BVwG
16.01.2019
W248 2200324-1
W248 2200324-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. NEUBAUER über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Afghanistan, vertreten durch den römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1 Verfahrensgang:
römisch 40 , geb. römisch 40 (im Folgenden Beschwerdeführer) reiste spätestens am 13.01.2016 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer wurde am 13.01.2016 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinem Antrag befragt. Er brachte zu seinen Fluchtgründen vor, dass er in Afghanistan als Security gearbeitet habe und eines Abends bei einem Geschäft, welches er bewacht habe, eine weinende Frau vorgefunden habe, die ihm gesagt habe, dass ihr Bruder sie töten wolle. Die Frau sei dann über Nacht bei ihm geblieben. Es sei dem Beschwerdeführer sodann unterstellt worden, ein Verhältnis mit dieser Frau gehabt zu haben und "die Familienschande befleckt" zu haben, sodass der Bruder der Frau den Beschwerdeführer mit dem Umbringen bedroht habe. Deshalb sei er geflüchtet. Im Fall einer Rückkehr fürchte er, in Afghanistan getötet zu werden. Es gebe allerdings keine konkreten Hinweise darauf, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würden oder er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte. Das Protokoll der Erstbefragung wurde rückübersetzt. Der Beschwerdeführer bestätigte, alles verstanden zu haben und keine Ergänzungen/Korrekturen machen zu wollen.
Am 03.05.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) einvernommen. Dort gab er im Wesentlichen an, er habe in Afghanistan gearbeitet. Dann sei die Arbeit in Afghanistan weniger geworden. Sein Cousin habe ihm daraufhin eine Arbeit im Sicherheitsdienst vorgeschlagen, die der Beschwerdeführer dann auch 6 bis 7 Monate gemacht habe; er habe auf Geschäfte aufgepasst. Er habe immer um 19:00 Uhr angefangen und bis 06:00 Uhr in der Früh gearbeitet. Eines Tages habe er eine weinende Frau vorgefunden, die ihm erklärt habe, dass sie von zu Hause weggelaufen sei. Sie hätte Angst vor ihrem Mann, und sie hätte vorgehabt sich umzubringen. Daraufhin habe er sie mit zu sich nach Hause genommen, um ihr zu helfen. Einen Tag später habe er seinen Cousin angerufen, dieser habe wiederum einen seiner Bekannten angerufen. Daraufhin seien die Taliban mit 3 Autos zu ihm nach Hause gekommen. Einer von den Taliban habe behauptet, dass er die Frau kenne, und habe die Frau geschlagen. Die Taliban hätten die Frau dann mitgenommen. Sie hätten sich auch die Telefonnummer des Beschwerdeführers geben lassen. Einen Tag später hätten sie ihn dann angerufen und hätten ihn treffen wollen. Zu diesem Treffpunkt sei der Beschwerdeführer aus Angst nicht gegangen, weil sie ihn beschuldigt hätten, ein Verhältnis zu dieser Frau zu haben. Zwei Tage später habe er einen Drohbrief von einem Herrn römisch 40 (dem Ehemann der Frau) bekommen. Dieser habe sich wieder mit dem Beschwerdeführer treffen wollen, der Beschwerdeführer sei aber wieder nicht zu dem Treffpunkt gegangen. Zwei Tage später habe er einen weiteren Drohbrief des Inhalts bekommen, dass sie seine Familie töten würden, wenn er zu dem nächsten Treffpunkt nicht komme. Deshalb habe er das Land alleine verlassen. Das Protokoll der Einvernahme wurde wortwörtlich rückübersetzt, der Beschwerdeführer bestätigte die richtige und vollständige Protokollierung.
Mit Bescheid vom 20.06.2018, Zl. römisch 40 , wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.) und erkannte ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 nicht zu (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Abschließend wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt römisch VI.).
In der Begründung des Bescheides gab das BFA die entscheidungsrelevanten Angaben des Beschwerdeführers wieder und traf Feststellungen zur Lage in Afghanistan. Begründend wurde zu Spruchpunkt römisch eins. ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen glaubhaft zu machen. Zu Spruchpunkt römisch II. führte die Behörde aus, dem Beschwerdeführer als gesundem und arbeitsfähigem Mann sei es - insbesondere unter Berücksichtigung seiner bereits in Afghanistan gesammelten Berufserfahrung und seiner Vertrautheit mit den dortigen Gepflogenheiten und Sitten - ein Leichtes, wieder nach Afghanistan zurückzukehren. Anzumerken sei auch, dass in Afghanistan kein Meldewesen bestehe und der Beschwerdeführer jederzeit die Möglichkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative ergreifen könne, um den von ihm behaupteten Problemen aus dem Weg zu gehen.
Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 22.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG der römisch 40 amtswegig als Rechtsberatung zur Seite gegeben.
Mit Schreiben vom 28.06.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den römisch 40 , Beschwerde gegen den Bescheid des BFA in vollem Umfang wegen behaupteter Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Darin führte er im Wesentlichen aus, er habe vor dem BFA ein substantiiertes Vorbringen erstattet, das mit den Länderfeststellungen übereinstimme. Er habe sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprochen, sondern die zentralen Punkte ohne wesentliche Abweichungen geschildert. Wie weit man bei einzelnen Fragen oder bei freier Erzählung ins Detail gehen müsse, könne der Beschwerdeführer nicht wissen, da er deren asylrechtliche Relevanz nicht kennen könne. Die ihm seiner Ansicht nach drohenden Schwierigkeiten bei einer Rückkehr nach Afghanistan versuchte er durch verschiedene Zitate aus länderbezogenen Quellen zu untermauern.
Am 14.01.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der Vertretung des Beschwerdeführers statt. Das BFA als belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. Der Beschwerdeführer wurde u.a. zu seinen Fluchtgründen und zu verschiedenen Unstimmigkeiten in seinem bis dahin erstatteten Vorbringen befragt. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer zusätzlich zu seinem bis dahin erstatteten Vorbringen, er sei in Afghanistan auch aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam von Verfolgung betroffen.
Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung verschiedene Integrationsunterlagen vor.
2 Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1 Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA
* Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2019 sowie Einsichtnahme in die in der Verhandlung vorgelegten Dokumente
* Einsichtnahme in folgende vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
o Österreichisches Rotes Kreuz/ACCORD: Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018, 7. Dezember 2018
o Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 23.11.2018
o Dossier der Staatendokumentation zur Stammes- und Clanstruktur (2016)
o UNHCR-Richtlinien Afghanistan vom 30.08.2018
o EASO Country Guidance Afghanistan: Guidance note and common analysis (June 2018)
o Mag. Zerka Malyar: Gutachten zu Blutrache und Ehrenmord in Afghanistan (27.07.2009)
o Landinfo report Afghanistan vom 23.08.2017: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne
* Einsichtnahme in die vom BF in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Integrationsunterlagen
o Teilnahmebescheinigung des BFI Oberösterreich vom 07.11.2018 betreffend Deutschkurs A1, Modul A
o Teilnahmebescheinigung des BFI Oberösterreich vom 11.12.2018 betreffend Deutschkurs A1, Modul B
o Kursbestätigung der Deutschgruppe für Asylwerber Ried in der Riedmark vom 23.04.2018
o Kursbestätigung der VHS Oberösterreich vom 26.09.2017 betreffend Deutschkurs A1, Teil 2 für AsylwerberInnen
o Kursbestätigung der VHS Oberösterreich vom 05.07.2017 betreffend Deutschkurs A1, Teil 1 für AsylwerberInnen
o Bestätigung der Marktgemeinde Ried in der Riedmark vom Oktober 2017 betreffend Remunerationstätigkeiten für den öffentlichen Raum
o Empfehlungsschreiben von Rudolf Aistleitner vom 10.03.2018
2.2 Feststellungen:
2.2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und zu den von ihm geltend gemachten Fluchtgründen:
Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er stammt aus der Provinz Ghazni, wo er bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie gelebt hat.
Der Beschwerdeführer ist traditionell verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Ehefrau und seine Kinder halten sich in Pakistan auf. Im Heimatdorf hat er nach wie vor Angehörige, mit denen er bis vor kurzem in regelmäßigem Kontakt stand und zu denen er ein gutes Verhältnis hat. Die wirtschaftliche Situation seiner Familie ist gut.
Im Heimatdorf hat der Beschwerdeführer Vermögen (ein Haus und zwei Geschäftslokale), das er von seinem Vater geerbt hat. Die Geschäftslokale werden vermietet.
Der Beschwerdeführer verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und hat in Afghanistan in verschiedenen Berufen gearbeitet. Er ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich. Der Beschwerdeführer spricht kaum Deutsch und geht keiner Arbeit nach. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Kurse bzw. keine Schule oder Universität besucht und ist auch nicht Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer verfügt kaum über soziale Kontakte in Österreich. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer konkreten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt ist oder eine solche im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
Die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers ist vergleichsweise volatil; gleichwohl war es seinen Verwandten bis vor kurzem möglich, dort in relativem Wohlstand ungestört zu leben. Auch dem Beschwerdeführer war dort ein Leben bis zu seiner Ausreise durchaus möglich.
Für den Fall, dass der Beschwerdeführer aufgrund der dort vorherrschenden allgemeinen Sicherheitslage nicht in seine Heimatprovinz zurückkehren möchte, stehen ihm innerstaatliche Fluchtalternativen in anderen Landesteilen, insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif und eventuell sogar in der Hauptstadt Kabul zur Verfügung. Diese Städte sind (etwa auf dem Luftweg) gut und sicher erreichbar.
2.2.2 Feststellungen zum Herkunftsstaat:
2.2.2.1 Auszug aus Österreichisches Rotes Kreuz/ACCORD-Bericht Afghanistan vom 7. Dezember 2018: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018:
"[...]
3 Entwicklung der Sicherheitslage
3.1 Sicherheitsrelevante Vorfälle, Anschläge und Opferzahlen
In den im August 2018 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Afghanistan hält das Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) unter Berufung auf verschiedene Quellen fest, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor volatil sei, wobei Zivilisten weiterhin die Hauptlast des Konfliktes zu tragen hätten. UNHCR führt weiter aus, dass in den Jahren nach dem Rückzug der internationalen Truppen im Jahr 2014 eine anhaltende Verschlechterung der Sicherheitslage sowie eine Intensivierung des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan zu beobachten gewesen sei, und beruft sich dabei auf die von der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) angegeben Opferzahlen für die Jahre 2009 bis 2017 (siehe Grafik weiter unten), sowie auf die folgende Stellungnahme des Afghanistanexperten Thomas Ruttig. (UNHCR, 30. August 2018, Sitzung 17-18)
Ruttig schreibt in einem im Februar 2018 veröffentlichten Artikel des Afghanistan Analyst Network (AAN), einer unabhängigen, gemeinnützigen Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, dass alle Parteien des Konfliktes in Afghanistan ihre Offensiven verstärkt hätten. Die Taliban hätten dies bereits mehrere Male getan, so beispielsweise während der US-Offensive in den Jahren 2009 bis 2012, sowie auch nach dem Rückzug des Großteils der westlichen Truppen im Jahr 2014. Obwohl die Taliban im Jahr 2017 etwas mehr Territorium dazugewonnen hätten, sei aus Sicht der Taliban ein spektakulärer Erfolg, etwa die Eroberung eines Provinzzentrums, wie es ihnen im Jahr 2015 mit Kunduz gelungen sei, ausgeblieben. Die afghanischen Regierungstruppen würden ihre eigenen gegen die Aufständischen gerichteten Militäroperationen durchführen, doch sei es ihnen bislang nicht gelungen, die Initiative an sich zu reißen. Sie hätten Schwierigkeiten, Gebiete zu halten, aus denen die Aufständischen vertrieben worden seien. Die USA würden zusätzliche Truppen entsenden und die Zahl der Luftangriffe erhöhen, um die von den Taliban eroberten Gebiete zurückzugewinnen und eine Trendumkehr einzuleiten:
"All parties to the conflict have been stepping up their campaigns. The Taleban have done so various times, during the US surge from 2009 to 2012, and again since 2014, when most of Western combat troops withdrew. Although the Taleban gained some more territory in 2017 [...], they lacked the spectacular success of catching a provincial centre, such as Kunduz in 2015. Afghan government troops are carrying out its own anti-insurgent operations [...], but were unable to gain the initiative so far. They have had difficulties in holding the territory from which insurgents were expelled. The US are sending in more troops and are increasing airstrikes to roll back Taleban gains and turn the general trend." (AAN, 5. Februar 2018, Frage 2)
Laut einer im Oktober 2018 erschienenen Analyse von BBC Monitoring, der für Medienbeobachtung zuständigen Abteilung der BBC, sei die Gruppe Islamischer Staat in der Provinz Khorasan (Islamic State Khorasan Province, ISKP) seit ihrer Gründung im Jahr 2015 zur weltweit stärksten aller Zweige des IS (Gruppe Islamischer Staat) geworden und habe die Mehrzahl der spektakuläreren in Afghanistan verübten Anschläge für sich beansprucht (BBC Monitoring, 17. Oktober 2018). Die UNAMA hält in ihrem Quartalsbericht vom Oktober 2018 fest, dass mehr als die Hälfte der zivilen Opfer des Jahres 2018 (Beobachtungszeitraum Jänner bis September 2018), die bei Selbstmordanschlägen oder "komplexen Anschlägen" getötet oder verletzt worden seien, auf das Konto der Gruppe ISKP gehen würde (UNAMA, 10. Oktober 2018, Sitzung 2). Im selben Bericht führt die UNAMA für denselben Beobachtungszeitraum an, dass regierungsfeindliche Elemente insgesamt für 65 Prozent der zivilen Opfer in Afghanistan verantwortlich seien (Taliban: 35 Prozent; ISKP: 25 Prozent; andere:
fünf Prozent). Kräfte, die mit der Regierung verbündet seien, seien für 22 Prozent aller zivilen Opfer verantwortlich, davon zu 16 Prozent die Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte, zu fünf Prozent internationale Truppen und zu einem Prozent mit der Regierung verbündete bewaffnete Gruppen:
"From 1 January to 30 September 2018, Anti-Government Elements caused 5,243 civilian casualties (1,743 deaths and 3,500 injured), accounting for 65 per cent of all civilian casualties, approximately the same as in the first nine months of 2017. Of the 65 per cent of civilian casualties attributed to Anti-Government Elements, 35 per cent were attributed to Taliban, 25 per cent to Daesh/ISKP [Islamic State Khorasan Province], and five per cent to unidentified Anti-Government Elements (including less than one per cent to self-proclaimed Daesh/ISKP). [...] Pro-Government Forces caused 22 per cent of all civilian casualties in the first nine months of 2018 (16 per cent by Afghan national security forces, five per cent by international military forces, and one per cent by pro-Government armed groups)." (UNAMA, 10. Oktober 2018, Sitzung 2-3)
Die UNAMA dokumentiert in ihren Berichten ausschließlich zivile Opfer, wobei Zivilisten nach Angaben der UNAMA als Personen definiert würden, die nicht Mitglied der Streitkräfte oder einer organisierten bewaffneten Gruppe seien. Für die Verifizierung jedes einzelnen sicherheitsrelevanten Vorfalls, von dem behauptet werde, dass zivile Opfer betroffen seien, seien nach der UNAMA-Methodologie mindestens drei unterschiedliche und unabhängige Quellentypen nötig. Falls die Unterstützungsmission mit der Quantität oder Qualität der Informationen über ein bestimmtes Ereignis nicht zufrieden sei, würde sie dieses nicht als verifiziert betrachten und nicht in die Statistik aufnehmen. (UNAMA, 15. Februar 2018, Sitzung i)
Im Jahresbericht der UNAMA für das Jahr 2017 findet sich die folgende Grafik, die die zivilen Opferzahlen innerhalb des Zeitraums 2009 bis 2017 darstellt:
Bild kann nicht dargestellt werden
Zahlen zur weiteren Entwicklung im Jahr 2018 finden sich im Quartalsbericht der UNAMA vom Oktober 2018, in dem die Unterstützungsmission angibt, dass 2.798 Zivilisten im Zeitraum 1. Jänner bis 30. September des Jahres 2018 getötet und 5.252 weitere verwundet worden seien (UNAMA, 10. Oktober 2018, Sitzung 1). Die folgende Grafik der UNAMA stellt diese Zahlen gemeinsam mit den jeweiligen Vergleichsperioden der Jahre 2009 bis 2018 dar:
Bild kann nicht dargestellt werden
Im selben UNAMA-Bericht findet sich eine weitere Darstellung, aus der hervorgeht, welche Arten von Vorfällen im Zeitraum Jänner bis September 2018 zu den oben angeführten zivilen Opfern geführt haben:
Bild kann nicht dargestellt werden
Die UNAMA hält fest, dass im Berichtszeitraum Jänner bis September 2018 die Hauptursache für zivile Todesfälle und Verletzungen durch den bewaffneten Konflikt weiterhin der kombinierte Einsatz von Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-USBVs (USBV: Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung) durch regierungsfeindliche Elemente geblieben sei. Diese hätten in den ersten drei Quartalen des Jahres 2018 ein Rekordniveau erreicht. Die regierungsfeindlichen Elemente hätten solche Angriffe zunehmend gegen die Zivilbevölkerung gerichtet, darunter die Minderheit der schiitischen Muslime, von denen der Großteil ethnische Hazara seien. Für den Berichtszeitraum dokumentiert UNAMA 3.634 zivile Opfer, die durch den Einsatz von Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-USBVs getötet (1.065 Zivilisten) oder verletzt (2.569 Zivilisten) worden seien. Im Laufe des Jahres 2018 hätten die regierungsfeindlichen Elemente ihre Anschläge auf zivile Gebiete bzw. auf die Zivilbevölkerung intensiviert, wobei sie zunehmend USBVs mit großen Sprengstoffmengen sowie multiple USBVs eingesetzt hätten, was zu einem Anstieg der Zahl an zivilen Opfern geführt habe:
"The leading cause of civilian deaths and injuries from the armed conflict remained the combined use of suicide and non-suicide IEDs [improvised explosive device] by Anti-Government Elements, reaching record high levels in the first three quarter s of 2018, with Anti-Government Elements increasingly directing such attacks against the civilian population, including minority Shi'a Muslims, the majority of whom are ethnic Hazara. Between 1 January and 30 September 2018, UNAMA documented 3,634 civilian casualties (1,065 deaths and 2,569 injured) from suicide and non-suicide IED attacks. Throughout 2018, Anti-Government Elements intensified their attacks in civilian areas and against the civilian population, increasingly using IEDs containing large amounts of explosives as well as using multiple devices, resulting in rising levels of civilian casualties." (UNAMA, 10. Oktober 2018, Sitzung 4)
Die folgende Darstellung der UNAMA aus demselben Bericht zeigt die Zahlen der in den Jahren 2009 bis 2018 (jeweils im Vergleichszeitraum 1. Jänner bis 30. September) durch USBVs getöteten bzw. verletzten Zivilisten:
Bild kann nicht dargestellt werden
Im Folgenden werden zwei weitere Quellen angeführt, die Opferzahlen in verschiedenen Ländern, darunter Afghanistan, dokumentieren. Darüber hinaus werden deren methodologische Unterschiede erläutert. Die Daten der beiden Quellen zu sicherheitsrelevanten Vorfällen und den damit verbundenen Opferzahlen werden anschließend grafisch dargestellt.
Das Uppsala Conflict Data Program (UCDP) der Uppsala Universität in Schweden dokumentiert und veröffentlicht sicherheitsrelevante Vorfälle u.a. in Afghanistan und gibt dazu jeweils auch die Zahlen der getöteten Personen (Zivilisten und Nicht-Zivilisten) an. Laut UCDP-Methodologie seien in die Zahlen drei Arten von organisierter Gewalt inkludiert: Gewalt zwischen zwei "organisierten Akteuren", von denen zumindest einer die Regierung des Staates ist; Gewalt zwischen Akteuren, von denen keiner die Regierung des Staates ist; sowie von organisierten nicht-staatlichen Gruppen oder der Regierung verübte Gewalt gegen unbewaffnete Zivilisten. UCDP gibt für jeden Vorfall drei verschiedene Opferzahlen an, einen niedrigeren Schätzwert, einen höheren, sowie einen von UCDP als den "besten Schätzwert" bezeichneten Wert. Dieser letztgenannte Wert sei nach Angaben von UCDP als Untergrenze zu verstehen und es sei durchaus wahrscheinlich, dass die tatsächlichen Opferzahlen höher seien, dagegen sei es sehr unwahrscheinlich, dass die tatsächlichen Zahlen niedriger als die von UCDP dokumentierten Angaben seien (UCDP, ohne Datum). ACCORD hat für die Erstellung der in diesem Dokument angeführten Grafiken jeweils den "besten Schätzwert" herangezogen. Weiterführende Informationen zur Methodologie der Quelle finden sich im folgenden Dokument:
* UCDP - Uppsala Conflict Data Program: Methodology, ohne Datum
https://www.pcr.uu.se/research/ucdp/methodology/
Die zweite erwähnte Quelle ist die Global Terrorism Database (GTD), die vom National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism (START), einem Forschungs- und Ausbildungszentrum an der US-amerikanischen University of Maryland, betrieben wird. In dieser Datenbank finden sich ebenfalls Zahlen zu sicherheitsrelevanten Vorfällen sowie Opferzahlen zu Afghanistan. Laut GTD-Methodologie seien darin jedoch ausschließlich terroristische Anschläge oder Angriffe vonseiten nicht-staatlicher Akteure dokumentiert (GTD, Juli 2018, Sitzung 10). Die Opferzahlen (Zivilisten und Nicht-Zivilisten) würden sowohl die Zahlen der bei den terroristischen Vorfällen getöteten Opfer als auch die Zahlen der dabei getöteten Täter bzw. Angreifer umfassen (GTD, Juli 2018, Sitzung 49). Darüber hinaus weist GTD darauf hin, dass ab dem Jahr 2012 in den GTD-Daten ein deutlicher Anstieg der weltweiten Terroranschlagszahlen zu verzeichnen sei, der zum Teil auf eine Verbesserung des Datengewinnungsprozesses zurückzuführen sei. Weiters wird vermerkt, dass es durch Knappheit an verfügbaren hochqualitativen Quellen in bestimmten geografischen Gebieten zu einer "konservativen Dokumentation" der Anschläge in den jeweiligen Gebieten kommen könne (GTD, Juli 2018, Sitzung 9). Weiterführende Informationen zur Quelle finden sich in der Methodologie, abrufbar auf der GTD-Webseite:
* GTD - Global Terrorism Database: Codebook - Inclusion Criteria and Variables, Juli 2018
https://www.start.umd.edu/gtd/downloads/Codebook.pdf
Die Zahlen der von den beiden Quellen UCDP und GTD für die Jahre 2010 bis 2017 dokumentierten Vorfälle werden zwecks Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit im Folgenden in einer gemeinsamen Grafik dargestellt. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass hier unterschiedliche Kategorien von Vorfällen einander gegenübergestellt wurden (siehe Legende). (Zu den vergleichsweise niedrigen Zahlen der Quelle GTD in den Jahren 2010 und 2011 siehe oben):
Bild kann nicht dargestellt werden
Die nächste Darstellung veranschaulicht die von den beiden Quellen UCDP und GTD dokumentierten Opferzahlen. Diese werden den oben bereits angeführten Zahlen der UNAMA 195
zu zivilen Opfern gegenübergestellt (siehe Legende). Auch hier sei darauf hingewiesen, dass hier unterschiedliche Kategorien einander gegenübergestellt wurden. (Zu den vergleichsweise niedrigen Zahlen der Quelle GTD in den Jahren 2010 und 2011 siehe oben):
Bild kann nicht dargestellt werden
Deutlich höhere Opferzahlen finden sich in einer weiteren Quelle, nämlich der Datenbank des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) der University of Sussex, das seit Beginn des Jahres 2017 politische Gewalt und Proteste in Afghanistan dokumentiert. Die ACLED-Zahlen werden im Folgenden quartalsmäßig für den Zeitraum Jänner 2017 bis September 2018 dargestellt:
Bild kann nicht dargestellt werden
Im ACLED-"Codebook" vom Dezember 2017 findet sich die Information, dass ACLED beim Dokumentieren der Vorfälle auf eine Reihe von gewalttätigen und gewaltfreien Aktionen politischer Akteure fokussiere, nämlich auf Aktionen vonseiten der Regierung, von Rebellen, Milizen, kommunalen Gruppen, politischen Parteien, externen Akteuren, Randalierern, Demonstranten und Zivilisten (ACLED, 28. Dezember 2017a, Sitzung 2). Laut einer im November 2018 von ACLED übermittelten Email-Auskunft würden Gefechte, die über mehrere Tage andauern würden, von ACLED als mehrere Vorfälle gewertet werden. ACLED würde darüber hinaus im Vergleich zu anderen Anbietern ähnlicher Produkte für seine Zahlen eine größere Bandbreite an internationalen und lokalen Quellen heranziehen (ACLED, 19. November 2018). Laut Codebook würde ACLED für Vorfälle, für die keine exakten Opferzahlen berichtet würden, Schätzungen vornehmen: "10" würden für "mehrere" Todesopfer veranschlagt,"100" für "hunderte"; wird in Berichten der Begriff "Massaker" verwendet, werde die Zahl ebenfalls auf "100" geschätzt; werden keine Toten erwähnt, so werde die Zahl auf "0" geschätzt (ACLED, 28. Dezember 2017a, Sitzung 29). Bei der Einarbeitung der Opferzahlen in die Statistik werde laut eigenen Angaben "konservativ" vorgegangen, d.h. es werde die niedrigste der zuverlässigen Zahl herangezogen. (ACLED, 28. Dezember 2017a, Sitzung 29). In einem Arbeitspapier von ACLED aus dem Jahr 2015 findet sich der Hinweis, dass in Fällen, in denen ACLED besonders stark von einer bestimmten Quellentype abhängig sei, die für bestimmte Arten von Vorfällen oder für Vorfälle in bestimmten Gebieten stark befangen seien, ACLED Gefahr laufe, die Zahl der Vorfälle zu niedrig anzusetzen (ACLED, April 2015, Sitzung 3). ACLED weist in einem anderen Papier darauf hin, dass bei der Verwendung von Opferzahlen aufgrund der Befangenheit von Quellen und der Ungenauigkeit der Informationen grundsätzlich Vorsicht geboten sei (ACLED, 28. Dezember 2017b). Die in diesem Dokument angeführten oder grafisch dargestellten ACLED-Daten basieren auf dem am 12. November 2018 von der ACLED-Website heruntergeladenen Datensatz. Es ist daher möglich, dass diese Daten in künftigen Aktualisierungen des ACLED-Datensatzes korrigiert oder ergänzt werden. Unter anderem für Afghanistan hat ACLED in einer Email-Auskunft an ACCORD noch weitere Ergänzungen oder Änderungen, auch für das Jahr 2017, angekündigt (ACLED, 28. November 2018).
Das Amt des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR), eine US-Behörde, die sich mit der Aufsicht über den Wiederaufbau in Afghanistan befasst, veröffentlicht in seinen Berichten jeweils Grafiken, die die durchschnittlichen Zahlen an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Tag darstellt.
Sicherheitsrelevante Vorfälle würden laut SIGAR bewaffnete Zusammenstöße, USBV-Anschläge, gezielte Tötungen, Entführungen, Selbstmordanschläge, kriminelle Handlungen und Bedrohungen miteinschließen. Die auf den Berichten des UN-Generalsekretärs basierenden Zahlen seien nicht durchgehend konsistent und würden einige Lücken aufweisen (SIGAR, 30. Oktober 2018, Sitzung 76). Im Folgenden wird zunächst ein aus dem SIGAR-Quartalsbericht vom Jänner 2016 entnommenes Diagramm angeführt, das den Zeitraum 16. November 2012 bis 31. Oktober 2015 zeigt. Danach findet sich ein Diagramm für den Zeitraum 1. Mai 2015 bis 15. August 2018, das aus dem SIGAR-Quartalsbericht vom 30. Oktober 2018 entnommen wurde:
Bild kann nicht dargestellt werden
Bild kann nicht dargestellt werden
SIGAR dokumentiert für den Zeitraum Jänner bis August 2018 unter Verweis auf Angaben der von der NATO geführten Beratungs- und Unterstützungsmission Resolute Support Mission die folgenden Zahlen an zivilen Opfern (Getötete und Verletzte) je Provinz. Zusätzlich wird jeweils die Zahl der zivilen Opfer pro tausend Einwohner angegeben:
Bild kann nicht dargestellt werden
Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) veröffentlicht in seiner im Dezember 2017 erschienenen Übersicht zur humanitären Situation in Afghanistan eine Karte, die den Schweregrad des Konfliktes in den unterschiedlichen Regionen Afghanistans darstellt. Der Schweregrad sei laut dem Bericht durch die drei Indikatoren sicherheitsrelevante Vorfälle, Höhe der Anzahl ziviler Opfer, sowie das Ausmaß der durch den Konflikt verursachten Vertreibung innerhalb des Jahres 2017 bestimmt:
Bild kann nicht dargestellt werden
[...]"
2.2.2.2 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan (Gesamtaktualisierung 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 23.11.2018):
"[...]
KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vergleiche NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vergleiche TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vergleiche LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vergleiche TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vergleiche AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vergleiche DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vergleiche DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vergleiche AJ 12.11.2018).
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vergleiche 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vergleiche 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vergleiche 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vergleiche 1TV 31.10.2018).
KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anmerkung in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vergleiche LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vergleiche CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vergleiche LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vergleiche AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vergleiche RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vergleiche RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).
Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern vergleiche AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.
Zivile Opfer
Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED .[Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).
Bild kann nicht dargestellt werden
(UNAMA 10.10.2018)
Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:
davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).
Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).
Bild kann nicht dargestellt werden
(UNAMA 10.10.2018)
KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vergleiche Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:
Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vergleiche Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vergleiche UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anmerkung getötet (SIGAR 30.7.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vergleiche NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).
Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vergleiche UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet.
30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vergleiche UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vergleiche KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vergleiche UNGASC 10.9.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.
Bild kann nicht dargestellt werden
(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a)
Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.
Bild kann nicht dargestellt werden
(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)
.
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen.
Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).
Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vergleiche UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).
Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).
Bild kann nicht dargestellt werden
(UNAMA 15.7.2018)
Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und -prävention" und das Protokol römisch fünf der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).
Wahlen
Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vergleiche IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).
Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).
Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vergleiche UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vergleiche AAN 9.10.2018).
KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)
Anschläge in Nangarhar 11.9.2018
Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vergleiche TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).
Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vergleiche RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).
Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018
Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b).
Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).
Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vergleiche FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018).
Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i-Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vergleiche LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).
IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018
Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vergleiche Khaama Press 10.9.2018b).
IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018
Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vergleiche CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).
KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)
Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018
Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz- Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vergleiche IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vergleiche BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vergleiche Tolonews 19.8.2018).
IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018
Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vergleiche BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vergleiche NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018).
Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vergleiche RFE/RL 17.8.2018).
Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vergleiche Reuters 16.8.2018b).
Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab
Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vergleiche ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden Ausschussbericht 15.8.2018; vergleiche Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vergleiche ANSA 13.8.2018).
Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vergleiche Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).
Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vergleiche CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vergleiche ANSA 14.8.2018).
IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018
Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vergleiche Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).
IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018
Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vergleiche Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vergleiche France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vergleiche Reuters 23.7.2018).
Politische Lage
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vergleiche Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vergleiche Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).
Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vergleiche DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vergleiche AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).
Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vergleiche USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vergleiche USDOS 15.8.2017).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).
Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vergleiche CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vergleiche AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).
Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).
Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).
Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).
Parteienlandschaft und Opposition
Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vergleiche Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).
Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) Ausschussbericht 18.11.2017; vergleiche AAN 6.5.2018).
Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vergleiche AAN 11.10.2017).
Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vergleiche Ausschussbericht 29.5.2017).
Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram Ausschussbericht 15.1.2016; vergleiche Ausschussbericht 29.5.2017).
Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vergleiche AAN 21.8.2017).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vergleiche TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vergleiche Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vergleiche TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen vergleiche Kapitel 3. "Sicherheitslage").
Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).
Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vergleiche Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anmerkung erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anmerkung Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vergleiche TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
Bild kann nicht dargestellt werden
(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).
Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)
Bild kann nicht dargestellt werden
(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)
Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).
Bild kann nicht dargestellt werden
(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)
Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:
Bild kann nicht dargestellt werden
(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
Bild kann nicht dargestellt werden
(Darstellung der Staatendokumentation)
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vergleiche AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vergleiche UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vergleiche SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vergleiche Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vergleiche BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).
* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).
* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vergleiche Gandhara 30.5.2018)
* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).
* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vergleiche Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).
* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vergleiche Tolonews 9.5.2018).
* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vergleiche APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vergleiche Tolonews 30.4.2018b).
* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vergleiche APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vergleiche APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vergleiche APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vergleiche AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vergleiche APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vergleiche APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vergleiche APN 30.4.2018a).
* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vergleiche NYT 28.1.2018).
* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vergleiche TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vergleiche TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).
* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vergleiche Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).
* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vergleiche DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).
* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:
Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vergleiche AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).
Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten
Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vergleiche UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vergleiche UNAMA 7.11.2017)
Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).
Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)
* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vergleiche Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vergleiche RFE/RL 5.6.2018).
* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vergleiche Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vergleiche TG 20.5.2018).
* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).
* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vergleiche TG 20.10.2017).
* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).
* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vergleiche Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).
* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).
* In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).
Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:
Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vergleiche DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:
* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vergleiche Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).
* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vergleiche NZZ 22.4.2018).
* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vergleiche Slate 22.4.2018).
Zivilist/innen
Bild kann nicht dargestellt werden
(UNAMA 2.2018)
Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).
Konkrete Informationen zu Zahlen und Tätern können dem Subkapitel "Regierungsfeindliche Gruppierungen" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vergleiche HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vergleiche HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anmerkung 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).
Weiterführende Informationen zu den regierungsfreundlichen Gruppierungen können dem Kapitel 5. "Sicherheitsbehörden" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vergleiche LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vergleiche LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vergleiche Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vergleiche Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vergleiche AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vergleiche AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).
Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).
Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).
Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).
Haqqani-Netzwerk
Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).
Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).
Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).
Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vergleiche AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).
Al-Qaida
Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).
[...]
Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vergleiche Pajhwok o.D.z).
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).
Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vergleiche Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vergleiche Kapitel 3.35.).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vergleiche UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vergleiche FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vergleiche VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).
Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
Bild kann nicht dargestellt werden
Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vergleiche AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vergleiche MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vergleiche RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vergleiche NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).
[...]
Balkh
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).
Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen vergleiche Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vergleiche Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vergleiche Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vergleiche Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vergleiche BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vergleiche iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vergleiche Tolonews 22.4.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
Bild kann nicht dargestellt werden
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vergleiche PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vergleiche PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vergleiche Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).
Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh
Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).
[...]
Ghazni
Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi (UN-OCHA 4.2014; vergleiche Pajhwok o.D.a). Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 4.2017). Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind (Pajhwok o. D.a).
Ghazni besteht aus den folgenden Distrikten: die Provinzhauptstadt Ghazni, sowie die Distrikte Andar, Muqur, Khugiani/Khugaini/Khogyani, Qara Bagh/Qarabagh, Gilan/Gelan/Gailan, Waghiz/Waghaz, Giro/Gairo, Deh Yak/Dehyak, Nawar/Nawur, Jaghori/Jaghuri, Malistan/Malestan, Rashidan, Ab Band/Abband, Khugiani, Nawa, Jaghato/Jaghato, Zankhan/Zanakhan, Ajeristan/Ajrestan und Khwaja Omari/Khwajaumari (Pajhwok o.D.a; vergleiche UN OCHA 4.2014, GI o.D.). Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet (Khaama Press 2.7.2017; vergleiche HoA 15.3.2016).
Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist (UNODC 11.2017).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv (Khaama Press 1.2.2018; vergleiche SD 1.2.2018). In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (Xinhua 18.3.2018).
Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (IWPR 15.1.2018).
Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (UNGASC 27.2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
Bild kann nicht dargestellt werden
Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt (Pajhwok 14.1.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Ghazni
Miliärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt (Tolonews 17.3.2018; vergleiche Xinhua 27.1.2018, ZNI 3.3.2018, Tolonews 5.2.2018, Tolonews 24.3.2018, MF 25.3.2018,
Tolonews 5.12.2017; MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Pajhwok 13.3.2018; vergleiche MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017, MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017). Luftangriffe werden ebenso durchgeführt (Khaama Press 1.2.2018), bei denen auch Taliban getötet werden (Khaama Press 1.2.2018; vergleiche Pajhwok 12.3.2018).
Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (AJ 11.6.2018; vergleiche AJ 21.5.2018, VoA 22.10.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni
Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv (VoA 10.1.2018). Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein (Pajhwok 1.7.2017).
Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei (VoA 10.1.2018). Für den Zeitraum 1.1.- 15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert (ACLED 23.2.2018).
[...]
Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vergleiche Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand vergleiche Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vergleiche NPS o.D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vergleiche EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vergleiche EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vergleiche EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vergleiche EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vergleiche RFE/RL 6.12.2017).
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vergleiche RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vergleiche UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).
Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
Bild kann nicht dargestellt werden
Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Herat
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vergleiche NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vergleiche NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vergleiche AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;
vergleiche UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;
vergleiche Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vergleiche DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vergleiche Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vergleiche NYT 29.8.2017).
Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).
ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).
[...]
Erreichbarkeit
[...]
Ring Road
Straßen wie die "Ring Road", auch bekannt als "Highway One", die das Landesinnere ringförmig umgibt, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (HP 9.10.2015; vergleiche FES 2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vergleiche TG 22.10.2014, BFA Staatendokumentation 4.2018). Die Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts von 3.360 km Länge, das 16 Provinzen mit den größten Städten Afghanistans, Kabul, Mazar, Herat, Ghazni und Jalalabad, verbinden soll (Tolonews 9.12.2017). Die asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank - ADB, Anmerkung genehmigte 150 Millionen USD, um die Kabul Ring Road fertig zu stellen. Die fehlenden 151 Kilometer sollen künftig den Distrikt Qaisar (Provinz Faryab, Anmerkung mit Dar-e Bum (Provinz Badghis, Anmerkung verbinden. Dieses Straßenstück ist der letzte Teil der 2.200 km langen Straße, welche die großen Städte Afghanistans miteinander verbindet. Mittlerweile leben mehr als 80% der Afghanen weniger als 50 km von der Ring Road entfernt. Die Fernstraße wird in diesem Projekt außerdem mit einem Entwässerungssystem ausgestattet, als auch mit weiteren modernen Sicherheitsfunktionen. Durch das Ring Road Projekt sollen regionale Verbindungen erleichtert und die Qualität der Transportdienste verbessert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
[...]
Transportwesen
Das Transportwesen in Afghanistan gilt als "verhältnismäßig gut". Es gibt einige regelmäßige Busverbindungen innerhalb Kabuls und in die wichtigsten Großstädte Afghanistans (UB 3.2016; vergleiche IE o.D.). Die Kernfrage bleibt nach wie vor die Sicherheit (IWPR 26.3.2018; vergleiche Reuters 13.6.2016, UB 3.2016). Es existieren einige nationale Busunternehmen, welche Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamiyan miteinander verbinden; Beispiele dafür sind Bazarak Panjshir, Herat Bus, Khawak Panjshir, Ahmad Shah Baba Abdali (vertrauliche Quelle 14.5.2018; vergleiche IWPR 26.3.2018).
Aus Bequemlichkeit bevorzugen Reisende, die es sich leisten können, die Nutzung von Gemeinschaftstaxis nach Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamiyan (vertrauliche Quelle 14.5.2018). [...]
Beispiele für Busverbindungen
Kabul-Stadt
Der Mangel an Bussen insbesondere während der Stoßzeit in Kabul-Stadt ist eine Herausforderung für die afghanische Regierung. Im Laufe der Jahre wurde versucht, dieses Problem zu lösen, indem Indien dem staatlichen Busunternehmen "Afghan Milli Bus Enterprise" Busse zur Verfügung stellte (AZ 26.7.2015). Bis Ende 2018 sollen 350 Busse durch indische Hilfsgelder instand gesetzt werden (Khaama Press 27.11.2017). Auch wird gemäß Aussagen des Bürgermeisters von Kabul ein Projekt zur Einrichtung eines Metro-Bus-Dienstes, auch Bus Rapid Transit genannt, in Kabul-Stadt geplant, der 2018 vollendet werden soll. Die erste Strecke soll 8 km abdecken und Deh Afghana mit Sara-e-Shamali verbinden, während die zweite Route vom Baraki Platz bis Deh Afghana über Kote Sangi und Deh Mazang verlaufen soll. Insgesamt sollen 111 km innerhalb der Stadt durch den Metro-Bus-Dienst abgedeckt werden (Khaama Press 12.9.2017; vergleiche Tolonews 15.6.2017).
Mazar-e Sharif
Es gibt einige Busverbindungen zwischen Mazar-e Sharif und Kabul. Bis zu 50 unterschiedliche Unternehmen bieten 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, Fahrten von und nach Kabul an. Ausführende Busunternehmen sind beispielsweise Bazarak Panjshir Bus, Hesarak Panjshir Bus, Jawid Bus, Khorshid Bus und Jabal Seraj Bus. Die Preise pro Passagier liegen zwischen 400 und 1.000 Afghani und hängen stark vom Komfort im Bus ab. So kann man zum Beispiel in einem Bus der Marke Mercedes Benz mit Toiletten, Kühlschränken und Internet reisen. Busreisen gelten als relativ günstig (BFA Staatendokumentation 4.2018).
[...]
Flugverbindungen
Der folgenden Karte können Informationen über aktive Militär-, Regional- und internationale Flughäfen in den verschiedenen Städten Afghanistans entnommen werden.
Anmerkung der Staatendokumentation: Zu beachten ist, dass es innerhalb von kurzer Zeit zu Änderungen der Flugverbindungen kommen kann und in der Karte ausschließlich jene Flughäfen eingetragen sind, die laut Quellen am 8.5.2018 Linienverbindungen für Passagiere oder eine geplante Flugbewegung im Zeitraum bis sieben Tage nach der Abfrage aufwiesen.
Bild kann nicht dargestellt werden
(BFA Staatendokumentation 8.5.2018, Flughafenkarte; vergleiche Migrationsverket 4.5.2018).
Internationale Flughäfen in Afghanistan
In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).
Internationaler Flughafen Kabul
Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vergleiche HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).
Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
[...]
Internationaler Flughafen Herat
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vergleiche TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).
[...]
Rechtsschutz/Justizwesen
Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof (Stera Mahkama, Anm.), den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. (Casolino 2011). Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat (Afghan Ulama Council - AUC, Shura-e ulama-e afghanistan, Anm.), eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat (USDOS 15.8.2017; vergleiche Ausschussbericht 7.6.2017, AP o.D.).
Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:
Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen (NYT 26.12.2015; vergleiche AP o.D.).
Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist (AP o.D.; vergleiche vertrauliche Quelle 10.4.2018). Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle als auch das islamische Recht anzuwenden (AP o.D.).
Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich. Dem Gesetz nach gilt für alle Bürger/innen die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Bürger/innen sind bzgl. ihrer Verfassungsrechte oft im Unklaren und es ist selten, dass Staatsanwälte die Beschuldigten über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informieren. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt, sich von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt (USDOS 20.4.2018). In Afghanistan existieren keine Strafverteidiger nach dem westlichen Modell; traditionell dienten diese nur als Mittelsmänner zwischen der anklagenden Behörde, dem Angeklagten und dem Gericht. Seit 2008 ändert sich diese Tendenz und es existieren Strafverteidiger, die innerhalb des Justizministeriums und auch außerhalb tätig sind (NYT 26.12.2015). Der Zugriff der Anwälte auf Verfahrensdokumente ist oft beschränkt (USDOS 3.3.2017) und ihre Stellungnahmen werden während der Verfahren kaum beachtet (NYT 26.12.2015). Berichten zufolge zeigt sich die Richterschaft jedoch langsam respektvoller und toleranter gegenüber Strafverteidigern (USDOS 20.4.2018).
Gemäß einem Bericht der New York Times über die Entwicklung des afghanischen Justizwesens wurden im Land zahlreiche Fortbildungskurse für Rechtsgelehrte durch verschiedene westliche Institutionen durchgeführt. Die Fortbildenden wurden in einigen Fällen mit bedeutenden Aspekten der afghanischen Kultur (z. B. Respekt vor älteren Menschen), welche manchmal mit der westlichen Orientierung der Fortbildenden kollidierten, konfrontiert. Auch haben Strafverteidiger und Richter verschiedene Ausbildungshintergründe: Während Strafverteidiger rechts- und politikwissenschaftliche Fakultäten besuchen, studiert der Großteil der Richter Theologie und islamisches Recht (NYT 26.12.2015).
Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll (USIP 3.2015; vergleiche USIP o.D.). Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.).
Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9.2016; vergleiche USIP o.D., NYT 26.12.2015, WP 31.5.2015, AA 5.2018). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 5.2018).
Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten. Bei Angelegenheiten, wo keine klar definierte Rechtssetzung angewendet werden kann, setzen Richter und lokale Schuras das Gewohnheitsrecht (welches auch nicht einheitlich ist, Anmerkung durch (USDOS 20.4.2018).
Gemäß dem "Survey of the Afghan People" der Asia Foundation (AF) nutzten in den Jahren 2016 und 2017 ca. 20.4% der befragten Afghan/innen nationale und lokale Rechtsinstitutionen als Schlichtungsmechanismen. 43.2% benutzten Schuras und Jirgas, währed 21.4% sich an die Huquq-Abteilung [Anm.: "Rechte"-Abteilung] des Justizministeriums wandten. Im Vergleich zur städtischen Bevölkerung bevorzugten Bewohner ruraler Zentren lokale Rechtsschlichtungsmechanismen wie Schuras und Jirgas (AF 11.2017; vergleiche USIP o.D., USDOS 20.4.2018). Die mangelnde Präsenz eines formellen Rechtssystems in ruralen Gebieten führt zur Nutzung lokaler Schlichtungsmechanismen. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 3.3.2017; vergleiche USDOS 20.4.2018). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles auf der Scharia basierendes Rechtssystem um (USDOS 20.4.2018).
Die Unabhängigkeit des Justizwesens ist gesetzlich festgelegt; jedoch wird die afghanische Judikative durch Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquate Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert (USDOS 20.4.2018). Rechtsstaatliche (Verfahrens-)Prinzipien werden nicht konsequent angewandt (AA 9.2016). Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Fähigkeit die hohe Anzahl an neuen und novellierten Gesetzen einzugliedern und durchzuführen. Der Zugang zu Gesetzestexten wird zwar besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt aber für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben, erhöht sich weiterhin (USDOS 3.3.2017). Im Jahr 2017 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit auf 1.000 geschätzt (CRS 13.12.2017), davon waren rund 260 Richterinnen (CRS 13.12.2017; vergleiche AT 29.3.2017). Hauptsächlich in unsicheren Gebieten herrscht ein verbreiteter Mangel an Richtern und Richterinnen. Nachdem das Justizministerium neue Richterinnen ohne angemessene Sicherheitsmaßnahmen in unsichere Provinzen versetzen wollte und diese protestierten, beschloss die Behörde, die Richterinnen in sicherere Provinzen zu schicken (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin, Anisa Rasooli, als erste Frau zur Richterin des Obersten Gerichtshofs ernannt, jedoch wurde ihr Amtsantritt durch das Unterhaus [Anm.: "wolesi jirga"] verhindert Ausschussbericht 12.11.2017; vergleiche AT 29.3.2017). Auch existiert in Afghanistan die "Afghan Women Judges Association", ein von Richterinnen geführter Verband, wodurch die Rechte der Bevölkerung, hauptsächlich der Frauen, vertreten werden sollen (TSC o.D.).
Korruption stellt weiterhin ein Problem innerhalb des Gerichtswesens dar (USDOS 20.4.2017; vergleiche FH 11.4.2018); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen (FH 11.4.2018), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 20.4.2017). Wegen der Langsamkeit, der Korruption, der Ineffizienz und der politischen Prägung des afghanischen Justizwesens hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in die Judikative (BTI 2018). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das "Anti-Corruption Justice Center" (ACJC), um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren Ausschussbericht 17.11.2017; vergleiche Reuters 12.11.2016). Der afghanische Generalprokurator Farid Hamidi engagiert sich landesweit für den Aufbau des gesellschaftlichen Vertrauens in das öffentliche Justizwesen (BTI 2018). Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).
[...]
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vergleiche CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vergleiche CIA Factbook 18.1.2018).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vergleiche MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).
[...]
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vergleiche AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Ausführliche Informationen zu Angriffen auf schiitische Gedenkstätten, sind dem Kapitel Sicherheitslage zu entnehmen; Anmerkung der Staatendokumentation.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban- Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vergleiche IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vergleiche GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen
Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vergleiche BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vergleiche USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
Ausführliche Informationen zu den Hazara, können ebenso dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
[...]
Grundversorgung und Wirtschaft
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vergleiche WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vergleiche AF 14.11.2017).
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vergleiche SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).
Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).
Projekte der afghanischen Regierung
Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.
a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vergleiche GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).
Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern, sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018).
[...]
Medizinische Versorgung
Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5.2018).
In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vergleiche USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).
Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (TWBG 10.2016). In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt (AA 5.2018). Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Krankenkassen und Gesundheitsversicherung
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vergleiche MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).
Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vergleiche AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5.2018).
Beispiele für Behandlung psychischer erkrankter Personen in Afghanistan
In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul sind dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden genauso wie Kranke und Alte gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sicherstellen (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. So existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es wird ihnen durch eine "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben (AA 9.2016; vergleiche AP 18.8.2016). Beispielweise wurde in der Provinz Badakhshan durch internationale Zusammenarbeit ein Projekt durchgeführt, bei dem konventionelle und kostengünstige e-Gesundheitslösungen angewendet werden, um die vier häufigsten psychischen Erkrankungen zu behandeln: Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Erste Evaluierungen deuten darauf hin, dass in abgelegenen Regionen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert werden konnte. Auch die gesellschaftliche Stigmatisierung psychisch Erkrankter konnte reduziert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (AA 5.2018).
Krankenhäuser in Afghanistan
Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen (IOM 5.2.2018). Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (RFG 2017). In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw. fachlicher Expertise nicht behandelt werden können (IOM 5.2.2018). Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen (RFG 2017). Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (IOM 5.2.2018).
Es folgt eine Liste einiger staatlicher Krankenhäuser:
* Ali Abad Krankenhaus: Kart-e Sakhi, Jamal Mina, Kabul University
Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2510 355 (KUMS o.D.; vergleiche MoPH 11.2012)
* Antani Krankenhaus für Infektionskrankheiten: Salan Watt, District 2, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2201 372 (LN o.D.; vergleiche MoPH 11.2012)
* Ataturk Kinderkrankenhaus: Behild Aliabaad (in der Nähe von der Kabul University), District 3, Kabul, Tel.: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312 (LN o.D.; vergleiche HPIC o.D.a, MoPH 11.2012)
* Istiqlal/Esteqlal Krankenhaus: District 6, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500674 (LN o.D.; vergleiche Ausschussbericht 20.1.2016, MoPH 11.2012)
* Ibne Sina Notfallkrankenhaus: Pull Artal, District 1, Kabul, Tel.:
+93 (0)202100359 (LN o.D.; vergleiche HPIC o.D.b, MoPH 11.2012)
* Jamhoriat Krankenhaus: Ministry of Interior Road, Sidarat Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375 (LN o.D.; HPIC o.D.c, MoPH 11.2012)
* Malalai Maternity Hospital: Malalai Watt, Shahre Naw, Kabul, Tel.:
+93(0)20 2201 377 (LN o.D.; vergleiche HPIC o.D.d, MoPH 11.2012)
* Noor Eye Krankenhaus: Cinema Pamir, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2100 446 (LN o.D.; vergleiche IAM o.D., MoPH 11.2012)
* Rabia-i-Balki Maternity Hospital: Frosh Gah, District 2, Kabul, Tel.: +93(0)20 2100439 (LN o.D.; vergleiche MoPH 11.2012)
* Wazir Akbar Khan Krankenhaus: Wazir Akbar Khan, Kabul, Tel.: +93 (0)78 820 0419 (MoPH 11.2012; vergleiche Tolonews 1.6.2017)
* Herat Regionalkrankenhaus: Khaja Ali Movafaq Rd, Herat (MoPH 2013; vergleiche Pajhwok 3.8.2017)
* Mirwais Nika Krankenhaus in Kandahar, Tel.: +93 (0)79 146 4237 (ICRC 28.1.2018; vergleiche ICRC 3.2.2017)
Es gibt zahlreiche private Kliniken, die auf verschiedene medizinische Fachbereiche spezialisiert sind. Es folgt eine Liste einiger privater Gesundheitseinrichtungen:
* Amiri Krankenhaus: Red Crescent, 5th Phase, Qragha Road, Kabul,
Tel.: +93 (0)20 256 3555 (IOM 5.2.2018)
* Shfakhanh Maljoy Frdos/Ferdows: Chahr Qala-e-Chahardihi Road,
Kabul, Tel.: +93 (0)70 017 3124 (Cybo o.D.)
* Khair Khwa Medical Complex: Qala Najar Ha, Kabul, Tel.: +93 (0)72 988 0850 (KMC o.D.)
* DK - German Medical Diagnostic Center: Ansari Square, 3d Street, Shahr-e Nau, Kabul, Tel.: +93 (0)70 606 0141 (MK o.D.)
* French Medical Institute for Mothers and Children: Hinter der Kabul University, Aliabad, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500 200 (FMIC o. D.)
* Luqmah Hakim: Bagh-e Azadi Ave, Herat, Tel.: +93 (0)79 232 5907 (IOM 5.2.2017; vergleiche LHH o.D.)
* Alemi Krankenhaus: Mazar-e Sharif (BFA Staatendokumentation 4.2018)
Beispiele für Nichtregierungsinstitutionen vor Ort
Ärzte ohne Grenzen (MSF)
Médecins sans Frontières (MSF) ist in verschiedenen medizinischen Einrichtungen in Afghanistan tätig: im Ahmad Shah Baba Krankenhaus und im Dasht-e Barchi Krankenhaus in Kabul, in der Entbindungsklinik in Khost, im Boost Krankenhaus in Lashkar Gah (Helmand) sowie im Mirwais Krankenhaus und anderen Einrichtungen in Kandahar (MSF o. D.).
Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)
Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung. Für den Zeitraum von Dezember 2017 bis März 2018 wurden Berichten zufolge insgesamt 48 Zwischenfälle in 13 Provinzen registriert. Nach mehreren Angriffen mit Todesfolge auf Mitarbeiter des ICRC, hat das Internationale Komitee des Roten Kreuzes 2017 einen erheblichen Teil seines Personals im Land abgezogen (AA 5.2018). Trotzdem blieb im Laufe des Jahres 2017 das ICRC landesweit aktiv. Tätigkeiten des Komitees zur Förderung der Gesundheitsfürsorge waren z.B. der Transport von Kriegsverwundeten in nahe liegende Krankenhäuser für weitere medizinische Versorgung, die Bereitstellung von Medikamenten und medizinischer Ausstattung zur Unterstützung einiger staatlicher Krankenhäuser, die Bereitstellung von medizinischer Unterstützung für das Mirwais Krankenhauses in Kandahar, die Unterstützung von Gesundheitsdienstleistungen in zwei Gefängnissen (Kandahar und Herat) usw. (ICRC 28.1.2018).
International Psychosocial Organization (IPSO) in Kabul
IPSO bietet landesweit psychosoziale Betreuung durch Online-Beratung und Projektfeldarbeit mit insgesamt 280 psychosozialen Therapeuten, wovon die Hälfte Frauen sind. Die Online-Beratung steht von 8-19 Uhr kostenfrei zur Verfügung; angeboten werden ebenso persönliche Sitzungen in Beratungszentren der Krankenhäuser. Einige der Dienste dieser Organisation sind auch an Universitäten und technischen Institutionen verfügbar. Unter anderem ist IPSO in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Herat, Bamyan, Badakhshan, Balkh, Jawzjan und Laghman tätig (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Medica Afghanistan in Kabul
Medica Afghanistan bietet kostenfreie psychosoziale Einzel- und Gruppentherapien an. Die Leistungen sind nur für Frauen zugänglich und werden in Kabul in unterschiedlichen Frauenhäusern und -gefängnissen sowie Jugendzentren angeboten. Auch werden die Leistungen der Organisation in drei Hauptkrankenhäusern, im "Women's Garden, im Ministeirum für Frauenangelegenheiten (MoWA) und an weiteren Standorten in Kabul angeboten (BFA Staatendokumentation 4.2018).
PARSA Afghanistan
Parsa ist seit 1996 als registrierte NGO in Afghanistan tätig. Die Organisation spezialisiert sich u.a. auf psychologische Leistungen und Ausbildung von afghanischem Fachpersonal, das in sozialen Schutzprogrammen tätig ist und mit vulnerablen Personen arbeitet. Zu diesen Fachkräften zählen Mitarbeiter in Zentren für Binnenvertriebene, Frauenhäusern und Waisenhäusern sowie Fachkräfte, die in lokalen Schulen am Projekt "Healthy Afghan Girl" mitarbeiten und andere Unterstützungsgruppen (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Weitere Projekte
Das Telemedizinprojekt des Mobilfunkanbieters Roshan, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialisten im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden mittellose Patienten auf dem Land von Fachärzten diagnostiziert. Unter anderem bietet die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie afghanischen Ärzten die Möglichkeit, ihre medizinischen Kenntnisse zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen (GI 17.12.2016; vergleiche NCBI 23.3.2017).
[...]
Rückkehr
Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand
21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).
Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).
Bild kann nicht dargestellt werden
Anzahl der Rückkehrer/innen aus dem Ausland nach Provinzen (IOM/DT 26.3.2018)
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:
IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart römisch II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart römisch II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018).
NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung
Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Ausführliche Informationen zu den Programmen und Maßnahmen der erwähnten Organisationen sowie weitere Unterstützungsmaßnahmen können dem FFM-Bericht Afghanistan 4.2018 entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Afghanische Flüchtlinge in Pakistan
Die pakistanische Regierung hat die Gültigkeit der PoR-Cards (Proof of Registration Cards) für die 1.4 Millionen afghanische Flüchtlinge im Land bis 30.6.2018 verlängert - vorbehaltlich der Prüfung nach den bevorstehenden Bundeswahlen in Pakistan und der Ernennung des neuen Kabinetts. Zusätzlich hat NADRA (National Database and Registration Authority) damit begonnen, die sogenannte Afghan Citizen Card (ACC) an 878.000 nicht registrierte Afghanen zu verteilen, die sich seit 16.8.2017 in 21 Registrierungszentren in Pakistan haben registrieren lassen; bis 28.2.2018 wurden der Registrierungsprozess für die ACC abgeschlossen, die Zentren bleiben nach wie vor offen, um die Karten zu verteilen. Die Karten sind bis 30.6.2018 gültig; deren Besitzer sind verpflichtet bis dahin nach Afghanistan zurückzukehren, um Dokumente zu beantragen (einen afghanischen Pass und ein Visum für Pakistan) bevor sie nach Pakistan zurückkehren. Die restlichen rund 200.000 nicht-registrierten Afghan/innen könnten möglicherweise einer Deportation ausgesetzt sein. Bis 12.3.2018 erhielten 175.321 ihre ACC (IOM 20.3.2018).
Afghanische Flüchtlinge im Iran
Die letzten zwei bis drei Jahre zeigen doch auf eine progressivere Entwicklung für Afghanen im Iran, wo sich die Maßnahmen der iranischen Behörden auf einen höheren Integrationsgrad der Afghanen zubewegen. Die freiwillige Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge ist immer noch das Hauptziel der iranischen Flüchtlingspolitik, aber man hat eingesehen, dass dies im Moment nicht in größerem Maße geschehen kann. Deshalb versucht man Maßnahmen zu ergreifen, die die Situation für die Afghanen verbessern, während man darauf wartet, dass eine Rückkehr stattfinden kann. Es gibt heute einen politischen Willen, die Fähigkeit der Afghanen, sich besser selbst zu versorgen und selbstständiger zu werden, zu unterstützen, aber gleichzeitig sind die Ressourcen des Iran begrenzt und dies bedeutet eine große Herausforderung für die iranischen Behörden. Es gibt auch von den iranischen Behörden nicht zuletzt aus sicherheitsmäßigen Aspekten Interesse daran, mehr Kenntnisse über die Anzahl der sich illegal im Land aufhaltenden Staatsbürger zu erhalten. Dieses hatte zur Folge, dass die iranischen Behörden im Jahr 2017 mit einer Zählung (headcount) und der Registrierung der Afghanen, die sich illegal im Land aufhalten, begonnen haben. In dieser ersten Runde hat man einige ausgewählte Kategorien priorisiert, beispielsweise nicht-registrierte Afghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind und Kinder in der Schule haben (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).
Trotz aller Kritik sind sich UNHCR und NGOs einig, dass dem Iran im Umgang mit afghanischen Flüchtlingen mehr Anerkennung zusteht, als ihm zuteil wird (AN 17.3.2018). So haben sich die Zugangsmöglichkeiten für afghanische Flüchtlinge zum Gesundheits- und Bildungswesen sowie zu sozialen Absicherungsmaßnahmen in Iran verbessert (BFA/Migrationsverket 10.4.2018; vergleiche AN 17.3.2017, EN 26.10.2017, DW 22.9.2017). Der Iran hat einen Präzedenzfall geschaffen, indem allen Flüchtlingen im Land Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversicherung Salamat Universal Public Health Insurance (UPHI) eröffnet wurde; diese Versicherung ist jenen Versicherungsleistungen ähnlich, zu denen iranische Staatsbürger/innen Zugang haben (UNHCR 17.10.2017; vergleiche GV 3.1.2015).
Im Gegensatz zu Pakistan leben nur 3% der afghanischen Flüchtlinge in Iran in Camps (BFA/Migrationsverket 10.4.2018; vergleiche UNHCR 17.10.2017). Auch wenn die Flüchtlingslager für Amayesh-registrierte ("Amayesh" ist die Bezeichnung für das iranische Flüchtlingsregistrierungssystem, Anmerkung Personen vorgesehen sind, leben dort in der Praxis auch nicht-registrierte Afghanen (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).
Die Mehrheit der Afghanen, die sich sowohl legal als auch illegal im Land aufhalten, wohnen in von Afghanen dominierten urbanen und halb-urbanen Gebieten. Schätzungen zufolge leben circa 57% der Afghanen im Iran in der Provinz Teheran, Isfahan sowie Razavi-Chorsan (mit Maschhad als Hauptort). Um die 22% leben in den Provinzen Kerman, Fars und Ghom, während die Übrigen in den anderen Provinzen verteilt sind. Die afghanische Flüchtlingspopulation im Iran besteht aus einer Anzahl unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Schätzungen über die registrierten Afghanen zufolge gehört die Mehrheit von ihnen der Ethnie der Hazara an, gefolgt von Tadschiken, Paschtunen, Belutschen und Usbeken. Es fehlen Zahlen zur nicht-registrierten Gemeinschaft, dennoch stellen auch hier die Hazara und die Tadschiken eine Mehrheit dar (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).
Weiterführende Informationen über die Lage afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem von der Staatendokumentation des BFA übersetzten LIFOS-Bericht über Afghanen im Iran entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation."
2.2.2.3 Auszug aus dem Dossier der Staatendokumentation zu Afghanistan aus dem Jahr 2016 zum Thema "Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur":
Aus dem Kapitel "Ethnische Gruppen und Strukturen" (Prof. Dr. Lutz Rzehak, Humboldt-Universität zu Berlin):
"[...]
Hazara
Die Hazara (Eigenbezeichnung je nach Region und Dialekt azara, azra, azra oder azrago) besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist.25 Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamiyan, Ghazni, Daikondi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balch, Badghis, and Sar-i Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre turko-mongolide Physiognomie, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (Siebener-Schiiten). Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung.26 In den Jahren 1891-1893 führte der afghanische Emir Abdurrahman Khan einen Eroberungskrieg gegen die schiitischen Hazara im zentralen Bergland, als dessen Ergebnisse zahlreiche Hazara aus ihren bisherigen Siedlungsgebieten vertrieben wurden und Paschtunen ihre Gebiete einnahmen (vor allem in der heutigen Provinz Uruzgan). Schon vorher waren Hazara in die Städte der umliegenden Ebenen gezogen, um sich als Lastenträger zu verdingen, doch nach der Eroberung des Hazaradschat setzte eine massenhafte Auswanderung ein. Viele Hazara gingen ins Ausland, vor allem nach Iran und in das heutige Pakistan27 oder in andere Regionen in Afghanistan, vor allem im Norden. Verarmte Bauern waren gezwungen, nach der Vertreibung in Städten wie Ghazni, Mazar-e Sharif und Kabul als Wasserträger oder als Lastenträger auf dem Basar zu arbeiten oder andere wenig prestigeträchtige Tätigkeiten auszuführen.28 In den Jahren des Bürgerkriegs nach 1992, verstärkt nach der Machtergreifung durch die Taliban, sahen sich die Hazara erneut Wellern massiver ethnischer Unterdrückung und Pogromen ausgesetzt. Wieder flohen viele nach Iran und Pakistan, wo einige von ihnen zwanzig Jahre im Exil verbrachten. Nicht wenige nutzten diese Gelegenheit und besuchten in Iran Schulen und Universitäten, um nach 2001 als junge Akademiker nach Afghanistan zurückzukehren. Heute kann man in Kabul mehrere private Hochschulen mit Filialen in anderen Städten Afghanistans finden, die von solchen Hazara-Rückkehrern aus Iran gegründet wurden und von Studierenden aus nahezu allen ethnischen Gruppen des Landes frequentiert werden.29 Innerhalb der Gruppe der Hazara gibt es Personen, die für sich eine Abstammung vom Propheten in Anspruch nehmen und dementsprechend als Sayed gelten. Wegen ihres elitären Selbstverständnisses geben sie keine Töchter an Hazara ab, die selbst keine Sayed sind, können aber deren Töchter ehelichen.
Die Hazara verfügen über einen eigenen Dialekt des Dari-Persischen, der Hazaragi (azaragi) genannt wird und sich vom umgangssprachlichen Standard des Dari deutlich unterscheidet.30 Allerdings wird dieser Dialekt nur im herkömmlichen Siedlungsgebiet in Zentralafghanistan und von größeren Auswanderergruppen in ländlichen Gegenden anderer Landesteile benutzt. Hazara, die nach Kabul oder in eine der anderen Städte Afghanistans gegangen sind, bemühen sich, den umgangssprachlichen Standard des Dari oder den jeweiligen Lokaldialekt zu sprechen, um Diskriminierungen aufgrund ihrer Sprache zu entgehen.31 Religiös motivierte Verfolgungen als schiitische Minderheit sind heute noch zu beobachten.
25 In älteren Texten findet sich als Bezeichnung für diese Region auch der Name gharjestan, der aber heute nur noch aus nostalgischen Gründen Verwendung findet. Siehe Shahrestani, Shah Ali (1366) und Shahrestani, Shah Ali (1367).
26 Siehe Monsutti, Alessandro (2005) Sitzung 62.
27 In Iran siedelten sich damals viele Hazara in der Stadt Meschhed und deren Umgebung an, wo sie seitdem unter der Bezeichnung khawar bekannt sind. Auch eine große Hazara-Gemeinde im pakistanischen Quetta ist auf die Vertreibungen des späten 19. Jahrhunderts zurückzuführen.
28 Siehe Monsutti, Alessandro (2005) Sitzung 63-68 , Schetter, Conrad (2003) Sitzung 223-227.
29 Namhafte Beispiele sind die Ibn-Sina-Universität (siehe http://www.ibnsina.org.af/) und das Gharjestan-Institut für höhere Bildung (siehe http://www.ghu.edu.af/).
30 Siehe hierzu Efimov, Valentin Aleksandrovich (1965) und Dulling, Gurth Kenton (1973).
31 In Meschhed bemühen sich die dort seit langem ansässigen Hazara (khawari), den persischen Dialekt von Meschhed zu sprechen. Die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Quetta lebenden Hazara sprechen eine Sonderform des Hazaragi, die aus afghanischer Perspektive viele archaische Züge aufweist und zudem in einem starken Maß von den sprachlichen Gegebenheiten Pakistans geprägt ist (Einflüsse aus dem Urdu, Englischen und Paschto)."
2.2.2.4 UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018:
"Interne Schutzalternative
Im Lichte der vorliegenden Beweise von schwerwiegenden und weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) in Gebieten unter deren wirksamer Kontrolle und der Unfähigkeit des Staates, für Schutz vor derartigen Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben. Hinsichtlich Personen, die über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen, kann eventuell im Ausnahmefall anderes gelten.
UNHCR ist der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative auch in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben ist.
[...]
Im konkreten Fall von Kabul als einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative, sieht UNHCR folgende Leitlinien vor (siehe Abschnitt römisch III.C.4). Zur Beurteilung der Relevanz von Kabul als möglicher interner Schutzalternative und insbesondere des Risikos, dass der Betroffene einer tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens - einschließlich einer schwerwiegenden Gefahr für Leben, Sicherheit, Freiheit oder Gesundheit, oder schwerer Diskriminierung - ausgesetzt wäre, müssen die Entscheidungsträger die negativen Trends in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten in Kabul gebührend berücksichtigen. Von besonderer Bedeutung ist hier der Jahresbericht der UNAMA vom Februar 2018 über den Schutz von Zivilpersonen, in dem es heißt, dass die Mission 2017 "wieder Höchstwerte im Hinblick auf die Zahl ziviler Opfer in der Provinz Kabul dokumentierte, die vor allem auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren. Von den in der Provinz Kabul registrierten 1 831 zivilen Opfern (479 Tote und 1 352 Verletzte) resultierten 88 Prozent aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) in der Stadt Kabul". UNAMA berichtete, dass die Zahl der 2017 durch Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe in der Stadt Kabul ums Leben gekommenen oder verletzten Zivilisten 70 Prozent aller 2017 dokumentierten zivilen Opfer solcher Angriffe in Afghanistan ausmachte.
UNHCR stellt fest, dass Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen.
Zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Kabul als vorgeschlagener interner Schutzalternative muss festgestellt werden, dass die Person Zugang zu Folgendem hat:
(i) einer Unterkunft;
(ii) grundlegender Versorgung, wie Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung;
(iii) Lebensgrundlagen oder erwiesener und nachhaltiger Unterstützung, um einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen.
[...]
Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt Ob eine Flucht- oder Neuansiedlungsalternative "zumutbar" ist, muss im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Antragstellenden beurteilt werden; maßgebliche Faktoren sind dabei Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse sowie der jeweilige Bildungs- und Berufshintergrund.
[...]
Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.
Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen.
[...]"
2.2.2.5 Auszug aus Mag. Zerka Malyar, Gutachten zu Blutrache und Ehrenmord in Afghanistan, 27.07.2009:
"[...]
Unter welchen Umständen kommt ein Ehrenmord in Betracht?
Wie bereits erwähnt, wurde im Islam die Blutrache gemildert. Der Ehrenmord ist nach den religiösen Bestimmungen verboten. Er wird als Mord betrachtet und ist strafbar.
In der Praxis werden diese Scharia-Bestimmungen jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich gehandhabt und haben daher auf die rechtliche und gesellschaftliche Situation muslimischer Frauen unterschiedliche Auswirkungen. Hinzu kommen die vor Ort gelebten kulturellen Normen, die teilweise im Islam wurzeln, teilweise als vorislamische kulturelle Werte vom Islam aufgegriffen wurden und nun untrennbar mit ihm verwoben sind. Auch der Grad der Frömmigkeit einzelner Familien ist von großer Bedeutung, ebenso die Frage, ob eine Frau und ihre Angehörigen im ländlichen oder städtischen Bereich leben.
Ein städtisches, günstigstenfalls wohlhabendes, Bildung und Fortschritt gegenüber aufgeschlossenes Familienumfeld bietet einer Frau ganz andere Entfaltungs- und Bewegungsmöglichkeiten als ein ländliches, traditionelles und ökonomisch wenig entwickeltes Umfeld, das einer Frau häufig keine Wahlmöglichkeiten in Bezug auf ihre Heirat oder Berufstätigkeit lässt.
Wie ebenfalls bereits erwähnt, ist im Paschtunwali der Ehrenmord als solcher nicht enthalten.
Wohl aber ist der Begriff "Namus" (siehe Sitzung 11) zu finden, der sich auf die "weibliche Ehre" bezieht und den Schutz der Frau, der Familie, von Grund und Boden sowie des Heimes und - im weitesten Sinne - der Heimat fordert.
Namus ist in vielen orientalischen Gesellschaften neben Achtung, Respekt, Ehre und Würde ein zentraler Wert und für die innerfamiliären Autoritätsbeziehungen von großer Bedeutung.
Die Auswirkung des Begriffs ist stark geschlechtsspezifisch.
Die Ehre des Mannes und seiner Verwandten definiert sich u. a. über die sexuelle Integrität der Frauen in der Familie, insbesondere über ihre sexuelle Enthaltsamkeit. Die Frau darf gewisse Regeln zum Schutz ihrer Keuschheit nicht verletzen. Die Ehre der zukünftigen Ehefrau und ihrer Familie kann nur bewahrt werden, indem sie jungfräulich in die Ehe geht.
Die Ehre des Mannes wird aber auch bei der Überschreitung der Grenzen seines Besitzes, der Felder und des Hauses, sowie bei verbalen oder physischen Angriffen auf die männlichen Angehörigen seiner Familie verletzt.
Nach Schiffauer ist zu beachten, dass dem Wert der Ehre (Namus) die Vorstellung einer klaren Grenze unterliegt, "die das ‚Innen', den Bereich der Familie, vom ‚Außen', der (männlichen) Öffentlichkeit des Dorfes oder der Stadt, scheidet. Die Ehre des Mannes ist beschmutzt, wenn diese Grenze überschritten wird, wenn jemand von außen einen Angehörigen der Familie, womöglich eine der Frauen, belästigt oder angreift." Er fügt hinzu, dass nur die Grenzverletzung relevant ist, nicht aber die Gründe dafür.
Obige Begriffserklärung, die Bedeutung von Namus in den orientalischen Gesellschaften sowie dessen Praxis sind in der afghanischen Gesellschaft und Kultur, besonders von den Paschtunen, eins zu eins übernommen worden.
Nachdem sich die paschtunischen Frauen zum größten Teil an die Regeln zum Schutz ihrer Würde halten, kommt es in Afghanistan selbst unter Paschtunen nur in sehr seltenen Fällen zu Ehrenmorden, die jedoch im Nachbarland Pakistan Gang und Gäbe sind.
In Afghanistan werden Ehrenmorde meist in jenen Gebieten verübt, in denen die Einwohner sehr konservativ sind. Diese Morde werden aber oft nicht als solche angezeigt, weshalb die Erstellung einer Statistik darüber nicht möglich ist.
Im Jahr 2006 wurde über die Ermordung von zwei Frauen und einem Mann in der östlichen Provinz Kunar berichtet. Es soll sich dabei um einen Ehrenmord gehandelt haben. Die Opfer waren eine verheiratete Frau, ihr Liebhaber und dessen Mutter.
In den paschtunisch besiedelten Gebieten und besonders in der östlichen Provinz Nangarhar gibt es zwischen Ehrenmord, der aufgrund der Verletzung der Ehre einer Frau, sei es durch Vergewaltigung, Belästigung oder Angreifen, oder aufgrund der Eheschließung eines Paares ohne die Zustimmung beider Familien erfolgt, und Blutrache in der Praxis keinen großen Unterschied. In beiden Fällen ist die Tötung für die Wiederherstellung der Ehre der Familie unentbehrlich.
Nach meinem Interview mit einem aus dem Gebiet Jaghuri stammenden Afghanen, der zur Volksgruppe der Hazara gehört, unterscheiden sich die Umstände, in denen ein Ehrenmord in Betracht kommen kann, kaum von jenen in den paschtunisch besiedelten Gebieten.
Wenn ein Mädchen vergewaltigt wird oder freiwillig mit einem Mann eine Beziehung hat, wird dadurch die Ehre der Familie verletzt. Die Familie des Mädchens ist gezwungen, diese wieder herzustellen. Im Falle der Freiwilligkeit wird das Mädchen von der eigenen Familie getötet.
Ist eine verheiratete Frau vergewaltigt worden, werden beide Familien, nämlich die Familie des Ehemannes und die der Frau, gemeinsam darauf antworten und sich an dem Täter rächen.
Ist es freiwillig zu dem Vorfall gekommen, dann wird die Frau von dem Ehemann oder seiner Familie getötet und so die Ehre wiederhergestellt.
Zum Betroffenkreis bei den Hazaras von Jaghuri zählen der Bruder, die Schwester, der Vater, die Mutter, die Nichte oder der Neffe, der Cousin oder die Cousine und deren Kinder.
Bei den Paschtunen und besonders im Osten des Landes gibt es im Falle einer Verletzung der Ehre, aus welchem Grund auch immer, einen Unterschied: hier wird nur derjenige getötet, der die Ehre der anderen Familie verletzt hat. Im Falle einer Blutrache können allerdings auch andere nahe männliche Verwandte der Familie von der Tötung betroffen sein.
Zu einer "Ehreverletzung" kommt es auch, wenn ein Mädchen und ein Junge freiwillig miteinander eine geschlechtliche Beziehung haben oder wenn es sich um eine Vergewaltigung handelt.
Im ersten Fall werden beiden, das Mädchen und der Junge, von der jeweils eigenen Familie getötet. Im zweiten Fall kann es, wenn auch selten, passieren, dass das Mädchen am Leben bleibt aber der Mann (der Vergewaltiger) von der eigenen Familie (Vater, Bruder etc.) getötet wird, um die verletzte Ehre der Familie wiederherzustellen und sich dadurch vor zukünftigen Feindschaften zu schützen.
Wenn die Familie des Vergewaltigers einflussreich und mächtig ist und die Familie des Mädchens keine Möglichkeit hat, sich zu rächen, hat sie in diesem Gebiet keine Chance auf ein Leben in Würde. Um der "Schande" zu entfliehen, wird sie die Gegend verlassen und auf den richtigen Zeitpunkt zur Rache warten.
Nach der Ausübung des Racheaktes, durch den die Ehre wiederhergestellt wird, ist es möglich, dass die Familie wieder an den Geburtsort bzw. Hauptwohnsitz zurückkehrt. Wenn sie aber weiterhin nicht in der Lage ist, neben dem mächtigen Feind zu leben, wird sie die Gegend für immer verlassen.
Wenn die Ehreverletzung vor den Augen der Einwohner geheim bleibt und niemand davon erfährt und das Mädchen heiratet und nach der Heirat der Mann feststellt, dass es zum Zeitpunkt der Hochzeit keine Jungfrau war (sei es freiwillig, sei es als Folge einer Vergewaltigung), wird es dazu gezwungen, den Peiniger zu zeigen. Wenn die Frau dem nicht Folge leistet, ist ihr Tot sicher.
Es gibt sehr selten Fälle, in denen der Ehemann darauf verzichtet und seine Frau so akzeptiert, wie sie in die Ehe gekommen ist.
Im Norden kommt es zum Ehrenmord wenn ein junger Mann und eine junge Frau ohne Zustimmung beider Familien heiraten wollen. Dazu wenden sie sich an die Behörde, die zwischen den Familien zu vermitteln versucht. Es kommt zu einer Eheschließung vor Gericht. In diesem Fall wird das Ehepaar nach einigen Monaten von den Verwandten des Mädchens - häufig vom Bruder - getötet. Das ist eine Seltenheit und kommt hauptsächlich in Städten vor.
Wenn auf dem Land ein Junge mit einem Mädchen eine Beziehung hat, wird meist versucht dies geheim zu halten und das Einverständnis der Familie des Mädchens für eine Hochzeit zu erhalten. Wenn das Mädchen bereits mit einem anderen Jungen verlobt ist, in kann nie ein anderer Mann in Betracht kommen, in diesem Fall riskieren beide ihr Leben.
Flieht ein Mädchen mit einem Fremden aus dem elterlichen Haus, sieht sich die Familie des Mädchens zum Schutz der Ehre und ihrer Position in der Gesellschaft dazu gezwungen, beide umzubringen.
Im Fall einer Vergewaltigung wird, wenn die Familie des Mädchens mächtig und finanziell dazu in der Lage ist, der Täter sofort getötet. Ansonsten wird die Familie die Ortschaft verlassen aber nicht den Gedanken an Rache aufgeben und versuchen, nach einigen Jahren, wenn sich die Gelegenheit ergibt, den Täter zu töten.
In den Städten wenden sich die Familien meistens an die staatlichen Behörden. Wenn ihre Erwartungen von den Behörden jedoch nicht erfüllt werden, kommt zum Schutz der Familienehre wieder Selbstjustiz in Betracht."
2.2.2.6 Auszug aus Landinfo report Afghanistan vom 23.08.2017: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne:
"ZUSAMMENFASSUNG
Die Strukturen der Nachrichtendienste der Taliban sind im Laufe der Zeit entstanden und wurden dabei zunehmend ausgefeilter. Trotz der Bemühungen, die nachrichtendienstliche Tätigkeit über die verschiedenen Taliban-Shuras hinweg zu koordinieren und zu synchronisieren, wirkte sich die interne Aufspaltung der Taliban auf deren Funktionsweise aus. Die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Taliban ist mittlerweile ziemlich flächendeckend, aber die Qualität der Informationen, die die Taliban-Führung erreichen, ist nicht immer die beste. Es zählt zu den Hauptaufgaben dieser Dienste, die Einschüchterungskampagne der Taliban gegen 'Kollaborateure' der Kabuler Regierung und gegen andere Feinde der Taliban zu ermöglichen. Der Taliban-Führung scheint daran gelegen zu sein, willkürliche Gewaltanwendung möglichst zu vermeiden und sich nach klar definierten Regeln ausschließlich auf Personen zu konzentrieren, die eindeutig Taliban-Gegner sind. Zwar werden die Regeln nicht immer eingehalten, aber die Führung scheint sich redlich darum zu bemühen."
2.3 Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und aus dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zu Identität, Nationalität, Volksgruppe, Herkunft und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gründen auf dessen gleichbleibenden Angaben. Die Feststellungen zur Identität gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person im Asylverfahren. Da der Beschwerdeführer keine Identitätsdokumente vorlegen konnte, war eine Feststellung seiner Identität nicht möglich.
Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zu Grunde gelegt werden konnten.
Die herangezogenen Unterlagen zur Lage in Afghanistan wurden in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 besprochen. Der Beschwerdeführer ist ihnen nicht substantiiert entgegengetreten. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auf andere Quellen verweist und diese selektiv zitiert, ist darauf zu verweisen, dass diese, soweit relevant, bereits in den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Quellen (LIB, UNHCR-Richtlinien, EASO-Berichte etc.) Berücksichtigung gefunden haben. Die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde genannten Quellen sind weder aktueller als etwa das laufend aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, noch weisen sie einen konkreteren Bezug zur individuellen Situation des Beschwerdeführers auf als die vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachten länderkundlichen Informationen. Der Beschwerdeführer konnte daher keinen Grund aufzeigen, im gegenständlichen Erkenntnis von den durch das Bundesverwaltungsgericht eingebrachten Länderinformationen abzuweichen.
Das Bundesverwaltungsgericht teilt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher der erkennende Richter sich einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen konnte, aus den folgenden Gründen die Beurteilung des BFA im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer keine individuelle Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung glaubhaft gemacht hat:
Das Kernvorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen besteht im Wesentlichen darin, dass er bei einem Geschäft, das er als Sicherheitsbediensteter bewacht habe, eine weinende Frau vorgefunden habe, die dann bei ihm übernachtet habe; da dem Beschwerdeführer unterstellt worden sei, ein Verhältnis mit dieser Frau zu haben, sei er mit dem Tode bedroht worden. Dass der Beschwerdeführer damit keine konkrete Verfolgung in Afghanistan glaubhaft machen konnte, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, in dem sich einige Widersprüche und Unplausibilitäten gezeigt haben:
So hat der Beschwerdeführer etwa bei seiner Erstbefragung angegeben, der Bruder der Frau, die er für zwei Nächte bei sich aufgenommen habe, habe ihn töten wollen. Bei der Einvernahme vor dem BFA erklärte er hingegen, der Ehemann dieser Frau habe ihn töten wollen. Den Bruder der Frau erwähnte er bei dieser Gelegenheit gar nicht mehr. In der mündlichen Verhandlung auf diese Unstimmigkeit angesprochen, erklärte der Beschwerdeführer lediglich, es sei der Ehemann gewesen, und vielleicht sei es bei der Erstbefragung zu einem Protokollierungsfehler gekommen. Dagegen spricht freilich, dass das Protokoll der Erstbefragung rückübersetzt wurde und der Beschwerdeführer keine Korrekturwünsche hatte. Dass ihm ein derartig schwerwiegender Fehler nicht aufgefallen wäre ist nicht anzunehmen.
Andererseits erwähnte der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung eine Bedrohung durch die Taliban überhaupt nicht. Erst bei der Einvernahme vor dem BFA gab er seine diesbezügliche Zurückhaltung auf und begründete dies damit, dass er bei der Erstbefragung nicht danach gefragt worden sei und deshalb auch nichts davon erzählt habe. Es ist davon auszugehen, dass jemand, der in Afghanistan durch die Taliban konkret mit dem Tode bedroht wird und deshalb unter Zurücklassung seiner Familie von einem Tag auf den anderen die Heimat verlassen muss, dies auch zumindest andeutet, wenn er nach seinen Fluchtgründen gefragt wird. Dass der Beschwerdeführer dies bei der Erstbefragung mit keinem Wort getan hat, legt den Schluss nahe, dass die später vorgebrachte Bedrohung durch die Taliban nicht existiert, sondern vom Beschwerdeführer nachträglich hinzugefügt wurde, um seiner Fluchtgeschichte einen zusätzlichen Aspekt zu verleihen.
Zum angeblichen Ehemann der "weinenden Frau" ist anzumerken, dass die Darstellung des Beschwerdeführers, wonach dieser Ehemann Mitglied sowohl bei den Taliban als auch beim IS (Daesh) sei, in hohem Maße unplausibel ist, handelt es sich doch um zwei Gruppierungen, die einander erbittert bekämpfen vergleiche etwa Spiegel online, "120 Tote bei Kämpfen zwischen Taliban und IS" vom 19.07.2018: "Der IS ist in Afghanistan seit 2015 präsent und besteht vor allem aus ehemaligen pakistanischen Talibankämpfern, die Militäroffensiven über die Grenze getrieben hatten. Ihre religiösen Ansichten sowie die Ziele ihres "heiligen Krieges" unterschieden sich stark von denen der Taliban, die den IS als Eindringling empfinden und von Anfang an scharf bekämpft haben."). Auch dies ist ein Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer versucht, die ihm angeblich drohende Verfolgung aufzubauschen.
Die zeitliche Einordnung der angeblich fluchtauslösenden Ereignisse verursachte dem Beschwerdeführer erhebliche Schwierigkeiten: So behauptete er bei der Erstbefragung im Jänner 2016, dass der Vorfall "vor fünf Monaten" (d. h. im August 2015) stattgefunden habe; bei der Einvernahme vor dem BFA erklärte er hingegen mehrmals, dass der Vorfall sich im Jahr 1385 (entspricht 2006) ereignet hätte. In der Einvernahme beim BFA mit diesem Widerspruch konfrontiert, behauptete der Beschwerdeführer lediglich, sich geirrt zu haben. Ein "Irrtum" in diesem Ausmaß erscheint allerdings alles andere als plausibel, insbesondere weil der Beschwerdeführer die "irrtümliche" Jahreszahl 2006 (1385) nicht nur einmal, sondern mehrmals in seiner Einvernahme genannt hat. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung auf die Frage nach seinem letzten ausgeübten Beruf "Security, bis 01.01.2015" angab (Protokoll der Erstbefragung, Seite 1). Da die Reise des Beschwerdeführers von Afghanistan nach Österreich nach seinen eigenen Angaben zwischen 2 1/2 und 3 Monaten gedauert hat vergleiche die leicht divergierenden Angaben bei Erstbefragung und Einvernahme), spricht auch diese Angabe zu seiner (letzten) beruflichen Tätigkeit dagegen, dass der Beschwerdeführer als Security die "weinende Frau" gefunden, sie für zwei Nächte bei sich aufgenommen und wenige Tage darauf das Land verlassen hätte. Auch mit der in der Erstbefragung gemachten Zeitangabe "vor fünf Monaten" ist es nicht vereinbar, dass der Beschwerdeführer wenige Tage nach dem Auffinden der Frau geflüchtet und dann 2 1/2 bis 3 Monate unterwegs nach Österreich gewesen sein will. Eine Divergenz von einigen Tagen wäre eventuell mit der Stresssituation erklärbar, in der sich ein Asylwerber naturgemäß befindet, eine Abweichung von mehreren Monaten hingegen nicht.
Eine weitere kleine Unstimmigkeit in der zeitlichen Einordnung der Geschehnisse zeigt sich darin, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Einvernahme beim BFA zuerst angegeben hat, die Autos mit den Taliban wären zwei Tage nachdem er die Frau gefunden hatte, zu ihm nach Hause gekommen. Später in derselben Einvernahme erklärte er hingegen ausdrücklich, das wäre drei Tage nach dem Vorfall gewesen (Protokoll der Einvernahme beim BFA, Seite 10: "die Autos sind drei Tage nach dem Vorfall beim Basar mit der Frau gekommen"). In der mündlichen Verhandlung auf diesen Widerspruch angesprochen, erklärte der Beschwerdeführer wiederum, es wären zwei Tage gewesen.
Auch die im Verlauf des Verfahrens gemachten Angaben des Beschwerdeführers zu den von ihm ausgeübten Berufen sind nicht ganz konsistent. So gab er, wie bereits erwähnt wurde, bei der Erstbefragung an, als Security gearbeitet zu haben, erklärte jedoch beim BFA auf die Frage nach seiner Berufstätigkeit in Afghanistan, er habe als Maurer, Straßenhändler und Fahrer gearbeitet; einen weiteren Beruf stellte er ausdrücklich in Abrede vergleiche Protokoll der Einvernahme beim BFA, Seite 4: "Ich habe mir selbst das Maurer Handwerk beigebracht. Ich habe auch als Maurer gearbeitet in Afghanistan. Freiberuflich habe ich auch andere Jobs angenommen. Nachgefragt, ich habe als Straßenhändler oder Fahrer gearbeitet nebenbei. Ich wollte einfach Geld verdienen. Weitere Berufe habe ich nicht ausgeübt."). Auf den Vorhalt, dass in der Aufzählung seiner ausgeübten Berufe gerade "Security" fehlen würde, erklärte er, er habe den Sicherheitsdienst nicht als Beruf betrachtet. Gleichwohl erklärte er auf Nachfrage, er habe für diese Tätigkeit, die er mehrere Monate lang ausgeübt habe, eine Entlohnung erhalten.
Nähere Angaben zu der "weinenden Frau", die der Auslöser für seine Flucht gewesen sei, konnte der Beschwerdeführer nicht machen, insbesondere konnte er ihren Namen nicht nennen; dies mit der Begründung, dass er nicht so gut mit der Frau kommunizieren habe können, da er nicht gut Paschtu könne; außerdem sei es in Afghanistan nicht üblich, nach Namen zu fragen. Dennoch konnte die Frau dem Beschwerdeführer offenbar relativ detaillierte Angaben über ihren Mann machen (z.B. wie er heißt, dass er Mitglied bei den Taliban und beim IS ist, wie er sie behandelt hatte und aus welchen Gründen sie sich vor ihm fürchtete), was nicht auf gravierende Kommunikationsprobleme hindeutet. Gegen die in der mündlichen Verhandlung präsentierte Version, wonach der Beschwerdeführer eigentlich erst bei sich zu Hause und unter Zuhilfenahme seines Onkels, der Paschtu spreche, mit der Frau kommunziert habe, sprechen seine bis dahin gemachten Angaben, in denen er eine Mitwirkung seines Onkels an der Kommunikation nicht erwähnt hat. Aufgrund der protokollierten Aussagen des Beschwerdeführers entsteht auch nicht der Eindruck, dass die Kommunikation mit der Frau erst beim Beschwerdeführer zu Hause stattgefunden bzw. begonnen hätte vergleiche Erstbefragung: "Ich fand während der Arbeit eine weinende Frau bei einem Geschäft, das ich überwachte. Sie sagte, dass sie ihr Brüder töten wolle. Ich habe ihr geholfen und ließ sie über Nacht bei mir wohnen"; Einvernahme beim BFA: "Eines Tages habe ich eine weinende Frau vorgefunden. Ich habe Sie gefragt was sie hier tut. Sie sagte mir, dass sie von zu Hause weggelaufen ist. Sie hätte Angst vor ihren Mann und sie hätte vorgehabt sich umzubringen. Daraufhin habe ich sie mit zu mir nach Hause genommen um ihr zu helfen"). Es ist angesichts der in Afghanistan vorherrschenden gesellschaftlichen Vorstellungen (vergleiche etwa das oben auszugsweise zitierte Gutachten zu Blutrache und Ehrenmord) und der damit fast zwangsläufig verbundenen Konsequenzen geradezu auszuschließen, dass ein gesunder afghanischer Mann Anfang 30 eine ihm völlig unbekannte, verheiratete Frau für mehrere Nächte bei sich aufnimmt, ohne sie wenigstens nach ihrem Namen zu fragen.
Die vorliegenden Länderinformationen zu Afghanistan (insbesondere das oben auszugsweise zitierte Gutachten von Mag. Malyar) lassen es auch als in hohem Maße unplausibel erscheinen, dass ein Ehemann, der Mitglied bei den Taliban und/oder beim IS ist, dann, wenn ihm bekannt wird, dass seine Ehefrau mehrere Nächte bei einem fremden Mann verbracht hat, diesem Mann, dessen Adresse ihm bekannt ist, mehrere Briefe schreibt und ihn tagelang zu Treffen auffordert, anstatt ihn bei der ersten Gelegenheit zu töten; dass die Taliban (einschließlich des Ehemanns der vermeintlich ehebrecherischen Frau) mit 8 Mann zum vermeintlichen Ehebrecher nach Hause kommen und zwar die Frau mitnehmen, aber den vermeintlichen Ehebrecher (vorläufig) unbehelligt lassen, kann praktisch ausgeschlossen werden; dies umso mehr, als die Taliban, bei denen der Ehemann angeblich Mitglied ist, in der Heimatregion des Beschwerdeführers eine starke Präsenz aufweisen.
Der Beschwerdeführer hat bei der Einvernahme vor dem BFA auch angegeben, er wäre von "den Taliban" aufgefordert worden, zu einem Treffpunkt zu kommen. Sollte er nicht erscheinen, würde seine ganze Familie getötet. Dennoch gibt der Beschwerdeführer an, geflüchtet zu sein und seine Familie zurückgelassen zu haben; seine Frau und seine Kinder hätten erst Wochen später das Heimatdorf verlassen. Welcher Logik diese angebliche Vorgangsweise des Beschwerdeführers folgt, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht. Da allerdings in der mehrwöchigen Zeit zwischen der Ausreise des Beschwerdeführers und derjenigen seiner Ehefrau und seiner Kinder keinerlei Übergriffe stattgefunden haben und auch die restlichen Angehörigen des Beschwerdeführers zumindest bis vor kurzem unbehelligt im Heimatdorf leben konnten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung existiert vergleiche oben zitierten Auszug aus dem Gutachten Mag. Malyar vom 27.07.2009 zu Blutrache und Ehrenmord in Afghanistan: "Ist es freiwillig zu dem Vorfall gekommen, dann wird die Frau von dem Ehemann oder seiner Familie getötet und so die Ehre wiederhergestellt. Zum Betroffenenkreis bei den Hazaras von Jaghuri zählen der Bruder, die Schwester, der Vater, die Mutter, die Nichte oder der Neffe, der Cousin oder die Cousine und deren Kinder").
Schließlich ist zu konstatieren, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen relativ vage und oberflächlich sind und bereits bei der Einvernahme vor dem BFA einer näheren Befragung nicht standgehalten haben; daraus kann geschlossen werden, dass es sich nicht um die Schilderung persönlicher Erlebnisse handelt, die zum Verlassen der Heimat und zu einer erzwungenen grundlegenden Lebensveränderung mit Trennung von der gesamten Familie geführt haben. Auch die vergleichsweise unemotionale Art, in welcher der Beschwerdeführer seine angeblichen Erlebnisse geschildert hat, deutet nicht darauf hin, dass es sich bei den geschilderten Begebenheiten um selbst Erlebtes handelt.
Angesichts des relativ vagen und dennoch unstimmigen Vorbringens des Beschwerdeführers und aus einer Gesamtschau seiner oben angeführten Angaben ergibt sich für das erkennende Gericht zweifellos, dass der Beschwerdeführer trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht imstande war, eine Verfolgung seiner Person in seinem Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen glaubhaft zu machen. Es konnte weder eine konkret gegen seine Person gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.
Schließlich kommt auch noch hinzu, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 gesteigert hat, indem er einerseits erzählte, die Frau, die er für zwei Nächte bei sich aufgenommen habe, habe ein (bis dahin mit keinem Wort erwähntes) Kind bei sich gehabt, und er andererseits auch erstmals behauptete, er sei in Afghanistan aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam konkreten Bedrohungen und Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Diese Steigerung des Vorbringens kann als Indiz dafür gewertet werden, dass der Beschwerdeführer selbst nicht an seine ursprüngliche Fluchtgeschichte glaubt.
Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in seiner Heimatregion ergeben sich aus den o. a. Länderberichten und aus den vom Beschwerdeführer dargestellten Familienverhältnissen. Es ist zwar aufgrund der grundsätzlich volatilen Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers nicht unplausibel, dass der Kontakt zu seinen Verwandten im Heimatdorf - wie der Beschwerdeführer das in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 dargestellt hat - unlängst vorübergehend abgebrochen ist, doch deutet nichts darauf hin, dass die Verwandten sich nicht mehr dort aufhalten, zumal sich dort auch Vermögenswerte (zumindest das Haus und die zwei Geschäftslokale, die der Beschwerdeführer von seinem Vater geerbt hat) befinden, oder dass der Kontakt zu den Verwandten in Zukunft nicht wieder hergestellt werden kann.
Dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Ansiedlung in einer afghanischen Großstadt nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte und den festgestellten persönlichen Umständen des Beschwerdeführers (siehe rechtliche Beurteilung). Aufgrund der in letzter Zeit vermehrt auftretenden Anschlagstätigkeit in der Hauptstadt Kabul könnte sich der Beschwerdeführer - falls er nicht in sein Heimatdorf zurückkehren möchte - veranlasst sehen, nicht nach Kabul zu gehen, sondern auf eine der anderen afghanischen Großstädte auszuweichen.
2.4 Rechtliche Beurteilung:
2.4.1 Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf inter-nationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt römisch eins. Nr. 87 aus 2012, idgF (BFA-VG), entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß Paragraph 6, Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, Bundesgesetzblatt römisch eins. Nr. 10 aus 2013, (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß Paragraph 28, Absatz eins, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013, (VwGVG), die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
2.4.2 Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde
2.4.2.1 Zu der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 55 aus 1955, (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU] verweist.). Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK (in der Fassung des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 78 aus 1974,) - deren Bestimmungen gemäß Paragraph 74, AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde vergleiche VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht vergleiche VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).
"Glaubhaftmachung" im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen vergleiche VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema vergleiche VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten vergleiche die Erkenntnisse des VwGH 23.01.1997, 95/20/0303, sowie 28.05.2009, 2007/19/1248) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten vergleiche VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).
Zeitnah zur Antragstellung gemachten Angaben im Verfahren auf internationalen Schutz kann eine besondere Wertigkeit zukommen vergleiche auch den in Paragraph 19, Absatz 4, AsylG 2005 gewählten Terminus der "verstärkten Glaubwürdigkeit"). Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erscheint es nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird vergleiche VwGH 08.07.1993, 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, 90/01/0133). Gemäß Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen vergleiche hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12); ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Die Verwaltungsbehörde und das Bundesverwaltungsgericht können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.
Die amtswegigen Ermittlungspflichten im Asylverfahren sind im Paragraph 18, Absatz eins, AsylG 2005 geregelt, der inhaltlich nahezu wortgleich der Vorgängerbestimmung des Paragraph 28, AsylG 1997 entspricht. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Paragraph 28, Abs. AsylG 1997 folgend, stellt diese Gesetzesstelle eine Konkretisierung der aus Paragraph 37, AVG in Verbindung mit Paragraph 39, Absatz 2, AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht vergleiche VwGH 08.04.2003, 2002/01/0522). Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß Paragraph 28, AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht so weit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten vergleiche VwGH vom 21.09.2000, 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, 99/20/0599). Der in der Beschwerde enthaltene Hinweis, dass der Beschwerdeführer nicht wissen könne, wie weit man bei einzelnen Fragen oder bei freier Erzählung ins Detail gehen müsse, da er deren asylrechtliche Relevanz nicht kennen könne, geht ins Leere, da von ihm lediglich eine wahrheitsgemäße, möglichst widerspruchsfreie und nachvollziehbare Schilderung seiner Erlebnisse gefordert ist und dafür keine vertieften Kenntnisse der Asyl- und Fremdenrechtslage erforderlich sind. Darauf, dass er die Schilderung seiner Fluchtgründe so gestalten solle, "dass es auch unbeteiligte Personen nachvollziehen können", wurde der Beschwerdeführer beim BFA ausdrücklich aufmerksam gemacht. Hinzuweisen ist auch auf die bereits in der Erstbefragung erfolgte Aufforderung, "durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken". Dies ist in Bezug auf eigene Erlebnisse auch einem juristischen Laien möglich.
Gemäß Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins,) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (Paragraph 11, Absatz 2, leg.cit.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).
Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl vergleiche zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Obwohl es im Asylverfahren nicht notwendig ist, den Asylwerber zu Widersprüchen in Ansehung seines Asylantrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß Paragraph 45, Absatz 2, AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen vergleiche zuletzt VwGH 28.06.2018, Ra 2017/19/0447), wurde der Beschwerdeführer sowohl vom BFA als auch vom Bundesverwaltungsgericht zu Unstimmigkeiten in seinem Vorbringen befragt. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung angemerkt, hat der Beschwerdeführer aufgrund mehrerer Widersprüche und Unplausibilitäten in seinem Vorbringen, die er auch auf Nachfrage nicht zufriedenstellend aufklären konnte, keine konkrete, individuelle Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft machen können.
Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine Verfolgung Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung glaubhaft zu machen, kann es dahingestellt bleiben, ob diese Bedrohung sich auf das gesamte afghanische Staatsgebiet erstrecken würde; nachdem es sich beim Beschwerdeführer jedenfalls nicht um ein "High-level-target" der Taliban handelt, wäre dies nach den vorliegenden Länderinformationen vergleiche "Landinfo report Afghanistan vom 23.08.2017: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" und die dort dargestellten Verfolgungsprofile) jedenfalls zu verneinen. Im Übrigen würde es sich bei der vom Beschwerdeführer behaupteten, aber nicht glaubhaft gemachten Bedrohung um eine rein private Verfolgung handeln, und nach den vorliegenden Länderinformationen kann in afghanischen Großstädten, die unter staatlicher Kontrolle stehen, nicht von einer mangelnden Schutzfähigkeit und/oder Schutzwilligkeit des Staates ausgegangen werden.
In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im Herkunftsland auf Grund generalisierender Merkmale - etwa wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre. Derartiges hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2019 zum ersten Mal behauptet.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet vergleiche VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:
Aus den herangezogenen Länderfeststellungen ergeben sich keine Hinweise auf eine Gruppenverfolgung der Hazara, vielmehr hat sich deren Situation in Afghanistan seit dem Ende der Talibanherrschaft nachhaltig und wesentlich verbessert.
Der Verwaltungsgerichtshof schloss in seinem Erkenntnis vom 13.10.2015, Ra 2015/19/0106, eine Gruppenverfolgung der Hazara mit der Begründung nicht aus, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen habe, welcher Umstand vorliegend jedoch nicht gegeben Fall ist. In zahlreichen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (teilweise auch nach Einholung länderkundlicher Sachverständigengutachten) wurde eine Verfolgung ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara durchgehend verneint (z.B. etwa BVwG 24.10.2016, W191 2106225-2/10E; BVwG 09.05.2016, W119 2012593-1/20E, BVwG 18.04.2016, W171 2015744-1, BVwG 13.11.2015, W124 2014289-1/8E und viele andere mehr).
Der Verwaltungsgerichtshof judizierte in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Es ist daher anzunehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof, sollte er der Auffassung sein, dass eine Gruppenverfolgung - auch lokal - in Afghanistan aktuell festzustellen wäre, in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur dies auch festgestellt hätte (siehe auch jüngst BVwG 16.06.2016, W159 2105321-1/8E).
Auch der EGMR sprach in seiner Entscheidung vom 12.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, aus, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Artikel 3, EMRK bestehe.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang auf die aktuelle internationale Rechtsprechung zu verweisen, die ebenfalls von keiner Gruppenverfolgung der Hazara ausgeht:
Nach einem Beschluss des VGH München vom 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 unterliegen Hazara in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung, sie sind derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung noch einer erheblichen Gefahrendichte iSv Paragraph 4, Absatz eins, Sitzung 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt. Das VG Lüneburg (3. Kammer, Urteil vom 06.02.2017, 3 A 126/16) gelangt ebenfalls nicht zu der Überzeugung, dass Hazara einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfende gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt sind (unter Verweis auf Bay. VGH, Beschl. v. 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 19.12.2016 - 13a ZB 16.30581 -, juris Rn. 4; VG Augsburg, Urt. v. 07.11.2016 - Au 5 K 16.31853 -, juris Rn. 33; VG Würzburg, Urt. v. 28.10.2016 - W 1 K 16.31834 -, juris Rn. 19). Die hierfür erforderliche Verfolgungsdichte ist nicht gegeben.
Das (schweizerische) Bundesverwaltungsgericht führt in seiner Entscheidung zur Provinz Ghazni (= Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers) vom 11.01.2017, E-5136/2016, zu dieser Frage aus:
"Inwiefern hinter den Entführungen und Tötungen von Hazara in Afghanistan - insbesondere in der Region Ghazni - asylrelevante Verfolgungsmotive stehen, kann vorliegend aber letztendlich offenbleiben. So ist es nach dem zuvor Gesagten in jüngerer Zeit in der Heimatregion des Beschwerdeführers zwar immer wieder zu in asylrechtlicher Hinsicht genügend intensiven Übergriffen auf Zugehörige der Ethnie der Hazara gekommen. Indes kann die für die Anerkennung einer Kollektivverfolgung erforderliche Dichte der gewaltsamen Verfolgungshandlungen nicht bejaht werden: Im Verhältnis zur Grösse des Kollektivs der Hazara in Ghazni (wie zuvor ausgeführt handelt es sich um rund 540'000 Personen) nehmen die gewalttätigen Angriffe auf diese Bevölkerungsgruppe bisher nicht eine zahlenmässig derart grosse Dimension ein und sind die bekannt gewordenen Über-griffe nicht derart häufig, dass jeder Angehörige dieser Minderheit in begründeter Weise befürchten müsste, objektiv mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ebenfalls Opfer einer Gewalttat zu werden. Gemessen an der Anzahl in Ghazni lebender Hazara erscheint die Zahl der Übergriffe derzeit nicht als genügend dicht, als dass von einer Kollektivverfolgung insbesondere durch Dritte ausgegangen werden müsste. Folglich kann eine Kollektivverfolgung der Hazara in der Provinz Ghazni zum heutigen Zeitpunkt nicht bejaht werden."
Abschließend ist in diesem Zusammenhang auch auf eine Entscheidung des Upper Tribunal: MI vs THE SECRETARY OF STATE FOR THE HOME DEPARTMENT 27.08.2009 hinzuweisen, wo ausgeführt wird:
"A person of Hazara ethnicity or of the Ismaili faith or who is associated with the Nadiri family is not likely to be at a real risk of serious harm in Afghanistan by reason of any of these factors alone or a combination of any of them, although different considerations would apply if an Ismaili's own home area were to be in an area controlled by the Taliban, given the large scale massacre of Ismailis which took place when the Taliban took over the province of Baghlan in 1998. In such a case, however, he would ordinarily be
safe in Kabul. [...] ... nonetheless we find that the effect of his
opinion read as a whole and of the background material to which we have been referred is that a person of Hazara ethnicity is not likely to be treated by reason of that fact alone in Afghanistan in a way which would amount to persecution or a breach of his rights under article 3 of the ECHR."
Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan, die der Beschwerdeführer bis zur mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 auch überhaupt nicht behauptet hat, im Ergebnis zu verneinen.
Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemein desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar vergleiche etwa VwGH vom 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen vergleiche etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre (dies gilt gleichermaßen für die vom Beschwerdeführer angedeuteten Gefahren, die sich aus der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben).
Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
2.4.2.2 Zu der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides:
Paragraph 8, AsylG 2005 lautet:
"Status des subsidiär Schutzberechtigten
Paragraph 8, (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Absatz eins, oder aus den Gründen des Absatz 3, oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß Paragraph 9, Absatz 2, vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
(5) In einem Familienverfahren gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer 2, gilt Absatz 4, mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.
(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß Paragraph 9, Absatz eins und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.
(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."
Das Bundesverwaltungsgericht hatte somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation durch konkrete, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; 05.04.1995, 95/18/0530; 04.04.1997, 95/18/1127; 26.06.1997, 95/18/1291; 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).
In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Artikel 3, EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde vergleiche VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, römisch eins gegen Schweden, Nr. 61 204/09; s. dazu zuletzt auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. Gesetzgebungsperiode zu Paragraph 8, AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikel 3, EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere, in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen vergleiche jüngst VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung von VwGH, EGMR und EuGH).
Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/0006; VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).
In dem bereits zitierten Beschluss Ra 2015/01/0134 vom 23.02.2016 hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde vergleiche die Urteile des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande: Sitzung D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; Sitzung S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u. a., Nr. 46 856/07).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vergleiche auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Artikel 3, EMRK in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 bzw. Paragraph 50, Absatz eins, FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vergleiche VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).
Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Artikel 3, EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten (oder anderer in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;
VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 08.06.2000, 99/20/0203; 08.06.2000, 99/20/0586; 21.09.2000, 99/20/0373; 25.01.2001, 2000/20/0367;
25.01.2001, 2000/20/0438; 25.01.2001, 2000/20/0480; 21.06.2001, 99/20/0460; 16.04.2002, 2000/20/0131; vergleiche dazu überdies EUGH 17.02.2009, Meki Elgafaj/Noor Elgafaj vs. Staatssecretaris van Justitie, C-465/07, a, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45, wonach eine Bedrohung iSd Artikel 15, Litera c, der Richtline 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 [StatusRL] auch dann vorliegt, wenn der einen bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 57, Fremdengesetz 1997, dies ist nun auf Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028).
Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa im Erkenntnis vom 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, betreffend subsidiären Schutz in Afghanistan festgehalten:
"15 Nach der hg. Rechtsprechung ist bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche die hg. Erkenntnisse vom 25. Mai 2016, Ra 2016/19/0036, und vom 25. April 2017, Ra 2016/01/0307, jeweils mit mwN).
16 In diesem Zusammenhang ist neuerlich auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Artikel 3, EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos darzulegen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde vergleiche den hg. Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, römisch eins gegen Schweden, Nr. 61 204/09).
17 Was die spezifische Situation von Afghanistan betrifft, hat der Verwaltungsgerichthof in dem zitierten Beschluss Ra 2015/01/0134 auch auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde."
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 nicht gegeben sind:
Aus den herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.
Entsprechend der Judikatur des VfGH (Erkenntnis 13.09.2013, U370/2012) ist zunächst die Heimatregion des Beschwerdeführers für eine allfällige Rückkehr zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass sich aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen für das erkennende Gericht ergibt, dass die Heimatprovinz Ghazni als volatil eingestuft wird; gleichwohl war es dem Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise möglich, dort gut zu leben und zu arbeiten, und auch seine im Heimatdorf lebenden Verwandten sind nach den Schilderungen des Beschwerdeführers zumindest bis vor kurzem mit keinen gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert gewesen. Der Beschwerdeführer verfügt im Heimatdorf über von seinem Vater ererbtes Vermögen (ein Haus und zwei Geschäftslokale) und familiäre Anknüpfungspunkte, sodass grundsätzlich eine Rückkehr dorthin naheliegend erscheint. Sollte der Beschwerdeführer sich jedoch aufgrund der in Ghazni allgemein auftretenden Sicherheitsprobleme entschließen, nicht dorthin zurückzukehren, stehen ihm in anderen Regionen des Landes - nämlich insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, aber eventuell auch in der Hauptstadt Kabul - aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände Ansiedlungsalternativen zur Verfügung, die ihm aus folgenden Gründen auch zugemutet werden können:
Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif kann nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Artikel 2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit droht, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsste. So kann etwa - neben anderen Faktoren - auch der in diesen Städten stattfindende regelmäßige inernationale Flugverkehr als ein Indiz für eine vergleichsweise stabile Sicherheitslage gewertet werden.
In seinem Erkenntnis vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die in Kabul aufgezeigte bloße Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse aufzeigen könne (siehe dazu folgend die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 23.03.2017, Ra 2016/20/0188; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).
Kabul ist den vorliegenden Länderinformationen zufolge eine über den Flughafen gut erreichbare Stadt, die für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sicher ist, auch wenn es dort zu Anschlägen kommt. Innerhalb Kabuls existieren demnach in verschiedenen Vierteln unterschiedliche Sicherheitslagen. Die afghanische Regierung behält jedoch weiterhin die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahbereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGOs sowie gezielt auf (internationale) Sicherheitskräfte ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul nach wie vor als ausreichend sicher bewertet werden kann. Hinsichtlich der in der Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist jedoch zumindest grundlegend gesichert.
UNHCR veröffentlichte am 30.08.2018 Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender. Die darin enthaltenen, oben zitierten Passagen betreffend den Verweis auf eine innerstaatliche Fluchtalternative wurden in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 besprochen; sie entsprechen im Wesentlichen den UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 vergleiche UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, Sitzung 124 f: "[...] Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen"). Die neuen UNHCR Richtlinien verneinen zwar - im Gegensatz zu anderen, keineswegs weniger seriösen Quellen (EASO, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation) - im Allgemeinen ("generally", vergleiche UNHCR ELIGIBILITY GUIDELINES FOR ASSESSING THE
INTERNATIONAL PROTECTION NEEDS OF ASYLUM-SEEKERS FROM AFGHANISTAN,
30 August 2018, Seite 116) eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Hauptstadt Kabul, offenbaren aber nicht näher, wie diese Einschätzung, die nicht eine Tatsachenfeststellung, sondern eine rechtliche Beurteilung darstellt, zustandekommt. Insbesondere differenziert UNHCR - im Gegensatz zu anderen seriösen Quellen - hinsichtlich der Sicherheitslage nicht zwischen Bezirken der Hauptstadt, in denen sich High-level-Targets befinden, und in denen in jüngerer Vergangenheit eine vermehrte Anschlagstätigkeit regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen war, und reinen Wohngebieten für die Allgemeinbevölkerung, wo eine drastisch erhöhte Anschlagsgefahr aus dem vorliegenden Berichtsmaterial - einschließlich des oben zitierten ACCORD-Berichts "Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018" vom 7. Dezember 2018 - nicht abgeleitet werden kann. UNHCR-Richtlinien kommt zwar unbestreitbare Indizwirkung zu vergleiche etwa VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182; 20.04.2006, 2005/01/0556 mwN), doch haben sie weder einen Absolutheitsanspruch noch eine rechtliche Verbindlichkeit und entheben die Behörde und das Gericht nicht der Verpflichtung, eine Prüfung im Einzelfall anhand der vorliegenden Tatsachen und Informationen vorzunehmen. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus den neuen UNHCR Richtlinien selbst, welchen zu entnehmen ist, dass die Frage der Verfügbarkeit einer IFA aktuell im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers "von Fall zu Fall" geprüft werden muss. Damit werden einerseits die erschwerten Bedingungen dargestellt, gleichzeitig aber auch ganz klar festgestellt, dass eine IFA in Kabul unter gewissen Voraussetzungen sehr wohl möglich ist, andernfalls keine "Einzelfall-Prüfung" eingefordert, sondern vielmehr eine solche in Kabul kategorisch ausgeschlossen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall, da eine IFA in Kabul von UNHCR derzeit zwar "im Allgemeinen" (englisches Original: "generally") nicht angenommen, aber auch nicht kategorisch ausgeschlossen wird.
Im gegebenen Zusammenhang muss maßgeblich berücksichtigt werden, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen Mann im erwerbsfähigen Alter handelt, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und über Arbeitserfahrung in mehreren verschiedenen Berufen (Maurer, Straßenhändler, Fahrer, Sicherheitsdienst). Der Beschwerdeführer hat somit bereits unter Beweis stellen können, dass er imstande ist, sich ein (ausreichendes) Einkommen zu sichern, das nach seinen eigenen Angaben für ein gutes Leben ausgereicht hat vergleiche Protokoll der BFA-Einvernahme, Seite 5). Gründe, aus denen dies nicht wieder möglich sein sollte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben ein Haus und zwei Geschäftslokale von seinem Vater geerbt hat; die Einkünfte aus der Vermietung der zwei Geschäftslokale fließen zwar derzeit dem Cousin des Beschwerdeführers zu, der sich während der Abwesenheit des Beschwerdeführer darum kümmert, doch ist kein Grund ersichtlich, aus dem der Beschwerdeführer dies nach seiner Rückkehr nicht wieder - auch wenn er sich in einem anderen Landesteil aufhält - selbst in die Hand nehmen können sollte. Es ist daher anzunehmen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan in der Lage sein wird, sich ein ausreichendes Auskommen zu sichern und ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härten zu führen, wie es auch anderen Landsleuten möglich ist vergleiche jüngst VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001-5 mit Hinweis auf UNHCR Richtlinien Nr. 4., Rz 22 ff und Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie [2009], 226 ff).
Der Beschwerdeführer verfügt nach seinen eigenen Angaben über ein familiäres Netzwerk in seinem Heimatdorf, deren wirtschaftliche Situation ist gut. Der Beschwerdeführer stand mit seinen Verwandten im Heimatdorf bis vor kurzem in regelmäßigem Kontakt und hat zu ihnen ein gutes Verhältnis. Auch wenn der Kontakt derzeit, wie der Beschwerdeführer dies in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 darstellte, unterbrochen sein sollte, weil Kommunikationseinrichtungen außer Betrieb sind, ist kein Grund ersichtlich, aus dem der Kontakt nicht wieder hergestellt werden kann. Es kann somit grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr im Rahmen seines Familienverbandes erforderlichenfalls eine wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteil werden könnte. Dem Beschwerdeführer wäre es aufgrund der dargelegten Umstände aber auch ohne bestehende soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte bzw. deren Unterstützung in Afghanistan und selbst ohne Rückgriff auf sein im Heimatort befindliches Immobilienvermögen möglich, sich in einer afghanischen Großstadt - etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Das BFA hat zudem im bekämpften Bescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann, wodurch er eine gewisse zusätzliche Unterstützung für die neuerliche Existenzgründung bei einer Rückkehr erlangen kann. Auch aus diesem Grund ist nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würde. Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Weiters ist nicht zu erkennen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre vergleiche diesbezüglich VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059, zur "Schwelle" des Artikel 3, EMRK), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung nach Afghanistan jegliche Existenzgrundlage - im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059 - fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.
Wie bereits ausgeführt wurde, wird die Heimatprovinz des Beschwerdeführers in den vorliegenden Länderinformationen als relativ volatil beschrieben, sodass eine Rückkehr dorthin grundsätzlich mit gewissen Gefahren verbunden sein könnte; gleichwohl war es den Verwandten des Beschwerdeführers zumindest bis vor kurzem durchaus möglich, im Heimatdorf ein gutes, sicheres Leben zu führen, und auch der Beschwerdeführer selbst konnte dort bis zu seiner Ausreise leben. Eine Rückkehr in seine Heimatregion erscheint daher nicht von vornherein ausgeschlossen. Unter Berücksichtigung der dargelegten persönlichen Umstände des Beschwerdeführers ist diesem alternativ zu einer Rückkehr in seine Herkunftsregion auch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative etwa in den Städten Mazar-e Sharif und Herat, aber - mit Einschränkungen, die sich aus der dort vermehrten Anschlagstätigkeit ergeben können - auch in der Hauptstadt Kabul möglich und zumutbar. Die dortige lokale Sicherheits- und Versorgungslage stellt zum Entscheidungszeitpunkt kein Hindernis für eine Rückkehr (nach den oben genannten Maßstäben) dar. Die Stadt Mazar-e Sharif, die Hauptstadt der Provinz Balkh, gilt als eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans vergleiche etwa das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018) und ist über den dortigen Flughafen gut erreichbar. Balkh ist auch nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und nach dem aktuellen, oben zitierten Länderinformationsblatt eine der "relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vergleiche Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vergleiche Khaama Press 16.1.2018)".
Auch die Stadt Herat ist als vergleichsweise sichere und über den dortigen Flughafen gut erreichbare Stadt anzusehen. In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um manche Gegenden (meist abgelegene Distrikte) von Aufständischen zu befreien.
Es ist daher - falls der Beschwerdeführer nicht in seine Heimatregion zurückkehren möchte - davon auszugehen, dass es ihm als arbeitsfähigem, gesundem Mann, der zudem über Berufserfahrung verfügt, zumutbar und möglich ist, sich in den Städten Mazar-e Sharif und Herat und unter gewissen Voraussetzungen auch in der Hauptstadt Kabul (auch ohne Ortskenntnisse) ein ausreichendes Auskommen zu sichern und somit nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen. Angesichts der in letzter Zeit vermehrt auftretenden Anschlagstätigkeit in der Hauptstadt Kabul wäre es nicht unplausibel, wenn sich der Beschwerdeführer in einer der anderen in Frage kommenden Großstädte ansiedelt.
Aus den in den Sachverhaltsfeststellungen herangezogenen Berichten geht nicht hervor, dass jedermann, der sich in Afghanistan, vor allem in den großen Städten, die sich in der Hand der Regierung befinden, aufhält, ein reales Risiko einer Verletzung nach Artikel 2, und/oder 3 EMRK trifft. Zwar mag auch in den Städten, die sich in Regierungshand befinden, die Sicherheitssituation angespannt sein, doch ist sie nicht so schlecht, dass sich eine solche Annahme rechtfertigen ließe. Nach den Berichten funktioniert in den großen Städten zudem die Polizei und kann für Sicherheit sorgen. Eine Situation, in der jedermann gefährdet wäre, eine Verletzung der genannten relevanten Rechte zu erleiden, liegt in gesamt Afghanistan, insbesondere mit Blick auf die großen Städte, daher jedenfalls ebenso wenig vor, wie das reale Risiko, dass der Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.
Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Artikel 3, EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage in Afghanistan reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; konkret zu Afghanistan: zB Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2010, Zl. BVerwG 10 C 10.09; weiters EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 84; 20.12.2011, J.H. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 48839/09, Rz 55).
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958, idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Nr. 138 aus 1985, idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Teil 3, Nr. 22 aus 2005, idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten, von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
2.4.2.3 Zu der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. und römisch IV. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
"1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Z oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."
Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit Jänner 2016 im Bundesgebiet, und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.
Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach Paragraph 13, AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
Paragraph 55, AsylG 2005 lautet:
Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017,, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:
"Schutz des Privat- und Familienlebens
Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraph 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."
Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt vergleiche dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Artikel 8 ;, Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vergleiche auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Artikel 8, EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt vergleiche Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Das Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK umfasst auch nicht formalisierte eheähnliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau; bei solchen ist normalerweise das Zusammenleben der beiden Partner in einem gemeinsamen Haushalt erforderlich, es können aber auch andere Faktoren wie etwa die Dauer oder die Verbundenheit durch gemeinsame Kinder unter Beweis stellen, dass die Beziehung hinreichend konstant ist (EGMR vom 27.10.1994, 18535/91 Kroon und andere gg. die Niederlande, Ziffer 30 ;, EGMR vom 22.04.1997, 21.830/93, römisch zehn,Y und Z gg. Vereinigtes Köngreich, Ziffer 36,).
Artikel 8, EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. Zum geschützten Privatleben gehört das Netzwerk der gewachsenen persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen (EGMR vom 09.10.2003, 48321/99, Slivenko gg. Lettland). So können persönliche Beziehungen, die nicht unter das Familienleben fallen, sehr wohl als "Privatleben" relevant sein.
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen stellen regelmäßig einen Eingriff in das Privatleben dar, weil sie die betroffene Person aus ihrem gegenwärtigen sozialen Umfeld herausreißen. Nach der Rechtsprechung des EGMR hängt es von den Umständen des jeweiligen Falles ab, ob es angebracht ist, sich eher auf den Gesichtspunkt des Familienlebens zu konzentrieren als auf den des Privatlebens (EGMR 23.04.2015, 38030/12, Khan, Rn. 38; 05.07.2005, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 59). Die Prüfung am Maßstab des Privatlebens ist jedoch weniger streng als jene am Maßstab des Familienlebens, weshalb letztere in der Praxis im Vordergrund steht (Ewald Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hg.], Handbuch der Grundrechte VII/1, 2. Aufl., Paragraph 10,, Rn. 52).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).
Der Beschwerdeführer war zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz, der sich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt. Anhaltspunkte dafür, dass ihm ein nicht auf asylrechtliche Bestimmungen gestütztes Aufenthaltsrecht zukäme, sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus sind keine Hinweise für eine ausreichend intensive Beziehung zu allfälligen in Österreich aufhältigen Familienangehörigen oder ihm sonst besonders nahestehende Personen hervorgekommen, zumal die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers in Pakistan leben und die restlichen Angehörigen des Beschwerdeführers sich - so weit bekannt - nach wie vor im Heimatdorf aufhalten. In der mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 hat der Beschwerdeführer auch selbst angegeben, in Österreich keine wirklich engen Kontakte zu haben.
Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält (Jänner 2016), kann selbst unter Miteinbeziehung gewisser integrativer Merkmale - wie etwa seiner Unbescholtenheit und seiner Deutschkursbesuche oder der von ihm geleisteten gemeinnützigen Arbeit für die Gemeinde - eine von Artikel 8, EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden vergleiche VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vergleiche auch VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0437, zu Paragraph 66, Absatz eins, FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, Zl. 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, Zl. 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8, Absatz 2, EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt vergleiche VwGH 22.01.2013, Zl. 2011/18/0036; VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100; VwGH 22.03.2011, Zl. 2007/18/0628; VwGH 26.11.2009, Zl. 2007/18/0305), zu geben ist.
Der Beschwerdeführer hat zwar Deutschkurse besucht, konnte aber weder einen Deutschabschluss, noch einen sonstigen Abschluss vorweisen. Er hat Remunerationstätigkeiten für den öffentlichen Raum in der Gemeinde Ried in der Riedmark durchgeführt, geht aber ansonsten in Österreich keiner entgeltlichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit nach und verfügt auch nicht über eine Einstellungszusage. Im Übrigen bewirkt der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).
Es ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur vergleichsweise geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.
2.4.2.4 Zu der Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch fünf. und römisch VI. des bekämpften Bescheides:
Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Nach Paragraph 50, Absatz eins, FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).
Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des Paragraph 50, FPG ergeben würde. Auch der EGMR sieht in seiner jüngeren Rechtsprechung die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde.
Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach Paragraph 55, Absatz 2, FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden vergleiche Paragraph 55, Absatz 3, FPG: "... Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen ..."), ist die gesetzlich vorgegebene Frist vom BFA korrekt angewendet worden.
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid auch in Hinblick auf die Spruchpunkte römisch fünf. und römisch VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
2.4.3 Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende, oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
ECLI:AT:BVWG:2019:W248.2200324.1.00