Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

15.01.2019

Geschäftszahl

W111 2141013-1

Spruch

W142 2141013-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde der römisch 40 , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2016, Zl. 1055089508-150313940, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG

2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist eine Staatsangehörige aus Somalia, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 27.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In ihrer Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somali, gab die BF zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt an, dass sie Moslem sei und dem Clan der Ashraf angehöre. Sie habe ihre Heimat deswegen verlassen, weil Mitglieder der Al Shabab sie im November 2013 zwingen wollten, ein Mitglied ihrer Gruppe zu heiraten. Sie habe dies nicht gewollt und aus Angst vor dieser Gruppierung sei sie geflüchtet. Bei einer Rückkehr nach Somalia befürchte sie getötet zu werden.

3. Am 22.08.2016 wurde die BF durch die belangte Behörde in der Sprache Somali einvernommen. Dabei gab sie an, dass sie in Mogadishu gelebt habe. Im November 2013 sei ein Mitglied der Al Shabab mit zwei weiteren Mitgliedern zu ihrer Mutter gekommen und habe dieser gesagt, dass er die BF heiraten wolle. Die Mutter solle die BF vorbereiten und würde er sie in einer Woche abholen. Aus Angst habe die Mutter zugestimmt. Nach zwei Tagen seien sie zu einer Bekannten der Mutter gegangen, wo sie bis Ende November 2013 geblieben seien. Während dieser Zeit habe die Mutter Drohanrufe von der Al Shabab erhalten. Aus Angst habe die BF einen Schlaganfall bekommen. Ein Heiler habe mit punktuellen Verbrennungen ihr gelähmtes Gesicht behandelt, Narben seien noch sichtbar. Sie habe gewartet bis ihre Wunden verheilt gewesen seien und habe dann Ende November 2013 Somalia verlassen. Ihr Vater habe bei einer Organisation namens römisch 40 als Lehrer gearbeitet. Im April 2011 sei er verschwunden. Sie vermute, dass er von der Al Shabab mitgenommen worden sei, weil er für die Organisation gearbeitet habe.

4. Mit Bescheid vom 25.10.2016, wies die belangte Behörde den Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und der BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG erteilt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die BF eine konkret gegen ihre Person gerichtete Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Jedoch könne nicht ausgeschlossen werden, dass die BF als alleinstehende Frau ohne familiäres Netzwerk im Falle einer Rückkehr nach Somalia keiner ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrheit ausgesetzt wäre.

5. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. erhoben. Darin wurde unter ausgeführt, dass der Spruchpunkt römisch eins. aufgrund von erheblichen Verfahrensfehlern und einer unrichtigen Rechtsanwendung erlassen wurde und daher unzulässig sei.

6. Am 01.12.2016 langte das Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde der Gerichtsabteilung W111 zugewiesen.

7. Aufgrund einer Unzuständigkeitsanzeige der Gerichtsabteilung W111 vom 12.11.2019 wegen Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung (Paragraph 20, AsylG 2005) wurde das Verfahren mit 13.11.2019 der Gerichtsabteilung W142 zugewiesen.

8. In der Folge fand am 29.11.2019 eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somali statt. Die BF wiederholte im Wesentlichen ihre bereits gemachten Angaben. Ergänzend brachte sie vor, dass sie den letzten Kontakt zu ihren Familienangehörigen in Somalia im März 2014 gehabt habe. Sie wisse nicht, wo sich diese derzeit aufhalten. Ein Bruder sei jedoch seit 2011 in Österreich. In Österreich habe sie den Pflichtschulabschluss gemacht und die B1 Prüfung geschafft. Sie habe sich für eine Ausbildung als Pflegeassistentin beworben. Weiters betonte sie nicht heiraten zu wollen, da sie ihre Freiheit liebe. Ferner wurde ein Konvolut an Integrationsunterlagen vorgelegt. Außerdem brachte sie vor, dass eine in Österreich durchgeführte Massagetherapie eine Schmerzlinderung hinsichtlich ihres Nervenproblems auf der rechten Gesichtshälfte erbracht hat. Zudem wurden Länderberichte zur Situation in Somalia erörtert.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist Staatsangehörige von Somalia, Zugehörige zum Clan der Ashraf und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Sie hat vor ihrer Ausreise in Mogadishu gelebt. Ihr Vater ist seit April 2011 verschwunden, nachdem er als Lehrer für die Organisation römisch 40 gearbeitet hat. Die BF weiß nicht, wo sich derzeit ihre Mutter und ihre sieben Geschwister aufhalten. Der letzte telefonische Kontakt erfolgte im März 2014. Ein Bruder befindet sich in Österreich.

Die BF wurde in Somalia nicht traditionell verheiratet und hatte auch keinen Partner, mit dem sie zusammenlebte. Sie verfügt in Somalia über keine Familienangehörigen. Die BF ist alleinstehend, insbesondere ohne männlichen Schutz und ohne ausreichendes familiäres Netzwerk. In diesem Zusammenhang muss weiters davon ausgegangen werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr als IDPs in ein entsprechendes Lager gehen müsste.

Die BF gehört in Somalia der Gruppe der alleinstehenden Frauen an, denen geschlechtsspezifische Gewalt droht. Eine geschlechtsspezifische Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr ist damit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Somalia gegeben.

Sie ist um eine Integration in Österreich sehr bemüht und in Österreich nicht straffällig geworden. Sie hat Deutschkurse besucht, die B1 Prüfung absolviert, den Pflichtschulabschluss gemacht und sich für eine Ausbildung als Pflegeassistentin beworben.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen die BF von der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ausgeschlossen wäre.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia wird festgestellt:

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 4.3.2019, S.5), aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert (NLMBZ 3.2019, S.7). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2018, S.4).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2018, S.5). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten (AA 5.3.2019b). Das Land hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Absatz ,), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Der Aufbau von Strukturen auf Bezirksebene geht hingegen nur langsam voran (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 4.3.2019, S.4f). Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 5.6.2019b, C1). Das Land befindet sich immer noch mitten im Staatsbildungsprozess (BS 2018, S.33).

Die Herausforderungen sind dabei außergewöhnlich groß, staatliche Institutionen müssen von Grund auf neu errichtet werden. Zusätzlich wird der Wiederaufbau durch die Rebellion von al Shabaab, durch wiederkehrende Dürren und humanitäre Katastrophen gehemmt. Außerdem sind Teile der staatlichen Elite mehr mit der Verteilung von Macht und Geld beschäftigt, als mit dem Aufbau staatlicher Institutionen (BS 2018, S.33). In vielen Bereichen handelt es sich bei Somalia um einen "indirekten Staat", in welchem eine schwache Bundesregierung mit einer breiten Palette nicht-staatlicher Akteure (z.B. Clans, Milizen, Wirtschaftstreibende) verhandeln muss, um über beanspruchte Gebiete indirekt Einfluss ausüben zu können (BS 2018, S.23). Zudem ist die Bundesregierung finanziell von Katar abhängig, das regelmäßig außerhalb des regulären Budgets Geldmittel zur Verfügung stellt (SEMG 9.11.2018, S.30).

Somalia ist keine Wahldemokratie, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht (BS 2018, S.13f). Es gibt keine freien und fairen Wahlen auf Bundes- (USDOS 13.3.2019, S.23; vergleiche FH 5.6.2019b, A1) und auch keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler oder regionaler Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 4.3.2019, S.5f). Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 geplant (AA 5.3.2019b). Angesichts der bestehenden Probleme bleibt aber abzuwarten, ob diese Wahlen wirklich stattfinden werden (NLMBZ 3.2019, S.9). Bei den Vorbereitungen dafür wurden bisher nur wenige Fortschritte gemacht (FH 5.6.2019b, A3).

Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten. Dieser Prozess ist weiterhin nicht abgeschlossen (USDOS 13.3.2019, S.23), und es gibt diesbezüglich Konflikte mit den Bundesstaaten (NLMBZ 3.2019, S.7).

Die beiden Kammern des Parlaments wurden mittels indirekter Wahlen durch ausgewählte Älteste Ende 2016 / Anfang 2017 besetzt (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Über 14.000 Wahlmänner und -frauen waren an der Wahl der 275 Abgeordneten beteiligt. Zuvor waren Abgeordnete unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden (AA 4.3.2019, S.6; vergleiche AA 5.3.2019b). Das Unterhaus wurde nach Clan-Zugehörigkeit besetzt, das Oberhaus nach Zugehörigkeit zu Bundesstaaten. Die Wahlen zu beiden Häusern wurden generell als von Korruption durchsetzt und geschoben erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Sie wurden von Schmiergeldzahlungen, Einschüchterungen, Stimmenkauf und Manipulation begleitet (BS 2018, S.14/19). Dieses Wahlsystem ist zwar noch weit von einer Demokratie entfernt und unterstreicht die Bedeutung der politischen Elite (BS 2018, S.22). Trotz allem waren die Parlamentswahlen ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt (AA 4.3.2019, S.6; vergleiche AA 5.3.2019b; BS 2018, S.22).

Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 13.3.2019, S.26; vergleiche BS 2018, S.13f). Die 4.5-Formel hat zwar politischen Fortschritt gewährleistet, ist aber zugleich Ursprung von Ressentiments (SRSG 13.9.2018, S.2).

Die Präsidentschaftswahl fand am 8.2.2017 statt. Die beiden Parlamentskammern wählten den früheren Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten (AA 4.3.2019, S.6; vergleiche BS 2018, S.14; USDOS 13.3.2019, S.1). Seine Wahl wurde als fair und transparent erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1). Im März 2017 bestätigte das Parlament Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 5.3.2019b; vergleiche BS 2018, S.14). Die aktuelle Regierung agiert wie eine Regierung der nationalen Einheit. Sie wurde so zusammengesetzt, dass alle relevanten Clans und Gruppen sich in ihr wiederfinden (AA 4.3.2019, S.10).

Gemäß einer Quelle üben aber salafistische Netzwerke zunehmend Einfluss auf die Regierung aus (NLMBZ, S.8f). Nach anderen Angaben kann von Salafismus keine Rede sein, vielmehr sind der Präsident und seine Entourage Moslembrüder bzw. deren Ideologie sehr nahestehend (ME 27.6.2019). Wieder eine andere Quelle berichtet, dass die politische Basis des Präsidenten eine nationalistische ist (ICG 12.7.2019, S.10). Gleichzeitig unterwandert al Shabaab das System, indem sie Wahldelegierte zur Kooperation zwingt (Mohamed 17.8.2019).

Das Konzept einer politischen Opposition ist nur schwach ausgeprägt, die Regeln der Politik sind abgestumpft. Misstrauensanträge, Amtsenthebungsverfahren und Wahlen werden zur Bereicherung und zum politischen Machtausbau missbraucht (SRSG 13.9.2018, S.4). Generell sind die Beziehungen zwischen Bundesregierung und Parlament problematisch. Außerdem kam es 2018 zu einer großen Zahl an Personaländerungen, so wurde etwa der Bürgermeister von Mogadischu, zahlreiche Minister und der Chief Justice ersetzt (NLMBZ, S.8f).

Gegen Ende 2018 war vom Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Farmaajo eingeleitet worden. Dieses Verfahren wurde jedoch Mitte Dezember 2018 aus formalen Gründen für ungültig erklärt bzw. zurückgezogen (VOA 20.12.2018; vergleiche FH 5.6.2019b, A1; UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Auch zwischen Ober- und Unterhaus ist es zu politischen Auseinandersetzungen gekommen (AMISOM 15.1.2019a; vergleiche UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Diese wurden im Juli 2019 vorläufig beigelegt (UNSC 15.8.2019, Absatz ,).

Ein nationaler Versöhnungsprozess ist in Gang gesetzt worden. Dieser wird international unterstützt (UNSC 21.12.2018, S.6).

Föderalisierung: Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, wurden im Rahmen eines international vermittelten Abkommens von 2013 bis 2016 die Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und HirShabelle neu gegründet (AA 5.3.2019b; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.1; BS 2018, S.4f/12). Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 5.3.2019b; vergleiche UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Mit der Gründung der Bundesstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel konnten wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus gestellt werden (AA 4.3.2019, S.4). Beim Prozess der Föderalisierung gab es in den letzten Jahren signifikante Fortschritte (BS 2018, S.3). Allerdings hat keine dieser Verwaltungen die volle Kontrolle über die ihr nominell unterstehenden Gebiete (USDOS 13.3.2019, S.1; vergleiche BS 2018, S.15).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance:

Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (BFA 8.2017, S.55f).

Wichtige Detailfragen zur föderalen Staatsordnung sind weiterhin ungeklärt, z.B. die Einnahmenverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten; die jeweiligen Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich; oder die Umsetzung der für 2020 geplanten Wahlen (AA 5.3.2019b; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.7) - und die gesamte Frage der Machtverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten (UNSC 15.5.2019, Absatz , vergleiche UNSC 21.12.2018, S.5).

Die Bundesregierung tut sich schwer, in den Bundesstaaten Macht und Einfluss geltend zu machen (NLMBZ 3.2019, S.7). Außerdem kommt es in den Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten immer wieder zu (politischen) Spannungen (AA 5.3.2019b; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.7), die manchmal auch in Gewalt eskalierten (BS 2018, S.4).

Zusätzlich haben die Bundesstaaten abseits des Nationalen Sicherheitsrates 2017 einen Kooperationsrat der Bundesstaaten (CIC) geschaffen, welcher unter Ausschluss der Bundesregierung arbeitet (SEMG 9.11.2018, S.5; vergleiche AA 5.3.2019b). Während andere Mitglieder des CIC den Dialog mit der Bundesregierung verweigerten (AMISOM 12.10.2018), hat der Präsident von HirShabelle, Mohamed Abdi Waare, diesen zwischenzeitlich gesucht (AMISOM 12.10.2018; vergleiche UNSC 21.12.2018, S.1). Der CIC hat bereits zweimal die Kooperation mit der Bundesregierung suspendiert (SEMG 9.11.2018, S.31f), so etwa im September 2018. Im Oktober 2018 haben alle Bundesstaaten außer HirShabelle angekündigt, gemeinsame Sicherheitskräfte aufzustellen (UNSC 21.12.2018, S.1). Generell herrscht zwischen Bundesregierung und Bundesstaaten ein besorgniserregendes Maß an Misstrauen (SRSG 13.9.2018, S.3). Dadurch wird auch die Lösung von Schlüsselfragen zu Politik und Sicherheit behindert (UNSC 15.5.2019, Absatz , vergleiche SRSG 3.1.2019, S.2).

Bei dieser Auseinandersetzung kommt u.a. die Krise am Golf zu tragen: In Somalia wird eine Art Stellvertreterkrieg ausgetragen, bei welchem die unterschiedlichen Interessen und Einflüsse speziell von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) eine Rolle spielen. Dies hat die schon bestehenden Spannungen zwischen der Bundesregierung und den Bundesstaaten weiter verschärft, erstere ist in zunehmende Isolation geraten (SEMG 9.11.2018, S.4/30; vergleiche ICG 12.7.2019, S.9; FH 5.6.2019b, C1). Diese Entwicklung hat zur Destabilisierung Somalias beigetragen (NLMBZ 3.2019, S.10). Allerdings gibt es zumindest Anzeichen für eine Verbesserung der Situation (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). So hat sich Präsident Farmaajo für die Verschlechterung der Beziehungen zu den Bundesstaaten öffentlich entschuldigt (ICG 12.7.2019, S.9). Die Bundesregierung versucht insbesondere HirShabelle und Galmudug in ihr Lager zu ziehen (BMLV 3.9.2019). Trotzdem bleiben die Spannungen bestehen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,).

1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Jubaland wurde im Jahr 2013 gebildet, damals wurde auch Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 13.3.2019, S.24). Bis Anfang August hatten sich für die Neuwahl des Präsidenten neun Kandidaten registrieren lassen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Am 22.8.2019 wurde dann Ahmed Madobe als Präsident bestätigt. Die Wahl war allerdings umstritten: Da die Bundesregierung mehr Kontrolle gewinnen möchte, hat sie erklärt, die Wahl nicht anzuerkennen und den Wahlkandidaten der Opposition, Abdirashif Mohamad Hidig, zu unterstützen (BAMF 26.8.2019, S.6). Der Verwaltung von Jubaland ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Dadurch, dass die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden, wurde die Machtbalance verbessert (BFA 8.2017, S.57ff). Diese Inkorporation funktioniert auch weiterhin, die Verwaltung in Kismayo hat sich weiter gefestigt. Außerdem konnten durch die Kooperation mit Teilen der Marehan auch die nicht der al Shabaab zuneigenden Gebiete von Gedo gefestigt werden (ME 27.6.2019).

2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Der SWS wurde in den Jahren 2014/2015 etabliert, Sharif Hassan Sheikh Adam zum ersten Präsidenten gewählt (USDOS 13.3.2019, S.24). Im Dezember 2018 wurde im SWS neu gewählt (AA 5.3.2019b). In der Folge ist im Jänner 2019 mit Abdulaziz Hassan Mohamed "Lafta Gareen" ein neuer Präsident angelobt worden (AMISOM 17.1.2019a; vergleiche UNSC 27.12.2018; UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Zuvor war es zu Anschuldigungen gegen die Bundesregierung gekommen, sich in den Wahlkampf eingemischt zu haben. Ein Kandidat - der ehemalige stv. Kommandant der al Shabaab, Mukhtar Robow - war verhaftet worden, was zu gewaltsamen Demonstrationen geführt hat (SRSG 3.1.2019, S.2f; vergleiche UNSC 21.12.2018, S.2). Beim Aufbau der Verwaltung konnten Fortschritte erzielt werden (BMLV 3.9.2019).

3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): HirShabelle wurde 2016 etabliert. Zum Präsidenten wurde Ali Abdullahi Osoble gewählt. Anführer der Hawadle hatten eine Teilnahme verweigert (USDOS 13.3.2019, S.24f). Im Oktober 2017 wurde Mohamed Abdi Waare zum neuen Präsidenten, nachdem sein Vorgänger des Amtes enthoben worden war (UNSOM, 24.10.2017). Nach politischen Spannungen haben sich die Beziehungen zwischen Exekutive und Legislative verbessert (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Die im Zuge der Bildung des Bundesstaates neu aufgeflammten Clankonflikte sind gegenwärtig weitgehend abgeflaut (ME 27.6.2019). Dazu beigetragen haben Bemühungen des Premierministers und Katars, wobei letzteres Investitionen in Aussicht gestellt hat. Man ist auf die Hawadle zugegangen. Die Clans - v.a. in Middle Shabelle - haben daraufhin ihre Proteste gegen die Regionalverwaltung reduziert. Unklar ist, ob diese neue Haltung Bestand haben wird. In Belet Weyne hingegen treffen Vertreter von HirShabelle nach wie vor auf unverminderte Ablehnung (BMLV 3.9.2019). Sowohl in den von HirShabelle in Middle Shabelle kontrollierten Gebieten wie auch in Belet Weyne ist eine Verbesserung der Verwaltung zu verzeichnen (BMLV 3.9.2019).

4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): Im Jahr 2015 wurde die Regionalversammlung von Galmudug vereidigt. Sie wählte Abdikarim Hussein Guled zum ersten Präsidenten. Dieser trat im Feber 2017 zurück. Unter dem neuen Präsidenten Ahmed Duale Gelle "Haaf" wurden Friedensgespräche mit der Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) initiiert. Die Gruppe kontrolliert Teile von Galgaduud (USDOS 13.3.2019, S.24). Ende 2017 wurde mit der ASWJ ein Abkommen zur Machtteilung abgeschlossen (UNSC 15.5.2019, Absatz , vergleiche AMISOM 5.7.2019). Ab September 2018 wuchsen die politischen Spannungen. Im Oktober 2018 wurde in Cadaado ein Gegenpräsident gewählt, während Ahmed "Haaf" weiterhin von Dhusamareb aus regiert (UNSC 21.12.2018, S.2). In der Folge kam es zu Diskussionen und Spannungen über das Datum der nächsten Wahlen. Im März 2019 hat die NISA sogar die Kontrolle über das Gelände des Präsidentensitzes übernommen (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Während Haaf das Abkommen mit der ASWJ für nichtig erklärt hat, hat diese mit der Bundesregierung eine Einigung erzielt (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Galmudug wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016, S.17).

Quellen:

0.1. Puntland

Puntland hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Es strebte nie eine Unabhängigkeit von Somalia an und wurde vielmehr zum Vorbild bei der Bildung weiterer Bundesstaaten (BS 2018, S.4/12). Heute ist Puntland einer von fünf Bundesstaaten Somalias - allerdings mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden (AA 4.3.2019, S.5; vergleiche AA 5.3.2019b; BS 2018, S.4), und damit ist Puntland insgesamt weniger fragil als die südlicher gelegenen Bundesstaaten (AA 4.3.2019, S.11; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.33f).

Bereits im Jahr 2014 kam es zu einem friedlichen Machtwechsel an der Staatsspitze (USDOS 13.3.2019, S.24). Anfang 2019 wählte das Parlament Saed Abdullahi Deni zum neuen Präsidenten. Er hat sich in mehreren Wahlgängen gegen insgesamt 20 Konkurrenten durchgesetzt. Der bisherige Präsident Abdiweli Mohamed Ali "Gaas" wurde abgewählt (VOA 8.1.2019; vergleiche UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Auch dieser Machtwechsel verlief friedlich (AA 5.3.2019b; vergleiche UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Zuvor war im Dezember 2018 das Parlament neu besetzt worden. Die Clans haben 66 Mitglieder als Abgeordnete nominiert (UNSC 21.12.2018, S.2; vergleiche UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

Im Jahr 2012 hat das Parlament eine Verfassung verabschiedet, welche ein Mehrparteiensystem vorsieht (USDOS 13.3.2019, S.24).

Quellen:

1. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).

Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vergleiche BMLV 3.9.2019).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S.21/91f; vergleiche BMLV 3.9.2019).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und - in noch stärkerem Ausmaß - in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).

Quellen:

1.1. Süd-/Zentralsomalia

Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 15.8.2019, Absatz , vergleiche AA 17.9.2019). Al Shabaab bleibt auch weiterhin die größte Quelle von Unsicherheit in Somalia (SRSG 3.1.2019, S.3; vergleiche SEMG 9.11.2018, S.4; UNSC 21.12.2018, S.3).

Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion (LWJ 8.1.2019). Al Shabaab hat sich ihre operative Stärke und ihre Fähigkeiten bewahrt (UNSC 21.12.2018, S.3; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.20), führt weiterhin Angriffe auf Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeiter, Sicherheitskräfte, internationale Partner und öffentliche Plätze - z.B. Restaurants und Hotels - durch (UNSC 15.8.2019, Absatz , vergleiche AA 17.9.2019).

Dabei hat sich die Gruppe in erster Linie auf die Durchführung von Sprengstoffanschlägen und gezielten Attentaten verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3) und kann sowohl gegen harte (militärische) als auch weiche Ziele vorgehen (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab bleibt zudem weiterhin in der Lage, komplexe asymmetrische Angriffe durchzuführen (SEMG 9.11.2018, S.4). Neben Angriffen auf militärische Einrichtungen und strategischen Selbstmordanschlägen auf Regierungsgebäude und städtische Gebiete wendet al Shabaab auch Mörser- und Handgranatenangriffe an, legt Hinterhalte und führt gezielte Attentate durch (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab verfügt auch weiterhin über Kapazitäten, um konventionelle Angriffe und größere Attentate (u.a. Selbstmordanschläge, Mörserangriffe) durchzuführen (LWJ 15.10.2018). Al Shabaab ist auch in der Lage, fallweise konventionelle Angriffe gegen somalische Kräfte und AMISOM durchzuführen, z.B. am 1.4.2018 gegen sogenannte Forward Operational Bases der AMISOM in Buulo Mareer, Golweyn und Qoryooley (Lower Shabelle) (SEMG 9.11.2018, S.22). Nach anderen Angaben kann al Shabaab keine konventionellen Angriffe mehr durchführen. Die Gruppe hat sich v.a. auf Sprengstoffanschläge und gezielte Attentate verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3).

Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg an Angriffen in Mogadischu. Es kommt weiterhin zu Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen, Mörserangriffen und gezielten Attentaten. Alleine im März 2019 wurden 77 Anschläge mit Sprengsätzen verzeichnet - die höchste Zahl seit 2016. Der Großteil dieser Anschläge betraf Mogadischu, Lower Shabelle, Lower Juba und Gedo (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Ähnliches gilt für den Monat Ramadan (5.5.-3.6.); danach ging die Zahl an Vorfällen zurück (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Von Gewalt durch al Shabaab am meisten betroffen sind Mogadischu, Lower und Middle Shabelle; Jubaland, Bay und Hiiraan sind zu einem geringeren Ausmaß betroffen (UNSC 21.12.2018, S.4).

Al Shabaab hat auch die Angriffe mit Mörsern verstärkt. Dabei ist eine zunehmende Treffsicherheit zu verzeichnen. Außerdem führt die Gruppe weiterhin (sporadisch) komplexe Angriffe durch (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

Kampfhandlungen: In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. AMISOM (African Union Mission in Somalia) und al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16; vergleiche AA 17.9.2019). Die Gruppe führt täglich kleinere Angriffe auf AMISOM, Armee und Regierung durch, alle paar Wochen kommt es zu einem größeren Angriff (BS 2018, S.7). Dies betrifft insbesondere die Regionen Lower Juba, Gedo, Bay, Bakool sowie Lower und Middle Shabelle. Die Region Middle Juba steht in weiten Teilen unter Kontrolle von al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (LIFOS 3.7.2019, S.22). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind nach wie vor stark von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen diesen Städten liegt im Fokus von al Shabaab (ME 27.6.2019). In Süd-/Zentralsomalia bleibt al Shabaab auch für Stützpunkte von Armee und AMISOM eine Bedrohung. Sie behält die Fähigkeit, selbst in schwer befestigte Anlagen in Mogadischu einzudringen (LWJ 3.9.2018).

Ferner kommt es immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander (AA 17.9.2019). Auch somalische und regionale Sicherheitskräfte töteten Zivilisten und begingen sexuelle Gewalttaten - v.a. in und um die Region Lower Shabelle (USDOS 13.3.2019, S.11). Zusätzlich wird die Sicherheitslage durch die große Anzahl lokaler und sogar föderaler Milizen verkompliziert (BS 2018, S.8). Es gibt immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen einzelner Sub-Clans bzw. religiöser Gruppierungen wie Ahlu Sunna Wal Jama'a (AA 4.3.2019, S.16; vergleiche HRW 17.1.2019). Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 4.3.2019, S.16).

Bei Kampfhandlungen gegen al Shabaab, aber auch zwischen Clans oder Sicherheitskräften kommt es zur Vertreibung, Verletzung oder Tötung von Zivilisten (HRW 17.1.2019).

Gebietskontrolle: Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 4.3.2019, S.5). Die Regierung war nicht immer in der Lage, gewonnene Gebiete abzusichern, manche wurden von al Shabaab wieder übernommen (BS 2018, S.7). Mittlerweile wird zumindest versucht, nach der Einnahme neuer Ortschaften rasch eine Zivilverwaltung einzusetzen, wie im Zuge der Operation Badbaado 2019 in Lower Shabelle zu erkennen war. Trotzdem beherrschen die neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr als die größeren Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt meist auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert. Teils kommt es zu weiteren (militärischen) Exkursionen (ME 27.6.2019). Die meisten von Regierung/AMISOM gehaltenen Städte sind aber Inseln im Gebiet der al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.3; vergleiche BFA 8.2017, S.26). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft oder über See versorgt werden, da Überlandrouten nur eingeschränkt nutzbar sind (UNSC 21.12.2018, S.9).

In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (ME 27.6.2019). Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände von al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017, S.26; vergleiche BMLV 3.9.2019). Andererseits führen ausstehende Soldzahlungen zu Meutereien bzw. zur Aufgabe gewonnener Gebiete durch Teile der Armee (z.B. in Middle Shabelle im März 2019) (BAMF 1.4.2019).

Al Shabaab kontrolliert große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia und bedroht dort die Städte (LWJ 8.1.2019). Außerdem kontrolliert al Shabaab wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Regierungskontrolle Blockaden aufrecht (HRW 17.1.2019).

AMISOM/Operationen: Die Truppensteller von AMISOM glauben nicht daran, dass Regierungskräfte über die notwendigen Kapazitäten verfügen, um wichtige Sicherheitsaufgaben zu übernehmen (HRW 17.1.2019). Die Regierung ist selbst bei der Sicherheit von Schlüssel-Einrichtungen auf AMISOM angewiesen (BS 2018, S.7). Vor desaströsen Auswirkungen eines voreiligen Abzugs von AMISOM wird gewarnt (SRSG 13.9.2018, S.5). Bereits ein Teilabzug im Rahmen einer "Rekonfiguration" könnte zur Aufgabe sogenannter Forward Operating Bases (FOBs) führen (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Die Kräfte von AMISOM sind ohnehin überdehnt (ME 27.6.2019), und schon in den Jahren 2016 und 2017 fielen manche Städte aufgrund des Abzugs von AMISOM zurück an al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.1). Auch im Rahmen der Truppenreduzierung im Jahr 2019 hat AMISOM FOBs räumen müssen - etwa Faafax Dhuun (Gedo); andere wurden an die somalische Armee übergeben (ME 14.3.2019).

Nach 2015 hat AMISOM keine großen Offensiven gegen die al Shabaab mehr geführt (ISS 28.2.2019; vergleiche SEMG 9.11.2018, S.22), der Konflikt befindet sich in einer Art "Warteschleife" (ICG 27.6.2019, S.1). Im aktuellen Operationsplan von AMISOM sind ausschließlich kleinere offensive Operationen vorgesehen, welche insbesondere der Absicherung relevanter Versorgungsrouten dienen. Tatsächliche Vorstöße auf das Gebiet der al Shabaab sind so gut wie keine vorgesehen. Das heißt, dass AMISOM lediglich auf die Absicherung wesentlicher gesicherter Räume (v.a. Städte) und wichtiger Versorgungsrouten abzielt (ME 14.3.2019). In diesem Sinne ist auch die Operation Badbaado (Lower Shabelle) zu sehen, bei welcher v.a. somalische Truppen herangezogen wurden (ME 27.6.2019). Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM kann auf dieser Grundlage nicht erwartet werden (ME 14.3.2019).

Islamischer Staat (IS): Neben al Shabaab existieren in Süd-/Zentralsomalia auch kleinere Zellen des sog. IS (LWJ 16.11.2018). Deren Aktivitäten haben sich ausgedehnt, der IS verübt Mordanschläge in - v.a. - Mogadischu, Afgooye und Baidoa (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vergleiche LWJ 4.1.2019; NLMBZ 3.2019, S.15). Dort verfügt der IS über ein Netzwerk. Unklar bleibt, ob dieses mit der IS-Fraktion in Puntland in Kontakt steht (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.16). Insgesamt hat sich der IS im Zeitraum Oktober 2017 bis August 2018 zu 50 Attentaten bekannt, tatsächlich konnten nur 13 verifiziert werden (SEMG 9.11.2018, S.4/28f). Die Fähigkeiten des IS in und um Mogadischu sind auf gezielte Attentate beschränkt (UNSC 21.12.2018, S.3).

Zivile Opfer: Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur durch al Shabaab führten 2018 zu hunderten zivilen Todesopfern und Verletzten (HRW 17.1.2019). Allerdings sind Zivilisten nicht das Primärziel (NLMBZ 3.2019, S.12; vergleiche LWJ 9.11.2018), wiewohl sie als Kollateralschaden in Kauf genommen werden (NLMBZ 3.2019, S.12; vergleiche LI 28.6.2019, S.8). So wurde z.B. als Grund für einen Angriff auf das Sahafi Hotel in Mogadischu am 9.11.2018 von al Shabaab angegeben, dass dort Offiziere und Regierungsvertreter wohnen würden (LWJ 9.11.2018). Der Umstand, dass bei al Shabaab willkürliche Angriffe gegen Zivilisten nicht vorgesehen sind, unterscheidet die Methoden der Gruppe von jenen anderer Terroristen (z.B. Boko Haram) (NLMBZ 3.2019, S.12).

Im Zeitraum Jänner-September 2018 sind in Somalia bei Sprengstoffanschlägen mindestens 280 Menschen ums Leben gekommen, 220 wurden verletzt. 43% der Opfer waren Zivilisten; hauptsächlich betroffen waren die Regionen Lower Shabelle und Benadir/Mogadischu (USDOS 13.3.2019, S.13).

Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten. Im Jahr 2018 kam es bei Zusammenstößen zwischen Clanmilizen sowie zwischen diesen und al Shabaab in Puntland, Galmudug, Lower und Middle Shabelle, Lower Juba, Hiiraan und Bay zu Todesopfern. Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Sub-Clans, v.a. im Streit um Wasser und Land. Im Jahr 2018 waren davon v.a. die Regionen Hiiraan, Galmudug, Lower und Middle Shabelle betroffen (USDOS 13.3.2019, S.2/11f). Derartige Kämpfe sind üblicherweise lokal begrenzt und dauern nur kurze Zeit, können aber mit großer - generell gegen feindliche Kämpfer gerichteter - Gewalt verbunden sein (LI 28.6.2019, S.8).

[...]

Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 12,3 Millionen Einwohnern (UNFPA 1.2014, S.31f) - wobei andere Quellen von mindestens 14,7 Millionen ausgehen (USDOS 21.6.2019, S.2) - lag die Quote getöteter oder verletzter Zivilisten in Relation zur Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia zuletzt bei 1:8163.

Luftangriffe: Es kommt vermehrt zu US-Luftangriffen. Die Zahl stieg von 15 im Jahr 2016 auf 35 im Jahr 2017 und weiter auf 47 im Jahr 2018 (LWJ 8.1.2019). Dabei wurden 2018 von der US-Luftwaffe 326 Personen getötet. Alleine im Jänner und Feber 2019 meldete AFRICOM weitere 24 Luftschläge mit 225 Getöteten - nach Angaben von AFRICOM ausschließlich Kämpfer der al Shabaab (TNYT 10.3.2019). Danach ging die Frequenz zurück. Bis Ende April waren es 28 Luftschläge (UNSC 30.4.2019). Angriffe finden in mehreren Regionen statt, in jüngerer Zeit, z.B. am 23.2.2019 auf Stützpunkte von al Shabaab in der Ortschaft Qunyow Barrow (Middle Juba), nahe Aw Dheegle (Lower Shabelle) und in Janaale (Lower Shabelle); am 24.2.2019 nahe Belet Weyne (Hiiraan) und am 25.2.2019 nahe Shebeeley (Hiiraan) (BAMF 4.3.2019, S.6). Auch die äthiopische und die kenianische Luftwaffe führen Angriffe durch (LIFOS 3.7.2019, S.28).

Die Luftangriffe auf Ausbildungs- und Sammelpunkte von al Shabaab zielen darauf ab, Einsatzfähigkeit und Bewegungsfreiheit der Gruppe einzuschränken. Allerdings führten sie auch dazu, dass mehr al Shabaab-Kämpfer in Städte - und hier v.a. Mogadischu - drängen, wo sie kaum Luftschläge zu fürchten brauchen (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

Quellen:

1.1.1. Bundesstaat Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba)

Nominell gehören zum Machtbereich von Jubaland die Regionen Lower und Middle Juba sowie Gedo. Die Regierung von Jubaland verfügt aber nicht über die entsprechenden Kapazitäten, um ganz Jubaland kontrollieren zu können (BFA 8.2017, S.57ff). Viele der ländlichen Teile von Jubaland werden von al Shabaab kontrolliert (NLMBZ 3.2019, S.22). Angriffe der al Shabaab richten sich vor allem gegen Regierungskräfte und deren Alliierte (LIFOS 3.7.2019, S.27).

Lower Juba: Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Kolbiyow werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert. Die Situation in Dif und Badhaade ist hingegen ungewiss (PGN 8.2019; vergleiche LI 21.5.2019a, S.2). Jamaame steht unter Kontrolle von al Shabaab; dies gilt auch für den nördlichen Teil Lower Jubas (PGN 8.2019). Dhobley ist relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017, S.64; vergleiche PGN 8.2019) und wird als sicher erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.27). Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Tabta können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Die Bevölkerung von Kismayo ist in kurzer Zeit um 30% auf ca. 300.000 gewachsen. Viele der Zuzügler stammen aus dem Umland oder kamen aus Kenia oder der weltweiten Diaspora nach Kismayo zurück (FIS 5.10.2018, S.20f). Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften (BFA 8.2017, S.59). Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde (ME 27.6.2019). Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Die al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv, es kommt nur selten zu Anschlägen oder Angriffen (BFA 8.2017, S.59; vergleiche BMLV 3.9.2019). Die Stadt gilt als ruhig und sicher (ME 27.6.2019), auch wenn die Unsicherheit wächst (LIFOS 3.7.2019, S.27f). Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Aufgrund der gegebenen Sicherheit ist Kismayo das Hauptziel für Rückkehrer aus Kenia. Der Stadt Kismayo - und damit der Regierung von Jubaland - wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der Regierung ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren (BFA 8.2017, S.58f; vergleiche BMLV 3.9.2019). Regierungskräfte kontrollieren die Stadt, diese ist aber von al Shabaab umgeben (LIFOS 3.7.2019, S.27f); allerdings hat Jubaland die Front bis in das Vorfeld von Jamaame verschieben können. So ist al Shabaab zumindest nicht mehr in der Lage, entlang des Juba in Richtung Kismayo vorzustoßen. Trotzdem ist es der Gruppe möglich, punktuell auch in Kismayo Anschläge zu verüben (BMLV 3.9.2019).

Middle Juba: Die ganze Region und alle Bezirkshauptstädte (Buale, Jilib, Saakow) stehen unter Kontrolle der al Shabaab (PGN 8.2019; vergleiche LI 21.5.2019a, S.2; BS 2018, S.15). Die Region gilt als Bastion der Gruppe (BFA 8.2017, S.62).

Gedo: Die Städte Baardheere, Belet Xaawo, Doolow, Luuq und Garbahaarey sowie die Orte Ceel Waaq und Buurdhuubo werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert (PGN 8.2019). Faafax Dhuun und Buusaar wurden im März 2019 von kenianischen Truppen geräumt (BMLV 3.9.2019) und von al Shabaab übernommen (PGN 8.2019). Die Städte Luuq, Garbahaarey, Doolow und Baardheere können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Die Grenzstadt Doolow sowie Luuq und das direkte Grenzgebiet zu Äthiopien sind relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017, S.64; vergleiche PGN 8.2019). Die beiden genannten Städte werden als sicher erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.27f). Bilateral eingesetzte kenianische Truppen finden sich im Bereich zur Grenze, in Gherille und Bura Hacha (BMLV 3.9.2019). Trotzdem befinden sich weite Teile von Gedo im Bereich von al Shabaab. Dabei gilt Gedo als sicherer als Lower und Middle Juba. Dies kann mitunter auf die homogenere Bevölkerung und auf die starke Präsenz von Äthiopien und Kenia zurückgeführt werden (NLMBZ 3.2019, S.22). Der Konflikt in Gedo besteht v.a. zwischen jenen Marehan, die für oder gegen al Shabaab eingestellt sind. Klare Trennlinien lassen sich hier nicht erkennen - auch nicht entlang der Clans. Dies sorgt insbesondere entlang der Grenze zu Kenia für Probleme, wo die Sicherheitslage zusätzlich durch Schmuggler verschlechtert wird (ME 27.6.2019).

In Gedo verfügt die nominell für die Region zuständige Regierung Jubalands nur über schwachen Einfluss. Die dort stehenden Teile der somalischen Armee (teils ehemalige Kämpfer der Ahlu Sunna Wal Jama'a, teils von Marehan-Milizen rekrutiert) kooperieren aber zunehmend mit Jubaland. Luuq und Garbahaarey werden als stabil beschrieben, auch Doolow floriert. Neben Kismayo werden insbesondere Dhobley und Doolow als sicher bezeichnet (BFA 8.2017, S.63f; vergleiche BMLV 3.9.2019). Die ASWJ ist in Gedo nicht mehr vorhanden (ME 27.6.2019). Im Dezember 2018 kam es im Grenzgebiet zu Kenia zu Kämpfen zwischen al Shabaab und IS (LWJ 14.1.2019).

Vorfälle: In den Regionen Lower Juba, Middle Juba und Gedo lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,36 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 41 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 24 dieser 41 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 28 derartige Vorfälle (davon 20 mit je einem Toten). [...]

Quellen:

1.1.2. Bundesstaat South West State (SWS; Lower Shabelle, Bay, Bakool)

In den größeren von der Regierung kontrollierten Städten besteht eine grundlegende Verwaltung, es gibt Bürgermeister, eine lokale Rechtsprechung und Ordnungskräfte (ME 27.6.2019). Beim Aufbau der Verwaltung im SWS konnten Fortschritte erzielt werden, dies bezieht sich aber mehr auf den Bereich Ausbau der Fähigkeiten in den wenigen kontrollierten Gebieten und nicht auf eine Ausdehnung der Kontrolle in den Regionen Bay und Bakool (BMLV 3.9.2019). Der Regierung ist es mit internationaler Unterstützung gelungen, eine eigene kleine Armee aufzubauen, die South West State Special Police Force (SWSSPF) (BFA 8.2017, S.66f). Die SWSSPF ist - auch mit internationaler Hilfe - weiter ausgebaut worden. Sie ist in Bay der Hauptträger des Kampfes gegen al Shabaab (ME 27.6.2019). Es besteht ein Plan von AMISOM und Armee, die Route Mogadischu-Baidoa abzusichern und Leego wieder einzunehmen (UNSC 21.12.2018, S.10). Al Shabaab kontrolliert viele Straßenverbindungen und ländliche Gebiete (ME 27.6.2019). Insgesamt ist der SWS der am meisten von Gewalt betroffene Bundesstaat (LIFOS 3.7.2019, S.42).

Lower Shabelle: Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley und Baraawe befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und AMISOM (PGN 8.2019). Sablaale (vermutlich) und Kurtunwaarey werden von al Shabaab kontrolliert. Diese gilt auch für große Teile des Hinterlandes nördlich des Shabelle (PGN 8.2019; vergleiche LI 21.5.2019a, S.2). Generell werden Teile von Lower Shabelle von al Shabaab und Clanmilizen kontrolliert (BS 2018, S.15).

Lower Shabelle ist ein Zentrum der Gewalt im somalischen Konflikt (BS 2018, S.15). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind nach wie vor stark von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen diesen Städten liegt im Fokus der al Shabaab (ME 27.6.2019; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.42f). Die meisten der im Jahr 2019 aufgrund von Konflikten neu vertriebenen Menschen stammen aus Lower Shabelle (UNOCHA 9.9.2019, S.2). Im März 2019 hat die Regierung angekündigt, dort eine neue Offensive zu führen. Die Operation zielt u.a. auf eine Verbesserung der Lage von Mogadischu und die Sicherheit entlang der Hauptroute von Afgooye nach Merka ab (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Bei der Operation konnten u.a. Bariire und Sabiid gewonnen werden (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Bei der Absicherung neu gewonnener Gebiete in Lower Shabelle stoßen somalische Kräfte und AMISOM zwar auf Probleme - etwa bei Ressourcen, Infrastruktur und bei der Verankerung einer Zivilverwaltung (AMISOM 7.8.2019, S.8). Trotzdem ist zu beobachten, dass vor allem in den durch diese Operation Badbaado 1 neu gewonnenen Räumen der Aufbau einer zivilen Verwaltung und die Installation von Polizeikräften relativ rasch nach der Einnahme der Ortschaften erfolgt (BMLV 3.9.2019).

Afgooye liegt aufgrund seines strategischen Wertes im ständigen Fokus aller Konfliktparteien, es kommt wöchentlich zu Angriffen (LIFOS 3.7.2019, S.29), so z.B. zu einem Angriff von al Shabaab auf einen Stützpunkt der Armee Mitte Jänner 2019, welcher in schweren Kämpfen resultierte (AMISOM 17.1.2019b). Trotzdem kann Afgooye hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Am 31.3.2019 griff al Shabaab Armee und AMISOM in Qoryooley an. Es kam zu schweren Gefechten, der Angriff konnte abgewehrt werden (BAMF 8.4.2019, S.6). Am 27.2.2019 überfiel al Shabaab einen AMISOM-Stützpunkt nahe Qoryooley, auch hier kam es zu einem Gefecht (BAMF 4.3.2019, S.5).

Am Stützpunkt Bali Doogle sind größere Kräfte der SNA stationiert, darunter die Spezialeinheit Danaab. Außerdem befinden sich dort ein Ausbildungsstützpunkt der USA sowie eine Drohneneinsatzbasis (BFA 8.2017, S.70).

Merka ist nominell von der Regierung übernommen worden (NLMBZ 3.2019, S.25). Präsident Farmaajo ist Mitte Oktober 2018 in Merka eingetroffen. Er hat sich u.a. mit dort stationierten Truppenteilen der somalischen Armee und Behörden getroffen. In den vorangegangenen Monaten hat die Armee in und um Merka Operationen durchgeführt und im August 2018 Teile der Stadt von al Shabaab zurückgewonnen (AMISOM 15.10.2018a; vergleiche AMISOM 15.10.2018b). Er traf auch Älteste der beiden Clans, die sich schon mehrfach um die Kontrolle über die Stadt bekämpft hatten (AMISOM 15.10.2018b). Die Situation in der Stadt ist nach wie vor instabil und die Bedrohung durch al Shabaab nicht beseitigt (NLMBZ 3.2019, S.25). In den letzten Monaten (vor Juli 2019) hat es in der Stadt oder im unmittelbaren Umfeld keine Kämpfe gegeben (ME 27.6.2019). Merka kann hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019). Allerdings gibt es im Bereich Merka nach wie vor eine größere Präsenz von al Shabaab (ICG 27.6.2019, S.12). Stadtbewohner werden immer wieder von beiden Seiten - Regierung und al Shabaab - mit Spionagevorwürfen konfrontiert (LIFOS 3.7.2019, S.28).

Die Lage in Baraawe ist ruhig, es gibt einen Stützpunkt der AMISOM (BFA 8.2017, S.69). Es gibt auch weiterhin so gut wie keine sicherheitsrelevanten Meldungen aus Baraawe (ME 27.6.2019).

Hinsichtlich des noch vor zwei Jahren sehr aktiven Konflikts zwischen Habr Gedir und Biyomaal gibt es keine Meldungen mehr, er hat sich in gewissem Umfang beruhigt. Auch zum Konflikt zwischen Biyomaal und al Shabaab gibt es keine Meldungen mehr (ME 27.6.2019). Viele Biyomaal haben das Gebiet verlassen, auch einige Habr Gedir haben sich zurückgezogen (LIFOS 3.7.2019, S.28f). Außerdem ist zwischen al Shabaab und den Biyomaal ein Waffenstillstand geschlossen worden (HI 31.5.2018, S.4f).

Bay: Die großen Städte - Baidoa, Buur Hakaba, Diinsoor - werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert, dies gilt auch für Qansax Dheere (PGN 8.2019). Die drei erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019). Al Shabaab kontrolliert große Teile von Bay, u.a. den Ort Leego an der wichtigen Route Afgooye-Baidoa (PGN 8.2019).

Die Regierung des SWS ist auf die großen Städte beschränkt, weite Teile der ländlichen Gebiete werden von al Shabaab kontrolliert (BS 2018, S.15). 2019 sind viele Menschen - v.a. aus Bay und Bakool - nach Baidoa geflohen, wo bereits 323.000 IDPs leben. Viele suchen in Baidoa humanitäre Hilfe. Andere gaben an, aufgrund wachsender Unsicherheit und aufgrund der Besteuerung durch al Shabaab geflohen zu sein (UNOCHA 31.7.2019).

Einige städtische Gebiete von Baidoa werden als relativ sicher beschrieben, während das Umfeld von al Shabaab kontrolliert wird (LIFOS 3.7.2019, S.29). Baidoa wird als relativ sicher beschrieben, es gibt dort regelmäßig Sicherheitsoperationen und Razzien durch Sicherheitskräfte. Die Einsatzfähigkeit der SWS Police Force (SWSPF) hat sich nach der Aufnahme lokaler Rekruten verbessert. Gleichzeitig ist Baidoa auf die Anwesenheit der äthiopischen AMISOM-Truppen angewiesen. Al Shabaab scheint in der Lage zu sein, Baidoa in der Nacht zu infiltrieren (BMLV 3.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.71). Die Verhaftung des Kandidaten für die Präsidentschaft im SWS, des ehemaligen stellvertretenden Kommandanten der al Shabaab, Mukhtar Robow, führte zu gewaltsamen Demonstrationen, bei welchen insgesamt 15 Personen getötet wurden (SRSG 3.1.2019, S.2f; vergleiche UNSC 21.12.2018, S.4; NLMBZ 3.2019, S.13). Eine andere Quelle spricht von zwölf Toten (UNSC 27.12.2018). Später wurde die Zahl offiziell auf vier korrigiert (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Die Verhaftung von Robow war von der Bundesregierung angeordnet worden, während er auf Bundesstaatsebene zur Wahl zugelassen worden war (UNSC 27.12.2018). Die Situation beruhigte sich zwar später wieder (NLMBZ 3.2019, S.13); jedoch sind sowohl die Frage einer möglichen Machtteilung zwischen dem neu gewählten Präsidenten Abdiaziz Hassan Mohamed "Lafta Gareen" und Robow bzw. zwischen deren Clans sowie die Frage der Entlassung von Robow aus der Haft immer noch nicht geklärt (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Sowohl der SWS als auch Polizei und AMISOM haben durch die Aktion jedenfalls bei der Bevölkerung an Ansehen und Vertrauen verloren (BMLV 3.9.2019).

Bakool: Ceel Barde, Yeed, Xudur und Waajid werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert (PGN 8.2019). Die drei letztgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019). Ein ca. 20km breiter Grenzstreifen an der Grenze zu Äthiopien ist frei von al Shabaab, große Teile der Region werden aber von der Gruppe kontrolliert (PGN 8.2019). Diese gilt auch für die Bezirkshauptstädte Rab Dhuure und Tayeeglow (PGN 8.2019; vergleiche LI 21.5.2019a, S.2). In Xudur befindet sich ein größerer Stützpunkt der Armee. Außerdem operieren in Bakool unabhängige Clan-Milizen. Insgesamt steht die Verwaltung von Bakool massiven Problemen gegenüber, um die Bevölkerung zu erreichen (BFA 8.2017, S.72f; vergleiche BMLV 3.9.2019).

Vorfälle: In den Regionen Bakool, Bay und Lower Shabelle lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 2,36 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 116 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 70 dieser 116 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 83 derartige Vorfälle (davon 56 mit je einem Toten). [...]

Quellen:

1.1.3. Benadir / Mogadischu

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (PGN 8.2019; vergleiche BMLV 3.9.2019). Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) (UNSC 5.9.2017, Absatz ,) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt (BMLV 3.9.2019). Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 3.9.2019).

Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ 3.2019, S.23). Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIFOS 3.7.2019, S.42).

Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurück erlangt (BMLV 3.9.2019). In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BMLV 3.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.51). Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (ICG 27.6.2019, S.5).

Sprengstoffanschläge: Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu (UNSC 21.12.2018, S.3f). Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen. Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S.23f). Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden (BS 2018, S.9; UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer) (UNSC 21.12.2018, S.3f). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (Mohamed 17.8.2019; vergleiche AJ 25.7.2019).

Zivilisten: Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Andererseits fühlen sich die Menschen von der Regierung nicht adäquat geschützt (LIFOS 3.7.2019, S.25). Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an (NLMBZ 3.2019, S.23; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.25). Diese leiden auf zwei

Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S.42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIFOS 3.7.2019, S.25/42; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.23) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S.21).

Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017, S.35).

Geographische Situation: Al Shabaab ist im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (LIFOS 3.7.2019, S.25f). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 3.9.2019). Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. So sind z.B. jene Teile, in welche Rückkehrer siedeln (u.a. IDP-Lager) besser vor al Shabaab geschützt. IDP-Lager stellen für die Gruppe kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24). Jedenfalls ist al Shabaab nahezu im gesamten Stadtgebiet in der Lage, verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (BMLV 3.9.2019).

Die meisten Anschläge richten sich gegen Villa Somalia, Mukarama Road, Bakara-Markt, die Flughafenstraße und Regierungseinrichtungen. Auch Dayniile ist stärker betroffen. Gebiete, die weiter als 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen, werden teilweise von al Shabaab kontrolliert. Vor allem Dayniile, Yaqshiid und Heliwaa werden als unsichere Gebiete erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.25f).

2018 waren die Bezirke Dayniile, Dharkenley, Hawl Wadaag und Hodan, in geringerem Ausmaß die Bezirke Heliwaa und Yaqshiid von Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2018 v.a. in den Bezirken Dharkenley, Hawl Wadaag, Hodan, in geringerem Ausmaß in Dayniile, Heliwaa, Waaberi und Yaqshiid von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen (ACLED - siehe Tabelle weiter unten).

Auch der sogenannte Islamische Staat (IS) hat in Mogadischu Anschläge und Attentate verübt, die eigene Präsenz ausgebaut (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Vorfälle: In Benadir/Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 217 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 186 dieser 217 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 207 derartige Vorfälle (davon 177 mit je einem Toten). [...]

Quellen:

1.1.4. Bundesstaat HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle)

Bislang ist die Macht der Regierung von HirShabelle auf Teile von Middle Shabelle bzw. Jowhar beschränkt. Sie hat Einfluss entlang der Straße von Jowhar nach Mogadischu. Zudem kann HirShabelle auch in Belet Weyne - beschränkt - Einfluss ausüben (BMLV 3.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.78). Insgesamt sind bei den Verwaltungen von HirShabelle und Belet Weyne Verbesserungen zu verzeichnen. Zusätzlich konnte die Sicherheitslage entlang der Straße Jowhar - Buulo Barde - Belet Weyne wesentlich verbessert werden, die Straße gilt aber noch nicht als durchgehend sicher (BMLV 3.9.2019).

Hiiraan: Belet Weyne, Buulo Barde, Jalalaqsi und Maxaas befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und AMISOM (PGN 8.2019). Die beiden erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. In jüngerer Vergangenheit konnte westlich von Belet Weyne keine wesentliche Präsenz der al Shabaab verzeichnet werden. Vor allem der Bereich entlang der somalisch-äthiopischen Grenze ist aktuell als sicher anzusehen (BMLV 3.9.2019). Im April 2016 haben Gemeinden im südlichen Hiiraan al Shabaab Widerstand entgegengesetzt. Eine vereinigte Miliz von Hawadle-Subclans - die Macawuusley - haben seither al Shabaab aktiv bekämpft, um die lokalen Gemeinden vor der systematischen Ausbeutung und Gewalt durch al Shabaab zu schützen (SEMG 9.11.2018, S.99/27). In Hiiraan war es im Juni 2019 wegen Streitigkeiten um Wasser und Weide zu Auseinandersetzungen zwischen Subclans von Habr Gedir und Hawadle gekommen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,).

Belet Weyne ist vergleichsweise stabil, es kommt nur sporadisch zu Gewalt oder Attacken der al Shabaab (DI 6.2019, S.7). In Belet Weyne gibt es eine relativ starke Bezirksverwaltung und lokal rekrutierte Polizeikräfte. Clan-Konflikte werden nicht mehr in der Stadt, sondern außerhalb ausgetragen. Es gibt dort Stützpunkte dschibutischer AMISOM-Truppen, der äthiopischen Armee sowie von einer Brigade der somalischen Armee. Die in Belet Weyne vorhandene Präsenz der al Shabaab scheint kaum relevant, es kommt zu wenigen Vorfällen (BMLV 3.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.79f). Allerdings hat al Shabaab die Präsenz in Belet Weyne verstärkt, im Bezirk gibt es vermehrt Zwischenfälle. Die Angriffe richten sich üblicherweise nicht gegen Zivilisten, wiewohl ein Risiko von Kollateralschäden besteht (LIFOS 3.7.2019, S.31).

Middle Shabelle: Jowhar, Balcad und Cadale befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und AMISOM (PGN 8.2019). Die beiden erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019). Der Küstenstreifen von Mogadischu nach Cadale ist frei von al Shabaab (PGN 8.2019). Adan Yabaal scheint an al Shabaab verloren gegangen zu sein und wird von ihr kontrolliert (PGN 8.2019; vergleiche LI 21.5.2019a, S.2). Middle Shabelle dient al Shabaab als Angriffskorridor nach Mogadischu. Die größeren Städte befinden sich zwar unter Regierungskontrolle, diese Kontrolle ist jedoch instabil (NLMBZ 3.2019, S.26).

Al Shabaab hat im März 2019 mehrere Gebiete in der Nähe von Balcad erobert (BAMF 1.4.2019), nachdem die Armee - in Folge eines Streits um den Sold - mehrere Positionen geräumt hatte (BAMF 1.4.2019; vergleiche UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Dieser Gebietsgewinn war aber nur vorübergehend (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Zusätzlich war Middle Shabelle anfangs maßgeblich von der Truppenreduktion bei AMISOM betroffen (ME 14.3.2019). Die abgezogenen burundischen Truppen wurden aber zumindest teilweise durch in Mogadischu freigewordene Teile ersetzt (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Die Straße von Mogadischu über Jowhar nach Jalalaqsi kann zumindest zeitweilig offengehalten werden (ME 14.3.2019). Aus der Stadt Jowhar selbst kommen keine relevanten Meldungen zu Aktivitäten von al Shabaab, die Stadt gilt als relativ ruhig (BMLV 3.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.81).

Auch in Middle Shabelle ist die Miliz der Macawuusley aktiv (Bezirk Jowhar). Sie wendet sich gegen Besteuerung und Zwangsrekrutierung durch al Shabaab. Es kam bereits zu mehreren blutigen Zusammenstößen zwischen beiden Gruppen (LIFOS 3.7.2019, S.31f).

Vorfälle: In den beiden Regionen Hiiraan und Middle Shabelle lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,04 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 62 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 44 dieser 62 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 50 derartige Vorfälle (davon 45 mit je einem Toten). [...]

Quellen:

1.1.5. Bundesstaat Galmudug (Galgaduud, Mudug)

Dem Bundesstaat Galmudug sind Teile der Regionen Mudug und Galgaduud zugeordnet. Galmudug grenzt bereits an die Gebiete der al Shabaab (BFA 8.2017, S.25). Insgesamt findet sich Galmudug unter den am wenigsten riskanten Gebieten Süd-/Zentralsomalias (NLMBZ 3.2019, S.27). Da al Shabaab dort nur über eine eingeschränkte Präsenz verfügt, kommt es zu weniger Sprengstoffanschlägen und Attentaten. Mitunter kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Clans, so z.B. geschehen in Cabudwaaq und Cadaado (LIFOS 3.7.2019, S.32).

Gebietskontrolle: Die Grenze des Einflussbereichs richtet sich in etwa nach der Achse Hobyo-Dhusamareb. Die Bezirke Ceel Dheere und Ceel Buur befinden sich unter Kontrolle von al Shabaab, dies gilt auch für Teile der Bezirke Xaradheere und Dhusamareb (PGN 8.2019). Die Städte Dhusamareb, Cadaado und Galkacyo sowie die Orte Matabaan und Guri Ceel können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Die Bezirkshauptstädte Ceel Buur und Ceel Dheere (Galgaduud) sowie Xaradheere (Mudug) werden von al Shabaab kontrolliert (LI 21.5.2019a, S.2). Allerdings hat die Gruppe in Galmudug nur eine eingeschränkte Präsenz (LIFOS 3.7.2019, S.32). Im zentralen Teil von Galmudug gibt es keine nennenswerte Präsenz von al Shabaab. Allerdings kann die Gruppe die Gebiete penetrieren. Insgesamt verfügt sie in Galmudug aber nach wie vor nur über ca. 600-800 Kämpfer (BFA 8.2017, S.83; BMLV 3.9.2019). In jüngerer Vergangenheit tritt al Shabaab im Küstengebiet kaum noch in Erscheinung (BMLV 3.9.2019).

Die Städte Dhusamareb und Guri Ceel sind weitgehend frei von al Shabaab (BFA 8.2017). Die Kontrolle von Galmudug über das Gebiet von Hobyo ist vernachlässigbar. Im Umland der Stadt ist die Miliz des Piratenführers Mohamed Osman Mohamed "Gafanje" aktiv (SEMG 9.11.2018, S.37f).

Kräfte von AMISOM, aber auch von Armee und er NISA wurden nun auch nach Dhusamareb verlegt. Die Stationierung von AMISOM stieß bei der ASWJ auf Ablehnung. Die Verwaltung in Dhusamareb ist nach wie vor fest in Händen der ASWJ und funktioniert. Auch die Sicherheit wird dort immer noch mehrheitlich durch Kräfte der ASWJ sichergestellt, nun allerdings offiziell als Kräfte des Bundes bzw. Galmudugs. Es muss davon ausgegangen werden, dass auch die Kräfte z.B. in Matabaan und Cabudwaaq noch unter Kommando der ASWJ stehen (BMLV 3.9.2019).

Staatlichkeit: Es bestehen massive Spannungen zwischen dem amtierenden Präsidenten von Galmudug, Ahmed Duale Geele "Haaf" und Teilen der Regierung (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Dahingegen hat die Bundesregierung mit der ASWJ einen Vertrag zur Integration der Miliz in die nationalen Sicherheitskräfte abgeschlossen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Insgesamt wird die Sicherheitslage von den politischen Streitigkeiten charakterisiert (LIFOS 3.7.2019, S.32). Galmudug kann Cadaado und - über die integrierte ASWJ - Dhusamareb sichern und kontrolliert die Hauptverbindungsroute sowie das Gebiet zwischen dieser Straße und der äthiopischen Grenze (BMLV 3.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.82f).

Galkacyo: Im Bereich der Stadt Galkacyo gibt es Spannungen und gelegentliche bewaffnete Zusammenstöße. Die Lage hat sich aber seit der Durchführung gemeinsamer Polizeipatrouillen von Puntland und Galmudug stark verbessert (AA 5.3.2019b). Human Rights Watch berichtet im Jahresbericht 2018 über keine Probleme in Galkacyo (HRW 17.1.2019). Der Friedensprozess in der Stadt wird als Erfolg gewertet (SRSG 13.9.2018, S.1). Die sogenannten Joint Police Patrol Units (gemischte Einheiten aus Puntland und Galmudug) haben zur Verbesserung der Situation beigetragen (UNSOM 9.2018). Außerhalb der Stadt gibt es noch vereinzelte Vorfälle, die Gewalt in der Stadt hat jedoch abgenommen. Die beiden Clans, welche den Konflikt führten, kooperieren nunmehr (NLMBZ 3.2019, S.27).

Anfang Juli 2019 fand zwischen Habr Gedir/Sa'ad und Dir aus Mudug in Galkacyo eine Versöhnungskonferenz statt, bei der ein Ende der Feindseligkeiten vereinbart wurde (UNSC 15.8.2019, Absatz ,).

Al Shabaab ist in der Stadt - etwa über Steuereintreibung - präsent; es kommt auch zu Attentaten. Allerdings hat die Gruppe dort an Kraft eingebüßt und konnte weder im Nord- noch im Südteil der Stadt die Unterstützung der Bevölkerung mobilisieren. Eine andere Quelle gibt an, dass die Bevölkerung dort aber mit al Shabaab kooperiert (LIFOS 3.7.2019, S.34f).

ASWJ: Trotz der formellen Integration der ASWJ in die Regierung von Galmudug hat erstere ihre Miliz lange Zeit aufrechterhalten (NLMBZ 3.2019, S.47). Im Rahmen des im Juli 2019 zwischen Bundesregierung und ASWJ geschlossenen Sicherheitsabkommens sollen die bewaffneten Kräfte der ASWJ in die nationalen (Armee, NISA, Justizwache) bzw. regionalen (Polizei) Sicherheitskräfte eingegliedert werden (BMLV 3.9.2019). Im Juli 2019 begann dann auch die formelle Integration (AMISOM 5.7.2019). Ende August 2019 konnten hierbei Fortschritte beobachtet werden; in welchem Ausmaß die Eingliederung erfolgt, ist aber unklar. Angegeben werden die Zahlen mit: Armee - 700; Polizei - ca. 35; NISA - ca. 200; Justizwache - ca. 100 (BMLV 3.9.2019). Generell wird sich diese Integration positiv auf die Situation in Galmudug auswirken (LIFOS 3.7.2019, S.31).

Vorfälle: In den beiden Regionen Galgaduud und Mudug lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,29 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 68 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 45 dieser 68 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 36 derartige Vorfälle (davon 32 mit je einem Toten). [...]

Quellen:

1.1.6. Al Shabaab (AS)

Al Shabaab ist eine radikalislamistische, mit der al Kaida affiliierte Miliz (AA 4.3.2019, S.5). Ziel von al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren (EASO 2.2016, S.19).

Durch das geschaffene Klima der Angst kontrolliert al Shabaab die Bevölkerung, kann sie rekrutieren, Gebiete kontrollieren, Steuern eintreiben und ihre Gesetze durchsetzen. Damit erfüllt die Gruppe alle Rahmenbedingungen eines Staates. Gleichzeitig erlangt al Shabaab aufgrund ihres funktionierenden Justizwesens auch ein Maß an Unterstützung durch die Bevölkerung (Mohamed 17.8.2019).

Al Shabaab betreibt einen Staat im Staat (VOA 3.12.2018) und ist eine entwickelte, bürokratische Organisation (Maruf 14.11.2018). Die Menschen auf dem Gebiet von al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen (BS 2018, S.15). Die Gruppe versucht, alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2018, S.15; vergleiche Maruf 14.11.2018). Auch Namen von Nachbarn und sogar die Namen der Verwandten der Nachbarn werden in Datenbanken geführt (Maruf 14.11.2018). Die mit der Nichtbefolgung strenger Vorschriften verbundenen harten Bestrafungen haben ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2018, S.15).

Aufgrund von Kämpfen zwischen AMISOM/Armee und al Shabaab; der Behinderung humanitärer Hilfe und der Einhebung von Steuern auf Vieh durch al Shabaab; und aufgrund fehlender Sicherheit sind viele Einwohner der von al Shabaab kontrollierten Gebiete in Flüchtlingslager nach Kenia, Äthiopien und IDP-Lager in Somalia geflohen (USDOS 13.3.2019, S.16).

Kapazitäten: Im Vergleich zum Jahr 2014 sind die Kapazitäten von al Shabaab zurückgegangen. Trotzdem hat sich die Gruppe als robust und resilient erwiesen (LIFOS 3.7.2019, S.21f). Allerdings ist al Shabaab seit 2017 wieder effektiver und potenter geworden (Mohamed 17.8.2019). Die Gruppe hat taktische Flexibilität bewiesen. Sie führt Angriffe durch, unterbricht Versorgungslinien, greift militärische Konvois an, ermordet Anführer, die mit ausländischen Kräften kooperiert haben und führt nächtliche Angriffe auf Dörfer durch (ICG 27.6.2019, S.4). Trotz anhaltender Luftangriffe und obwohl die Armee und AMISOM im Umland von Mogadischu vermehrt Operationen durchführen, konnte al Shabaab die Zahl großer Anschläge steigern. Berichten zufolge sind die Luftschläge mit dafür verantwortlich, dass al Shabaab vermehrt in Städten operiert (UNSC 15.8.2019, Absatz ,).

Al Shabaab hat zwar seit 2011 ständig Gebiete verloren, betreibt aber auch in weiten Gebieten außerhalb ihrer direkten Kontrolle eine Art von Schattenregierung, erhebt dort Steuern und bietet Dienste an (z.B. islamische Rechtsprechung) (SEMG 9.11.2018, S.26/4).

Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al Shabaab wird bei der Anwendung dieser Taktik immer besser und stärker. Dabei ist auch al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (BFA 8.2017, S.29f).

Verwaltung: Völkerrechtlich kommen al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihr kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 4.3.2019, S.5/16). Al Shabaab sorgt dort auch einigermaßen für Ordnung (ICG 27.6.2019, S.1). Die Gruppe verfügt über eine eigene Verwaltung und eigene Gerichte (LIFOS 9.4.2019, S.6). Die Gebiete von al Shabaab werden als relativ sicher beschrieben. Dort herrschen Frieden und eine Absenz an Clan-Konflikten (BMLV 3.9.2019). Al Shabaab duldet nicht, dass irgendeine andere Institution außer ihr selbst auf ihren Gebieten Gewalt anwendet. Jene, die dieses Gesetz brechen, werden bestraft (HI 31.5.2018, S.5). In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt al Shabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BFA 8.2017; vergleiche BMLV 3.9.2019). Die Zivilverwaltung von al Shabaab bietet u.a. Rechtsprechung durch Schariagerichte, organisiert Treffen mit Clanältesten, unterstützt Bedürftige, führt Religionsschulen und bietet Fortbildungsmöglichkeiten - auch für Frauen (NLMBZ 3.2019, S.11). Al Shabaab versucht, zu enge Bindungen an Clans zu vermeiden, unterstützt schwächere Gruppen gegen stärkere Rivalen oder vermittelt bei Streitigkeiten (ICG 27.6.2019, S.2). Gleichzeitig wird al Shabaab als Friedensbewahrer erachtet, da sie Clankonflikte derart handhabt, dass diese auf den Gebieten unter ihrer Kontrolle nur selten in Gewalt münden (HI 31.5.2018, S.5).

Stärke: Die Größe der Miliz von al Shabaab wird auf 13.000 geschätzt. Davon stellt etwa die Hälfte den militärischen Arm (jabhat), welcher an der Front gegen die somalische Regierung und AMISOM kämpft. Die andere Hälfte sind entweder Polizisten, welche Gesetze und Gerichtsurteile durchsetzen und Verhaftungen vornehmen; sowie Richter. Außerdem verfügt al Shabaab in der Regierung, in der Armee und in fast jedem Sektor der Gesellschaft über ein fortschrittliches Spionagenetzwerk (Maruf 14.11.2018). Eine andere Quelle spricht von 7.000-9.000 Fußtruppen von al Shabaab (TIND 15.1.2019), eine weitere Quelle schätzt die Zahl auf 3.000-7.000 (LI 21.5.2019a, S.3). Wieder eine andere Quelle gibt die Zahl der aktiven Kämpfer mit 2.000-3.000 an (NLMBZ 3.2019, S.10). Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen AMISOM manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt al Shabaab mit dem Amniyad über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk (BFA 8.2017, S.27/31; vergleiche BMLV 3.9.2019). Der Amniyad ist die wichtigste Stütze der al Shabaab (Mohamed 17.8.2019).

Gebiete: Al Shabaab kontrolliert immer noch ca. ein Fünftel Somalias, darunter v.a. ländliche Gebiete und kleinere Städte in Süd-/Zentralsomalia (ISS 28.2.2019), u.a. Gebiete im Jubatal, darunter die Regionalhauptstadt Buale (Middle Juba) sowie die Bezirkshauptstädte Saakow, Jilib (Middle Juba) und Jamaame (Lower Juba). Auch größere Küstengebiete im Bereich Xaradheere (Mudug) und Ceel Dheere (Galgaduud) sowie die genannten Städte bleiben unter direkter Kontrolle von al Shabaab (SEMG 9.11.2018, S.22). Dies gilt auch für einige ländliche Gebiete im Umland von Mogadischu (ICG 27.6.2019, S.2). Zusätzlich kontrolliert al Shabaab die Bezirkshauptstädte Kurtunwaarey (Lower Shabelle), Tayeeglow (Bakool), Ceel Buur (Galgaduud) und Adan Yabaal (Middle Shabelle). Die Situation bezüglich Sablaale (Lower Shabelle) und Badhaade (Lower Juba) ist ungewiss (PGN 8.2019). Außerdem verfügt al Shabaab in Gebieten unter der Kontrolle von Regierung und/oder AMISOM über nennenswerten Einfluss (NLMBZ 3.2019, S.53; vergleiche ICG 27.6.2019, S.4).

In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen und zielt damit in erster Linie auf das Einheben von Steuern ab und übt Einfluss aus (LI 21.5.2019a, S.3). Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können (BMLV 3.9.2019), bzw. kann sie sich auch in vielen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (USDOS 13.3.2019, S.1; vergleiche LI 21.5.2019a, S.3).

Steuern: Al Shabaab wendet in ganz Süd-/Zentralsomalia ein systematisches und zentralisiertes System zur Einhebung von Steuern an, das breiter aufgestellt ist, als jenes der Bundesregierung oder der Bundesstaaten (SEMG 9.11.2018, S.25f; vergleiche VOA 3.12.2018). Einkünfte werden dabei aus unterschiedlichen Quellen bezogen, v.a. aber aus der Besteuerung von: durchfahrenden Fahrzeugen (gadiid); transportierten Gütern (badeeco); landwirtschaftlichen Betrieben und Erzeugnissen (dalag); und den Verkauf von Vieh (xoolo). Hinzu kommen Einnahmen von Almosen (zakat) (SEMG 9.11.2018, S.25f). Das Steuersystem von al Shabaab wird durch systematische Einschüchterung und Gewalt gestützt (SEMG 9.11.2018, S.26/97). Die Zahlung der Abgaben erfolgt in der Form von Geld, Tieren, landwirtschaftlichen Produkten oder anderen Werten. Die Höhe der Besteuerung hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen (LI 20.12.2017, S.3).

Al Shabaab erpresst Reisende entlang aller wichtigen Routen (ICG 27.6.2019, S.2). Ihre zur Steuereinnahme errichteten Straßensperren gibt es flächendeckend in ganz Süd-/Zentralsomalia. Da die Höhe der Abgaben bei al Shabaab berechenbar ist, bevorzugen kommerzielle Fahrer oftmals den Transit über von ihr kontrollierte Straßen (SEMG 9.11.2018, S.26).

Quellen:

1.2. Puntland

Puntland ist eine relativ friedliche Region Somalias (VOA 8.1.2019). Die puntländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet die Kontrolle aus (USDOS 13.3.2019, S.1), und die Lage ist dort stabiler als in Süd-/Zentralsomalia (AA 5.3.2019b; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.34). Es gibt im Land keine relevanten größeren Streitpunkte, und nur sporadisch werden Konflikte bewaffnet ausgetragenen (LIFOS 3.7.2019, S.34; vergleiche BFA 8.2017, S.86). Stammesmilizen spielen eine untergeordnete Rolle (AA 4.3.2019, S.5). Die wichtigsten Clans sind in das staatliche Gefüge Puntlands eingebunden (LIFOS 3.7.2019, S.36).

Allerdings sind die Grenzen im Süden und Nordwesten nicht klar definiert. Dies führt immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden - v.a. um die Stadt Galkacyo - auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 4.3.2019, S.5/16).

In Garoowe gibt es kaum nennenswerte Vorfälle (LIFOS 3.7.2019, S.34), die Stadt wird als nahezu frei von al Shabaab beschrieben (BMLV 3.9.2019).

Al Shabaab ist weiterhin in Puntland aktiv (UNSC 21.12.2018, S.3). Al Shabaab kontrolliert in Puntland keine relevanten Gebiete, sondern ist nur in wenigen, schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten - namentlich im Gebiet der Galgala-Berge (AA 4.3.2019, S.5; vergleiche LI 21.5.2019a, S.1). Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab diese verstärkt hat (SEMG 9.11.2018, S.22). Von dort aus unternimmt die Gruppe - meist kleinere - Operationen ins Umland. Manchmal sickern Insurgenten nach Bossaso ein, wo sie in gewissem Ausmaß auch tatsächlich eine Bedrohung darstellen, und wo es ständig v. a. zu kleineren Anschlägen kommt (BFA 8.2017, S.92; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.34). Auch Galkacyo ist davon betroffen. In beiden Städten treibt al Shabaab auch Steuern ein (LIFOS 3.7.2019, S.34f).

Al Shabaab verfügt in Puntland über finanzielle Netzwerke sowie über Möglichkeiten zur Rekrutierung, Propaganda und Indoktrination. Generell ist die al Shabaab in Puntland aber mangels Ressourcen in ihren Aktivitäten eingeschränkt (BFA 8.2017, S.92f; vergleiche BMLV 3.9.2019).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) ist ebenfalls weiterhin in Puntland aktiv (UNSC 21.12.2018, S.3). Die dort verankerte größte Fraktion des IS in Somalia wird von Abdulqadir Mumin geführt (SEMG 9.11.2018, S.28; vergleiche LWJ 16.11.2018). Die Gruppe hat 120-200 aktive Mitglieder (SEMG 9.11.2018, S.28; vergleiche VOA 21.12.2018; USDOS 21.6.2019, S.6), anderen Angaben zufolge sind es nur 100-120 (LIFOS 3.7.2019, S.35). Die IS-Fraktion in Puntland kontrolliert keine Gebiete, sondern ist nur in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten (AA 4.3.2019, S.5). Die Gruppe kann sich relativ frei bewegen und rekrutiert im Gebiet der Golis-Berge (USDOS 21.6.2019, S.6). Nach US-Luftschlägen blieb der IS in Puntland relativ inaktiv (SEMG 9.11.2018, S.4). Auch weiterhin kommt es in Puntland zu derartigen Luftschlägen, so etwa am 14. und 27.4.2019 (BAMF 29.4.2019, S.9). Im Oktober 2018 hat der IS erstmals Ausländer angegriffen, namentlich drei Äthiopier in Bossaso (NLMBZ 3.2019, S.16). Generell sind die Aktivitäten des IS aber zurückgegangen (UNSC 15.5.2019, Absatz , vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.35). Dem IS mangelt es an Fähigkeiten, größere Aktionen durchzuführen. Außerdem leidet er an Abgängen (LIFOS 3.7.2019, S.35).

U.a. haben die harschen Gegenmaßnahmen von al Shabaab dafür gesorgt, dass sich der IS in Somalia nicht ausbreiten konnte. Allerdings konnte seine Handlungsfähigkeit nicht vollständig unterbunden werden (LWJ 16.11.2018). Im Dezember 2018 kam es südwestlich von Qandala zu Kämpfen zwischen al Shabaab und dem IS (LWJ 14.1.2019). Auch im Zeitraum Feber-Mai 2019 kam es in Bari zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

Vorfälle: In den beiden Regionen Nugaal und Bari lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,11 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 30 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 22 dieser 30 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 35 derartige Vorfälle (davon 31 mit je einem Toten). [...]

Quellen:

2. Rechtsschutz/Justizwesen

Im somalischen Kulturraum existieren drei Rechtsquellen:

traditionelles Recht (Xeer), islamisches Schariarecht (v.a. für familiäre Angelegenheiten) sowie formelles Recht (SEM 31.5.2017, S.31; vergleiche BS 2018, S.18; USDOS 13.3.2019, S.8; NLMBZ 3.2019, S.38). Bürger wenden sich aufgrund der Mängel im formellen Justizsystem oft an die traditionelle oder die islamische Rechtsprechung (FH 5.6.2019b, F1; NLMBZ 3.2019, S.38).

In Süd-/Zentralsomalia und in Puntland sind die Grundsätze der Gewaltenteilung in der Verfassung niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere (AA 4.3.2019, S.6; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.8). Eine landesweite Rechtsstaatlichkeit ist nicht festzustellen (BS 2018, S.18).

Formelle Justiz - Kapazität: In den vergangenen zehn Jahren haben unterschiedliche Regierungen in Mogadischu und anderen Städten Gerichte auf Bezirksebene errichtet. Sie sind für Straf- und Zivilrechtsfälle zuständig. In Mogadischu gibt es außerdem ein Berufungsgericht und ein Oberstes Gericht (Supreme Court) (BS 2018, S.18). Ein Verfassungsgericht ist noch nicht eingerichtet worden (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Insgesamt befinden sich Polizei und Justiz noch im Aufbau, Integrität und Kapazitäten reichen nicht aus, um Einzelpersonen adäquat vor Gewalt schützen zu können (LI 15.5.2018, S.3). Vielen Richtern und Staatsanwälten mangelt es an Qualifikation (BS 2018, S.18). Rechtsstaatlichkeit ist nur schwach ausgeprägt (SRSG 13.9.2018, S.2). Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes. Es gibt zwar einen Instanzenzug, aber in der Praxis werden Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend herbeigebracht (AA 4.3.2019, S.12). Das Justizsystem ist zersplittert und unterbesetzt (FH 5.6.2019b, F1), in vielen Landesteilen gar nicht vorhanden. Einige Regionen haben lokale Gerichte geschaffen, die vom lokal dominanten Clan abhängen (USDOS 13.3.2019, S.8).

Insgesamt haben Bundesbehörden und Behörden der Bundesstaaten aber bei der Kapazitätsbildung zur Strafverfolgung Krimineller Fortschritte gemacht (LIFOS 16.4.2019, S.10). Auch weiterhin unterstützt UNDP die Programme für sogenannte mobile Gerichte (mobile courts) (UNHRC 19.7.2018, Absatz ,).

Formelle Justiz - Qualität und Unabhängigkeit: In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt (AA 4.3.2019, S.6; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.8). Im August 2018 hat Präsident Farmaajo per Dekret fünf Richter des Supreme Court ausgewechselt; dies wurde als Unterminierung der Unabhängigkeit der Justiz kritisiert (UNSC 21.12.2018, S.11). Außerdem sind Urteile von Clan- oder politischen Überlegungen seitens der Richter beeinflusst (BS 2018, S.19; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.8f; FH 5.6.2019b, F2). Die meisten der in der Verfassung vorgesehenen Rechte für ein faires Verfahren werden bei Gericht nicht angewendet (USDOS 13.3.2019, S.9). Auch Korruption behindert den Zugang zu fairen Verfahren (USDOS 13.3.2019, S.9; vergleiche FH 5.6.2019b, F1). Außerdem halten sich Staatsbedienstete bzw. Behörden nicht an gerichtliche Anordnungen (USDOS 13.3.2019, S.8; vergleiche FH 5.6.2019b, F1; NLMBZ 3.2019, S.38). Soldaten und Polizisten, welche Verbrechen begehen, sind meist außer Reichweite gesetzlicher Sanktionen (NLMBZ 3.2019, S.34). Folglich ist das Vertrauen der Menschen in die formelle Justiz gering. Sie wird als teuer, parteiisch und manipulierbar wahrgenommen (BS 2018, S.18).

Formelle Justiz - Militärgerichte: Die von der Bundesregierung geschaffenen Militärgerichte füllen z.T. das Vakuum des schlecht funktionierenden formellen Rechtssystems (BS 2018, S.11). Sie verhandeln und urteilen weiterhin über Fälle jeglicher Art. Darunter fallen auch zivilrechtliche Fälle, die eigentlich nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen (AA 4.3.2019, S.8; vergleiche FH 5.6.2019b, F2). Ein Grund dafür ist, dass zivile Richter oftmals Angst haben, bestimmte - zivile - Fälle zu verhandeln (USDOS 13.3.2019, S.8). Mittlerweile übergeben Ankläger der Armee Fälle von verdächtigten Angehörigen der Sicherheitskräfte, gegen welche ermittelt wird, teils an zivile Gerichte (HRW 17.1.2019). Militärgerichte missachten international anerkannte Standards für faire Gerichtsverfahren (AA 4.3.2019, S.8; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.2; HRW 17.1.2019). Angeklagten wird nur selten das Recht auf eine Rechtsvertretung oder auf Berufung zugestanden (USDOS 13.3.2019, S.8).

Traditionelles Recht (Xeer): Das Xeer behandelt Vorbringen von Fall zu Fall und wird von Ältesten implementiert (BS 2018, S.18). Die traditionelle Justiz dient im ganzen Land bei der Vermittlung in Konflikten. Sie wird oft herangezogen, da sie zu schnellen Entscheidungen führt (USDOS 13.3.2019, S.9). Xeer ist insbesondere in jenen ländlichen Gebieten wichtig, wo Verwaltung und Justiz nur schwach oder gar nicht vorhanden sind. Aber auch in den Städten wird Xeer oft zur Konfliktlösung - z.B. bei Streitfragen unter Politikern und Händlern - angewendet (SEM 31.5.2017, S.34). Zur Anwendung kommt Xeer auch bei anderen Konflikten und bei Kriminalität (BFA 8.2017, S.100; vergleiche EASO 2.2016, S.27). Es kommt also auch dort zu tragen, wo Polizei und Justizbehörden existieren. In manchen Fällen greift die traditionelle Justiz sogar auf Polizei und Gerichtsbedienstete zurück (LIFOS 9.4.2019, S.7). Ca. 90% aller Rechtsstreitigkeiten werden über traditionelle Konfliktlösungsmechanismen ausgetragen (UNHRC 6.9.2017, Absatz ,). Ein Beispiel dafür ist etwa die Zahlung von Kompensationsgeld an Familien von bei Demonstrationen in Baidoa im Dezember 2018 durch Sicherheitskräfte getöteten Personen (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

Clan-Schutz im Xeer: Maßgeblicher Akteur im Xeer ist der Jilib - die sogenannte Diya/Mag/Blutgeld-zahlende Gruppe. Das System ist im gesamten Kulturraum der Somali präsent und bietet - je nach Region, Clan und Status - ein gewisses Maß an (Rechts-)Schutz. Die sozialen und politischen Beziehungen zwischen Jilibs sind durch (mündliche) Xeer-Verträge geregelt. Mag/Diya muss bei Verstößen gegen diesen Vertrag bezahlt werden. Für Straftaten, die ein Gruppenmitglied an einem Mitglied eines anderen Jilib begangen hat - z.B. wenn jemand verletzt oder getötet wurde - sind Kompensationszahlungen (Mag/Diya) vorgesehen. Dies gilt auch bei anderen (Sach-)Schadensfällen. Die Mitglieder eines Jilib sind verpflichtet, einander bei politischen und rechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen, die im Xeer-Vertrag festgelegt sind - insbesondere bei Kompensationszahlungen. Letztere werden von der ganzen Gruppe des Täters bzw. Verursachers gemeinsam bezahlt (SEM 31.5.2017, S.8ff).

Der Ausdruck "Clan-Schutz" bedeutet in diesem Zusammenhang also traditionell die Möglichkeit einer Einzelperson, vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Sein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Mag/Diya zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, S.31). Aufgrund von Allianzen werden auch Minderheiten in das System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya bei (SEM 31.5.2017, S.33). Der Clan-Schutz funktioniert generell - aber nicht immer - besser als der Schutz durch den Staat oder die Polizei. Darum aktivieren Somalis im Konfliktfall (Verbrechen, Streitigkeit etc.) tendenziell eher Clan-Mechanismen. Durch dieses System der gegenseitigen Abschreckung werden Kompensationen üblicherweise auch ausbezahlt (SEM 31.5.2017, S.36). Denn in erster Linie wird ein Tod nicht durch einen Rachemord ausgeglichen, sondern durch die Zahlung von Blutgeld (diya, mag) kompensiert (GIGA 3.7.2018).

Aufgrund der Schwäche bzw. Abwesenheit staatlicher Strukturen in einem großen Teil des von Somalis besiedelten Raums spielen die Clans also auch heute eine wichtige politische, rechtliche und soziale Rolle (SEM 31.5.2017, S.8), denn die Konfliktlösungsmechanismen der Clans für Kriminalität und Familienstreitigkeiten sind intakt. Selbst im Falle einer Bedrohung durch al Shabaab kann der Clan einbezogen werden. Bei Kriminalität, die nicht von al Shabaab ausgeht, können Probleme direkt zwischen den Clans gelöst werden (SEM 31.5.2017, S.35). Staatlicher Schutz ist im Falle von Clan-Konflikten von geringer Relevanz, die "Regelung" wird grundsätzlich den Clans selbst überlassen (ÖB 9.2016, S.11).

Die Clanzugehörigkeit kann also manche Täter vor einer Tat zurückschrecken lassen, doch hat auch der Clanschutz seine Grenzen. Angehörige nicht-dominanter Clans und Gruppen sind etwa vulnerabler (LI 15.5.2018, S.3). Außerdem kann z.B. eine Einzelperson ohne Anschluss in Mogadischu nicht von diesem System profitieren (SEM 31.5.2017, S.35). Problematisch ist zudem, dass im Xeer oft ganze (Sub-)Clans für die Taten Einzelner zur Verantwortung gezogen werden (USDOS 13.3.2019, S.9), und dass die traditionellen Mechanismen nicht auf schriftlich festgelegten Regeln beruhen (UNHRC 6.9.2017, Absatz ,).

Trotzdem sind die Mechanismen des Xeer wichtig, da sie nahe an den Menschen wirken und jahrhundertealte, den Menschen bekannte Verfahren und Normen nutzen. Der Entscheidungsprozess ist transparent und inklusiv (UNHRC 6.9.2017, Absatz ,). Zusammenfassend ist Xeer ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Die traditionell vorgesehenen Kompensationszahlungen decken zahlreiche zivil- und strafrechtliche Bereiche ab und kommen z.B. bei fahrlässiger Tötung, bei Autounfällen mit Personen- oder Sachschaden oder sogar bei Diebstahl zu tragen. Nach der Art des Vorfalles richtet sich auch der zu entrichtende Betrag (SEM 31.5.2017, S.32).

Scharia: Familien- und Standesangelegenheiten (Heirat, Scheidung, Erbschaft) werden im Rahmen der Scharia abgehandelt. Allerdings sind Schariagerichte oftmals von Clans beeinflusst (BS 2016, S.13). Die Gesetzlosigkeit in Süd-/Zentralsomalia führte dazu, dass die Scharia auch in Strafsachen zum Einsatz kommt, da die Bezahlung von Blutgeld manchmal nicht mehr als ausreichend angesehen wird (SEM 31.5.2017, S.34). Problematisch ist, dass die Scharia von Gerichten an unterschiedlichen Orten auch unterschiedlich interpretiert wird bzw. dass es mehrere Versionen der Scharia gibt (BS 2018, S.18).

Recht bei al Shabaab: In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten wird das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der theokratischen Ideologie der Gruppe abgelehnt (AA 4.3.2019, S.23). Dort ersetzt islamisches Recht auch Xeer (SEM 31.5.2017, S.33) bzw. ist letzteres nach anderen Angaben bei al Shabaab sogar verboten (BS 2018, S.19). Außerdem gibt es dort kein formelles Justizsystem (USDOS 13.3.2019, S.10). Der Clan-Schutz ist in Gebieten unter Kontrolle oder Einfluss von al Shabaab eingeschränkt, aber nicht inexistent. Abhängig von den Umständen können die Clans auch in diesen Regionen Schutz bieten. Es kann den Schutz einer Einzelperson erhöhen, Mitglied eines Mehrheitsclans zu sein (SEM 31.5.2017, S.33f), es gibt ein gewisses Maß an Verhandlungsspielraum (LI 21.5.2019a, S.3).

Al Shabaab unterhält in den von ihr kontrollierten Gebieten ständige, von Geistlichen geführte Gerichte, welche ein breites Spektrum an straf- und zivilrechtlichen Fällen abhandeln. Zusätzlich gibt es auch mobile Gerichte (ICG 27.6.2019, S.4). Es gilt die strikte salafistische Auslegung der Scharia (BS 2018, S.19). Angeklagte vor einem Schariagericht haben kein Recht auf Verteidigung, Zeugen oder einen Anwalt (USDOS 13.3.2019, S.10). In von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden regelmäßig extreme Körperstrafen verhängt, darunter Auspeitschen oder Stockschläge, Handamputationen für Diebe oder Hinrichtungen für Ehebruch (AA 4.3.2019, S.12; vergleiche SEMG 9.11.2018, S.38; TIND 15.1.2019; BS 2018, S.19). Al Shabaab inhaftiert Personen für Vergehen wie Rauchen; unerlaubte Inhalte auf dem Mobiltelefon; Musikhören; Fußballschauen oder -spielen; das Tragen eines BHs oder das Nicht-Tragen eines Hidschabs (USDOS 13.3.2019, S.5). Die harsche Interpretation der Scharia wird in erster Linie in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten umgesetzt, dort, wo die Gruppe auch über eine permanente Präsenz verfügt (LI 20.12.2017, S.3) - was v.a. in Städten und größeren Dörfern der Fall ist (LI 21.5.2019a, S.3). In anderen Gebieten liegt ihr Hauptaugenmerk auf der Einhebung von Steuern (LI 20.12.2017, S.3).

Die Gerichte der al Shabaab werden als gut funktionierend, effektiv und schnell beschrieben (BFA 8.2017, S.29). Aufgrund der Schwäche staatlicher Gerichte werden sie von den Menschen auch in Anspruch genommen (Maruf 14.11.2018; vergleiche SRSG 13.9.2018, S.2; NLMBZ 3.2019, S.35; BFA 8.2017, S.77). Mitunter reisen Streitparteien extra in die Gebiete von al Shabaab, um dort Klage einzureichen (ICG 27.6.2019, S.4; vergleiche BFA 8.2017, S.77).

Al Shabaab ist grundsätzlich in der Lage, Gerichtsbeschlüsse auch durchzusetzen (NLMBZ 3.2019, S.35; vergleiche ICG 27.6.2019, S.4f). Wer sich an eine Entscheidung eines solchen Gerichtes nicht hält, muss im schlimmsten Fall mit seiner Tötung rechnen (Maruf 14.11.2018). Al Shabaab versucht, von ihr verhängte Urteile auch z.B. in Afgooye oder Mogadischu durchzusetzen (BFA 8.2017, S.77).

Es gilt das Angebot einer Amnestie für Kämpfer der al Shabaab, welche ihre Waffen ablegen, der Gewalt abschwören und sich zur staatlichen Ordnung bekennen (AA 4.3.2019, S.12). Diese Amnestiemöglichkeit ist aber nur mündlich ausgesprochen worden, es gibt keine rechtliche Grundlage dafür (Khalil 1.2019, S.17). Allerdings wird üblicherweise im Austausch für Informationen über die al Shabaab eine Amnestie gewährt (LIFOS 3.7.2019, S.24).

Puntland: Es kann davon ausgegangen werden, dass sich der staatliche Schutz in Puntland besser darstellt als in Süd-/Zentralsomalia (ÖB 9.2016, S.19). Auch das Justizsystem in Puntland ist eine Mischung aus Xeer, Scharia und formellem Recht. Die meisten Fälle werden durch Clanälteste im Xeer abgehandelt (EASO 2.2016, S.27; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.10). Ins formelle Justizsystem gelangen vor allem jene Fälle, wo keine Clan-Repräsentation gegeben ist (USDOS 13.3.2019, S.9f).

Puntland hat ein unabhängiges und hierarchisch strukturiertes Gerichtswesen geschaffen (BS 2018, S.18), die Gerichte werden als funktionierend bezeichnet (USDOS 13.3.2019, S.9; vergleiche EASO 2.2018, S.27). Es gilt die Unschuldsvermutung, das Recht auf ein öffentliches Verfahren, auf einen Anwalt und auf Berufung. Die Gerichte können aber nicht gewährleisten, dass vor dem Recht alle gleich sind (USDOS 13.3.2019, S.9f).

Das puntländische Gerichtssystem wird unterstützt - etwa mit einem Programm für sogenannte mobile courts. Zusätzlich besteht ein Programm zum Aufbau subsidiärer Strukturen. Damit konnten Bezirksräte und -Verwaltungen eingerichtet werden (BFA 8.2017, S.113). Die mobile courts bieten in entlegenen Gebieten einen kostenlosen Zugang zur formellen Justiz, sie werden u.a. von der EU finanziert (UNDP 28.7.2017). Das UNDP unterstützt seit Jahren die universitäre Ausbildung von Juristen in Puntland, um dem Mangel an Personal - Richter, (Staats-)Anwälte - entgegenzutreten (UNDP 7.4.2019).

Zu den weder von der Regierung noch von al Shabaab kontrollierten Gebieten gibt es kaum Informationen. Es ist aber davon auszugehen, dass Rechtsetzung, -Sprechung und -Durchsetzung zumeist in den Händen von v.a. Clanältesten liegen. Von einer Gewaltenteilung ist dort nicht auszugehen (AA 4.3.2019, S.6f). Urteile werden hier häufig gemäß Xeer von Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur den relativ eng begrenzten Bereich eines bestimmten Clans. Sind mehrere Clans betroffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden (Sippenhaft) spielen dabei eine wichtige Rolle (AA 4.3.2019, S.12).

Quellen:

3. Sicherheitsbehörden

3.1. Ausländische Kräfte

Die African Union Mission in Somalia (AMISOM) ist seit zwölf Jahren in Somalia stationiert. Das prinzipielle Mandat von AMISOM ist es, die durch al Shabaab und andere Rebellengruppen gegebenen Bedrohungen zu reduzieren und Stabilisierungsanstrengungen zu unterstützen. Das hat AMISOM zu einem gewissen Maß auch geschafft (ISS 28.2.2019). Allerdings hängt die Bundesregierung in großem Maße von den Kräften der AMISOM ab (BS 2018, S.7).

AMISOM hat eine militärische, eine polizeiliche und eine zivile Komponente. Truppenstellerstaaten für die militärische Komponente sind gegenwärtig Uganda, Burundi, Dschibuti, Kenia und Äthiopien (BMLV 3.9.2019). Nach einer Angabe gab es im Dezember 2018 an 78 Orten ca. 21.600 uniformiertes und 70 ziviles AMISOM-Personal (UNSC 21.12.2018, S.9). Bis Mai 2019 wurde die Truppenstärke auf 20.626 Mann reduziert. Ob es zu einer weiteren Verringerung kommt, ist unklar. Eine solche steht zumindest im Raum (UNSC 31.5.2019). Nach anderen Angaben wurde eine weitere Reduzierung bereits vorgenommen, und so betrug die Truppenstärke ab Feber 2019 nur noch 19.586 Mann. Laut UN-Resolution ist eine weitere Reduzierung um 1.000 Mann bis Ende Feber 2020 geplant - allerdings unter der Voraussetzung, dass die somalische Armee in der Lage ist, zwölf Stützpunkte der AMISOM zu übernehmen (BMLV 3.9.2019).

Trotzdem soll die Präsenz auf Galmudug ausgedehnt werden (AMISOM 7.8.2019, S.7). Eigentlich soll die somalische Armee im Jahr 2020 die Aufgaben von AMISOM übernehmen (TIND 15.1.2019). Der Exit-Plan von AMISOM sieht vor, dass die Truppe mit Dezember 2021 das Land verlässt (ISS 28.2.2019). Der kenianische Präsident hat angekündigt, dass er seine Truppen aus Somalia erst abziehen wird, wenn dort Frieden und Stabilität herrscht (AMISOM 15.10.2018a).

Die Stärke betrug im Feber 2019:

* Äthiopien: 4.123

* Burundi: 3.922

* Dschibuti: 1.797

* Kenia: 3.860

* Uganda: 5.759

* Hauptquartier: 125 (BMLV 3.9.2019)

Rund 1.000 AMISOM-Soldaten erhielten eine Ausbildung durch Kräfte aus Großbritannien, dies hat u.a. zur Einsatzfähigkeit beigetragen (UNSC 9.5.2017). Eine derartige Ausbildung erfolgt laufend auch im Rahmen der Einsatzvorbereitung in den Herkunftsländern und in Somalia, maßgeblich durch Großbritannien, die USA, Frankreich und die EU (BMLV 3.9.2019). In manchen Gebieten kooperiert AMISOM eng mit lokalen Milizen oder anderen Kräften (BFA 8.2017, S.16). AMISOM erhält von der UN-Agentur UNSOS an 77 Stützpunkten logistische Unterstützung (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Die Schlagkraft von AMISOM wird u.a. dadurch gehemmt, dass eine Luftkomponente nicht bzw. kaum gegeben ist (ME 27.6.2019).

Im Land befindet sich auch eine mehrere hundert Mann starke AMISOM-Polizeikomponente unterschiedlicher afrikanischer Teilnehmerstaaten (Uganda, Nigeria, Ghana, Sierra Leone, Kenia und Sambia). Dabei ist die im AMISOM-Auftrag vorgesehene Aufstockung auf 1.040 Mann noch nicht erreicht worden; insgesamt wären fünf sogenannte Formed Police Units vorgesehen (FPU; je 160 Mann) (BMLV 3.9.2019), allerdings sind nur drei vorhanden. Diese stammen aus Nigeria, Sierra Leone und Uganda (BMLV 3.9.2019; vergleiche UNSC 21.12.2018, S.10). AMISOM unterstützt die somalische Polizei bei ihrer Arbeit in Mogadischu. Mehr als 300 AMISOM-Polizisten bilden die somalischen Polizisten in den Bereichen Polizeiarbeit; Menschenrechte; Verbrechensprävention; Gemeindepolizei und Fahndungsmethoden weiter (USDOS 13.3.2019, S.7). Mit der Reduktion des militärischen Teils von AMISOM wurde die Polizeikomponente verstärkt (ISS 28.2.2019).

Neben AMISOM operieren auch noch bilateral eingesetzte Truppen unterschiedlicher Staaten auf somalischem Territorium (BFA 8.2017, S.17). Äthiopien hat sein bilateral eingesetztes Kontingent reduziert. Derartige Truppen finden sich in Bakool, Gedo und Galgaduud (BMLV 7.6.2019). Die Stärke dieser Kräfte wird mit ca. 2.000 Mann beziffert. Zusätzlich kommt die Ethiopian Air Force vermehrt in Somalia zum Einsatz (BMLV 3.9.2019). Generell hat Äthiopien kein Problem damit, bilateral eingesetzte Truppen zu verschieben oder abzuziehen (BFA 8.2017, S.17f). Die bilateral von Kenia eingesetzten Truppen wurden im März 2019 mehrheitlich in die Nähe der gemeinsamen Grenze zurückgezogen. Die Stärke dieser Kräfte beläuft sich derzeit vermutlich auf ca. 250-300 Mann (BMLV 3.9.2019). Die USA verfügen in Somalia über rund 500 Mann (TIND 15.1.2019).

Die Liyu Police aus dem äthiopischen Somali Regional State operierte - zumindest in der Vergangenheit - auch innerhalb Somalias, dort v. a. im grenznahen Gebiet (BFA 8.2017, S.18f; vergleiche LWJ 3.9.2018). Nach August 2018 wurde der Einsatz der Liyu Police in Somalia weitgehend eingestellt. Anfang 2019 gab es keine ständige Stationierung mehr in Somalia. Trotzdem wird die Liyu Police auch weiterhin für Einsätze zur Unterstützung der äthiopischen Armee herangezogen. Diese werden allerdings von Standorten in Äthiopien aus mit einem Zeitrahmen von wenigen Tagen durchgeführt (BMLV 7.6.2019). Die Einsätze der Liyu werden aber offenbar wesentlich zurückhaltender als in den vergangenen Jahren geführt (BMLV 3.9.2019).

Quellen:

3.2. Somalische Kräfte

Zwar hat es auf Bundes- und Bundesstaatsebene etwas Fortschritt gegeben, um die Rollen und Verantwortlichkeiten im Sicherheits- und Justizsektor zu klären; allerdings haben politische Grabenkämpfe dringend nötige große Reformen verhindert (HRW 17.1.2019). Auch hinsichtlich der Nationalen Sicherheitsarchitektur gibt es weiterhin offene Fragen - etwa zur Integration oder Entwaffnung und Demobilisierung regionaler Kräfte und Clanmilizen. Der Status regionaler (Streit-)Kräfte (Darawish) bleibt damit weiterhin unklar (SEMG 9.11.2018, S.33).

Die somalischen Sicherheitskräfte befinden sich nach wie vor im Aufbau. Polizei und Armee sind nicht in der Lage, bei einem Rückzug der AMISOM deren Aufgaben zu übernehmen (BFA 8.2017, S.6/11). Der Bundesregierung ist es nicht gelungen, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen (BS 2018, S.7), die Regierung ist nach wie vor auf den Schutz durch AMISOM angewiesen (BS 2018, S.39). Zudem hat al Shabaab Polizei und Armee infiltriert und korrumpiert (LIFOS 3.7.2019, S.42).

Zivile Kontrolle: Es mangelt an effektiver Kontrolle ziviler Behörden über die Sicherheitskräfte (USDOS 13.3.2019, S.1/6). Aktionen der staatlichen Sicherheitskräfte entziehen sich oftmals der zivilen Kontrolle. Dies gilt insbesondere für die National Intelligence and Security Agency (NISA), aber auch für die Polizeikräfte. Gleichzeitig bekennt sich die Regierung zu ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen (AA 4.3.2019, S.8/18). Die justizielle Verantwortlichkeit einzelner Mitglieder der Sicherheitsorgane ist zumeist schwach bis inexistent (AA 4.3.2019, S.7). Denn auch wenn manchen Angehörigen der Sicherheitskräfte vor Militärgerichten der Prozess gemacht wird, herrscht eine Kultur der Straflosigkeit (USDOS 13.3.2019, S.6).

Polizei: Die Polizei untersteht einer Mischung von lokalen und regionalen Verwaltungen und der Bundesregierung (USDOS 13.3.2019. S.6; vergleiche BFA 8.2017, S.12f). Die nationale Polizei untersteht dem Ministerium für Innere Sicherheit. Die von regionalen Behörden geführten Polizeikräfte unterstehen den jeweiligen regionalen Innen- oder Sicherheitsministerien. Die Bundespolizei ist in allen 17 Bezirken Mogadischus präsent (USDOS 13.3.2019. S.6f). Generell ist die Polizei außerhalb von Mogadischu nur eingeschränkt präsent (NLMBZ 3.2019, S.34).

Aktuelle Mannstärke der Polizei:

* Benadir/Mogadischu: Stand August 2017 - 6.146 Mann (BFA 8.2017, S.12). Durch Neuausbildungen wurde die Stärke massiv erhöht, alleine im Feber 2019 wurden 1.400 neue Polizeirekruten in den Dienst übernommen. Außerdem wurden Angehörige der NISA der Polizei unterstellt. Nun verfügt die Polizei in Benadir über 8.000-9.000 Mann (BMLV 3.9.2019).

* Galmudug: Stand August 2017 - <500 Mann (BFA 8.2017, S.12). Seither hat sich die Stärke nur minimal durch die Übernahme von ASWJ-Angehörigen erhöht; vermutlich auf 500-550 Mann (BMLV 3.9.2019).

* HirShabelle: Stand August 2017 - >550 (BFA 8.2017, S.13). Im Feber 2019 wurden ca. 200 neue Polizeirekruten in Dienst gestellt, Ende August 2019 weitere rd. 200. Weitere 400 Neurekrutierungen sind geplant. Die Gesamtstärke der HirShabelle Police dürfte sich aktuell auf rd. 800 Mann belaufen (BMLV 3.9.2019).

* Jubaland: Zum Stand vom August 2017 - 500-600 Mann - gibt es keine neuen Erkenntnisse (BFA 8.2017, S.12; vergleiche BMLV 3.9.2019).

* South West State: Zum Stand vom August 2017 - 600-700 - gibt es keine neuen Erkenntnisse (BFA 8.2017, S.12; vergleiche BMLV 3.9.2019).

Die Kapazitäten werden mit Ausbildungsmaßnahmen verbessert. In einem international unterstützten Programm werden 700 Polizisten für Galmudug, 400 für den SWS, 600 für Jubaland und 800 für HirShabelle rekrutiert und ausgebildet (UNSC 15.5.2019, Absatz , vergleiche UNSC 21.12.2018, S.11). Z.B. wurden bereits von UNSOM gemeinsam mit somalischer Polizei und AMISOM mit EU-Finanzierung in Jowhar 200 Polizisten für HirShabelle ausgebildet (UNSOM 12.2018, S.2; vergleiche UNSOM 3.2019, S.2). AMISOM betreut über 3.200 somalische Polizisten an 31 Polizeistationen (AMISOM 7.8.2019, S.4). Weitere internationale Unterstützung für die Polizei: Bau von Polizeistationen und Bezahlung von Gehältern (Jubaland); Schenkung von Fahrzeugen und Bezahlung von Gehältern (SWS); Bezahlung von Gehältern (Galmudug); Einrichtung elektronisch erfasster Gehaltslisten (Puntland); Bau des Hauptquartiers der Kriminalpolizei, Renovierung von Polizeistationen, Schenkung von Fahrzeugen und Kommunikationsausrüstung (Mogadischu) (UNSC 21.12.2018, S.11).

Die Polizei ist generell nicht effektiv, es mangelt an Ausrüstung und Ausbildung. Es gibt auch Berichte über Korruption (USDOS 13.3.2019, S.6; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.34) und Infiltration durch al Shabaab (LIFOS 3.7.2019. S.42). Im Fall einer kriminalitätsbedingten Notlage fehlen weitgehend funktionierende staatliche Stellen, die Hilfe leisten könnten (AA 17.9.2019). Die Polizei verfügt zwar über einige Kapazitäten, hat aber auch Probleme, sich an den Menschenrechten zu orientieren. Die Bezahlung von Polizisten erfolgt meist nur unregelmäßig, die Korruption ist hoch. Dass die Bevölkerung die Polizei nicht unbedingt als eine Kraft erachtet, welche sie schützt, scheint sich in manchen größeren Städten langsam zu ändern. Dort wurden Polizeikräfte lokal - und die lokale Clandynamik berücksichtigend - rekrutiert. Das hat zu Verbesserungen geführt. Dies betrifft etwa Kismayo, Jowhar oder Belet Weyne (BFA 8.2017, S.13; vergleiche BMLV 3.9.2019).

Armee: Das Verteidigungsministerium ist für die Kontrolle der somalischen Armee verantwortlich. Dabei bleibt die ausgeübte Kontrolle dürftig, hat sich aber mit Hilfe internationaler Partner etwas verbessert. Letzteres gilt etwa für die Kräfte im Großraum Mogadischu, Lower Shabelle, in der Region Bay bis Baidoa und nördlich bis Jowhar (USDOS 13.3.2019, S.7). Die Armee gilt als chaotischer Zusammenschluss zahlreicher bewaffneter Gruppen, es mangelt an einheitlichen Führungsstrukturen. Fußtruppen sind oft eher gegenüber dem Clan loyal als gegenüber der Regierung. Die meisten Bataillone sind entlang von Clans organisiert, es kommt mitunter zu Rivalitäten zwischen einzelnen Bataillonen (Williams, S.18ff).

Der Armee kam und kommt beachtliche internationale Unterstützung zugute, damit sie AMISOM ersetzen kann (BS 2018, S.7). Trotzdem zeigen die Ergebnisse einer Studie zur Einsatzfähigkeit der somalischen Armee vom Dezember 2017 den schlechten Zustand der Streitkräfte (SEMG 9.11.2018, S.33). Trotz der mehr als zehn Jahre dauernden (internationalen) Bemühungen ist die somalische Armee nicht in der Lage, selbständige Operationen durchzuführen (ME 14.3.2019), ihr Zustand wird als "work in progress" beschrieben (ICG 27.6.2019, S.4). Sie ist auf defensive und lokale Operationen beschränkt und in großem Maße vom Schutz und Versorgung durch AMISOM und UN abhängig (Williams, S.2). Immerhin wurden bei der Operation Badbaado 2019 in Lower Shabelle schon mehrheitlich somalische Truppen herangezogen (ME 27.6.2019).

Das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Armee ist von einem hohen Maß an Misstrauen geprägt, das durch kontinuierliche Rückstände bei der Auszahlung des Soldes, Korruption, Missmanagement und Entwendung von Versorgungsgütern genährt wird. Zudem hat die Armee keine zentralen Kommandostrukturen etablieren können (BS 2018, S.7f). Sie gleicht einer Koalition unterschiedlicher Kontingente (AQ1 5.2019) bzw. Clanmilizen, deren Loyalität eher beim Clan als bei der Bundesregierung liegt (BS 2018, S.7; vergleiche ICG 27.6.2019, S.4). Manchmal sucht sich die Armee lokale oder Clanmilizen als Alliierte und heizt dadurch bereits bestehende Konflikte weiter an (BS 2018, S.7).

Der Armee mangelt es an Ausbildung und Ausrüstung, Korruption ist verbreitet (LIFOS 3.7.2019, S.22). Das Operational Readiness Assessment über die somalische Armee vom Dezember 2017 hat ergeben, dass diese sich in einem schlimmen Zustand befindet. Die vorhandenen Bataillone sind durchschnittlich nur zu 63% aufgefüllt, Rekrutierungsmethoden sind inkonsistent, es mangelt selbst an grundlegender Ausrüstung (Williams, S.1). Es kommt vor, dass Soldaten nur sehr unregelmäßig bezahlt werden (AA 4.3.2019, S.7). Es gibt mehrere Berichte, wonach unbezahlte Angehörige der Sicherheitskräfte ihre Waffen verkaufen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können (SEMG 9.11.2018, S.15). Korruption, Misswirtschaft und finanzielle Einschränkungen beeinträchtigen die Wirksamkeit der Armee (AA 4.3.2019, S.8). Mitunter kam es 2019 in den Regionen Middle und Lower Shabelle zu Meutereien, weil der Staat bei der Auszahlung des Soldes schon fast chronisch versagt (AQ1 5.2019). Das hohe Maß an Korruption und Missmanagement bei den Sicherheitskräften und das damit verbundene Unterbleiben von Soldzahlungen hat wiederholt zu schweren Sicherheitsproblemen geführt (BS 2018, S.20). Die stockende oder ausbleibende Auszahlung des Soldes hat Soldaten immer wieder dazu verführt, ihr Einkommen auf andere Art zu sichern: durch Erpressung, Nebentätigkeiten, Betrug oder den Verkauf von Ausrüstung (Williams, S.11f). U.a. haben die USA Ende 2017 aufgrund der herrschenden Korruption die Soldzahlung an 12.000 somalische Soldaten eingestellt (Mohamed 17.8.2019). Die danach erfolgte Einführung der elektronischen Bezahlung des Soldes führte zu einer erheblichen Steigerung der Moral. Die Spezialeinheit Danaab wird und wurde regelmäßig bezahlt (ME 27.6.2019). Danaab - von den USA ausgebildet, ausgerüstet und betreut - ist auch die einzige Einheit, bei welcher bei der Rekrutierung nicht der Clan, sondern militärische Erfahrung und Können eine Rolle spielen (Williams, S.2/9).

Im vergangenen Jahrzehnt hat die Armee von zahlreichen Akteuren Unterstützung bei Ausrüstung, Ausbildung und Logistik erhalten, namentlich von Burundi, Dschibuti, Äthiopien, Italien, Kenia, dem Sudan, der Türkei, den VAE, Uganda, Großbritannien, den USA, der AU, der EU und den UN. Zigtausende Soldaten wurden ausgebildet. Diese Ausbildung erfolgte aber unkoordiniert und ohne Gesamtkonzept (Williams, S.2ff). Außerdem hat Somalia alleine in den Jahren 2013-2105 17.500 Waffen von außen erhalten. Trotzdem stellte sich im Jahr 2017 heraus, dass nur 70% der Soldaten überhaupt eine Waffe besitzen (Williams, S.22).

Die Türkei hat 2017 bei Mogadischu einen neuen Ausbildungsstützpunkt für die somalische Armee eröffnet (VOA 27.12.2017). Die UN-Agentur UNSOS unterstützt logistisch weiterhin 10.900 Soldaten der somalischen Armee (z.B. Rationen, Treibstoff, Wasser) - v.a. die im Tandem mit AMISOM operierenden Teile (UNSC 15.5.2019, Absatz , vergleiche UNSC 15.8.2019, Absatz ,). AMISOM trägt zur Erweiterung der Kapazitäten von somalischer Armee und Polizei bei (BS 2018, S.39). Katar hat der somalischen Armee Dutzende gepanzerte Fahrzeuge geschenkt (AMISOM 17.1.2019c). Somalische Soldaten befinden sich u. a. in Eritrea und Ägypten zur Ausbildung (AQ1 5.2019). Im April 2018 haben die VAE ihre Soldaten aus dem Ausbildungslager in Mogadischu abgezogen. Dort befanden sich mehrere Hundert somalische Soldaten in Ausbildung, darunter Spezialkräfte. Die Basis wurde nach dem Abzug geplündert (SEMG 9.11.2018, S.31). In Galmudug wird mit Unterstützung der UN auch eine Küstenwache ausgebildet (SEMG 9.11.2018, S.38).

AMISOM führt für die somalischen Sicherheitskräfte auch Ausbildungen durch, z.B. zur Behandlung von Fällen konfliktbezogener sexueller Gewalt (AMISOM 4.3.2019b). Die Ausbildung im Menschenrechtsbereich wird international zunehmend unterstützt; es muss aber weiterhin davon ausgegangen werden, dass der Mehrzahl der regulären Kräfte die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns nur äußerst begrenzt bekannt sind. Dies gilt insbesondere für regierungsnahe Milizen (AA 4.3.2019, S.7).

Armee/Stärke: Die genaue Stärke ist unbekannt bzw. unklar. Angaben reichen von rund 15.000 Soldaten (USDOS 13.3.2019, S.7) über 16.000-18.000 Mann (BFA 8.2017, S.13) bis hin zu - nach eigenen Angaben der Armee - rund 23.200 Mann, darunter die Spezialeinheit Danaab mit zusätzlich 2.000 Mann in "unabhängigen Bataillonen". Allerdings ist davon auszugehen, dass die letzten Zahlen übertrieben, und signifikante Teile der Truppe freiberuflich aktiv sind (SEMG 9.11.2018, S.14). AMISOM beziffert die Zahl der unterschiedlichen Pro-Regierungs-Gruppen (darunter Milizen von Bundesstaaten und Clans) mit mehr als 20.000 Mann (AMISOM 27.2.2019). Die Masse der Truppe befindet sich in Middle und Lower Shabelle, South-West-State und Jubaland. Kräfte der Armee und von pro-Regierungs-Milizen operieren manchmal Seite an Seite mit AMISOM (USDOS 13.3.2019, S.7).

Regionale Kräfte: Unklar ist, inwiefern diese Kräfte in die zur Bundesregierung gerechneten Kräfte eingegliedert sind bzw. dorthin zugeordnet werden.

Regionale (Streit-)Kräfte (Darawish) stellen jedenfalls einen erheblichen Anteil verfügbarer Kräfte: Alleine in den Bundesstaaten Jubaland, Galmudug und Southwest finden sich 14.700 registrierte Angehörige regionaler Sicherheitskräfte; davon 1.300 Frauen. Ob diese in die somalische Armee oder in Polizeikräfte integriert werden, ist unklar (UNSOM 12.2018, S.3). Beim Operational Readiness Assessment wurden in Jubaland, Galmudug, SWS und Puntland sogar fast 20.000 Personen registriert, welche zu "Regionalkräften" gezählt werden (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

NISA (National Intelligence and Security Agency): Die Rolle des Staatsschutzes liegt in der Hand der NISA, die mit exekutiven Vollmachten ausgestattet ist (AA 4.3.2019, S.9). Das Mandat der NISA bleibt ungeklärt (HRW 17.1.2019). Sie wurde nie in einen Rechtsrahmen eingebettet und hat sich im Sicherheitsbereich weitreichende Befugnisse angeeignet (BS 2018. S.17). Die Bundesregierung greift regelmäßig auf die Kräfte der NISA zurück, um polizeiliche Arbeit zu erledigen (USDOS 13.3.2019, S.6; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.34). Hierbei werden Zivilisten ohne Haftbefehl festgehalten (USDOS 13.3.2019, S.6). Dabei verfügt die NISA über kein Mandat, um Festnahmen vorzunehmen (USDOS 13.3.2019, S.4). Ihre Arbeit leidet zudem unter Vorwürfen, wonach ihre Führung mit al Shabaab in Zusammenhang stehen soll. Die Fähigkeit der NISA, zur Sicherheit in Mogadischu beizutragen, wird unterminiert (SEMG 9.11.2018, S.5).

Allerdings ist es in den vergangenen Monaten zu diesbezüglichen Säuberungen in der NISA gekommen (ME 27.6.2019). Zusätzlich wurden im August 2019 rd. 1.700 Mann der NISA dem Kommando der Polizei unterstellt. Aktuell verfügt die NISA über ca. 1.000 Mann - einschließlich der Spezialeinheit Gashaan (BMLV 3.9.2019) (Alpha und Bravo Group), wobei letztere als hoch effizient bezeichnet wird (BFA 8.2017, S.15). Die NISA hat ein Kooperations- und Ausbildungsabkommen mit dem Nachrichtendienst Katars (BMLV 3.9.2019).

Puntland: Die Sicherheitskräfte in Puntland setzen sich wie folgt zusammen:

* Die Puntland Defense Forces (PDF; auch Darawish genannt): <3.000

* Puntland Maritim Police Force (PMPF): 1.200

* Präsidentengarde: 300-400

* Bossaso Port Police: 300

* Polizei: 3.600 (BFA 8.2017, S.87f; vergleiche BMLV 3.9.2019)

Vor allem die Polizei ist für die relative Ruhe in Puntland verantwortlich. Es gibt so gut wie keine Berichte über Polizeiübergriffe oder Willkür in Puntland. Zusätzlich zu den offiziell ins staatliche System eingegliederten Kräften stützt sich Puntland maßgeblich auf lokale Milizen (BFA 8.2017, S.87f). Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist in Puntland etwas stärker ausgeprägt als in Süd-/Zentralsomalia, doch entzieht sich das Handeln der Sicherheitskräfte auch dort weitgehend Kontrolle der öffentlichen Kontrolle. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden keine erhoben (AA 1.1.2017). Die früher beobachteten Schwierigkeiten mit ausständigen Soldzahlungen sind nicht mehr erkennbar, im Jahr 2019 kam es zu keinen diesbezüglichen Protesten der Sicherheitskräfte. Die Einsatzbereitschaft der verschiedenen Teilkräfte hat sich wieder verbessert (BMLV 3.9.2019).

Quellen:

4. Folter und unmenschliche Behandlung

Für das Jahr 2018 wurden staatlichen Akteuren gravierende Menschenrechtsverletzungen wie Tötungen, militärische Angriffe auf Zivilisten und zivile Einrichtungen, willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, Vergewaltigungen, Entführung, Folter, schwere Misshandlung von Kindern, Raub, Bestechung, Korruption und willkürlicher Waffengebrauch vorgeworfen oder wurden diese dokumentiert. Im Zeitraum Jänner-Oktober 2018 wurden 238 Zivilisten zu Opfern (Tote und Verletzte) von Armee, Polizei, Sicherheitsbehörden der Bundesstaaten, NISA (National Intelligence and Security Agency) und AMISOM (AA 4.3.2019, S.8f). Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden jedoch nicht erhoben. Es kann im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass Sicherheitskräfte den entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen und bei Verstößen straffrei gehen (AA 4.3.2019, S.18).

Seitens der vormals für ihre Menschenrechtsverbrechen berüchtigten Liyu Police aus dem äthiopischen Somali Regional State sind keine Meldungen mehr vorhanden (ME 27.6.2019).

Tötungen: Sicherheitskräfte der Regierung, alliierte Milizen und andere Personen, die Uniformen tragen; sowie regionale Sicherheitskräfte, al Shabaab und unbekannte Angreifer verüben willkürliche und ungesetzliche Tötungen. Bei bewaffneten Zusammenstößen werden Zivilisten getötet (USDOS 13.3.2019, S.2; vergleiche BS 2018, S.20), etwa beim Streit um Land, über die Kontrolle von Straßensperren oder bei Entwaffnungsoperationen (HRW 17.1.2019). Berichten zufolge ist es Ende 2018 in Baardheere (Region Bay) zu extralegalen Tötungen inhaftierter Angehöriger der al Shabaab gekommen. Demnach wurden sechs Personen ohne (faires) Verfahren nach mehreren Monaten Haft von einem Erschießungskommando der somalischen Armee exekutiert (VOA 22.1.2019).

Folter: Auch wenn die Übergangsverfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, kommt es zu derartigen Vorfällen. Bundes- und Regionalbehörden setzen gegen Journalisten, Demonstranten und Häftlinge exzessiv Gewalt ein; dabei kam es in der Vergangenheit zu Todesopfern und Verletzten. NISA misshandelt Personen bei Verhören (USDOS 13.3.2019, S.3f/13), und Verhaftete sind dem Risiko ausgesetzt, gefoltert zu werden (FH 5.6.2019b, F3; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.13; LIFOS 3.7.2019, S.25). So wurden etwa im Mai 2018 zwei Männer, die wegen des Legens eines Sprengsatzes beschuldigt worden waren, von Armeeangehörigen in Baraawe gefoltert und exekutiert. Auch der Polizeikommandant von Baraawe, der den Vorfall untersucht hat, wurde von Soldaten gefoltert (SEMG 9.11.2018, S.40).

Verhaftungen: NISA verhaftet willkürlich Menschen und hält diese über längere Zeit ohne Anklage oder Zugang zur Familie fest (USDOS 13.3.2019, S.4; vergleiche AA 4.3.2019, S.8; HRW 17.1.2019). Dies gilt auch für die Nachrichtendienste in Puntland und Jubaland (HRW 17.1.2019).

Strafverfolgung: Die Armee hat mehrere Angehöre von Sicherheitskräften verhaftet, die o.g. Verbrechen beschuldigt werden (USDOS 13.3.2019, S.13). Generell bleibt Straffreiheit aber die Norm (USDOS 13.3.2019, S.2/13; vergleiche FH 5.6.2019b, F3). Dies gilt auch für willkürliches Vorgehen der Polizeikräfte. Die Opfer polizeilicher Willkür und Gewalt haben oft keine legale Möglichkeit, Anklage zu erheben (AA 4.3.2019, S.8).

Al Shabaab: Die Gruppe verhängt und vollstreckt in den Gebieten unter ihrer Kontrolle weiterhin unmenschliche und erniedrigende Strafen (huduud; z.B. Amputation, Enthauptung, öffentliche Exekution) (NLMBZ 3.2019, S.11; vergleiche BS 2018, S.19). Dort ist auch von unmenschlicher Behandlung auszugehen, wenn Personen gegen die Interessen von al Shabaab handeln oder dessen verdächtigt werden (AA 4.3.2019, S.18). Exekutiert werden u.a. Personen, denen die Gruppe Spionage vorwirft (NLMBZ 3.2019, S.3; vergleiche BS 2018, S.20). Auch viele der von al Shabaab wegen Verbindungen zum IS Verhafteten werden getötet und/oder gefoltert, bevor sie überhaupt das Gefängnis erreichen (LWJ 16.11.2018).

Quellen:

5. Korruption

Korruption wird systematisch angewendet bzw. ist sie endemisch (SRSG 13.9.2018, S.2; vergleiche BS 2018, S.19). Die im Aufbau befindlichen staatlichen Institutionen sind von einem hohen Maß an Korruption, Amtsmissbrauch und Missmanagement geprägt (BS 2018, S.3; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.26f). Das sich durch alle Ebenen der Verwaltung ziehende kleptokratische Verhalten paralysiert das Land (BS 2018, S.36). Zudem durchdringt Korruption alle Teile der Gesellschaft (LIFOS 9.4.2019, S.34). Auch Richter werden regelmäßig korrupter Praktiken beschuldigt (BS 2018, S.19). Somalia findet sich am Index von Transparency International 2018 zum wiederholten Male auf dem letzten Platz (180 von 180) (TI 30.1.2019).

Al Shabaab hebt in den von ihr kontrollierten Gebieten nicht vorhersagbare und hohe Zakat- und Sadaqa-Steuern ein. Außerdem werden humanitäre Hilfsgüter zweckentfremdet oder gestohlen (USDOS 13.3.2019, S.27).

Maßnahmen: Es gibt zwar ein Gesetz gegen Korruption in der Verwaltung, dieses wird aber nicht effektiv angewendet (USDOS 13.3.2019, S.26f). Antikorruptionsbehörden sind nicht effektiv. Für öffentlich Bedienstete ist Straflosigkeit bei Korruption die Norm (LIFOS 9.4.2019, S.34; vergleiche BS 2018, S.20; FH 5.6.2019b, C2). Immerhin setzten Präsident Farmaajo und Premierminister Kheyre einige Schritte gegen Korruption, auf allen Ebenen der Verwaltung kam es zu mehreren Verhaftungen (USDOS 13.3.2019, S.26f; vergleiche NLMBZ, S.8). Zudem hat das Justizministerium gemeinsam mit UNDP ein Projekt auf den Weg gebracht, um die Korruptionsbekämpfung zu stärken (LIFOS 9.4.2019, S.35).

Quellen:

6. NGOs und Menschenrechtsaktivisten (siehe auch 18.4)

Im gesamten somalischen Kulturraum gibt es zahlreiche internationale Organisationen und NGOs, die sich um Belange vulnerabler Personen (u.a. IDPs, Frauen, Kinder und andere sozial benachteiligte Gruppen) kümmern (SEM 31.5.2017, S.43). Etliche lokale und internationale Menschenrechtsgruppen sind in jenen Gebieten Süd-/Zentralsomalias und Puntlands, die sich nicht unter der Kontrolle der al Shabaab befinden, aktiv. Sie untersuchen Vorfälle, veröffentlichen Ergebnisse (USDOS 13.3.2019, S.28) und werden ggf. politisch gebilligt und gefördert (AA 4.3.2019, S.7). Die Regierung ist hinsichtlich der Ergebnisse einigermaßen kooperativ und reagiert auf deren Ansichten (USDOS 13.3.2019, S.28).

Menschenrechtsorganisationen sehen sich trotzdem in aller Regel Repressionen durch staatliche Sicherheitsorgane, die auch auf eigene Faust und im eigenen Interesse agieren, ausgesetzt. Außerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete können diese Organisationen meist nicht arbeiten (AA 4.3.2019, S.7). Al Shabaab untersagt den meisten NGOs sowie allen UN-Agenturen das Arbeiten auf dem Gebiet unter ihrer Kontrolle (HRW 17.1.2019; vergleiche FH 5.6.2019b, E2; SEMG 9.11.2018, S.5f/42). Eine Ausnahme bildet die der al Shabaab zugerechnete al Ihsaan (SEMG 9.11.2018, S.5f/42).

Die Bewegungsfreiheit von Organisationen in Süd-/Zentralsomalia ist aufgrund von Sicherheitserwägungen eingeschränkt (USDOS 13.3.2019, S.28; vergleiche HRW 17.1.2019). Somalia ist weltweit eines der gefährlichsten Länder für humanitäre Kräfte (NLMBZ 3.2019, S.14), auf welche mitunter gezielte Angriffe durchgeführt werden. Unsicherheit, illegale Straßensperren, Erpressung (HRW 17.1.2019), Fahrzeugraub und bürokratische Hürden für humanitäre Organisationen stellen ernste Hindernisse dar (USDOS 13.3.2019, S.15; vergleiche UNSC 15.5.2019, Absatz ,). In den ersten acht Monaten des Jahres 2018 waren humanitäre Organisationen von 85 sicherheitsrelevanten Zwischenfällen betroffen. Dabei wurden sieben Mitarbeiter getötet und zwölf weitere verletzt. Außerdem wurden zehn Mitarbeiter verhaftet oder vorübergehend festgehalten (USDOS 13.3.2019, S.15). Nach anderen Angaben gab es im Zeitraum Jänner-August 2018 34 Angriffe auf humanitäre Kräfte - vor allem auf lokal Bedienstete (SEMG 9.11.2018, S.43). Nach wieder anderen Angaben gab es 2018 59 Zwischenfälle mit NGOs, wobei acht Personen getötet wurden. Nur eine ungewisse Zahl davon kann al Shabaab zugeschrieben werden (NLMBZ 3.2019, S.14). Im Zeitraum Jänner-Juli 2019 waren 49 Mitarbeiter humanitärer Organisationen direkt von Zwischenfällen betroffen. Dabei wurden zwei von ihnen getötet, ein weiterer verletzt, elf entführt und fünf in Haft genommen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,).

Die Präsenz von UN-Agenturen und Organisationen ist in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden: Ende 2014 befanden sich 331 internationale und 951 nationale Angestellte der UN in Somalia (UNSC 23.1.2015, S.16). Ende 2018 waren es 674 bzw. 1.288 (UNSC 21.12.2018, S.15), im April 2019 764 bzw. 1.402. Büros befinden sich in Baidoa, Belet Weyne, Bossaso, Dhobley, Doolow, Galkacyo, Garoowe, Hargeysa, Jowhar, Kismayo und Mogadischu; ein Büro in Dhusamareb befindet sich im Aufbau (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

In Puntland können internationale und lokale NGOs generell ohne größere Einschränkungen arbeiten (USDOS 13.3.2019, S.28).

Quellen:

7. Ombudsmann

Die Verfassung sieht eine unabhängige Menschenrechtskommission sowie eine Wahrheits- und Versöhnungskommission vor. Beide Institutionen waren zum Jahresende 2018 noch nicht eingerichtet worden, obwohl der somalische Präsident bereits 2016 ein Gesetz unterzeichnet hat, mit welchem die Menschenrechtskommission eingerichtet werden soll. Folglich gibt es seitens der Bundesregierung bislang keine Mechanismen, um Menschenrechtsvergehen aufzuklären (USDOS 13.3.2019, S.28; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.34). Die Regierung muss die Liste der für die Menschenrechtskommission nominierten Personen erst absegnen (HRW 17.1.2019).

Die Effektivität des puntländischen Human Rights Defender Office bleibt aufgrund eingeschränkter Ressourcenlage und Unerfahrenheit eingeschränkt (USDOS 13.3.2019, S.28).

Quellen:

8. Wehrdienst und Rekrutierungen (durch den Staat und Dritte)

Die somalische Armee ist eine Freiwilligenarmee (BFA 8.2017, S.14). Es gibt keinen verpflichtenden Militärdienst. Allerdings rekrutieren Clans regelmäßig - und teils unter Androhung von Zwangsmaßnahmen für die Familie - junge Männer zum Dienst in einer Miliz, bei den staatlichen Sicherheitskräften oder bei der al Shabaab. Dadurch soll für den eigenen Clan oder Subclan Schutz erlangt werden (AA 4.3.2019, S.13).

Quellen:

8.1. (Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten

Kindersoldaten: Die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten ist weiterhin ein Problem (USDOS 13.3.2019, S.36). Alle Konfliktparteien rekrutieren Kinder (BS 2018, S.21). Insgesamt werden Kinder häufiger von al Shabaab und teils auch von Clanmilizen rekrutiert, seltener durch die Regierung. Die Zahl an Kindersoldaten wurde 2018 auf mindestens 5.000 geschätzt (AA 4.3.2019, S.13). Im Jahr 2018 gab es immer wieder Berichte über den Einsatz von Kindersoldaten durch die Armee, alliierte Milizen, die Sufi-Miliz Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) und die al Shabaab. Von Jänner bis September 2018 wurde die Rekrutierung und der Einsatz von 1.800 Kindern verzeichnet, zu ca. 80% durch al Shabaab. Die Regierung versucht der Rekrutierung von Kindern durch die Armee mit Ausbildungs- und Screening-Programmen entgegenzuwirken (USDOS 13.3.2019, S.13f). Die Regierung partizipiert an Kampagnen, um Kinder aus dem bewaffneten Konflikt herauszulösen (USDOS 13.3.2019, S.36).

Kindersoldaten - al Shabaab: Beginnend im Jahr 2017 hat al Shabaab immer mehr Kinder zwangsrekrutiert (NLMBZ 3.2019, S.11), teils mit aggressiven und gewalttätigen Methoden. Berichten zufolge wurden Kinder von Minderheitengruppen sogar systematisch entführt (BS 2018, S.21). Ein Grund dafür ist, dass aufgrund der umfassenden Rekrutierungsmaßnahmen unterschiedlicher bewaffneter Gruppen der Rekrutierungspool auch für al Shabaab immer kleiner geworden ist. Ein weiterer Grund ist, dass Kinder einfacher zu manipulieren sind (ME 27.6.2019). So indoktriniert und rekrutiert al Shabaab Kinder etwa gezielt in Koranschulen (LWJ 24.1.2018; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.15).

Auch im Jahr 2018 hat al Shabaab in den von ihr kontrollierten Gebieten in Süd-/Zentralsomalia Kinder zwangsrekrutiert (SEMG 9.11.2018, S.39). Im Zeitraum Mai-August 2019 waren davon 187 Kinder betroffen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Die Gruppe führt zu diesem Zweck Razzien gegen Schulen, Madrassen und Moscheen durch (USDOS 13.3.2019, S.14). Außerdem wurden Älteste und Koranschullehrer in ländlichen Gebieten Süd-/Zentralsomalias wiederholt dazu aufgerufen, Kinder an die Gruppe abzugeben (AMISOM 14.1.2019). Al Shabaab bedroht und erpresst Eltern, Gemeinden, Lehrer und Älteste, damit diese der Gruppe Schüler zuführen. Es kommt in diesem Zusammenhang auch zu Gewalt und Inhaftierungen (USDOS 13.3.2019, S.14). Eltern rekrutierter Kinder haben keine Möglichkeit Protest einzulegen, ihnen droht bei Widerstand Bestrafung oder sogar der Tod (BS 2018, S.21).

Im Jänner 2019 stürmte al Shabaab die Ortschaft Ceel Garas (Region Bakool) und entführte ca. 60 Kinder (AMISOM 14.1.2019). Manchmal - wie z.B. im Juli 2018 in Xaradheere - kommt es auch zu Widerstand der Bevölkerung. Al Shabaab übt an Gemeinden, die sich einer Herausgabe von Kindern verweigern, Vergeltung - v.a. in Galmudug und im SWS. Hunderte Kinder sind aus Angst vor einer Rekrutierung geflohen (HRW 17.1.2019). Auch aus den Regionen Bay und Bakool kommen Berichte, wonach al Shabaab Familien in einigen ländlichen Gemeinden zur Übergabe von 8-17jährigen Kindern aufgefordert hat (UNOCHA 31.7.2019, S.3; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.30).

In Lagern werden Kinder einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination. Al Shabaab zwingt Kinder, an Kampfhandlungen teilzunehmen; sie setzt diese auch für Selbstmordanschläge ein (USDOS 13.3.2019, S.13f). Außerdem rekrutiert die Gruppe Straßenkinder und -Waisen, die einfach zu manipulieren sind. Manche erhalten zur Ausführung einer Aktion (z.B. Wurf einer Handgranate) einen kleinen Geldbetrag (FIS 5.10.2018, S.34).

Manchmal werden Kinder aus den Händen der al Shabaab befreit. So z. B. Anfang 2018 durch somalische Kräfte im Bezirk Wanla Weyne (SEMG 9.11.2018, S.39) oder im Jänner 2018 durch US-Militär in Middle Shabelle. Die Kinder wurden der UN zur Rehabilitation übergeben (HRW 17.1.2019). UNICEF stellt 721 Buben und 96 Mädchen, die al Shabaab entkommen sind oder die von bewaffneten Gruppen entlassen wurden, Schutz zur Verfügung. So hat die Organisation z.B. 36 bei einer Operation in Middle Shabelle aus der Gewalt der al Shabaab befreite Kinder in einem Rehabilitationszentrum in Mogadischu untergebracht (USDOS 13.3.2019, S.14f).

(Zwangs-)Rekrutierung: Im Jahr 2017 begann al Shabaab noch intensiver, arbeitslose junge Männer zu rekrutieren (NLMBZ 3.2019, S.11). Es gibt sehr unterschiedliche Gründe, al Shabaab beizutreten:

die Aussicht auf Gehalt und Status, Abenteuerlust und Rachegefühle (Khalil 1.2019, S.33). Jugendliche selbst geben an, dass der Hauptgrund zum Beitritt zu al Shabaab oder zur Armee das Einkommen ist (DI 6.2019, S.22f). Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen der al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil 1.2019, S.16).

Meist erfolgt ein Beitritt zur al Shabaab aufgrund ökonomischer, sicherheitsbedingter und psycho-sozialer Motivation. Nur wenige der befragten Deserteure gaben an, al Shabaab aufgrund einer religiösen Motivation beigetreten zu sein; dahingegen maßen mehr als die Hälfte gesellschaftlichen Erwägungen eine besondere Rolle zu, darunter Status (inkl. Eheschließung) und Macht. Auch Abenteuerlust spielt eine große Rolle. Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab die Möglichkeit einer Rache an Angehörigen anderer Clans (Khalil 1.2019, S.14f). Für Angehörige marginalisierter Gruppen bietet der Beitritt zu al Shabaab zudem die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern (FIS 5.10.2018, S.34). Die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet (USDOS 13.3.2019, S.32). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen oft um eine Mischung aus Druck und Anreizen (ICG 27.6.2019, S.2).

Knapp ein Drittel der in einer Studie befragten al Shabaab-Deserteure gab an, dass bei ihrer Rekrutierung Drohungen eine Rolle gespielt haben. Dies kann freilich insofern übertrieben sein, als Deserteure dazu neigen, die eigene Verantwortung für begangene Taten dadurch zu minimieren (Khalil 1.2019, S.14). Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab (BMLV 16.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.51; DIS 3.2017, S.20f).

Verweigerung: Üblicherweise richtet die al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer (BFA 8.2017, S.52), denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden (DIS 3.2017, S.21). Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens. Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus der al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BFA 8.2017, S.54f).

Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht (DIS 3.2017, S.21). Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BFA 8.2017, S.54f). Stellt eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen der al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es mitunter zu Gewalt - so etwa geschehen in Aad (Mudug) und Bananey (Lower Shabelle) (SEMG 9.11.2018, S.39).

Frauen: In den Führungsgremien und Kampfkräften von al Shabaab finden sich keine Frauen. Deren Rolle reicht von jener der einfachen Ehefrau bis hin zu Rekrutierung, Missionierung, Spionage, Waffenschmuggel und Spendensammlung (ICG 27.6.2019, S.7f). Frauen, die mit Soldaten oder AMISOM Kleinhandel treiben, werden als Spione und Informationsbeschafferinnen rekrutiert (ICG 27.6.2019, S.12).

Quellen:

8.2. Deserteure und ehemalige Kämpfer der al Shabaab

Allgemein geben Deserteure für das Verlassen der al Shabaab aber folgende Gründe an: inadäquate Bezahlung, familiäre Verpflichtungen, schlechte Lebensbedingungen, Risiko für Leib und Leben (Khalil 1.2019, S.33/16f). Mit letzterem ist nicht bloß die Gefahr von Kampfhandlungen gemeint, sondern auch die von al Shabaab angewandte Bestrafung bei (vermeintlichen) Regelbrüchen (Khalil 1.2019, S.16f). Generell stellt die Desertion eines Einzelnen für al Shabaab ein kleineres Problem dar, als der Seitenwechsel ganzer Clans und der zugehörigen Milizen, z.B. als Abgaal-Subclans sich in Galgaduud der Ahlu Sunna Wal Jama'a zuwandten, oder als Hawadle-Subclans der al Shabaab in Hiiraan die Miliz Macaawuusely entgegenstellten (SEMG 9.11.2018, S.27).

Nicht alle ehemaligen Kämpfer der al Shabaab sind Deserteure. Es gibt Beispiele, wo Angehörige die Entlassung eines Familienmitglieds durch die al Shabaab erwirken konnten (Khalil 1.2019, S.18).

Verfolgung: Oft gleicht eine Desertion einer Flucht - mit entsprechender Angst vor Vergeltungsmaßnahmen seitens der al Shabaab, die auch in Form einer Todesstrafe erfolgen kann. Manche Deserteure warten Monate oder sogar Jahre, bevor sich ihnen eine Gelegenheit zur Flucht bietet (Khalil 1.2019, S.17f). Al Shabaab ist in der Lage, einen Deserteur aufzuspüren - auch auf dem Gebiete von AMISOM und der somalischen Regierung. Sie tragen wahrscheinlich ein Risiko der Verfolgung (BFA 8.2017, Sitzung 43f; vergleiche DIS 3.2017, S.17f; NLMBZ 3.2019, S.12f). Dies gilt insbesondere für Deserteure mittleren Ranges. Doch auch einfache Mannschaftsgrade können zum Ziel werden (BFA 8.2017, S.43f). Tatsächlich finden sich aber kaum Beispiele von Morden an Deserteuren (BMLV 16.9.2019). Einmal wird vom Mord an zwei jungen Bantu-Männern berichtet, die im August 2017 von al Shabaab entdeckt und ermordet worden sind, bevor sie Kismayo erreichen konnten. An anderer Stelle werden Deserteure auch wieder in die Reihen der al Shabaab aufgenommen, so geschehen in Tayeeglow Anfang 2017, als Buben, die von der Gruppe desertiert waren, zum erneuten Eintritt in die al Shabaab gezwungen wurden (SEMG 8.11.2017, S.43/137). Interessanterweise sind auch die vorhandenen Rehabilitationszentren für ehemalige Angehörige der al Shabaab noch nie zum Angriffsziel geworden [siehe unten] (NLMBZ 3.2019, S.12f; vergleiche BFA 8.2017, S.45ff). Inwiefern al Shabaab also tatsächlich Energie in das Aufspüren und Töten von desertierten Fußsoldaten investieren will, ist unklar. Insgesamt besteht in einigen Fällen offenbar auch die Möglichkeit, dass sich ein Deserteur mit der al Shabaab verständigt - etwa durch die Zahlung von Geldbeträgen (BFA 8.2017, S.43ff).

Amnestie: Präsident Farmaajo hat zwar eine Amnestie für Angehörige der al Shabaab ausgesprochen, welche sich freiwillig ergeben. Allerdings ist diese Amnestie nur mündlich ausgesprochen worden, es gibt keine rechtliche Grundlage dafür. Trotzdem geben Deserteure an, dass die Aussicht auf eine Amnestie ein maßgeblicher Faktor für ihre Desertion war (Khalil 1.2019, S.17).

Rehabilitation/Reintegration: Die somalische Regierung betreibt mehrere Rehabilitationszentren für ehemalige Angehörige der al Shabaab (NLMBZ 3.2019, S.12). Bis zum Jahr 2018 haben 241 ehemalige Angehörige der al Shabaab das Serendi Rehabilitation Centre (SRC) durchlaufen und ihre Rehabilitation abgeschlossen (Khalil 1.2019, S.33/3). Die Zahlen an beherbergten und unterstützten, als wenig gefährdend (low-risk) eingestuften Deserteure der al Shabaab beliefen sich im Mai 2019 auf 70 in Mogadischu, 144 in Baidoa und 57 in Kismayo (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). In Baidoa gibt es auch ein Rehabilitationsprojekt für hoch gefährdende (high-risk) ehemalige Kämpfer der al Shabaab. Diese sollen in die Gesellschaft reintegriert werden (UNSC 21.12.2018, S.12). Der hochrangige al Shabaab-Deserteur Mukhtar Robow betreibt in Baidoa nach eigenen Angaben ein Schutzhaus für desertierte Angehörige seines Clans (Rahanweyn/Leysan) (SEMG 9.11.2018, S.28), die er zuvor zur kollektiven Desertion aufgerufen hat (NLMBZ 3.2019, S.13). Es gibt auch Einrichtungen, wo minderjährige ehemalige Angehörige der al Shabaab untergebracht werden (Khalil 1.2019, S.21). Alleine im ersten Halbjahr 2018 wurden 415 Kinder, die von bewaffneten Gruppen entlassen oder aus deren Händen befreit worden waren, in Reintegrationszentren des UNHCR in den Regionen Benadir, HirShabelle, South West und Puntland untergebracht (UNOCHA 5.7.2018, S.2). Manche Deserteure kommen ohne Rehabilitationsprogramm im öffentlichen Dienst unter (NLMBZ 3.2019, S.13).

Laut Angaben des somalischen Defector Rehabilitation Programme (DRP) sind zwischen 2011 und 2017 ca. 2.000 Deserteure der al Shabaab über das Programm erfolgreich in die Gesellschaft re-integriert worden (AMISOM 1.12.2017). Auch wenn al Shabaab wohl über die Insassen von Rehabilitationszentren informiert ist, werden bislang sowohl die Zentren selbst als auch rehabilitierte Deserteure in Ruhe gelassen. Es sind keine Fälle bekannt, wo aus einem Rehabilitationszentrum Entlassene ermordet worden wären (BFA 8.2017, S.45ff).

Reintegration - Beispiel Serendi Rehabilitation Centre (SRC), Mogadischu: Das SRC steht jenen ehemaligen Angehörigen der al Shabaab offen, die als "low-risk" eingestuft wurden (Khalil 1.2019, S.vii). Als "low-risk" wird von der NISA herausgefiltert, wer al Shabaab freiwillig verlassen hat; wer sich gegen die Ideologie der Gruppe ausspricht; und wer nicht als künftiges Risiko für die öffentliche Sicherheit erachtet wird (Khalil 1.2019, S.19/2).

Die Aufenthaltsdauer im SRC beträgt 6-12 Monate (Khalil 1.2019, S.19). Am SRC erhalten die Bewohner neben psycho-sozialer Unterstützung auch eine schulische und eine Berufsausbildung (Khalil 1.2019, S.23/12). Das SRC unterstützt die Bewohner bei der Wiederherstellung des Kontakts zu Familie und Clan (Khalil 1.2019, S.24). Spätestens im Zuge der Reintegration in Mogadischu wenden sich viele aus dem SRC Entlassene an (teils entfernte) Verwandte. In vielen Fällen konnten positive Beziehungen zur Familie wieder hergestellt werden, die meisten wurden von ihrer Kernfamilie wieder aufgenommen (Khalil 1.2019, S.27f).

Nach der Entlassung aus dem SRC stellt gesellschaftliche Diskriminierung kaum ein relevantes Problem für ehemalige Angehörige der al Shabaab dar, wohl auch, weil es vielen gelingt, ihre Vergangenheit zu verschweigen (Kahlil 1.2019, S.29/34). Viele der Deserteure stammen zwar aus Mogadischu (Kahlil 1.2019, S.3), die Mehrheit jedoch aus Lower Shabelle, Middle Juba, Hiiraan oder Galgaduud (Kahlil 1.2019, S.3/27). Trotzdem entscheiden sich viele für eine Reintegration in Mogadischu - mitunter, weil dort relative Anonymität herrscht (Khalil 1.2019, S.29/27).

Viele der aus dem SRC Entlassenen sind aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht in ihre eigentliche Heimat zurückgekehrt. Einige von ihnen meiden auch in Mogadischu bestimmte Stadtgebiete, da sie Angst haben, dort als ehemalige Angehörige der al Shabaab identifiziert zu werden. Insgesamt äußern aus dem SRC Entlassene häufig Sicherheitsbedenken bezüglich al Shabaab - natürlich besteht eine latente Bedrohung, von ehemaligen Kameraden erkannt zu werden. Allerdings ist nur in einem Fall auch tatsächlich eine Drohung (über SMS) ausgesprochen worden (Khalil 1.2019, S.27f). Schon in ihrer Zeit im halb-offenen SRC haben Deserteure am Wochenende Ausgang, und fast alle nehmen diesen auch in Anspruch (Khalil 1.2019, S.22).

Quellen:

9. Allgemeine Menschenrechtslage

In der somalischen Verfassung ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert, wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 4.3.2019, S.17).

Extralegale Tötungen stellen bei den Sicherheitskräften kein strukturelles Problem dar. Allerdings wäre in solchen Fällen aufgrund des dysfunktionalen Justizsystems in der Regel von Straflosigkeit auszugehen (AA 4.3.2019, S.19). Es liegen keine Berichte vor, wonach Behörden für Entführungen oder Verschwindenlassen verantwortlich wären (USDOS 13.3.2019, S.3; vergleiche AA 4.3.2019, S.19). Al Shabaab entführt Menschen (USDOS 13.3.2019, S.3); 2018 sind mindestens 260 der Gruppe zugeschriebene Entführungen dokumentiert (UNSC 21.12.2018, S.13).

Bei Kämpfen unter Beteiligung von AMISOM, Regierung, Milizen und al Shabaab kommt es zur Tötung, Verletzung und Vertreibung von Zivilisten (USDOS 13.3.2019, S.1/11f). [Anm.: Siehe Abschnitt 3. Sicherheitslage]

Zivile Behörden sind nur eingeschränkt in der Lage, der Gesellschaft den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. Die schwersten Menschenrechtsverletzungen sind: Tötung von Zivilisten durch al Shabaab, somalische Kräfte, Clanmilizen und unbekannte Angreifer (USDOS 13.3.2019, S.1); Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter Vergewaltigungen (USDOS 13.3.2019, S.1; vergleiche SRSG 13.9.2018, S.2); gefährliche traditionelle Rituale; willkürliche Verhaftungen (SRSG 13.9.2018, S.2). In Süd-/Zentralsomalia werden extralegale Tötungen in der Regel von der al Shabaab in von ihr kontrollierten Gebieten durchgeführt, zunehmend auch in Form von gezielten Attentaten in Gebieten unter staatlicher Kontrolle (AA 4.3.2019, S.19).

Weitere Menschenrechtsverletzungen sind Verschwindenlassen (durch al Shabaab); Folter und andere grausame Behandlung; harte Haftbedingungen; willkürliche und politisch motivierte Verhaftungen; Delogierung und sexueller Missbrauch von IDPs; Verwendung von Kindersoldaten. Al Shabaab ist für die Mehrheit der schweren Menschenrechtsverletzungen verantwortlich (USDOS 13.3.2019, S.1ff). Generell ist Straflosigkeit die Norm. Die Regierung ergreift nur minimale Schritte, um öffentlich Bedienstete strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 13.3.2019, S.1ff; NLMBZ 3.2019, S.34). Im Zeitraum Jänner-Oktober 2018 wurden somalischen Sicherheitskräften insgesamt 238 tote und verletzte Zivilisten zugeschrieben; AMISOM 8; al Shabaab 611; und anderen Milizen 77. Insgesamt gab es in diesem Zeitraum 1.117 zivile Todesopfer und Verletzte (USDOS 13.3.2019, S.12f). Einer anderen Quelle zufolge gab es im Zeitraum Jänner-Oktober 2018 982 zivile Opfer, mehr als die Hälfte durch al Shabaab (HRW 17.1.2019). 176 Personen wurden zwischen Jänner und August 2018 entführt, die Mehrheit von al Shabaab (USDOS 13.3.2019, S.12f). Für das gesamte Jahr 2018 sind 1.384 zivile Todesopfer und Verletzte dokumentiert, davon werden 60% al Shabaab angelastet (SRSG 3.1.2019, S.5). Im Zeitraum 14.12.2018 bis 4.5.2019 berichtet die UN von 757 getöteten und verletzten Zivilisten, für 72% dieser Opfer wird al Shabaab verantwortlich gemacht, für 9% staatliche Sicherheitskräfte (UNSC 31.5.2019; vergleiche UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Bis 21.7.2019 kamen 322 weitere Opfer hinzu; 76% davon wurden al Shabaab zugerechnet (UNSC 15.8.2019, Absatz ,).

Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen durch Bundes- und Regionalbehörden, darunter Personen denen Aktivitäten oder Unterstützung für die al Shabaab vorgeworfen wird (USDOS 13.3.2019, S.6f). römisch fünf.a. die NISA ist dafür verantwortlich (HRW 17.1.2019). Im Zeitraum Jänner-August 2018 gab es bei der Zahl willkürlicher Festnahmen eine Zunahme. Insgesamt wurden 218 Personen verhaftet. Die meisten davon wurden verdächtigt, der al Shabaab anzugehören. Andere hatten Steuern nicht bezahlt oder waren Familienmitglieder desertierter Angehöriger der Sicherheitskräfte. Auch alliierte Milizen, Clanmilizen und al Shabaab verhaften willkürlich Personen (USDOS 13.3.2019, S.6f).

Generell begeht al Shabaab in den Gebieten unter ihrer Kontrolle systematisch Menschenrechtsverletzungen (BS 2018, S.20). Al Shabaab verübt terroristische Anschläge gegen Zivilisten; begeht Morde und Attentate; entführt Menschen, begeht Vergewaltigungen und vollzieht grausame Bestrafungen; Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschränkt. Die Gruppe rekrutiert Kindersoldaten (USDOS 13.3.2019, S.2; vergleiche HRW 17.1.2019). Al Shabaab verhängt in Gebieten unter ihrer Kontrolle unmenschliche und degradierende Strafen gegen Zivilisten, darunter Amputation, Auspeitschung, Enthauptung und öffentliche Exekution (SEMG 9.11.2018, S.38; vergleiche BS 2018, S.11). Außerdem richtet al Shabaab regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen hin, denen Kooperation mit Regierung, internationalen Organisation oder westlichen Hilfsorganisation vorgeworfen wird (AA 4.3.2019, S.12). Moralgesetze gebieten u.a. strenge Kleidungsvorschriften für Männer und Frauen (BS 2018, S.11).

Quellen:

10. Meinungs- und Pressefreiheit

Die Übergangsverfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor (USDOS 13.3.2019, S.16; vergleiche FH 5.6.2019b, D1; BS 2018, S.16), allerdings halten sich weder die Bundes- noch regionale Regierungen daran (USDOS 13.3.2019, S.16; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.35). Die Meinungsfreiheit unterliegt in Somalia schweren Einschränkungen (BS 2018, S.17). Nach anderen Angaben ist sie zumindest in Gebieten unter Kontrolle der Regierung weitgehend gegeben (AA 4.3.2019, S.11; vergleiche FH 5.6.2019b, D4) und wird durch die sehr weit verbreiteten sozialen Medien auch intensiv wahrgenommen (AA 4.3.2019, S.11). Personen, welche sich kritisch über Mächtige äußern, können Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt sein (FH 5.6.2019b, D4).

Es gibt somalische und ausländische Radio- und Fernsehsender, darunter das Somali-Service von BBC und jenes von Voice of America (LI 8.3.2016, S.7). Unabhängige Medien verbreiten eine große Anzahl unterschiedlicher Meinungen; allerdings ist aufgrund der Erfahrung mit willkürlichen Verhaftungen Selbstzensur üblich, was die Kritik an der Regierung betrifft (USDOS 13.3.2019, S.17). In Print- und v.

a. Online-Publikationen spiegelt sich die Meinungsvielfalt in Mogadischu wider (AA 4.3.2019, S.10). Einige Medienvereinigungen wurden gegründet, um sich für die Rechte der Medien, Meinungsfreiheit und Qualität im Journalismus einzusetzen (BS 2018, S.17). Laut somalischer Journalistenunion gibt es im Land ca. 750 Journalisten (LI 8.3.2016, S.10).

Mobiles Internet (in Mogadischu 4G) ist in weiten Teilen des Landes ohne Zugangseinschränkung verfügbar (AA 4.3.2019, S.11). Nach anderen Angaben schränkt die Regierung den Zugang zum Internet ein. Es gibt aber keine Berichte hinsichtlich widerrechtlicher Überwachung privater Kommunikation (USDOS 13.3.2019, S.19).

Korruption und Bestechung im somalischen Journalismus schränken die kritische Berichterstattung und die Glaubwürdigkeit der Presse ein (LI 8.3.2016, S.7). Gleichzeitig sehen sich Journalisten regelmäßig Einfluss- oder sogar Zwangsmaßnahmen durch staatliche Stellen ausgesetzt (AA 4.3.2019, S.10). Die National Union of Somali Journalists beobachtet die Lage der Medien und berichtet über Übergriffe gegenüber Medien und Journalisten (NUSOJ o.D.).

Somalia zählt seit Jahren zu den gefährlichsten Ländern für Journalisten (RSF 2019; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.13). Das Land liegt auf dem Press Freedom Index von RSF 2019 auf Rang 164 von 180 (RSF 2019). Die Bundesregierung, Regierungen von Bundesstaaten, affiliierte Milizen, ASWJ, al Shabaab und andere Akteure töten, misshandeln und belästigen Journalisten (USDOS 13.3.2019, S.16). Journalisten werden nicht nur in von al Shabaab kontrollierten Gebieten sondern auch außerhalb davon immer wieder von Angehörigen der al Shabaab und anderen Auftraggebern ermordet (AA 4.3.2019, S.10f; vergleiche BS 2018, S.17). Laut dem Komitee zum Schutz von Journalisten wurden zwischen 2012 und 2018 30 Journalisten getötet (AA 4.3.2019, S.10f). Im Jahr 2018 wurden drei Journalisten in Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet, drei weitere entkamen Mordversuchen (RSF 2019; vergleiche UNSC 21.12.2018, S.13). Angriffe auf oder Morde an Journalisten werden nur selten untersucht (HRW 17.1.2019), Straflosigkeit ist bei Gewalt gegen Journalisten die Norm. Im März 2019 wurden allerdings erstmals zwei Soldaten verhaftet, welche zwei Reporter bedroht und misshandelt haben sollen (RSF 26.3.2019).

Viele Journalisten üben Selbstzensur aus, um möglichen Folgen zu entgehen (USDOS 13.3.2019, S.18). Jene Journalisten, die nicht Selbstzensur betreiben, werden zum Ziel von Attentaten durch al Shabaab (RSF 2019). Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen, zu Drangsalierung und zur Verhängung von Geldbußen; Täter sind sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure (FH 5.6.2019b, D1; vergleiche RSF 2019).

Im Jahr 2018 wurden zehn Journalisten verhaftet (RSF 2019). Zwischen Jänner und August 2018 wurden in Puntland und Süd-/Zentralsomalia acht Journalisten oder Medienmitarbeiter willkürlich verhaftet oder überlang in Haft gehalten. Im selben Zeitraum wurden fünf Medienanstalten geschlossen (USDOS 13.3.2019, S.17). Im Zeitraum Jänner-Mai 2019 wurden acht Journalisten willkürlich verhaftet und zwei weitere von staatlichen Sicherheitskräften drangsaliert (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

Politische Aktivisten, Politiker und andere Menschen, welche sich öffentlich gegen politische Meinungen stellen oder über behördliches Fehlverhalten berichten, tragen das Risiko, von Sicherheitskräften unter Druck gesetzt zu werden - mitunter auch durch körperliche Misshandlung oder willkürliche Verhaftung (BS 2018, S.17). Bundes- und Regionalbehörden verhaften Journalisten und andere Personen, die sich über die Behörden kritisch äußern (USDOS 13.3.2019, S.10), vor allem die NISA ist dabei federführend (BS 2018, S.17). In Mogadischu hat sich die Zahl an diesbezüglichen Verhaftungen und Belästigungen seit der Wahl von Präsident Farmaajo deutlich verringert (USDOS 13.3.2019, S.10). Vor allem jene Personen, die sich mit Bezug auf behördliche Korruption und staatliche Sicherheit äußern, sind dem Risiko von Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt (NLMBZ 3.2019, S.35).

Al Shabaab verbietet den Menschen auf dem Gebiet unter ihrer Kontrolle das Hören internationaler Medien (USDOS 13.3.2019, S.19). Generell ist die Meinungsfreiheit in ihren Gebieten massiv eingeschränkt (FH 5.6.2019b, D4), unabhängige Medien sind verboten. Al Shabaab betreibt eigene Radiosender, welche v.a. religiöse Inhalte und politische Propaganda verbreiten (BS 2018, S.17). Mobiler Datenzugang ist auf dem von al Shabaab kontrollierten Gebiet nicht möglich, denn den Telekommunikationsunternehmen wurde seitens der Gruppe verboten, Zugang zum Internet anzubieten (USDOS 13.3.2019, S.19). Die Verwendung von Smartphones ist dort verboten (LI 8.3.2016, S.13).

Quellen:

10.1. Puntland

Die Meinungsfreiheit wird durch die puntländische Verfassung eingeschränkt. Es kommt zu politischer Einflussnahme, zu willkürlichen Festnahmen und Belästigung von Journalisten (USDOS 13.3.2019, S.17). Es gab in den vergangenen Jahren Berichte über kurzfristige Verhaftungen, Verfolgungs- und Einschüchterungsmaßnahmen gegen kritische Journalisten. Im Dezember 2018 gab es auch einen (missglückten) Mordanschlag auf den Direktor eines Radiosenders (AA 4.3.2019, S.11). Die Media Association of Puntland tritt für die Meinungsfreiheit und für journalistische Unabhängigkeit ein (MAP o.D.).

Quellen:

11. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die aktuelle Verfassung gewährt grundsätzlich Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, erstere wird von der somalischen Regierung aber eingeschränkt (USDOS 13.3.2019, S.20; vergleiche AA 4.3.2019. S.10; BS 2018, S.15). Dabei bekräftigt die Regierung regelmäßig ihren Willen, diese Rechte auch zu gewährleisten. Hinsichtlich der Versammlungsfreiheit ist jedoch in staatlich kontrollierten Gebieten nie genau absehbar, wie die lokalen Sicherheitskräfte agieren. Generell sind Handfeuerwaffen weit verbreitet, eine blutige Eskalation kann nie ausgeschlossen werden (AA 4.3.2019, S.10). In allen Teilen Somalias kommt es regelmäßig zu Gewaltanwendung bei Protesten (BS 2018, S.15). So ist es etwa in Mogadischu bei Demonstrationen am 13. und 14.4.2019 zur Tötung mehrere Demonstranten durch Sicherheitskräfte gekommen (BAMF 29.4.2019, S.8). Aufgrund der Sicherheitslage bleibt dieses Recht daher in vielen Gebieten effektiv eingeschränkt (USDOS 13.3.2019, S.3/20; vergleiche BS 2018, S.15).

Außerdem ist für eine Demonstration die Genehmigung des Innenministeriums notwendig (USDOS 13.3.2019, S.3/20; vergleiche FH 5.6.2019b, E1). Die Regierung macht bei sicherheitsrelevanten Themen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit geltend und geht mit Sicherheitskräften gegen Demonstranten vor (AA 4.3.2019, S.10). Es kam zur Tötung von Demonstranten durch regionale und föderale Sicherheitskräfte (USDOS 13.3.2019, S.3/20). Trotzdem kommt es in Mogadischu und anderen Städten regelmäßig zu Versammlungen und Demonstrationen (FH 5.6.2019b, E1).

Aufgrund des meist informellen Charakters politischer Gruppen und der Schwäche von Gewerkschaften kann zur Vereinigungsfreiheit keine Aussage gemacht werden (AA 4.3.2019, S.10). Personen außerhalb der von al Shabaab kontrollierten Gebiete können Organisationen der Zivilgesellschaft ungehindert beitreten (USDOS 13.3.2019, S.20).

In von der al Shabaab kontrollierten Gebieten bestehen weder Versammlungs- noch Vereinigungsfreiheit (USDOS 13.3.2019, S.20; vergleiche AA 4.3.2019, S.10; BS 2018, S.16).

Quellen:

11.1. Opposition / Parteien

In Süd-/Zentralsomalia und in Puntland gab es bis 2016 keine Parteien im westlichen Sinn (AA 4.3.2019, S.6). Im September 2016 unterzeichnete der Präsident ein Parteiengesetz - der erste juristische Rahmen für legale politische Parteien seit dem Jahr 1969. Alle Politiker sollten demnach bis Ende 2018 einer Partei beitreten. Bis November 2018 hatten sich 25 Parteien bei der National Independent Election Commission registrieren lassen (USDOS 13.3.2019, S.25), im Mai 2019 waren es schon 50 (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Parteienbildung im Wesentlichen anhand von Clan-Zugehörigkeit stattfindet (AA 4.3.2019, S.6). Auch bisher orientieren sich politische Loyalitäten in erster Linie an Clan-Zugehörigkeit oder an religiöser Bindung an informelle Gruppierungen (AA 4.3.2019, S.6). Die an Clans orientierte 4.5-Formel [siehe Abschnitt 2] trägt dazu bei. Abgeordnete repräsentieren ihren Clan und sich selbst (BS 2018, S.18).

Die puntländische Verfassung beschränkt die Anzahl der politischen Parteien auf drei. Hinsichtlich des politischen Programms, der Finanzgebarung und der Satzungen gibt es Auflagen (USDOS 13.3.2019, S.25).

Oppositionelle Arbeit ist in den von der Regierung kontrollierten Gebieten grundsätzlich möglich. Aufgrund manchmal unklarer Machtverhältnisse ist es jedoch unmöglich, sicher festzustellen, ob Gegner und Kritiker der Regierung im Einzelfall von staatlichen oder quasi-staatlichen Akteuren oder aber Dritten behindert oder gewaltsam angegriffen werden (AA 4.3.2019, S.10). Jedenfalls betreffen Menschenrechtsverletzungen immer wieder auch speziell politische Aktivisten und Oppositionelle - v.a. dann, wenn sie sich zu politischen Verfehlungen oder Korruption äußern (BS 2018, S.15).

Al Shabaab ist offen anti-demokratisch und erachtet Demokratie als unislamisches, christlich-jüdisches Konzept (BS 2018, S.23). In den von ihr kontrollierten Gebieten wird oppositionelles Handeln nicht geduldet. Al Shabaab geht gegen Gegner brutal vor - auch mit Hinrichtungen (AA 4.3.2019, S.10).

Es sind keine Vorfälle bekannt, wonach Mitglieder oder Unterstützer der äthiopischen Ogaden National Liberation Front (ONLF) in Somalia verfolgt werden würden. Es sind auch keine Abschiebungen solcher Personen aus Somalia nach Äthiopien bekannt (BMLV 7.6.2019).

Quellen:

12. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind in den meisten Landesteilen hart, da es an sanitären Einrichtungen, an Hygiene, an adäquater Ernährung und an Wasser sowie an medizinischer Versorgung mangelt (USDOS 13.3.2019, S.4; 4.3.2019, S.19). Zum Teil sind die Haftbedingungen lebensbedrohlich (AA 4.3.2019, S.18). Besser waren die Bedingungen im Central Mogadishu Prison, auch wenn dort, wie in anderen städtischen Haftanstalten, Überbelegung ein Problem darstellt. Zwei Gefängnisse - namentlich jene in Garoowe und Hargeysa - erfüllen internationale Standards (USDOS 13.3.2019, S.4f; vergleiche AA 4.3.2019, S.18f) und werden ordentlich geführt. Viele andere Haftanstalten sind baufällig, und die ungeschulten Justizbeamten sind nicht in der Lage, die Sicherheit der Insassen zu gewährleisten (USDOS 13.3.2019, S.4f). Unterstützung von UNDP, UNODC und IKRK beim Gefängnisaufbau und der Schulung von Gefängnispersonal in allen Regionen schafft langsam Abhilfe (AA 4.3.2019, S.18). In Mogadischu wurde im Feber 2019 der erste Bauteil des Mogadishu Prison and Court Complex an die Bundesregierung übergeben (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

Die Regierungen von Somalia, Puntland und Somaliland gestatten unabhängigen Beobachtern Zutritt zu Haftanstalten, darunter UNODC, UNSOM und anderen (USDOS 13.3.2019, S.5).

Al Shabaab hält Personen in den Gebieten unter ihrer Kontrolle in Haft, teils für verhältnismäßig geringfügige Vergehen und unter inhumanen Bedingungen. Haftanstalten der al Shabaab und in entlegenen, von traditionellen Autoritäten geführten Gebieten sind nicht zugänglich; es kann angenommen werden, dass die Haftbedingungen dort hart und manchmal lebensbedrohlich sind (USDOS 13.3.2019, S.4f).

Quellen:

13. Todesstrafe

In allen Landesteilen wird die Todesstrafe verhängt und vollzogen, allerdings deutlich seltener in Gebieten unter der Kontrolle der jeweiligen Regierung/Behörden - und dort nur für schwerste Verbrechen (AA 4.3.2019, S.18) - etwa wegen Staatsschutzdelikten. Allerdings kommt es dort auch nach Verfahren, die nicht internationalen Standards genügen, zur Ausführung der Todesstrafe (AA 4.3.2019, S.12; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.2). Die von Militärgerichten - aber auch jene von Regionalbehörden - verhängten Todesurteile werden oft innerhalb weniger Tage vollstreckt (USDOS 13.3.2019, S.2/9).

Im Zeitraum Jänner-Oktober 2018 sind gegen mindestens 29 Personen Todesurteile verhängt worden. Verurteilt wurden v.a. vermeintliche Fahnenflüchtige und Kämpfer der al Shabaab (AA 4.3.2019, S.8). Nach anderen Angaben wurden mindestens 15 Todesurteile ausgesprochen, davon je sieben von Puntland und von der Bundesregierung sowie eines in Jubaland (AI 10.4.2019, S.11/43). Im Zeitraum Jänner-Mai 2019 wurden von zivilen Gerichten 26 Todesurteile ausgesprochen, acht Verurteilte wurden exekutiert (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Mindestens 139 zum Tode Verurteilte befinden sich in Haft (AI 10.4.2019, S.40/43).

Die Zahl der vollstreckten Todesurteile hat sich von 24 im Jahr 2017 (AI 10.4.2019, S.9/43; vergleiche AA 4.3.2019. S.8) auf 13 im Jahr 2018 fast halbiert; 10 Exekutionen wurden in Jubaland, 3 durch die Bundesregierung vollstreckt (AI 10.4.2019, S.9/43). Nach anderen Angaben gab es 2018 in ganz Somalia insgesamt 15 Vollstreckungen (USDOS 13.3.2019, S.2). Bei den Exekutierten handelte es sich ausschließlich um wegen Terrorismus oder Mord verurteilte Personen, die Exekution verfolgt durch Erschießen (AI 10.4.2019, S.4f/43).

Eine Zusicherung der Nichtverhängung oder des Nichtvollzugs der Todesstrafe erscheint im Hinblick auf die jeweiligen Regierungen sehr unwahrscheinlich, im Hinblick auf die von al Shabaab kontrollierten Gebiete aussichtslos (AA 4.3.2019, S.18).

In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten kommt es zu Exekutionen, z.B. wegen des Verdachts der Spionage (NLMBZ 3.2019, S.11) oder wegen Ehebruchs und "Kooperation mit den Feinden des Islam" (d.h. mit der Regierung, AMISOM, UNO oder Hilfsorganisationen) wird die Todesstrafe verhängt. Exekutionen durch al Shabaab werden öffentlich vollzogen (AA 4.3.2019, S.18). Im Mai 2018 wurde eine Frau in Sablaale wegen des Vorwurfs der Polygamie gesteinigt (USDOS 13.3.2019, S.30).

Quellen:

14. Religionsfreiheit

14.1. Religiöse Gruppen

Die somalische Bevölkerung bekennt sich zum sunnitischen Islam (AA 4.3.2019, S.12). Eine Konversion zu einer anderen Religion bleibt sozial inakzeptabel (USDOS 21.6.2019, S.7). Gleichzeitig ist die große Mehrheit der Bevölkerung Anhänger der Sufi-Tradition (EASO 8.2014, S.22).

Quellen:

14.2. Gebiete unter Regierungskontrolle

Repressionen aufgrund der Religion spielen in Somalia fast keine Rolle, da es außer den Entsandten - z.B. bei der UN - praktisch keine Nicht-Muslime im Land gibt (AA 4.3.2019, S.9).

Die Verfassungen für Somalia, Puntland und Somaliland bestimmen den Islam zur Staatsreligion. Das islamische Recht (Scharia) wird als grundlegende Quelle der staatlichen Gesetzgebung genannt (AA 4.3.2019, S.12; vergleiche BS 2018, S.11). Aber gleichzeitig bekennen sich die Verfassungen zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Unabhängig von staatlichen Bestimmungen und insbesondere jenseits der Bereiche, in denen die staatlichen Stellen effektive Staatsgewalt ausüben können, sind islamische und lokale Traditionen und islamisches Gewohnheitsrecht weit verbreitet (AA 4.3.2019, S.12). Missionierung oder Werbung für andere Religionen ist laut Verfassung verboten. Andererseits ist dort auch das Recht auf Religionsfreiheit und ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion (FH 5.6.2019b, D2) sowie die freie Glaubensausübung festgeschrieben. Der Islam ist Staatsreligion, Missionierung für andere Religionen ist verboten. Alle Gesetze müssen mit den generellen Prinzipien der Scharia konform sein. Der Übertritt zu einer anderen Religion ist nicht explizit verboten. Blasphemie und "Beleidigung des Islam" sind Straftatbestände (USDOS 21.6.2019, S.1ff).

In Puntland gilt eine eigene Verfassung. Auch dort ist der Islam als Staatsreligion festgeschrieben, und es ist Moslems verboten zu einer anderen Religion überzutreten; auch Missionierung ist verboten. Auch die Verfassungen der anderen Bundesstaaten erklären den Islam zur offiziellen Religion (USDOS 21.6.2019, S.2f).

Es herrscht ein starker sozialer Druck, den Traditionen des sunnitischen Islam zu folgen. Eine Konversion vom Islam zu einer anderen Religion wird als sozial inakzeptabel erachtet. Jene, die unter dem Verdacht stehen, konvertiert zu sein, sowie deren Familien müssen mit Belästigungen seitens ihrer Umgebung rechnen (USDOS 21.6.2019, S.7). Es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass Personen, welche nicht die Moschee besuchen, Misshandlungen ausgesetzt sind (UKUT 5.11.2015, Absatz ,). Der die Religionsfreiheit betreffende Bericht des US-Außenministeriums nennt keine Fälle von staatlichem Vorgehen gegen Personen aufgrund von Blasphemie, Verleumdung des Islam oder Apostasie (USDOS 21.6.2019).

Quellen:

14.3. Gebiete der al Shabaab

Al Shabaab setzt in den von ihr kontrollierten Gebieten gewaltsam die eigene Interpretation des Islam und der Scharia durch (FH 5.6.2019b, D2; vergleiche USDOS 21.6.2019, S.5). Dabei drangsaliert, verstümmelt oder tötet die Gruppe Personen, welche sie verdächtigt, zu einer anderen Religion konvertiert zu sein oder jene, die sich nicht an die Edikte von al Shabaab halten (USDOS 21.6.2019, S.1). Vertreter der Regierung und ihrer Verbündeten werden unter dem Vorwand getötet, sie seien Nicht-Muslime und Glaubensabtrünnige (USDOS 21.6.2019, S.5f). Auf Apostasie steht die Todesstrafe (FH 5.6.2019b, D2).

Politik und Verwaltung von al Shabaab sind von religiösen Dogmen geprägt (BS 2018, S.11), Dort, wo al Shabaab die Kontrolle ausübt, wurde als von der Gruppe generell "un-islamisches Verhalten", Kinos, Fernsehen, Musik, Internet, das Zusehen bei Sportübertragungen, der Verkauf von Khat, Rauchen und weiteres mehr verboten (USDOS 21.6.2019, S.6). Es gilt das Gebot der Vollverschleierung (USDOS 21.6.2019, S.6; vergleiche BS 2018, S.11). Allerdings scheint al Shabaab bei der Durchsetzung derartiger Normen zunehmend pragmatisch zu sein (ICG 27.6.2019, S.7).

Quellen:

15. Minderheiten und Clans (Clan-Schutz siehe Abschnitt 4)

Recht: Die somalische Verfassung bekennt sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 4.3.2019, S.9). Weder das traditionelle Recht (Xeer) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S.42). Im Xeer sind Minderheiten insofern benachteiligt, alsdass große Clans Kompensationszahlungen eher durchsetzen können (NLMBZ 3.2019, S.38). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S.11).

Politik: Regierung und Parlament sind entlang der sogenannten 4.5-Formel organisiert. Dies bedeutet, dass die Vertreter der vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze zustehen (USDOS 13.3.2019, S.26; vergleiche FH 5.6.2019b, B4). Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 5.6.2019b, B4). Aktuell sind im Parlament 31 von 275 Sitze von Minderheitsangehörigen besetzt, elf davon durch Bantu (NLMBZ 3.2019, S.42). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren (ÖB 9.2016, S.4f). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017, S.35f).

Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.3.2019, S.34; vergleiche AA 4.3.2019, S.12; FH 5.6.2019b, F4; NLMBZ 3.2019, S.41). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 4.3.2019, S.12).

Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans (USDOS 13.3.2019, S.34). Generell sind Angehörige von nicht dominanten Clans und Gruppen zwar potenziell gegenüber Verbrechen vulnerabler als andere; allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass sie etwa in Mogadischu systematisch Gewalt ausgesetzt wären (LI 15.5.2018, S.3).

Al Shabaab: Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014, S.91). Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt und zwangsrekrutiert (BS 2018, S.10). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz - etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019, S.7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, S.11).

Quellen:

15.1. Bevölkerungsstruktur

In weiten Teilen ist die Bevölkerung Somalias religiös, sprachlich und ethnisch weitgehend homogen (AA 4.3.2019, S.12). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85% der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS 13.3.2019, S.33). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA 3.7.2018). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6% bis hin zu 33%. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ 3.2019, S.42; vergleiche SEM, 31.5.2017, S.12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 4.3.2019, S.12; vergleiche SEM 31.5.2017, S.5). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, S.5).

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017, S.8). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 5.3.2019b). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S.8). Es gibt keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, S.9).

Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S.5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, "noble" Clanfamilien sind meist Nomaden:

* Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.

* Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

* Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).

* Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.

* Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle werden als weitere Clanfamilie gesehen (SEM 31.5.2017, S.55; vergleiche AA 5.3.2019b).

Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil-Mirifle stellen je ca. 20-25% der Bevölkerung, die Dir deutlich weniger (AA 5.3.2019b). Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten - nicht aber die berufsständischen Gruppen - haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u.a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, S.25).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, S.5).

Quellen:

15.2. Ethnische Minderheiten, aktuelle Situation

Ethnische Minderheiten haben eine andere Abstammung und in manchen Fällen auch eine andere Sprache als die restlichen Einwohner des somalischen Sprachraums (SEM 31.5.2017, S.11). Die soziale Stellung der ethnischen Minderheiten ist unterschiedlich (SEM 31.5.2017, S.14). Es gibt seit Jahren keine Berichte mehr zu (staatlicher) Repression im engeren Sinn (AA 4.3.2019, S.9/12). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten nicht systematischer Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI 21.5.2019b, S.3).

Die Bantu sind die größte Minderheit in Somalia (SEM 31.5.2017, S.12f; vergleiche FIS 5.10.2018, S.34). Traditionell leben sie als sesshafte Bauern in den fruchtbaren Tälern der Flüsse Juba und Shabelle. Es gibt zahlreiche Bantu-Gruppen bzw. -Clans, wie z.B. Gosha, Makane, Kabole, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli, Oji oder Gobaweyne; pejorativ werden sie auch Adoon (Sklaven) oder Jareer (Kraushaar) genannt (SEM 31.5.2017, S.12f).

Die meisten Somali schauen auf die sesshaften Bantu, die zum Teil einst als Sklaven ins Land gekommen waren, herab (SEM 31.5.2017, S.14). Sie sind auch weiterhin Diskriminierung ausgesetzt (USDOS 13.3.2019, S.37; vergleiche GIGA 3.7.2018), darunter Beschimpfungen. Auch in IDP-Lagern werden sie diskriminiert, Bantu-Frauen mangelt es dort an Schutz durch die traditionelle Clanstruktur (USDOS 13.3.2019, S.37). Üblicherweise gehen die Kinder von Bantus nicht zur Schule (FIS 5.10.2018, S.34). Im September 2018 wurde ein Bantu in Mogadischu in Zusammenhang mit einer Mischehe getötet (USDOS 13.3.2019, S.34; vergleiche FH 5.6.2019b, G3). Allerdings war dies ein sehr außergewöhnlicher Vorfall, über welchen viele Somali ihre Entrüstung äußerten (NLMBZ 3.2019, S.43). Es gibt aber auch höherrangige Bantu, z.B. den Parlamentsabgeordneten Mohamed Nur (USDOS 13.3.2019, S.37). Die SEMG erwähnt im Gegensatz zum Bericht 2017 im Jahr 2018 keine Vorfälle, die sich explizit gegen Bantu gerichtet hätten (SEMG 9.11.2018; vergleiche SEMG 8.11.2017).

Benadiri ist ein Dachbegriff für verschiedene voneinander unabhängige urbane Minderheiten, die in den Küstenstädten des Südens leben (z.B. Mogadischu, Merka, Baraawe) und sich traditionell im Handel betätigen. Sie haben eine gemischte Abstammung aus Somalia, Arabien, Persien, Indien und Portugal. Vor 1991 hatten sie einen privilegierten Status. Ohne bewaffnete Miliz waren sie im Bürgerkrieg aber schutzlos. Heute werden Benadiri gemeinhin als Händler respektiert (SEM 31.5.2017, S.13f). Im Gegensatz zu den Bantu kommt ihnen kein geringerer Status zu, Mischehen sind kein Problem (LI 14.6.2018, S.17). Viele von ihnen sind relativ wohlhabend, befinden sich in relevanten Positionen und sind in der Lage, Schutz zuzukaufen (NLMBZ 3.2019, S.43; vergleiche EASO 8.2014, S.102). Einigen von ihnen ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen (EASO 8.2014, S.102). Vielen Reer Xamar (Teil der Benadiri) ist es gelungen, ihre vormaligen Immobilien im Bezirk Xamar Weyne (Mogadischu) durch Zahlungen zurückzuerhalten. Dort stellen sie auch die Bevölkerungsmehrheit (LI 21.5.2019b, S.2f).

Die Bajuni sind eine kleines Fischervolk, das auf den Bajuni-Inseln an der Südspitze Somalias sowie in Kismayo lebt (SEM 31.5.2017, S.14).

Kinder von Mischehen der al-Shabaab: Einige somalische Mädchen und Frauen haben ausländische Kämpfer (z.B. aus Europa, USA, Asien) der al Shabaab geheiratet. Die aus solchen Ehen hervorgegangenen Kinder sind teils leicht zu identifizieren (ICG 27.6.2019, S.9).

Quellen:

15.3. Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation

Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung. Im Gegensatz zu den "noblen" Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v.a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017, S.14ff).

Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe auf oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017, S.43f). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potentiell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI 21.5.2019b, S.3).

Zur Diskriminierung berufsständischer Kasten trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (GIGA 3.7.2018; vergleiche SEM 31.5.2017, S.44ff). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017, S.44ff).

Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017, S.49).

Mischehe: In dieser Frage kommt es weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch (SEM 31.5.2017, S.44ff). Mischehen kommen äußerst selten vor (SEM 31.5.2017, S.44ff; vergleiche FIS 5.10.2018, S.26).

Diesbezüglich bestehen aber regionale Unterschiede: Im clanmäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017, S.44ff). In Mogadischu sind Mischehen möglich (FIS 5.10.2018, S.26). Al Shabaab hat Hindernisse für Mischehen beseitigt, in ihren Gebieten kommt es zunehmend zu solchen Eheschließungen (ICG 27.6.2019, S.7f).

Eine Mischehe führt so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017, S.44ff). Hingegen kommt es häufig zur Verstoßung des aus einem "noblen" Clan stammenden Teils der Eheleute durch die eigenen Familienangehörigen. Letztere besuchen das Paar nicht mehr, kümmern sich nicht um dessen Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck (SEM 31.5.2017, S.44ff). Diese Art der Verstoßung kann vor allem in ländlichen Gebieten vorkommen. Eine Mischehe sorgt auf jeden Fall für Diskussionen und Getratsche, nach einer gewissen Zeit wird sie aber meist akzeptiert (FIS 5.10.2018, S.26).

Quellen:

15.4. Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit, Clanlose

Auch Angehörige starker Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gerät eine Einzelperson immer dann in die Rolle der Minderheit, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Die Position als "Gast" ist schwächer, als jene des "Gastgebers". Im System von "hosts and guests" sind Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als "Gäste". Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017, S.11f/32f).

Diskriminierung: In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 13.3.2019, S.33). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung hinsichtlich der Clan-/Subclan-Zugehörigkeit auszugehen. Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung (z.B. bei staatlichen Vergabeverfahren) handeln, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 4.3.2019, S.9), beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 13.3.2019, S.33). Angehörige eines (Sub-)Clans können in von einem anderen (Sub-)Clan dominierten Gebiete auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 4.3.2019, S.12).

Ashraf und Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status. Beide Clans werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil-Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014, Sitzung S.46f/103).

Für eine Person ohne Clan-Identität ist gesellschaftlicher Schutz nicht vorhanden. Dies führt nicht automatisch zu Misshandlung, fördert aber die Vulnerabilität. Sollte eine Person ohne Clan-Identität und ohne Ressourcen zurückkehren, wird es im gegenwärtigen somalischen Kontext für diese physisch und wirtschaftlich sehr schwierig, zu überleben (ACCORD 29.5.2019, S.2f).

Quellen:

16. Relevante Bevölkerungsgruppen

16.1. Frauen

Diskriminierung: Die Verfassung verbietet die Diskriminierung von Frauen (USDOS 13.3.2019, S.30). Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär (AA 4.3.2019, S.14). Frauen werden in der somalischen Gesellschaft, in der Politik und in den Rechtssystemen systematisch Männern untergeordnet (LIFOS 16.4.2019, S.10). Sie genießen nicht die gleichen Rechte wie Männer und werden systematisch benachteiligt. Frauen leiden unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung, Politik und Unterbringung. Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden. Die Scharia wird ausschließlich von Männern angewendet, die oftmals zugunsten von Männern entscheiden (USDOS 13.3.2019, S.30f). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen. Entsprechend gelten für Frauen andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer (z.B. halbe Erbquote). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts gelten auch in Puntland und Somaliland (AA 4.3.2019, S.14f).

Es finden sich politische Ansätze, mit denen mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau angestrebt wird (AA 4.3.2019, S.14f). Im Mai 2016 war der National Gender Policy Plan verabschiedet worden, um Frauen in die Bereiche Politik, Wirtschaft und Bildung besser einzubinden. Daraufhin hat der Somali Religious Council die Regierung öffentlich davor gewarnt, sich derart für Frauen einzusetzen. Auch die vorgesehene 30%-Frauenquote für Abgeordnete im somalischen Parlament wurde als gefährlich bezeichnet (USDOS 13.3.2019, S.30). Andererseits ist es der Regierung gelungen, Frauenrechte etwas zu fördern: Immer mehr Mädchen gehen zur Schule, die Zahl an Frauen im öffentlichen Dienst wächst (ICG 27.6.2019, S.3). Da Frauen in den Jahren des Krieges zu den eigentlichen Brotverdienern der Familie geworden sind, ist es zudem üblich, in Städten wie Mogadischu oder Hargeysa Kleinhändlerinnen anzutreffen, die Khat, Gemüse oder Benzin verkaufen (TE 11.3.2019; vergleiche LIFOS 16.4.2019, S.11; FIS 5.10.2018, S.24).

Eigentlich wären für das Parlament 30% der Sitze für Frauen vorgesehen. Aktuell sind es 24% (USDOS 13.3.2019, S.26; vergleiche FH 5.6.2019b, B4) im Unterhaus und 23% im Oberhaus (NLMBZ 3.2019, S.43). Damit liegt Somalia aber über dem weltweiten Durchschnitt (SRSG 13.9.2018, S.1). Außerdem sind vier von 26 Bundesministern weiblich. Im Ältestenrat von Puntland war noch nie eine Frau vertreten, im 66-sitzigen Repräsentantenhaus sind es zwei, es gibt eine Ministerin (USDOS 13.3.2019, S.26).

Auch wenn Gewalt gegen Frauen laut Verfassung verboten ist (USDOS 13.3.2019, S.29), bleiben häusliche (USDOS 13.3.2019, S.29; vergleiche AA 4.3.2019, S.14; FIS 5.10.2018, S.33) und sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem. Bezüglich Gewalt in der Ehe - darunter auch Vergewaltigung - gibt es keine speziellen Gesetze (USDOS 13.3.2019, S.29).

Sexuelle Gewalt ist v.a. für weibliche IDPs eine Gefahr (FH 5.6.2019b, G3; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.29). Auch weibliche Angehörige von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen, NGOs haben eine diesbezügliche Systematik dokumentiert (USDOS 13.3.2019, S.29). Die Vergewaltiger sind u.a. Regierungssoldaten, Milizionäre, uniformierte Männer (USDOS 13.3.2019, S.29; vergleiche HRW 17.1.2019) und Angehörige der al Shabaab (FIS 5.10.2018, S.32).

Sexuelle Gewalt - Gesetzeslage und staatlicher Schutz:

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 4.3.2019, S.14), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 13.3.2019, S.29). Ein neues, progressives "Sexual Offences Bill" wurde im Mai 2018 von der Regierung verabschiedet, allerdings danach vom Parlament noch nicht beschlossen (HRW 17.1.2019; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.45; ICG 27.6.2019, S.3). Das Gesetz steht weiterhin in der Kritik - v.a. seitens religiöser Führer (UNSC 21.12.2018, S.14).

Die Regierung tut wenig, um sich des Problems der sexuellen Gewalt anzunehmen (ICG 27.6.2019, S.3). Bestehende Gesetze werden nicht effektiv durchgesetzt (USDOS 13.3.2019, S.29). Es gibt de facto keinen Rechtsschutz gegen Vergewaltigung (FIS 5.10.2018, S.32). Generell herrscht Straflosigkeit (USDOS 13.3.2019, S.29; vergleiche TE 11.3.2019), Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind rar (AA 4.3.2019, S.14). Dabei werden Vergewaltigungen ohnehin nur selten der formellen Justiz zugeführt (USDOS 13.3.2019, S.29), denn sexuelle Gewalt ist ein Tabu-Thema, weswegen viele Opfer nicht darüber sprechen (DI 6.2019, S.9). Außerdem leiden Vergewaltigungsopfer an Stigmatisierung (USDOS 13.3.2019, S.29; vergleiche FIS 5.10.2018, S.33). Meldet eine Person sexuelle Gewalt, dann ist es wahrscheinlicher, dass diese Person wegen Verleumdung verhaftet wird, als dass der eigentliche Täter belangt wird (NLMBZ 3.2019, S.45). Opfer, die sich an Behörden wenden, werden oft angefeindet; in manchen Fällen sogar getötet (TE 11.3.2019). Zudem untersucht die Polizei Fälle sexueller Gewalt nur zögerlich; manchmal verlangt sie von den Opfern, die Untersuchungen zu ihrem eigenen Fall selbst zu tätigen (USDOS 13.3.2019, S.29).

So hat sich aufgrund von Anarchie und Gesetzlosigkeit seit 1991 eine Kultur der Gewalt etabliert, in welcher Männer Frauen ungestraft vergewaltigen können (TE 11.3.2019). Es mangelt an staatlicher Autorität, wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe ist - insbesondere in IDP-Lagern - bisher nicht gewährleistet. Frauen und Mädchen bleiben daher den Gefahren bezüglich Vergewaltigung, Verschleppung und systematischer sexueller Versklavung ausgesetzt (AA 4.3.2019, S.14).

Werden Vergewaltigungsfälle bekannt, dann greifen Clanälteste auf Xeer zurück; d.h., dass der Täter Kompensation bezahlen muss, oder dass das Opfer gezwungen wird, den Täter zu ehelichen (TE 11.3.2019; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.29). Das patriarchalische Clansystem und Xeer an sich bieten Frauen keinen Schutz. Wird ein Vergehen gegen eine Frau gemäß Xeer gesühnt, dann wird zwar die Familie des Opfers finanziell kompensiert, der Täter aber nicht bestraft (SEM 31.5.2017, S.49).

Sexuelle Gewalt - Maßnahmen: Positiv zu erwähnen ist, dass die Bundesregierung und Regionalbehörden Maßnahmen getroffen und Gesetze verbessert haben, um die Strafverfolgung bei Fällen sexueller Gewalt zu stärken (HRW 17.1.2019). Außerdem kommt es zu Ausbildungsmaßnahmen. So wurden etwa dutzende Soldaten und Polizisten in Baidoa, Belet Weyne und Kismayo hinsichtlich konfliktbezogener sexueller Gewalt und den damit verbundenen Menschenrechten weitergebildet; ähnliches ist für Mogadischu geplant (AMISOM 3.3.2019). Auch für Polizisten und Polizistinnen gibt es derartige Ausbildungen (UNSOM 3.2019, S.2). Bei der Armee wurden einige Soldaten wegen des Vorwurfs von Vergewaltigung verhaftet (USDOS 13.3.2019, S.29).

Sexuelle Gewalt - Unterstützung: Für Opfer sexueller Gewalt gibt es von UN-Agenturen oder nationalen und internationalen NGOs organisierte Zufluchtsstätten. Angeboten werden medizinische und psycho-soziale Unterstützung, Rechtsberatung und materielle Unterstützung sowie Schutzunterkünfte (UNFPA 8.2018, S.2). [...]

Ein Beispiel für eine NGO, die Zuflucht, Unterkunft und andere Unterstützung für Opfer anbietet, ist das Elman Peace and Human Rights Center über die Aktion "Sister Somalia". Die NGO Safe Somali Women and Children betreibt ein Krisenzentrum für Opfer sexueller Gewalt (NLMBZ 3.2019, S.45).

Sexuelle Gewalt - Puntland: Im Jahr 2016 wurde ein Gesetz gegen sexuelle Gewalt in Kraft gesetzt (USDOS 13.3.2019, S.29; vergleiche TRF 28.2.2019; ICG 27.6.2019, S.15). Darin sind etwa für Vergewaltigung unter Verwendung einer Waffe lebenslange Haft oder sogar die Todesstrafe vorgesehen. Die Staatsanwaltschaft hat mehrere Anwältinnen aufgenommen, um Fälle sexueller Gewalt zu bearbeiten (USDOS 13.3.2019, S.29). Im Jahr 2017 wurden fünf Männer, die ein Mädchen vergewaltigt hatten, unter diesem Gesetz mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft (TRF 28.2.2019). Weitere fünf Männer wurden wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Mädchens in Galkacyo zum Tode verurteilt (AMISOM 4.3.2019a). Insgesamt bleiben Umsetzung und Auswirkungen des Gesetzes aber beschränkt (HRW 17.1.2019), doch immerhin gibt es jetzt eine Rechtsgrundlage für die Strafverfolgung von Tätern (ICG 27.6.2019, S.15).

Frauen - al Shabaab: In den von ihr kontrollierten Gebieten gelingt es al Shabaab, Frauen und Mädchen ein gewisses Maß an physischem Schutz zukommen zu lassen. Die Gruppe interveniert z.B. in Fällen häuslicher Gewalt (ICG 27.6.2019, S.2/6). Es sind Fälle bekannt, wo sich vergewaltigte Frauen an Gerichte der al Shabaab gewendet haben (FIS 5.10.2018, S.33). Al Shabaab hat Vergewaltiger - mitunter zum Tode - verurteilt (USDOS 13.3.2019, S.14; vergleiche ICG 27.6.2019, S.6). Dies ist auch ein Grund dafür, warum es in den Gebieten der al Shabaab nur vergleichsweise selten zu Vergewaltigungen kommt (ICG 27.6.2019, S.6; vergleiche DI 6.2019, S.9).

Berichte legen nahe, dass sexualisierte Gewalt von al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 4.3.2019, S.14). Es kommt zu Zwangsehen (USDOS 13.3.2019, S.30), die diesbezügliche Zahl hat in jüngerer Vergangenheit zugenommen (DI 6.2019, S.9). Solche Zwangsehen gibt es nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (USDOS 13.3.2019, S.32). Das Ausmaß ist unklar. Manchmal werden die Eltern der Braut bedroht. Zwangsehen der al Shabaab in städtischen Zentren sind nicht bekannt (DIS 3.2017, S.19/25). Nach anderen Angaben werden die meisten Ehen mit Mitgliedern der al Shabaab freiwillig eingegangen (ICG 27.6.2019, S.8; vergleiche DIS 3.2017, S.19), auch wenn der Einfluss von Eltern und Clan sowie das geringe Alter bei der Eheschließung nicht geringgeschätzt werden dürfen. Eine solche Ehe bietet der Ehefrau und ihrer Familie ein gewisses Maß an finanzieller Stabilität, selbst Witwen beziehen eine Rente (ICG 27.6.2019, S.8). Demgegenüber stehen Berichte, wonach viele Eltern ihre Töchter in Städte gebracht haben, um sie vor dem Zugriff durch al Shabaab in Sicherheit zu bringen (DI 6.2019, S.9).

Al Shabaab schränkt die Freiheit und die Möglichkeiten von Frauen auf dem Gebiet unter ihrer Kontrolle signifikant ein (TE 11.3.2019). Die Anwendung einer extremen Form der Scharia resultiert in einer entsprechend weitergehenden Diskriminierung von Frauen (AA 4.3.2019, S.14f). Diese werden etwa insofern stärker exkludiert, als ihre Beteiligung an ökonomischen Aktivitäten als unislamisch erachtet wird (USDOS 13.3.2019, S.30f). Nach anderen Angaben hat al Shabaab einen pragmatischen Zugang. Da immer mehr Familien vom Einkommen der Frauen abhängig sind, tendiert die Gruppe dazu, sie ihren wirtschaftlichen Aktivitäten nachgehen zu lassen. Und dies, obwohl Frauen nominell das Verlassen des eigenen Hauses nur unter Begleitung eines männlichen Verwandten (mahram) erlaubt ist (ICG 27.6.2019, S.11).

Eheschließung: Bei Eheschließungen gilt das Scharia-Recht. Polygamie ist somit erlaubt, ebenso die Ehescheidung (ÖB 9.2016, S.11; vergleiche LI 14.6.2018, S.16/18f). Es gibt keine Zivilehe (LI 14.6.2018, S.7). Eine Ehe gilt erst dann als rechtskräftig, wenn sie vollzogen worden ist. Von daher gibt es zwar die Möglichkeit, einen Ehevertrag durch einen Stellvertreter abzuschließen; jedoch wird der Vertrag erst bei "Konsumation" (=Geschlechtsverkehr) formell rechtsgültig (LI 14.6.2018, S.16).

Die Ehe ist extrem wichtig, und es ist in der somalischen Gesellschaft geradezu undenkbar, dass eine junge Person unverheiratet bleibt. Gleichzeitig besteht gegenüber der Braut die gesellschaftliche Erwartung, dass sie bei ihrer ersten Eheschließung Jungfrau ist (LIFOS 16.4.2019, S.38). Gerade bei der ersten Ehe ist die arrangierte Ehe die Norm (LI 14.6.2018, S.8f). Eheschließungen über Clangrenzen [Anm.: großer bzw. "nobler" Clans] hinweg sind normal (FIS 5.10.2018, S.26f).

Ehe-Alter / Kinderehe: Gemäß somalischem Zivilrecht ist für eine Eheschließung ein Mindestalter von 15 Jahren vorgesehen. Eine geplante Anhebung auf 18 Jahre scheitert bisher an der Geistlichkeit (ICG 27.6.2019, S.8). Scharia und Tradition nehmen eine Heiratsfähigkeit bei Erreichen der Pubertät an (LI 14.6.2018, S.7). Laut Übergangsverfassung sollen beide Ehepartner das "age of maturity" erreicht haben; als Kinder werden Personen unter 18 Jahren definiert. Außerdem sieht die Verfassung vor, dass beide Ehepartner einer Eheschließung freiwillig zustimmen müssen (USDOS 13.3.2019, S.32). Trotzdem ist die Kinderehe verbreitet (USDOS 13.3.2019, S.32; vergleiche FH 5.6.2019b, G3) - gerade in ärmeren, ländlichen Gebieten (ICG 27.6.2019, S.8; vergleiche FIS 5.10.2018, S.27; vergleiche LI 14.6.2018, S.7). Oft werden Mädchen zwischen 10 und 16 Jahren verheiratet, wobei die Eheschließung von den Eltern schon sehr früh vereinbart wird. Die eigentliche Hochzeit erfolgt, wenn das Mädchen die Pubertät erreicht (FIS 5.10.2018, S.27). Bei einer Umfrage im Jahr 2017 gaben ca. 60% der Befragten an, dass eine Eheschließung für Mädchen unter 18 Jahren kein Problem ist (AV 2017, S.33).

Arrangierte Ehe / Zwangsehe: Der Übergang von arrangierter zur Zwangsehe ist fließend. Bei ersterer liegt die mehr oder weniger explizite Zustimmung beider Eheleute vor, wobei hier ein unterschiedliches Maß an Druck ausgeübt wird. Bei der Zwangsehe hingegen fehlt die Zustimmung gänzlich oder nahezu gänzlich (LI 14.6.2018, S.9f). Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 4.3.2019, S.14f). Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 gibt eine von fünf Frauen an, zur Ehe gezwungen worden zu sein; viele von ihnen waren bei der Eheschließung keine 15 Jahre alt (LIFOS 16.4.2019, S.10). Es gibt keine bekannten Akzente der Bundesregierung oder regionaler Behörden, um dagegen vorzugehen. Außerdem gibt es kein Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr (USDOS 13.3.2019, S.32). Gegen Frauen, die sich weigern, einen von der Familie gewählten Partner zu ehelichen, wird mitunter auch Gewalt angewendet. Das Ausmaß ist unklar, Ehrenmorde haben diesbezüglich in Somalia aber keine Tradition. Vielmehr können jene, die mit traditionellen Normen brechen, den Schutz und die Unterstützung durch Familie und Clan verlieren (LI 14.6.2018, S.10).

Bereits eine Quelle aus dem Jahr 2004 besagt, dass sich die Tradition gewandelt hat, und viele Ehen ohne Einbindung, Wissen oder Zustimmung der Eltern geschlossen werden (LI 14.6.2018, S.9f). Viele junge Somali akzeptieren arrangierte Ehen nicht mehr (LIFOS 16.4.2019, S.11). Gerade in Städten ist es zunehmend möglich, den Ehepartner selbst zu wählen (LIFOS 16.4.2019, S.11; vergleiche LI 14.6.2018, S.8f). In der Hauptstadt ist es nicht unüblich, dass es zu - freilich oft im Vorfeld mit den Familien abgesprochenen - Liebesehen kommt (LI 14.6.2018, S.8f). Dort sind arrangierte Ehen eher unüblich. Zusätzlich gibt es auch die Tradition der "runaway marriages", bei welcher die Eheschließung ohne Wissen und Zustimmung der Eltern erfolgt (FIS 5.10.2018, S.26f). Diese Art der Eheschließung ist in den vergangenen Jahren immer verbreiteter in Anspruch genommen worden (LI 14.6.2018, S.11). Gemäß einer Schätzung konnten sich die Eheleute in 80% der Fälle ihren Partner selbst aussuchen bzw. bei der Entscheidung mitreden (FIS 5.10.2018, S.26f).

Durch eine Scheidung wird eine Frau nicht stigmatisiert, und Scheidungen sind in Somalia nicht unüblich (LI 14.6.2018, S.18f; vergleiche FIS 5.10.2018, S.27f). Bereits 1991 wurde festgestellt, dass mehr als die Hälfte der über 50jährigen Frauen mehr als einmal verheiratet gewesen ist (LI 14.6.2018, S.18). Die Zahlen geschiedener Frauen und von Wiederverheirateten sind gestiegen. Bei einer Scheidung bleiben die Kinder üblicherweise bei der Frau, diese kann wieder heiraten oder die Kinder alleine großziehen. Um unterstützt zu werden, zieht die Geschiedene aber meist mit den Kindern zu ihren Eltern oder zu Verwandten (FIS 5.10.2018, S.27f). Bei der Auswahl eines Ehepartners sind Geschiedene in der Regel freier als bei der ersten Eheschließung (LI 14.6.2018, S.19). Auch bei al Shabaab sind Scheidungen erlaubt und werden von der Gruppe auch vorgenommen (ICG 27.6.2019, S.9).

In Somalia gibt es keine Tradition sogenannter Ehrenmorde im Sinne einer akzeptierten Tötung von Frauen, welche bestimmte soziale Normen überschritten haben - z.B. Geburt eines unehelichen Kindes (LI 14.6.2018, S.10). Ein uneheliches Kind wird allerdings als Schande für die ganze Familie der Frau erachtet. Mutter und Kind werden stigmatisiert, im schlimmsten Fall werden sie von der Familie verstoßen (FIS 5.10.2018, S.27; vergleiche LIFOS 1.6.2017, S.8ff).

Quellen:

16.1.1. Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)

In Somalia herrschen zwei Formen von FGM (auf Somali: "Gudniinka" - Beschneidung) vor: Einerseits die am meisten übliche sog. Pharaonische Beschneidung (gudniinka fircoonige), welche weitgehend dem WHO Typ römisch III (Infibulation) entspricht. Andererseits die Sunna (gudniinka sunna), welche laut einer Quelle generell dem weniger drastischen WHO Typ römisch eins entspricht (LIFOS 16.4.2019, S.13f), laut einer anderen Quelle WHO Typ römisch eins und römisch II umfasst (AV 2017, S.29). Die Sunna wird unterteilt in die sog. große Sunna (sunna kabir) und die kleine Sunna (sunna saghir); es gibt auch Mischformen (LIFOS 16.4.2019, S.14f). De facto kann unter dem Begriff "Sunna" jede Form - von einem kleinen Schnitt bis hin zur fast vollständigen pharaonischen Beschneidung - gemeint sein, die von der traditionellen Form von FGM (Infibulation) abweicht (FIS 5.10.2018, S.30; vergleiche LIFOS 16.4.2019, S.39). Aufgrund der Problematik, dass es keine klare Definition der Sunna gibt (LIFOS 16.4.2019, S.14f; vergleiche FIS 5.10.2018, S.31), wissen Eltern oft gar nicht, welchen Eingriff die Beschneiderin genau durchführen wird (LIFOS 16.4.2019, S.14f).

Es gibt keine nationale Gesetzgebung, welche FGM verbieten würde (LIFOS 16.4.2019, S.28). Die Übergangsverfassung verbietet zwar weibliche Genitalverstümmelung (FGM) (USDOS 13.3.2019, S.30). Dort steht, dass eine "Beschneidung" von Mädchen Folter gleichkommt und verboten ist. Allerdings mangelt es an einer Definition von "Beschneidung", und es wird kein Strafmaß genannt. Das Strafgesetz von 1964 sieht zwar Strafen für die Verletzung einer Person vor, es sind aber keine Fälle bekannt, wo FGM dahingehend einer Strafverfolgung zugeführt worden wäre - selbst dann, wenn ein Mädchen an den Folgen der Verstümmelung verstorben ist (LIFOS 16.4.2019, S.28f). Generell mangelt es den Behörden landesweit an Integrität und Kapazität, um eine für die Beschneidung eines Mädchens verantwortliche Person rechtlich zu verfolgen. Es gibt folglich auch keine Beispiele dafür, wo eine solche Person bestraft worden wäre (LIFOS 16.4.2019, S.42). In zwei Fällen, bei denen zehn- bzw. elfjährige Mädchen an den Folgen von FGM verstorben sind, wurden zwar Untersuchungen angekündigt; bis Ende 2018 sind aber in keinem der Fälle entsprechende Anklagen ausgesprochen worden (USDOS 13.3.2019, S.30). Sowohl in Süd-/Zentralsomalia als auch in Puntland gibt es Gesetzesentwürfe, teilweise auch schon Gesetze gegen FGM; diese wurden aber bislang von traditionellen Führern blockiert (CNN 11.10.2018). Die Frage, ob nur eine bestimmte Form von FGM oder aber alle Formen von FGM verboten werden sollen, hat die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes (auf Bundesebene) seit 2016 verzögert (TRF 27.2.2019).

Al Shabaab hatte ursprünglich jede Form von FGM verboten. Mittlerweile gilt das Verbot für die Infibulation, während die Sunna akzeptiert wird (LIFOS 16.4.2019, S.22/41f). Generell ist al Shabaab nicht Willens, dieses Verbot auf dem von ihr kontrollierten Gebiet auch umzusetzen. Die Gruppe unterstützt die Tradition nicht, geht aber auch nicht aktiv dagegen vor (DIS 1.2016, S.8).

Verbreitung: FGM ist in Somalia auch weiterhin weit verbreitet (USDOS 13.3.2019, S.30; vergleiche AA 4.3.2019, S.15). Lange Zeit wurde die Zahl betroffener Frauen mit 98% angegeben. Diese Zahl ist laut somalischem Gesundheitsministerium bis 2015 auf 95% und bis 2018 auf 90% gefallen (FIS 5.10.2018, S.29). Eine andere Quelle gibt an, dass in Somalia 95% betroffen sind (AA 4.3.2019, S.15). Eine Studie aus dem Jahr 2011 erklärt, dass 97% der Mädchen und Frauen in der Altersgruppe 15-19 Jahre von irgendeiner Form von FGM betroffen sind (LIFOS 16.4.2019, S.20). Gemäß einer neueren Studie aus dem Jahr 2017 sind rund 13% der 15-17jährigen Mädchen nicht beschnitten (STC 9.2017). Insgesamt gibt es diesbezüglich nur wenige aktuelle Daten. Generell ist von einer Rückläufigkeit auszugehen (LIFOS 16.4.2019, S.19f; vergleiche STC 9.2017) [...]

Hinsichtlich geographischer Verbreitung scheint die Infibulation 2006 in Süd-/Zentralsomalia mit 72% am wenigsten verbreitet gewesen zu sein; in Puntland war sie mit 93% am verbreitetsten (LIFOS 16.4.2019, S.21). Schon 1985 hat ein Trend eingesetzt, mit dem sich die Sunna nunmehr zur üblichsten Form der Beschneidung entwickeln konnte (FIS 5.10.2018, S.30f). Bei einer landesweiten Umfrage aus dem Jahr 2017 haben 40,6% angegeben, von einer Infibulation betroffen zu sein (AV 2017, S.29). Gemäß Zahlen einer Studie aus dem Jahr 2017 ist in Mogadischu kaum ein unter 18jähriges Mädchen infibuliert; dagegen kommen sowohl große als auch kleine Sunna breitflächig zur Anwendung. Dies trifft in weniger drastischer Form auch auf die untersuchten somaliländischen Bezirke zu (siehe Grafik). Insgesamt waren bei dieser Studie rund ein Viertel der beschnittenen Unter-18-Jährigen von Infibulation, die große Mehrheit von kleiner und großer Sunna betroffen. Die Infibulation ist also insgesamt zurückgedrängt worden (STC 9.2017), dies wird von mehreren Quellen bestätigt (LIFOS 16.4.2019, S.14f/39; vergleiche DIS 1.2016, S.7; FIS 5.10.2018, S.30f). Außerdem sprachen sich in einer Umfrage aus dem Jahr 2017 42,6% gegen die Tradition von FGM aus (AV 2017, S.19). Allerdings gaben nur 15,7% an, dass in ihrer Gemeinde ("community") FGM nicht durchgeführt wird (AV 2017, S.25). Bei einer Studie im Jahr 2015 wendete sich die Mehrheit der Befragten gegen die Fortführung der Infibulation, während es kaum Unterstützung für eine völlige Abschaffung von FGM gab (CEDOCA 9.6.2016, S.7).

Zum Alter bei der Beschneidung gibt es unterschiedliche Angaben. Die meisten Quellen der schwedischen COI-Einheit Lifos nennen ein Alter von 5-10 Jahren (LIFOS 16.4.2019, S.20/39); in Puntland und Somaliland erfolgt die Beschneidung laut einer Studie aus dem Jahr 2011 meist im Alter von 10-14 Jahren (LIFOS 16.4.2019, S.20). Eine Studie aus dem Jahr 2017 nennt für ganz Somalia die Gruppe der 10-14jährigen (STC 9.2017). Eine andere Quelle nennt ein Alter von 10-13 Jahren (AA 4.3.2019, S.15). UNICEF wiederum nennt ein Alter von 4-14 Jahren als üblich; die NGO IIDA gibt an, dass die Beschneidung üblicherweise vor dem achten Geburtstag erfolgt (CEDOCA 9.6.2016, S.6). Bei den Benadiri und arabischen Gemeinden in Somalia, wo grundsätzlich die Sunna praktiziert wird, scheint die Beschneidung bei der Geburt stattzufinden, möglicherweise auch nur als symbolischer Schnitt (DIS 1.2016, S.6). Gemäß einer Quelle werden Mädchen, welche die Pubertät erreicht haben, nicht mehr einer FGM unterzogen, da dies gesundheitlich zu riskant ist. Hat ein Mädchen die Pubertät erreicht, fällt auch der Druck durch die Verwandtschaft weg (DIS 1.2016, S.11). Im Jahr 2018 hat man über vier Mädchen erfahren, dass diese im Zuge einer FGM bzw. an deren Folgen verstorben sind. Diese Mädchen waren zehn bis elf Jahre alt. Ein weiteres Mädchen, das fast gestorben wäre, war bei der Vornahme der FGM sieben Jahre alt (CNN 11.10.2018)

Internationale und lokale NGOs führen Sensibilisierungsprogramme durch (CEDOCA 9.6.2016, S.22f), landesweit bemühen sich die Regierungen, die Verbreitung von FGM einzuschränken (AA 4.3.2019, S.15) - speziell jene der Infibulation (LIFOS 16.4.2019, S.41f). Mit durch internationale Organisationen finanzierten Kampagnen wird landesweit gegen FGM angekämpft, auch einige Ministerien sind aktiv. UNFPA gibt an, dass 890 somalische Gemeinden zwischen 2014 und 2017 die Durchführung von FGM aufgegeben haben (LIFOS 16.4.2019, S.31). Der Staat und religiöse Führer haben wichtige Schritte gesetzt, um FGM zu kriminalisieren und auszurotten. Allerdings stellen Ineffizienz, Korruption und Nepotismus im Rechtsstaat bedeutende Hindernisse bei der Umsetzung dar. Außerdem gibt es nach wie vor religiöse Führer, die sich gegen ein Verbot der Sunna aussprechen (LIFOS 16.4.2019, S.41f). Auch Medien, Prominente und religiöse Persönlichkeiten werden in die Kampagnen eingebunden (CEDOCA 9.6.2016, S.24f).

Üblicherweise liegt die Entscheidung darüber, ob eine Beschneidung stattfinden soll, in erster Linie bei der Mutter (FIS 5.10.2018, S.30; vergleiche CEDOCA 9.6.2016, S.17f). Es kann zu - teils sehr starkem - psychischem Druck auf eine Mutter kommen, damit eine Tochter beschnitten wird. Um eine Verstümmelung zu vermeiden, kommt es auf die Standhaftigkeit der Mutter an. Spricht sich auch der Kindesvater gegen eine Verstümmelung aus, und bleibt dieser standhaft, dann ist es leichter, dem psychischen Druck standzuhalten (DIS 1.2016, S.8ff). Nach anderen Angaben liegt es an den Eltern, darüber zu entscheiden, welche Form von FGM an der Tochter vorgenommen wird. Manchmal wird der Vater von der Mutter bei der Entscheidung übergangen; manchmal halten Großmütter oder andere weibliche Verwandte Mitsprache. In ländlichen Gebieten können Großmütter eher Einfluss ausüben (LIFOS 16.4.2019, S.25f/42f; vergleiche FIS 5.10.2018, S.30). Dort ist es mitunter auch schwieriger, FGM in Frage zu stellen (FIS 5.10.2018, S.30f). Dass Mädchen ohne Einwilligung der Mutter von Verwandten einer FGM unterzogen werden, ist zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Keine Quelle des Danish Immigration Service konnte einen derartigen Fall berichten (DIS 1.2016, S.10ff). Quellen der schwedischen COI-Einheit Lifos nennen als diesbezüglich annehmbare Ausnahme (theoretisch) den Fall, dass ein bei den Großeltern lebendes Kind von der Großmutter FGM zugeführt wird, ohne dass es dazu eine Einwilligung der Eltern gibt (LIFOS 16.4.2019, S.26). Gerade in Städten ist es heutzutage kein Problem mehr, sich einer Beschneidung zu widersetzen, und die Zahl unbeschnittener Mädchen steigt (FIS 5.10.2018, S.31).

Nach anderen Angaben wird eine Familie, die sich gegen FGM entschieden hat, versuchen, die Tatsache geheim zu halten. Behörden können diesbezüglich keinen Schutz gewährleisten (FIS 5.10.2018, S.30f).

Mitunter üben nicht beschnittene Mädchen selbst Druck auf Eltern aus, damit die Verstümmelung vollzogen wird (LIFOS 16.4.2019, S.42f/26). Die umfassende FGM in Form einer Infibulation stellt eine Art Garantie der Jungfräulichkeit bei der ersten Eheschließung dar. Die in der Gemeinde zirkulierte Information, wonach eine Frau nicht infibuliert ist, wirkt sich auf das Ansehen und letztendlich auf die Heiratsmöglichkeiten der Frau und anderer Töchter der Familie aus. Daher wird die Infibulation teils immer noch als notwendig erachtet (LIFOS 16.4.2019, S.38f). Die Akzeptanz unbeschnittener Frauen bzw. jener, die nicht einer Infibulation unterzogen wurden, hängt also maßgeblich von der Familie ab. Generell steht man ihnen in urbanen Gebieten eher offen gegenüber (LIFOS 16.4.2019, S.23). In der Stadt ist es kein Problem, zuzugeben, dass die eigene Tochter nicht beschnitten ist. Auf dem Land ist das anders (CEDOCA 9.6.2016, S.21). In größeren Städten ist es auch möglich, den unbeschnittenen Status ganz zu verbergen. Die Anonymität ist eher gegeben, die soziale Interaktion geringer; dies ist in Dörfern mitunter sehr schwierig (DIS 1.2016, Sitzung 24/9; vergleiche LIFOS 16.4.2019, S.39). Trotzdem gibt es sowohl in urbanen als auch in ländlichen Gebieten Eltern, die ihre Töchter nicht verstümmeln lassen (DIS 1.2016, S.9). Wird der unbeschnittene Status eines Mädchens bekannt, kann dies zu Hänseleien und zur Stigmatisierung führen (LIFOS 16.4.2019, S.39). Doch auch dabei gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land (CEDOCA 9.6.2016, S.21). Allerdings kommt es zu keinen körperlichen Untersuchungen, um den Status hinsichtlich einer vollzogenen Verstümmelung bei einem Mädchen festzustellen. Dies gilt auch für Rückkehrer aus dem Westen. In ländlichen Gebieten wird wahrscheinlich schneller herausgefunden, dass ein Mädchen nicht verstümmelt ist. Eine Mutter kann den Status ihrer Tochter verschleiern, indem sie vorgibt, dass diese einer Sunna unterzogen worden ist (DIS 1.2016, S.12f).

Im Jahr 2011 erhobene Zahlen für Puntland zeigen eine rückläufige FGM-Rate. In der Altersgruppe 45-49 waren 2011 97,8% der Frauen von irgendeiner Form von FGM betroffen, in jener von 15 bis 19 Jahren waren es 97,3%, in der Gruppe 10-14 waren es 82,3% (CEDOCA 9.6.2016, S.15). Die Infibulationsrate ist von 93,2% im Jahr 2005 auf 86,7% im Jahr 2011 zurückgegangen (CEDOCA 9.6.2016, S.10; vergleiche LIFOS 16.4.2019, S.14). Im Jahr 2011 waren ca. 90% der über 25jährigen, 85,4% der 20-24jährigen und 79,7% der 15-19jährigen von einer Infibulation betroffen. Auch eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigt, dass die Infibulationsrate in Puntland zurückgeht. Die Sunna (im Sinne einer moderaten Beschneidung der Klitoris) hingegen ist auf dem Vormarsch (CEDOCA 9.6.2016, S.10). Dennoch gaben bei der Studie im Jahr 2011 immer noch 58% der Befragten an, dass die Tradition der Infibulation beibehalten werden sollte (LIFOS 16.4.2019, S.18), 37% sprachen sich für eine Einstellung der Praxis aus (CEDOCA 9.6.2016, S.6). Dementgegen gaben bei einer puntländischen Studie im Jahr 2018 nur 65% der befragten Frauen an, selbst beschnitten zu sein; nur ein Drittel gab an, dass die eigene Tochter beschnitten sei (LIFOS 16.4.2019, S.20).

Mit dem noch nicht vom Parlament abgesegneten Sexual Offenses Act von Puntland würden Infibulation und Sunna verboten; allerdings ist im Gesetz kein Bestrafungsmechanismus angeführt (LIFOS 16.4.2019, S.29). Schon im Jahr 2013 veröffentlichten religiöse Führer und Akademiker eine Fatwa, wonach jede Form von FGM verboten ist (LIFOS 16.4.2019, S.29; vergleiche CEDOCA 9.6.2016, S.22). Zusätzlich gibt es ein Dekret, dass Ärzten die Vornahme einer FGM verbietet. Insgesamt sind aber keine Schritte gegen Täter unternommen worden (LIFOS 16.4.2019, S.29).

Die Thematik der Reinfibulation (Wiederherstellung einer Infibulation, Wiederzunähen) betrifft jene Frauen und Mädchen, die bereits einer Infibulation unterzogen und später deinfibuliert wurden. Letzteres erfolgt z.B. im Rahmen einer Geburt, zur Erleichterung des Geschlechtsverkehrs (LIFOS 16.4.2019, S.35/12) oder aber z.B. auf Wunsch der Familie, wenn bei der Menstruation Beschwerden auftreten (LIFOS 16.4.2019, S.32).

Eine Reinfibulation kommt v.a. dann vor, wenn Frauen - üblicherweise noch vor der ersten Eheschließung - eine bestehende Jungfräulichkeit vorgeben wollen (DIS 1.2016, S.23). Obwohl es vor einer Ehe gar keine physische Untersuchung der Jungfräulichkeit gibt (LIFOS 16.4.2019, S.40f) kann es bei jungen Mädchen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden oder welche vorehelichen Geschlechtsverkehr hatten, zu Druck oder Zwang seitens der Eltern kommen, sich eine Reinfibulation zu unterziehen (CEDOCA 13.6.2016, S.9). Vergewaltigungsopfer werden oft wieder zugenäht (TRF 27.2.2019).

Stellt nämlich der Ehemann in der Hochzeitsnacht fest, dass eine Deinfibulation bereits vorliegt, kann dies Folgen haben - bis hin zur sofortigen Scheidung. Letztere kann zu einer indirekten Stigmatisierung infolge von "Gerede" führen. Generell können zur Frage der Reinfibulation von vor der Ehe deinfibulierten Mädchen und jungen Frauen nur hypothetische Angaben gemacht werden, da z.B. den von der schwedischen COI-Einheit LIFOS befragten Quellen derartige Fälle überhaupt nicht bekannt waren (LIFOS 16.4.2019, S.40f).

Als weitere Gründe, warum sich Frauen für eine Reinfibulation im Sinne einer weitestmöglichen Verschließung entscheiden, werden in einer Studie aus dem Jahr 2015 folgende genannt: a) nach einer Geburt: Manche Frauen verlangen z.B. eine Reinfibulation, weil sie sich nach Jahren an ihren Zustand gewöhnt hatten und sich die geöffnete Narbe ungewohnt und unwohl anfühlt; b) manche geschiedene Frauen möchten als Jungfrauen erscheinen; c) Eltern von Vergewaltigungsopfern fragen danach; d) in manchen Bantu-Gemeinden in Süd-/Zentralsomalia möchten Frauen, deren Männer für längere Zeit von zu Hause weg sind, eine Reinfibulation als Zeichen der Treue (CEDOCA 9.6.2016, S.11).

Gesellschaftlich verliert die Frage einer Deinfibulation oder Reinfibulation nach einer Eheschließung generell an Bedeutung, da die Vorgabe der Reinheit/Jungfräulichkeit irrelevant geworden ist (LIFOS 16.4.2019, S.40). Für verheiratete oder geschiedene Frauen und für Witwen gibt es keinen Grund, eine Jungfräulichkeit vorzugeben (CEDOCA 13.6.2016, S.6).

Wird eine Frau vor einer Geburt deinfibuliert, kann es vorkommen, dass nach der Geburt eine Reinfibulation stattfindet. Dies obliegt i. d.R. der Entscheidung der betroffenen Frau (LIFOS 16.4.2019, S.40; vergleiche CEDOCA 9.6.2016, S.26). Die Gesellschaft hat kein Problem damit, wenn eine Deinfibulation nach einer Geburt bestehen bleibt (CEDOCA 9.6.2016, S.26), und es gibt üblicherweise keinen Druck, sich einer Reinfibulation zu unterziehen. Viele Frauen fragen aber offenbar von sich aus nach einer (manchmal nur teilweisen) Reinfibulation (CEDOCA 13.6.2016, 9f). Ein derartiges Neu-Vernähen der Infibulation kann im ländlichen Raum vorkommen, ist in Städten eher unüblich (FIS 5.10.2018, S.29). Die Verbreitung variiert offenbar auch geographisch: Bei Studien an somalischen Frauen in Kenia haben sich 35 von 57 Frauen einer Reinfibulation unterzogen. Gemäß einer anderen Studie entscheiden sich in Puntland 95% der Frauen nach einer Geburt gegen eine Reinfibulation (CEDOCA 9.6.2016, S.13f).

Freilich kann es vorkommen, dass eine Frau - wenn sie z.B. physisch nicht in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen - auch gegen ihren Willen einer Reinfibulation unterzogen wird; die Entscheidung treffen in diesem Fall weibliche Verwandte oder die Hebamme. Es kann natürlich auch nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Frauen durch Druck von Familie, Freunden oder dem Ehemann zu einer Reinfibulation gedrängt werden. Insgesamt hängt das Risiko eine Reinfibulation also zwar vom Lebensumfeld und der körperlichen Verfassung der Frau nach der Geburt ab, aber generell liegt die Entscheidung darüber bei ihr selbst. Sie kann sich nach der Geburt gegen eine Reinfibulation entscheiden. Es kommt in diesem Zusammenhang weder zu Zwang noch zu Gewalt (LIFOS 16.4.2019, S.40f). Keine der zahlreichen, von der schwedischen COI-Einheit LIFOS dazu befragten Quellen hat jemals davon gehört, dass eine deinfibulierte Rückkehrerin nach Somalia dort zwangsweise reinfibuliert worden wäre (LIFOS 16.4.2019, S.41).

Quellen:

16.2. Kinder (Kindersoldaten und Zwangsrekrutierungen siehe Abschnitt 10.1)

Für das Jahr 2019 wird die Zahl an von akuter Unterernährung betroffenen Kindern unter fünf Jahren auf mehr als 900.000 geschätzt (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Eines von sieben Kindern stirbt vor dem fünften Geburtstag, schuld daran sind u.a. Unterernährung, Pneumonie, Masern und Durchfallerkrankungen (LIFOS 3.7.2019, S.11).

Gewalt: Alle am Konflikt in Somalia beteiligten Parteien haben schwere Vergehen gegen Kinder begangen - darunter Tötung, Verstümmelung, Rekrutierung und Kampfeinsatz (HRW 17.1.2019). Im Zeitraum Juli 2017 bis Mai 2018 wurden 3.338 Fälle von schweren Menschenrechtsverletzungen an Kindern dokumentiert. Davon gehen etwa 42% auf Rekrutierung und Einsatz durch bewaffnete Gruppen zurück, 32% auf Entführungen und 18% auf Tötungen bzw. Verstümmelungen (AA 4.3.2019, S.13). Im ersten Halbjahr 2018 gab es 1.426 Fälle mit

1.239 betroffenen Kindern, in der zweiten Jahreshälfte ist die Zahl an Menschenrechtsverletzungen an Kindern auf 1.020 Fälle mit 995 betroffenen Kindern zurückgegangen. Darunter gab es 322 Entführungen, 308 Rekrutierungen bzw. militärische Verwendungen, 167 Verletzungen, 116 Tötungen und 82 Fälle sexueller Gewalt. 69% aller Fälle werden der al Shabaab angelastet (UNSC 21.12.2018, S.13). Nach anderen Angaben werden 85% aller schweren Vergehen gegen Kinder al Shabaab angelastet (USDOS 13.3.2019, S.12f). Im Zeitraum Mai-August 2019 waren es 88% (UNSC 15.8.2019, Absatz ,).

Missbrauch und Vergewaltigung von Kindern sind ernste Probleme. Alleine im Zeitraum Jänner-Juni 2018 wurden 140 Vorfälle sexueller Gewalt an insgesamt 145 Kindern dokumentiert. Es gibt keine bekannten Anstrengungen der Regierung oder von Regionalregierungen, dagegen vorzugehen (USDOS 13.3.2019, S.12/32).

Kinderarbeit: Laut Übergangsverfassung ist eine Person mit 18 Jahren volljährig. Allerdings werden Kinder ab einem Alter von 15 Jahren traditionell als volljährig erachtet (LIFOS 16.4.2019, S.10/12). Es ist unklar, ob es für eine Anstellung überhaupt ein vorgeschriebenes Mindestalter gibt. Kinderarbeit ist weit verbreitet. Laut UNICEF mussten im Zeitraum 2009-2015 49% der Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren arbeiten. Es ist nicht unüblich, dass Jugendliche schon in jungen Jahren als Hirten, in der Landwirtschaft oder im Haushalt arbeiten oder aber zum Betteln gezwungen werden. Kinder werden außerdem zum Zerkleinern von Steinen, als Verkäufer oder Träger eingesetzt (USDOS 13.3.2019, S.36f). Im ländlichen Somalia ist meist von Feldarbeit oder nomadischer Hilfstätigkeit auszugehen. In urbanen Zentren werden Kinder als Dienstboten und für einfache Erledigungen eingesetzt (AA 4.3.2019, S.13). Die körperliche Züchtigung von Kindern ist gesetzlich nicht verboten, allgemein üblich und gesellschaftlich akzeptiert (FIS 5.10.2018, S.33).

Adoption: Es gibt weder eine offizielle, staatlich geregelte Adoptionspraxis noch ein staatliches Adoptionsrecht. Waisen werden zumeist relativ formlos bei nahen Verwandten oder Pflegefamilien untergebracht. Offizielle Dokumente sind zumeist nicht vorzufinden bzw. könnten diese einer Urkundenüberprüfung nicht standhalten (ÖB 9.2016, S.11).

Bildung: Die Alphabetisierungsquote liegt bei Erwachsenen bei 40%. Sie ist im Norden und in urbanen Gebieten höher, als in Süd-/Zentralsomalia und bei Nomaden. Die aktuelle Einschulungsrate liegt bei 36% und ist u.a. von finanziellen Möglichkeiten der Familie beeinflusst (BS 2018, S.32). Nach anderen Angaben besuchen nur 30% der Kinder im Schulalter tatsächlich eine Schule (UNSC 15.5.2019, Absatz ,).

Quellen:

16.3. Homosexuelle

Geschlechtsverkehr mit einer Person desselben Geschlechts kann mit einer Gefängnisstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft werden (USDOS 13.3.2019, S.34; vergleiche AA 4.3.2019, S.15; vergleiche FH 5.6.2019b, F4). Grundlage dafür ist Paragraph 409, des somalischen Strafgesetzbuchs. Scharia und Gewohnheitsrecht sehen die Todesstrafe vor (AA 4.3.2019, S.15). Auch in Gebieten der al Shabaab gilt hier die Todesstrafe (DI 6.2019, S.14; vergleiche FH 5.6.2019b, F4). Da das staatliche Rechtssystem nicht funktioniert, viele strafrechtliche Fragen durch Clan-Entscheidungen geregelt werden, und es sich um ein gesellschaftliches Tabuthema handelt, liegen keine Erkenntnisse über die tatsächliche strafrechtliche Verfolgungspraxis vor (AA 4.3.2019, S.15).

Homosexualität ist ein Tabuthema, das damit einhergehende soziale Stigma hindert Angehörige sexueller Minderheiten, ihre sexuelle Identität öffentlich zu machen (USDOS 13.3.2019, S.34; vergleiche DI 6.2019, S.14; AA 4.3.2019, S.15; vergleiche FH 5.6.2019b, F4). Homosexuelle leben unter ständiger Angst, im Falle der Entdeckung geächtet, ausgepeitscht oder sogar getötet zu werden (DI 6.2019, S.14). Folglich sind weder Homosexuellen-Organisationen noch derartige Veranstaltungen bekannt. Es gibt nur wenige Berichte bezüglich gesellschaftlicher Gewalt oder Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung (USDOS 13.3.2019, S.34).

Quellen:

16.4. Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab und den IS

In von der Regierung kontrollierten Gebieten führt al Shabaab ihre Mordkampagne fort (NLMBZ 3.2019, S.11; vergleiche SEMG 9.11.2018, S.5/38f). Folgende Personengruppen sind diesbezüglich einem erhöhten Risiko ausgesetzt:

* Angehörige der AMISOM (NLMBZ 3.2019, S.11; vergleiche USDOS 21.6.2019, S.1; LIFOS 3.7.2019, S.23f);

* nationale und regionale Behördenvertreter und -Mitarbeiter (HRW 17.1.2019; vergleiche USDOS 21.6.2019, S.1; SEMG 9.11.2018, S.38f; NLMBZ 3.2019, S.11);

* Angehörige der Sicherheitskräfte (USDOS 21.6.2019, S.1; vergleiche HRW 17.1.2019; NLMBZ 3.2019, S.11; LIFOS 3.7.2019, S.23f);

* Regierungsangehörige, Parlamentarier und Offizielle (USDOS 21.6.2019, S.1; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.11; LIFOS 3.7.2019, S.23f); al Shabaab greift gezielt Örtlichkeiten an, wo sich die politische Elite trifft. Seit 2012 sind mindestens 18 Parlamentarier bei Anschlägen getötet worden oder aber einem gezielten Attentat zum Opfer gefallen. Viele dieser Morde werden al Shabaab zugerechnet. Al Shabaab ist auch außerhalb ihrer eigenen Gebiete eine große Bedrohung für politische Aktivisten und Politiker (BS 2018, S.16).

* mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten (USDOS 13.3.2019, S.12);

* Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen (USDOS 13.3.2019, S.12; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.11; LIFOS 3.7.2019, S.24);

* Wirtschaftstreibende (SEMG 9.11.2018, S.38f; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.23f) - zumal jene, die für die Regierung tätig sind. Selbst kleine und mittlere Unternehmen, die mit AMISOM oder der Regierung zusammenarbeiten, werden zum Ziel (LIFOS 3.7.2019, S.24). Jene, die nicht mit Feinden der al Shabaab kooperieren und welche Steuern an al Shabaab abführen, sind keinem Risiko ausgesetzt. Generell können nicht alle Morde an Wirtschaftstreibenden al Shabaab zugerechnet werden (NLMBZ 3.2019, S.11/14);

* Älteste und Gemeindeführer (SEMG 9.11.2018, S.38f; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.11; USDOS 13.3.2019, S.3/12);

* Wahldelegierte und deren Angehörige bzw. Personen, die am letzten Wahlprozess mitgewirkt haben (USDOS 13.3.2019, S.3/12; vergleiche HRW 17.1.2019); dabei hat al Shabaab die Delegierten vor die Wahl gestellt, entweder zu ihnen zu kommen und sich für ihr Verhalten zu entschuldigen, oder aber einem Todesurteil zu unterliegen. Die große Mehrheit entschuldigte sich (Mohamed 17.8.2019). Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in Jubaland ist ebenfalls ein Delegierter ermordet worden (UNSC 15.8.2019, Absatz ,).

* Angehörige diplomatischer Missionen (USDOS 13.3.2019, S.3/12);

* prominente Friedensaktivisten (USDOS 13.3.2019, S.3/12; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.11);

* religiöse Führer (SEMG 9.11.2018, S.38f);

* Journalisten (NLMBZ 3.2019, S.11);

* mutmaßliche Kollaborateure und Spione (USDOS 13.3.2019, S.3/12;

vergleiche SEMG 9.11.2018, S.38f; NLMBZ 3.2019, S.11);

* Deserteure (NLMBZ 3.2019, S.11);

* (vermeintliche) Angehörige oder Sympathisanten des IS (AA 4.3.2019, S.13); al Shabaab steht dem IS extrem feindlich gegenüber, es kommt zu brutalen Bestrafungen (NLMBZ 3.2019, S.16). Der Führer von al Shabaab hat die Anweisung gegeben, Anhänger des IS anzugreifen und zu eliminieren (VOA 21.12.2018); al Shabaab hat dem IS offiziell den Krieg erklärt. Seit Ende 2015 wurden Dutzende (ehemalige) Mitglieder der al Shabaab aufgespürt und getötet, da sie zum IS übergelaufen waren oder aber Sympathien für den IS bekundet haben (LWJ 14.1.2019). Diese Personen werden systematisch verfolgt (LWJ 16.11.2018).

Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie keine Steuern an al Shabaab abführen (BFA 8.2017, S.34). Gemäß einer Studie richteten sich Angriffe von al Shabaab im Zeitraum 2006-2017 zu 36,6% gegen Personen und Symbole des somalischen Staates (darunter die Sicherheitskräfte), zu 24,5% gegen Symbole und Institutionen der internationalen Gemeinschaft (darunter AMISOM) und zu 32,4% gegen Gebäude, die von erst- und zweitgenannten Zielen frequentiert werden (NLMBZ 3.2019, S.12). Einige Beispiele seien angeführt: Ermordet wurden - vermutlich von al Shabaab - am 23.2.2019 in Karaan (Mogadischu) ein Abgeordneter des Parlaments; am 25.2.2019 in Afgooye (Lower Shabelle) neun Straßenreiniger (BAMF 4.3.2019, S.6); ein Koranlehrer in Mogadischu, der sich für Deradikalisierung einsetzte; ein Regierungsangestellter am 29.5.2018 in Mogadischu (BAMF 4.6.2018, S.3).

Kollaboration: In von al Shabaab kontrollierten Gebieten gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden (AA 4.3.2019, S.15). Dort werden Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 4.3.2019, S.9). Al Shabaab exekutiert vor allem jene, welche der Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung bezichtigt werden (HRW 17.1.2019). Dabei ist die Schwelle dessen, was die al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, mitunter sehr niedrig angesetzt. Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden. Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt (BFA 8.2017, S.40ff). Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen: a) die Kollaboration ist offensichtlich;

  1. Litera b
    der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu;
  2. Litera c
    eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (BFA 8.2017, S.40ff).

Alleine Anfang Oktober 2018 wurden fünf Personen exekutiert, denen Spionage (für die USA, Großbritannien oder die somalische Regierung) vorgeworfen worden war (LWJ 11.10.2018). In einem anderen Beispiel wird berichtet, dass al Shabaab am 27.3.2019 fünf Personen im Gebiet Yaq Baraawe (Bay) und am 31.3.2019 vier Personen in Kamsuma (Lower Juba) wegen angeblicher Spionage hingerichtet hat (BAMF 1.4.2019).

Kapazitäten: Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Vertreter des Staates, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, auf Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie direkt Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S.23). Al Shabaab verfügt über die Kapazitäten, menschliche Ziele - auch in Mogadischu - aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Personen al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clan-Dynamiken. Die Gruppe ist bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschränkungen. Zusätzlich möchte die al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem verübten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (BFA 8.2017, S.35f).

Insgesamt muss hinzugefügt werden, dass al Shabaab nicht für alle an diesen Personengruppen begangenen Morde die Verantwortung übernimmt oder trägt (HRW 17.1.2019). Es muss davon ausgegangen werden, dass zahlreiche Angriffe und Morde politisch motiviert oder einfach Verbrechen sind, die nicht auf das Konto von al Shabaab gehen (LIFOS 3.7.2019, S.26).

Al Shabaab greift Zivilisten, die nicht in eine der weiter oben genannten Kategorien fallen, nicht spezifisch an. Für diese besteht das größte Risiko darin, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (NLMBZ 3.2019, S.23; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.25) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Der IS verübt vor allem in Mogadischu und Afgooye Mordanschläge auf Angehörige von Sicherheitskräften (52%), des Geheimdienstes (25%) und von (Finanz-)Behörden (19%) (LWJ 4.1.2019; vergleiche SEMG 9.11.2018, S.28f).

Ausweichmöglichkeiten: Aufgrund der überregionalen Aktivitäten und der Vernetzung des Amniyad [Nachrichtendienst der al Shabaab] sind - vor allem prominente - Zielpersonen auch bei einer innerstaatlichen Flucht gefährdet (BFA 8.2017, S.36).

Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde die al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angehörigen kommen (BFA 8.2017, S.47f).

Steuern - al Shabaab: Al Shabaab hebt Steuern ein. Dabei werden Wirtschaftstreibende angerufen und bedroht. Diese zahlen Schutzgeld (Maruf 14.11.2018), denn weder die Bundesregierung noch Regionalregierungen sind in der Lage, sie vor Schutzgelderpressung zu schützen (VOA 3.12.2018; vergleiche Maruf 14.11.2018). Dabei verlangt al Shabaab von Wirtschaftstreibenden zunehmend höhere Steuern (zakat), um ihren Krieg finanzieren zu können. Steuern werden auch auf landwirtschaftliche Produkte und Vieh eingehoben. Zusätzlich kommt es auch zu allgemeinen Geldforderungen (infaaq). Am meisten Geld verdient al Shabaab aber mit der Besteuerung von Fahrzeugen, die Güter durch das Gebiet der Gruppe transportieren. Auch am Bakara-Markt in Mogadischu hebt al Shabaab Steuern ein (VOA 3.12.2018). Selbst das Personal internationaler Organisationen zahlt Steuern bzw. Schutzgeld an al Shabaab, um in Ruhe gelassen zu werden (BFA 8.2017, S.33). Steuern werden von unterschiedlichsten

Personengruppen und Institutionen eingefordert: Von Taxifahrern in Mogadischu, von Regierungsbediensteten oder Angestellten internationaler Organisationen, von Deserteuren oder Angestellten von NGOs, von Hotelbesitzern und anderen Wirtschaftstreibenden. Generell richtet sich al Shabaab bei der Eintreibung von Steuern aber eher an Letztere. Zur Besteuerung jeder Einzelperson reichen ihre Kapazitäten nicht aus (BFA 8.2017, S.32ff).

Insgesamt scheinen Bedrohungen nichts Ungewöhnliches zu sein, in Einzelfällen erfolgt die Realisierung. Manche Personen, die der Steuerforderung nicht nachkommen, werden als Exempel für andere exekutiert (BFA 8.2017, S.39; vergleiche VOA 3.12.2018). Überhaupt stützt sich das Steuersystem von al Shabaab auf systematische Einschüchterung und Gewalt. So wurde etwa im Juni 2018 bei Qura'a Jome (Bakool) ein gesamter ziviler Konvoi von elf Fahrzeugen vernichtet, da keine Abgaben entrichtet worden waren. Sechs Zivilisten kamen dabei ums Leben (SEMG 9.11.2018, S.97).

Steuern - IS: Der sog. Islamische Staat fordert nunmehr Steuern (VOA 3.12.2018). römisch fünf.a. Wirtschaftstreibende in städtischen Gebieten werden erpresst. Jene, die sich der Zahlung einer "Steuer" widersetzen, müssen mit Gewalt rechnen (USDOS 13.3.2019, S.3). Dies gilt jedenfalls für Bossaso (Puntland) (LWJ 4.1.2019; LIFOS 3.7.2019, S.34) und Galkacyo (LIFOS 3.7.2019, S.34); aber auch in Mogadischu hat der IS Attentate gegen Steuerverweigerer verübt (VOA 3.12.2018).

Die Hauptziele des IS in Puntland sind Regierungsangestellte und Politiker, Soldaten, Mitarbeiter des Nachrichtendienstes, Polizisten und Angehörige von al Shabaab (LIFOS 3.7.2019, S.35).

Quellen:

17. Bewegungsfreiheit und Relokation

Die Übergangsverfassung schützt das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte sind in einigen Landesteilen eingeschränkt (USDOS 13.3.2019, S.21; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.37).

Überlandreisen: Reisende sind durch die zahlreichen, von unterschiedlichen Gruppen betriebenen Straßensperren einer Gefahr ausgesetzt (FH 5.6.2019b, G1; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.21). Neben den Straßensperren kann auch das Aufflammen bewaffneter Auseinandersetzungen ein Risiko darstellen (LI 28.6.2019, S.8). Generell werden Überlandreisen als riskant und teuer erachtet. Viele der Hauptstraßen werden nur teilweise von AMISOM und Armee kontrolliert (NLMBZ 3.2019, S.37). Trotzdem bereisen Zivilisten und Wirtschaftstreibende tagtäglich die Überlandverbindungen (NLMBZ 3.2019, S.37; vergleiche LI 28.6.2019, S.4/9). Dahingegen transportieren AMISOM und die Armee aufgrund des Risikos Truppen und Versorgungsgüter oft auf dem Luftweg (NLMBZ 3.2019, S.37). Gegen einige Städte unter Regierungskontrolle führt al Shabaab eine Blockade durch. Blockadebrecher werden angegriffen, Güter und Fahrzeuge zerstört (HRW 17.1.2019).

Bei Reisen von Gebieten der Regierung in jene von al Shabaab besteht das Risiko, von beiden Seiten der Kollaboration verdächtigt zu werden (NLMBZ 3.2019, S.37). Allerdings reisen die Menschen nicht uninformiert. Reisende und Fahrer versuchen ihre Reise nach neuesten sicherheitsrelevanten Informationen zu adaptieren (LI 28.6.2019, S.4/9). Überlandreisen werden bevorzugt mit Minibussen (9-Sitzer), auf Lastwägen oder aber zu Fuß unternommen. Es ist einfach, sich in Mogadischu eine solche Fahrt zu organisieren. Straßenzustand und Sicherheitsüberlegungen können den Zugang zu einzelnen Destinationen fallweise verunmöglichen. Generell können Menschen aber jedes Ziel in Süd-/Zentralsomalia erreichen. Um in kleinere Dörfer zu gelangen, muss meist in der nächstgelegenen Bezirkshauptstadt umgestiegen werden (LI 28.6.2019, S.7).

Die Sicherheitslage entlang der Straße Jowhar - Buulo Barde - Belet Weyne konnte wesentlich verbessert werden (BMLV 3.9.2019). Diese Hauptverbindung ist grundsätzlich für den Personenverkehr und Warentransport geöffnet. Die Straße unterliegt allerdings noch immer einer erheblichen Bedrohung durch al Shabaab, wenn auch die Frequenz der Überfälle entlang dieser Verbindungslinie merklich abgenommen hat (BMLV 16.9.2019). Der Verkehr entlang der Route Belet Weyne - Garoowe ist von al Shabaab unbeeinträchtigt (BMLV 16.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.82). An den Straßenverbindungen in der Region Lower Juba kann es zu Übergriffen durch al Shabaab kommen. Dies gilt auch in der Region Gedo für die Verbindungen südlich von Garbahaarey. Dahingegen kommt es im Gebiet zwischen Doolow und Luuq nur selten zu Zwischenfällen (BMLV 16.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.61ff). In Bakool befinden sich die Verbindungsstraßen zwischen Xudur, Ceel Barde, Yeed und Waajid einigermaßen unter Kontrolle. In Bay bzw. Lower Shabelle kann es an der Route von Baidoa nach Mogadischu zu Übergriffen durch unterschiedliche Akteure kommen. Al Shabaab hat Zugriff auf die gesamte Straße, sie kontrolliert die Verbindung von Baidoa nach Buur Hakaba und weiter nach Bali Doogle. Rund um Baidoa betreibt die Gruppe Straßensperren (BMLV 16.9.2019; vergleiche BFA 8.2017, S.70ff).

Straßensperren: In ganz Süd-/Zentralsomalia gibt es Straßensperren (Checkpoints), an welchen Fahrzeuge aufgehalten und Personen kontrolliert werden. Prinzipiell geht es an einer Straßensperre um die Einhebung von Wegzoll (LI 28.6.2019, S.8), wobei die Höhe des Zolls mitunter willkürlich ist. Es gibt permanente und ad hoc Straßensperren, betrieben von Sicherheitskräften, al Shabaab oder Clan-Milizen (LI 28.6.2019, S.8; vergleiche FH 5.6.2019b, G1; USDOS 13.3.2019, S.21).

Straßensperren von al Shabaab: Außerhalb der tatsächlich von der Regierung und ihren Alliierten kontrollierten Gebiete besteht eine große Wahrscheinlichkeit, auf eine Straßensperre von al Shabaab zu stoßen (LI 28.6.23019, S.4/10). Diese finden sich in ganz Süd-/Zentralsomalia flächendeckend, die Steuerhöhe variiert regional (SEMG 9.11.2018, S.26). Allerdings finden sich diese Straßensperren oft nicht an den Hauptversorgungsrouten, sondern an Nebenstraßen der ländlichen Gebiete (SEMG 9.11.2018, S.97). Doch auch an wichtigen Straßenverbindungen - z.B. nach Baidoa, Kismayo oder Jowhar - betreibt al Shabaab Checkpoints (NLMBZ 3.2019, S.11/37f).

Berufsfahrer bevorzugen Wege mit Checkpoints von al Shabaab, da dort

Alleine die Tatsache, dass jemand in einem westlichen Land gewesen ist, stellt im Kontext mit al Shabaab an solchen Straßensperren kein Problem dar. Allerdings ruft westliches Verhalten oder westliche Kleidungsart Sanktionen hervor - etwa Auspeitschen (LI 28.6.2019, S.11). Reisende passen sich daher üblicherweise den Kleidungs- und Verhaltensvorschriften von al Shabaab an, um nicht herauszustechen (LI 28.6.2019, S.4). Angst vor al Shabaab müssen in erster Linie jene Reisenden haben, die tatsächlich Verbindungen zur Regierung haben, oder aber die diesbezüglich verdächtigt werden. Sie befinden sich in Lebensgefahr. Dies gilt insbesondere an Straßensperren in jenen Gebieten, die nicht vollständig unter Kontrolle von al Shabaab stehen. Dort dürfen Spione standrechtlich - ohne Verfahren - exekutiert werden. In den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab werden Verdächtige i.d.R. verhaftet und vor Gericht gestellt. Auch dies hat - bei einem Schuldspruch - den Tod zur Folge. Außerdem kann es Personen treffen, die von al Shabaab - etwa wegen des Mitführens von bestimmten Objekten (Smartphones, Regierungsdokumente, Symbole, die mit der Regierung assoziiert werden etc.) - als mit der Regierung in Zusammenhang stehend oder als Spione verdächtigt werden (LI 28.6.2019, S.9f). Auch Reisende, die im Gebiet der Reisebewegung weder über Familien- noch Clan-Verbindungen verfügen, können von al Shabaab unter Umständen als Spione verdächtigt werden (außer sie haben einen Bürgen). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Reiseziel der Person im von der al Shabaab kontrollierten Gebiet liegt (LI 28.6.2019, S.4/11).

Frauen: Es ist nicht ungewöhnlich, alleine reisende ältere Frauen anzutreffen. Dahingegen wird vermieden, jüngere Frauen ohne Begleitung auf Reisen zu schicken - v.a. aufgrund der Gefahr sexueller Gewalt (LI 28.6.2019, S.11f). Für Frauen gibt es nämlich ein erhöhtes Risiko, an Straßensperren sexueller Gewalt ausgesetzt zu werden. Dabei spielt die Clanzugehörigkeit kaum eine Rolle, denn im Transit ist der Schutz des Clans oft wirkungslos (FIS 5.10.2018, S.32).

Ausweichmöglichkeiten: Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen für einen Teil der somalischen Bevölkerung mit Sicherheit. Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (ÖB 9.2016, S.14). Im Fall einer nicht durch individuelle Verfolgung begründeten Flucht aus von al Shabaab kontrollierten Gebieten bieten urbane Zentren und ländliche Gebiete unter staatlicher Kontrolle relativ größere Sicherheit. Dabei ist es schwierig, relativ sichere Zufluchtsgebiete pauschal festzulegen, denn je nach Ausweichgrund und persönlichen Umständen ist eine Person möglicherweise in einem anderen Gebiet Somalias dann von anderen Menschenrechtsverletzungen bedroht. Jedenfalls herrscht in Somaliland und Puntland (außer in den umstrittenen Gebieten) mehr Freiheit (AA 4.3.2019, S.16). Zudem gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. In Mogadischu und anderen großen Städten ist es nicht automatisch nachvollziehbar, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016, S.9). Es sind keine Berichte bekannt, wonach aus Somaliland oder Puntland IDPs aus Süd-/Zentralsomalia deportiert worden wären (NLMBZ 10.2017, S.67). Die (Clan-)Zusammensetzung der Bevölkerung von Mogadischu ist sehr heterogen. Dort können sich Angehörige jedes Clans niederlassen (FIS 5.10.2018, S.22). Zudem gibt aus Mogadischu keine Meldungen hinsichtlich Problemen bei der Bewegungsfreiheit (BMLV 16.9.2019).

Luftweg: Die sicherste Arte des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen. Mogadischu kann international (mit Ethiopian Airlines und Turkish Airlines) erreicht werden. In die Städte Kismayo, Dhobley, Baidoa, Doolow, Xudur, Belet Weyne, Guri Ceel, Cadaado und Galkacyo gelangt man mit kleineren Fluglinien, wie African Express Airways, Daallo Airlines oder Jubba Airways (LI 28.6.2019, S.6f). Von Mogadischu aus können auch Garoowe, Bossaso und Hargeysa auf dem Luftweg mit Linienflügen erreicht werden (NLMBZ 3.2019, S.38). Die Kosten für ein One-Way-Ticket im Binnenflugverkehr belaufen sich auf 100-150 US-Dollar (LI 28.6.2019, S.6f).

Eine effektive Ausreisekontrolle an den Grenzübergängen von Somalia in die Nachbarländer findet nicht statt. Die "grüne Grenze" sowie die Seegrenze sind weitgehend nicht überwacht. Kontrollen werden dagegen bei Flugreisen ab Mogadischu, Garoowe und Bossaso durchgeführt (AA 4.3.2019, S.23).

Quellen:

17.1. Meldewesen und Staatsbürgerschaft

Es gibt in Somalia kein Personenstandsverzeichnis (LIFOS 9.4.2019, S.7; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.30; LI 14.6.2018, S.16f). Die verlässliche Feststellung von Identitäten erfolgt oft nur durch den Ältestenrat eines Dorfes oder durch Verwandte bzw. Bekannte (ÖB 9.2016, S.6). Auch an somalischen Botschaften wird die Identität - etwa bei Beantragung einer Geburtsurkunde oder eines Reisepasses - über Angaben zu geographischer Herkunft, Verwandtschaft, Clan und des Dialekts verifiziert (NLMBZ 3.2019, S.31).

In Puntland und Süd-/Zentralsomalia werden Geburten behördlich nicht registriert (USDOS 13.3.2019, S.31). Es besteht keine Möglichkeit, über amtliche Register verlässliche Auskünfte über somalische Staatsangehörige in Süd-/Zentralsomalia und Puntland zu erhalten. Zustellungen sind nicht möglich (AA 4.3.2019, S.23).

Die Übergangsverfassung sieht vor, dass es hinsichtlich der Definition wie jemand an die somalische Staatsbürgerschaft gelangt, wie er diese aussetzt oder verliert, ein Gesetz geben soll. Allerdings wurde ein solches Gesetz noch nicht geschaffen (USDOS 13.3.2019, S.31) bzw. ist ein neues Gesetz zur Regelung der Staatsbürgerschaft zwar ausgearbeitet jedoch nicht verabschiedet worden. Es gilt daher das Staatsbürgerschaftsrecht aus dem Jahr 1962. Dieses besagt, dass jeder Abkomme eines männlichen Somali somalischer Staatsbürger ist. Als Somali wird hier definiert, wer durch Herkunft, Sprache oder Tradition zur somalischen Nation gehört (LIFOS 9.4.2019, S.7f; vergleiche BS 2018, S.10). Die somalische Staatsbürgerschaft wird prinzipiell mit der Geburt erlangt, wenn der Vater Somali ist (LIFOS 9.4.2019, S.11). Somalische Behörden betrachten demnach auch Somali, die eigentlich kenianische oder äthiopische Staatsbürger sind, als somalische Staatsbürger. Doppelstaatsbürgerschaften sind de facto akzeptiert, die provisorische Verfassung aus dem Jahr 2012 unterstützt diese Auffassung. Ein großer Teil der Parlamentsabgeordneten sind Doppelstaatsbürger (LIFOS 9.4.2019, S.10f).

Somalia erachtet natürlich auch alle in Somaliland lebenden Somali als somalische Staatsbürger, während Somaliland sie als somaliländische Staatsbürger erachtet (LIFOS 9.4.2019, S.11f).

Quellen:

18. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Die somalische Regierung und Somaliland arbeiten mit dem UNHCR und IOM zusammen, um IDPs, Flüchtlinge, Rückkehrer und Asylwerber zu unterstützen (USDOS 13.3.2019, S.21). Die Bundesregierung und einige Bundesstaaten zeigen ihre Willigkeit, Verantwortung für IDPs zu übernehmen, und es wurden einige Gesetze erlassen, um ihren Schutz zu verbessern. Allerdings gibt es noch signifikante Lücken. Zumindest Somaliland und Puntland haben eigene Policies für IDPs (OXFAM 6.2018, S.5). UNHCR setzt sich für den Schutz von IDPs ein und gewährt etwas an finanzieller Unterstützung (USDOS 13.3.2019, S.22f).

IDP-Zahlen: Schon vor dem Jahr 2016 gab es - v.a. in Süd-/Zentralsomalia - mehr als 1,1 Millionen IDPs. Viele davon waren im Zuge der Hungersnot 2011 geflüchtet und danach nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt. Weitere 1,6 Millionen sind ab 2016 hinzugekommen, auch sie sind in erster Linie wegen der Dürre geflohen (OXFAM 6.2018, S.5). Gewalt, Unsicherheit und unberechenbares Wetter sorgen auch weiterhin für neue Vertreibung von Zivilisten. Die Zahl an IDPs beträgt 2,6 Millionen. Viele davon leben unter schwierigen Umständen, sind sehr vulnerabel und auf Unterstützung und Schutz angewiesen (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Viele der im Jahr 2018 neu Vertriebenen sind zwar auf Unsicherheit zurückzuführen; ebenso viele mussten ihre Heimat aber wegen Dürre und/oder Überschwemmungen verlassen (NLMBZ 3.2019, S.49). In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 sind ca. 248.000 Menschen durch Dürre und Konflikte vertrieben worden (NRC 10.9.2019).

Mit Stand Juni 2018 gab es in Somalia 1.843 IDP-Lager und -Siedlungen, knapp die Hälfte davon in der Region Benadir/Mogadischu. Fast 80% dieser Lager und Siedlungen sind spontan und ungeplant errichtet worden (CCCM 26.6.2018).

Rechtswidrige Zwangsräumungen, die IDPs und die arme Stadtbevölkerung betrafen, bleiben ein großes Problem (AA 4.3.2019, S.19; vergleiche UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Im Jahr 2018 waren 314.000 IDPs von Zwangsräumungen betroffen, 2017 waren es 200.000 gewesen (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). In den ersten acht Monaten 2019 waren davon 134.000 Menschen betroffen, davon 108.000 in Mogadischu (NRC 10.9.2019). Viele weitere Delogierungen wurden aus Baidoa gemeldet (UNSC 21.12.2018, S.14). Die Mehrheit der IDPs zog in der Folge in entlegene und unsichere Außenbezirke von Mogadischu, wo es lediglich eine rudimentäre bzw. gar keine soziale Grundversorgung gibt, und sie unter äußerst schlechten Bedingungen leben (AA 4.3.2019, S.19). Im Zuge von Zwangsräumungen kommt es mitunter auch zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung. Bei einer Räumung im Bereich Sinka Dheere in Mogadischu starben im Juli 2018 drei Personen, nachdem Sicherheitskräfte auf Demonstranten das Feuer eröffnet hatten (SEMG 9.11.2018, S.41). Organisationen wie IOM versuchen, durch eine Umsiedlung von IDPs auf vorbereitete Grundstücke einer Zwangsräumung zuvorzukommen. So werden z.B. in Baidoa 2019 1.000 IDP-Haushalte aus 15 Lagern auf mit der Stadtverwaltung abgestimmte Grundstücke umgesiedelt. Dort wurden zuvor Latrinen, Wasserversorgung, Straßenbeleuchtung und andere Infrastruktur installiert. Auch zwei Polizeistationen wurden gebaut. Den IDPs werden außerdem Gutscheine für Baumaterial zur Verfügung gestellt (IOM 25.6.2019).

Menschenrechte: IDPs sind andauernden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, ihre besondere Schutzlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit werden von allerlei nichtstaatlichen - aber auch staatlichen - Stellen ausgenutzt und missbraucht. Schläge, Vergewaltigungen, Abzweigung von Nahrungsmittelhilfen, Bewegungseinschränkungen und Diskriminierung aufgrund von Clan-Zugehörigkeiten sind an der Tagesordnung (AA 4.3.2019, S.19); es kommt auch zu willkürlichen Tötungen, Vertreibungen und sexueller Gewalt (HRW 17.1.2019). Vergewaltigungen in IDP-Camps kommen häufig vor (FIS 5.10.2018, S.32). Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung und sexueller Gewalt besonders gefährdet (USDOS 13.3.2019, S.22/29; vergleiche HRW 17.1.2019), 80% der gemeldeten Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt betreffen IDPs (NLMBZ 3.2019, S.44). Zu den Tätern gehören bewaffnete Männer - darunter Regierungssoldaten und Milizionäre - und Zivilisten (HRW 17.1.2019). Andererseits stellen IDP-Lager für al Shabaab kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24/54). Dafür flüchteten im Juli 2019 einige hundert IDPs aus Galmudug, da sie dort als angebliche Kollaborateure von al Shabaab angefeindet und angegriffen wurden (UNOCHA 31.7.2019, S.3).

Versorgung: Gerade auch für IDPs hat eine Dürre schlimme Konsequenzen (UNOCHA 31.7.2019, S.1). Hier steigt die Rate akuter schwerer Unterernährung bei Kindern schnell (UNOCHA 31.5.2019, S.2). [Siehe dazu Abschnitt 21.2]

Unterstützung: Die EU unterstützt über das Programm RE-INTEG Rückkehrer, IDPs und Aufnahmegemeinden. Dafür werden 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt (EEAS 17.1.2018). Damit wurde unter anderem für 7.000 Familien aus 54 IDP-Lagern in Baidoa Land beschafft, welches diesen permanent als Eigentum erhalten bleibt, und auf welchem sie siedeln können. Insgesamt hat die EU mit ähnlichen Programmen bisher 60.000 Menschen helfen können (EC 13.7.2019). Auch die UN beteiligt sich an diesbezüglichen Programmen, um für IDPs langfristige Lösungen herbeizuführen (UNDP o. D.).

Es gibt Anzeichen dafür, dass in Puntland aufhältige IDPs aus anderen Teilen Somalias dort permanent bleiben können und dieselben Rechte genießen, wie die ursprünglichen Einwohner (LIFOS 9.4.2019, S.9).

Flüchtlinge: Somalia ist ein äußerst unattraktives Zufluchtsland für Asylsuchende. Die Zahl ausländischer Flüchtlinge wird als sehr gering eingeschätzt und beschränkte sich in der Vergangenheit im Wesentlichen auf ethnische Somali aus dem äthiopischen Somali Regional State. Seit Beginn des Konflikts im Jemen sind mehr als

6.500 Flüchtlinge aus dem Jemen in Somalia angekommen (AA 4.3.2019, S.19). Somalia beherbergt nur eine relativ kleine Zahl an Flüchtlingen. Diese stammen v.a. aus dem Jemen, Äthiopien und Eritrea. Wirtschaftsmigranten passieren Somalia auf dem Weg zum Arabischen Golf (USDOS 13.3.2019, S.21). Im Juni 2019 befanden sich

34.558 registrierte Asylwerber und Flüchtlinge in Somalia. Mehr als die Hälfte davon befinden sich in Somaliland, nahezu alle anderen in Puntland und Mogadischu. Fast alle stammen aus Äthiopien und dem Jemen (UNHCR 30.6.2019a). Der UNHCR betreibt ein Unterstützungs- und Integrationsprogramm zur möglichst schnellen Eingliederung von Flüchtlingen in das öffentliche Leben (AA 4.3.2019, S.19).

Quellen:

19. Grundversorgung/Wirtschaft

19.1. Wirtschaft und Arbeit

Generell erholt sich die somalische Wirtschaft weiterhin von der Dürre der Jahre 2016 und 2017. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 2,3% (UNSC 21.12.2018, S.4), 2018 bei ca. 2,8% (UNSC 15.8.2019, Absatz ,) und wird vom Internationalen Währungsfonds für 2019 und 2020 auf jeweils 3,5% prognostiziert. Das Wachstum hat sich also erholt, die Inflation wurde gebremst und das Handelsdefizit reduziert. Zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen haben gute Regenfälle und wachsende Remissen (BLO 27.2.2019), die Erstarkung des Agrarsektors, die Konsolidierung von Sicherheit und die Zunahme privater Investitionen und von Geldflüssen aus Geberländern (UNSC 21.12.2018, S.4). Eine der Triebfedern der wirtschaftlichen Entwicklung ist also die Diaspora, welche begonnen hat, in Somalia (v.a. Mogadischu und die Hauptstädte der Bundesstaaten) zu investieren (BS 2018, S.5). Auch zahlreiche Agenturen der UN (etwa UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen (ÖB 9.2016, S.23).

Allerdings hat sich das BIP pro Kopf seit 2013 von 316 US-Dollar auf 313 US-Dollar verringert, da die Bevölkerung schneller wächst als das BIP (UNSC 15.8.2019, Absatz , vergleiche UNSC 21.12.2018, S.4). Das Wirtschaftswachstum ist für die meisten Somalis zu gering, als dass sich ihr Leben dadurch verbessern würde (UNSC 21.12.2018, S.4). Außerdem behindern al Shabaab und andere nichtstaatliche Akteure kommerzielle Aktivitäten in Bakool, Bay, Gedo und Hiiraan und unterbinden die Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 13.3.2019, S.21). Folglich gehört Somalia auch weiterhin zu den ärmsten Ländern der Erde. Bei den gängigen Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen Entwicklung (BSP, Lebenserwartung, Mütter- und Kindersterblichkeit) liegt Somalia zumeist auf den letzten Plätzen. In Puntland ist die Situation besser (AA 5.3.2019a). Insgesamt sind zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren (ÖB 9.2016, S.2).

Staatshaushalt: Aufgrund der fehlenden Kontrolle über das Territorium - aber auch hinsichtlich technischer Fähigkeiten - war die Regierung bisher nicht in der Lage, ein nationales Steuersystem aufzubauen. Selbst für grundlegende Staatsausgaben ist das Land auf externe Geber angewiesen; ca. 46% der Staatsausgaben entfallen auf die nationale Sicherheit (BS 2018, S.36). Die staatlichen Steuereinnahmen nehmen zu, die Finanzverwaltung wird besser und das Vertrauen der Wirtschaft wächst (SRSG 13.9.2018, S.2; vergleiche UNSC 21.12.2018, S.5). Durch Verbesserungen bei der Finanzgebarung hat Somalia nunmehr das Potenzial, einen weiter positiven makroökonomischen Kurs einzuhalten und Raum für Investitionen über konzessionäre Darlehen zu schaffen (AA 5.3.2019a). Das Budget für 2019 wird mit 340 Mio. US-Dollar veranschlagt, im Jahr 2018 waren es ca. 277 Mio. 56% des Budgets stammen aus eigenen Einnahmen, 44% werden von Gebern beigesteuert (UNSC 21.12.2018, S.5).

Arbeit / Lebensunterhalt: Es gibt kein nationales Mindesteinkommen (USDOS 13.3.2019, Sitzung 37). Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar (ÖB 9.2016, S.18), auch wenn in Puntland und Teilen Südsomalias - insbesondere Mogadischu - der tertiäre Bildungsbereich boomt (BS 2018, S.32). Der Wirtschaft ist es nicht gelungen, ausreichend Beschäftigung zu schaffen - v.a. für Frauen und Junge (UNSC 21.12.2018, S.47). In einer von Jahrzehnten des Konflikts zerrütteten Gesellschaft hängen die Möglichkeiten des Einzelnen generell sehr stark von seinem eigenen und vom familiären Hintergrund ab (BS 2018, S.30). Aufgrund des Fehlens eines formellen Banksystems ist die Schulden-Kredit-Beziehung (debt-credit relationship) ein wichtiges Merkmal der somalischen Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei spielen Vertrauen, persönliche und Clan-Verbindungen eine wichtige Rolle - und natürlich auch der ökonomische Hintergrund. Es ist durchaus üblich, dass Kleinhändler und Greissler anschreiben lassen (RVI 9.2018, S.4).

Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft, sei es als Kleinhändler, Viehzüchter oder Bauern. Zusätzlich stellen Remissen für viele Menschen und Familien ein Grundeinkommen dar (BS 2018, S.26). Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt von der Viehzucht abhängig (UNOCHA 31.7.2019, S.2; vergleiche OXFAM 6.2018, S.4). Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8%). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (14,1%). 6,9% arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8% als Handwerker, 4,7% als Techniker, 4,1% als Hilfsarbeiter und 2,3% als Manager (UNFPA 8.2016b).

Studien darüber, wie Menschen in Mogadischu ihren Lebensunterhalt bestreiten, haben sich auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel - v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LI 1.4.2016, S.10). NGOs und der Privatsektor bieten den Menschen grundlegende Dienste - vor allem in urbanen Zentren (OXFAM 6.2018, S.4).

Von in der Reintegrationsphase befindlichen ehemaligen Angehörigen der al Shabaab wurden im September 2017 folgende Berufe genannt:

Köhler; Hilfsarbeiter am Bau in Dayniile (10 Tage pro Monat; 10 US-Dollar pro Tag); Koranlehrer am Vormittag in Dayniile (120 US-Dollar pro Monat); Rickshaw-Fahrer; Transporteur mit einer Eselkarre (10-12 US-Dollar pro Tag); Transporteur mit einer Scheibtruhe (Khalil 1.2019, S.30). Ärzte verdienen im Banadir Hospital 1.500-2.000 US-Dollar, Krankenschwestern 400-600 US-Dollar (FIS 5.10.2018, S.36). Generell hat die verbesserte Sicherheitslage in den Städten zu einem Bau-Boom geführt (OXFAM 6.2018, S.4).

Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. So berichten Personen, die aus Kenia in Orte in Süd-/Zentralsomalia zurückgekehrt sind, über mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten (USDOS 13.3.2019, S.22f). Eine Arbeit zu finden ist mitunter schwierig, verfügbare Jobs werden vor allem über Clan-Netzwerke vergeben. Auch Unternehmensgründer sind auf den Clan angewiesen. Generell ist das Clan-Netzwerk vor allem außerhalb von Mogadischu von besonderer Relevanz (FIS 5.10.2018, S.22). Männer, die vom Land in Städte ziehen, stehen oft vor der Inkompatibilität ihrer landwirtschaftlichen Kenntnisse mit den vor Ort am Arbeitsmarkt gegebenen Anforderungen (DI 6.2019, S.22f; vergleiche OXFAM 6.2018, S.10). Die Zugezogenen tun sich schwer, eine geregelte Arbeit zu finden (OXFAM 6.2018, S.10); außerdem wird der Umstieg von Selbstständigkeit auf abhängige Hilfsarbeit oft als Demütigung und Erniedrigung gesehen. Darum müssen gerade IDPs aus ländlichen Gebieten in die Lage versetzt werden, neue Fähigkeiten zu erlernen, damit sie etwa am informellen Arbeitsmarkt oder als Kleinhändler ein Einkommen finden. Dies geschieht auch teilweise (DI 6.2019, S.22f). Generell finden Männer unter anderem auf Baustellen, beim Graben, Steinebrechen, Schuhputzen oder beim Khatverkauf eine Arbeit. Ein Großteil der Tätigkeiten ist sehr anstrengend und mitunter gefährlich. Außerdem wird von Ausbeutung und Unterbezahlung berichtet (OXFAM 6.2018, S.10).

Arbeitslose: Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose keinerlei Unterstützung (LI 1.4.2016, S.11). In einer Studie von IOM aus dem Jahr 2016 gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60%) und von Verwandten im Ausland (27%) versorgt zu werden (IOM 2.2016, S.42f). Insgesamt ist das traditionelle Recht (Xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfall- (SEM 31.5.2017, S.5/32f; vergleiche GIGA 3.7.2018) bzw. Haftpflichtversicherung. Die Mitglieder des Qabiil (diya-zahlende Gruppe; auch Jilib) helfen sich bei internen Zahlungen - z.B. bei Krankenkosten - und insbesondere bei Zahlungen gegenüber Außenstehenden aus (GIGA 3.7.2018). Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, S.9/32ff).

Arbeitslosenquote: Die Arbeitslosenquote ist landesweit hoch (USDOS 13.3.2019, S.23), wobei es zu konkreten Zahlen unterschiedlichste

Angaben gibt: Laut einer Quelle liegt die Erwerbsquote (labour force participation) bei Männern bei 58%, bei Frauen bei 37% (UNSC 21.12.2018, S.4). Eine weitere Quelle erklärt im August 2016, dass 58% der männlichen Jugendlichen (Altersgruppe 15-35) ökonomisch aktiv sind, während drei von zehn Jugendlichen arbeitslos sind (UNFPA 8.2016a, S.4). In einer anderen Quelle wird die Arbeitslosenrate für 2016 mit 6,6% angeführt (BS 2018, S.25). Wieder eine andere Quelle nennt für 2012 eine Jugendarbeitslosigkeit von 67% bei 14-29jährigen (DI 6.2019, S.22). Eine weitere Quelle nennt bei 15-24jährigen eine Quote von 48% (OXFAM 6.2018, S.22FN8). Bei einer Studie aus dem Jahr 2016 gaben hingegen nur 14,3% der befragten Jugendlichen (Mogadischu 6%, Kismayo 13%, Baidoa 24%) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist, als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat;

c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von "arbeitslos" unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016).

In einer eingehenden Analyse hat UNFPA im Jahr 2016 Daten zur Ökonomie in der somalischen Gesellschaft erhoben. Dabei wird festgestellt, dass nur knapp die Hälfte der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15-64) überhaupt am Arbeitsleben teilnimmt. Der Rest ist "ökonomisch inaktiv"; in diese Gruppe fallen in erster Linie Hausfrauen, gefolgt von Schüler/Studenten, pensionierten oder arbeitsunfähigen Personen. Bei den ökonomisch Aktiven wiederum finden sich in allen Lebensbereichen deutlich mehr Männer (UNFPA 8.2016b):

• Ländlich: 68,8% der Männer - 40,5% der Frauen

• Urban: 52,6% der Männer - 24,6% der Frauen

• IDP-Lager: 55,2% der Männer - 32,6% der Frauen

• Nomaden: 78,9% der Männer - 55,6% der Frauen (UNFPA 8.2016b)

Aufgeschlüsselt für Puntland und Süd-/Zentralsomalia ergibt sich aus den UNFPA-Daten, dass dort 44,4% der erwerbsfähigen Bevölkerung arbeiten. 11,4% gelten als Arbeitssuchende. 44,2% der Bevölkerung sind ökonomisch inaktiv. Als arbeitend werden in der Studie folgende Personen bezeichnet: jene, die in den der Erhebung vorangegangenen zwölf Monaten bezahlter Arbeit nachgegangen sind oder selbständig waren. Darunter fällt auch unbezahlte (aber produktive) Arbeit in der Familie, bei welcher direkt Einkommen generiert wird (etwa Viehhüten, Arbeit am eigenen Ackerland; Wirtschaftstreibende, Dienstleister im eigenen Betrieb). [...]

Frauen: Der vor allem unter Männern vorherrschende Khat-Konsum, der im langjährigen Konflikt geforderte Blutzoll an der männlichen Bevölkerung und die hohe Scheidungsrate haben dazu geführt, dass Frauen immer mehr in ehemals männlich dominierte Wirtschaftsbereiche vorstoßen - etwa bei Viehzucht, in der Landwirtschaft und im Handel. Frauen tragen nunmehr oft den Hauptteil zum Familieneinkommen bei (ICG 27.6.2019, S.10f). Gerade auch die Hungersnot von 2011 und die Dürre 2016/17 haben den Vorstoß von Frauen in männliche Domänen weiter vorangetrieben (DI 6.2019, S.22). In Süd-/Zentralsomalia und Puntland sind Frauen in 43% der Haushalte mittlerweile die Hauptverdiener (OXFAM 6.2018, S.10).

Trotzdem bietet sich für vom Land in Städte ziehende Frauen meist nur eine Tätigkeit als z.B. Wäscherin an, da es diesen Frauen i.d.R. an Bildung und Berufsausbildung mangelt. Allerdings können sie z.B. auch als Kleinhändlerin tätig werden. Sie verkaufen Treibstoff, Milch, Fleisch, Früchte, Gemüse oder Khat auf Märkten oder auf der Straße. 80%-90% des derart betriebenen Handels wird von Frauen kontrolliert. Außerdem arbeiten Frauen in der Landwirtschaft (FIS 5.10.2018, S.24f). Andere arbeiten als Dienstmädchen, Straßenverkäuferin, Köchin, Schneiderin, Müllsammlerin (OXFAM 6.2018, S.10) oder aber auch auf Baustellen (FIS 5.10.2018, S.24f; vergleiche OXFAM 6.2018, S.10). All diese Tätigkeiten führen Frauen jenseits des ihnen traditionell zugeschriebenen Bereichs des eigenen Haushalts aus (OXFAM 6.2018, S.10). Natürlich gibt es für Frauen auch weiterhin kulturelle Einschränkungen bezüglich der Berufsausübung, z.B. können sie nicht Taxifahrer werden (FIS 5.10.2018, S.24f).

Remissen: Für viele Haushalte sind Remissen aus der Diaspora eine unverzichtbare Einnahmequelle (FIS 5.10.2018, S.22). Laut Schätzungen überweist die Diaspora pro Jahr ca. 1,2 (DI 6.2019, S.5), nach anderen Angaben 1,3 (UNSC 15.5.2019, Absatz ,) bzw. 1,4 Milliarden US-Dollar in die Heimat (RVI 9.2018, S.1). Diese Remissen, die bis zu 40% eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens ausmachen, tragen wesentlich zum sozialen Sicherungsnetz bei (BS 2018, S.30) und fördern die Resilienz der Haushalte (DI 6.2019, S.5). Nach einer Angabe empfangen nur 15% der Haushalte Remissen (UNSC 15.5.2019, Absatz ,), nach einer anderen Angabe erhalten 40% der Bevölkerung Überweisungen. Städtische Haushalte erhalten viel eher regelmäßige monatliche Remissen, dort sind es 72%. Die durchschnittliche Höhe der monatlichen Überweisungen beträgt 229 US-Dollar (RVI 9.2018, S.1f). IDPs bekommen verhältnismäßig weniger oft Remissen (DI 6.2019, S.28). Auch die Bevölkerung in Südsomalia - und hier v.a. im ländlichen Raum - empfängt verhältnismäßig weniger Geld als jene in Somaliland oder Puntland. Ein Grund dafür ist, dass dort ein höherer Anteil marginalisierter Gruppen und ethnischer Minderheiten beheimatet ist (RVI 9.2018, S.2).

Mindestens 65% der Haushalte, welche Remissen beziehen, erhalten diese regelmäßig (monatlich), der Rest erhält sie anlassbezogen oder im Krisenfall. Remissen können folglich Fluktuationen im Einkommen bzw. gestiegene Ausgaben ausgleichen. Dies ist gerade in Zeiten einer humanitären Krise - etwa jener von 2017 - wichtig. Durch Remissen können Haushalte Quantität und Qualität der für den Haushalt besorgten Lebensmittel verbessern, und ein sehr großer Teil der Überweisungen wird auch für Lebensmittel aufgewendet. Zusätzlich wird in Somalia in Zeiten der Krise auch geteilt. Menschen bitten z. B. andere Personen, von welchen sie wissen, dass diese Remissen erhalten, um Hilfe (RVI 9.2018, S.2f).

UN-HABITAT führt ein Ausbildungsprogramm für Jugendliche in Somalia, namentlich in Kismayo, Garoowe und Mogadischu durch. 400 jungen Frauen und Männern der Altersgruppe 15-35 sollen Kenntnisse im Bauwesen, Wirtschaft, Gründertum und Soft Skills vermittelt werden (UNHABITAT 16.8.2018). Auch der Bürgermeister von Mogadischu hat im Feber 2019 ein Projekt gestartet, bei welchem 400 Jugendliche aus Mogadischu, Baidoa und Kismayo eine Berufsausbildung erhalten sollen. Das Projekt wird von UNDP finanziert (AMISOM 28.2.2019).

Quellen:

19.2. Grundversorgung / Humanitäre Lage

Die humanitäre Krise in Somalia bleibt eine der komplexesten und am längsten dauernden weltweit (SRSG 3.1.2019, S.4f). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Landesteilen nicht gewährleistet (AA 5.3.2019a; vergleiche AA 4.3.2019, S.20). Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia zum Land mit dem fünftgrößten Bedarf an internationaler Nothilfe weltweit (AA 4.3.2019, S.4; vergleiche AA 5.3.2019a). Auch der bewaffnete Konflikt trägt seinen Teil dazu bei (SRSG 3.1.2019, S.4f).

Armut: Große Teile der Bevölkerung sind hinsichtlich Armut und Nahrungsversorgung vulnerabel. Eine Schätzung besagt, dass rund 77% der Bevölkerung mit weniger als 1,9 US-Dollar pro Tag auskommen müssen und daher als extrem arm gelten - insbesondere in ländlichen Gebieten und IDP-Lagern (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Nach anderen Angaben leben 69% der Bevölkerung in Armut (USDOS 13.3.2019, S.37), fast einer von drei Somalis lebt in extremer Armut. Dabei finden sich die höchsten Raten bei IDPs, in ländlichen Gemeinden und bei Nomaden (UNSC 21.12.2018, S.4). Es gibt viele IDPs und Kinder, die auf der Straße leben und arbeiten (USDOS 13.3.2019, S.32). Die ländliche Bevölkerung und IDPs befinden sich in der am meisten vulnerablen Position. Erstere verfügen kaum über Mittel, um die durch die Dürre entstandenen Verluste wieder wettzumachen. Dadurch sind sie hinsichtlich neuerlicher Katastrophen wehrlos (UNSC 21.12.2018, S.14).

Hintergrund: 60% der Somali sind zum größten Teil von der Viehzucht abhängig, 23% sind Subsistenz-Landwirte (OXFAM 6.2018, S.4). Zwei Drittel der Bevölkerung leben im ländlichen Raum. Sie sind absolut vom Regen abhängig. In den vergangenen Jahren haben Frequenz und Dauer von Dürren zugenommen. Deswegen wurde auch die Kapazität der Menschen, derartigen Katastrophen zu begegnen, reduziert. Mit jeder

Dürre wurden ihre Vermögenswerte reduziert: Tiere starben oder wurden zu niedrigen Preisen verkauft, Ernten blieben aus; es fehlt das Geld, um neues Saatgut anzuschaffen (TG 8.7.2019). Zusätzlich verstärken Mangel an Bildung, übermäßige Abhängigkeit von einem Einkommen aus der Landwirtschaft, Arbeitslosigkeit, geringes Vermögen und eine große Personenzahl im Haushalt die Vulnerabilität im Fall eines Katastrophen (z.B. Naturkatastrophe) (UNSC 15.5.2019, Absatz ,). Bereits 2016/17 wurden im Zuge der Dürre fast eine Millionen Somali vertrieben. Nur aufgrund großangelegter und erfolgreicher humanitärer Hilfe wurde eine Hungersnot verhindert (SLS 12.7.2019; vergleiche SRSG 13.9.2018, S.1).

Zwischenzeitlich hatte sich die humanitäre Situation aufgrund guter Regenfälle im Jahr 2018 etwas entspannt (SRSG 3.1.2019, S.4f; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.49). Die Sicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung hatte sich verbessert (UNSC 21.12.2018, S.14; vergleiche USDOS 13.3.2019, S.22) - nicht zuletzt aufgrund fortgesetzter humanitärer Hilfe und aufgrund überdurchschnittlicher Regenfälle (USDOS 13.3.2019, S.22). Trotzdem blieb auch dann die Zahl der auf Hilfe angewiesenen Menschen bei 4,2 Millionen (SRSG 3.1.2019, S.4f; vergleiche UNSC 21.12.2018, S.14).

Aktuelle Lage: Somalia steht wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen (SLS 12.7.2019; vergleiche UNOCHA 31.7.2019, S.1). Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu-Regenzeit (April-Juni) 2019 (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Letztere hat sehr spät eingesetzt. Der gefallene Regen hat die Dürre-Bedingungen zwar etwas entspannt und den Zustand des Viehs etwas verbessert; trotzdem reichte er nicht aus, um die Landwirtschaft nachhaltig zu stärken (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Am Ende ist die Gu zwar normal oder fast normal ausgefallen; doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Außerdem kam er um ein Monat später als normal (FAO 19.7.2019, S.1). Bereits zuvor war die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) 2018 schlecht ausgefallen und Anfang 2019 war ungewöhnlich trocken. Mit Ausnahme der Gu im Jahr 2018 ist seit Ende 2015 jede Regenzeit unterdurchschnittlich ausgefallen (UNSC 15.8.2019, Absatz 38 f, f,).

Versorgungslage / IPC: [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot] Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung (UNOCHA 31.7.2019, S.1). In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Dort wird für August/September 2019 in einigen Teilen mit IPC 3 und IPC 4 gerechnet. Das gleiche gilt für den Süden, wo aufgrund einer unterdurchschnittlichen Ernte die Lebensmittelpreise steigen werden (FEWS 31.7.2019). Der Preis für Sorghum befindet sich bereits auf einer außergewöhnlichen Höhe (UNOCHA 9.9.2019, S.1). Viele Menschen aus ländlichen Gebieten sind in Städte gezogen, um Zugang zu Hilfsgütern zu erhalten (BAMF 20.5.2019, S.5).

Verarmte Pastoralisten mit kleinen Herden stehen in den nächsten Monaten vor Lücken in der Nahrungsmittelversorgung. Davon sind landesweit auch viele Agropastoralisten und Bauern betroffen. Während der Viehbestand vorübergehend von besserer Weide profitiert, ist in der Landwirtschaft mit einem Ernteausfall von 50% zu rechnen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,) - etwa bei Mais und Sorghum (DEVEX 9.7.2019). Nach neueren Angaben war die letzte Ernte in Südsomalia die schlechteste seit 1995 - 68% unter dem Durchschnitt; im Nordwesten lag sie mit 44% unter dem Durchschnitt (FEWS 2.9.2019a).[...]

Bei gegebener humanitärer Hilfe gilt für die meisten ländlichen Gebiete im September 2019 IPC 2. In Agrargebieten von Guban (Somaliland), Bay und Bakool sowie in Teilen von Hiiraan, Galgaduud, Lower und Middle Juba gilt IPC 3. Dahingegen haben stabile Lebensmittelpreise und Arbeitsmöglichkeiten in den meisten städtischen Gebieten dazu beigetragen, dass IPC 2 nicht überschritten wurde oder auch nur IPC 1 gilt. Lediglich in Städten in Sool, Sanaag und Hiiraan wird mitunter auch IPC 3 verzeichnet - bedingt durch hohe Lebenskosten und begrenzte Einkommensmöglichkeiten (FEWS 2.9.2019a).

Humanitäre Hilfe: Die Bundesregierung und Hilfsorganisationen haben einen Drought Impact Response Plan (DIRP) auf die Beine gestellt, damit soll 4,5 Millionen Menschen kritisch notwendige lebenserhaltende Unterstützung zukommen (UNOCHA 31.7.2019, S.1; vergleiche SLS 12.7.2019). Mit der Umsetzung wurde bereits begonnen. Die Kosten werden bis Dezember 2019 mit 686 Millionen US-Dollar beziffert. Insgesamt sind die Hilfsprogramme aber unterfinanziert, manche Agenturen müssen ihre Maßnahmen sogar zurückfahren (UNOCHA 31.7.2019, S.1f). Im September 2019 war der DIRP nur zu 50% ausfinanziert (UNOCHA 9.9.2019, S.2). So wurden z.B. im Juni 2019 nur 1,4 Millionen Menschen mit Nahrungsmittelhilfe erreicht, angepeilt wurden hingegen 2,2 Millionen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Hilfsprojekte von internationalen Organisationen oder NGOs erreichen in der Regel nicht alle Bedürftigen (AA 4.3.2019, S.20).

Organisationen wie Safe the Children versuchen der Krise mit Wasserversorgung, Behandlung unterernährter Kinder, Gesundheitsversorgung, Geld- und anderen Hilfen entgegenzutreten (STC 3.9.2019). Überhaupt wird Hilfe oft in Form von Geldhilfen mittels mobiler Überweisungen zur Verfügung gestellt. Bereits im Jahr 2017 erhielten ca. drei Millionen Menschen derartige Geldhilfen. 60% der Nahrungsmittelhilfe des WFP wurde schon 2017 über mobile Überweisungen ausgegeben (DEVEX 26.1.2018). Von den unterschiedlichen Programmen im Bereich Geldtransfers wurden schon damals mehr als drei Millionen Menschen erreicht (DI 6.2019, S.27).

Folgende Organisationen sind beispielsweise in folgenden Städten in einem oder mehreren der genannten Bereiche tätig:

* Baidoa (Kinderschutz, Gesundheit, Rückkehr/Unterkunft, Lokalverwaltung, Katastrophenmanagement, Kommunikation): World Vision, Save the Children International, Médecins Sans Frontières, International Organization for Migration (IOM), IMC Worldwide, Somalia's Ministry of Resettlement, Disaster Management and Disability Affairs, Ministry of Humanitarian Affairs, Ministry of Planning, Baidoa District Administration, Bay Regional Administration, Gargaar Relief and Development Organization (GREDO), Social-life and Agricultural Development Organization (SADO), Radio Baidoa, Baidoa Specialist Hospital;

* Belet Weyne (Bildung, Schutz, Ernährung und Gesundheit, Nahrungsversorgungssicherheit, humanitäre Hilfe, Geldtransfer-Programme): UNICEF, Danish Refugee Council (DRC), the International Committee of the Red Cross (ICRC), Relief International, World Food Programme (WFP), Merci, World Health Organisation (WHO), UN OCHA, WARDI, Green Hope, Global Guardian Somalia Security Services, Beledweyne Private School;

* Kismayo (handwerkliche Ausbildung, Unterstützung beim Lebensunterhalt mit Lebensmittelgutscheinen und anderen Aktivitäten, Unterkunft, Bildung): Jubaland Chamber of Commerce & Industry (JCCI), American Refugee Committee (ARC), IOM, CARE, Norwegian Refugee Council (NRC), Daallo Airlines, Kismayo University (DI 6.2019, S.25f);

Al Shabaab und andere nichtstaatliche Akteure behindern die Leistung humanitärer Hilfe und die Lieferung von Hilfsgütern an vulnerable Bevölkerungsteile - speziell in Süd-/Zentralsomalia (USDOS 13.3.2019, S.15/21; vergleiche SEMG 9.11.2018, S.5f/42; UNSC 15.5.2019, Absatz ,). In den Gebieten unter Kontrolle der Gruppe wurden Aktivitäten humanitärer Organisationen gänzlich verboten. Eine Ausnahme davon gibt es für die der al Shabaab zugerechnete al Ihsaan (SEMG 9.11.2018, S.5f/42). Nach anderen Angaben erlaubt al Shabaab Hilfsorganisationen zunehmend, auf ihrem Gebiet tätig zu sein (ICG 27.6.2019, S.11).

Es kam außerdem zur Plünderung humanitärer Hilfsgüter durch al Shabaab (USDOS 13.3.2019, S.16). Im Jahr 2018 gab es mindestens 110 gewaltsame Zwischenfälle mit Auswirkungen auf humanitäre Organisationen. Dabei kamen neun Mitarbeiter ums Leben, 13 wurden verletzt, 18 entführt und 17 vorübergehend verhaftet (UNSC 21.12.2018, S.145).

Gesellschaftliche Unterstützung: Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem (BS 2018, S.30), keinen sozialen Wohnraum und keine Sozialhilfe (AA 4.3.2019, S.20). In Mogadischu muss für jede Dienstleistung bezahlt werden, es gibt keine öffentlichen Leistungen (FIS 5.10.2018, S.22). Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor (BS 2018, S.30). Das eigentliche soziale Sicherungsnetz für Personen, deren Unterhalt und Überleben in Gefahr ist, bilden (Sub-)Clan (OXFAM 6.2018, S.11f; vergleiche BS 2018, S.30, AA 4.3.2019, S.20), erweiterte Familie (BS 2018, S.30; vergleiche AA 4.3.2019, S.20) und Remissen aus dem Ausland (BS 2018, S.30). Während Krisenzeiten (etwa Hungersnot 2011 und Dürre 2016/17) helfen neben Familie und Clan auch andere soziale Verbindungen - seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten. Auch für IDPs stellen solche Netzwerke die Hauptinformationsquelle dar, wo sie z.B. Unterkunft und Nahrung finden können (DI 6.2019, S.15).

Generell stellt in (persönlichen) Krisenzeiten die Hilfe durch Freunde oder Verwandte die am meisten effiziente und verwendete Bewältigungsstrategie dar (DI 6.2019, S.17). 22% der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten, 28% bei institutionellen Pflegeeinrichtungen (7%) untergebracht. Weitere 28% schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn (OXFAM 6.2018, S.11f). In der somalischen Gesellschaft - auch bei den Bantu - ist die Tradition des Austauschs von Geschenken tief verwurzelt. Mit dem traditionellen Teilen werden in dieser Kultur der Gegenseitigkeit bzw. Reziprozität Verbindungen gestärkt. Folglich wurden auch im Rahmen der Dürre 2016/17 die über Geldtransfers zur Verfügung gestellten Mittel und Remissen mit Nachbarn, Verwandten oder Freunden geteilt - wie es die Tradition des Teilens vorsah (DI 6.2019, S.20f).

Die hohe Anzahl an IDPs zeigt aber, dass manche Clans nicht in der Lage sind, der Armut ihrer Mitglieder entsprechend zu begegnen. Vor allem, wenn Menschen in weit von ihrer eigentlichen Clan-Heimat entfernte Gebiete fliehen, verlieren sie zunehmend an Rückhalt und setzen sich größeren Risiken aus. Eine Ausnahme davon bilden Migranten, die ihren Familien und Freunden mit Remissen helfen können (DI 6.2019, S.12).

Andererseits liegen keine Informationen vor, wonach es gesunden jungen Männern im arbeitsfähigen Alter (15-29 Jahre; 14 % der Gesamtbevölkerung Somalias) an einer Existenzgrundlage mangeln würde, oder dass alle diese Männer keine Unterkunft haben würden (BFA 11.5.2018, S.18).

Quellen:

19.3. Rückkehrspezifische Grundversorgung

Unterstützung / Netzwerk: Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, S.5/31f). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein (ÖB 9.2016, S.17; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.63). Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld gestaltet sich die Situation schwierig. Im herausfordernden Umfeld von Mogadischu sind entweder ein funktionierendes Netzwerk oder aber genügend Eigenressourcen notwendig, um ein Auslangen finden zu können. Ein Netzwerk ist z.B. hinsichtlich Arbeitssuche wichtig [siehe Abschnitt 21.1] (FIS 5.10.2018, S.22). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ 10.2017, S.73f).

Unterstützung extern: Außerdem haben Rückkehrer nach Mogadischu dort üblicherweise einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Hinzu kommen Remissen von Verwandten im Ausland. Hingegen erhalten IDPs vergleichsweise weniger Remissen (REDSS 3.2017, S.29). Für Rückkehrer aus dem Jemen (LIFOS 3.7.2019, S.63) und Kenia gibt es seitens UNHCR finanzielle Unterstützung. Bei Ankunft in Somalia bekommt jede Person eine Einmalzahlung von 200 US-Dollar, danach folgt eine monatliche Unterstützung von 200 US-Dollar pro Haushalt und Monat für ein halbes Jahr. Das World Food Programm gewährleistet für ein halbes Jahr eine Versorgung mit Nahrungsmitteln. Für Schulkosten werden 25 US-Dollar pro Monat und Schulkind ausbezahlt. Bei Erfüllung bestimmter Kriterien wird für die Unterkunft pro Haushalt eine Summe von 1.000 US-Dollar zur Verfügung gestellt (UNHCR 30.9.2018, S.6; vergleiche LIFOS 3.7.2019, S.63), die etwa zur Organisation einer Unterkunft dienen können (LIFOS 3.7.2019, S.63). Rückkehrer aus Tansania erhielten Hilfe im Rahmen einer EU-IOM-Initiative (TC 7.10.2018). Deutschland unterstützt in Jubaland ein Vorhaben, das der Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinden für freiwillige Rückkehrer dient (AA 4.3.2019, S.20).

Unterkunft: Der Immobilienmarkt in Mogadischu boomt, die Preise sind gestiegen (BS 2018, S.29). Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Diesbezüglich auftretende Probleme können durch ein vorhandenes Netzwerk abgefedert werden (LIFOS 3.7.2019, S.63). Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an (LIFOS 3.7.2019, S.63; vergleiche AA 4.3.2019, S.20; USDOS 13.3.2019, S.22). Vom Returnee Management Office (RMO) der somalischen Immigrationsbehörde kann gegebenenfalls eine Unterkunft und ein innersomalischer Weiterflug organisiert und bezahlt werden, die Rechnung ist vom rückführenden Staat zu begleichen. Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden (AA 4.3.2019, S.20f).

Frauen: Prinzipiell gestaltet sich die Rückkehr für Frauen schwieriger als für Männer. Eine Rückkehrerin ist auf die Unterstützung eines Netzwerks angewiesen, das in der Regel enge Familienangehörige - geführt von einem männlichen Verwandten - umfasst. Für alleinstehende Frauen ist es mitunter schwierig, eine Unterkunft zu mieten oder zu kaufen (FIS 5.10.2018, S.23).

Quellen:

20. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft (AA 4.3.2019, S.21; vergleiche FIS 5.10.2018, S.35). Medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung (AA 5.3.2019a), de facto ist nur eine Primärversorgung verfügbar (FIS 5.10.2018, S.35). Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 54 Jahre für Männer und 57 Jahre für Frauen. Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen. Die Quoten von Mütter- und Säuglingssterblichkeit sind unter den höchsten weltweit (AA 4.3.2019, S.21). Ein Grund für die hohe Zahl bei der Müttersterblichkeit ist die schlechte Verfügbarkeit medizinischer Versorgung. Oft ist das nächste Gesundheitszentrum oder das nächste Spital zu weit entfernt, und die Beförderung dorthin mitunter teuer und gefährlich (FIS 5.10.2018, S.36). Al Shabaab hat die medizinische Versorgung eingeschränkt - etwa durch die Behinderung zivilen Verkehrs, die Vernichtung von Medikamenten und die Schließung von Kliniken (USDOS 13.3.2019, S.16).

Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Zudem behindert die unzureichende Sicherheitslage ihre Arbeit. Versorgungs- und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen mussten auch immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Anordnungen örtlicher (islamistischer) Machthaber unterbrochen werden (AA 4.3.2019, S.21). Der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus ist erheblich schlechter. In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind. In manchen Spitälern kann bei Notlage über die Ambulanzgebühr verhandelt werden (FIS 5.10.2018, S.36). Das Keysaney Hospital wird von der Somali Red Crescent Society (SRCS) betrieben. Zusätzlich führt die SRCS Rehabilitationszentren in Hargeysa, Mogadischu und Galkacyo (SRCS 6.2019, S.9). Die Spitäler Medina und Keysaney (Mogadischu) sowie in Kismayo und Baidoa werden vom Roten Kreuz unterstützt (ICRC 27.3.2019). Weitere 32 Kliniken der Somali Red Crescent Society werden ebenfalls unterstützt (ICRC 1.2019, S.2).

Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer. Schon ein kleiner operativer Eingriff kostet 100 US-Dollar. Am Banadir Hospital in Mogadischu wird eine Ambulanzgebühr von 5-10 US-Dollar eingehoben, die Behandlungsgebühr an anderen Spitälern beläuft sich auf 5-12 US-Dollar. Medikamente, die Kindern oder ans Bett gebundenen Patienten verabreicht werden, sind kostenlos. Üblicherweise sind die Kosten für eine Behandlung aber vom Patienten zu tragen (FIS 5.10.2018, S.35f). Insgesamt betreibt die SRCS 75 stationäre und 54 mobile Kliniken und gibt an, damit rund 2 Millionen Menschen abzudecken. Im Jahr 2018 konnten mehr als 1,3 Millionen Patienten behandelt werden. Davon waren 42% Kinder und 39% Frauen. Die häufigsten Behandlungen erfolgten in Zusammenhang mit akuten Atemwegserkrankungen (23,7%), Durchfallerkrankungen (23,7%), Anämie (11,2%), Hautkrankheiten (6,4%), Harnwegsinfektionen (12,3%) und Augeninfektionen (4,4%) (SRCS 6.2019, S.9f).

Psychiatrie: Es gibt nur fünf bei der WHO registrierte Zentren zur Betreuung psychischer Erkrankungen und nur drei Psychiater. Diese befinden sich in Berbera, Bossaso, Garoowe, Hargeysa und Mogadischu (WHO 2019a; vergleiche TNH 26.6.2019). Von der Regierung gibt es so gut wie keine Unterstützung für diese Einrichtungen, sie sind von Spenden abhängig. Es gibt eine hohe Rate an Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung. Psychisch Kranken haftet meist ein mit Diskriminierung verbundenes Stigma an (TNH 26.6.2019). Nach wie vor ist das Anketten psychisch Kranker eine weit verbreitete Praxis (WHO 2019a). Psychische Probleme werden durch den bestehenden Konflikt und den durch Instabilität, Arbeits- und Hoffnungslosigkeit verursachten Stress gefördert. Schätzungen zufolge sind 30% der Bevölkerung betroffen (FIS 5.10.2018, S.34).

In Puntland gibt es nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums fünf regionale Spitäler (in Bossaso, Garoowe, Galkacyo und Qardho), sieben Bezirksspitäler, 72 medizinische Zentren, 192 Gesundheitsposten und vier psychologische Zentren; außerdem werden drei Stabilisierungszentren (Ernährung), neun Tuberkulose-Eindämmungseinheiten und vier sogenannte VCT-Zentren (Voluntary Counselling and Testing; HIV/AIDS) betrieben (PMH 2016). Neben den öffentlichen Spitälern gibt es auch Privatkliniken, wie z.B. das Puntland Hospital in Bossaso (PHB 2018). Deutschland hat mehrere Millionen Euro in Gesundheitsprojekte in Puntland investiert (KFW o.D.). Im Jahr 2017 ist Ärzte ohne Grenzen wieder nach Puntland zurückgekehrt (AA 4.3.2019, S.21).

Verfügbarkeit: Speziellere medizinische Versorgung - etwa Chirurgie - ist nur eingeschränkt verfügbar. In öffentlichen Einrichtungen fast gar nicht, unter Umständen aber in privaten. So werden selbst am Banadir Hospital - einem der größten Spitäler des Landes, das über vergleichsweise gutes Personal verfügt und auch Universitätsklinik ist - nur einfache Operationen durchgeführt. Patienten, die auf eine anspruchsvolle Behandlung angewiesen sind, müssen nach Somaliland, Kenia oder Äthiopien ausweichen (FIS 5.10.2018, S.35).

* Orthopädische Behandlungen gibt es nur in eingeschränktem Ausmaß (FIS 5.10.2018, S.35).

* Krebs: Es gibt landesweit keine Behandlungsmöglichkeiten (FIS 5.10.2018, S.35).

* Dialyse: Hargeysa Group Hospital; auch in Mogadischu besteht die Möglichkeit einer Dialyse (FIS 5.10.2018, S.35).

* Psychische Krankheiten: Es gibt zwar mittlerweile einige Institutionen für psychisch Kranke, generell ist die Verfügbarkeit psychiatrischer Versorgung aber sehr beschränkt (FIS 5.10.2018, S.37).

* HIV/AIDS: Das Banadir Hospital in Mogadischu bietet eine kostenlose Versorgung mit anti-retroviralen Medikamenten (FIS 5.10.2018, S.37).

* Diabetes: In Mogadischu und den meisten anderen Landesteilen bestehen Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für Diabetes, u.a. auch für D. Mellitus Typ 2. Im Jahr 2016 werden für Mogadischu 57 entsprechende Gesundheitseinrichtungen genannt. Landesweit bieten 59% der Spitäler Diagnose und Behandlung von Diabetes an (BFA 4.3.2019, S.3).

* Epilepsie: Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente sind in Mogadischu verfügbar, für viele Patienten aber sehr teuer. Die Habeeb Mental Health Foundation bietet für Bedürftige kostenlose Behandlung an (ACCORD 25.8.2017, S.1f).

* Rehabilitation/Physio: An den Rehabilitationszentren der SRCS in Mogadischu und Galkacyo werden Prothesen, Orthosen, Physiotherapie, Rollstühle und Gehhilfen organisiert, unterhalten und repariert (SRCS 6.2019, S.21).

Medikamente: Grundlegende Medikamente sind verfügbar, darunter solche gegen die am meisten üblichen Krankheiten sowie jene zur Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie und von Geschwüren. Auch Schmerzstiller sind verfügbar. In den primären Gesundheitszentren ländlicher Gebiete kann es bei Medikamenten zur Behandlung chronischer Krankheiten zu Engpässen kommen (FIS 5.10.2018, S.37). Nach anderen Angaben kommt es in Krankenhäusern allgemein immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und anderen medizinischen Verbrauchsmaterialien (AA 17.9.2019).

Medikamente können ohne Verschreibung gekauft werden. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in erster Linie über private Apotheken. Für Apotheken gibt es keinerlei Aufsicht (FIS 5.10.2018, S.37).

Quellen:

21. Rückkehr

Rückkehr international: Schon nach den Jahren 2011 und 2012 hat die Zahl der aus der Diaspora nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehrenden Menschen stark zugenommen. Es gibt keine Statistiken, doch alleine die vollen Flüge nach Mogadischu und die sichtbaren Investments der Diaspora scheinen die Entwicklung zu bestätigen (EASO 12.2017, S.55). Schon in einer Studie aus dem Jahr 2016, bei welcher 130 Somali der Diaspora in London, Minneapolis, Toronto, Bern, Malmö, Amsterdam und Helsinki befragt wurden, gaben viele an, bereits nach Somalia zu reisen (UNHCR 1.2016). Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft (BFA 3./4.2017). Repräsentanten der somalischen Gemeinde in London geben an, dass hunderte ihrer Kinder nach Somalia, Somaliland und Kenia ausgeflogen wurden. Grund dafür ist die wachsende Sorge der Eltern vor Drogenbanden und Gewalt in England (TG 9.3.2019).

Im Jahr 2017 sind 245 Personen aus der EU und anderen europäischen Staaten nach Somalia zurückgebracht worden. Im ersten Halbjahr 2018 waren es 208. Aus Europa führen folgende Länder Abschiebungen durch:

Großbritannien, Schweiz (nur unterstützte freiwillige Rückkehr), Schweden, Norwegen, Finnland, Deutschland (AQ2 3.2019). Auch Dänemark und Belgien führen grundsätzlich Abschiebungen nach Mogadischu und Hargeysa durch. Schweden unterstützt freiwillige Rückkehrer. Finnland kann in Ausnahmefällen verurteilte Straftäter nach Somaliland zurückführen, Schweden nach Somaliland und Puntland. Aus den USA wurden über 200 Somali nach Mogadischu abgeschoben. 2018 hat auch die Schweiz erstmals nach Mogadischu abgeschoben. Die Niederlande haben derzeit ihre Rückführungen nach Somalia ausgesetzt (AA 4.3.2019, S.22), allerdings kehrten im Jahr 2017 elf Personen und im Jahr 2018 mindestens sechs Personen freiwillig von dort nach Somalia zurück (NLMBZ 3.2019, S.55).

Rückkehr regional: Bis Juli 2019 sind insgesamt 90.058 Somalis über AVR-Programme des UNHCR zurückgeführt worden, mehrheitlich aus Kenia, aber auch aus Dschibuti, Libyen und dem Jemen (UNSC 15.8.2019, Absatz ,). Aus dem Jemen sind dort als Flüchtlinge anerkannte Somali zurückgekehrt (AA 4.3.2019, S.19). Diese Rückkehrbewegung setzt sich weiterhin fort. Mehr als 75% der Rückkehrer aus dem Jemen gehen nach Mogadischu (UNHCR 30.6.2019a). Immer mehr Somalis im Jemen wenden sich an den UNHCR, um Unterstützung für ihre Rückkehr zu erhalten. Knapp 4.300 Flüchtlinge von ihnen wurden bis Mai 2019 nach Somalia zurückgebracht (MMC 18.7.2019, S.9).

Der UNHCR und andere internationale Partner unterstützen seit 2014 die freiwillige Rückkehr von Somaliern aus Kenia. Grundlage ist ein trilaterales Abkommen zwischen Kenia, Somalia und dem UNHCR (AA 4.3.2019, S.20; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.54). Die Remigration von Kenia nach Somalia erfolgt hauptsächlich über Land, wobei die Fahrt bis an die Grenze organisiert wird, und die Rückkehrer dann innerhalb Somalias den Transport selbst arrangieren. Bislang gab es hierbei kaum sicherheitsrelevante Zwischenfälle. Al Shabaab richtet sich nicht gegen Rückkehrertransporte oder -Lager (NLMBZ 3.2019, S.54; vergleiche BFA 3./4.2017). Seit Abschluss des trilateralen Abkommens kehrten mit Unterstützung des UNHCR (Stand Juni 2019) 84.227 Menschen aus Kenia nach Somalia zurück (UNHCR 30.6.2019b). Diese gingen vor allem nach Kismayo (AA 4.3.2019, S.20; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.54) und das südliche Jubaland, wobei im vergangenen Jahr eine Ausweitung der Rückkehrgebiete zu verzeichnen war (AA 4.3.2019, S.20). Andere gingen nach Mogadischu, Baidoa und Luuq (BS 2018, S.29). Viele der nach Kismayo kommenden Rückkehrer stammen eigentlich aus Middle Juba, wohin sie aufgrund der Kontrolle durch al Shabaab aber nicht gehen möchten. Viele der Rückkehrer gehören zu den Rahanweyn/Digil-Mirifle oder sind Bantus (FIS 5.10.2018, S.21; vergleiche NLMBZ 3.2019, S.54f).

Seit Frühjahr 2018 unterstützt die sogenannte EU-IOM Joint Initiative for Migrant Protection and Reintegration rückkehrwillige somalische Migranten vornehmlich in Libyen und Äthiopien. Die Leistungen umfassen Beratung zu Möglichkeiten der Rückkehr sowie der Integration in den somalischen Arbeitsmarkt. Außerdem wird die Entwicklung von standardisierten Rückführungsverfahren nach Somalia gefördert (AA 4.3.2019, S.21). 2018 wurde von der EU-IOM-Initiative aber auch 17 in Tansania gestrandeten somalischen Staatsangehörigen geholfen, indem Heimreise und Reintegrationsmaßnahmen finanziert wurden (TC 7.10.2018).

Behandlung: Es sind keine Fälle bekannt, wo somalische Behörden Rückkehrer misshandelt haben (NLMBZ 3.2019, S.52). Die Zahl der von westlichen Staaten zurückgeführten somalischen Staatsangehörigen nimmt stetig zu. Mit technischer und finanzieller Unterstützung haben sich verschiedene westliche Länder über die letzten Jahre hinweg für die Schaffung und anschließende Professionalisierung eines speziell für Rückführung zuständigen Returnee Management Offices (RMO) innerhalb des Immigration and Naturalization Directorates (IND) eingesetzt. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge der Rückkehrer, nach vorliegenden Erkenntnissen werden Rückkehrer vom RMO/IND grundsätzlich mit Respekt behandelt (AA 4.3.2019, S.21). Am Flughafen kann es zu einer Befragung von Rückkehrern kommen (NLMBZ 3.2019, S.52). Das RMO befragt sie hinsichtlich Identität, Nationalität, Familienbezügen sowie zum gewünschten zukünftigen Aufenthaltsort. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (AA 4.3.2019, S.20f).

Rückkehrern in Gebiete von al Shabaab könnte zwar vorgeworfen werden, als Spione zu dienen (BFA 8.2017, S.42); ob ein Rückkehrer tatsächlich zum Ziel von al Shabaab wird, hängt aber maßgeblich von seinem eigenen Verhalten ab. Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur al Shabaab (DIS 3.2017, S.24). [siehe auch Abschnitte 19, 18.4 und 3.1.6]

Erreichbarkeit: Einen regelmäßigen Direktflugverkehr nach Mogadischu nach westlichen Standards gibt es mit Turkish Airlines aus Istanbul und Ethiopian Airlines aus Addis Abeba. Darüber hinaus fliegen nur regionale Fluglinien, die Vereinten Nationen, die Europäische Union und private Chartermaschinen Mogadischu aus Nairobi regelmäßig an. Für Rückführungen somalischer Staatsbürger werden die Verbindungen der Turkish Airlines via Istanbul bzw. via Nairobi mit Jubba Airways bevorzugt. Bei Ersterer erfolgt meist eine polizeiliche Eskortierung bis Mogadischu, bei Letzterer nur bis Nairobi, da die Fluglinie sich dann gegen die Zahlung einer gewissen Gebühr um die Sicherheit kümmert (AA 4.3.2019, S.22).

Quellen:

22. Dokumente

In Süd-/Zentralsomalia spielen Dokumente kaum eine Rolle (NLMBZ 3.2019, S.28). Seit dem Fall von Siad Barre 1991 herrscht in Somalia eine "dokumentenlose" Gesellschaft. Normalerweise identifizieren sich Somalis durch Dialekt und Clanzugehörigkeit. Üblicherweise verfügen nur jene Somali über Dokumente, die vorhaben, ins Ausland zu reisen (LIFOS 9.4.2019, S.13). Innerhalb des Landes sind keine Dokumente notwendig. Selbst an Checkpoints dient als Identifizierungsmerkmal der Clanhintergrund (NLMBZ 3.2019, S.28).

Identitätsprüfung: Möchte jemand ein Dokument beantragen, dann muss er sich an jene Lokalbehörde wenden, wo er geboren wurde oder lebt (LIFOS 9.4.2019, S.15f). Nachdem in Somalia kein Personenstandsverzeichnis existiert, erfolgt die Ausstellung von Dokumenten allein aufgrund der mündlichen Angaben der antragstellenden Person (ÖB 9.2016, S.6; vergleiche LI 14.6.2018, S.17) und ggf. anwesenden Zeugen und Verwandten (LI 14.6.2018, S.17; vergleiche LIFOS 9.4.2019, S.15f; ÖB 9.2016, S.6). Die Person selbst wird interviewt und nach dem Ältesten befragt, mit dem ggf. Kontakt aufgenommen wird (LIFOS 9.4.2019, S.15f), denn die verlässliche Feststellung von Identitäten erfolgt oft durch Älteste eines Dorfes (ÖB 9.2016, S.6). Um eine Identität tatsächlich festzustellen, wenden sich somalische Behörden an den betroffenen (Sub-)Subclan (BFA 3./4.2017). Folglich kann es bei Angaben, die zur Ausstellung eines Dokuments gemacht werden müssen, leicht zu Falschangaben kommen (LIFOS 9.4.2019, S.34f).

Zusätzlich fördern schwache Institutionen, niedrige Gehälter und eine Kultur der Korruption die Bestechlichkeit von Beamten, welche Dokumente ausstellen. Auch die starken Loyalitäten, die auf dem Clansystem beruhen, kommen hier zu tragen. In das System der Identifizierung einzelner Personen kann folglich nicht viel Vertrauen gelegt werden (LIFOS 9.4.2019, S.34ff). Es besteht keine Möglichkeit, über amtliche Register verlässliche Auskünfte über somalische Staatsangehörige in Süd-/Zentralsomalia sowie in Puntland zu erhalten (AA 1.1.2017).

Dokumente: Reisepässe können außerhalb Somalias auch an 27 somalischen Botschaften beantragt werden. Eine Beantragung erfolgt persönlich und unter Vorlage der Geburtsurkunde. Letztere kann ebenfalls an der Botschaft beantragt werden (NLMBZ 3.2019, S.29ff). Allerdings ist weithin bekannt, dass die große Mehrheit somalischer Geburtsurkunden entweder Fälschungen oder aber für einen Identitätsnachweis unbrauchbar sind (LIFOS 9.4.2019, S.34f). Selbst somalische Behörden schenken somalischen Geburtsurkunden nur wenig Vertrauen (BFA 3./4.2017).

In Puntland erhalten nicht-puntländische Somali zwar keinen puntländischen Ausweis; sie können aber eine Personalurkunde erhalten (warqadda sugnaanta), wo ihre eigentliche Herkunft eingetragen ist. Für IDPs aus anderen Teilen Somalias gibt es in Puntland eigene ID-Karten (LIFOS 9.4.2019, S.17).

Ehen werden vor einem Schariagericht geschlossen und auch wieder aufgelöst. Die Scharia-Gerichte können Ehe- und Scheidungsurkunden ausstellen, doch gibt es kein zentrales Verzeichnis, das die Akte der Gerichte nachprüfbar macht (ÖB 9.2016, S.11). Es gibt keine Zivilehe (LI 14.6.2018, S.7).

Dokumenten mangelt es insgesamt an nachweisbaren Grundlagen und Verlässlichkeit der Angaben. Dieser Umstand öffnet die Tür für Betrug und Missbrauch. Personen mit fünf verschiedenen Reisedokumenten und fünf darin anderslautenden Namen sind keine Seltenheit. Hinzu kommen erschwerend die häufige Namensgleichheit bzw. verschiedene Namensschreibweisen (ÖB 9.2016, S.6). Für ethnische Somali aus den Nachbarländern scheint es kein Problem zu sein, an echte somalische Dokumente zu gelangen. Sowohl in Kenia als auch in Äthiopien sind zahlreiche eigene Staatsbürger somalischer Ethnie als aus Somalia stammende Flüchtlinge registriert (BFA 3./4.2017).

Für Somalier ist es einfach, echte Dokumente (fast jeden) unwahren Inhalts zu besorgen, darunter auch unrichtige Pässe der Nachbarländer Dschibuti, Äthiopien und Kenia. In Somalia selbst, aber auch z.B. im Stadtteil Eastleigh in Nairobi, werden gefälschte somalische Reisepässe ebenso wie zahlreiche andere gefälschte Dokumente zum Verkauf angeboten (AA 4.3.2019, S.23). Bei der Ausstellung von Pässen kommt es zu Korruption (BS 2018, S.19). Aufgrund der weitverbreiteten Fälschungen anerkennt kaum ein Staat der Welt den somalischen Reisepass als gültiges Reisedokument. Seit August 2018 ist Norwegen eine Ausnahme (USDOS 13.3.2019, S.21).

Die Echtheit von Dokumenten bzw. Urkundenüberprüfungen hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit bzw. dem Wahrheitsgehalt von Dokumenten kann von österreichischen Vertretungsbehörden keinesfalls überprüft werden (ÖB 9.2016, S.6).

Quellen:

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der BF (Staatsangehörigkeit, Clanzugehörigkeit und Religion) und ihrer Herkunft ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben der BF im gesamten Verfahren.

Zur Feststellung, dass die BF alleinstehend, ohne männlichen Schutz und familiäres Netzwerk ist, ist zu sagen, dass bereits die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in Bezug auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin eine alleinstehende Frau ohne familiäres Netzwerk ist vergleiche Sitzung 11 des angefochtenen Bescheides). Hinweise dafür, an dieser Einschätzung zu zweifeln, haben sich für das Bundesverwaltungsgericht nicht ergeben.

Die Feststellung zur Gefährdung der Beschwerdeführerin, im Falle einer Rückkehr Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden, ergibt sich aus der Zusammenschau der Feststellungen zur persönlichen Situation der Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz und den unter 1.2. festgestellten Länderinformationen. Es besteht daher die Möglichkeit, dass sich die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in einer mit einer IDP vergleichbaren Situation wiederfinden würde und somit im Falle einer Rückkehr in ein entsprechendes Lager gehen müsste. Aus diesen Berichten ergibt sich auch, dass staatlicher Schutz nicht gewährleistet ist. Daher war die entsprechende Feststellung zu einer Gefährdung zu treffen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen zur Situation in Somalia, beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.09.2019 und den dort angeführten Quellen. Bei den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Somalia ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Asylgewährung:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind vergleiche VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse vergleiche VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein vergleiche VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

Die Beschwerdeführerin muss zur Zeit als alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz angesehen werden, die in Mogadischu über keine relevanten familiären oder clanbezogenen Anknüpfungspunkte verfügt. Sie unterliegt damit einer ausreichend wahrscheinlichen und aktuellen Verfolgungsgefahr als Mitglied der sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden.

Von einer Schutzfähigkeit und -willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden kann nach der aktuellen Berichtslage nicht ausgegangen werden.

Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil Paragraph 11, AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind vergleiche VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016). Im Lichte der Berichtserstattung zu den IDP erscheint die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative jedenfalls nicht zumutbar.

Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des Paragraph 6, AsylG ergeben haben, ist der Beschwerdeführerin nach dem oben Gesagten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2019:W111.2141013.1.00