 2013/14 eine starke Verbesserung darstellen. Innerhalb der urbanen Bevölkerung liege der Prozentsatz sogar bei 83,2 Prozent. In Übereinstimmung mit der Definition des gemeinsamen Monitoring Programms für Wasserversorgung und Hygiene (JMP, Joint Monitoring Programme for Water Supply and Sanitation) würden in der ALCS-Erhebung von 2016/17 verbesserte Sanitäranlagen abgedeckte Grubenlatrinen, belüftete verbesserte Latrinen, Toiletten mit Spülung, die an das Kanalnetz, einen Klärtank oder eine Grube angeschlossen sind, und Toilettenhäuschen umfassen.
Laut den 2018 von der afghanischen Statistikbehörde (NSIA, früher CSO) veröffentlichten Provinz-Profilen sei jener Bevölkerungsanteil der Provinz Balkh, der Zugang zu verbesserten Sanitäranlagen habe, von 8,2 Prozent im Jahr 2007/08 auf 17,5 Prozent im Jahr 2011/12, auf 22,3 Prozent im Jahr 2013/14 und auf 61,6 Prozent im Jahr 2016/17 gestiegen
(ACCORD-Bericht "Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018", Sitzung 82f, 90ff)
Arbeitsmarkt
Die Bevölkerung von Mazar-e Sharif liegt bei etwa 590.000 Einwohnern und steht angesichts seiner "starken und relativ diversifizierten Volkswirtschaften, einschließlich eines robusten Bau-, Verarbeitungs- und Dienstleistungssektors", "unter erheblichem Urbanisierungsdruck". Die relativ friedliche Situation in der Provinz Balkh im ersten Jahrzehnt nach dem Übergang ermöglichte einen wirtschaftlichen Aufschwung und einen "Wirtschaftsboom" nach 2004. Die Wirtschaftsleistung von Mazar-e Sharif hat viele Arbeitskräfte aus dem ländlichen Raum, aus benachbarten Bezirken, Provinzen und noch weiter entfernt angezogen. Eine Studie von Samuel Hall aus dem Jahr 2014 zur städtischen Armut ergab, dass die Stadt den mit Abstand größten Anteil an Wirtschaftsmigranten aller fünf Großstädte Afghanistans hatte. Durch die Anbindung an Zentralasien und die vorteilhafte zentrale Lage im Norden Afghanistans ist Mazar-e Sharif ein wichtiges Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan. Mazar-e Sharif ist auch ein Industriezentrum mit einer großen Anzahl von kleinen und mittleren Unternehmen und mehreren großen Produktionsunternehmen. Im Vergleich zu anderen Großstädten hat Mazar-e Sharif den größten Anteil an Selbstständigen, gefolgt von Angestellten und Tagelöhnern. Nach Angaben der afghanischen Regierung ist die KMU-Industrie in Mazar-e Sharif gut entwickelt und bietet Qaraqul-Haut, Kunsthandwerk und Teppiche. Auch Bergbau, Textilien und landwirtschaftliche Erzeugnisse gewinnen an Bedeutung. Die boomende städtische Wirtschaft von Mazar-e Sharif hat vielen Haushalten eine Quelle nichtlandwirtschaftlichen Einkommens gebracht, die jedoch seit etwa 2013 deutlich zurückgegangen ist. Dies ist auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen, vor allem auf den Rückgang der internationalen Finanzströme, der die Beschäftigung auf Militärstützpunkten und im Baugewerbe eingeschränkt hat. So verloren schätzungsweise 7.000 Menschen ihren Arbeitsplatz durch die Schließung von zwei Militärbasen in und um Mazar-e Sharif. Auch hier hat die Unsicherheit aufgrund der politischen Instabilität in der Regierung der Nationalen Einheit die Wirtschaft von Mazar-e Sharif beeinflusst. Geschäftsleute nahmen eine abwartende Haltung ein. Das Geschäftsklima in der Provinz Balkh ist seit der zweiten Jahreshälfte 2015 weitgehend negativ, hauptsächlich aufgrund von Sicherheitsfaktoren Während es keine formalen Wirtschaftsstatistiken gibt, gab es laut Analyst Paul Fishstein klare Indikatoren, dass Bau, Investitionen und Handel in Mazar-e Sharif rückläufig waren, wobei Gelegenheitsarbeiter weniger Arbeit und stagnierende oder niedrigere Löhne fanden. Diejenigen, die zur Gelegenheitsarbeit nach Mazar-e Sharif kommen, sind gegenüber denjenigen, die besser bekannt sind und ihre Netzwerke besser nutzen, um Arbeit zu finden, benachteiligt. Im Jahr 2013 lag die Arbeitslosenquote der Provinzen über dem nationalen Durchschnitt, während die Unterbeschäftigungsquote darunter lag. Laut einer Studie von Mercy Corps und Samuel Hall aus dem Jahr 2011 ist der wichtigste Rekrutierungskanal in Mazar-e Sharif, wie in anderen Städten, das soziale Netzwerk: 85 % der Werktätigen gaben an, durch Freunde oder Familienangehörige rekrutiert worden zu sein, entweder als Arbeitgeber oder als Arbeitnehmer. Nur 7 % der Mitarbeiter gaben an, einen formellen Arbeitsvertrag zu haben. Dies unterstreicht den informellen Charakter der Arbeitsbeziehungen in Afghanistan. Sie bestätigt auch die Annahme, dass es sich bei den meisten Unternehmen um Familienunternehmen handelt, bei denen kein Vertrag als notwendig erachtet wird. Die Gehälter in Mazar-e Sharif liegen nahe am Durchschnitt anderer nördlicher Städte. Laut Afghanistan Rights Monitor: Baseline Report vom April 2016 wird hier einheitlich behauptet, dass der Zugang zur Beschäftigung durch Korruption und Vetternwirtschaft stark beeinträchtigt wird. Bestechung ist eine Voraussetzung für die Aufnahme einer Beschäftigung, auch wenn ein Kandidat über die erforderlichen Qualifikationen verfügt. Es wird behauptet, dass gewöhnliche Regierungspositionen für bis zu 60.000 Afghanen verkauft werden.
Der Zugang zu Beschäftigung für Binnenvertriebene und Rückkehrer in Mazar-e Sharif
UNHCR erklärte 2017, dass sowohl Binnenvertriebene als auch Rückkehrer vor großen Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, sinnvolle Beschäftigungs- und Lebenschancen zu erhalten. Binnenvertriebene, die meist ehemalige Bauern sind und ihr Vieh und ihre Ernte an Ort und Stelle verloren haben, sind oft auf tägliche Lohnarbeit angewiesen. Diese Jobs sind in der Herbst- und Wintersaison begrenzter. Auch Rückkehrer sind meist auf tägliche Lohnarbeit angewiesen. Das durchschnittliche Tageseinkommen für Rückkehrer und Binnenvertriebene liegt zwischen 50 und 100 AFS.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.2.7., auf welchen insbesondere auch die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan "Versorgungslage Mazar-e Sharif im Zeitverlauf 2010-2018" vom 19.11.2018, Sitzung 33f sowie der ACCORD-Bericht "Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018", Sitzung 140ff verweist)
Der Arbeitsmarkt in Afghanistan ist herausfordernd und die Arbeitslosigkeit hoch. So wuchs in den Jahren 2016-2017 die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner).
Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen.
Auch für höher gebildete und höherqualifizierte Personen ist es, nach einer Quelle der UN schwierig, ohne ein Netzwerk Arbeit zu bekommen und ohne jemanden zu haben, welcher jemandem einem Arbeitgeber vorstellt. Afghanistan wird von Amnesty International als hochgradig korrupt beschrieben. Nepotismus ist weitverbreitet und die meisten höheren Positionen in der Verwaltung und Gesellschaft im Allgemeinen werden auf Grundlage von Beziehungen und früheren Bekanntschaften verteilt. Aus Sicht eines Arbeitgebers ist es sinnvoll jemanden aus seinem eigenen Netzwerk aufzunehmen, weil man genau weiß, was man bekommt. Wenn jemand aus der erweiterten Familie aufgenommen wird, so bleiben die Ressourcen im Familiennetzwerk. Eine Studie aus 2012 der ILO über Beschäftigungsmuster in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher einstufen als formale Qualifikationen und, dass dies der Schlüssel zur Sicherung von Beschäftigung wäre. Nach einer Analyse von Landinfo hat sich daran seit 2012 nichts geändert.
Nach der IOM gibt es lokale Webseiten, welche freie Stellen im öffentlichen und privaten Sektor ausweisen. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, ungeregelten Arbeitsmarkts. Der Arbeitsmarkt besteht hauptsächlich aus manueller Arbeit ohne die Anforderung für eine formale Ausbildung und gibt das niedrige Bildungsniveau wieder.
Eine lokale Botschaft beschreibt, wie Tagelöhner von der Straße angeworben werden.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 22. "Grundversorgung und Wirtschaft" sowie dem EASO-Bericht Netzwerke, Pkt. 4.1.)
In einem Gespräch zur Lage in Mazar-e Sharif führt UNHCR im November 2018 an, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt in Mazar-e Sharif sehr beschränkt sei. Es gebe nur sehr begrenzt formale Arbeitsplätze. Da die Aufnahmegemeinden hier mit den gleichen Problemen konfrontiert seien und den Vorrang beanspruchen würden, sei es für Binnenvertriebene und manche Rückkehrende noch schwieriger, Zugang zu Arbeitsplätzen zu erhalten. Darüber hinaus fehle es Binnenvertriebenen und Rückkehrenden häufig an den notwendigen Fähigkeiten für die Arbeitsplätze, die in den Gebieten, in die sie vertrieben wurden, verfügbar seien. Ganz generell sei der Arbeitsmarkt in einem sehr unzuverlässigen Zustand. An einem Tag verdiene man Geld und am nächsten habe man wiederum keine Arbeit. Im Sommer gebe es in der Regel mehr Beschäftigungsmöglichkeiten, aber durch die Dürre sei es auch im Sommer des Jahres 2018 in Mazar-e Sharif zu einem erhöhten Druck auf den Arbeitsmarkt gekommen.
(Auszug aus der Anfragebeantwortung von ACCORD zur Versorgungs- und Sicherheitslage von Dezember 2018, Sitzung 143 f)
Verdienstmöglichkeiten
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) veröffentlicht im November 2018 einen Datensatz, der neben den monatlichen Nahrungsmittelpreisen in Afghanistan auch den durchschnittlichen Tageslohn von ausgebildeten ("qualified labour") und nicht-ausgebildeten und nicht-landwirtschaftlichen Arbeitskräften ("non-qualified labour, non-agricultural") enthält. Für den Zeitraum von Jänner 2015 bis September 2018 beinhaltet der Datensatz monatliche Informationen für den Markt in Mazar-e Sharif. Den Daten zufolge sei der durchschnittliche Tageslohn einer ausgebildeten Arbeitskraft 2015 bei 618,75 Afghani und zwischen 2016 und 2018 konstant bei 600 Afghani gelegen. Der durchschnittliche Tageslohn einer unausgebildeten, nicht im landwirtschaftlichen Bereich tätigen Arbeitskraft sei 2015 und 2016 bei 246,88 bzw. 247,73 Afghani gelegen, 2017 auf 288,54 Afghani gestiegen und im laufenden Jahr 2018 auf 275,83 Afghani gesunken.
Die Höhe des Tageslohns einer ungebildeten Arbeitskraft habe im Jahr 2017 dem Preis für 5,8 kg Brot (oder 7,3 kg Reis oder 13,6 kg Weizen) entsprochen, während man 2018 für einen Tageslohn 5,5 kg Brot (oder 6,4 kg Reis oder 13,8 kg Weizen) kaufen könnte.
(Auszug aus der Anfragebeantwortung von ACCORD zur Versorgungs- und Sicherheitslage von Dezember 2018, Sitzung 163 f)
1.5.4. Meldesystem:
Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan. Ebenso wenig gibt es "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen, jedoch verfügen die lokalen Gemeinschaften über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick.
Das afghanische Bevölkerungsgesetz von 2014 beinhaltet u.a. Regelungen zur Bürgerregistrierung. Gemäß Artikel 9 des Gesetzes sollen nationale Personalausweise [Anm.: auch Tazkira genannt. Eine Tazkira gilt sowohl als Personenstandsregisterauszug als auch als Personalausweis] zum Zwecke des Identitätsnachweises und der Bevölkerungsregistrierung ausgestellt werden. Das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist jedoch kaum entwickelt. Ein Personenstandsregisterauszug (Tazkira) wird nur afghanischen Staatsangehörigen nach Registrierung und dadurch erfolgtem Nachweis der Abstammung von einem Afghanen ausgestellt. Er gilt sowohl als Nachweis für die Staatsangehörigkeit, sowie als Geburtsurkunde. In der Tazkira sind Informationen zu Vater und Großvater, jedoch nicht zur Mutter enthalten. Tazkiras können sowohl in der Hauptstadt Kabul als auch am jeweiligen Geburtsort, nicht jedoch von afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellt werden. Sie können jedoch über eine afghanische Auslandsvertretung beim afghanischen Innenministerium beantragt werden. Allein die Auslandsvertretungen im Iran haben Ausnahmeregeln und können eine Tazkira vor Ort ausstellen. Es gibt Pläne dafür, dieselben Befugnisse auch afghanischen Auslandsvertretungen in Pakistan zu erteilen. In der Regel erfolgt der Nachweis der Abstammung durch die Vorlage der Tazkira eines Verwandten 1. Grades oder durch Zeugenerklärungen in Afghanistan. Einer Quelle zufolge können Frauen Tazkiras und Pässe für sich und ihre Kinder ohne die Anwesenheit eines männlichen Zeugen beantragen. Eintragungen in der Tazkira sind oft ungenau. Geburtsdaten werden häufig lediglich in Form von "Alter im Jahr der Beantragung", z. B. "17 Jahre im Jahr 20xx" erfasst, genauere Geburtsdaten werden selten erfasst und wenn, dann meist geschätzt. Insgesamt sind in Afghanistan im Moment sechs Tazkira-Varianten im Umlauf. Die Vorlage einer Tazkira ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses. Es sind Fälle bekannt, in denen afghanische Auslandsvertretungen Reisepässe nach nur oberflächlicher Prüfung ausstellten, ohne Vorlage einer Tazkira und ggf. aufgrund der Aussage zweier Zeugen. Ein derart ausgestellter Reisepass stellt daher im Gegensatz zur Tazkira nur bedingt einen Nachweis der Staatsangehörigkeit dar. Nicht jeder afghanische Bürger besitzt eine Tazkira. Über die Einführung von elektronischen Personalausweisen, auch e-Tazkiras genannt, wurde lange Zeit diskutiert. Am 15.2.2018 beantragten Präsident Ghani, seine Ehefrau, Vizepräsident Muhammad Sarwar Danesh und weitere 200 Familien in Afghanistan die ersten elektronischen Personalausweise.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 20.1. "Meldewesen")
1.5.5. Bankensystem:
Geld kann über das Bankensystem überwiesen werden, aber nicht alle Afghanen haben ein Bankkonto. Dies gilt insbesondere für die ländliche Bevölkerung. Das Vertrauen der Bevölkerung in Banken und Bankensysteme ist gering.
Für diejenigen, welche das Bankensystem nicht nutzen können oder wollen kann Geld durch ein informelles Überweisungssystem überwiesen werden ("Hawala"). Dabei handelt es sich um ein etabliertes System für grenzüberschreitende Zahlungen und Geldüberweisungen, dem die Bevölkerung vertraut. Ein gewisser Prozentsatz der überwiesenen Summe wird als Gebühr einbehalten. Geld kann in alle Teile des Landes überwiesen werden, auch nach und von Nachbarstaaten, wie dem Iran und Pakistan.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem EASO-Bericht Netzwerke, Pkt. 4.3.)
1.5.6. Medizinische Versorgung:
Allgemeines
Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten. In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht, allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Die Qualität der Kliniken variiert stark, da es praktisch keine Qualitätskontrollen gibt. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung.
In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen, die vier häufigsten sind Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Mittlerweile existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt.
Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen. Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Da die Kosten von Behandlung in privaten Kliniken vom Patienten selbst getragen werden müssen ist die Qualität der Behandlungen stark einkommensabhängig.
In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 23. "Medizinische Versorgung")
1.5.7. Potentielle Risiken für den Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Afghanistan:
Situation für Rückkehrer aus dem Westen / Risiken aus einer "Verwestlichung"
Berichten zufolge werden Personen von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen, die vermeintlich Werte und/oder ein Erscheinungsbild angenommen haben, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden, und denen deshalb unterstellt wird, die Regierung und die internationale Gemeinschaft zu unterstützen. Es liegen Berichte über Personen vor, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten und von regierungsfeindlichen Gruppen als "Ausländer" oder vermeintliche für ein westliches Land tätige Spione gefoltert oder getötet wurden. Ähnlich kann Personen mit Profilen als "Mitarbeiter von humanitären Hilfs- und Entwicklungsorganisationen" und "Frauen im öffentlichen Leben" von regierungsfeindlichen Gruppen zur Last gelegt werden, Werte und/oder ein Erscheinungsbild übernommen zu haben, die mit westlichen Ländern in Zusammenhang gebracht werden. Auch aus diesem Grund können sie Opfer von Angriffen werden.
Generell kann gesagt werden, dass Afghanen, die sich mit westlichen Werten identifizieren, von aufständischen Gruppen angegriffen werden können, da sie als unislamisch oder regierungsfreundlich wahrgenommen werden können oder als Spione betrachtet werden können.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, HCR/EG/AFG/18/02 [abrufbar unter:
http://www.refworld.org/country,,,,AFG„5b8900109,0.html (abgerufen am 21.12.2018); in Folge: "UNHCR-Richtlinien"], Sitzung 46 f)
Generell kann gesagt werden, dass Afghanen, die sich mit westlichen Werten identifizieren, von aufständischen Gruppen angegriffen werden können, da sie als unislamisch oder regierungsfreundlich wahrgenommen werden können oder als Spione betrachtet werden können.
Für die Gesellschaft ist eine Unterscheidung nach der Einstellung gegenüber Männern einerseits und Frauen andererseits erforderlich. Afghanische Frauen und Kinder, die sich an die Freiheiten und die Unabhängigkeit im Westen gewöhnt haben, können Schwierigkeiten haben, sich an die sozialen Restriktionen in Afghanistan anzupassen. Frauen können auch als "verwestlicht" angesehen werden, wenn sie außerhalb des Hauses arbeiten oder eine höhere Ausbildung haben. Frauen, die als "verwestlicht" wahrgenommen werden, können als gegen kulturelle, soziale und religiöse Normen verstoßend empfunden werden und können Gewalt von ihrer Familie, konservativen Elementen in der Gesellschaft und Aufständischen ausgesetzt sein.
Bei den Männern sind die gesellschaftlichen Haltungen gegenüber "verwestlichten" Individuen gemischt. Es werden nur sehr wenige Fälle von Vorfällen im Zusammenhang mit der "Verwestlichung" gemeldet. Teile der Gesellschaft, meist in Städten (z.B. Kabul-Stadt), sind offen für westliche Ansichten, während andere Teile, meist in ländlichen oder konservativen Umgebungen, dagegen sind.
(Auszug aus dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Juni 2018, Sitzung 57 mit dortigen Hinweisen auf weitere Berichte dieser Organisation)
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person:
2.1.1. Der Beschwerdeführer hat während des verwaltungsbehördlichen Verfahrens sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu seinem Namen, seiner Staatsangehörigkeit, Herkunft, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seinen sonstigen persönlichen Umständen (insbesondere zu seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeiten; s. Pkt. römisch II.1.1.1., römisch II.1.1.2. und römisch II.1.1.4.) stets gleiche und zusammenhängende Angaben gemacht. Die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari wurde von der bestellten Dolmetscherin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. In der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer in nicht als unglaubwürdig zu erkennender Weise angegeben, dass er auch Paschtu, Urdu, Farsi, Englisch und Deutsch spreche und mit Ausnahmen der Sprachen Urdu und Farsi auch Lese- und Schreibkenntnisse in diesen Sprachen besitze.
2.1.2. Die Feststellungen zum Geburtsdatum beruhen auf der im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens durchgeführten Altersdiagnostik (s. insbesondere die Verfahrensanordnung vom 15.06.2016 im Verfahrensakt des Beschwerdeführers).
2.1.3. Die Feststellungen zur familiären Herkunft des Beschwerdeführers sowie zu dessen derzeitiger Wohn-, Versorgungs- und Vermögenssituation ergeben sich aus den diesbezüglichen als glaubhaft zu beurteilenden Aussagen im Rahmen der behördlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. Pkt. römisch II.1.1.3., Sitzung 4 bis 8 der behördlichen Einvernahme im Verfahrensakt des Beschwerdeführers und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht [in Folge: "VHS"] Sitzung 6 bis 8 sowie die Beilage ./1 zur VHS).
2.1.4. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine Probleme mit den afghanischen Behörden hatte ergibt sich aus seinen nicht als unglaubwürdig zu erkennenden Angaben vor der belangten Behörde (s. S 10 der behördlichen Einvernahme im Verfahrensakt des Beschwerdeführers).
2.1.5. Die Feststellungen zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat sowie zur Antragstellung in Österreich ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, dem erkennenden Gericht sowie dem Verfahrensakt.
2.2. Zu den Feststellungen zum individuellen Fluchtvorbringen:
2.2.1. Hinsichtlich des fluchtauslösenden Ereignisses - s. dazu auch die in der rechtlichen Beurteilung dargestellten, der Rechtsprechung zu entnehmenden Grundsätze der Beweiswürdigung in Asylverfahren (s. Pkt. römisch II.3.2. Abschnitt zur "Glaubhaftmachung") - hat der Asylwerber, um dieses glaubhaft zu machen, insbesondere die in seiner Sphäre gelegenen Umstände einigermaßen plausibel und genügend substantiiert zu schildern, weiters muss - wobei es darauf ankommt, ob Aussagen in unwesentlichen Details oder im Kern variieren - das Vorbringen, um glaubwürdig zu sein, in sich schlüssig sein. Von Bedeutung ist für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit auch, wann im Verfahren der Asylwerber bestimmte Angaben tätigt. Zu berücksichtigen ist schließlich immer auch die persönliche Glaubwürdigkeit des Asylwerbers an sich. Vor diesem Hintergrund ist betreffend den gegenständlichen Fall, auch nach dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnenen persönlichen Eindrucks, Folgendes zu erwägen:
2.2.2. Gegenständlich brachte der Beschwerdeführer zu seinem individuellen Fluchtvorbringen befragt im Wesentlichen vor, dass er aufgrund der Sicherheitslage mit seiner Familie von Baghlan in die Stadt Kabul gezogen sei. Dort habe er in einem Handygeschäft gearbeitet und Musik auf Mobiltelefonen installiert. Eines Tages, er sei arbeiten gewesen, hätten bewaffnete Männer versucht ihn zu entführen. Zu welcher Gruppierung diese gehört hätten, wisse er nicht. Der Inhaber des Handygeschäftes, "Shukur" - welcher gleichzeitig auch ein Freund des Vaters des Beschwerdeführers gewesen sei - habe mit diesen Männern deswegen gestritten und diese hätten "Shukur" schließlich in den Kopf geschossen. Der Beschwerdeführer sei nach Hause geflüchtet und schließlich zehn Tage später aus Afghanistan ausgereist. Dieses Vorbringen zum fluchtauslösenden Ereignis hält das erkennende Gericht nach den dem Paragraph 18, Absatz eins, AsylG 2005 entsprechenden Ermittlungsschritten im verwaltungsbehördlichen wie verwaltungsgerichtlichen Verfahren - insbesondere durch eine ausführliche Befragung des Beschwerdeführers - aus folgenden Erwägungen nicht für glaubwürdig:
2.2.3. So gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung zum Grund für seine Flucht befragt an, dass er Afghanistan verlassen habe, weil sein Vater von den Taliban bedroht worden sei. Diese hätten von der Familie des Beschwerdeführers unterstützt werden wollen. Afghanistan habe er aufgrund der Sicherheitslage verlassen und weil er Angst gehabt habe, entführt und zwangsrekrutiert zu werden. Als Befürchtung im Fall der Rückkehr führte der Beschwerdeführer lediglich allgemein gehalten aus, dass er Angst um sein Leben habe (s. Sitzung 5 der Erstbefragung im Verfahrensakt des Beschwerdeführers). Dazu ist zunächst anzumerken, dass der Beschwerdeführer eingangs in der mündlichen Verhandlung Verständigungsprobleme mit den Dolmetschern im gesamten Asylverfahren verneint hat, er führte lediglich aus, dass bei der Erstbefragung ausschließlich der Name seiner Schwester nicht protokolliert worden sei, was er jedoch bereits vor der belangten Behörde berichtigt habe (s. VHS Sitzung 3 bzw. Sitzung 2 der Einvernahme vor der belangten Behörde im Verfahrensakt des Beschwerdeführers). Auch gab er an, dass ihm alle Protokolle ordnungsgemäß rückübersetzt worden seien. Auch in seiner behördlichen Einvernahme führte er eben aus, dass ihm das Protokoll der Erstbefragung rückübersetzt und - mit Ausnahme des bereits angeführten Fehlers hinsichtlich der Schwester des Beschwerdeführers - korrekt protokolliert worden sei. Aus diesen Ausführungen, wie auch aus der Niederschrift der Erstbefragung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer jedenfalls Gelegenheit hatte seinen Fluchtgrund - wenn auch kurz zusammengefasst - zu schildern. In der mündlichen Verhandlung entstand für den erkennenden Richter der Eindruck, dass der Beschwerdeführer ein überaus intelligenter junger Mann ist (zur evidenten Bedeutung des persönlichen Eindrucks s. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs vom 24.06.1999, Zl. 98/20/0435, oder vom 20.05.1999, Zl. 98/20/0505). Der Beschwerdeführer wurde am Anfang seiner Erstbefragung auch darüber aufgeklärt, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen und er wurde auf seine Mitwirkungspflichten sowie die nachteiligen Folgen von unwahren Aussagen aufmerksam gemacht.
Das erkennende Gericht übersieht hier insbesondere nicht, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erstbefragung noch minderjährig war. Er war jedoch bereits 15 Jahre alt, gesund, und verfügte über eine mindestens zehnjährige Schulbildung, wobei er eine Schulklasse sogar überspringen konnte. Dass ein gesunder, vernunftbegabter, überaus intelligenter junger Mensch, der seinen Herkunftsstaat auf Grund einer maßgeblichen, aktuellen persönlichen Bedrohung - nämlich eines Entführungsversuches - durch eine Gruppierung von bewaffneten Männern sowie der - in seinem Beisein stattgefundenen - Ermordung seines Arbeitgebers verlassen hat, in vollem Bewusstsein der Konsequenzen, nicht von sich aus die wahren Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates darlegt, ist denklogisch nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist zu erwarten, dass gerade der bereits in der Vergangenheit liegende Entführungsversuch, mit welchem auch die Ermordung seines Arbeitgebers einherging, genannt wird und nicht allgemein gehalten eine Angst vor möglichen Entführungen und einer Zwangsrekrutierung vorgebracht wird.
Das Bundesverwaltungsgericht übersieht i.d.Z. nicht, dass gemäß Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen hat (dazu etwa VfGH 27.06.2012, U98/12 und vergleiche VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0334, m. w.N.). Doch geht auch der Formularvordruck davon aus, dass auf "ca." einer "halben" A4 Seite die "6W" (also: "Wer", "Wann", "Was", "Wo", "Wie" und "Wieso") abgedeckt werden. Jedenfalls normiert Paragraph 19, Absatz eins, leg. cit. kein (vollständiges) Beweisverwertungsverbot. Sowohl die belangte Behörde wie auch das Bundesverwaltungsgericht können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung - insbesondere, wie gegenständlich geschehen, nach fallbezogener Abklärung und mündlicher Verhandlung - in ihre Beurteilung, wenngleich nur in beschränktem Umfang, miteinbeziehen.
Aus diesen Überlegungen lassen sich auch die im Rahmen der Erstbefragung getätigten Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund und die daraus zu späteren Aussagen deutlich erkennbaren Inkonsistenzen fallbezogen - und neben anderen Umständen - aus Sicht des erkennenden Gerichts beweiswürdigend (mit-)verwerten.
2.2.4. Gegen die Glaubwürdigkeit des vorgebrachten fluchtauslösenden Ereignisses sprechen weiters auch noch folgende Umstände:
Im Widerspruch zu seiner Erstbefragung - und der Beschwerde, wobei er in dieser diesbezüglich ein vollkommen unsubstantiiert Vorbringen erstattet (s. deren Sitzung 3) - brachte der Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde, noch im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass er in Afghanistan der Gefahr zwangsweise rekrutiert zu werden unterliegen würde. Auch die im Rahmen der Erstbefragung getätigte Aussage, dass der Vater des Beschwerdeführers von den Taliban bedroht worden sei, und die Familie aufgrund dessen von Baghlan nach Kabul geflüchtet wäre, widerholte der Beschwerdeführer in dieser Form in keinem weiteren Verfahrensstadium und stellt sich dementsprechend für das erkennende Gericht auch nicht als glaubwürdig dar. Denn der Beschwerdeführer gibt in weiterer Folge vielmehr allgemein gehalten an, dass die Familie aufgrund der Sicherheitslage von Baghlan nach Kabul gezogen wäre, weil die Taliban angegriffen hätten. Eine konkret die Familie des Beschwerdeführers betreffende Bedrohung durch die Taliban wurde von diesem jedoch nicht mehr vorgebracht (s. S 7 und 8 der behördlichen Einvernahme im Verfahrensakt des Beschwerdeführers). Auch betreffend seine angebliche Entführung nennt der Beschwerdeführer hiefür nicht die Taliban als maßgebliche Akteure, sondern führt lediglich an, dass es sich um bewaffnete Männer gehandelt hätte, er jedoch nicht wisse, zu welcher Gruppierung diese gehören würden (s. die behördliche Einvernahme Sitzung 8 und 9).
Gegen die Glaubwürdigkeit des fluchtauslösenden Ereignisses spricht weiters auch, dass der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde angab, dass die Familie eine Woche vor der Einvernahme - sohin ungefähr Ende Februar 2017 - wieder in die Heimatprovinz gezogen sei. Als Grund für die Rückkehr nannte er die Ermordung des Freundes seines Vaters, welcher auch der Arbeitgeber des Beschwerdeführers gewesen sei, in Kabul. Aufgrund dessen nochmals zum Todeszeitpunkt dieses Freundes befragt, führte der Beschwerdeführer an, dass dieser zehn Tage vor seiner Flucht aus Afghanistan bereits ermordet worden sei (s. Sitzung 5 der behördlichen Einvernahme im Verfahrensakt des Beschwerdeführers). Da der Beschwerdeführer Afghanistan jedoch bereits im Dezember 2016 verlassen hat, erscheint es für das Bundesverwaltungsgericht nicht plausibel, dass die Familie deswegen nunmehr im Februar 2017 - also über ein Jahr nach der Ermordung von "Shukur" - wieder nach Baghlan zurückkehrt.
Da der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde überdies angab, Afghanistan verlassen zu haben, um ein besseres Leben zu haben (s. Sitzung 10 der Einvernahme vor der belangten Behörde im Verfahrensakt des Beschwerdeführers) und vom erkennenden Richter zu seinen Befürchtungen bei Rückkehr nach Afghanistan befragt, lediglich auf die Sicherheitslage in Afghanistan verwies (s. VHS Sitzung 11), stehen auch diese Aussagen der Glaubwürdigkeit seiner Fluchtgründe entgegen.
Nicht zuletzt erscheint es dem erkennenden Gericht auch als nicht denklogisch nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer - insbesondere vor dem Hintergrund seiner langjährigen Schulbildung - sein Fluchtvorbringen nicht durch nähere Datumsangaben konkretisieren kann. So schildert er lediglich, dass bewaffnete Männer ihn "eines Tages" entführen hätten wollen, und er "ein paar Tage" zu Hause gewesen sei vergleiche Sitzung 8 der Einvernahme vor der belangten Behörde im Verfahrensakt des Beschwerdeführers und VHS Sitzung 11).
2.2.5. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass es sich bei diesem Vorfall - dem Entführungsversuch des Beschwerdeführers und der Ermordung von "Shukur" um eine wahre Begebenheit gehandelt hat, lässt sich aus der Darstellung durch den Beschwerdeführer - immer wieder seien Jungen, die am Bazar gearbeitet hätten durch bewaffnete Männer entführt worden (s. Sitzung 8 der behördlichen Einvernahme im Verfahrensakt des Beschwerdeführers) aber ableiten, dass es sich dabei lediglich um einen willkürlichen Übergriff gehandelt hat, der nicht gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichtet war, sondern ihn bloß zufällig getroffen hat.
2.2.6. Aufgrund einer Gesamtbetrachtung all dieser Umstände - insbesondere der Widersprüche im nicht bloß irrelevanten Ausmaß und der Inkonsistenz von Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben- hält das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen bzw. die Angaben zum fluchtauslösenden Ereignis nicht für glaubwürdig und es waren daher nach Durchführung dem Paragraph 18, Absatz eins, AsylG 2005 entsprechender Ermittlungsmaßnahmen dazu entsprechend negative Feststellungen zu treffen (dazu u.a. VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0060, Rz. 10).
2.3. Zu den Feststellungen zum Leben in Österreich:
2.3.1. Die Feststellungen zum Leben in Österreich (betreffend eigene Familienangehörige oder Verwandte in Österreich, Beziehungen zu anderen Österreichern und Afghanen, Erlernen der deutschen Sprache, Erwerbstätigkeiten, Lebensunterhalt, ehrenamtliche Tätigkeiten sowie sonstige Aktivitäten) folgen aus den klar geäußerten und widerspruchsfrei gebliebenen Angaben zu den Fragen des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung sowie einer Reihe vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit sich das erkennende Gericht nicht zu zweifeln veranlasst sah (s. das der VHS angeschlossene Konvolut an Urkunden sowie die der Einvernahme angeschlossenen Beilagen im Verwaltungsakt des Beschwerdeführers und insbesondere die Schriftsätze vom 31.08.2018, 14.11.2018 sowie 11.01.2019) Vom festgestellten erlangten Niveau der deutschen Sprache konnte der erkennende Richter sich in der mündlichen Verhandlung persönlich überzeugen.
2.3.2. Die Feststellung, wie er von seinem sozialen Umfeld wahrgenommen wird gründen ebenfalls auf den in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht vorgelegten Urkunden (s. das Beilagenkonvolut zur VHS). Auch bei diesen Urkunden sah sich das erkennende Gericht nicht veranlasst, an deren Echtheit und Richtigkeit zu zweifeln.
2.3.3. Die Feststellungen zur Unbescholtenheit ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Beschwerdeführers sowie einer Einsicht in das Strafregister.
2.4. Zu den Feststellungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers bei Rückkehr nach Afghanistan:
2.4.1. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan in geringem Ausmaß durch seine Familie, welche nach wie vor ihm Heimatdorf des Beschwerdeführers lebt, - übergangsweise und in geringem Umfang - finanziell unterstützt werden könnte, ergibt sich zunächst aus den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan: So ist die Gesellschaft der Hazara traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie (s. oben Pkt. römisch II.1.5.7.). Soweit es um Überweisung von Geldmittel geht, gibt es in Afghanistan - d.h. sodann auch in der Stadt Mazar-e Sharif - ein funktionierendes Bankenwesen, einschließlich der Möglichkeit, etwa Western Union zu nutzen (dazu oben Pkt. römisch II.1.5.5.).
2.4.2. Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sein Vater als Taxilenker arbeitet und mit diesem Einkommen auch grundsätzlich in der Lage ist, die Familie zu versorgen (s. VHS Sitzung 7). Es wird daher zwar nicht verkannt, dass der Vater des Beschwerdeführers noch weitere Personen zu versorgen hätte, allerding kann durch dessen Tätigkeit - auch unter Berücksichtigung, dass dieser bei Krankheit nicht arbeiten kann - darauf geschlossen werden, dass die Möglichkeit einer, zumindest geringfügigen, finanziellen Unterstützung während der ersten Zeit nach der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan besteht.
2.4.3. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rückkehrunterstützungen ergibt sich aus der Anfragebeantwortung "Sozialleistungen für Rückkehrer" der Staatendokumentation von Februar 2018. Die Informationen sind aktuell und schlüssig und blieben als solches vom Beschwerdeführer unbestritten.
2.5. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
2.5.1. Die Feststellungen zur Allgemeinen Lage in Afghanistan (Pkt. römisch II.1.5.1, allgemeine Sicherheits-, Grundversorgungs- und Wirtschaftslage, regierungsfeindliche Gruppierungen, Rechtsschutz und Justizwesen, Sicherheitsbehörden, Folter und unmenschliche Behandlung, Binnenflüchtlinge), zur Lage in der Stadt Mazar-e Sharif (Pkt. römisch II.1.5.3.) - siehe aber auch nachstehend zu anderen herangezogenen Quellen -, im Hinblick auf die Erreichbarkeit von Österreich, Sicherheitslage und wirtschaftlicher Lage durch bzw. für Rückkehrer (einschließlich Arbeitsmarkt), zum Meldesystem (Pkt. römisch II.1.5.4.) und zur medizinischen Versorgung (Pkt. römisch II.1.5.6.) sowie die Feststellungen zur Lage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers bzw. in dessen Heimatdistrikt (Pkt. römisch II.1.5.2.) stützen sich auf das im Entscheidungszeitpunkt hinreichend aktuelle (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018), nachvollziehbare und schlüssige, von der Staatendokumentation der belangten Behörde zusammengestellte Länderinformationsblatt zu Afghanistan. Ein entsprechender Beweiswert dieser Informationen ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht schon daraus, dass aufgrund von Paragraph 5, Absatz 2, BFA-Einrichtungsgesetz vorgesehen ist, dass die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (als allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind. Die Dokumentation ist weiters in Bezug auf Fakten, die nicht oder nicht mehr den Tatsachen entsprechen, zu berichtigen. Eine allenfalls auf diese Tatsachen aufbauende Analyse ist schließlich richtig zu stellen. Soweit dem LIB Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass die Informationen über die Lage im Herkunftsstaat regelmäßig aktualisiert werden und jene Informationen, die nicht durch neue Berichte ersetzt werden, mangels einer maßgeblichen Änderung der Sachlage nach wie vor relevant für die Lagebeurteilung im Herkunftsstaat sind. Das LIB als solches blieb vom Beschwerdeführer im Verfahren unbestritten.
2.5.2. Andererseits gründen die soeben genannten Feststellungen, insbesondere zum Bankensystem (Pkt. römisch II.1.5.5.), auf den aktuellen, nachvollziehbaren und schlüssigen Informationsberichten des EU-Unterstützungsbüros für Asylfragen "EASO" zu sozioökonomischen Schlüsselindikatoren, staatlichem Schutz und Mobilität in Kabul, Mazar-e Sharif, und Herat von August 2017 sowie zu Netzwerken in Afghanistan von Jänner 2018. Ein entsprechender Beweiswert dieser Informationen ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht auch daraus, dass diese Einrichtung gemäß Artikel 4, Litera a und b der EU-Verordnung Nr. 439/2010 relevante, zuverlässige, genaue und aktuelle Informationen über Herkunftsländer transparent und unparteiisch sammelt und darüber Bericht erstattet. Überdies nennt die EU-Richtlinie 2013/32/EU (konkret: deren Artikel 10, Absatz 3, Litera b,) gerade die Berichte des Unterstützungsbüros als zu verwendende Informationsquelle. Die Berichte als solches blieben vom Beschwerdeführer im Verfahren unbestritten.
2.5.3. Die Feststellungen betreffend die Situation in der Stadt Mazar-e Sharif und die dortige Sicherheitslage, die Versorgung mit Lebensmitteln, den Wohnungs- und Arbeitsmarkt, die sanitäre Situation und die Erreichbarkeit von Österreich beruhen (auch) auf den erwähnten Berichten von EASO zu sozioökonomischen Schlüsselindikatoren, Sicherheitslage, Netzwerken, den auf andere Quellen dieser Organisation verweisenden EASO-Länderleitfaden Afghanistan sowie dem ACCORD-Bericht "Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018", welcher auf die soeben genannten Berichte verweist und darauf aufbauend Schlussfolgerungen zieht. Des Weiteren beruhen die getroffenen Feststellungen auch auf den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Afghanistan "Versorgungslage Mazar-e Sharif im Zeitverlauf 2010-2018" vom 19.11.2018, und "Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre" vom 13.09.2018. Die jeweils darin enthaltenen und auch festgestellten Informationen konnten - abgesehen von der Detailschärfe - widerspruchsfrei miteinander kombiniert werden.
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 04.01.2019 Sitzung 3) auf andere Quellen zur Sicherheitslage verweist, so stellen sich diese entweder zur Feststellung eines Gesamtbilds als veraltet (2013 bzw. 2016) dar oder entsprechen ohnedies dem festgestellten Lagebild.
2.5.4. Die Feststellungen zu einem möglichen Risiko wegen einer Verwestlichung ("westliche Orientierung") bzw. als Rückkehrer aus dem Westen im Allgemeinen beruhen auf den UNHCR-Richtlinien - auf welche auch der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 07.09.2018 verweist - und einem Bericht sowie dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan. Die jeweiligen Ausführungen waren ausreichend aktuell und schlüssig und blieben als solches unbestritten. Die Informationen von EASO ließen sich auch mit den UNHCR-Richtlinien ohne Widerspruch kombinieren.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheids (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz)
3.1. Rechtsgrundlagen:
3.1.1. "Flüchtling" i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (in Folge: "GFK") ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.1.2. Die Paragraphen 3 und 11 AsylG 2005 lauten samt Überschrift:
"Status des Asylberechtigten
Paragraph 3, (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat."
"Innerstaatliche Fluchtalternative
Paragraph 11, (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins,) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."
3.1.3. Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 9, i.V.m. Ziffer 11, AsylG 2005 ist "Verfolgung" jede Verfolgungshandlung i.S.d. Artikel 9, der EU-Richtlinie 2011/95/EU (in Folge: "Statusrichtlinie").
Gemäß Artikel 9, Absatz eins, Statusrichtlinie muss eine Handlung um als "Verfolgung" im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A GFK zu gelten,
a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15, Absatz 2, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in Folge: "EMRK") keine Abweichung zulässig ist, oder
b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a) beschriebenen Weise betroffen ist.
3.1.4. Als "Verfolgung" im Sinne von Artikel 9, Absatz eins, leg. cit. können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und
f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
3.1.5. Paragraph 18, Absatz eins und 3 AsylG 2005 lautet:
"§ 18. (1) Das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
(2) [...]
(3) Im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers ist auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen."
3.1.6. Gemäß Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 ist ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen.
3.2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:
3.2.1. Bei der Beurteilung, ob eine asylrelevante Verfolgung als glaubhaft gemacht zu betrachten ist sind folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:
3.2.2. Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074, m.w.N.).
3.2.3. Auch aus einer Mehrzahl allein jeweils nicht ausreichender Umstände im Einzelfall kann sich bei einer Gesamtschau die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem oder mehreren von asylrelevanten Gründen ergeben vergleiche dazu VwGH 26.06.1996, 95/20/0423).
3.2.4. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).
3.2.5. Die Verfolgungsgefahr muss auch aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass eine Person bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Es ist entscheidend, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen gerechnet werden muss vergleiche aktuell VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212, m.w.N.).
3.2.6. Die Gefahr der Verfolgung i.S.d. Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 i.V.m. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Verfolgungshandlungen gegen Verwandte können nur dann eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung bilden, wenn auf Grund der im Verwaltungsverfahren glaubhaft dargelegten konkreten Situation davon ausgegangen werden muss, dass gegen ein Familienmitglied gesetzte oder von diesem zu befürchtende Verfolgungshandlungen auch zu - die Intensität asylrechtlich relevanter Verfolgungshandlungen erreichenden - Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werden (VwGH 07.09.2000, 2000/01/0153).
3.2.7. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe vergleiche VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet. Schutz für Angehörige einer verfolgten Gruppe ist unabhängig davon, ob auch andere Gruppen in vergleichbarer Intensität verfolgt werden, zu gewähren vergleiche VfGH vom 18. September 2015, E 736/2014).
3.2.8. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.02.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt -asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche zuletzt VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).
3.2.9. Eine auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung kann keinem der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründe zugeordnet werden. Dies bedeutet aber nicht, dass in einer solchen Situation einem Begehren auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten keinesfalls Erfolg beschieden sein kann. Es kommt nämlich entscheidend auch darauf an, auf welche Ursachen allenfalls fehlender staatlicher Schutz zurückzuführen ist. Ist der Heimatstaat des Beschwerdeführers aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen nicht bereit, Schutz zu gewähren, käme einer primär kriminell motivierten Verfolgung nämlich asylrelevanter Charakter zu vergleiche VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059).
3.2.10. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können positive Feststellungen von der Behörde nicht getroffen werden vergleiche VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069, Rz. 16). Als glaubwürdig können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen vergleiche VwGH 06.03.1996, 95/20/0650). Es entspricht auch der Lebenserfahrung, dass die von einem Beschuldigten bei der ersten Vernehmung gemachten Angaben (erfahrungsgemäß) der Wahrheit am nächsten kommen vergleiche VwGH 26.01.1996, 95/02/0289; zur Plausibilität s. VwGH 29.06.2000, 2000/01/0093; zu gehäuften und eklatanten Widersprüchen oder fehlendem Allgemein- und Detailwissen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0544, und vom 22.02.2001, Zl. 2000/20/0461). Beweisergebnisse der Erstbefragung nach Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 - diese dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen - dürfen jedoch nicht unreflektiert bzw. ohne Berücksichtigung deren eingeschränkten Zwecks - insbesondere nicht ohne weitere Ermittlungen und ohne mündliche Verhandlung - verwertet werden vergleiche dazu VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061, Rz. 3.2. m.w.N.). Die Asylbehörden haben in der Beweiswürdigung den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0108, Rz. römisch III.4., m.w.N.).
3.2.11. Daraus folgt für den gegenständlichen Fall:
3.2.1. Zur möglichen Verfolgung des Beschwerdeführers wegen der Rückkehr aus Europa und einer damit zusammenhängenden "Verwestlichung" (bzw. "westlichen Einstellung" oder "westlichen Orientierung"):
3.2.1.1. Zu dem erstmals in der Beschwerde (s. deren Sitzung 3 und 4) und weiterführend auch in der Stellungnahme vom 07.09.2018 (s. deren Sitzung 2) ohne näheres Tatsachensubstrat erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, er wäre nicht vor Verfolgungshandlungen geschützt, denen "westlich-orientierte" Menschen ausgesetzt sind, ist Folgendes zu erwägen:
3.2.1.2. Im Hinblick auf ein solches Vorbringen ist zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung einer bestimmten Lebensweise bzw. eines bestimmten Lebensstils, welcher bereits als wesentlicher Bestandteil der Identität anzusehen ist, bei Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würde und es eine Verfolgung bedeuten würde, diese zu unterdrücken vergleiche dazu VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329, Rz. 12).
Der Beschwerdeführer führte i.d.Z. in seiner Beschwerde lediglich allgemein gehalten aus, dass Rückkehrer aus dem Westen im "Visier der Taliban" stünden. Welche als "westlich" erachteten Verhaltensweisen (bzw. daraus abzuleitenden und allenfalls festzustellende Lebensweise / Lebensstil) er sich selbst konkret angeeignet hätte, brachte er jedoch nicht vor. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer gefragt nach Befürchtungen bei der Rückkehr nur allgemein gehalten an, dass die Sicherheitslage täglich schlechter werde, es täglich Explosionen und Selbstmordanschläge gebe und er Angst habe, dort umgebracht zu werden (s. VHS Sitzung 11).
3.2.1.3. Hinsichtlich der geltend gemachten westlichen Orientierung ist des Weiteren hervorzuheben, dass es nach dem den festgestellten Länderinformationen zu entnehmenden Gesamtbild- worauf auch der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme verweist - (auch) bei einer Rückkehr von Männern aus Europa bzw. aus dem Westen in Afghanistan zu vereinzelten Verfolgungshandlungen durch die Gesellschaft und regierungsfeindliche Elemente kommen kann (s. oben Pkt. römisch II.1.5.7. bzw. die dort genannten Ausführungen aus Quellen von UNHCR sowie EASO). Während die UNHCR-Richtlinien auf ein Verfolgungsrisiko insbesondere durch regierungsfeindliche Elemente hinweisen sieht EASO - wenngleich eine, von besonderen Umständen abhängige Möglichkeit für eine Verfolgung grundsätzlich bejaht wird (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 19) - das Risiko für Männer - abhängig von "risikoverstärkenden" (risk-enhancing) Umständen des Einzelfalls - im Gegensatz zu Frauen grundsätzlich als minimal an. Als relevante und zu beachtende Umstände werden von EASO i.d.Z. u.a. neben dem Geschlecht bestimmte angenommene Verhaltensweisen, die Herkunftsregion, eine konservative Umgebung, die Familie, das Alter und die Auffälligkeit genannt (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, s. Sitzung 19 und 57).
3.2.1.4. Hinsichtlich im Schriftsatz vom 14.11.2018 angeführten Interviews, welches der Beschwerdeführer im Oktober 2018 für den australischen Nachrichtensender "SBS-NEWS" gab und welches auch online (s. oben unter Pkt. 1.3) abrufbar ist, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in diesem im Wesentlichen von seinem Asylverfahren (und daraus wahrgenommenen Belastungen) und seinen Rückkehrbefürchtungen spricht. Konkrete Verhaltensweisen, die auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit "Verwestlichung" schließen lassen würden, sind auch aus diesem nicht zu erkennen. Überdies ist nicht zu erkennen, dass dieses Video auch in Afghanistan präsent wird.
3.2.1.5. Besondere Umstände, wie bestimmte - verinnerlichte - Verhaltensweisen oder Auffälligkeiten des Beschwerdeführers, welche - auch in der kumulierenden Betrachtung - in Gegenüberstellung mit den getroffenen Feststellungen auf Verfolgungshandlungen schließen lassen würden, sind gegenständlich nicht hervorgekommen. Auf solche Umstände ist auch nicht aus den getroffenen Feststellungen zum Leben in Österreich bzw. daraus abzuleitenden Lebensweise zu schließen.
3.2.1.6. Nach dem den festgestellten Länderinformationen zu entnehmenden Gesamtbild kann es (auch) bei einer Rückkehr von Männern aus Europa bzw. aus dem Westen in Afghanistan zu vereinzelten Verfolgungshandlungen durch die Gesellschaft und regierungsfeindliche Elemente kommen. Aus den Feststellungen zur maßgeblichen Lage in Afghanistan vergleiche insbesondere Pkt. römisch II.1.5.7. "Situation für Rückkehrer aus dem Westen" bzw. die dort genannten Ausführungen aus Quellen von UNHCR sowie EASO) ist jedoch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Bild dahingehend ableitbar, dass bei Gesamtbetrachtung die Tatsache der Rückkehr nach einigen Jahren im Westen oder eine "westliche" Geisteshaltung bei Männern allein nach Art und Häufigkeit (dazu VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031) eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgungshandlungen in asylrelevanter Intensität auslösen würde. Dies gilt insbesondere für eine Rückkehr in (bzw. Neuansiedlung in) - liberaleren - städtischen Regionen, wie gegenständlich die als möglicher Rückkehrort angenommene Stadt Mazar-e Sharif (s. dazu unten Pkt. römisch II.3.4.2.). Überdies ist darauf hinzuweisen, dass diese Stadt unter vollständiger Kontrolle der Regierung steht und regierungsfeindliche Gruppierungen - von bestimmten wiederkehrenden Anschlägen abgesehen - keinerlei maßgeblichen Einfluss haben. Damit scheidet auch eine aktuelle Gefahr des Beschwerdeführers von Gewalthandlungen durch diese Gruppierungen wegen dessen Rückkehr aus Europa und einer vermeintlich unterstellten "antiislamischen" Einstellung (s. das Vorbringen auf Sitzung 3 der Beschwerde i.Z.m. der Tätigkeit des Beschwerdeführers in Kabul, bei der dieser Musikdaten auf Mobiltelefonen speicherte) aus.
3.2.1.7. Auch mit dem Vorbringen zu einer möglichen Gefahr von Handlungen oder Maßnahmen als Rückkehrer aus dem Westen generell bzw. einer (unterstellten) "westlichen Einstellung" macht der Beschwerdeführer somit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine die Intensität von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK erreichende Verfolgung bei Rückkehr nach Afghanistan glaubhaft; dies weder in Ansehung individueller sowie genereller Umstände.
3.2.2. Sonstige mögliche asylrelevante Gründe:
3.2.2.1. Selbst wenn man den vorgebrachten "Entführungsversuch" vor dem Handyshop in Kabul für eine wahre Tatsache halten sollte, ist diesbezüglich - mangels weiterer bei entsprechender Ermittlungstätigkeit hervorgekommener Anhaltspunkte - nicht von einer Asylrelevanz auszugehen, sondern von einer allfälligen Privatverfolgung. Diese wäre aber - Hinweise etwa auf eine Verfolgung als Mitglied einer sozialen Gruppe liegen nicht vor - nur dann asylrelevant, wenn der afghanische Staat dem Beschwerdeführer aus den Gründen von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nicht gewährt (etwa VwGH 23.11.2006, 2005/20/0406). Ein solcher Umstand erschließt sich aus den getroffenen Länderfeststellungen zu den staatlichen Behörden (s. oben unter Pkt. römisch II.1.5.1.) nicht.
Auch geht der Beschwerdeführer selbst davon aus, dass es sich um Kriminalität ("Kindesentführung") handelt (s. VHS Sitzung 11).
3.2.2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt im Umstand, dass im Heimatland des Revisionswerbers Bürgerkrieg herrscht, für sich allein keine Verfolgungsgefahr i.S.d. GFK vergleiche VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404, Rz. 7 m.w.N.). Auch eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar vergleiche etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Überhaupt rechtfertigen wirtschaftliche Gründe nach Artikel eins, Abschnitt A GFK grundsätzlich nicht die Ansehung als Flüchtling. Sie könnten nur dann relevant sein, wenn dem Beschwerdeführer der völlige Verlust seiner Existenzgrundlage drohte (VwGH 28.6.2005, 2002/01/0414).
3.2.2.3. Eine Asylrelevanz im Hinblick auf sonstige Gründe ist aus dem festgestellten Sachverhalt bzw. dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich: Während einer kriegerischen Situation als solches keine Asylrelevanz zukommt hätte der Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat jedenfalls auch eine Existenzgrundlage (s. dazu die weitergehenden Erwägungen unten unter Pkt. römisch II.3.4.2.).
3.2.3. Ergebnis:
3.2.3.1. Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen - insbesondere, aber nicht ausschließlich bei Berücksichtigung der gegenständlich als möglich angenommenen innerstaatlichen Fluchtalternative (s. auch nachstehenden Absatz) -, eine ihm bei Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende, die Intensität von Verfolgung i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, erreichende Gefahr glaubhaft zu machen. Dies trifft auch bei Vornahme einer Gesamtbetrachtung zu.
3.2.3.2. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass - die übrigen Voraussetzungen liegen vor (s. Pkt. römisch II.3.4.2.) - auch im Verfahren nach Durchführung dem Paragraph 18, Absatz eins, AsylG 2005 entsprechender Ermittlungsschritte keine Anhaltspunkte hervorgekommen wären, dass dem Beschwerdeführer am angenommenen Neuansiedlungsort aus anderen Gründen Verfolgungshandlungen i.S.d. Artikel 9, Statusrichtlinie drohen würden.
3.2.3.3. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheids ist somit unbegründet.
Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheids (Abweisung des Antrags auf Zuerkennung subsidiären Schutzes)
3.3. Rechtsgrundlagen:
3.3.1. Gemäß Artikel 2, Absatz eins, EMRK wird das Recht jedes Menschen auf Leben gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist. Nach Artikel 2, Absatz 2, leg. cit. wird eine Tötung nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um
a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.
3.3.2. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.
3.3.3. Paragraph 8, Absatz eins bis 3 AsylG 2005 lautet:
"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht."
3.4. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:
3.4.1. Bei der Beurteilung, ob einem Antragsteller der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuzuerkennen ist sind folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:
3.4.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH hat ein Drittstaatsangehöriger nur dann Anspruch auf subsidiären Schutz, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Artikel 15, der Richtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens zu erleiden vergleiche EuGH 24.02.2018, C-353/16, MP, Rz. 28, m.w.N.). Aus Sicht des EuGH gehört zwar das durch Artikel 3, EMRK garantierte Grundrecht zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, deren Einhaltung der EuGH sichert, und dass für die Auslegung seiner Reichweite in der Gemeinschaftsrechtsordnung die Rechtsprechung des EGMR findet, dass es aber Artikel 15, Buchst. b der Richtlinie ist, der im Wesentlichen Artikel 3, EMRK entspricht vergleiche EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rz. 28). Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 ist unionsrechtskonform so auszulegen, dass die Zuerkennung subsidiären Schutzes eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat oder eine Verursachung durch Akteure voraussetzt, jedoch nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist vergleiche VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
3.4.3. Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 orientiert sich an Artikel 15, Litera c, Statusrichtlinie und umfasst eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist vergleiche VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, Rz 24, unter Hinweis auf die Urteile des EuGH vom 07.02.2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30.01.2014, C-285/12, Diakite).
3.4.4. Folgende, grundsätzliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist jedoch auch bei einer unionsrechtskonformen Auslegung von Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 aus Sicht des erkennenden Gerichts auch im Lichte des erwähnten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 06.11.2018 weiterhin von Relevanz:
Im Hinblick auf die Prüfung subsidiären Schutzes hat der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation durch konkrete, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist vergleiche VwGH 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214). Notorische Entwicklungen im Herkunftsstaat eines Asylwerbers, auch wenn sie "bloß" für die Entscheidung nach Paragraph 8, AsylG 2005 von Relevanz sind, müssen von Amts wegen berücksichtigt werden (VwGH 29.1.2002, 2001/01/0030).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche etwa VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).
3.4.5. Bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt ist zunächst die Heimatregion des Beschwerdeführers für eine allfällige Rückkehr zu prüfen vergleiche VfGH 13.09.2013, U370/2012).
3.4.6. Daraus folgt für den gegenständlichen Fall:
3.4.1. Zur Situation in der Heimatprovinz bzw. dem Heimatdistrikt des Beschwerdeführers:
3.4.1.1. Der Beschwerdeführer stammt aus der afghanischen Provinz Baghlan und dort aus dem, auch die Hauptstadt dieser Provinz umfassenden Distrikt Pul-e Khumri. Aufgrund der zugrundeliegenden Länderfeststellungen (Pkt. römisch II.1.5.2.) ist ersichtlich, dass diese Provinz im Februar 2017 eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes war. Grund dafür waren koordinierte Angriffe der Taliban in den Schlüsseldistrikten in der Nähe der Provinzhauptstadt, welche bewaffnete Zusammenstöße zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften zufolge hatten. Als weiterer Grund für die sich verschlechternde Sicherheitslage wurde vom Provinzgouverneur die Korruption angegeben. Wenngleich im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 in der gesamten Provinz noch 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert wurden zeigt sich doch auch aus den getroffenen Länderfeststellungen eine - auch den Heimatdistrikt des Beschwerdeführers umfassende - Besserung der Lage.
3.4.1.2. Aufgrund einer aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts unverändert relevant anzusehenden Gesamtlage kommt das EASO zum Schluss, dass die "willkürliche Gewalt" in der Provinz Baghlan ein solches Niveau erreicht, dass ein in die Provinz zurückgekehrter Zivilist einem tatsächlichen Risiko eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15, Litera c, Statusrichtlinie zu erleiden dann ausgesetzt sein kann, wenn Umstände, welche in der persönlichen Sphäre des Zivilisten gelegen sind hinzutreten (s. EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 78).
3.4.1.3. Obwohl der Beschwerdeführer mehrere Jahre nicht mehr in seiner Heimatprovinz gelebt hat, stünde diesem aufgrund des Kontaktes zu seiner Familie, bei Rückkehr eine - jedenfalls vorübergehende - entsprechend sichere Unterkunft zur Verfügung. Auch sind in Bezug auf den Beschwerdeführer keine sonstigen besonderen Gefährdungsmomente ersichtlich, um von der Erfüllung von Artikel 15, Litera c, Statusrichtlinie auszugehen.
3.4.1.4. Anders stellt sich allerdings die im Hinblick auf die Erreichbarkeit des Heimatdistrikts zu treffende Schlussfolgerung dar: Nach den festgestellten Länderinformationen ist die Baghlan-Balkh-Autobahn Teil der Ring Road und verbindet den Norden mit dem Westen des Landes. Sie gilt als eine unabdingbare Transitroute zwischen der Hauptstadt der Provinz Baghlan, Pul-e Khumri, und den nordwestlichen Provinzen Samangan, Balkh, Jawjzan, Sar-e Pul und Faryab.
Allerdings versuchten die Taliban mehrmals ihre Präsenz auf der Route zu verstärken. So betreiben die Taliban etwa im Gebiet Chasm-e shar entlang der Autobahn nach Balkh mobile Kontrollpunkte und sollen auch die Straße zwischen Baghlan und Kunduz kontrollieren (s. EASO-Sicherheitsupdate Mai 2018, Sitzung 43f). Auch müsste der Beschwerdeführer um etwa vom internationalen Flughafen in Kabul über die Ringroad seinen Heimatdistrikt zu erreichen sowohl die Provinz Kabul wie auch die Provinz Parwan durchqueren. Zwar schließt das EASO (s. EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 83 und 89) auch für die Situation in diesen Provinzen nicht auf bereits ohne weitere hinzutretende Gefährdungsmomente auf ein reales Risiko eines ernsthaften Schadens, doch kann auf ein solches aus der Gesamtschau geschlossen werden.
3.4.1.5. Von einer ausreichenden Schutzfähigkeit des afghanischen Staats im Hinblick ist in Anbetracht der den Länderinformationen zu entnehmenden Zustände des Sicherheits- und Justizapparats (s. dazu oben Pkt. römisch II.1.5.1. "Rechtsschutz und Justizwesen in Afghanistan" und "Sicherheitsbehörden in Afghanistan") grundsätzlich nicht auszugehen, auch ist im Hinblick auf die - konkrete - Rückkehr in den Heimatdistrikt des Beschwerdeführers (einschließlich des Reisewegs) im Verfahren bzw. bei entsprechender Ermittlungstätigkeit nichts Gegenteiliges hervorgekommen.
3.4.1.6. Damit hätte Beschwerdeführer - da ihm ein ernsthafter Schaden grundsätzlich Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005. Allerdings steht ihm mit der Möglichkeit zur Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif auch eine mögliche innerstaatliche Fluchtalternative gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 offen:
3.4.2. Zu einer möglichen innerstaatlichen Fluchtalternative:
3.4.2.1. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen zu bejahen:
(i) Einem Asylwerber muss in einem Teil seines Herkunftsstaats vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden können.
Schutz ist gewährleistet, wenn
(i) a) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und
(i) b) die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Die Bedingungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 sind dann gegeben, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(ii) Dem Asylwerber muss der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebiets zugemutet werden können.
3.4.2.2. Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden vergleiche Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 11, AsylG 2005, K15).
3.4.2.3. Bei der Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative sind, insbesondere im Hinblick auf den Herkunftsstaat Afghanistan folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:
3.4.2.4. Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bezieht vergleiche hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).
3.4.2.5. Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass ein Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539).
3.4.2.6.Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Artikel 3, EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459).
3.4.2.7. Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr unter anderem innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit (zuletzt etwa VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118 m.w.N.).
3.4.2.8. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, ausgesprochen, dass mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können muss, dass der Asylwerber in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere unter Hinweis auf die Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz Nr. 4 sowie der Statusrichtlinie auch festgehalten, dass die Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative danach zu beurteilen ist, ob der in einem Teil seines Herkunftslandes verfolgte oder von ernsthaften Schäden bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härte führen kann.
3.4.2.9. Nach den rechtlich unverbindlichen UNHCR-Richtlinien, welchen aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besondere Beachtung zu schenken ist (s. etwa VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118), hängt die Beantwortung der Frage, ob einem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, von mehreren Faktoren ab. Dazu müssten die persönlichen Umstände des Betroffenen (einschließlich allfälliger Traumata infolge früherer Verfolgung), die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden vergleiche Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz Nr. 4 "Interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative" vom 23..07.2003, Rz. 23 ff). Zum Aspekt des wirtschaftlichen Überlebens wird in den erwähnten Richtlinien an der genannten Stelle u.a. ausgeführt, dass ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation keine ausreichenden Gründe seien, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Die Verhältnisse in dem Gebiet müssten aber ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen. Wäre eine Person in dem Gebiet etwa ohne familiäre Bindungen und ohne informelles soziales Netzwerk, sei eine Neuansiedlung möglicherweise nicht zumutbar, wenn es der Person nicht auf andere Weise gelingen würde, ein relativ normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum zu führen.
3.4.2.10. Zudem ist auch zu beachten, dass aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch eine fehlende Schul- und Berufsausbildung bzw. -erfahrungen, eine drohende Arbeitslosigkeit, eine nicht vorhandene familiäre Unterstützung in Afghanistan, eine nicht ausreichende Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit keine Verletzung des Artikel 3, EMRK begründen. Insgesamt stellen Probleme hinsichtlich Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche, in wirtschaftlicher Hinsicht bzw. überhaupt eine schwierige Lebenssituation bei Rückkehr keine exzeptionellen Umstände dar (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063;
18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036;
23.03.2017, Ra 2016/20/0188; 10.03.2017, Ra 2017/18/0064;
25.04.2017, Ra 2017/01/0016, 20.6.2017, Ra 2017/01/0023; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5; VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0190; VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0616).
3.4.2.11. Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und seiner persönlichen Umstände steht dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall eine Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif als zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offen. Dazu im Folgenden im Einzelnen:
Ad (i) a)
3.4.2.12. Wie oben unter Pkt. römisch II.3.2. zu den getroffenen Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erwogen, hat dieser bei Rückkehr nach Afghanistan bzw. in die Stadt Mazar-e Sharif als Ort der Neuansiedlung keine ihm drohende asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Daraus folgt, dass auch keine "wohlbegründete Furcht" nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegt.
Ad (i) b)
Zur Sicherheitslage und Erreichbarkeit in bzw. der Stadt Mazar-e Sharif als Ort der möglichen Rückkehr
3.4.2.13. Was die allgemeine Sicherheitslage betrifft ist zunächst festzuhalten, dass die Stadt Mazar-e Sharif nach den Länderfeststellungen (Pkt. römisch II.1.5.3. "Lage in der Stadt Mazar-e Sharif" "Sicherheit") jedenfalls als unter Kontrolle der afghanischen Regierung stehend zu betrachten ist. Auch ergibt sich daraus nicht, dass dort von einem aktiven Konflikt zwischen der Regierung bzw. deren Kräften und regierungsfeindlichen Kräften auszugehen wäre.
Grundsätzlich zählt die Provinz Balkh zu den ruhigen Provinzen in Nordafghanistans mit im Jahr 2017 neun zivilen Opfern auf 100.000 Einwohnern. Allerdings übersieht das erkennende Gericht nicht, dass es auch in der Stadt Mazar-e Sharif wiederkehrend zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt. Aus dem erwähnten Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge bzw. sonstige sicherheitsrelevante Vorfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter ("high-profile"-Ziele) wie insbesondere Regierungseinrichtungen oder Armeestützpunkte, in der Stadt Mazar-e Sharif nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Jedoch begründet aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts allein der Umstand, dass an diesen Orten ein Vorfall ausgelöst durch regierungsfeindliche Gruppierungen erfolgen könnte, bei der derzeitigen Gefahrenlage für den Beschwerdeführer noch keine stichhaltigen Gründe dafür, dass allein durch seine Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich die Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein: Die in Mazar-e Sharif verzeichneten Anschläge ereigneten sich hauptsächlich im Nahebereich der dargestellten "high-profile"-Ziele. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten und auch bei Berücksichtigung bestimmter, üblicherweise zu erwartender Bewegungen des Beschwerdeführers nach seiner Neuansiedlung (insbesondere der Weg zu Orten des Einkaufs von Gegenständen des täglichen Bedarfs, zu [möglichen, zukünftigen] Arbeitsstätten oder medizinischen Einrichtungen) nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass von einem bereits erreichten Gewaltausmaß, wonach es geradezu wahrscheinlich wäre, dass auch der Beschwerdeführer tatsächlich und durch seine bloße Anwesenheit in der Stadt Mazar-e Sharif Opfer eines Gewaltaktes werden würde, gesprochen werden muss. Dies insbesondere, wenn man dabei die Häufigkeit der dargestellten Anschläge dem Gesamtgebiet und der gesamten Einwohnerzahl von Mazar-e Sharif (rund 500.000) gegenüberstellt.
Die - wie in der Stellungnahme vom 04.01.2019 ersehene - "höchst volatile" Situation ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.
Auch das EASO geht vergleiche dazu EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 99) vor dem Hintergrund von Artikel 8, der Statusrichtlinie - und unter Bezugnahme auf eine nach wie vor als aktuell anzusehende Länderberichtslage (was sich insbesondere aus der oben unter Pkt. römisch II.1.5.3.festgestellten, auf noch aktuelleren Berichten fußenden Lage vor Ort erschließt) - grundsätzlich davon aus, dass das Ausmaß der willkürlichen Gewalt in Mazar-e Sharif nicht ein so hohes Niveau erreicht, dass ernsthafte Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein Zivilist allein aufgrund seiner Anwesenheit dort einem tatsächlichen Risiko eines schweren Schadens ausgesetzt wäre.
3.4.2.14. Der Beschwerdeführer könnte Mazar-e Sharif über den Luftweg aufgrund des vorhandenen, internationalen Flughafens praktikabel, sicher und legal erreichen: Der Flughafen liegt zwar etwa acht Kilometer außerhalb des Stadtgebiets, jedoch wirft die Fahrt vom Flughafen in die Stadt während der Tageszeit keine Bedenken im Hinblick auf ein reales Risiko eines ernsthaften Schadens für den Beschwerdeführer im Lichte von Artikel 15, Statusrichtlinie auf (s. EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 102, unter Hinweis auf Länderinformationen, welche als ausreichend aktuell anzusehen sind).
3.4.2.15. Auf besondere, sich also von der übrigen Bevölkerung unterscheidende Gefährdungsmomente für den Beschwerdeführer, wonach dieser in Kombination mit der Sicherheitslage (bzw. deren Erreichbarkeit) in der Stadt Mazar-e Sharif einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre, wurden von diesem weder substantiiert vorgebracht, noch sind solche sonst im Verfahren hervorgekommen. Insbesondere ist auch nicht hervorgekommen, dass sich der Beschwerdeführer bei Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif häufig an den oben angegebenen - mit höherer Wahrscheinlichkeit von Anschlägen regierungsfeindlicher Elemente betroffenen - Orten aufhalten werde.
Zur möglichen Zuerkennung subsidiären Schutzes aus sonstigen Gründen
3.4.2.16. Auch sonstige, auf die Stadt Mazar-e Sharif als Zielort einer möglichen innerstaatlichen Fluchtalternative bezogene Gründe für die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigten sind fallbezogen nicht ersichtlich:
3.4.2.17. Selbst wenn man den vorgebrachten "Entführungsversuch" vor dem für wahr halten sollte, so ist in Anbetracht der vorgebrachten Umstände nicht auch am Neuansiedlungsort von einem realen Risiko für einen ernsthaften Schaden i.S.v. Artikel 15, Litera b, Statusrichtlinie auszugehen (s. dazu auch oben unter Pkt. römisch II.3.2.2.).
3.4.2.18. Betreffend eine mögliche Gefährdung durch regierungsfeindliche Gruppierungen oder die Gesellschaft im Allgemeinen als "Rückkehrer aus dem Westen" bzw. einer "Verwestlichung" sind den Länderberichten lediglich in Einzelfällen gezielte Übergriffe gegen diese aus diesem Grund zu entnehmen (siehe dazu auch oben die Erwägungen vor dem Hintergrund von Paragraph 3, AsylG 2005, Pkt. römisch II.3.2.1.). Maßnahmen gegen Personen die vermeintlich Werte und/oder ein Erscheinungsbild angenommen haben, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden, werden vor allem von regierungsfeindlichen Kräften und aus sonstigen Kreisen der Gesellschaft in gewissen ländlichen Gebieten gesetzt. Auch ein mögliches besonderes, über die Situation als Rückkehrer aus dem Westen allgemein hinausgehendes Gefährdungsmoment, insbesondere auch betreffend die gegenständliche angenommene Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif, wurde vom Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargelegt.
3.4.2.19. Sofern der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 07.01.2018 (s. deren Seite 5) ohne jegliche Substantiierung auf die möglichen Gefahren einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban hinweist, so macht er auch damit kein reales Risiko glaubhaft. Die als Rückkehrort angenommene Stadt Mazar-e Sharif steht unter der Kontrolle der Regierung und ist nicht umkämpft. Darüber hinaus zeigen die Länderinformationen auf, dass - zwangsweise - Rekrutierungen durch die Taliban nur in Ausnahmefällen vorkommen, und dies wenn in - wie auch vom Beschwerdeführer vorgebracht - von diesen beherrschten Gebieten.
Ad ii)
3.4.2.20. Angesichts der Feststellungen zu seiner Person, seinem bisherigen Lebensweg bzw. der festgestellten allgemeinen Lage vor Ort kann dem Beschwerdeführer ein Aufenthalt in der Stadt Mazar-e Sharif auch zugemutet werden. Dazu sind jedenfalls folgende allgemeine Richtlinien zu beachten:
3.4.2.21. Der UNHCR erachtet eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in Afghanistan als dem Herkunftsort nur dann als zumutbar, wenn der Einzelne Zugang zu (i) Unterkünften, (ii) grundlegenden Dienstleistungen wie sanitäre Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Existenzgrundlagen oder bewährte und nachhaltige Unterstützung hat, um den Zugang zu einem angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. Darüber hinaus hält der UNHCR eine innerstaatliche Fluchtalternative nur dann für angemessen, wenn die Person Zugang zu einem Unterstützungsnetz von Mitgliedern ihrer (Groß-)Familie oder Mitgliedern ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft im Bereich der zukünftigen Umsiedlung hat, die als bereit und in der Lage beurteilt wurden, den Antragsteller in der Praxis wirklich zu unterstützen. Der UNHCR ist - und darauf weisen die Beschwerdeführer in ihren Stellungnahmen vom 10.10.2018 ausdrücklich hin - der Ansicht, dass die einzige Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung alleinstehende Männer und Ehepaare im erwerbsfähigen Alter ohne identifizierte spezifische Vulnerabilitäten sind. Unter bestimmten Umständen können diese Personen ohne familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die über die notwendige Infrastruktur und die Möglichkeit verfügen, die grundlegenden Lebensbedürfnisse zu befriedigen, und die unter wirksamer staatlicher Kontrolle stehen (UNHCR-Richtlinien, Sitzung 110).
Zur Vorgängerversion der UNHCR-Richtlinien aus dem Jahr 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es auf einen "gesicherten" Zugang zu den erwähnten Kriterien dabei allerdings nicht ankommt (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, Rz. 23). Diese Rechtsprechungslinie ist - auch in Anbetracht des dahingehend weiterhin unveränderten Wortlauts der Richtlinien (s. auf Sitzung 110 sowie Sitzung 86 der Richtlinien aus dem Jahr 2016) - aus Sicht des erkennenden Gerichts weiterhin beachtlich.
3.4.2.22. Mit Ausnahme der Stadt Kabul behalten - wenngleich auch auf aktuelle Vorkommnisse etwa einer Dürresituation u.a. in der Provinz Balkh und überhaupt die hohe in die größeren Städte einströmende Zahl an Rückkehrern bzw. Binnenvertriebenen hingewiesen wird - auch die am 30.08.2018 vom UNHCR publizierten Richtlinien zu Afghanistan die Sichtweise zu den Voraussetzungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative grundsätzlich bei: Eine Fluchtalternative wird für andere urbane und semi-urbane Gebiete bzw. größere Städte nicht - bereits als Grundsatz - ausgeschlossen, jedoch weist der UNHCR auf einige bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigende - allgemeine - Umstände hin bzw. wirft bestimmte Probleme auf vergleiche i.d.Z auch VfGH 30.11.2018, E 3870/2018, Rz. 3.4., sowie VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, Rz. 25). Zu diesen Umständen bzw. Problemen gehören vor allem die hohe Anzahl an einströmenden Binnenflüchtlingen und Rückkehrern, eine Dürresituation im Westen Afghanistans, auf ein steigendes Armutsniveau wie auch darauf hin, dass ein Großteil der städtischen Bevölkerung in Unterkünften lebt, welche nach der Definition von UN-Habitat als "Slum" bzw. "informelle Siedlung" einzustufen sind vergleiche unter Pkt. C.3 der UNHCR-Richtlinien).
3.4.2.23. Aus Sicht des EASO (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 109) - und dessen auf (auch der Aktualität und Umfang nach den den UNHCR-Richtlinien zugrundeliegenden Länderinformationen weitgehend - eine Abweichung ist etwa im Hinblick auf die Berücksichtigung der aktuellen Dürresituation für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar - entsprechenden, s. insbesondere die in den FN 679 ff der UNHCR-Richtlinien zitierten Berichte / Quellen gegenüber den Quellen, auf welchen die EASO-Berichte Sozioökonomie und Netzwerke beruhen) einer als ausreichend aktuell und vollständig erhobenen Länderberichtslage basierenden Schlussfolgerungen nehmen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gemäß Artikel 10, Absatz 3, Litera b, der EU-Asylverfahrensrichtlinie eine den Richtlinien des UNHCR vergleichbare Stellung ein vergleiche dazu das erwähnte Erkenntnis des vom 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, Rz. 22) - ist eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Masar-e-Sharif, Herat und Kabul für alleinstehende Männer, welche zuvor in Afghanistan gelebt haben, grundsätzlich als zumutbar zu erachten, auch wenn es in dem Neuansiedlungsgebiet kein Unterstützungsnetzwerk gibt. So brächte die Situation der Neuansiedlung gewisse Härten mit sich, allerdings zieht das EASO den Schluss, dass derartige Personen in der Lage sind, deren Grundbedürfnisse, Unterkunft und Hygiene sicherzustellen; dies sofern nicht aus deren persönlichen Umständen auf zusätzliche Vulnerabilitäten zu schließen ist. Die folgenden Umstände sind nach dem EASO dabei jeweils im Einzelfall in Betracht zu ziehen: Alter, Geschlecht, Familienstand, Gesundheitszustand, sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund, Kenntnisse der lokalen Bedingungen, Unterstützungsnetzwerk und Religion.
3.4.2.24. Soweit von Relevanz kann verfügbare Reintegrationsunterstützung auch als zusätzlicher Faktor berücksichtigt werden, welche vorübergehend zur Reintegration in Afghanistan beiträgt (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 105).
3.4.2.25. Im Hinblick auf die allgemeinen Gegebenheiten am Ort der innerstaatlichen Fluchtalternative ist vor dem Hintergrund der erwähnten Indizien gegenständlich Folgendes zu erwägen:
3.4.2.26. Bereits oben unter Pkt. römisch II.3.2.1. wurde vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichtslage festgehalten, dass die Stadt Mazar-e Sharif vollkommen unter Kontrolle der afghanischen Regierung steht.
3.4.2.27. In der Stadt Mazar-e Sharif stehen nach den Länderinformationen ausreichend (einfache) Unterkünfte zur Verfügung. Insbesondere kann - wie dies Landinfo im EASO-Bericht Netzwerke aufzeigte - anstelle einer ganzen Wohnung ein einzelnes (und damit gegenüber einem ganzen Apartment deutlich günstigeres) Zimmer gemietet werden, z.B. vorübergehend in einem "Teehaus" ("tea house"). Es ist zu berücksichtigen, dass nicht davon ausgegangen werden muss, dass eine einzelne Person eine ganze Wohnung für sich mieten müsste. So könnte auch eine Wohnung von mehreren Personen/Rückkehren, jedenfalls für eine Übergangszeit, geteilt werden, was die Mietkosten (erheblich) senken würde. Auch wenn ein Großteil der Unterkünfte in Mazar-e Sharif - in welchen also auch die bereits ansässige Bevölkerung zum Großteil lebt - aufgrund des Fehlens zumindest einer der folgenden Voraussetzungen: (i) Zugang zu behandeltem Wasser, (ii) Zugang zu behandeltem Abwasser, (iii) ausreichend Wohnraum (keine Überfüllung), (iv) bauliche Qualität der Gebäude und (v) Rechtssicherheit nach der seit 2003 geltenden, auf internationaler Ebene akkordierten Definition als "Slum" oder "informelle Siedlung" zu qualifizieren sind (s. dazu etwa UN-Habitat, Global Report on Human Settlements, 2003, abrufbar unter:
https://unhabitat.org/books/the-challenge-of-slums-global-report-on-human-settlements-2003/ [abgerufen am 21.12.2018], Sitzung 12), so ist vor dem Hintergrund der Feststellungen zu Situation in der Stadt Mazar-e Sharif (s. oben Pkt. römisch II.1.5.3. "Wohnungsmarkt in Mazar-e Sharif") dennoch davon auszugehen, dass auch außerhalb von - nicht mehr als zumutbar anzusehenden - Elendsvierteln eine Unterkunft gefunden werden kann, welche einem Standard entspricht, wie er eben auch der dort bereits lebenden Bevölkerung zur Verfügung steht bzw. von dieser genutzt wird.
3.4.2.28. Eine grundlegende Infrastruktur und der Zugang zu grundlegender Versorgung, einschließlich zu sanitärer Infrastruktur, sind in der Stadt Mazar-e Sharif gegeben, welche nach der festgestellten Berichtslage als eines der größten Handels- und Finanzzentren Afghanistans gilt. Diese Lage wird derzeit allerdings nach den getroffenen, auf aktuellen Berichten beruhenden Feststellungen - s. dazu auch die Hinweise des UNHCR auf Sitzung 111 - durch eine derzeit auch die Provinz Balkh betreffende Trockenperiode (Dürre) in relevantem Ausmaß beeinträchtigt, worauf auch der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 04.01.2019 hinweist:
So ist laut Einschätzung des "Famine Early Warning Systems Network" ("FEWS NET") aus Februar 2018 die Situation in Mazar-e Sharif betreffend die Ernährungslage als "angespannt" (engl. "stressed") einzustufen. Nach der Prognose des FEWS-NET wird dieser Zustand jedenfalls bis Mai 2019 anhalten. Die Einstufung bedeutet, dass selbst mit humanitärer Hilfe zumindest einer von fünf Haushalten in einem als angespannt eingestuften Gebiet über eine minimal ausreichende Ernährungslage verfügt (s. das Klassifikationshandbuch von FEWS-NET, Sitzung 32, abrufbar unter:
http://fews.net/sites/default/files/uploads/IPC-Manual-2-Interactive.pdf, abgerufen am 09.02.2019).
Aktuell beobachtet FEWS-NET, dass sich die Lage in Anbetracht für Jänner 2019 erwartete, starke Schneefälle entspannen sollte (s. unter fews.net "Observations"). In der - den getroffenen Feststellungen zur Lage vor Ort zugrunde gelegten - Anfragebeantwortung der Staatendokumentation aus September 2018 wird überdies darauf hingewiesen, dass es zu Wasserknappheit und einer unzureichenden Wasserversorgung im "Umland" von Mazar-e Sharif kommt, darüber, dass es auch in der Stadt Mazar-e Sharif selbst keine ausreichende Wasser- oder Lebensmittelversorgung gäbe, ist den aktuellen Berichten jedoch nicht zu bzw. - was sich aus der von ACCORD zusammengestellten Berichtslage ergibt - ist die Trinkwasserversorgung soweit gegeben. Jedenfalls wird auch über entsprechende - teilweise auch international unterstützte - staatliche Reaktionen und Hilfsmaßnahmen berichtet. Aufgrund der Dürre wird es zu geringeren Getreideernten kommen, die Getreidepreise liegen jedoch aufgrund guter Ernten im Iran und in Pakistan in Mazar-e Sharif aber dennoch nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Und auch die Löhne in Mazar-e Sharif liegen trotz der Dürre im Mai 2018 um 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.
Auch Informationen von UNHCR von Ende 2018 zeigen auf, dass die Lebensmittelversorgung grundsätzlich in der Stadt Mazar-e Sharif gesichert scheint.
3.4.2.29. Es ist dabei bzw. somit nicht zu übersehen, dass nach den festgestellten Informationen die wirtschaftliche Lage sowie Versorgungslage in Afghanistan im Allgemeinen sowie in der Stadt Mazar-e Sharif bzw. aber auch der Provinz Balkh - insbesondere auch aufgrund der großen Anzahl sonstiger Binnenvertriebener und anderer Rückkehrer, welche einströmen - jedenfalls als insbesondere im Hinblick auf die Wohnressourcen als angespannt betrachtet werden muss und die Arbeitslosigkeit auch dort hoch ist. Auch kann die im Vorabsatz abgehandelte aktuelle Trockenheit bzw. Dürre zu einem weiteren Einströmen führen. Gleichzeit ist jedoch aus den getroffenen Feststellungen zu schließen, dass die Stadt Mazar-e Sharif ein wichtiger Wirtschaftsknotenpunkt des Landes ist und eine höhere Industrialisierung als andere Städte in Afghanistan aufweist. Zudem hat Mazar-e Sharif grundsätzlich bessere Arbeitsmöglichkeiten aufgrund einer größeren Anzahl an Unternehmen. Auch liegen die Löhne für Gelegenheitsarbeiten dort klar über dem Fünfjahresdurchschnitt (s. oben die auf Grundlage einer ganz aktuellen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation getroffenen Feststellungen unter Pkt. römisch II.1.5.3. "Versorgung mit Lebensmitteln").
3.4.2.30. Es ist weiters auch möglich, in der Stadt Mazar-e Sharif eine medizinische Einrichtung bei Bedarf in Anspruch zu nehmen: Aus den Länderfeststellungen ist ersichtlich, dass in Mazar-e Sharif sowohl Zugang zu medizinischen Einrichtungen als auch zu Medikamenten besteht. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste umsonst an, Medikamente sind zumindest in privaten Apotheken verfügbar. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den öffentlichen Krankenhäusern umsonst.
3.4.2.31. Insgesamt ist festzuhalten, dass die sozioökonomischen Rahmenbedingungen für einen Rückkehrer auch in der Stadt Mazar-e Sharif schwierig sind. Ein - wenngleich mit nicht unerheblichen Hürden verbundener - Zugang zu Grundversorgung, medizinischer Versorgung, Arbeits- und Wohnungsmarkt ist in der Stadt Mazar-e Sharif gegeben. Zwar fallen - nach der festgestellten, auf dem EASO-Bericht Sozioökonomie beruhenden Länderinformationen - auch dort ein Großteil der Haushalte unter die städtische Armut ("urban poor"), d.h. nur rund 30 USD pro Person pro Haushalt, jedoch wäre nach der festgestellten Berichtslage nicht erkennbar, dass insgesamt nicht die Grundlage bzw. (Lebens-) Bedingungen an sich für die - in weiterer Folge, wie nachstehend auch erwogen, dann von weiteren persönlichen Umständen des Einzelnen abhängig - Existenzsicherung allgemein wie auch das Erreichen und Halten eines angemessenen Lebensstandards ("adequate living standard") vorhanden wären (s. dazu auch EASO-Länderleitfaden Afghanistan Sitzung 104 f bzw. Sitzung 110 der UNHCR-Richtlinien).
Auch die derzeit angespannte Dürresituation und die daraus fachlich prognostizierten, zuvor behandelten Wirkungen veranlasst für sich allein genommen betreffend die Stadt Mazar-e Sharif nicht zur Schlussfolgerung, dass damit jegliche Neuansiedlung für jedermann - insbesondere auch für Personengruppe ohne besondere Vulnerabilitäten - derzeit unmöglich wäre. So ist nur bei rund 20 Prozent aller auch im Distrikt Mazar-e Sharif der Provinz Balkh existierenden Haushalte von einer Situation auszugehen, in welcher Personen neben der Sicherstellung der angemessenen Lebensmittelversorgung nicht auch noch in der Lage sind weitere erforderliche, nicht auf Lebensmittel bezogene Ausgaben zu tätigen. Danach muss in der Provinz Balkh jedoch ein Großteil (4/5) der übrigen Haushalte - zumindest - zur Sicherstellung der Erfüllung von Lebensmittel und Nicht-Lebensmittelbedürfnissen das Leben nicht atypisch ändern oder wäre dahingehend von irgendwelchen humanitären Unterstützungsleistungen abhängig (s. im Umkehrschluss die Definition des FEWS-NET für die Stufe 1 - "Minimal" im der oben dazu zitierten Handbuch des FEWS-NET).
3.4.2.32. Die allgemeinen Rahmenbedingungen schließen somit die Zumutbarkeit einer Neuansiedlung in Mazar-e Sharif als solches (noch) nicht aus. Zu den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers ist nun Folgendes in Betracht zu ziehen:
3.4.2.33. Beim Beschwerdeführer handelt es sich nach den zu seiner Person getroffenen Feststellungen um einen gesunden, mobilen, alleinstehenden, jungen, arbeits- und leistungsfähigen Mann. Er verfügt zwar in der Stadt Mazar-e Sharif über kein - in Afghanistan nach der festgestellten Länderberichtslage grundsätzlich bzw. auch für Rückkehrer sehr bedeutsames - soziales Netzwerk. Er spricht jedoch die beiden Landessprachen, Paschtu und Dari. Daneben spricht er noch Urdu, Farsi, Deutsch und Englisch. Die Sprachen Dari, Paschtu, Deutsch und Englisch kann er auch lesen und schreiben. Er verfügt außerdem über eine zehnjährige Schulbildung in Afghanistan und konnte in Kabul auch bereits Arbeitserfahrung sammeln und grundsätzlich auch teilweise selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen. Darüber hinaus verfügt er nun auch über - erstes - Know-How im Berufsfeld des Gastronomiefachmannes, weil er in Österreich eine Lehre für diesen Beruf begonnen hat. Schon aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich einen Lehrplatz organisieren konnte ist ersichtlich, dass er über die Fähigkeit verfügt, sich aktiv am Arbeitsmarkt umzusehen, mit potentiellen Arbeitgebern in Kontakt zu treten bzw. die eigenen Fähigkeiten entsprechend zu präsentieren.
3.4.2.34. Der Beschwerdeführer ist mit den örtlichen Gegebenheiten in Mazar-e Sharif selbst nicht vertraut, wuchs jedoch in Afghanistan auf. Es kann somit - anders als er dies, wenngleich ohne das Vorbringen näher zu substantiieren in seiner Stellungnahme vom 04.01.2019 vorbringt - nicht davon auszugehen, dass er grundsätzlich mit den afghanischen "Sitten und Bräuchen" nicht vertraut ist.
3.4.2.35. Es besteht aktuell regelmäßiger Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie, welche ihren Wohnsitz sowohl in der Heimatprovinz als zwischendurch auch in der Stadt Kabul haben. Es ist davon auszugehen, dass ihn seine Familie bei Rückkehr nach Afghanistan - selbst unter Berücksichtigung einer allfälligen Erkrankung seines Vaters - jedenfalls vorübergehend und in geringem Ausmaß finanziell unterstützen könnte (s. dazu auch oben die Erwägungen unter Pkt. römisch II.2.4.). Überdies bietet der afghanische Staat seit Dezember 2016 Unterstützungsleistungen für Rückkehrer aus Europa im Rahmen eines mehrdimensionalen Ansatzes ("whole of community") an. Schließlich kann der Beschwerdeführer - auch finanzielle - Rückkehrhilfe aus besonderen Programmen in Kooperation mit der IOM in Anspruch nehmen (s. dazu oben bei Pkt. römisch II.1.4.). Damit sollte, dies hält auch UNHCR nach der Anfragebeantwortung von ACCORD fest, jedenfalls die Grundversorgung für die ersten Monate am Neuansiedlungsort - dies nun auch unter Berücksichtigung der aktuellen Dürresituation - gesichert sein.
3.4.2.36. Die Volksgruppe der Tadschiken bzw. die sunnitischen Muslime stellen einen der größten Bevölkerungsanteile in Mazar-e Sharif dar. Dieser Volksgruppe bzw. Glaubensrichtung gehört der Beschwerdeführer an.
3.4.2.37. Der Beschwerdeführer gehört auch keinem Personenkreis mit besonderen Bedürfnissen (z.B. Menschen mit schweren Erkrankungen oder Familien mit kleinen Kindern) an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger, also etwa in Folge einer schweren Erkrankung oder aufgrund des fortgeschrittenen Alters, darstellt als die übrige Bevölkerung in der Stadt Mazar-e Sharif, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
3.4.2.38. Der Beschwerdeführer kann durch die Inanspruchnahme der bereits erwähnten, verfügbaren Rückkehrhilfe jedenfalls übergangsweise, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu einer einfachen Unterkunft, möglicherweise auch wie vom EASO hervorgehoben in einem "Teehaus" das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er am Neuansiedlungsort ebenso - zumindest anfänglich - nach den Länderfeststellungen durch auch in der Stadt Mazar-e Sharif verfügbaren Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Dies zeigt insbesondere die - wobei dann für die erste Zeit noch die in Anspruch zu nehmende Rückkehrunterstützung bzw. eine Unterstützung der eigenen Familie in Anspruch genommen werden kann - Verdienstmöglichkeit auch einer ungebildeten Arbeitskraft mit den zu aus den getroffenen, aktuellen Länderinformationen abzuleitenden bzw. zu erwartenden Preisen für Grundnahrungsmittel und Unterkunft vor Ort.
3.4.2.39. In Anbetracht der festgestellten allgemeinen Gegebenheiten in Afghanistan sowie der Stadt Mazar-e Sharif nach aktueller Länderberichtslage im Besonderen und den festgestellten persönlichen Umständen des Beschwerdeführers kann gegenständlich davon ausgegangen werden, dass er anfangs und auch während einer gewissen Übergangsphase zwar mit - schon in Anbetracht der oben behandelten Rahmenbedingungen am Arbeits- und Wohnungsmarkts bzw. der allgemein angespannten Ressourcensituation, wenngleich durch die Rückkehrunterstützung bzw. weitere Unterstützungsmöglichkeiten zumindest in gewissem Umfang abgefederte - Schwierigkeiten konfrontiert sein wird Fuß zu fassen (insbesondere in Bezug auf die Erlangung einer Erwerbstätigkeit). Allerdings kann auch davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen vorliegen, danach ein mit anderen in der Stadt Mazar-e Sharif lebenden Afghanen vergleichbares (d.h. relativ normales) Leben ohne unbillige Härten bzw. mit einer mehr als bloß das Existenzminimum ermöglichenden Perspektive zu führen (s. dazu insbesondere das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 23.01.2018, Zl. Ra 2018/18/0001, mit Hinweis auch auf die bereits zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs vom 12.12.2017).
3.4.2.40. Insgesamt ist daher im gegenständlichen Fall - insbesondere auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen aufgrund einer im Grundsatz nach wie vor unveränderten Länderberichtslage relevanten allgemeinen Erwägungen und Schlussfolgerungen der UNHCR-Richtlinien sowie des EASO-Länderleitfadens Afghanistan - gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 von einer mit der Stadt Mazar-e Sharif vorhandenen, - trotz fehlendem örtlichen (sozialen bzw. familiären) Netzwerks jedoch bei Berücksichtigung verfügbarer Rückkehrhilfen und in Anbetracht von Ausbildung und bisheriger (auch in Afghanistan selbst erlangter) Berufserfahrung - noch zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative für den Beschwerdeführer auszugehen bzw. liegen für das Bundesverwaltungsgericht keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass er am Neuansiedlungsort in eine ausweglose, oder in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie insbesondere Nahrung und Unterkunft), in eine sogar lebensbedrohende Situation geraten würde.
3.4.3. Ergebnis:
3.4.3.1. Bei Gesamtbetrachtung aller im gegenständlichen Fall zu berücksichtigenden Umstände ergibt sich für das erkennende Gericht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückführung in den Herkunftsstaat bzw. bei Neuansiedlung an dem als nach den von Paragraph 11, AsylG 2005 geforderten Voraussetzungen - insbesondere im Hinblick auf die Freiheit von Gefahr und Risiko für Leib und Leben, die Möglichkeit der Ausübung der grundlegenden Menschenrechte bzw. auch des wirtschaftlichen Überlebens - mögliche innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Ort, der Stadt Mazar-e Sharif, kein ernsthafter Schaden droht seitens eines Akteurs oder infolge willkürlicher Gewalt droht.
3.4.3.2. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheids ist daher unbegründet.
Zu den Spruchpunkten römisch III. und römisch IV. des angefochtenen Bescheids (Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise)
3.5. Rechtsgrundlagen:
3.5.1. Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
3.5.2. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt wird.
3.5.3. Die Paragraph 55,, 57 und 58 AsylG 2005 lauten:
"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."
[...]
"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz eins, Ziffer 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Absatz 3 und Paragraph 73, AVG gehemmt."
"§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird."
3.5.4. Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."
3.5.5. Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:
"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
[...]
Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
[...]
Paragraph 52, (1) [...]
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
[...]
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
[...]
Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. Paragraph 37, AVG gilt."
3.6. Zum Anspruch auf eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz":
3.6.1. Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, weil mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach Paragraph 13, AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
3.6.2. Ein Anspruch auf die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" liegt daher in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht vor.
3.7. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sowie einem Anspruch auf eine "Aufenthaltsberechtigung" oder eine "Aufenthaltsberechtigung plus":
3.7.1. Im Hinblick auf die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" oder auf eine "Aufenthaltsberechtigung" sind folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:
3.7.2. Ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Artikel 8, EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen vergleiche VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325 m.w.N.).
3.7.3. Es besteht ein großes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Das verlangt von Fremden grundsätzlich, dass sie nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (etwa VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034).
3.7.5. Das "Privatleben" ist nach der Rechtsprechung des EGMR ein weit gefasster Begriff, der nicht vollständig definiert werden kann und kann "mehrere Aspekte der physischen und sozialen Identität der Person umfassen vergleiche EGMR 16.12.1992, Niemietz gg. Deutschland, Beschwerde Nr. 136170/88, Rz. 29; 29.04.2002, Pretty gg. Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 2346/02, Rz. 61; 28.01.2003, Peck gg. Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 44647/98, Rz. 57 f.; 04.12.2008, Marper gg. Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 30562/04 und 30566/04, Rz. 66).
Der Begriff des "Familienlebens" wiederum ist nach dem EGMR ein eigenständiges Konzept vergleiche EGMR 13.10.1979, Marckx gg. Belgien, Beschwerde Nr. 6833/74, Rz. 31). Ob es also ein "Familienleben" gibt oder nicht, ist im Wesentlichen eine Frage der Tatsache, die von der tatsächlichen Existenz enger persönlicher Beziehungen in der Praxis abhängt vergleiche EGMR 24.01.2017, Paradiso und Campanelli gg. Italien [GK], Beschwerde Nr. 25358, Rz. 140). Zu berücksichtigen sind auch faktischen familiäre Bindungen, wie z.B. das Zusammenleben von Antragstellern, in Ermangelung einer rechtlichen Anerkennung des Familienlebens vergleiche EGMR 18.12.1986, Johnston u.a. gg. Irland, Beschwerde Nr. 9697/92, Rz. 56). Weitere Faktoren sind die Dauer der Beziehung und im Falle von Paaren, ob sie ihr Engagement füreinander durch gemeinsame Kinder unter Beweis gestellt haben (EGMR 22.04.1997, römisch zehn, Y und Z gg. Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 21830/93, Rz. 36). Das Familienleben erfasst auch andere faktische Familienbindungen ("de facto family ties"), bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben, wobei es nach der Rechtsprechung des EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ankommt, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können vergleiche VwGH 29.11.2017, Ra 2017/18/0425, unter Hinweis auf EGMR 02.11.2010, Serife Yigit gg. Türkei [GK], Beschwerde Nr. 3976/05, Rz. 93 und 96).
Die EMRK garantiert aus Sicht des EGMR nicht das Recht eines Ausländers, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten. Ein Eingriff in das Privat- oder Familienleben einer Person verstößt jedoch gegen Artikel 8, EMRK, es sei denn, er kann nach Absatz 2 des genannten Artikels als in Einklang mit der Rechtsordnung zur Erreichung der eines oder mehrere der darin aufgeführten legitimen Ziele bzw. als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" zur Erreichung dieser Ziele gerechtfertigt werden. Die zu beachtenden einschlägigen Kriterien für die Beurteilung, ob ein Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich ist, sind die folgenden: (i) die Art und Schwere einer vom Antragsteller begangenen Straftat und die seit der Begehung verstrichene Zeit und das Verhalten des Antragstellers in diesem Zeitraum, (ii) die Aufenthaltsdauer im Staat, aus welchem er ausgewiesen werden soll, (iii) die Nationalitäten der verschiedenen betroffenen Personen, (iv) die familiäre Situation des Antragstellers, wie z.B. die Dauer der Ehe, und andere Faktoren, die die Wirksamkeit des Familienlebens eines Paares zum Ausdruck bringen, (v) ob der Ehepartner von einer Straftat zum Zeitpunkt des Eingehens einer Familienbeziehung wusste, (vi) ob es Kinder der Ehe gibt und wenn ja, ihr Alter, und (vii) die Schwere der Schwierigkeiten, auf die der Ehegatte in dem Land, in das der Antragsteller ausgewiesen werden soll, stoßen kann, (viii) das Wohl von Kindern, insbesondere die Intensität der Schwierigkeiten, auf die Kinder des Antragstellers in dem Land, in das der Antragsteller ausgewiesen werden soll, stoßen können; und (ix) die Wertigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen zum Gastland und zum Bestimmungsland vergleiche EGMR 25.07.2017, Kraniqi v. Austria, Appl. 41697/12, Rz. 46).
Im seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, Zl. 2007/10/0479, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte vergleiche i.d.Z. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu Paragraph 66, Absatz eins, FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Aufenthaltsdauer nach Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist. Gleichzeitig betonte er aber, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt vergleiche etwa VwGH vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058).
Integrative Bemühungen eines Beschwerdeführers sind insofern zu relativieren, als die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen vergleiche dazu VwGH 26.01.2009, 2008/18/0720). Im Rahmen der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 5, BFA-VG) kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der Frage, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann, eine Bedeutung zukommen vergleiche etwa das Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, Rz. 4.1 m.w.N.). Dies hat freilich im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz: Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr - letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen vergleiche VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188). Zu berücksichtigen können jedoch etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen sein vergleiche VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).
Unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens ist auch von Bedeutung, welche Verhältnisse konkret bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat vorgefunden werden (VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0038). Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität, welche nicht die von Artikel 3, EMRK geforderte Schwere und Intensität erreichen, sind an Artikel 8, EMRK zu messen (VfGH 21.09.2015, E 332/2015, unter Hinweis auf die Entscheidung EGMR 13.05.2008, Juhnke, Appl. 52.515/99).
Im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG ist es maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 10.04.2017, Ra 2016/01/0175 m.w.N.).
Vor dem Hintergrund von Artikel 2 und 3 EMRK hat der Verwaltungsgerichtshof spezifisch zu Afghanistan ausgesprochen, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung der erwähnten Bestimmung notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Diese Darlegung obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person. Diese hat durch geeignete Beweise gewichtige Gründe für eine Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Die allgemeine Situation in Afghanistan ist nämlich nicht so gelagert, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3, EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, m.w.N. und Hinweisen insbesondere auch auf Rechtsprechung des EuGH sowie des EGMR). Auch in jüngeren Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof an den Leitlinien dieser Rechtsprechung festgehalten (dazu VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; 20.09.2017, Ra 2017/19/0205, Ra 2017/19/0190 und Ra 2016/19/0209; 18.10.2017, Ra 2017/19/0420; 05.12.2017, Ra 2017/01/0236).
3.7.6. Angewendet auf den Beschwerdeführer und die vorzunehmende Interessenabwägung folgt daraus:
3.7.7. Für den Beschwerdeführer spricht gegenständlich, dass er in Österreich bereits zahlreiche integrativen Maßnahmen gesetzt hat: So hat er bereits das Zertifikat für das Sprachniveau B1 erworben und besuchte in römisch 40 auch bereits einen Deutschkurs für das Sprachniveau B2. Von 30.09.2016 bis 30.06.2017 besuchte er die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in römisch 40 und von 20.02.2017 bis 24.02.2017 einen " römisch 40 " von " römisch 40 ", welcher an der römisch 40 stattfand. Von 15.12.2017 bis 26.06.2018 nahm der Beschwerdeführer überdies am Basisbildungsangebot der römisch 40 teil. Darüber hinaus besuchte er auch einen von Freiwilligen angebotenen Deutschkurs. Der Beschwerdeführer ist in der Lage bei klarer Standardsprache über vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. zu reden. Darüber hinaus kann er über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben. Des Weiteren partizipierte der Beschwerdeführer an der Veranstaltung " römisch 40 " und dem Workshop " römisch 40 ", welcher vom Verein " römisch 40 " angeboten wurde und absolvierte am 02.11.2017 auch einen Workshop zum Thema " römisch 40 ", welche von " römisch 40 " veranstaltet wurde. Der Beschwerdeführer half außerdem ehrenamtlich während des vom Verein " römisch 40 " in römisch 40 veranstalteten Sommerfestes 2017 und auch beim Sommerfest 2018 als "Botschafter" mit. Des Weiteren unterstützte er auch den römisch 40 bei dessen Oktoberfest ehrenamtlich. Nicht zuletzt war der Beschwerdeführer in Österreich von 27.06.2018 bis 21.09.2018 als Lehrling für die Ausbildung im Lehrberuf - einem Mangellehrberuf - "Gastronomiefachmann" im Unternehmen römisch 40 angestellt. Diese Tätigkeit - und dies ist aus Sicht des erkennenden Gerichts ein berücksichtigungswürdiger Umstand - musste er aufgrund einer Erkrankung aufgeben bzw. wurde er nicht weiter übernommen.
Im Oktober 2018 gab der Beschwerdeführer überdies ein Interview für den australischen Nachrichtensender " römisch 40 ".
Auch spricht für den Beschwerdeführer, dass er unbescholten ist.
3.7.8. Für den Beschwerdeführer haben in Österreich, im Rahmen des Vereins " römisch 40 " " römisch 40 " und " römisch 40 " eine Patenschaft übernommen.
3.7.9. Dem steht jedoch gegenüber, dass der Beschwerdeführer in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige hat. Er ist aktuell weder Mitglied in einem Verein, noch betätigt er sich in einem solchen. Nach dem - wenngleich krankheitsbedingten - Verlust seiner Lehrstelle lebt er wieder von der staatlichen Grundversorgung und verfügt über keine Einstellzusage. Bei den im Vorabsatz genannten, bereits erbrachten und ohne Zweifel äußerst anerkennenswerten integrativen Leistungen musste sich der Beschwerdeführer immer seines bloß vorläufigen und unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein. Er verfügt weiters - wenngleich er dieses Land, was bei der vorzunehmenden Abwägungsentscheidung klar zu berücksichtigen ist, noch als Minderjähriger verließ - über Bindungen nach Afghanistan, weil er dort einen Großteil seines bisherigen Lebens verbrachte (anders als dies etwa bei einem im Iran oder in Pakistan aufgewachsenen oder dorthin bereits als Kind ausgewanderten Afghanen der Fall ist, dessen Bindungen sich im Wesentlichen auf die Sozialisation unter Afghanen beschränken). Auch kann er sich dort - s. oben die umfangreichen Erwägungen unter Pkt. römisch II.3.4.2. - nach Rückkehr eine Existenz aufbauen. Auch bestehen danach im Hinblick auf den als möglich angenommenen Rückkehrort bzw. Neuansiedlungsort in Afghanistan keine Bedenken im Hinblick auf die physische Integrität oder Unversehrtheit des Beschwerdeführers insbesondere droht - dies vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung von EGMR und Verwaltungsgerichtshof zu Afghanistan - keine Verletzung der Artikel 2, oder 3 EMRK bzw. des Refoulementverbots überhaupt. Der Beschwerdeführer hat zwar seit Mai 2016 zwei österreichische Paten, es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass diese Beziehung eine ausreichende Intensität aufweist, zumal weder eine häusliche Gemeinschaft noch ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis des Beschwerdeführers zu seinen Paten besteht. Darüber hinaus sind auch keine Hinweise für eine ausreichend intensive Beziehung zu dem Beschwerdeführer sonst besonders nahestehenden Personen hervorgekommen.
Schließlich ist - als bei der Abwägung gegen den Beschwerdeführer sprechender Umstand - maßgeblich, dass sich der Beschwerdeführer insgesamt gerade erst drei Jahre in Österreich aufhält.
3.7.10. Wägt man die zuvor dargestellten, für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Gesichtspunkte in einer Gesamtbetrachtung gegeneinander ab, so überwiegt für das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen letztlich das besonders bedeutsame öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich.
Auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die Lehre in einem Mangelberuf wegen einer Erkrankung nicht fortführen ist bei dieser Abwägung zu beachten führt jedoch zu keinem anderslautenden Ergebnis. Dies betrifft ebenso den - unter Nennung einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - in der Stellungnahme vom 11.01.2019 genannten Umstand einer engen Bindung zu Österreichern (etwa römisch 40 ) im Rahmen des sich um die Integration unbegleiteter Minderjähriger annehmenden Patenschaftsvereins bzw. im Rahmen einer - zumindestens gut zwei Jahre andauernden - "patenschaftlichen" Beziehung. Dies wurde als ein klar für den Beschwerdeführer sprechender, sein Privatleben betreffender Umstand berücksichtigt. Schon mangels eines mit den Paten auch tatsächlich über einen gewissen Zeitraum auch in einer gewissen Art und Weise festzustellenden Zusammenlebens sind allerdings Anhaltspunkte für eine einem - bei der Abwägung nach Paragraph 9, BFA-VG mit dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen auch zweifellos anders zu gewichtenden - "Familienleben" nicht hervorgekommen.
3.7.11. Der durch die Ausweisung des Beschwerdeführers allenfalls verursachte Eingriff in sein Recht auf Privat- oder Familienleben ist somit gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK gerechtfertigt.
3.8. Zur Zulässigkeit der Abschiebung:
Im Lichte der Erwägungen oben unter Pkt. römisch II.3.7.9. bestehen auch keine Bedenken dahingehend, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan im Lichte von Paragraph 50, FPG unzulässig wäre.
3.9. Zur Frist für die freiwillige Ausreise:
Der Beschwerdeführer hat keine besonderen Umstände, die er bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, vorgebracht. Die im angefochtenen Bescheid gesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise wurde daher von der belangten Behörde korrekt festgelegt.
3.10. Ergebnis:
3.10.1. Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 war dem Beschwerdeführer nach den obigen Erwägungen schon von Amts wegen nicht zuzuerkennen. Ebenso war die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG 2005 nicht geboten. Da gegenständlich die Anträge auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen waren, war auch eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Mangels eines hervorgekommenen Verstoßes gegen das Refoulementverbot, ist auch nicht zu erkennen, dass die Abschiebung unzulässig wäre.
3.10.2. Die Ausreisefrist wurde rechtsrichtig festgelegt.
3.10.3. Auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch III. und römisch IV. des angefochtenen Bescheids ist daher unbegründet.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder des EuGH (s. dazu die oben unter A wiedergegebenen Entscheidungen) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bzw. des EuGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
ECLI:AT:BVWG:2019:W270.2170954.1.00