BVwG
07.01.2019
W254 2146054-1
W254 2146054-1/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 alias römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch Mag.a Brigitte BALDAUF, MU, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bezüglich des am 19.05.2014 gestellten Antrags auf internationalen Schutz zur Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.10.2018, zu Recht:
A)
römisch eins. Der Antrag auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG abgewiesen.
römisch II. Dem Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG in Bezug auf Somalia stattgegeben.
römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wird römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 07.01.2020 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz "BF" genannt) stellte am 19.05.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Am 19.05.2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt, bei der er angab, am römisch 40 in römisch 40 , Somalia geboren zu sein, ledig, der Volksgruppe der Gabooye anzugehören und Moslem zu sein. Als Muttersprache führte er Somalisch an, welche er in Wort und Schrift beherrsche. Er habe keine Ausbildung. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an, Somalia, am XXXX2013 aufgrund seiner Minderheitenangehörigkeit und der schlechten Sicherheitslage verlassen zu haben.
1.3. Am 26.05.2014 wurde der BF vor der belangten Behörde im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Darin wiederholte der BF sein in der Erstbefragung angegebenes Geburtsdatum und führte weiters aus, keinen Kontakt zu seinen in Somalia lebenden Eltern zu haben.
1.4. Über Auftrag der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer am XXXX2014 einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für medizinische Begutachtung in Asylverfahren vorgestellt, der beim BF zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von römisch 40 Jahren und ein spätmöglichstes fiktives Geburtsdatum mit römisch 40 errechnete. Eine Abschrift des medizinischen Sachverständigengutachtens wurde dem BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 09.10.2018 ausgehändigt.
1.5. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom XXXX2014, Zl. römisch 40 , wurde die Obsorge des BF dem Jugendwohlfahrtsträger Magistrat der Stadt römisch 40 , Amt für Jugend und Familie- Soziale Arbeit mit Familien, römisch 40 , übertragen.
1.6. Mit Schreiben vom 30.03.2016 urgierte die Volksanwaltschaft eine Stellungnahme bezüglich der Frage, ob bereits eine Säumnisbeschwerde eingebracht worden sei und bejahendenfalls durch wen diese erfolgt sei. Mit E-Mail vom 06.04.2016 wurde dies seitens der belangten Behörde verneint. Mit Schreiben vom 24.05.2016 urgierte die Volksanwaltschaft erneut den zügigen Abschluss des Verfahrens.
1.7. Mit Schreiben vom 30.05.2016, 09.06.2016 und vom 28.09.2016 wurden ergänzende Integrationsunterlagen vorgelegt.
1.8. Am 14.09.2016 erhob der BF, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, betreffend seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 19.05.2014 eine Säumnisbeschwerde und legte unter einem ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.
1.9. Mit Schreiben vom 19.01.2017 teilte der Vertreter des BF dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass dieser bereits am 14.09.2016 eine Säumnisbeschwerde erhoben habe, und ersuchte in diesem Zusammenhang, "eine Entscheidung oder die Weiterleitung des Aktes an das Bundesverwaltungsgericht einzufordern".
1.10. Die gegenständliche Säumnisbeschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.01.2017 von der belangten Behörde vorgelegt.
1.11. Mit Schreiben vom 01.02.2017 beauftragte das Bundesverwaltungsgericht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß Paragraph 19, Absatz 6, AsylG 2005 mit der Einvernahme des BF und das LIB der Staatendokumentation zu Somalia vom 25.04.2016 (zuletzt am 20.09.2016 aktualisiert) zur Stellungnahme vorzulegen.
1.12. Am 10.03.2017 wurde der BF vor der belangten Behörde im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Darin gab er eingangs an, in römisch 40 geboren und bis zu seiner Ausreise auch ebendort gelebt zu haben. Zu seinen Eltern und seinen zehn Geschwistern, welche zuletzt inXXXX aufhältig gewesen seien, habe er keinen Kontakt.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der BF zusammenfassend aus, Somalia aufgrund von Diskriminierungen wegen seiner Zugehörigkeit zu den Gabooye und der Al Shabaab verlassen zu haben. Der BF sei gemeinsam mit seinen Freunden auf dem Fußballplatz von Al Shabaab aufgegriffen und in die Moschee gebracht worden. Dort hätten sie ihnen vorgeworfen, Fußball ohne Kleidung zu spielen. Zudem hätten sie versucht, sie von einer Mitarbeit zu überzeugen. An einem anderen Tag sei er auf der Straße auf Mitglieder der Al Shabaab getroffen, wobei diese den BF zur Mitarbeit und zum Mitgehen aufgefordert hätten. Der BF habe zwar zugesagt, sie jedoch unter dem Vorwand, dass er sich um seine kranke Mutter kümmern müsse, auf ein anderes Mal vertröstet. Wegen seiner Clanzugehörigkeit habe man ihm nicht helfen können. Als die Al Shabaab den BF schon längere Zeit nicht mehr in der Moschee gesehen hätten, seien diese zu ihnen nachhause gekommen und hätten den BF unter Zwang mitgenommen. Er sei gemeinsam mit einem ihm bekannten Jugendlichen zu einem Stützpunkt gebracht worden, wo sie drei Tage nichts zum Essen bekommen hätten und geschlagen worden wären, weil sie sich nicht an ihr Versprechen gehalten hätten. Auf dem Weg zu einem anderen Stützpunkt seien die Al Shabaab beschossen worden, wobei dem BF die Flucht geglückt sei. Am nächsten Tag habe er mit Hilfe eines Fremden zu seinem Onkel gefunden, und habe seine Mutter die Entscheidung getroffen, dass der BF seine Heimat verlassen müsse.
Zu Problemen aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit befragt, führte der BF aus, dass er als Gabooye keine Schule besuchen habe dürfen und in der Koranschule schlecht behandelt worden sei. Zudem dürfe man als Gabooye kein Eigentum besitzen. Bei einer Rückkehr nach Somalia befürchte er von den Al Shabaab getötet und wegen seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert zu werden.
1.13. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde den Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 12.01.2018, zuletzt am 03.05.2018 aktualisiert, Focus Somalia, Clans und Minderheiten des Schweizer Staatssekretariats für Migration SEM vom 31.05.2017 und der Fact Finding Mission Report Somalia, Sicherheitslage in Somalia von August 2017 zum Parteiengehör übermittelt.
1.14. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 09.10.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch und im Beisein seines - später dazu gestoßenen - Rechtsberaters eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Der BF wurde ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und seiner aktuellen Situation in Österreich befragt. Die erkennende Richterin brachte die integrierte Kurzinfo vom 07.09.2018 des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Somalia und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation "Versorgungslage in Mogadischu" vom 11. Mai 2018 ein. Unter einem wurden ergänzende Integrationsunterlagen durch den BF vorgelegt, welche als Konvolut zum Akt genommen wurden. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.
1.15. Mit Schreiben vom 30.10.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine aktuelle Vollmacht für den Verein LegalFocus nachgereicht sowie eine Stellungnahme zur in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anfragebeantwortung bezüglich Mogadischu sowie zur Situation in Somalia allgemein vorgelegt. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass Mogadischu als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Frage komme. Der BF wäre auf sich alleine gestellt, hätte keine gesicherte Unterkunft und könnte selbst mit einer Arbeitsstelle seine grundlegenden Bedürfnisse nicht decken. Weiters wird zur Integration des BF Stellung genommen.
1.16. Mit am 03.12.2018 einlangendem Schreiben wurde dem Bundesverwaltungsgericht ein Abschlussbericht der LPD Tirol vom 29.11.2018 übermittelt, bei dem es aufgrund des Vorweisens von Fahrkarten zu deren Verwendung die Beschuldigten nicht berechtigt gewesen wären, um den Verdacht der Erschleichung einer Leistung ging.
1.17. Mit Schreiben vom 12.12.2018 wurde die Zurückziehung der Vollmacht vom Verein Legal Focus und die Erteilung der Vollmacht an Mag.a Brigitte Baldauf, MA bekannt gegeben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2. Feststellungen (Sachverhalt):
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens folgende Beweismittel der Beurteilung zugrunde gelegt:
2.1. Zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:
Der BF ist ein männlicher, volljähriger, somalischer Staatsbürger, lediger, sunnitischer Moslem und gehört dem Clan der Gabooye, Subclan der Madhiban an. Die Muttersprache des BF ist Somalisch, welche er in Wort und Schrift beherrscht.
Der BF wurde in römisch 40 , Somalia geboren und ist ebendort aufgewachsen. Der BF hat in seiner Heimatstadt eine Koranschule besucht, welche er aufgrund von Diskriminierungen nach einem Jahr wieder abgebrochen hat. Er hat keine berufliche Ausbildung abgeschlossen. Sein Vater hat für ihn gesorgt. Er ist mit den Gegebenheiten in römisch 40 vertraut. Ende 2013 hat der BF seine Flucht nach Europa angetreten.
Seine Kernfamilie besteht aus seinen Eltern und seinen zehn Geschwistern. Seine Mutter ist krank. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er keinen Kontakt zu seiner Familie hat. Als der BF Somalia verlassen hat, war seine Familie in römisch 40 aufhältig, wobei der aktuelle Aufenthaltsort nicht festgestellt werden kann. Ein Onkel mütterlicherseits lebt ebenfalls in der Nähe von römisch 40 .
Der BF hat am 19.05.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und ist gesund.
Er hatte in Somalia keine - über allgemeine Diskriminierungen in der Schule hinausgehende - Schwierigkeiten oder Nachteile auf Grund seiner Religions- und Clanzugehörigkeit und war auch keiner psychischen oder physischen Gewaltanwendung ausgesetzt und ist nach einer allfälligen Rückkehr auch mit keinen derartigen Übergriffen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Insbesondere wurde der BF durch die Al Shabaab weder bedroht, entführt noch kam es zu Übergriffen der Al Shabaab auf den BF oder zu einer (versuchten) Zwangsrekrutierung. Dem BF droht bei einer allfälligen Rückkehr nach Somalia seitens der Al Shabaab daher keine Verfolgung. Dem Beschwerdeführer droht auch bei einer Rückkehr nach Somalia keine Zwangsrekrutierung.
In Somalia kommt es auch nicht zu systematischen Verfolgungen von Minderheitenangehörigen.
Darüber hinaus wäre der BF auch nicht aufgrund seines Aufenthalts in Österreich bei einer Rückkehr nach Somalia psychischer und/oder physischer Gewaltanwendung ausgesetzt.
Aufgrund der Sicherheitslage in römisch 40 und der Region Lower Shabelle in welcher römisch 40 gelegen ist, ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des BF bei einer Rückkehr dorthin nicht auszuschließen, vergleiche dazu beispielsweise Sitzung 71 f. des Fact Finding Mission Report zur Sicherheitslage in Somalia (sowie die weiter unten zitierten Länderberichte, die ebenfalls eine prekäre Sicherheitslage für die Heimatregion des Beschwerdeführers zeichnet): "Das Dreieck Afgooye-Mogadischu-Merka bildet das einsatztechnische Schwergewicht der al Shabaab. Dieses Gebiet wird als "the most violent area in all of Somalia" bezeichnet. Dabei kommt es in und um Afgooye zu den meisten Anschlägen und Angriffen. Das Hügelland westlich von Afgooye stellt dabei einen perfekten Rückzugsraum dar. Al Shabaab verbirgt sich westlich und nordwestlich von Afgooye sowie nördlich von Qoryooley und führt von dort Angriffe nach Süden und Osten.
Lower Shabelle ist hinsichtlich der Clan-Konstellation, der Ressourcenlage und der Beziehungen zur Bundesregierung und zum SWS reichlich kompliziert. So verschwimmt auch die Grenze von Clan-Milizen und SNA zusehends. Eine Quelle formuliert es folgendermaßen: "The guys with the guns don't follow orders, neither from Mogadishu nor from the Ministry of Defence." Die drei maßgeblichen Akteure im Dreieck werden mit AMISOM, Milizen und al Shabaab angegeben - die SNA findet hier keine Erwähnung.
Gleichzeitig gibt es in diesem Gebiet auch Clan-Konflikte, v.a. zwischen Habr Gedir, Biyomaal und Rahanweyn. Die Fruchtbarkeit der Gegend ist ein Mitgrund für die Dichte an Gewalttätigkeiten. Es kommt häufig zum Streit über Ressourcen; und viele Clans sind involviert."
Der BF hat in Mogadischu und auch in anderen Gebieten von Somalia keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte. Eine finanzielle Unterstützung des BF durch seinen Vater ist bei einer Rückkehr des BF nach Somalia nicht zu erwarten. Bei einer Rückkehr nach Somalia und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatstadt, beispielsweise in der Stadt Mogadischu, liefe der Beschwerdeführer Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
2.1.1. Zur politischen Lage (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, vom 12.01.2018, zuletzt aktualisiert am 03.05.2018, welche den Parteien im Zuge der Verhandlungseinladung übermittelt wurden):
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017). [...]
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. [...]
Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).
Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016). [...]
Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).
Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vergleiche NLMBZ 11.2017).
Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vergleiche UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.
Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).
Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017). [...]
Quellen: [...]
2.1.2. Zur Sicherheitslage in Somalia (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, vom 12.01.2018, zuletzt aktualisiert am 03.05.2018, welche den Parteien im Zuge der Verhandlungseinladung übermittelt wurden):
Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).
Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017). [...]
Quellen: [...]
Bundesstaat South West State (SWS; Lower Shabelle, Bay, Bakool)
Die Macht der Regierung des SWS reicht kaum über Baidoa hinaus. In vielen nicht von der al Shabaab kontrollierten Orten in Bay und Bakool bestehen nur rudimentäre Verwaltungen, die oftmals von Äthiopien organisiert worden sind. Die al Shabaab kontrolliert viele Straßenverbindungen und ländliche Gebiete (BFA 8.2017). Im Dezember 2017 hat der SWS begonnen, Bezirksräte für Baidoa, Baraawe und Berdale aufzustellen. Der Bezirksrat für Xudur war bereits im Oktober eingerichtet worden, auch ein Bürgermeister wurde ernannt (UNAMIS 20.12.2017).
Der Regierung ist es mit internationaler Unterstützung gelungen, eine eigene kleine Armee aufzubauen, die South West State Special Police Force (SWSSPF) (BFA 8.2017).
Die al Shabaab hat 2017 einige Gebiete im Shabelle-Tal zurückgewonnen, darunter die Stadt Bariire. Regierungskräfte hatten sich von dort aus Protest gegen Rückstände bei der Auszahlung des Soldes zurückgezogen (ICG 20.10.2017). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind besonders hart von der Gewalt betroffen (DIS 3.2017). Einerseits bildet das Dreieck Afgooye-Mogadischu-Merka das einsatztechnische Schwergewicht der al Shabaab (BFA 8.2017). Andererseits ist die Gewalt im Gebiet eher von Clanauseinandersetzungen geprägt, als von al Shabaab (DIS 3.2017). Die drei maßgeblichen Akteure im Dreieck sind folglich AMISOM, Milizen und al Shabaab. Dabei kommt es in und um Afgooye häufig zu Anschlägen und Angriffen (BFA 8.2017). Zwar wird Afgooye von AMISOM kontrolliert (DIS 3.2017), doch ist die al Shabaab bereits mehrfach in die Stadt eingedrungen und hat die SNA dort auch regelmäßig zurückgeworfen. Genauso regelmäßig ist die al Shabaab aus Afgooye auch wieder abgezogen. Al Shabaab hat bisher nicht erkennen lassen, dass sie die Stadt länger besetzt halten oder mit der dort stationierten AMISOM den Kampf aufnehmen möchte (BFA 8.2017).
Qoryooley wird zwar von AMISOM kontrolliert (DIS 3.2017), doch ist das Gebiet gefährdet. Gleichzeitig gibt es in diesem Gebiet auch Clan-Konflikte, v.a. zwischen Habr Gedir, Biyomaal und Rahanweyn. Die Fruchtbarkeit der Gegend ist ein Mitgrund für die Dichte an Gewalttätigkeiten. Es kommt häufig zum Streit über Ressourcen; und viele Clans sind involviert. Die al Shabaab und AMISOM ergreifen im Rahmen derartiger Konflikte Partei (BFA 8.2017).
Clanauseinandersetzungen in Lower Shabelle, bei welchen in erster Linie Habr Gedir, Biyomaal und Digil involviert sind, dauern seit 2014 an. Nach der kurzfristigen Übernahme von Merka durch die al Shabaab im Februar 2016, bei welcher sich offenbar Milizen der Habr Gedir und Elemente der somalischen Armee auf die Seite der Islamisten geschlagen hatten, haben sich die Biyomaal mit AMISOM alliiert. Dahingegen haben sich Netzwerke der Habr Gedir auf die Seite der al Shabaab gestellt (SEMG 8.11.2017).
In der Folge hat al Shabaab bereits im Oktober 2016 mit dem Verbrennen und Plündern von Biyomaal-Dörfern begonnen (SEMG 8.11.2017); bei Kämpfen zwischen Habr Gedir und Biyomaal in Lower Shabelle wurden 2016 insgesamt 28 Zivilisten getötet (USDOS 3.3.2017). Die Situation ist im Mai 2017 eskaliert (SEMG 8.11.2017), als mindestens achtzehn Dörfern zwischen Merka und Afgooye Häuser von Biyomaal verbrannt und zahlreiche Menschen vertrieben wurden. Außerdem wurden Dutzende Menschen entführt und in einem provisorischen Lager in Mubarak gefangen gehalten (HRW 26.7.2017). 2017 ging al Shabaab gegen die Biyomaal vor. Ganze Dorfbevölkerungen wurden aus dem Gebiet zwischen Merka und Afgooye vertrieben (BFA 8.2017). Im August 2017 kam es zwischen Milizen der Biyomaal auf der einen und Milizen der Habr Gedir und al Shabaab auf der anderen Seite zum Streit um die Stadt Merka (SEMG 8.11.2017).
Merka wurde 2013 von AMISOM eingenommen, doch ist die Präsenz der al Shabaab im Umland groß und die Gruppe konnte wiederholt nach Merka vordringen (DIS 3.2017). Gegenwärtig ist die Lage von Merka reichlich verworren und Änderungen unterworfen (BFA 8.2017). Im Herbst 2016 hat AMISOM die Stellungen in der Stadt geräumt. Allerdings befindet sich in der unmittelbaren Peripherie von Merka weiterhin ein Stützpunkt der AMISOM (DIS 3.2017; vergleiche BFA 8.2017). Die dort stationierten ugandischen Truppen unternehmen auch sporadische Patrouillen in die Stadt. In Merka gibt es eine funktionierende Verwaltung und einen vom SWS eingesetzten District Commissioner. Die Stadtverwaltung betreibt eine Stadtpolizei und eine Polizeistation. Kräfte der SNA befinden sich hingegen keine in der Stadt (BFA 8.2017). Es kann attestiert werden, dass weder AMISOM noch al Shabaab die Stadt kontrollieren (BFA 8.2017; vergleiche DIS 3.2017). Lokale Milizen¿(Biyomaal und Habr Gedir) spielen eine bedeutende Rolle (BFA 8.2017). Wer die Stadt effektiv kontrolliert, ist unklar (DIS 3.2017)
Aus der Stadt Baraawe kommen seit Monaten keine Meldungen mehr über relevante Gefechte. Die Stadt scheint ruhig zu sein, es gibt einen Stützpunkt der AMISOM. Am Stützpunkt Bali Doogle sind größere Kräfte der SNA stationiert, darunter die Spezialeinheit Danaab. Außerdem befinden sich dort ein Ausbildungsstützpunkt der USA sowie eine Drohneneinsatzbasis (BFA 8.2017). Sablaale und Kurtunwaarey werden von al Shabaab kontrolliert (DIS 3.2017).
Al Shabaab kontrolliert weiterhin große Gebiete von Bay und Bakool. Die Gruppe betreibt dort auch mindestens drei Ausbildungslager (SEMG 8.11.2017).
Die Sicherheitslage in Baidoa hat sich in den vergangenen Monaten verbessert. Die Stadt wird als relativ sicher beschrieben. Regelmäßig kommt es zu Sicherheitsoperationen und Razzien durch Sicherheitskräfte. Die Einsatzfähigkeit der SWS Police Force (SWSPF) hat sich nach der Aufnahme lokaler Rekruten verbessert. Gleichzeitig ist Baidoa auf die Anwesenheit der äthiopischen AMISOM-Truppen angewiesen. Al Shabaab scheint in der Lage zu sein, Baidoa in der Nacht zu infiltrieren (BFA 8.2017).
Polizisten der SWSPF sind auch in Qansax Dheere und in Bakool stationiert. Stützpunkte der SWS Special Police Force (SWSSPF) befinden sich in Baidoa, Buur Hakaba und Goof Gaduud. Stützpunkte von anti-al-Shabaab-Kräften in der Region Bay befinden sich in Berdale, Baidoa, Buur Hakaba, Awdiinle, Leego, Qansax Dheere und Bush Madina (BFA 8.2017). Der Ort Leego wurde Anfang August von al Shabaab eingenommen, nachdem AMISOM von dort abgezogen war (JF 15.8.2017).
In der Region Bay ist die al Shabaab relativ aktiv, ihr dortiger Schwerpunkt befindet sich östlich der Verbindungsstraße von Baidoa nach Waajid. Generell kontrollieren die Islamisten mit Ausnahme der genannten Garnisonsstädte die gesamte Region Bay. Einfluss und Kontrolle der Regierung enden nur wenige Kilometer außerhalb von Baidoa (BFA 8.2017).
Die SWS-Administration hat für Bakool einen Gouverneur installiert, dieser hat aber nur in Xudur Einfluss. In Xudur befindet sich auch ein größerer Stützpunkt der SNA. Ein ca. 20km breiter Grenzstreifen an der Grenze zu Äthiopien wird als frei von al Shabaab bezeichnet. Dort ist auch die äthiopische Liyu Police aktiv. Außerdem operieren hier unabhängige Clan-Milizen. Insgesamt steht die Verwaltung von Bakool massiven Problemen gegenüber, um die Bevölkerung zu erreichen. Al Shabaab kontrolliert weite Teile der Region (BFA 8.2017).
Stützpunkte von anti-al-Shabaab-Kräften in der Region Bakool befinden sich in Yeed, Rab Dhuure, Garas Weyne, Buur Dhuxunle, Xudur, Waajid, Abeesale, Ato und Ceel Barde (BFA 8.2017).
In den Regionen Bakool, Bay und Lower Shabelle lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 2,36 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 100 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 64 dieser 100 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 116 derartige Vorfälle (davon 70 mit je einem Toten). [...]
Quellen: [...]
Benadir / Mogadischu:
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 22.2.2017). Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv (BFA 8.2017). Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt - speziell durch die Aufstellung der Mogadishu Stabilization Mission (MSM). Die Zahl von Angriffen der al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Andererseits scheint sich die al Shabaab aufgrund der Erfolge der Sicherheitskräfte zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachen (UNSC 5.9.2017). Regelmäßig kommt es zu sogenannten komplexen Anschlägen in Mogadischu, wobei ein Sprengstoffanschlag mit dem Einsatz einiger weniger bewaffneter Selbstmordkämpfer kombiniert wird. Ziele sind i.d.R. Hotels oder Restaurants, die häufig von Behördenbediensteten oder Sicherheitskräften frequentiert werden (SEMG 8.11.2017).
Der Einsatz von Artillerie (Mörsern) mit Ziel Mogadischu ist wieder im Steigen begriffen. Im ersten Halbjahr 2017 kam es zu zwölf derartigen Angriffen, im Gesamtjahr 2016 waren es 17 (SEMG 8.11.2017). Am 12.6. und am 4.7.2017 wurden insgesamt neun Mörsergranaten auf Stadtgebiet abgeschossen (UNSC 5.9.2017). Dabei verfügt al Shabaab nunmehr auch über schwere, von AMISOM erbeutete Mörser (120mm), was ihre Möglichkeiten erweitert (SEMG 8.11.2017). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vergleiche EASO 2.2016). Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BFA 8.2017; vergleiche UKUT 3.10.2014, vergleiche EGMR 10.9.2015). Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017).
Die Sicherheitslage hat sich also verbessert (UNSOM 13.9.2017; vergleiche UNNS 13.9.2017), bleibt aber volatil (UNSC 5.9.2017). Die MSM hat einige Erfolge verzeichnet, darunter Maßnahmen zur Entwaffnung von Milizen und Zivilisten. Auch die Polizei in Mogadischu funktioniert merklich besser, als vor drei oder vier Jahren. Das Polizeikontingent der AMISOM ist aktiv. Es werden in der ganzen Stadt regelmäßig Patrouillen durchgeführt. Zusätzlich befinden sich Stützpunkte der Armee an neuralgischen Punkten der Stadt. Auch die National Intelligence and Security Agency (NISA) und ihre Spezialeinheiten werden in Mogadischu eingesetzt. Der wichtigste Faktor in Mogadischu ist aber die Präsenz der AMISOM. Sie ist in Mogadischu mit je einem Bataillon aus Uganda und Burundi, mit dem militärischen Stab und mit rund 300 Polizisten präsent. In einem gewissen Ausmaß stellt sie für al Shabaab einen Abschreckungsfaktor dar. Sie macht es für AS schwieriger, in die Stadt zu gelangen (BFA 8.2017). Auch die Regierung zeigt einige Bemühungen, die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. Allerdings sind diese ungenügend; korrupte, unbezahlte Soldaten und unzufriedene Clans in der Peripherie ermöglichen es der al Shabaab, Mogadischu zu infiltrieren (ICG 20.10.2017).
Mogadischu ist folglich nicht absolut abgeschottet (BFA 8.2017). Der Amniyat ist schon seit Jahren in der Stadt aktiv und konnte Sicherheitsstrukturen unterwandern (ICG 20.10.2017). Insgesamt reicht die in Mogadischu gegenwärtig gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte nicht aus, um eine flächeneckende Präsenz sicherzustellen. Al Shabaab hingegen verfügt eindeutig über eine Präsenz in der Stadt (BFA 8.2017). Diese Präsenz ist aber keine offen militärische, sondern eine verdeckte (DIS 3.2017). Diese ist in den Außenbezirken stärker, als in den inneren. Zentral-Mogadischu ist relativ konsolidiert. Gleichzeitig hängt die Präsenz der Gruppe auch von der Tageszeit ab. Die nördlichen Bezirke - v.a. Dayniile und Heliwaa - werden in der Nacht von al Shabaab kontrolliert (BFA 8.2017).
Insgesamt scheint sich die al Shabaab bei der Durchführung von Attentaten von Quantität auf Qualität verlegt zu haben. Dabei sucht die al Shabaab ihre Ziele v.a. im Bereich der Regierung. Für die Zivilbevölkerung ist das größte Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (DIS 3.2017; vergleiche LI 1.4.2016). Ob Mogadischu als sicher oder unsicher bezeichnet wird, hängt maßgeblich von der subjektiven Wahrnehmung und von persönlichen Erfahrungen ab (BFA 8.2017). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014).
Mindestens einmal pro Monat kommt es zu einem signifikanten Sprengstoffanschlag. Tödliche, von al Shabaab inszenierte Zwischenfälle ereignen sich regelmäßig. Pro Monat töten die Islamisten ca. 20 Personen in Mogadischu. Dabei richten sich die Aktivitäten vorwiegend gegen die Regierung. Zusätzlich sind neben der al Shabaab auch andere Akteure für Morde und Attentate verantwortlich (BFA 8.2017). Bis in den Oktober 2017 hat Mogadischu eine moderate Verbesserung der Sicherheitslage erlebt. Die Zahl an Attentaten und Anschlägen ging zurück, die Sicherheitskräfte konnten einige Angriffe erfolgreich verhindern (ICG 20.10.2017). Andererseits schien sich al Shabaab später aus taktischen Überlegungen heraus auf Mogadischu zu konzentrieren. Dort sollen Anschläge - speziell auf sogenannte "soft targets" (z.B. Hotels und Märkte) - verstärkt werden (UNHRC 6.9.2017). In welche Richtung sich die Sicherheitslage mittelfristig entwickeln wird, ist schwer einschätzbar (BFA 8.2017).
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Quellen: [...]
Al Shabaab
Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016). Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al Shabaab wird bei der Anwendung dieser Taktik immer besser und stärker. Dabei ist auch die al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (BFA 8.2017).
Seit 2011 wurden die militärischen Kapazitäten der al Shabaab durch AMISOM und somalische Kräfte sowie durch innere Streitigkeiten beachtlich dezimiert (UKHO 7.2017). Die al Shabaab stellt aber weiterhin eine potente Bedrohung dar (UNSC 9.5.2017). Die Stärke der al Shabaab wird im Schnitt mit ungefähr 7.000 Mann beziffert (BFA 8.2017; vergleiche LI 20.12.2017). Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen AMISOM manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt die al Shabaab mit dem Amniyad über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk (BFA 8.2017). Die Gruppe hat sich bei Rückschlägen in der Vergangenheit als resilient und anpassungsfähig erwiesen. Der innere Kern blieb allzeit geeint, auch wenn es bei al Shabaab zu Streitigkeiten und Fraktionierung gekommen ist. Die taktische Entwicklung der Gruppe; ihre wachsenden Fähigkeiten; und die Ausführung komplexer Angriffe auf städtische und ländliche Ziele hat dies jedenfalls bewiesen (UNSC 9.5.2017). In der Vergangenheit hat die Gruppe auch eine konventionell-militärische Bedrohung dargestellt, etwa beim Angriff auf einen kenianischen Stützpunkt bei Kulbiyow im Jänner 2017. Beim Überrennen von AMISOM-Stützpunkten ist al Shabaab auch an schwere Waffen gelangt (SEMG 8.11.2017).
Die Regionalhauptstadt Buale (Middle Juba) sowie die Bezirkshauptstädte Saakow, Jilib (Middle Juba), Jamaame (Lower Juba), Sablaale, Kurtunwaarey (Lower Shabelle), Diinsoor (Bay), Tayeeglow (Bakool), Ceel Buur, Ceel Dheere (Galgaduud) befinden sich unter Kontrolle der al Shabaab. Alle anderen Regional- und Bezirkshauptstädte werden von anti-al-Shabaab-Truppen gehalten. Viele der Städte sind gleichzeitig auch Garnisonsstädte der AMISOM (BFA 8.2017). Eine andere Quelle nennt ebenfalls die o.g. Städte als unter Kontrolle der al Shabaab befindlich, fügt aber die Stadt Xaradheere (Mudug) hinzu und zieht Diinsoor ab (LI 20.12.2017).
In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen (LI 20.12.2017). Die Gruppe verfügt nicht nur über Kämpfer und Agenten, sie kann auch auf Sympathisanten zurückgreifen (NLMBZ 11.2017). Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können (BFA 8.2017). Die al Shabaab übt über das Jubatal Kontrolle aus und kann sich auch in vielen anderen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (USDOS 3.3.2017). Al Shabaab beherrscht weiterhin große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia, v.a. in Bay, Gedo, Lower Shabelle und Middle Juba (AI 22.2.2017; vergleiche BFA 8.2017). Auch rund um Städte in Süd-/Zentralsomalia, die von nationalen oder regionalen Sicherheitskräften und/oder AMISOM gehalten werden (SEMG 8.11.2017), kontrolliert al Shabaab den ländlichen Raum und wichtige Versorgungsstraßen (SEMG 8.11.2017; vergleiche UKHO 7.2017). Dadurch gelingt es der Gruppe, große Teile der Bevölkerung von einer Versorgung abzuschneiden (SEMG 8.11.2017).
Die al Shabaab übt auch über manche Orte, die eigentlich der Jurisdiktion der Regierung angehören, ein Maß an Kontrolle aus:
Humanitäre Organisationen und Empfänger humanitärer Hilfe werden besteuert oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt (SEMG 8.11.2017). Es gelingt der al Shabaab selbst nominell sichere Teile Mogadischus zu infiltrieren (BFA 8.2017). Außerdem verfügt die Gruppe in vielen Teilen Somalias über Verbindungen in alle Gesellschaftsebenen und -Bereiche (SEMG 8.11.2017). Generell variiert die Präsenz der al Shabaab konstant (BFA 8.2017).
Völkerrechtlich kommen der al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 1.1.2017). Staatlicher Schutz ist in der Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (UKHO 7.2017).
Die Fähigkeit der al Shabaab, in den von ihr beherrschten Gebieten eine effektive Verwaltung zu betreiben, ist ungebrochen. Zusätzlich verfügt die Gruppe über Kapazitäten, um in neu eroberten Gebieten unmittelbar Verwaltungen zu installieren (BFA 8.2017). Die Gebiete der al Shabaab werden als relativ sicher beschrieben. Dort herrscht Frieden und eine Absenz an Clan-Konflikten (UNSOM 18.9.2017). In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt die al Shabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung der al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BFA 8.2017).
Die al Shabaab finanziert sich über unterschiedliche Steuern. Allein aus Abgaben auf den (illegalen) Holzkohlehandel lukriert die Gruppe pro Jahr - nach konservativen Schätzungen - 10 Millionen US-Dollar.
Auch von anderen Wirtschaftstreibenden werden Steuern eingehoben: In Mogadischu reicht die Spannweite von zehn US-Dollar monatlich für einfache Markthändler bis zu 70.000 US-Dollar für große Firmen. Im ländlichen Raum werden auch Viehmärkte besteuert. Außerdem verlangt al Shabaab entlang von Hauptverbindungsstraßen Gebühren und hebt den Zakat ein (SEMG 8.11.2017). Die Zahlung der Abgaben erfolgt in der Form von Geld, Tieren, landwirtschaftlichen Produkten oder anderen Werten. Die Höhe der Besteuerung hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen (LI 20.12.2017).
Einerseits zwingt al Shabaab mancherorts Kinder zum Besuch der eigenen Madrassen; andererseits konnte z.B. in einem ländlichen Ort in Middle Juba eine neue Schule eröffnet werden, die sogar Englisch im Lehrplan hat. Dafür musste die Gemeinde aber eine Sonderabgabe leisten (SEMG 8.11.2017).
Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Während dies zwar einerseits zur Stärkung der Sicherheit beiträgt (weniger Kriminalität und Gewalt durch Clan-Milizen) (BS 2016), versucht al Shabaab alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2016; vergleiche DIS 9.2015). Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).
Die al Shabaab hat im Juni 2017 für die Bundesstaaten Galmudug, Puntland und Hirshabelle ein Verbot der Verwendung des Somali Shilling ausgerufen. Wirtschaftstreibende weichen daher teilweise auf den US-Dollar und den Äthiopischen Birr aus (UNSC 5.9.2017).
Quellen: [...]
Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab
Generell stellen in erster Linie AMISOM und nationale sowie regionale Behördenvertreter Ziele für Angriffe der al Shabaab dar (SEMG 8.11.2017). Neben AMISOM und Sicherheitskräften (BFA 8.2017) wird al Shabaab auch weiterhin Zivilisten gezielt angreifen, darunter: die somalische Regierung, Parlamentarier und Offizielle (UKHO 7.2017); Regierungsbedienstete, mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten; Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen (BFA 8.2017; vergleiche USDOS 3.3.2017, UKHO 7.2017); Wirtschaftstreibende; Älteste (BFA 8.2017; vergleiche UKHO 7.2017) und deren Angehörige; diplomatische Missionen; prominente Friedensaktivisten und Gemeindeführer (USDOS 3.3.2017); Journalisten (UKHO 7.2017; vergleiche HRW 12.1.2017); mutmaßliche Kollaborateure und Spione (USDOS 3.3.2017; vergleiche BFA 8.2017, UKHO 7.2017); Deserteure (UKHO 7.2017) sowie Personen, die am letzten Wahlprozess mitgewirkt haben; Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie keine Steuern an al Shabaab abführen (BFA 8.2017).
Es kommt also z.B. in Mogadischu regelmäßig zu Angriffen auf Zivilisten und zivile Strukturen (HRW 12.1.2017). Im Durchschnitt werden der al Shabaab in Mogadischu pro Monat ca. 20 Morde zugerechnet. Allerdings wird oft nur angegeben, dass al Shabaab für ein Attentat die Verantwortung trägt, obwohl dies gar nicht klar ist (BFA 8.2017).
In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.1.2017). Al Shabaab exekutiert vor allem jene, welche der Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung bezichtigt werden (HRW 12.1.2017).
Die Schwelle dessen, was die al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt. Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden. Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt (BFA 8.2017).
Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen:
a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (BFA 8.2017).
Spezifisch als mögliche Ziele aufgrund von Kollaboration genannt wurden z.B. Rückkehrer in Gebiete der al Shabaab (Vorwurf der Spionage); Händler/Wirtschaftstreibende, welche z.B. AMISOM beliefern; Arbeiter oder Handwerker, die z.B. für Ministerien tätig werden; Hotels, die Politikern Unterkunft geben. Besonders gefährdet sind Personen, die von der al Shabaab als Spione wahrgenommen werden. Es kommt fast täglich zu Übergriffen bis hin zur Exekution von der Spionage verdächtigten Personen (BFA 8.2017). [...]
Al Shabaab verfügt über die Kapazitäten, menschliche Ziele - auch in Mogadischu - aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Person al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clan-Dynamiken, ist die Gruppe bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschränkungen. Zusätzlich möchte die al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem verübten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (BFA 8.2017). Auch wenn al Shabaab einige Menschen in Somalia als "legitime Ziele" erachtet, so gilt dies für die meisten Zivilisten nicht. Dass normale Zivilisten in von der Regierung und AMISOM kontrollierten Gebieten zum Ziel der al Shabaab werden, ist unwahrscheinlich. Auch "low level"-Ziele (z.B. lokale Mitarbeiter von internationalen oder nationalen NGOs) sind keine Priorität der al Shabaab, sie werden nicht generell angegriffen. Andererseits können high profile Personen, die etwa die Regierung oder die internationale Gemeinschaft repräsentieren, einem hohen Risiko ausgesetzt sein. Auch Personen, die als Unterstützer der somalischen Regierung wahrgenommen werden, können - je nach persönlichen Umständen - einem Risiko ausgesetzt sein. Dies gilt auch für Journalisten oder Mitarbeiter von NGOs, je nachdem, wie sehr sich ihre Aktivitäten gegen al Shabaab wenden (UKHO 7.2017).
Zivilisten, die nicht in eine der weiter oben genannten Kategorien fallen, stellen für al Shabaab kein legitimes Ziel dar (DIS 3.2017). Dies gilt auch für Rückkehrer aus der Diaspora (UKUT 3.10.2014). Es gibt keine Berichte, wonach al Shabaab normale Zivilisten - oder auch Rückkehrer aus dem Westen - systematisch angreifen würde. Natürlich besteht aber für Zivilisten immer das Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (DIS 3.2017). Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) - auch bei einer Rückkehr nach Mogadischu - keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vergleiche EGMR 10.9.2015).
Aufgrund der überregionalen Aktivitäten und der Vernetzung des Amniyad sind - vor allem prominente - Zielpersonen auch bei einer innerstaatlichen Flucht gefährdet (BFA 8.2017).
Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde die al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angehörigen kommen (BFA 8.2017). Es gibt so gut wie keine bekannten Fälle, wo sich al Shabaab gegen Angehörige von Deserteuren gerichtet hätte (DIS 3.2017).
Gefährdung hinsichtlich der Nicht-Entrichtung von Steuern / Schutzgeld / Zakat
Al Shabaab erhebt mit dem Zakat eine Steuer, die etwa Wirtschaftstreibenden - vom Taxifahrer bis zum international tätigen Unternehmer - oder Landwirten abgepresst wird. Im Falle des Nichtzahlens wird physische Gewalt angedroht. Der Zakat wird im Namen der al Shabaab (unfreiwillig) auch über Älteste eingehoben und an die Gruppe weitergeleitet. Wer sich gegen dieses System auflehnt, dem drohen Repressionen, die sich gegen das Eigentum oder sogar gegen das Leben richten können (UNSOM 18.9.2017). Bei der Einhebung des Zakat geht die Gruppe zunehmend aggressiv vor, und zwar sowohl hinsichtlich Quantität der und Frequenz der Abgabe als auch hinsichtlich der dabei angewendeten erpresserischen Methoden - bis hin zur Gewaltanwendung. So brannte al Shabaab im März 2017 mehrere Gebäude in Gaaleefto (Middle Shabelle) nieder und entführte fünf Älteste, da sich die Gemeinde geweigert hatte, Steuern abzuführen (SEMG 8.11.2017).
Am Beispiel Bay ist zu sehen, dass die eigenen Kräfte der al Shabaab dort durch Einnahmen aus der Besteuerung lokaler Märkte, durch Wegzoll und ein- bis zweimalig pro Jahr eingehobenen Zakat finanziert werden, während von Firmen und NGOs erpresstes Schutzgeld an die Führung abgegeben wird. Um Geld von NGOs zu erpressen, werden auch vermehrt NGO-Mitarbeiter entführt (SEMG 8.11.2017).
Bei vielen Forderungen der al Shabaab handelt es sich de facto um Schutzgeldzahlungen im klassischen Sinne. Das Personal internationaler Organisationen wird in der Regel solange nicht zum individuellen Ziel, solange Steuern an al Shabaab gezahlt werden. Und so zahlen die Bedrohten eine kleine Steuer und erhalten im Gegenzug dafür "Schutz" bzw. wird man in Ruhe gelassen (BFA 8.2017).
Steuern werden von unterschiedlichsten Personengruppen und Institutionen eingefordert: Von Taxifahrern in Mogadischu, von Regierungsbediensteten oder Angestellten internationaler Organisationen, von Deserteuren oder Angestellten von NGOs, von Hotelbesitzern und anderen Wirtschaftstreibenden (BFA 8.2017).
Generell richtet sich al Shabaab bei der Eintreibung von Steuern aber eher an die Wirtschaftstreibenden. Zur Besteuerung jeder Einzelperson reichen ihre Kapazitäten nicht aus. Insgesamt scheinen Bedrohungen nichts Ungewöhnliches zu sein, in Einzelfällen erfolgt die Realisierung (BFA 8.2017).
Quellen: [...]
2.1.3. Zur Situation der Minderheiten und Clans (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, vom 12.01.2018, zuletzt aktualisiert am 03.05.2018, welche den Parteien im Zuge der Verhandlungseinladung übermittelt wurden):
Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.1.2017). Allerdings waren Regierung und Parlament für lange Zeit entlang der sogenannten
"4.5 Lösung" organisiert, welche bedeutet, dass die Vertreter der großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam die Hälfte dieser Sitze zustehen (ÖB 9.2016; vergleiche USDOS 3.3.2017). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren. Insgesamt hat sie bisher weder zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bedingten Gleichberechtigung beigetragen, noch hatte sie positive Auswirkungen auf das Miteinander auf Gemeindeebene (ÖB 9.2016). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017).
Die Minderheiten sind im somalischen Parlament und der somalischen Regierung vertreten, ihre Stimme hat aber wenig Gewicht. Weder das traditionelle Recht xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen die Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. (SEM 31.5.2017). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 3.3.2017). Einzelne Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Gabooye) leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.1.2017).
Minderheitengemeinden sind überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 3.3.2017).
Gruppen wie die Rahanweyn, die Bantu oder die Madhiban können nur in geringerem Ausmaß auf Rücküberweisungen durch Angehörige in der Diaspora zählen, da sich in der Diaspora verhältnismäßig wenige Rahanweyn und Bantu finden (SEMG 8.11.2017).
Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).
Quellen: [...]
Bevölkerungsstruktur
Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 3.3.2017). Eine andere Quelle besagt, dass laut einer Schätzung aus dem Jahr 2002 die Minderheiten zusammen ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Somalias ausmachen sollen (ÖB 9.2016). Jedenfalls gibt es in ganz Somalia eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.1.2017; vergleiche ÖB 9.2016, SEM 31.5.2017). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017).
Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 4.2017a). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017). Allerdings gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016).
Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können ihre Abstammung auf einen mythischen gemeinsamen Vorfahren namens Hiil bzw. dessen Söhne Samaale und Saab zurückverfolgen, die vom Propheten Mohammed abstammen sollen. Die meisten Minderheiten können eine solche Abstammung hingegen nicht geltend machen (SEM 31.5.2017).
Die Somalis sehen sich also als Nation arabischer Abstammung. Die "noblen" Clanfamilien sind meist Nomaden:
* Die Darod sind gegliedert in die drei Hauptgruppen Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während die Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Jubba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.
* Die Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind die Habr Gedir und die Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.
* Die Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Djibouti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind die Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).
* Die Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.
* Die Rahanweyn bzw. Digil/Mirifle werden als weitere Clanfamilie gesehen. Sie gelten als Nachfahren von Saab, dem Bruder von Samaale (SEM 31.5.2017; vergleiche AA 4.2017a).
Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger (AA 4.2017a).
Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten - nicht aber die berufsständischen Gruppen - haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u.a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017).
Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung;
Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben;
sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017).
Quellen: [...]
Ethnische Minderheiten, aktuelle Situation
Ethnische Minderheiten haben eine andere Abstammung und in manchen Fällen auch eine andere Sprache als die restlichen Einwohner des somalischen Sprachraums. Es gibt keine zuverlässigen Angaben über ihre Anzahl. Schätzungen bewegen sich im Bereich zwischen 6% und einem Drittel der Bevölkerung Somalias. Die wichtigsten ethnischen Minderheiten sind (SEM 31.5.2017):
* Die Bantu: Sie sind die größte Minderheit in Somalia. Traditionell leben sie als sesshafte Bauern in den fruchtbaren Tälern der Flüsse Jubba und Shabelle. Es gibt zahlreiche Bantu-Gruppen bzw. -Clans, wie z.B. Gosha, Makane, Kabole, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli, Oji oder Gobaweyne; pejorativ werden sie auch auch Adoon (Sklaven) oder Jareer (Kraushaar) genannt (SEM 31.5.2017).
* Die Benadiri: "Benadiri" ist ein Dachbegriff für verschiedene voneinander unabhängige urbane Minderheiten, die in den Küstenstädten des Südens leben wie z.B. in Mogadischu, Merka oder Baraawe. Die Benadiri-Gruppen beschäftigen sich traditionell mit Handel. Sie haben eine gemischte Abstammung aus Somalia, Arabien (Oman), Persien, Indien und Portugal. Vor 1991 hatten sie einen privilegierten Status. Ohne bewaffnete Miliz waren sie im Bürgerkrieg aber schutzlos (SEM 31.5.2017).
* Die Bajuni: Sie sind eine kleines Fischervolk, das auf den Bajuni-Inseln an der Südspitze Somalias sowie in Kismayo lebt (SEM 31.5.2017).
Die soziale Stellung der ethnischen Minderheiten ist unterschiedlich. Die Benadiri sind gemeinhin als Händler respektiert (SEM 31.5.2017). Die Existenz einer dynamischen Wirtschaftsgemeinde der Benadiri ist erwiesen (UKUT 5.11.2015). Ihnen ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen. Außerdem sind die meisten in Mogadischu verbliebenen Benadiri-Kaufleute verhältnismäßig wohlhabend und können sich Schutz zukaufen (EASO 8.2014). Benadiri können sich auf der Suche nach einem Lebensunterhalt an diese Gemeinde wenden (UKUT 5.11.2015).
Auf die sesshaften Bantu hingegen, die teils einst als Sklaven ins Land gekommen waren, blicken die meisten Somali herab (SEM 31.5.2017). Die Bantu werden aufgrund ihrer Ethnie diskriminiert (UNHRC 28.10.2015). Es gibt aber auch höherrangige Bantu, z.B. Brigadegeneral Mohamud Haji Ahmed Ali "Shegow" (SEMG 8.11.2017).
Der Konflikt zwischen der Bantu-Gruppe der Shiidle und den Hawiye/Abgal hat in der Vergangenheit immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen geführt. Im November 2013 wurden dabei etwa 5.000 Shiidle aus zwanzig Dörfern nordöstlich von Jowhar (Middle Shabelle) vertrieben (SEMG 8.11.2017; vergleiche AA 1.1.2017). Im April 2017 kam es nach Kämpfen zwischen Milizen der Hawiye/Abgal/Wacbudan/Eli und der Jareer/Shiidle/Bare erneut zur Vertreibung von mehr als 5.000 Jareer aus drei Dörfern in der Nähe von Balcad. Verantwortlich dafür waren Abgal-Milizen und einige unterstützend wirkende Elemente der somalischen Armee. Es gibt kaum Berichte über physischen Schaden an Zivilisten; allerdings wurden die Dörfer geplündert und zum Teil niedergebrannt. Die meisten Menschen flüchteten in die Nähe des AMISOM-Stützpunktes in Balcad (SEMG 8.11.2017).
Im August 2017 wurde eine neue Bezirksverwaltung für Balcad ernannt; nunmehr sind lokale Clans besser repräsentiert. Die neue Verwaltung hat harte Maßnahmen gegen die Konfliktparteien angekündigt, falls weitere Gewalttaten erfolgen sollten; bislang scheint die Drohung zu wirken (SEMG 8.11.2017).
Da sich ethnische Minderheiten durch die auf der Basis von Clans arrangierte Machtteilung in der Regierung benachteiligt sehen, versucht al Shabaab dies für die eigenen Zwecke auszunutzen und dort um Unterstützung zu werben (UNSOM 18.9.2017).
In Gegenden, aus welchen sich al Shabaab zurückgezogen hat, könnte es zu Repressalien gegen einzelne Minderheitenangehörige kommen, wenn diese al Shabaab unterstützt hatten (SEM 31.5.2017; vergleiche EASO 8.2014).
Quellen: [...]
Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation
Berufsständische Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich Abstammung, Sprache und Kultur nicht von der Mehrheitsbevölkerung. Anders als die "noblen" Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten (SEM 31.5.2017). Madhiban sind in ganz Somalia zu finden, speziell aber im Norden des Landes (SEMG 8.11.2017). Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017).
Dabei sind Madhiban teils schwerer Diskriminierung ausgesetzt. Ein Beispiel der Benachteiligung zeigt sich im Konflikt um Galkacyo, wo die Madhiban durch humanitäre Organisationen benachteiligt wurden. Da den Madhiban in IDP-Lagern dort die Aufnahme verweigert wurde, haben sie mit Hilfe einiger Angehöriger in der Diaspora den Kauf eines geeigneten Grundstücks in Galkacyo organisiert, um dort Madhiban-IDPs unterzubringen. Im August 2017 taten es die Tumal den Madhiban gleich (SEMG 8.11.2017).
Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffen oder Misshandlungen hinsichtlich der Gabooye (SEM 31.5.2017).
Einzig in der Frage der Mischehen besteht noch eine gesellschaftliche Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Als besonders problematisch wird es angesehen, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch. Mischehen kommen äußerst selten vor - insbesondere die zuletzt genannte Konstellation. Es bestehen aber offenbar regionale Unterschiede: Im clanmäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017).
Kommt eine Mischehe zustande, dann kommt es häufig zur Verstoßung der betroffenen Person durch die eigenen Familienangehörigen (des Mehrheits-Clans). Sie besuchen sie nicht mehr, kümmern sich nicht um ihre Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck. Die Gesprächspartner der Fact-Finding Mission bekräftigten, dass es unter solchen Umständen so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötungen kommt. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017).
Insgesamt ist aber die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel weniger gut organisiert sind und eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. die Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum benachteiligt Minderheitenangehörige bei der Arbeitssuche, bei der ohnehin auch oft schon die Clanzugehörigkeit zu Diskriminierung führen kann. Da sie über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren Angehörige berufsständischer Gruppen zudem in geringerem Ausmaß von Auslandüberweisungen als die Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017).
Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige der berufsständischen Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Sie stellen zwar nach wie vor die ärmste Bevölkerungsschicht; trotzdem gibt es Minderheitenangehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. (SEM 31.5.2017).
Quellen: [...]
Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit
Auch Angehörige "starker" Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gilt, dass eine Einzelperson immer dann in der "Minderheiten"-Rolle ist, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Sie gilt als "Gast" in dem Territorium, was sie in eine schwächere Position bringt als die "Gastgeber". In diesem System von "hosts and guests" sind also Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als "Gäste". Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017). Dabei sind IDPs, die einem Minderheitenclan angehören, doppelt benachteiligt. Da sie oftmals nicht auf verwertbare Clanverbindungen oder auf den Schutz eines Clans zurückgreifen können sind sie Diskriminierung ausgesetzt (USDOS 3.3.2017).
In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 3.3.2017). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung im Lichte der jeweiligen Clan- bzw. Subclan-Zugehörigkeit auszugehen. Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung beispielsweise im Rahmen staatlicher Vergabeverfahren, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 1.1.2017), beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 3.3.2017). Angehörige eines (Sub-)Clans können in Gebieten, die von einem anderen (Sub-)Clan dominiert werden, darüber hinaus auch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 1.1.2017).
Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).
Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).
Quellen: [...]
2.1.4. Zur Zwangsrekrutierung (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, vom 12.01.2018, zuletzt aktualisiert am 03.05.2018, welche den Parteien im Zuge der Verhandlungseinladung übermittelt wurden):
Im Jahr 2016 gab es immer wieder Berichte über den Einsatz von Kindersoldaten durch die Armee, alliierte Milizen, Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) und die al Shabaab. [...]
Die Fraktion des IS in Puntland zieht vor allem von der al Shabaab entfremdete Kämpfer aus dem Süden an, und dies unabhängig von deren Clanzugehörigkeit. Finanzielle Aspekte spielen dabei wohl kaum eine Rolle, da unverheiratete Kämpfer keinen Sold erhalten, während Verheiratete mit 50 US-Dollar pro Monat vorlieb nehmen müssen (SEMG 8.11.2017).
Während die Zahl der Vorfälle von Kinderrekrutierung im letzten Quartal 2016 um 50% zurückgegangen war, eskalierten Rekrutierungsmaßnahmen seitens der al Shabaab ab Juni 2017. Betroffen waren vor allem Galgaduud, Hiiraan und Mudug. Im Zuge dieser Rekrutierungswelle kam es auch zur Entführung von Ältesten und Lehrern und zur Flucht ganzer Familien und dazu, dass Familien ihre Kinder in sichere Gebiete geschickt haben. So berichtete etwa der Bezirksvorsteher von Cadale im August 2017, dass in der Stadt 500 Kinder eingetroffen sind, die vor eine Rekrutierung durch al Shabaab geflüchtet waren (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2017 sind in Galmudug über 200 Kinder von der al Shabaab zwangsrekrutiert worden (UNSC 5.9.2017), die Gruppe entführt auch weiterhin Kinder zum Zwecke der Rekrutierung (UNSC 9.5.2017). In der Region Middle Juba wurden im Jahr 2017 vorwiegend Rekruten aus anderen Ländern Ostafrikas ausgebildet. Mitte 2017 änderte sich das Bild. Im Juni kam es in Hiiraan, Galgaduud und Mudug zu einer neuen Welle aggressiven Rekrutierens (vor allem von Kindern) seitens der al Shabaab (SEMG 8.11.2017). Die al Shabaab rekrutiert Kinder und zwingt diese, an Kampfhandlungen teilzunehmen (USDOS 3.3.2017).
Rekrutiert wird vorwiegend in den Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab (DIS 3.2017). Insgesamt gibt es fünf Hauptarten der Rekrutierungsbestrebungen durch die al Shabaab:
a) direkte Rekrutierung von Frauen, arbeitslosen Jugendlichen und vulnerablen Bevölkerungsteilen; v.a. über soziale und ökonomische Anreize;
b) Zwangsrekrutierung durch Entführung, Bedrohung oder den Befehl z.
B. an Eltern, einen Sohn abzugeben;
c) Rekrutierung über Dritte - über Freund und Verwandte (peer pressure);
d) Medienarbeit: Propaganda, Soziale Medien, Radio und Internet;
e) religiöse Überzeugung: Predigten und Radikalisierung in Madrassen (UNSOM 18.9.2017; vergleiche DIS 3.2017)
Somalische Bürger identifizierten die Gruppe der 10-15jährigen als primäres Ziel der al Shabaab zum Zweck der Rekrutierung. Das junge Alter garantiert, dass die Rekruten noch nicht so sehr zwischen Gut und Böse unterscheiden können (UNSOM 18.9.2017).
Al Shabaab rekrutiert Kämpfer gezielt in Moscheen (ÖB 9.2016). Außerdem hat die Gruppe als Rekrutierungswerkzeug ein eigenes Madrassen-System aufgezogen. Diese ‚Bildungsmaßnahme' für Kinder und Erwachsene soll mögliche Rekruten frühzeitig indoktrinieren und ausbilden. Das System zeigt für die al Shabaab gute Erfolge. So befinden sich in den sieben Madrassen in Jilib jeweils ca. 600 15-20jährige in Ausbildung; in Saakow gibt es sechs Madrassen mit der ähnlichen Besuchszahlen, wobei dort auch viele unter-15jährige den Unterricht besuchen (SEMG 8.11.2017). Auch in Galmudug zwingt al Shabaab Kinder in ihre Madrassen. Dort wurden bei mehreren Vorfällen Älteste, Imame und Lehrer, welche die Übergabe von Kindern verweigerten, entführt (UNSC 5.9.2017). Die Madrassen dienen auch dazu, Mädchen als mögliche Bräute für eigene Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017). [...]
Außerdem setzt al Shabaab auf ökonomische Anreize. Viele der Kämpfer sind der al Shabaab nur aus finanziellen Gründen beigetreten (BFA 8.2017). Dabei stellen die Dürre und die Delogierung von IDPs einen Nährboden für neue Rekruten dar, da viele ihrer Lebensgrundlage beraubt worden sind (BFA 8.2017; vergleiche SEMG 8.11.2017). Eltern wandten sich mit ihren Kindern an al Shabaab um Hilfe. Al Shabaab verspricht Kindern Nahrung, Kleidung und Ausbildung sowie medizinische Dienste. Älteren Buben wird die Zahlung des Brautgelds versprochen. Manchen Kindern wird gesagt, dass sie gar nicht kämpfen werden müssen (SEMG 8.11.2017). Generell wendet sich die Gruppe an ungebildete, arbeitslose Jugendliche. In Aussicht gestellt werden eine gute Bezahlung; eine kostenlose islamische Ausbildung; und eine Heirat (UNSOM 18.9.2017). Viele Jugendliche lassen sich aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit von al Shabaab rekrutieren (UNSOM 18.9.2017; vergleiche DIS 3.2017). Rekruten werden durch den Sold, durch sozialen Status und manchmal durch eine versprochene Braut von der al Shabaab angelockt (DIS 3.2017). Ein Steuereintreiber der al Shabaab verdient 100 US-Dollar pro Monat, Soldaten zwischen 20 und 150, ein Agent des Amniyad 500 US-Dollar (SEMG 8.11.2017). Außerdem verwendet die Gruppe religiöse Rhetorik, um neue Rekruten anzulocken - etwa mit der Aussicht auf das Paradies oder mit der Darstellung des Feindes als Ketzer oder Ungläubige. Derartige Vorträge - etwa im Rahmen von douras - sind ebenso eine Rekrutierungstaktik wie auch das Anwenden von peer pressure unter Freunden und Verwandten. Auch über islamische Schulen (Madrassen) wird rekrutiert. Eine große Rolle spielen auch soziale Medien. Al Shabaab benutzt Facebook, Twitter, YouTube und spezielle Websites wie etwa alfurqan.net oder somalimemo.net sowie den Radiosender Andalus (UNSOM 18.9.2017).
Manche Burschen - auch Buben - die in von der al Shabaab kontrollierten Gebieten leben, können unter Druck geraten, um der al Shabaab beizutreten (UKHO 7.2017). Auch einige Männer und Buben, die aus kenianischen Flüchtlingslagern in von der al Shabaab kontrollierte Gebiete zurückgekehrt waren - z.B. Buale und Saakow - waren solchem Druck ausgesetzt (HRW 12.1.2017).
Immer wieder werden Fälle von Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab bekannt (BFA 8.2017; vergleiche UNSOM 18.9.2017). Es kommt zu Razzien der al Shabaab auf Schulen, Madrassen und Moscheen; das Ziel ist es, Kinder zu rekrutieren (USDOS 3.3.2017). Dabei gibt es lokale Unterschiede. Aus dem Bereich Xaradheere wurden etwa sowohl in den Jahren 2016 als auch 2017 Zwangsrekrutierungen gemeldet. Im ersten Halbjahr 2017 gab es kaum Meldungen zu Zwangsrekrutierungen (BFA 8.2017).
Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab (DIS 3.2017; vergleiche BFA 8.2017, UKUT 3.10.2014, UKUT 5.11.2015). Es gibt auch keine rezenten Meldungen, wonach al Shabaab entlang von Straßen Reisende zwangsrekrutiert (BFA 8.2017). Normalerweise wird nur unter Zwang rekrutiert, wenn al Shabaab entstandene Verluste rasch auffüllen muss, oder wenn für einen besonderen Einsatz zusätzliche Kräfte benötigt werden (DIS 3.2017; vergleiche BFA 8.2017, NLMBZ 11.2017). Insgesamt ist schwer einschätzbar, wie systematisch und weitverbreitet Zwangsrekrutierungen stattfinden. Die UN führt jegliche Rekrutierung von Kindern als Zwangsrekrutierung (LI 10.9.2015).
Die al Shabaab brachte kollektive Zwangsmaßnahmen zur Anwendung (SEMG 8.11.2017). Üblicherweise richtet die al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt (BFA 8.2017). In Rama Cadeey, Bulo Fulay und Bush Madina - Orte im Kernland der al Shabaab - wurden zum Höhepunkt der Dürre Versammlungen einberufen. Dort wurden Familien aufgefordert, ihre Kinder in die Madrassen zu schicken. Verweigerer wurden mit Geldstrafen belegt und die Kinder schließlich in die Madrassen gezwungen. Ältesten wird die Verantwortung übertragen, dass Familien - je nach Größe - zwischen ein bis drei Kinder an die al Shabaab abführen (SEMG 8.11.2017; vergleiche DIS 3.2017). Allerdings können manchmal auch Ersatzleistungen erbracht werden, z.B. die Überlassung von Waffen (SEMG 8.11.2017; vergleiche UKHO 7.2017).
Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer (BFA 8.2017). Die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit die al Shabaab akzeptiert, dass sich eine Person der Rekrutierung widersetzt, muss eine Form der Kompensation getätigt werden; entfällt diese, könnte es auch zur Exekution des Verweigerers kommen (DIS 3.2017). Dieses System geht hinsichtlich der Steuererhebung auch in die umgekehrte Richtung:
Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit, einer Rekrutierung durch die Zahlung von Steuern zu entgehen. Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus der al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten. Insgesamt finden sich keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BFA 8.2017).
In den Ausbildungslagern der al Shabaab werden Kinder einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination (USDOS 3.3.2017).
Quellen: [...]
Deserteure und ehemalige Kämpfer der Al Shabaab
Geringe oder ausbleibende Besoldung kann zur Desertion führen, davon sind sowohl die al Shabaab als auch die Fraktion des IS in Puntland betroffen (SEMG 8.11.2017). Hinsichtlich Deserteuren der al Shabaab gibt es nur wenige Informationen. Es gibt keine Aufzeichnungen über diese Personen, und auch nicht darüber, was später mit ihnen geschah. Ein bis zwei Drittel der Deserteure scheinen unmittelbar zu ihren Gemeinden zurückzukehren, ohne sich vorher der Armee oder AMISOM zu ergeben (LI 5.8.2015).
Es herrscht allgemein Einigkeit darüber, dass al Shabaab schon Deserteure ermordet hat (LI 5.8.2015). Allerdings finden sich nur selten Beispiele von Morden an Deserteuren. Einmal wird vom Mord an zwei jungen Bantu-Männern berichtet, die im August 2017 von al Shabaab entdeckt und ermordet worden sind, bevor sie Kismayo erreichen konnten. An anderer Stelle werden Deserteure auch wieder in die Reihen der al Shabaab aufgenommen, so geschehen in Tayeeglow Anfang 2017, als Buben, die von der Gruppe desertiert waren, zum erneuten Eintritt in die al Shabaab gezwungen wurden (SEMG 8.11.2017).
Al Shabaab ist in der Lage, einen Deserteur aufzuspüren - auch auf dem Gebiete von AMISOM und der somalischen Regierung. Sie tragen wahrscheinlich ein Risiko der Verfolgung (UKHO 7.2017; vergleiche BFA 8.2017, DIS 3.2017). Die al Shabaab ist in der Lage, Deserteure aus Süd-/Zentralsomalia in Puntland abfangen zu können. Allerdings sind die Ressourcen begrenzt, und so müsste für die Verfolgung eines Deserteurs in Puntland ein besonderer Grund vorliegen. In den meisten Teilen Puntlands sind Deserteure nicht gefährdet (BFA 8.2017).
Insbesondere Deserteure mittleren Ranges unterliegen dem Risiko, von der al Shabaab getötet zu werden. Doch auch einfache Mannschaftsgrade können zum Ziel werden. Inwiefern die al Shabaab tatsächlich Energie in das Aufspüren und Töten von desertierten Fußsoldaten investieren will, ist unklar. Trotzdem kann sich ein Deserteur nicht sicher sein, von al Shabaab in Ruhe gelassen zu werden. Auch in Mogadischu ist ein Deserteur nicht zwangsläufig sicher - wiewohl das Risiko von seiner Rolle innerhalb der al Shabaab abhängig zu sein scheint. Insgesamt besteht in einigen Fällen offenbar auch die Möglichkeit, dass sich ein Deserteur mit der al Shabaab verständigt - etwa durch die Zahlung von Geldbeträgen (BFA 8.2017).
In mehreren somalischen Städten wurden Rehabilitationszentren für ehemalige Kämpfer der al Shabaab eingerichtet - etwa in Kismayo, Baidoa, Belet Weyne und Mogadischu. Diese Zentren nehmen Deserteure unterer (BFA 8.2017; vergleiche DIS 3.2017, UNSC 5.9.2017), nach anderen Informationen auch jene mittlerer Ränge auf (BFA 8.2017). Die Zentren in Baidoa und Kismayo werden von IOM betrieben und von Deutschland finanziert, das Zentrum in Mogadischu wird von Großbritannien finanziert (UNSC 5.9.2017). Das Zentrum in Kismayo bietet beispielsweise psycho-soziale Unterstützung, religiöse Betreuung und Berufsausbildung (UNSC 9.5.2017). Die Bundesregierung verfügt über ihr eigenes Rehabilitationszentrum, das Serendi Camp in Mogadischu (u.a. finanziert von Norwegen). Ehemalige erwachsene und minderjährige Kämpfer werden durch die NISA in das Camp verwiesen. Das Camp stand bereits wiederholt in der Kritik von NGOs und Geberländern, da die Regierung Minderjährige gegen ihren Willen dort festhält, u.a. um von ihnen Informationen über Al Shabaab zu erhalten. IOM unterstützt ein Projekt zur Demobilisierung und Reintegration von "disengaged combatants" der al Shabaab in Baidoa. Dabei wird die Grundversorgung und Zugang zu Berufsausbildung gesichert sowie Mediationsarbeit mit den Heimatgemeinden der ehemaligen Kämpfer zur langfristigen Reintegration geleistet (ÖB 9.2016).
Auch wenn al Shabaab wohl über die Insassen derartiger Rehabilitationszentren informiert ist, werden bislang sowohl die Zentren selbst als auch rehabilitierte Deserteure in Ruhe gelassen. Es sind keine Fälle bekannt, wo aus einem Rehabilitationszentrum Entlassene ermordet worden wären. Beim Zentrum in Belet Weyne handelt es sich sogar um ein ‚ambulantes' System, bei welchem sich die Ex-Kombattanten nur tagsüber im Zentrum aufhalten (BFA 8.2017). Eine mögliche Erklärung ist, dass starke Clans in der Lage sind, al Shabaab von einer Rachenahme an Deserteuren des eigenen Clans abzubringen. Dies kann der Grund dafür sein, warum so viele Deserteure in ihre Gemeinden zurückkehren können (LI 5.8.2015).
Mindestens 1.200 Deserteure sind alleine durch ein Rehabilitationszentrum in Mogadischu gegangen. Die Gesamtzahl für Somalia ist unbekannt. Von diesen 1.200 sind rund 700 nach Hause (Mogadischu und Lower Shabelle) zurückgekehrt, weitere 200 wurden in die Sicherheitskräfte übernommen (LI 5.8.2015). Eine andere Quelle berichtet, dass zum Zeitpunkt Dezember 2016 ca. 100 ehemalige Kämpfer der al Shabaab in Mogadischu und Baidoa in die Gesellschaft re-integriert worden sind (DIS 3.2017). Eine andere Quelle berichtet, dass die UN die Reintegration von 854 ehemaligen Kindersoldaten oder mit bewaffneten Kräften assoziierten Kindern (722 Buben, 132 Mädchen) in ihre Familien und Gemeinden unterstützen. Die Aktivitäten umfassen psycho-soziale Unterstützung, "back-to-school"-Programme und Berufsausbildung (USDOS 3.3.2017). Laut Angaben des somalischen Defector Rehabilitation Programme (DRP) sind seit 2011 ca. 2.000 Deserteure der al Shabaab über das Programm erfolgreich in die Gesellschaft re-integriert worden (AMISOM 1.12.2017).
Manche Deserteure und Ex-Kombattanten in Rehabilitationszentren werden von der al Shabaab kontaktiert (DIS 3.2017; vergleiche BFA 8.2017), um an Informationen zu gelangen. Sie werden teils auch später als Doppelagenten genutzt. Andere müssen an al Shabaab Schutzgeld abführen (BFA 8.2017).
UNSOM unterstützt die Bundesregierung bei einem Pilotprojekt zur Reintegration von ehemaligen Kämpfern der al Shabaab in Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Belet Weyne. Das Projekt richtet sich an 1.000 Personen und bietet kurzfristige Beschäftigungsmöglichkeiten und Berufsausbildung (UNSC 9.5.2017). Auch UNICEF unterstützt Reintegrationsprogramme für ehemalige Kindersoldaten, in denen die Minderjährigen in ihre Gemeinden resozialisiert werden und Zugang zu einer Ausbildung bekommen. Im Jahr 2015 wurden mit der Unterstützung UNICEFs 769 Kinder (645 Buben und 124 Mädchen) von den Reintegrationsprogrammen erfasst (ÖB 9.2016).
Quellen: [...]
Auszug aus dem Fact Finding Mission Report zu Somalia betreffend die Sicherheitslage von August 2017 (Seite 48-55, Fußnoten entfernt):
"[...] Zwangsrekrutierung
Generell ist bekannt, dass al Shabaab in der Vergangenheit Zwangsrekrutierungen betrieben hat - speziell von Minderjährigen. Noch im Jahr 2015 gab es Berichte, dass al Shabaab in Dörfern in der Region Middle Shabelle Menschen mit Waffengewalt zwangsrekrutiert hatte. Aus dem Jahr 2016 ist bekannt, dass die Führung der al Shabaab die Bezirke Jilib, Saakow und Xaradheere sowie Teile der Region Bakool angewiesen hat, Rekruten zu stellen. Insgesamt wurden
1.500 neue Kämpfer aufgenommen. Hier kam es auch zu Zwangsrekrutierungen: Während die meisten neuen Rekruten aus der Region Middle Juba Freiwillige waren, kam es in Xaradheere auch zu Zwangsrekrutierungen. Ende Juni 2017 verhaftete al Shabaab in Xaradheere Älteste, weil sie entgegen den Anweisungen keine (Kinder-)Rekruten an al Shabaab abgeführt haben. Dabei geht al Shabaab manchmal auch direkt zu Familien und erklärt entweder, welchen Sohn man rekrutieren möchte oder dass man generell einen Sohn rekrutieren möchte. Dies betrifft effektiv von al Shabaab kontrollierte Gebiete.
Wenn al Shabaab einen Ort übernimmt, kann es vorkommen, dass Menschen dazu gezwungen werden, der Gruppe beizutreten. Damit soll der Ort Loyalität zu den Terroristen bekunden. Insgesamt gibt es in jüngerer Vergangenheit weniger Berichte über die diesbezügliche Einschüchterung oder Drangsalierung Einzelner. Vielmehr wendet sich al Shabaab an ganze Gemeinden. Dabei gibt es aber keine Berichte, wonach al Shabaab einem Dorf alle jungen Männer wegnehmen würde. Wenn die Gruppe zu brutal gegen die Bevölkerung agierte, dann würde al Shabaab die lokalen Milizen gegen sich aufbringen. Und dies ist nicht im Interesse der al Shabaab.
Aus jüngster Vergangenheit sind laut einer Quelle keine Beispiele für Zwangsrekrutierungen bekannt. Eine andere Quelle betont jedoch, dass Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab in den von ihr kontrollierten Gebieten nach wie vor ein Thema sind. Zwei weitere Quellen erklären, dass es in einigen bzw. in seltenen Fällen zu Zwangsrekrutierungen kommt. Eine letzte Quelle erklärt, dass Zwangsrekrutierungen nunmehr nur noch sporadisch und punktuell vorkommen, und es etwa im ersten Halbjahr 2017 kaum diesbezügliche Meldungen gegeben hat. Insgesamt stellen die tatsächlich gewaltsam Zwangsrekrutierten in den Reihen der al Shabaab nur einen geringen Prozentsatz.
Die al Shabaab agiert insgesamt einigermaßen professionell und ist gut organisiert und ausgerüstet. Um eine derartige Organisation aufrecht zu erhalten, kann man sich nicht nur auf Zwangsrekrutierte verlassen. Zwangsrekrutierungen entsprechen daher nicht dem modus operandi von al Shabaab. Eine zu hohe Zahl an Kämpfern, die gegen ihren Willen eingesetzt werden, schwächt die Organisation.
Zwangsrekruten passen auch nicht ins System: Rekruten werden üblicherweise für vier Monate in einem Lager ausgebildet. Jeder, der sich im Verlauf der Ausbildung als untauglich erweist, wird von der al Shabaab nach Hause geschickt. In diesem Sinne passen massenhafte, flächendeckende Zwangsrekrutierungen kaum ins Bild.
Nur wenn es die Umstände oder taktische Gründe erforderlich machen, werden Rekruten zwangsweise ausgehoben, z.B. wenn an einem Ort aus taktischem Kalkül rasch und dringend einige Rekruten gebraucht werden.
Druck wird hingegen oft ausgeübt - und der Druck den al Shabaab ausübt, ist viel stärker als jeder Zwang. Die Botschaft ist einfach:
Alle Menschen in Süd-/Zentralsomalia leben in einer Konfliktzone; und sie sind auf die eine oder andere Art unterschiedlichen bewaffneten Gruppen ausgeliefert. Und diese Nachricht wendet sich speziell an schwache Clans.
Dass die Terroristen vor der Rekrutierung von Minderjährigen nicht zurückschrecken, wurde bei einem Beispiel besonders deutlich. Im März 2016 landete al Shabaab größere Truppen an der puntländischen Küste. Der Brückenkopf wurde von lokalen Milizen und puntländischen Truppen vernichtend geschlagen, es wurden auch zahlreiche Gefangene gemacht. Unter diesen Gefangenen befanden sich viele Kinder in Uniform. Diese gaben in Gefangenschaft an, dass sie von al Shabaab einfach gefragt worden seien, ob sie mitkommen wollten. Die Kinder folgten den AS-Rekrutierern und fanden sich in einem Ausbildungslager wieder. Allerdings war der Grad der Ausbildung dieser Kinder erschreckend niedrig; möglicherweise befand sich al Shabaab in einer Zwangslage und musste schnell Rekruten anschaffen. Doch auch längerfristig scheint al Shabaab Kinder einzusetzen. Die UN berichten im Mai 2017 von der Ausmusterung von 167 Buben im Alter von 10-13 Jahren durch die al Shabaab.
Ein militärstrategischer Experte gibt allerdings zu bedenken, dass manche Meldungen auf Fehlinterpretationen beruhen. So ist es Mitte 2017 vorgekommen, dass aus einer Schule ein Lehrer samt Schülern von al Shabaab in ein Lager der Gruppe abtransportiert worden war. Dies wurde vorerst als Zwangsrekrutierung gemeldet. Allerdings hatte AS die Personen nur wegen der nicht-Einhaltung des von ihr vorgegebenen Lehrplans bestrafen wollen - eine Disziplinierungsmaßnahme. Die Schüler wurden binnen Tagen wieder freigelassen.
Wo wird rekrutiert?
Großflächige Rekrutierungen für die al Shabaab kommen nur in jenen Gebieten vor, die unter voller Kontrolle der Terroristen stehen. Überhaupt ist die Möglichkeit einer Rekrutierung davon abhängig, ob das betroffene Gebiet unter Kontrolle steht. Dort erfolgt die Anwerbung etwa in Schulen oder generell unter Jugendlichen. Auch Minderjährige werden gezielt angesprochen.
In Mogadischu gibt es keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab, es liegen dafür keine greifbaren Beweise vor. Insgesamt gibt es von außerhalb jener Gebiete, die unter Kontrolle der al Shabaab stehen, keine Berichte zu Zwangsrekrutierungen. Allerdings könnte eine Zwangsrekrutierung überall dort vorstellbar sein, wo die Präsenz der al Shabaab stark genug ist; wo die Mitglieder der AS zu den Menschen gehen können.
In Mogadischu kann al Shabaab aber Rekruten durch Radikalisierung anwerben. In von der Regierung kontrollierten Städten kann es zur Rekrutierung über Koranschulen kommen. Hierbei wird sicher auch viel Druck ausgeübt.
Rezente Beispiele für Zwangsrekrutierungen entlang von Straßen - also an Checkpoints - wurden von keinem Gesprächspartner der FFM Somalia 2017 genannt bzw. konnten keine relevanten Beispiele genannt werden.
Normalerweise sucht sich al Shabaab an Checkpoints nicht einfach irgendwelche Passanten als neue Rekruten aus. Die meisten Straßensperren dienen anderen Zwecken: Der Kontrolle, ob ein Passagier irgendeine Verbindung zu einem westliche Akteur, zu einer NGO oder zur der somalischen Regierung hat; und zum Einheben von Steuern. Andererseits hat sich gezeigt, dass aus Kenia in erster Linie Frauen und Kinder nach Somalia zurückkehren. Offensichtlich fürchten Burschen und Männer, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden - sei es entlang der Straße oder aber zurück im Dorf. Allerdings gibt es keinen bestätigten Fall, wo tatsächlich ein Rückkehrer entlang der Straße zwangsrekrutiert worden wäre.
Die Radikalisierung erfolgt in Schulen, in Privathäusern oder in Moscheen, die peers sind Imame oder einfach andere Jugendliche - und hier vor allem jene, die bereits von ihrer Mitgliedschaft bei al Shabaab profitiert haben. Diese Jugendlichen haben zwar keine Waffen; aber sie beeinflussen andere mit Geld, Ideologie und Informationen. Dabei wurden auch Frauen radikalisiert. [...]
Rekrutierung über Clan, Eltern oder Freunde
Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Oft gibt es mit einem Clan ein Übereinkommen, wo vereinbart ist, dass der Clan eine gewisse Anzahl - z.B. hundert - an Rekruten stellt. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dann erfolgt die Rekrutierung über den Clan. Aus Clan-Perspektive handelt es sich hier um keine Zwangsrekrutierung, allerdings sind Einschüchterungen nicht auszuschließen. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer: "One person is easily replaceable."
Schwächere Clans erwarten sich von al Shabaab Unterstützung, die Gruppe wird von manchen Minderheiten als Beschützer erachtet. Bei benachteiligten Clans - z.B. den Madhiban - werden folglich vermehrt Kämpfer geworben. Einige Clans haben Schnittpunkte mit der al Shabaab gefunden, dies hat der Gruppe bei der Rekrutierung geholfen. Einige Clans haben mit al Shabaab kollaboriert, um ihre politische Marginalisierung und Vulnerabilität auszugleichen. Dies gilt etwa für die sogenannten ‚Bantu'.Al Shabaab versucht auch, Eltern von Minderheiten davon zu überzeugen, dass es für sie von Vorteil ist, wenn sie einen ihrer Söhne der al Shabaab übergeben. Überhaupt besteht für Angehörige von Minderheiten ein höherer Anreiz, der al Shabaab beizutreten.
Die Rekrutierung durch AS ist auch vom Clan-Umfeld abhängig. So rekrutiert al Shabaab etwa dort nicht, wo Clans voneinander abhängig sind, z.B. in Gaalkacyo. Daneben können Mannschaften für den äußeren Kreis (siehe 5) der al Shabaab auch über Druck durch das Umfeld (peer pressure) - Freunde, Verwandte - rekrutiert werden.
Rekrutierung über Indoktrination, Propaganda und Glauben
Indoktrinierung und Gehirnwäsche sind ebenfalls Mittel zur Anwerbung von Rekruten. Und indoktrinierte Kämpfer sind auch weniger dafür anfällig, die Gruppe wieder zu verlassen. Also versucht al Shabaab Dorfbewohner zu radikalisieren, bevor sie angeworben werden. Hinsichtlich des kenianischen Umgangs mit somalischen Flüchtlingen propagiert al Shabaab: ‚Die Kenianer wollen euch nicht, sie werfen euch hinaus! Aber wir kämpfen für eure Freiheit!' Spektakuläre Operationen der al Shabaab werden u.a. zu jenem Zweck durchgeführt, um sie als Propagandamittel einsetzen und damit neue Rekruten anwerben zu können. Diese Art der Propaganda ist erfolgreich.
Andere fühlen sich aus religiösen Motiven verpflichtet, sich am Kampf der AS zu beteiligen. So sind kenianische Somali üblicherweise eher ideologisch motiviert. Diese ideologisierten Kämpfer der al Shabaab - der mittlere Kreis - sind neben dem inneren Zirkel am schwersten zugänglich. Trotzdem hat es auch von dort schon Deserteure gegeben. Es gibt hierzu eine Anekdote über einen Somali aus dem östlichen Teil Somalilands. Dieser hatte einige Zeit für die al Shabaab in den Galgala-Bergen gekämpft. Dann kehrte er wieder in sein Dorf zurück und nahm seine Arbeit als Ladenbesitzer wieder auf; denn er hatte das Gefühl, seine religiöse Verpflichtung zum Dschihad erledigt zu haben.
Rekrutierung über ökonomische Anreize
Anstatt Menschen zwangsweise zu rekrutieren setzt al Shabaab auf ökonomische Anreize. Die Terroristen locken mit einem regelmäßig bezahlten Gehalt von 50-100 US-Dollar. Damit werden neue Rekruten für den äußeren Kreis (siehe 5) angeworben. Geld ist also nach wie vor ein Grund dafür, dass man der al Shabaab beitritt. 50 Prozent der al Shabaab sind nur aus finanziellen Gründen dabei. Die Mitglieder im äußeren Kreis werden bezahlt und machen dafür, was von ihnen erwartet wird. Sie tun dies aber vorwiegend deswegen, weil sie keine andere Perspektive haben. Sobald sich eine Alternative auftut, sind diese Menschen anfällig für Desertion - was hier auch häufig vorkommt. Die Dürre stellt hier für die Terroristen eine gute Möglichkeit dar, neue Rekruten anzuwerben, denn viele Menschen sind durch die Dürre verarmt. Al Shabaab propagiert: "No aid is available. But you can fight for us and finance your family like this!" Oder al Shabaab sagt zu Eltern: "Give us your boys, we will take care of them."
So stellt auch die Delogierung von IDPs in Mogadischu einen Nährboden für die al Shabaab dar: Manche IDPs schließen sich der al Shabaab an, um über die Runden zu kommen oder um Schutz zu erhalten. In diesem Zusammenhang wäre auch eine tatsächliche Schließung des Flüchtlingslagers Dadaab (Kenia) ein guter Boden für Neurekrutierungen. Rückkehrer könnten für Rekrutierungsversuche der al Shabaab anfällig sein.
In Kenia und Uganda werden arbeitslose oder arbeitsunwillige Jugendliche von den Einkommensmöglichkeiten bei al Shabaab angezogen. Daher schließen sie sich der Gruppe an. Erst wenn sie dies getan haben, werden sie radikalisiert. Die Rekruten aus Kenia sind also fast alle Freiwillige.
Ein weiteres Beispiel für einen ökonomischen Anreiz ist z.B. auch die Anwerbung von Todkranken als Selbstmordattentäter. Indem sie sich nämlich selbst für die al Shabaab opfern, können sie für ihre Familie noch einen Beitrag leisten (etwa, weil eine Prämie oder eine Pension ausbezahlt wird). Schlussendlich hatte auch der Rückstand an Gehaltsauszahlungen für somalische Sicherheitskräfte zur Folge, dass Menschen von dort zur al Shabaab übergetreten sind. Die Terroristen bieten in diesem Sinne besser ökonomische Perspektiven.
Freikaufen von der Rekrutierung
Oft wird eine Verbindung zwischen der Zahlung von Steuern und der Stellung von Rekruten hergestellt: Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. Al Shabaab ist auf beides angewiesen: Auf Geld und auf Rekruten. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit, einer Rekrutierung durch die Zahlung von Steuern zu entgehen. Eine Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus der al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten. Außerdem kann jemand auch nicht in der Lage sein, die entsprechenden Steuern zu bezahlen. Eine Quelle erklärt in diesem Zusammenhang, dass es plausibel wäre, wenn al Shabaab Verweigerer exekutieren würde. Schließlich könnte ein Verweigerer als Regierungssympathisant wahrgenommen werden. Der Quelle war aber kein entsprechender Fall bekannt. [...]"
2.1.5. Zur Situation der Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, vom 12.01.2018, zuletzt aktualisiert am 03.05.2018, welche den Parteien im Zuge der Verhandlungseinladung übermittelt wurden):
Die somalische Regierung arbeitet mit der internationalen Gemeinschaft zusammen, um den Zugang von Vertriebenen zur Grundversorgung, zu Arbeit und dauerhaften Lösungen zu verbessern. Die somalische Regierung und Somaliland arbeiten mit dem UNHCR und IOM zusammen, um IDPs, Flüchtlinge, Rückkehrer und Asylwerber zu unterstützen (USDOS 3.3.2017). Die EU unterstützt zahlreiche Reintegrationsprojekte für rückkehrende IDPs in Somalia mit mehr als 33 Millionen Euro aus dem EU Trust Fund (EEAS 5.4.2017).
Die Gesamtzahl an IDPs in Somalia wird im November 2017 mit 1,56 Millionen beziffert. Im Zeitraum 1.-11.2017 wurden 874.000 Menschen innerhalb Somalias aufgrund der Dürre vertrieben; weitere 188.000 aufgrund von Konflikt oder Unsicherheit (UNHCR 30.11.2017b). Alleine zwischen November 2016 und April 2017 haben mehr als 570.000 Menschen aufgrund der Dürre ihre Heimat verlassen und wurden so zu IDPs (UNSC 9.5.2017). Eine andere Quelle beziffert die Zahl der durch die Dürre vertriebenen Menschen im Zeitraum November 2016 bis Juli 2017 mit 859.000 (SEMG 8.11.2017). Davon suchten rund 7.000 Schutz in Äthiopien und Kenia (UNSC 5.9.2017). Die al Shabaab ist mitverantwortlich dafür, dass von der Dürre betroffene Personen aus ihrer Heimat fliehen mussten, da die Gruppe humanitäre Hilfe behindert und Blockaden betreibt. Außerdem wurden im Zuge des Konflikts und der Unsicherheit in Lower Shabelle rund 87.000 Menschen vertrieben (SEMG 8.11.2017). Dabei ist die Aufnahmekapazität der Zufluchtsgebiete begrenzt (ÖB 9.2016).
Vor allem in Mogadischu kam es weiterhin zur Vertreibung bzw. Zwangsräumung von IDPs (AI 22.2.2017). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 waren 80.000 IDPs von Zwangsräumungen betroffen, v. a. in Mogadischu (HRW 12.1.2017), nach anderen Angaben waren im ersten Halbjahr 2016 ca. 91.000 Personen betroffen (USDOS 3.3.2017). Für den Zeitraum Jänner bis Juli 2017 wird eine Zahl von ca. 90.000 Betroffenen genannt. Wiederum waren vor allem IDPs in Mogadischu betroffen, im August 2017 kam es aber auch zur Vertreibung von rund 5.000 IDPs in Baidoa (SEMG 8.11.2017). An den Vertreibungen waren staatliche Sicherheitskräfte beteiligt, die auch Gewalt angewendet haben (USDOS 3.3.2017).
IDPs gehören in Somalia zu den am meisten gefährdeten Personengruppen (NLMBZ 11.2017). Laut UNOCHA gelten IDPs als besonders benachteiligte Gruppe, die kaum Schutz genießt und Ausbeutung, Misshandlung und Marginalisierung ausgesetzt ist. Single- oder alleinerziehende Frauen und Kinder sind besonders gefährdet (ÖB 9.2016). Die Regierung und Regionalbehörden bieten den IDPs nur unwesentlichen Schutz und Unterstützung und trugen sogar in manchen Fällen zur Vertreibung von IDPs bei (USDOS 3.3.2017). In Mogadischu sind für Vergewaltigungen bewaffnete Männer - darunter Regierungssoldaten und Milizionäre - verantwortlich (HRW 12.1.2017). Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung besonders gefährdet (USDOS 3.3.2017).
IDPs sind über die Maßen von der Dürre betroffen, da sie steigende Preise für Lebensmittel nicht bezahlten können. Außerdem gibt es für sie weniger Beschäftigungsmöglichkeiten. Üblicherweise überleben sie aufgrund der Überweisung von Remissen und mittels internationaler Unterstützung (ICG 9.5.2017). IDPs - und hier v.a. Frauen und Kinder - sind sehr vulnerabel und von Unterstützung abhängig (HRW 12.1.2016). Der UNHCR versucht, sich über die Gegebenheiten und Notwendigkeiten in den rund 1.800 IDP-Lagern in Somalia einen Überblick zu verschaffen (UNHCR 30.11.2017b). Alleine in Mogadischu gibt es 486 IDP-Lager (BFA 3./4.2017). Rund 1,5 Millionen IDPs werden durch UNHCR erreicht. Einigen wurde zu Einkommen und/oder Ausbildung verholfen (UNHCR 30.11.2017b). In Puntland und Somaliland hat die UN für Rückkehrer und IDPs mehr als 5.000 "housing units" errichtet (BFA 3./4.2017).
Somalia ist ein äußerst unattraktives Zufluchtsland für Asylsuchende. Die Zahl ausländischer Flüchtlinge wird als sehr gering eingeschätzt. Trotzdem sind seit der Eskalation im benachbarten Jemen sind einige Tausend Menschen nach Somalia geflohen (AA 1.1.2017). Trotzdem befanden sich im November 2017 ca.
14.500 Asylwerber und 14.200 Flüchtlinge in Somalia. 62% davon waren Äthiopier, weitere 37% Jemeniten. Mindestens 58% der Asylwerber und Flüchtlinge befinden sich Somaliland, mindestens weitere 23% in Puntland; in Mogadischu befinden sich 10% (UNHCR 30.11.2017b).
Auch weiterhin kommen Flüchtlinge nach Somalia. Alleine im November 2017 trafen 86 Jemeniten ein. Der UNHCR gewährte im November 2017 rund 2.500 Asylwerbern und Flüchtlingen medizinische Versorgung; weitere profitieren von Einkommensmöglichkeiten und Ausbildungsprogrammen. 2.418 Haushalte wurden mit Geld unterstützt (UNHCR 30.11.2017b).
[...]
2.1.6. Zur Rückkehrsituation (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, vom 12.01.2018, zuletzt aktualisiert am 03.05.2018, welche den Parteien im Zuge der Verhandlungseinladung übermittelt wurden):
Rückkehr
[...]
Soweit bekannt blockieren die somalischen Behörden Rückführungen nach Süd-/Zentralsomalia nicht. Es ist auch nicht bekannt, dass die somalischen Behörden Rückkehrer überwacht oder misshandelt haben (NLMBZ 11.2017). Laut einer anderen Quelle liegen hinsichtlich der Behandlung rückgeführter somalischer Staatsangehöriger keine belastbaren Erkenntnisse vor, da insbesondere westliche Staaten Rückführungen nur in sehr begrenztem Ausmaß durchgeführt haben. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge dieser Personengruppe, sondern das gelegentlich unvorhersehbare Verhalten der Sicherheitskräfte, die Sicherheits- und Versorgungslage allgemein sowie mögliche Übergriffe der al Shabaab (AA 1.1.2017). Trotz aller Erfolge von somalischer Armee und AMISOM ist die Sicherheitslage in vielen Teilen Somalias nicht stabil genug, um die Aufnahme von Rückkehrern zu gewährleisten (UNHRC 28.10.2015). Andererseits sind nach Somalia Rückgeführte nicht per se einem höheren Risiko ausgesetzt. Diese Feststellung wird durch fehlende negative Meldungen bezüglich der zahlreichen aus Saudi Arabien deportierten Personen unterstützt (UKUT 3.10.2014). Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) nach einer längeren Abwesenheit bei einer Rückkehr nach Mogadischu aufgrund der Tatsache, dass er in einem europäischen Land gelebt hat, keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vergleiche EGMR 10.9.2015).
Menschenrechtsorganisationen mahnen die prekäre Situation der Rückkehrer in Somalia an (AA 1.1.2017). Obwohl der UNHCR bei der Rückführung aus Kenia eine große Rolle spielt, mahnt die gleiche Organisation angesichts der von ihr bewerteten Sicherheitslage davor, Personen in Gebiete in Süd-/Zentralsomalia zurückzuschicken.
Genannt werden: eine nicht-existente Infrastruktur; mangelnde Einrichtungen für somalische Rückkehrer; die weiterhin schwierige Sicherheitslage; die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen und Kinder; sowie die Spannungen mit der lokalen Bevölkerung im Kontext eines allgemeinen Ressourcenmangel, die eine Massenrückkehr aus den Nachbarländern auslösen kann. Somalia scheint auf eine Rückkehr von Flüchtlingen in größerem Ausmaß nicht vorbereitet zu sein (ÖB 9.2016). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (AA 1.1.2017). Es kann aber insgesamt davon ausgegangen werden, dass sich ein erheblicher Teil der Rückkehrer als IDPs wiederfinden wird bzw. andere Flucht-/Migrationsrouten aufgesucht werden. Es kommt auch zur Re-Migration von Rückkehrern nach Kenia (ÖB 9.2016). Abschiebungen nach Somalia sollten laut UN ausschließlich nach Konsultierung der Bundesregierung und nach Abwägung der in Somalia vorhandenen Ressourcen stattfinden (UNHRC 6.9.2017). Das Rückkehrprogramm (Kenia) nach Kismayo musste Mitte 2016 für mehrere Monate ausgesetzt werden, da Jubaland nicht in der Lage war, zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung zu stellen (DIS 3.2017). In manchen Regionen könnte die großflächige Ansiedlung von Rückkehrern zu Spannungen führen - etwa hinsichtlich von Landbesitz, Rechten und Demographie. Dies gilt insbesondere jetzt, wo viele ländliche Herkunftsgebiete von Rückkehrern noch von al Shabaab kontrolliert werden und die Rückkehrer daher auf urbane Ballungszentren ausweichen (DDG 24.10.2017).
Allein die Tatsache, dass eine Person nach Somalia zurückkehrt, macht diese nicht zum Ziel - auch nicht für die al Shabaab (NLMBZ 11.2017). Rückkehrern in Gebiete der al Shabaab könnte vorgeworfen werden, als Spione zu dienen (BFA 8.2017). Rückkehrer aus Kenia werden von al Shabaab normalerweise nicht angegriffen (BFA 3./4.2017). Ob ein Rückkehrer zum Ziel der al Shabaab wird, hängt maßgeblich von seinem eigenen Verhalten ab. Die al Shabaab wird ihr bekannte Rückkehrer genauer beobachten. Ein Neuankömmling läuft auch eher Gefahr, an einem Checkpoint angehalten und verhört zu werden. Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur al Shabaab (DIS 3.2017). Andererseits kann es auch vorkommen, dass Rückkehrer von Regierungskräften verdächtigt werden, da es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen von im Westen radikalisierten Somali der Diaspora gekommen ist. Auch Rückkehrer aus dem Jemen werden in Mogadischu teilweise als "high-risk" angesehen (BFA 3./4.2017).
[...]
Quellen: [...]
Grundversorgung/Wirtschaft
Generell hätte Somalia großes wirtschaftliches Potential, sei es im Agro-Business, in der Viehzucht, der Fischerei oder im Handel, bei erneuerbaren oder anderen Energiequellen. Außerdem verfügt Somalia über sehr unternehmerische Staatsbürger, sowohl im Land als auch in der Diaspora. Dieses Potential wäre vorhanden (UNSOM 13.9.2017). Die Diaspora investiert auch seit mehreren Jahren auf unterschiedliche Art in ganz Somalia (SHU 16.6.2016). Laut Schätzungen überweist die Diaspora pro Jahr mehr als 1,3 Milliarden US-Dollar in die Heimat. Damit ist die somalische Wirtschaft aber gleichzeitig eine der am meisten von Remissen abhängigen Ökonomien der Welt (SHU 16.6.2017).
Doch noch gehört Somalia zu den ärmsten Ländern der Erde. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung kann sich nicht ausreichend mit Lebensmitteln und Trinkwasser versorgen (AA 4.2017b). Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia seit Jahrzehnten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe (AA 1.1.2017; vergleiche AA 4.2017b). Das Land ist also in hohem Grade von Hilfe abhängig (UNSOM 13.9.2017). 43% der somalischen Bevölkerung leben in extremer Armut von weniger als einem US-Dollar pro Tag (UNHRC 6.9.2017).
Fehlende Daten machen es schwierig, die makro-ökonomische Situation Somalias ausreichend beschreiben zu können. Schätzungen zufolge ist das BIP im Jahr 2015 um 5% gestiegen, im Jahr 2016 um 6%. Die Prognose für 2017 lautet auf ein Wachstum von 2,5%. Dabei ist dieses Wachstum vor allem im urbanen Raum entstanden und von Konsum, Remissen und Gebergeldern abhängig (WB 18.7.2017).
Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar (ÖB 9.2016). Das gegebene Wachstum des BIP ist in Somalia ein urbanes Phänomen, getrieben vom Konsum, von Hilfen aus dem Ausland und von Überweisungen aus der Diaspora. Dabei wirkt sich das von al Shabaab im Juni 2017 in drei Bundesstaaten ausgesprochene Verbot der Verwendung des Somali Shilling negativ aus, der Kurs der Währung ist gefallen (UNSC 5.9.2017; vergleiche SEMG 8.11.2017). Mit ein Grund für das Verbot der al Shabaab war sicherlich das nicht regulierte und nicht genehmigte Nachdrucken von Banknoten durch die State Bank of Puntland (SEMG 8.11.2017).
Es gibt unterschiedliche Zahlen darüber, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Somalia ist. Am Human Development Index 2012 wurde die allgemeine Arbeitslosigkeit mit 54% angegeben, für Jugendliche (14-29jährige) mit 67% (ÖB 9.2016; vergleiche SHU 16.6.2017). UNDP gab die Zahl im Jahr 2012 mit 67% an. Bei der aktuellen Studie aus dem Jahr 2016 gaben aber nur 14,3% der befragten Jugendlichen (Mogadischu 6%, Kismayo 13%, Baidoa 24%) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist, als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat; c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von "arbeitslos" unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016). Außerdem sind nach anderen Angaben viele Männer aufgrund ihres Khat-Konsums mehr oder weniger berufsunfähig - ein Grund, warum oft Frauen als Familienerhalterinnen einspringen müssen (SZ 13.2.2017).
All dies bedeutet jedenfalls, dass man die Arbeitslosigkeit in Somalia und in Mogadischu nicht beziffern kann (LI 1.4.2016). Insgesamt sind zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren (ÖB 9.2016). Außerdem haben sich bisherige Studien darüber, wie Menschen in Mogadischu ihren Lebensunterhalt bestreiten, auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel - v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LI 1.4.2016).
Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose jedenfalls keinerlei Unterstützung (LI 1.4.2016). In einer Studie von IOM gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60%) und von Verwandten im Ausland (27%) versorgt zu werden (IOM 2.2016). Insgesamt ist das traditionelle Recht (xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.:
in etwa die unterste Ebene des Clansystems] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017).
2015 wurde ein Wirtschaftsaufschwung am Hafen Mogadischus registriert. Dank der reduzierten Bedrohung durch Piraterie und die dadurch verbesserte Sicherheitslage interessieren sich immer mehr Investoren für Mogadischu. Die somalische Wirtschaft ist jedoch im Allgemeinen weiterhin fragil. Dies hängt mit der schmalen Wirtschaftsbasis zusammen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist nach wie vor von der Tierhaltung und Fischerei abhängig und damit externen und Umwelt-Einflüsse besonders ausgesetzt (ÖB 9.2016).
Es kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung (LI 1.4.2016). In der Stadt gibt es eine steigende Nachfrage an Hilfsarbeitern. Früher hatten die nicht-Ausgebildeten größere Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt aber auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit. Mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu sind auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen (IOM 2.2016; vergleiche LI 1.4.2016). Dementsprechend sind unqualifizierte Arbeitskräfte, bei denen es nur um physische Kraft geht (Bauwirtschaft, Hafenarbeiter etc.) in Mogadischu zahlreich verfügbar. Junge Kandidaten werden bevorzugt (IOM 2.2016).
Einen großen Bedarf gibt es an folgenden ausgebildeten Kräften und Fähigkeiten - bzw. womöglich auch an Ausbildungswilligen: Handwerker (Tischler, Maurer, Schweißer etc.); im Gastgewerbe (Köche, Kellner etc.); Schneider; Ingenieure; medizinisches Personal;
fortgeschrittene IT- und Computerkenntnisse; Agrarfachwissen;
Lehrkräfte auf allen Ebenen. Einen Bedarf gibt es auch an folgenden Arbeitskräften und Fähigkeiten: Mechaniker, Elektriker, Installateure, Fahrer von Spezialfahrzeugen; Betriebswirte und Buchhalter; Verkauf und Marketing; Englisch-Sprechern; IT- und Computerkenntnisse (IOM 2.2016). Der Mangel an Fachkräften ist so groß, dass in manchen Bereichen auf Gastarbeiter zurückgegriffen wird (z.B. im Gastgewerbe auf Kenianer und Somaliländer; oder im Baugewerbe auf Handwerker aus Bangladesch) (LI 1.4.2016; vergleiche IOM 2.2016).
Fast alle in der Studie von IOM befragten Arbeitgeber haben angegeben, dass sie mittelfristig mehr Personal einstellen wollen (IOM 2.2016). Weil freie Arbeitsplätze oft nicht breit beworben werden und die Arbeitgeber den Clan und die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne richtige Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen (IOM 2.2016; vergleiche DIS 9.2015), Witwen und Migranten ohne Familien schlechtere Chancen (DIS 9.2015). Arbeitssuchende greifen also auf ihre privaten Netzwerke zurück. Größere Firmen platzieren Jobangebote auch an Hauswänden oder in lokalen Medien. Öffentliche Stellen greifen auch auf Onlinemedien zurück (z.B. baidoanews.net oder somalijobs.net). Männliche Hilfsarbeiter stellen ihre Arbeitskraft frühmorgens an bestimmten Plätzen zur Verfügung (Mogadischu: Bakara; Baidoa: Kilo 7; Kismayo: Golol Place) (IOM 2.2016).
Der militärische Erfolg gegen al Shabaab in Mogadischu hat dazu geführt, dass viele Somali aus der Diaspora zurückgekehrt sind (BS 2016; vergleiche LI 1.4.2016). Die Rückkehrer haben investiert und gleichzeitig eine wachsende Nachfrage geschaffen (LI 1.4.2016). Außerdem traten neue Investoren in den Vordergrund, z.B. die Türkei (BS 2016; vergleiche LI 1.4.2016), China und die Golf-Staaten (LI 1.4.2016). Die Wirtschaft von Mogadischu hat begonnen zu wachsen. Dies wird angesichts des Baubooms am offensichtlichsten (BS 2016). Heute ist Mogadischu vom Wiederaufbau, ökonomischer Wiedererholung und Optimismus gekennzeichnet (LI 1.4.2016). Supermärkte, Restaurants und Hotels wurden neu geöffnet. Auch in anderen, der al Shabaab abgerungenen Städten steigt die Zahl wirtschaftlicher Aktivitäten (BS 2016).
Viele UN-Agenturen (bspw. UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen (ÖB 9.2016). Die UNO betreibt in Somalia gegenwärtig 18 auf Jugendliche zugeschnittene Programme und hat dort 28 Mio. US-Dollar investiert. Sieben dieser Programme unterstützen die (Berufs-)Ausbildung um die Jugendarbeitslosigkeit zu senken (UNSC 5.9.2017). Der Somalia Stability Fund betreibt Infrastrukturprojekte in Hobyo, Xudur und Berdale - dadurch wurden Arbeitsplätze geschaffen. UNDP und UNIDO unterstützen Jugendliche in Jubaland, um deren Arbeitschancen zu erhöhen - etwa durch Ausbildung, Mikrokredite. In Afmadow wurde mit Unterstützung von USAID ein neuer Markt eröffnet. USAID unterstützt auch den Wiederaufbau auf Gemeindeebene, u.a. in den Bezirken Kismayo, Baardheere und Diinsoor (UNSC 5.9.2017).
Das meiste Einkommen lukriert Somalia mit Viehexport, Häuten, Fisch, Holzkohle und Bananen. Ein Schlüsselelement der Wirtschaft ist der Telekommunikationsbereich. Außerdem sind seit dem Rückzug der al Shabaab aus Mogadischu einige Bereiche stark gewachsen: Die öffentliche Verwaltung; internationale Organisationen; Botschaften; der Bausektor; und der Dienstleistungsbereich (Hotels, Restaurants, Transportsektor, Schulen, Spitäler etc.) (LI 1.4.2016). Viele Bereiche liegen in den Händen privater Anbieter (LI 1.4.2016; vergleiche BS 2016). Neben Schulen und Spitälern wird beispielsweise auch die Steuer von einer Privatfirma eingehoben. Berechnungen zufolge ist die somalische Wirtschaft ständig gewachsen; für 2014 schätzt der IWF das Wachstum auf 3,7% (LI 1.4.2016). Ein potentieller Wachstumssektor wäre auch die Fischindustrie. Die somalischen Hoheitsgewässer beherbergen einige der reichsten Fischgründe der Welt. Es mangelt aber noch an Ausbildung für Fischer, an Ausrüstung und Regulierungen. OXFAM und die EU unterstützen den diesbezüglichen Ausbau der Kapazitäten (OXFAM 30.9.2015).
Aufgrund der Tatsache, dass bereits eine Anzahl von somalischen Flüchtlingen bereit ist, freiwillig zurückzukehren, besteht eine berechtigte Hoffnung das Land als zunehmend sicherer und bewohnbarer zu qualifizieren (ÖB 9.2016).
Medizinische Versorgung
Die Gesundheitslage zählt zu den schlechtesten der ganzen Welt. Die Kinder- und Müttersterblichkeitsraten sind alarmierend hoch. Gleichzeitig ist die Förderung von Gesundheitsprogrammen gering (ÖB 9.2016). Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 45 Jahre für Männer und 47 Jahre für Frauen. Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen (AA 1.1.2017). Die Müttersterblichkeit hat sich von 850 pro 100.000 Lebendgeburten im Jahr 2010 auf 732 pro 100.000 im Jahr 2016 verringert (USDOS 3.3.2017), bleibt aber eine der höchsten weltweit (LI 11.6.2015).
Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft (AA 1.1.2017). Medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung (AA 4.2017b). Allerdings variiert der Zugang zu medizinischer Versorgung. Dieser scheint in Somaliland und in Mogadischu am besten zu sein. Da es kein staatliches Gesundheitssystem gibt, ist die Versorgungslage maßgeblich davon abhängig, wie sehr der Zugang für lokale und internationale Hilfsorganisationen in einem Gebiet gewährleistet ist. Folglich ist die Versorgungslage in den größeren Städten besser. Schätzungsweise 80% der Bevölkerung haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung (LI 11.6.2015).
Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Zudem behindert die unzureichende Sicherheitslage ihre Arbeit. Versorgungs- und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen mussten auch immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Anordnungen örtlicher (islamistischer) Machthaber unterbrochen werden (AA 1.1.2017). Gesundheitspersonal ist rar und Spitäler sind aufgrund von Unterfinanzierung von Schließungen gefährdet (ÖB 9.2016). Allerdings sind z.B. in Mogadischu seit 2014 einige Gesundheitseinrichtungen, Spitäler und Kliniken neu eingerichtet worden (LI 1.4.2017). Auch AMISOM betreibt oder unterstützt Spitäler bzw. bietet medizinische Versorgung, etwa in Merka (AMISOM 24.2.2017) oder Baidoa (UNSOS 16.11.2016). In Mogadischu wurde zudem ein Spital durch die Vereinten Arabischen Emirate erbaut (Horseed 4.6.2015), ein weiteres wurde von der Türkei renoviert und ausgebaut. Letzteres bietet auch eine vergleichsweise günstige Versorgung für Dialysepatienten (Hiiraan 17.6.2016).
Die Somali Red Crescent Society (SRCS) betreibt in ganz Somalia 25 feste Kliniken (ICRC 23.5.2017). Hinzu kommen elf mobile Kliniken in Süd-/Zentralsomalia. Dabei wird die SRCS vom IKRK unterstützt. Die Teams des SRCS dringen dabei auch in entlegene Gebiete vor - hundert Kilometer von der nächsten größeren Stadt entfernt. Sie gewährleisten damit dort eine medizinische Grundversorgung (ICRC 28.7.2017).
Durch Wasser verursachte Krankheiten sind weit verbreitet (AWD bzw. Cholera). 85% der Betroffenen von Cholera sind Kinder unter 5 Jahren (ÖB 9.2016). Dabei hat die Dürre die Verbreitung von Cholera verstärkt. Bis Ende Juli 2017 gab es fast 76.000 Fälle mit 1.155 Toten. Danach ist es den Behörden und Partnern gelungen, die Seuche in den meisten Gebieten einzudämmen (UNSC 5.9.2017).
In Somalia gibt es fünf Zentren zur Betreuung psychischer Erkrankungen. Diese befinden sich in Berbera, Bossaso, Garoowe, Hargeysa und Mogadischu. Allerdings arbeiten insgesamt nur drei Psychiater an diesen Einrichtungen (WHO 2017a).
In Puntland gibt es nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums fünf regionale Spitäler (in Bossaso, Garoowe, Galkacyo und Qardho), sieben Bezirksspitäler, 72 medizinische Zentren, 192 Gesundheitsposten und vier psychologische Zentren; außerdem werden drei Stabilisierungszentren (Ernährung), neun Tuberkulose-Eindämmungseinheiten und vier sogenannte VCT-Zentren (Voluntary Counselling and Testing; HIV/AIDS) betrieben (PMH 2016). Neben den öffentlichen Spitälern gibt es auch Privatkliniken, wie z.B. das Puntland Hospital in Bossaso (PHB 2012). Zusätzlich gibt es Einrichtungen für die medizinische Grundversorgung; in Eyl wurde ein Krankenhaus eröffnet (WVI 16.9.2017). Derweil hat Deutschland angekündigt, in den Jahren 2017-2019 31,3 Millionen US-Dollar in Gesundheitsprojekte in Puntland zu investieren (GO 30.8.2017). Im Jahr 2017 ist auch die internationale NGO MSF nach drei Jahren Absenz wieder nach Puntland zurückgekehrt (GJ 25.1.2017; vergleiche NLMBZ 11.2017).
MedCOI ist nicht in der Lage, Auskünfte zu Somalia zu geben (MAO 24.9.2014). Auch IOM bietet hinsichtlich medizinischer Anfragen zu Somalia keine Kooperation (IOM 5.7.2017; vergleiche IOM 31.8.2016).
Bewegungsfreiheit und Relokation
Die Übergangsverfassung schützt das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte sind in einigen Landesteilen eingeschränkt (USDOS 3.3.2017). Reisefreiheit ist im Prinzip gegeben, wobei sich Einschränkungen durch die jeweiligen Machthaber - al Shabaab, Kriegsherren, lokale Administrationen - sowie durch Kampfhandlungen in bestimmten Gebieten ergeben können.
[...].
In vielen Gebieten kommt es zu Problemen im Straßenverkehr, werden illegale Wegzölle erhoben und Reisende misshandelt (UNSC 5.9.2017). Al Shabaab kontrolliert wichtige Hauptversorgungsrouten (HRW 12.1.2017) ganz oder teilweise (DIS 3.2017). Gegen einige Städte, die von AMISOM und somalischer Regierung kontrolliert werden, führt die al Shabaab eine Blockade durch. Die Lieferung von Gütern und Unterstützung wird dadurch behindert (HRW 12.1.2017). Betroffen sind insbesondere Diinsoor, Waajid und Xudur (UNSC 5.9.2017).
Solange man den von al Shabaab (einmalig) geforderten Wegzoll entrichtet, sind Reisen in Gebiete unter Kontrolle der Gruppe kein Problem. Generell gestaltet sich die "Einreise" in solche Gebiete einfacher, als die "Ausreise" (BFA 3./4.2017). Eine Überlandreise wird als riskant und teuer wahrgenommen (DIS 3.2017). Die meisten Orte in Südsomalia können dennoch erreicht werden (LI 4.4.2016). Die Bevölkerung reist trotz zu erwartender Risiken auf der Straße, wiewohl diese Risiken mit der Notwendigkeit einer Reise abgewogen werden (EASO 2.2016). Normale Bürger werden von al Shabaab nicht daran gehindert, Gebiete unter Kontrolle der Regierung zu erreichen. Es kann aber Ausnahmen geben, z.B. bestimmte Clan-Älteste (LI 20.12.2017). Täglich verlassen mit Passagieren beladene Minibusse Mogadischu in alle Richtungen, auch in Gebiete der al Shabaab. Die Preise variieren von einem US-Dollar von Mogadischu nach Afgooye bis zu z.B. 80 US-Dollar von Mogadischu nach Afmadow (LI 4.4.2016).
Naturereignisse und Kampfhandlungen können unterschiedliche Gebiete vorübergehend unzugänglich machen. Busfahrer und Reisende holen vor einer Fahrt Erkundigungen über die Lage entlang der geplanten Route ein, um das Risiko zu minimieren. Ein Risiko ergibt sich primär aus den zu erwartenden Straßensperren. Die Wahrscheinlichkeit, auf eine Straßensperre der Regierungskräfte oder der al Shabaab zu stoßen, ist immer noch hoch (LI 4.4.2016). Dies gilt für ganz Süd-/Zentralsomalia (DIS 3.2017). An Straßensperren kann es zu Gewalt, Bedrohung und Plünderung kommen (USDOS 3.3.2017). Straßensperren werden durch somalische Sicherheitskräfte, Clan-Milizen, al Shabaab und Banditen betrieben (LI 4.4.2016; vergleiche USDOS 3.3.2017). Diese Straßensperren behindern in Süd-/Zentralsomalia Bewegungen und die Lieferung von Hilfsgütern (USDOS 3.3.2017). Jene, die es sich leisten können, versuchen mit dem Flugzeug so nah wie möglich an die Zieldestination zu gelangen. Von Mogadischu gibt es Flüge nach Baidoa, Belet Weyne und Kismayo (LI 4.4.2016). An den Hauptrouten in Süd/Zentralsomalia wurden im August 2017 82 Gebühren-einhebende Straßensperren identifiziert. Davon wurden 20 von der al Shabaab betrieben, der große Rest war von der somalischen Armee, in geringerem Ausmaß auch von regionalen Sicherheitskräften besetzt (SEMG 8.11.2017).
Das Hauptrisiko an Straßensperren der Regierungskräfte und der al Shabaab ist es, als zum Feind gehörig verdächtigt zu werden (DIS 3.2017; vergleiche LI 4.4.2016). Gebietsfremde oder Personen ohne Familie im Zielgebiet werden eher unter Verdacht geraten, als ortsansässige Personen (LI 20.12.2017). Kontrollpunkte der al Shabaab können entlang der meisten Routen spontan eingerichtet werden, es gibt auch permanente Kontrollpunkte (LI 4.4.2016; vergleiche EASO 2.2016). Alleine die Tatsache, dass jemand in einem westlichen Land gewesen ist, stellt im Kontext mit al Shabaab an solchen Straßensperren kein Problem dar. Allerdings ruft westliches Verhalten oder westliche Kleidungsart Sanktionen hervor. Zu befürchten haben an Straßensperren der al Shabaab jene Personen etwas, die mit der Regierung in Verbindung gebracht werden. Diese Personengruppe riskiert, getötet zu werden. Aufgrund der eingeschränkten Ressourcen von al Shabaab sind hier höherrangige ("high profile") Personen eher gefährdet. Außerdem kann es Personen treffen, die von al Shabaab - etwa wegen des Mitführens von bestimmten Objekten (Smartphones, Regierungsdokumente, Symbole, die mit der Regierung assoziiert werden etc.) - als mit der Regierung in Zusammenhang stehend oder als Spione verdächtigt werden. Die Wahrscheinlichkeit, umgehend getötet zu werden, ist dort höher, wo al Shabaab keine volle Kontrolle hat. In den Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab werden Verdächtige i.d.R. verhaftet und vor Gericht gestellt. Auch dies hat - bei einem Schuldspruch - den Tod zur Folge (LI 4.4.2016).
Eine effektive Ausreisekontrolle an den Grenzübergängen von Somalia in die Nachbarländer findet nicht statt. Die "grüne Grenze" sowie die Seegrenze sind weitgehend nicht überwacht. Kontrollen werden dagegen bei Flugreisen ab Mogadischu, Garoowe und Bossaso durchgeführt (AA 1.1.2017)
Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen für einen Teil der somalischen Bevölkerung mit Sicherheit. Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (ÖB 9.2016). Generell sind relativ sichere Zufluchtsgebiete aber schwierig zu bestimmen, da man je nach Ausweichgrund und persönlichen Umständen möglicherweise in einem anderen Gebiet Somalias dann von anderen Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts bedroht ist. Grundsätzlich herrscht aber in Somaliland und Puntland (außer in den umstrittenen Gebieten) mehr (Bewegungs-)Freiheit (AA 1.1.2017). Es sind keine Berichte bekannt, wonach aus Somaliland oder Puntland IDPs aus Süd-/Zentralsomalia deportiert worden wären (NLMBZ 11.2017).
Für jene Personen, die in Mogadischu oder anderen Städten einem Risiko seitens der al Shabaab ausgesetzt sind, ist das Vorhandensein einer internen Relokationsmöglichkeit in Süd-/Zentralsomalia unwahrscheinlich, da diese Personengruppe meist ein high profile aufweist. Al Shabaab könnte immer noch in der Lage sein, sie aufzuspüren. Jene Personen, die nicht höherrangig sind; oder die nicht mit der Regierung oder einer internationalen Organisation in Verbindung stehen; oder deren Risiko lokal begrenzt ist; sollten in der Lage sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Dies muss von Fall zu Fall abgewogen werden. Jene Personen, die nicht höherrangig (high profile) sind, und in ländlichen Gegenden unter dem Einfluss der al Shabaab leben, können in Städten, wo al Shabaab keinen Einfluss hat, eine interne Relokation wahrnehmen (UKHO 7.2017).
Keiner der neueren Berichte zur Sicherheitslage in Somalia nennt Probleme bei der Bewegungsfreiheit in Mogadischu (BFA 8.2017; vergleiche DIS 3.2017, EASO 12.2017).
Die Hauptroute von Mogadischu nach Jowhar ist besser gesichert, als in der Vergangenheit. Auch der Abschnitt Jowhar - Jalalaqsi gilt als besser gesichert. Die Straße von Jalalaqsi nach Buulo Barde wird zwar zur Versorgung der Stadt genutzt, ist aber anfälliger für Übergriffe der al Shabaab. Letzteres gilt in größerem Ausmaß für die Verbindung nördlich von Buulo Barde über Halgan nach Belet Weyne. Die Tatsache, dass Buulo Barde vom Süden aus versorgt wird, belegt die Unsicherheit entlang der nördlichen Route. Allerdings betrifft dies nicht den zivilen Verkehr, der auch durch das Gebiet der al Shabaab passieren kann - wenn entsprechende Mautabgaben entrichtet wurden (BFA 8.2017). Seitens der aus dem Jemen nach Nordsomalia zurückgekehrten Somali, welche danach nach Mogadischu weitergereist sind, gibt es keine Beschwerden hinsichtlich mangelnder Sicherheit entlang der Route (BFA 3./4.2017).
Entlang der Route Belet Weyne - Garoowe herrscht von al Shabaab unbeeinträchtigter Verkehr (BFA 8.2017). Ansonsten behindert al Shabaab in Hiiraan den Verkehr zwischen den Städten (DIS 3.2017). Der Konflikt in Galkacyo hat den Transit auf der Hauptverbindungsstraße für längere Zeit erheblich behindert (SEMG 8.11.2017).
Die Straßenverbindungen in der Region Lower Juba bleiben anfällig für Übergriffe der al Shabaab. In Gedo kommt es im Gebiet zwischen Doolow und Luuq nur selten zu Zwischenfällen. Vor allem die Straßenverbindungen südwärts von Garbahaarey sind unsicher und anfällig für Übergriffe der al Shabaab (BFA 8.2017).
Die Straßenverbindung von Baidoa nach Mogadischu ist - sowohl in den Städten entlang der Route als auch außerhalb - hinsichtlich von Übergriffen unterschiedlicher Akteure anfällig. Die Achse Shalambood-Qoryooley bildet hinsichtlich einer besseren Absicherung der Hauptstraße von Mogadischu in Richtung Baraawe das Limit für AMISOM. Weiter südlich hat al Shabaab einen besseren Zugriff auf diese Route (BFA 8.2017).
Die Verbindungsstraßen zwischen Xudur, Ceel Barde, Yeed und Waajid sind einigermaßen unter Kontrolle. Der Verkehr läuft auf den Verbindungsstraßen von Berdale nach Waajid und von Baidoa nach Waajid. Auf der Straße Baidoa - Buur Hakaba - Wanla Weyne fließt der zivile Verkehr, militärischer Verkehr ist dort aber einem Risiko ausgesetzt, von al Shabaab bekämpft zu werden. Die al Shabaab hat Zugriff auf die gesamte Straße. Sie kontrolliert die Verbindung von Baidoa nach Buur Hakaba und von dort in Richtung Bali Doogle. An allen Ausfallstraßen aus Baidoa betreibt al Shabaab Checkpoints (BFA 8.2017).
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Rückkehrspezifische Grundversorgung
Viele Angehörige der somalischen Diaspora wagen in diesen Tagen die Rückkehr. In der Hauptstadt lässt sich die Aufbruch-Stimmung an unzähligen Baustellen und an neuen Straßen, Cafés und Geschäften ablesen. Ausländische Diplomaten, Berater und Helfer strömen ins Land. Botschaften werden gebaut. Doch die meisten Ausländer verschanzen sich hinter hohen Sprengschutzmauern auf dem geschützten Flughafengelände (DW 27.9.2017). Alleine aus der Region zählte der UNHCR im Zeitraum 2014-2017 in Somalia 109.317 freiwillige Rückkehrer (UNHCR 30.11.2017b).
Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. So berichteten Personen, die aus Kenia nach Orte in Süd-/Zentralsomalia zurückgekehrt waren, über mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten. UNHCR gewährt finanzielle Unterstützung und bietet temporäre Unterkünfte (USDOS 3.3.2017). Allerdings wird - z.B. seitens des UNHCR - versucht, hier Abhilfe zu schaffen. Ein ohne Bedingungen ausgegebenes, sogenanntes Rückkehrpaket enthält: ein aus Sachgütern bestehendes Paket (etwa: Decken, Seife, Planen, Kanister etc.); eine einmalige Wiedereingliederungshilfe von 200 US-Dollar pro Person; eine auf sechs Monate begrenzte Reintegrationshilfe von 200 US-Dollar pro Haushalt; eine zusätzliche, auf sechs Monate begrenzte Unterstützung mit Essensrationen; eine Bildungsunterstützung, auf neun Monate begrenzt, von 25 US-Dollar pro Kind und Monat (zusätzlich: Schuluniformen, Schulmaterial); und - bei Auswahl - bis zu 1.000 US-Dollar für eine Unterkunft; sowie die Aufnahme in Selbsterhaltungsprojekte (UNHCR 30.11.2017a). In Programmen aufgenommenen Rückkehrern gewährt UNHCR einmalige Wiedereingliederungshilfen und für sechs Monate Reintegrationshilfe. Im November 2017 wurden derartige Gelder an knapp 27.000 Rückkehrer ausbezahlt (rd. 6.000 Haushalte). Andere profitierten von sog. cash-for-work Programmen oder erhielten eine Ausbildung (UNHCR 30.11.2017b). Die EU unterstützt zahlreiche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer in Somalia mit mehr als 33 Millionen Euro aus dem EU Trust Fund (EEAS 5.4.2017).
Außerdem hat der UNHCR im Zeitraum 1.-11.2017 1.306 Unterkünfte und 409 Latrinen für Rückkehrer gebaut (UNHCR 30.11.2017b). In Puntland und Somaliland hat die UN für Rückkehrer und IDPs mehr als 5.000 "housing units" errichtet (BFA 3./4.2017). In sog. community empowerment activities werden Rückkehrer in die Rehabilitation von wichtiger öffentlicher Infrastruktur eingebunden. Derartige Projekte laufen etwa in Galkacyo, Baidoa, Kismayo, Afmadow, Luuq und Mogadischu. In anderen Projekten werden Rückkehrer in Berufen ausgebildet. So etwa in Hargeysa (Elektriker, Maler, Installateure, Köche, Schneider), Kismayo (Geflügelzucht), Baidoa (Tischler). Zusätzliche Programme richten sich an Kleinhändler, z.B. in Garoowe, Bossaso, Kismayo, Hargeysa, Luuq und Mogadischu (UNHCR 30.11.2017a). In den Straßen Kismayos sind kleine Geschäfte zu sehen, die von zurückgekehrten ehemaligen Flüchtlingen betrieben werden (UNHCR 18.12.2017). Auch die EU-Agentur ECHO unterstützt mit Programmen und dem Social Safety Net Project 5.000 vulnerable Haushalte (ca. 30.000 Personen) (ACTED 6.12.2017).
Der Jilib [Anm.: in etwa die unterste Ebene des Clansystems] ist u. a. dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017). Daher gilt als allgemeine Regel, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Allerdings wurde das Konzept der Clan-Solidarität in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen (DIS 9.2015).
Beide - Familie (auch die erweiterten und entfernt verwandten Teile) und Clan - bleiben einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung) geht. Eine Person, die an einen neuen Wohnort zieht, erwartet sich die Akzeptanz des Clans in der lokalen Gemeinschaft. Diese Akzeptanz bedeutet, dass die Menschen über den Neuankömmling und seine Verbindungen Bescheid wissen; damit steht auch der Schutz in Verbindung, den diese Person vom Clan erlangen kann. Dies gilt auch für Rückkehrer, doch können diese ja nach Fähigkeiten und Kapazitäten auch autark leben, ohne einer Clan-Belästigung ausgesetzt zu sein. Auf der anderen Seite ist eine schwache Person mit wenigen Ressourcen auf die Unterstützung von Angehörigen, Verwandten oder einem engen Netzwerk angewiesen, um Unterkunft und Einkünfte zu erlangen. Grundsätzlich wird dabei nicht zuerst der Clan um Unterstützung angefragt (DIS 9.2015). Hier wendet man sich zuerst an die Familienebene. Wenn aber eine Person in einem Gebiet weder über Kernfamilie noch über Verwandte verfügt, dann kann der Clan Ressourcen zur Verfügung stellen (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014), wobei dies im Falle von Mogadischu eher bei großen Clans Erfolg haben wird (UKUT 3.10.2014). Eine übersiedelnde Person, wird sich in einem IDP-Lager wiederfinden und sich keinen Lebensunterhalt sichern können, wenn sie in einer Stadt weder über Kern- oder erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügt (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 5.11.2015) noch auf Remissen zurückgreifen kann (UKUT 5.11.2015). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ 11.2017).
Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann also in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängen. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem wenn sie aus dem Westen zurückkehren (ÖB 9.2016). Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015).
Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015).
Quellen: [...]
Allgemeine Menschenrechtslage
Sowohl in der Verfassung von Somalia als auch in jener von Puntland ist der Schutz der Menschenrechte in der Verfassung ebenso verankert, wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 1.1.2017).
Bei staatlichen somalischen Sicherheitskräften stellen extralegale Tötungen kein strukturelles Problem dar. Im Falle einer solchen Tötung ist jedoch aufgrund des dysfunktionalen Justizsystems in der Regel von Straflosigkeit auszugehen (AA 1.1.2017). Es kommt zu extralegalen Tötungen durch von mit der Regierung alliierten Milizen (AI 22.2.2017). Es liegen keine Berichte über Verschwindenlassen vor (AA 1.1.2017).
Bei Kämpfen unter Beteiligung von AMISOM, Regierung, Milizen und al Shabaab kommt es zu zivilen Opfern (USDOS 3.3.2017; vergleiche AI 22.2.2017).
Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Sub-Clans, meist im Streit um Wasser und andere Ressourcen; im Jahr 2016 waren davon v. a. Merka, Galkacyo und die Region Hiiraan betroffen (USDOS 3.3.2017).
Alle Konfliktparteien sind für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, die in manchen Fällen auch als Kriegsverbrechen bezeichnet werden können (AI 22.2.2017). Die schwersten Menschenrechtsverletzungen sind: Tötung von Zivilisten durch al Shabaab, somalische Kräfte und unbekannte Angreifer; Gewalt und Diskriminierung von Frauen und Mädchen, darunter Vergewaltigungen und FGM (USDOS 3.3.2017). In Süd-/Zentralsomalia werdenextralegale Tötungen in der Regel von der al Shabaab in von ihr kontrollierten Gebieten durchgeführt (AA 1.1.2017).
Weitere Menschenrechtsverletzungen sind Verschwindenlassen (durch al Shabaab); Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung; harte Haftbedingungen; willkürliche und politisch motivierte Verhaftungen; die Verweigerung fairer Verfahren; die Einschränkung von Meinungs-, Presse-, Bewegungsfreiheit; Delogierung von IDPs; Korruption; Misshandlungen und Diskriminierung von Minderheiten-Clans. Generell ist Straflosigkeit die Norm. Die Regierung ergreift nur minimale Schritte, um öffentlich Bedienstete strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 3.3.2017).
Al Shabaab begeht Morde, entführt Menschen, begeht Vergewaltigungen und vollzieht unmenschliche und grausame Bestrafungen; Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschränkt. Al Shabaab rekrutiert Kindersoldaten (USDOS 3.3.2017; vergleiche HRW 12.1.2017, BS 2016). Da auf dem Gebiet der al Shabaab eine strikte Interpretation der Scharia zur Anwendung gebracht wird, kommt es dort zu Folter und körperlichen Strafen, wenn die Interpretation nicht eingehalten wird (EASO 2.2016; vergleiche AI 22.2.2017). Außerdem richtet al Shabaab regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen unter dem Vorwurf hin, diese hätten mit der Regierung, einer internationalen Organisation oder einer westlichen Hilfsorganisation zusammengearbeitet (AA 1.1.2017; vergleiche AI 22.2.2017). Moralgesetze verbieten das Rauchen, das öffentliche Einnehmen von Khat, weltliche Musik und das Tanzen (BS 2016), Filme, und Sport (EASO 2.2016); Verschleierung und Männerhaarschnitte werden vorgeschrieben (BS 2016). [...]
Quellen: [...]
Zur Versorgungslage in Mogadischu (nachfolgend Auszüge aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu vom 11.05.2018, welches im Rahmen der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebracht wurde).
In Somalia und auch in Mogadischu sind unzählige humanitäre Organisationen aktiv. Auf folgenden Feldern wird Hilfe und Unterstützung bereitgestellt: Versorgung mit sicherem Trinkwasser, Verteilung von Gutscheinen (v.a. elektronisch über Mobilfunk), Latrinenbau, Angebot von Grundschulausbildung, Ernährungsprogramme, Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen.
Speziell hervorgehoben werden Programme für Rückkehrer (v.a. aus Kenia und dem Jemen). Hier werden Rückkehr-Packages vergeben und außerdem eine finanzielle Rückkehrhilfe für sechs Monate gewährt. Außerdem gibt es für Rückkehrer organisierte Berufsausbildungskurse, wirtschaftliche Starthilfe (z.B. in Form einer Eselkarre) oder Berufsberatung.
Üblicherweise haben Rückkehrer nach Mogadischu einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Hinzu kommen Remissen von Verwandten im Ausland. Hingegen erhalten IDPs vergleichsweise weniger Remissen.
Bereits bevor sich die Lage aufgrund der aktuellen Regenfälle entspannt hat (siehe LIB Somalia), wurde eine Verbesserung bei der Versorgung in Süd-/Zentralsomalia prognostiziert. Insgesamt wurde die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen projiziert (Integrated Food Security Phase Classification): 56% Stufe 1 IPC (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine = Hungersnot).
IDP-Lager in Mogadischu werden mit Stufe 3 IPC prognostiziert. Für die Stadt selbst gilt Stufe 1. Bei der ansässigen Stadtbevölkerung in Mogadischu leiden 11,2% der Menschen an akuter Unterernährung und 1,3% an akuter schwerer Unterernährung.
Es scheint also für gewisse Bevölkerungsteile - und hier in größerem Maße bei IDPs - zu Versorgungsschwierigkeiten zu kommen. Unklar ist, ob die oben angegebenen Zahlen zu Hunger auf einen Versorgungsengpass zurückzuführen sind; oder ob Hilfsorganisationen die Betroffenen nicht erreichen; oder ob verfügbare Hilfe von Betroffenen nicht abgerufen wird. Insgesamt sind die Versorgungsprobleme nicht so gravierend, dass Teile der Bevölkerung in IPC 5 (Hungersnot) abrutschen würden.
Das Risiko einer Hungersnot ist durch den Regen reduziert worden. Die Preise für Grundnahrungsmittel haben begonnen, sich auf Normalwerte einzupendeln. Allerdings bleibt der Bedarf an humanitärer Hilfe weiterhin hoch. Alleine die staatliche USAID hat für 2018 Nahrungsmittelhilfe im Ausmaß von 130 Millionen US-Dollar zugesichert.
Rund 14% der Gesamtbevölkerung Somalias sind junge Männer (15-29 Jahre). Auch in Mogadischu besteht ein erheblicher Anteil der Stadtbevölkerung aus gesunden jungen Männern im arbeitsfähigen Alter. Es liegen keine Informationen darüber vor, wonach es allen diesen Männern an einer Existenzgrundlage mangeln würde, oder dass alle diese Männer keine Unterkunft haben würden.
Allerdings leben viele Menschen in Mogadischu unterhalb der Armutsgrenze (1,25 US-Dollar pro Tag - extreme Armut; unter 2 US-Dollar pro Tag - Armut). Generell ist die Stadt mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie auch andere, schnell wachsende urbane Zentren: Der Zuzug von Menschen überfordert den Wohnungsmarkt, die sozialen Dienste und die Wirtschaft.
Insgesamt geben aber nur 0,5% der ansässigen Bevölkerung in Mogadischu, 19% der IDPs und 25% der Rückkehrer (wobei die Zahl hinsichtlich der Rückkehrer nicht repräsentativ ist und nur für arme Rückkehrer gilt) in Mogadischu an, unter unerträglichen Umständen zu leben. Dies lässt erkennen, dass die große Mehrheit ein Auskommen findet.
Internationale Akteure (z.B. die Weltbank oder USAID) bemühen sich, über Programme Arbeitsplätze in Somalia zu schaffen. Auch die Stadtverwaltung von Mogadischu führte und führt ähnliche Programme, um ungebildete IDPs oder zurückgekehrte Jugendliche in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Rahmen von Programmen (etwa durch UN HABITAT) werden auch Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt, um Jugendliche besser auf den Arbeitsmarkt abzustimmen. Auch die EU finanziert Programme, die sich an IDPs und Rückkehrer in und nach Mogadischu richten. Hierbei gibt es sogenannte cash-for-work-Komponenten, mit welchen Resilienz und Selbsterhaltungsfähigkeit der Teilnehmer gestärkt werden sollen.
Die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze ist für die Stadt eine Herausforderung. Es gibt in der Stadt viele IDPs und in Somalia viele Jugendliche. Trotzdem scheint Mogadischu auch weiterhin über ökonomische Pull-Faktoren zu verfügen. Dort gibt es offenbar bessere Job-Aussichten, als in den meisten anderen Teilen Somalias - auch für Jugendliche ohne Bildung und Arbeitserfahrung. Die große Mehrheit der von IOM Befragten geht davon aus, dass sich in Somalia ein befriedigender Job finden lässt (80,5%) bzw. dass sich eine Arbeit mit akzeptablem Einkommen finden lässt (76%).
Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen in Somalia arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8%). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet im Dienstleistungsbereich und Handel (14,1%). 6,9% arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8% als Handwerker, 4,7% als Techniker, 4,1% als Hilfsarbeiter und 2,3% als Manager. In der Region Benadir ist der primäre Sektor klarerweise von geringer Bedeutung (1,3% der arbeitenden Personen). Dort überwiegen Dienstleistung/Handel (31,8%), höhere (bildungsabhängige) Berufe (28,7%), Handwerk (15,6%), Hilfs- (11,2%) und Fabrikarbeiter (10,7%).
Für IDPs aus ländlichen Gebieten, die sich in Städten wiederfinden, gibt es oft keine Arbeit, die ihren Kenntnissen entspricht. Männer finden eher eine Anstellung als Karrenfahrer, Gräber, Träger, Bauarbeiter oder Fahrer;
Die Möglichkeiten für Rückkehrer oder IDPs können in Mogadischu insofern eingeschränkt sein, als diese Gruppen in der Stadt mitunter als "galti" (=Gäste) eingestuft werden. Dadurch werden ihre Ansprüche auf Arbeitsplätze und andere Ressourcen möglicherweise reduziert. Allerdings gibt es hierzu keinerlei Daten. Gleichzeitig können Rückkehrer mit ansässigen Beruftstätigen am Arbeitsmarkt in Konkurrenzkampf gelangen, da sie oft über eine bessere oder zumindest gleichwertige (formale) Bildung verfügen. Im Gegenteil dazu verfügen IDPs oft über einen schlechteren Ausbildungsgrad.
Die Mehrheit arbeitet als Tagelöhner (45%) oder unabhängige Arbeiter (26%). IDPs sind zu 47% Tagelöhner, Wirtschaftsmigranten zu 36% und Stadtbewohner zu 30%. Die größten Sektoren sind: "small services" (Verkauf von Telefonguthaben, Reinigungsdienste, Wäscherei); Bauarbeit; Gastwirtschaft (Kochen, Hotels etc.) und Kleinhandel. 82% der arbeitenden Frauen und 72% der arbeitenden Männer verdienen 14 US-Dollar oder weniger pro Woche.
Um sich als Tagelöhner zu verdingen, wartet man zwischen 6:00 Uhr und 8:00 Uhr am Bakara-Markt in Mogadischu. Dort werden unausgebildete Arbeiter für den Bau oder andere körperliche Arbeiten gesucht. Die Bezahlung liegt bei 1-5 US-Dollar pro Tag.
Die befragten Jugendlichen sind in niedrigen Berufen ("Low-level occupations") aktiv, vor allem im Dienstleistungssektor (17,9%; z.B. als Köche, Kellner, Friseure); oder als Handwerker (12,8%; z.B. als Installateure oder Tischler); oder in einfachen Berufen (12,1%; z.B. als Straßenverkäufer oder Schuhputzer); oder als Fahrer oder Maschinenführer (5,3%). Die meisten dieser Jugendlichen sind ungebildet oder haben nur Grundschulbildung. Nur eine kleine Gruppe - die am besten Gebildeten - arbeiten als Professionisten (13%) oder in höheren Positionen (5,5%).
Bei männlichen Jugendlichen sind die Betätigungsfelder heterogener, als bei weiblichen. Auch sind mehr Männer in höheren Berufen aktiv - 16,6% Professionisten, 10,1% Techniker, 7,2% Verwaltung und Manager; und weniger in der Dienstleistung (Männer: 13%, Frauen: 24,9%).
Einen Unterschied gibt es auch je nach Stadt: In Mogadischu sind viel mehr Jugendliche als Professionisten oder in der Verwaltung (bzw. als Manager) aktiv (30,1%) als in Kismayo (~18%) oder Baidoa (5,3%).
Viele derjenigen berufstätigen Jugendlichen, die in niedrigen Diensten oder im Handwerk aktiv sind, geben an, mit ihrem Einkommen nicht auszukommen. Dafür beziehen aber vergleichsweise viele Personen, die mit ihrem eigenen Einkommen nicht auslangen, Unterstützung von Verwandten in Somalia oder im Ausland, von Freunden, der Gemeinde oder vom Clan. Auch jene Jugendlichen, die angeben arbeitslos zu sein, erhalten von dieser Seite Unterstützung. 60% erhalten Hilfe von Familie in Somalia, 27% von Familienmitgliedern in der Diaspora.
Bei kleineren Firmen werden Jobs oft nicht ausgeschrieben. Große Firmen schreiben Posten mit Wandanschlägen aus oder bewerben diese in lokalen Medien. Allerdings beruhen Auswahlverfahren im Arbeitsleben oft auf Clan-Basis, und gleichzeitig werden viele Arbeitsplätze durch Rückkehrer aus der Diaspora aufgefüllt.
Es gäbe auch Beschäftigungsmöglichkeiten, welche von vielen Somali kaum in Anspruch genommen werden, da diese Arbeiten als minderwertig erachtet werden - etwa Friseure, Kellner oder Reinigungskräfte.
Die somalische Wirtschaft zeigte in den Jahren 2013-2016 positive Entwicklungen. Firmen wurden gegründet oder wieder eröffnet. Allerdings blieb die Schaffung an Arbeitsplätzen unter den Bedürfnissen. Trotzdem gibt es in Mogadischu aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs zahlreiche Möglichkeiten. Der Immobilienmarkt wächst, es gibt viele Bauarbeiten. Hotels und Restaurants werden eröffnet, es gibt neue Taxiunternehmen und Banken. Außerdem kommt es zu Investitionen durch Rückkehrer aus der Diaspora - etwa in Hotels, Supermärkte, Privatuniversitäten oder Spitäler.
Die Mehrheit der von IOM befragten Unternehmen gab an, künftig neues Personal aufnehmen zu wollen. Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen sind die Unternehmen optimistisch. Am dynamischsten ist Mogadischu. Die Hauptstadt zieht am meisten Investitionen an und profitiert gleichzeitig von der Präsenz internationaler Organisationen und der Diaspora. Der aktivste Sektor ist das Baugewerbe, gefolgt vom Handel. Auch der Finanzsektor und der Gesundheitsbereich haben expandiert.
Gesucht werden von der Wirtschaft unterschiedlichste Fähigkeiten und Berufskenntnisse (siehe dazu IOM unter "Einzelquellen").
Der Norwegian Refugee Council berichtet im Jahr 2017 von den positiven Auswirkungen von Mikrokrediten, die das Leben der Kreditnehmer in Mogadischu verändert haben.
IOM berichtet in einer Studie aus dem Jahr 2016:
Um sich als Tagelöhner zu verdingen, wartet man zwischen 6:00 Uhr und 8:00 Uhr am Bakara-Markt in Mogadischu. Dort werden unausgebildete Arbeiter für den Bau oder andere körperliche Arbeiten gesucht. Die Bezahlung liegt bei 1-5 US-Dollar pro Tag. Bei kleineren Firmen werden Jobs oft nicht ausgeschrieben. Sie verlassen sich auf Verwandte, enge Freunde und Clanälteste, um an Kandidaten heranzukommen. Sicherheitsbedenken (al Shabaab) spielen bei dieser Vorgangsweise eine gewisse Rolle. Größere Firmen schreiben Posten mit Wandanschlägen aus oder bewerben diese in lokalen Medien.
Die britische private COI-Firma Asylum Research Consultancy zitiert den Nationalen Entwicklungsplan der somalischen Regierung für die Jahre 2017-2019 (Link nicht mehr abrufbar). Dort ist zu lesen, dass die Region Benadir (Mogadischu) mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert ist, wie dies auf andere schnell wachsende urbane Zentren zutrifft. Der Zuzug von Menschen überfordert den Wohnungsmarkt, die sozialen Dienste und die Wirtschaft. Wirtschaftliche Investitionen in Mogadischu haben zwar für neue Arbeitsplätze gesorgt, doch kann diese Entwicklung nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten.
2.1.7. Zur Dürresituation (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, vom 12.01.2018, zuletzt aktualisiert am 03.05.2018, welche den Parteien im Zuge der Verhandlungseinladung übermittelt wurden):
Vier aufeinanderfolgende Regenzeiten sind ausgefallen. Diese Dürre hat nahezu zu einem Gesamtausfall der Ernte geführt und zur Reduzierung der Arbeitsmöglichkeiten in ländlichen Gebieten beigetragen. Die Dürre hat zu Engpässen bei Wasser und Weideland geführt - und in der Folge zur Verendung von Viehbestand. Insbesondere ärmere Haushalte haben Probleme, die stark angestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel bezahlen zu können; und andererseits können sie durch den Verkauf von Vieh kaum Einkommen erwerben (WB 18.7.2017). Drei Jahre Dürre haben zu einer humanitären Krise geführt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist von Nahrungsmittelknappheit, von Kindersterblichkeit und Unterernährung betroffen. Rund 60% des Viehbestands wurde vernichtet, wobei die Viehzucht das Haupteinkommen großer Bevölkerungsteile darstellt (UNHRC 6.9.2017). Dabei hat die Dürre Auswirkungen auf alle ökonomischen Aktivitäten in Somalia, darunter Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei. Mittlerweile machen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der Dürre auch substantiell im Bundesbudget bemerkbar (UNSC 5.9.2017). Allerdings ist der Schaden an Leben und Lebensbedingungen - vor allem von Frauen, Kindern und Benachteiligten - enorm (UNSOM 13.9.2017). Für die Zukunft wird an Programmen gearbeitet, um Resilienz gegenüber künftigen Dürreperioden zu entwickeln (UNSC 5.9.2017).
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht gewährleistet (AA 1.1.2017). Die Versorgungslage ist durch geringe Ernteerträge und Trockenperioden anhaltend schlecht. Aufgrund der schwierigen Sicherheitslage und Einschränkungen durch die Aktivitäten diverser Milizen, ist es für humanitäre Organisationen eine Herausforderung benachteiligte Bevölkerungsteile zu erreichen (ÖB 9.2016).
Zu Beginn des Jahres 2017 hatte sich die humanitäre Lage in Somalia mit alarmierender Geschwindigkeit verschlechtert. Der somalische Präsident hat am 28.2.2017 den nationalen Notstand ausgerufen und um verstärkte Hilfe der internationalen Gemeinschaft gebeten (UNSC 9.5.2017). Am 2.2.2017 wurde für Somalia eine Alarm-Erklärung hinsichtlich einer bevorstehenden Hungersnot ("pre-famine alert") ausgegeben. Danach wurden humanitäre Aktivitäten weiter hochgefahren (SEMG 8.11.2017). Zuletzt hat am 5.12.2017 die Regierung von Puntland den Notstand ausgerufen und um Nahrungsmittel- und Wasserlieferungen gebeten (VOA 5.12.2017).
Die somalische Regierung hat aufgrund der Lage in Zusammenarbeit mit humanitären Kräften die Planung von einer Reaktion auf die Dürre ("drought response") bereits auf die Prävention einer Hungersnot ("famine prevention") umgestellt (UNHRC 6.9.2017). Nur die rasche Unterstützung internationaler humanitärer Partner und somalischer Organisationen hat eine Hungersnot verhindert (SEMG 8.11.2017). Hungertote wurden nur sehr sporadisch gemeldet, so etwa im Jänner 2017 aus Bay (UNSOM 16.1.2017) und Gedo (SMN 15.1.2017) sowie im März 2017 aus Bay (BBC 4.3.2017).
Das Risiko einer Hungersnot besteht jedoch auch weiterhin (FEWS 30.12.2017; vergleiche UNSOM 13.9.2017, UNHCR 30.11.2017b). Die Gu-Regenfälle (März-Juni) sind im Durchschnitt wieder schwach ausgefallen, in Somaliland und Puntland erreichten sie nahezu normale Werte. In einigen Gebieten ist das Risiko einer Hungersnot größer geworden, die Nahrungsmittelsicherheit wird sich auch bis Ende 2017 nicht verbessern. In den Regionen Galgaduud, Gedo, Mudug, Middle und Lower Shabelle wird sogar eine Verschlechterung erwartet. In einigen Gebieten hat sich die Situation also entspannt, aufgrund der Länge der diesmaligen Dürre ist aber von einer tatsächlichen Erholung erst nach zwei aufeinanderfolgenden Perioden guter Regenfälle auszugehen (UNSC 5.9.2017). Auch wenn bisher das Schlimmste verhindert worden ist (UNNS 13.9.2017; vergleiche UNSC 5.9.2017), besteht auch im zweiten Halbjahr 2017 weiterhin das Risiko einer Hungersnot (UNSC 5.9.2017). Auch die Deyr Regenfälle gegen Ende 2017 sind in den meisten Landesteilen unterdurchschnittlich ausgefallen. Nur einige begrenzte Gebiete in Zentralsomalia sowie entlang der äthiopischen Grenze konnten durchschnittliche oder überdurchschnittliche Niederschläge aufweisen (FEWS 3.1.2018).
Im ersten Trimester 2017 waren 6,2 Millionen Menschen von akuter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, davon waren knapp drei Millionen auf akute lebensrettende Hilfe angewiesen (UNSC 9.5.2017). In der Folge hat sich die Situation verschlechtert, die Zahl der auf Unterstützung angewiesenen Menschen ist auf 6,7 Millionen gestiegen. Davon benötigen 3,2 Millionen akute lebensrettende Hilfe (UNSC 5.9.2017). 70% der Menschen, die unmittelbar auf Hilfe angewiesen sind, befinden sich in Süd-/Zentralsomalia, wo der Zugang durch Sicherheitsprobleme und die al Shabaab behindert wird (UNHRC 6.9.2017); dies betraf sowohl Gebiete außerhalb der als auch unter Kontrolle von al Shabaab. Während aber die Gruppe bei der Hungersnot im Jahr 2011 aufgrund ihrer Blockade erheblich zur hohen Zahl von 260.000 Hungertoten beigetragen hatte, verteilte al Shabaab diesmal - auch zu Propagandazwecken - selbst Hilfsgüter. Dies betraf Gebiete in Bay, Bakool, Galgaduud, Hiiraan, Lower Shabelle und Mudug. Andererseits wurde humanitäre Hilfe von außen auch diesmal behindert oder blockiert; wurde die Einhebung von Steuern verstärkt; wurden humanitäre Bedienstete entführt; und Hilfslieferungen an Straßensperren besteuert. Immerhin wurde diesmal vor der Dürre Flüchtenden in manchen Fällen die Weiterreise gewährt. Auch Behörden haben die Arbeit humanitärer Kräfte auf unterschiedliche Art behindert (SEMG 8.11.2017; vergleiche USDOS 3.3.2017). Berichte prognostizieren, dass im Jahr 2018 6,2 Millionen Menschen - und damit die Hälfte der Bevölkerung - auf Hilfe angewiesen sein werden (UNHCR 30.11.2017b).
Rund 900.000 Kinder sind akut unterernährt (UNHRC 6.9.2017). Die Zahl der akut unterernährten Kinder könnte bis Ende 2017 auf 1,4 Millionen ansteigen, darunter 275.000 mit schwerer - lebensbedrohlicher - akuter Unterernährung (UNHRC 6.9.2017; vergleiche UNSC 5.9.2017). Bis Juni 2017 wurden fast 400.000 Betroffene behandelt, mehr als 173.000 Kinder erhielten Unterstützung, damit sie weiterhin die Schule besuchen können. Insgesamt wurden drei Millionen Menschen durch Unterstützung erreicht, teils auch durch Geld-Programme (UNSC 5.9.2017). Alleine der UNHCR erreichte im Zeitraum 11.2016-11.2017 mehr als 800.000 Menschen (UNHCR 30.11.2017b). Über 80% der Nahrungsmittelhilfe erfolgt durch Geld und Gutscheine (SEMG 8.11.2017). 225 Ernährungszentren wurden eingerichtet. Im Zeitraum Jänner-August 2017 wurde für 3,5 Millionen Menschen der Zugang zu sauberem Wasser gewährleistet. Auch AMISOM hat Wasserbohrungen durchgeführt. 18,5 Millionen Stück Vieh wurden behandelt und dadurch 2,8 Millionen Menschen geholfen (UNSC 5.9.2017). Bereits im April 2017 konnte für 1,7 Millionen Menschen der Zugang zu Nahrungsmitteln verbessert werden. Alleine im März 2017 wurden 332.000 Kinder ernährungstechnisch behandelt. Dabei behindert al Shabaab nach wie vor den Zugang zu Menschen in Not auf dem Gebiet unter Kontrolle dieser Gruppe (UNSC 9.5.2017). Aufgrund der schnellen und großzügigen Beiträge konnte das Schlimmste verhindert werden. Pro Monat werden über drei Millionen Menschen erreicht (UNSOM 13.9.2017). Mobile Teams des somalischen Roten Halbmonds dringen auch in entlegene Gebiete vor (ICRC 28.7.2017).
900.000 Menschen mussten im Jahr 2017 ihre Heimat in Somalia verlassen (UNSOM 13.9.2017); nach anderen Angaben hat die Dürre zur Vertreibung von 714.000 Menschen geführt - zusätzlich zu den bereits davor existierenden rund 1,1 Millionen IDPs (UNHRC 6.9.2017). Davon suchten rund 7.000 Schutz in Äthiopien und Kenia (UNSC 5.9.2017).
[...]
Die internationale Unterstützung erfolgte diesmal relativ rasch, die Anstrengungen sind besser koordiniert. Auch auf nationaler Ebene wurde reagiert und geholfen. Die Regierung hat Anstrengungen unternommen, selbst Studenten wurden ermutigt, jeweils 10 USD zu spenden. Firmen und Wirtschaftstreibende haben signifikant zu den Hilfskampagnen beigetragen (ICG 9.5.2017). Insgesamt erreichen Hilfsprojekte der UN oder von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen in der Regel aber nicht die gesamte Bevölkerung. Dies gilt im Großen und Ganzen auch für Puntland, allerdings erreichen dort Hilfsorganisationen im Falle einer Dürrekatastrophe aufgrund der besseren Sicherheitslage mehr Menschen (AA 1.1.2017). Überhaupt variiert die Abdeckung mit internationaler humanitärer Unterstützung regional. Die meisten Gebiete in Somaliland und Puntland sind besser abgedeckt, die Möglichkeiten in Süd-/Zentralsomalia mehr eingeschränkt (ICG 9.5.2017). Die Situation in Puntland ist also besser als im Süden, mehr Menschen haben Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung. In Puntland hat der Handel über Seehäfen und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt einen spürbaren Aufschwung genommen, der jedoch bislang fast ausschließlich der dort lebenden Stadtbevölkerung zu Gute kommt (AA 4.2017b).
Quellen: [...]
Aus der integrierten Kurzinformation vom 3.5.2018 ergibt sich, dass sich eine Entspannung der Situation in Somalia abzeichnet:
Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).
[...]
Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vergleiche FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).
Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).
Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).
In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vergleiche FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).
[...]
Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vergleiche FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).
Quellen: [...]
Aus der integrierten Kurzinformation vom 17.9.2018 ergibt sich, dass sich eine weitere Entspannung der Situation in Somalia abzeichnet:
Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vergleiche UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).
Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.
Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).
In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.9.2018).
[...]
Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.9.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 1.9.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 2.9.2018).
Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vergleiche FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)
Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).
Quellen: [...]
3. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
3.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:
Die Identität des BF konnte mangels Vorlage unbedenklicher staatlicher Dokumente nicht festgestellt werden; der im Spruch angeführte Name und das Geburtsdatum dienen lediglich zur Identifizierung des BF als Verfahrenspartei. Lediglich der Vollständigkeit halber ist betreffend das Geburtsdatum des BF anzuführen, dass sich das Datum auf das im Verfahrensgang beschriebene Gutachten zur Altersfeststellung stützt, welches dem BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 09.10.2018 übergeben wurde (Verhandlungsschrift Seite 6) und in weiterer Folge nicht substantiiert bekämpft wurde. Zur Wahrung der Identität der Verfahrenspartei wird das in der Erstbefragung angeführte Geburtsdatum als alias Geburtsdatum beibehalten. Im Übrigen konnten weitere Ausführungen zum genauen Geburtsdatum unterbleiben, da der BF sowohl nach dem medizinischen Sachverständigengutachten als auch nach seinem ursprünglich angegebenen Geburtsdatum (Verhandlungsschrift Seite 6) ohnehin volljährig ist.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Religionszugehörigkeit, zu seiner beruflichen Laufbahn, seinen Sprachkenntnissen, seinem Familienstand und seinem Ausreisezeitpunkt ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des BF im behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Die vom BF in diesem Zusammenhang getätigten Angaben waren weitestgehend gleichbleibend, weshalb das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls keine Veranlassung sieht, daran zu zweifeln. Die Feststellung, dass er für ein Jahr eine Koranschule in seinem Heimatort besucht hat, ergibt sich aus seiner glaubwürdigen Aussage in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsschrift Seite 20) und in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 10.03.2017, Seite 7).
Die Feststellung zur Zugehörigkeit des Clans der Gabooye und des Subclans der Madhiban ergibt sich aus dem glaubwürdigen und gleichbleibenden Vorbringen des BF. Er konnte nähere Angaben über seinen Clan und die Probleme, die sich mit der Zugehörigkeit zu diesem Minderheitenclan ergaben, machen. Damit übereistimmend gab er an, selbst als Angehöriger Diskriminierungen vor allem in seiner Schulzeit ausgesetzt gewesen zu sein. Es gab keinen Grund an diesen Aussagen zu zweifeln.
Die Feststellungen, wonach der BF inXXXX geboren und aufgewachsen ist sowie mit den Gegebenheiten inXXXX vertraut ist, ergeben sich aus den stringenten, detailreichen und glaubhaften Aussagen des BF. So konnte der BF von sich aus detailreiche Angaben über die Stadt römisch 40 machen, etwa konnte er die Stadt geographisch richtig einordnen, die Einwohneranzahl und den Shabeele Fluss richtig benennen. Es ist plausibel, dass er nicht genau weiß wie weit das Meer entfernt ist und auch, dass er nicht alle - auf google maps eingezeichneten - Nachbarorte nennen bzw. einordnen konnte, wenn er sich beispielsweise ausschließlich in seiner Heimatstadt aufgehalten hat. Bei der Beschreibung seiner Heimatstadt sparte er auch nicht mit Details, beispielsweise zur Landwirtschaft und zum Stadtaufbau. Zwar sind nicht alle Angaben des BF für das erkennende Gericht überprüfbar, aber insgesamt konnte der BF seinen Heimatort so beschreiben, dass er das Gefühl vermittelte, dort gelebt zu haben und aufgewachsen zu sein. Auch ergibt sich aus dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 10.03.2017, dass der BF Ortskundigkeit nachweisen konnte (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 10.03.2017, Seite 3).
Die Feststellungen zu seiner Kernfamilie ergeben sich aus seinen im Wesentlichen gleichbleibenden Aussagen im behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Dass der BF ausschließlich in der Erstbefragung elf Geschwister angegeben hat, kann angesichts seiner gleichbleibenden Aussagen im Rahmen seiner Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung vernachlässigt werden. Dass der BF nun keinen Kontakt mehr zu seiner Familie haben soll, wird als unglaubwürdig gewertet. Diesbezüglich ist auf sein Aussageverhalten in der mündlichen Verhandlung hinzuweisen, wo er betreffend die versuchte Kontaktaufnahme mit seiner Familie sehr vage und ausweichend blieb (Verhandlungsschrift Seite 10: "R: Wann war Ihr letzter Kontakt mit Ihrer Familie? BF: Als ich ausXXXX ausreiste. R: Danach haben Sie nie versucht, Ihre Familie zu erreichen? BF: Nein. R: Wissen Sie, dass man eine Suchanfrage über das Rote Kreuz starten kann? BF: Ich war noch nie beim Roten Kreuz."). In diesem Zusammenhang ist es auch unplausibel, dass der BF zwar die Telefonnummer seiner Nachbarn auswendig wiedergegeben konnte (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 26.05.2014, Seite 4), aber dennoch keinen Versuch zur Kontaktaufnahme zu seiner Familie gestartet haben soll. Es ist daher davon auszugehen, dass es dem BF möglich ist, Kontakt zu seiner Familie aufnehmen zu können, bspw. auch durch eine Suchanfrage über das Rote Kreuz. Aufgrund des Umstandes, dass der BF einen aufrechten Kontakt mit seiner Familie stets verneinte, konnte auch der aktuelle Aufenthaltsort seiner Familie nicht festgestellt werden. Dass seine Familie zuletzt in römisch 40 aufhältig war, ergibt sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben des BF im behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Der Aufenthaltsort seines Onkels ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsschrift Seite 10). Die Feststellung, dass der BF in Mogadischu und auch in anderen Gebieten von Somalia keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass der aktuelle Aufenthaltsort seiner Kernfamilie nicht festgestellt werden kann, der BF in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, niemanden in Mogadischu (Verhandlungsschrift Seite 21) zu haben, nur über einen Onkel mütterlicherseits zu verfügen (Verhandlungsschrift Seite 10) und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dahingehend ergeben haben, dass der BF in anderen Teilen Somalias über Familie und/oder Freunde verfügt.
Dass sein Vater den BF versorgt hat, ergibt sich aus der glaubwürdigen Aussage des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass sein Vater für seinen Lebensunterhalt aufgekommen sei (Verhandlungsschrift Seite 8). Dass sein Vater den BF in Somalia unterstützt hat, bedeutet aber nicht, dass er dies bei einer Rückkehr des BF nach Somalia weiterhin tun könnte, zumal der BF im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Somalia noch minderjährig war und der Vater nun davon ausgehen könnte, dass der BF als erwachsener Mann selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen müsse. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Familie kein Eigentum hat (Verhandlungsschrift Seite 10), seine Mutter krank ist (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 10.03.2017, Seite 6; Verhandlungsschrift Seite 17) und der BF aus einer sehr kinderreichen Familie kommt, womit sich insgesamt schon eine schwierige Versorgungssituation für den Vater des BF ergibt. Es kann somit nicht gesichert davon ausgegangen werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Somalia von seiner Familie finanziell unterstützt werden könnte.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF gründet sich auf seine glaubhaften Angaben im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 10.03.2017, Seite 2) und in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsschrift Seite 16), wonach er gesund sei.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit BF ergibt sich aus der am 3.1.2019 vorgenommenen Einsichtnahme in das Strafregister. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
3.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, Paragraph 45,, Rz 3, mit Judikaturhinweisen).
Vorweg ist festzuhalten, dass es gemäß den Länderfeststellungen grundsätzlich zu Zwangsrekrutierungen durch die Al Shabaab kommen kann. Gleichzeitig ist aber auch festzuhalten, dass der Heimatort des BF von AMISOM kontrolliert wird. Da das Gebiet dennoch gefährdet und besonders hart von der Gewalt betroffen ist, ist es auch nicht komplett unwahrscheinlich, dass die Al Shabaab etwa aus dem Untergrund aktiv hätten werden können.
Der BF konnte sein Fluchtvorbringen dennoch nicht glaubhaft darlegen: Die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer getätigten Angaben erscheinen dem Bundesverwaltungsgericht zu vage und allgemein, um aus diesen eine konkrete, die Person des Beschwerdeführers betreffende Bedrohung ableiten zu können. Weiters haben sich im Vorbringen des Beschwerdeführers einige Widersprüche ergeben und war das Vorbringen in einigen Punkten unplausibel.
Beispielsweise ist es nicht plausibel, dass nach der ersten Aufforderung bzw. Predigt der Al Shabaab im Dezember 2013 (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme 10.03.2017, Seite 5 und 7), noch ein Jahr vergehen sollte, bis die Al Shabaab den BF gewaltsam mitgenommen hätten (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme 10.03.2017, Seite 9).
Auf Fragen zur vorgebrachten zwangsweisen Entführung durch die Al Shabaab antwortete der BF ausweichend und nicht nachvollziehbar (Verhandlungsschrift Seite 18 f: "Ich wurde unter Gewaltanwendung zwangsweise mitgenommen. Es war zwischen Nachmittag und Abend, sie haben mir die Augen verbunden, sodass ich nichts sehen konnte. Sie brachten mich mit dem Auto weg, in dem Auto war noch ein Jugendlicher. R: Woher wussten Sie das? BF: Er wurde auch gezwungen.
R: Fragewiederholung. BF: Uns waren die Augen verbunden, aber nicht der Mund, wir konnten miteinander sprechen. R: Wenn Sie nicht gesehen haben, woher wussten Sie, dass er im Auto war? BF: Ich kannte seinen Namen, es war ein Jugendlicher, den ich kannte. R:
Woher merkten Sie, dass noch jemand im Auto saß? BF: Es handelte sich um ein Auto 4.5. R: Was bedeutet 4.5? BF: Die Somalia nennen das Auto so, oder Cabdi Bille. Mit dem Auto drehten sie einige Runden, damit wir denken, dass wir die Stadt verlassen haben und nicht erahnen können, wohin wir gebracht werden. R: Das beantwortet meine Frage nicht und woher wussten Sie, dass das ein Auto 4.5. war, wenn sie die Augen verbunden hatten? BF: Das sind die Autos, die die Al Shabaab verwendet, außerdem stand das Auto vor unserem Haus, als sie zu uns ins Haus kamen."), sodass nicht von einer erlebnisbasierten Schilderung ausgegangen werden kann.
Auch steigerte der BF sein Vorbringen dahingehend, als er in der mündlichen Verhandlung angab, dass seine Mutter von Mitgliedern der Al Shabaab geschlagen worden sei (Verhandlungsschrift Seite 18), währenddessen er in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde lediglich angab, dass sie bedroht worden sei (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme 10.03.2017, Seite 6).
Dass dem BF im Zuge der Verbringung zu einem anderen Stützpunkt die Flucht aus der Gefangenschaft geglückt sei, kann schon aus dem Umstand, dass er die vorigen drei Tage nichts zu essen bekommen habe, zumindest hinterfragt werden, zumal er im Zuge seiner Flucht "laufen" habe müssen, um zu entkommen (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme am 10.03.2017, Seite 6, 10 und 13). Der BF gab ebenso in der mündlichen Verhandlung an, dass sie lediglich Wasser bekommen hätten (Verhandlungsschrift Seite 19). Auch ist in diesem Zusammenhang auf seine divergierenden Aussagen hinzuweisen, als er in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde noch angab, stundenlang gelaufen zu sein (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme am 10.03.2017, Seite 13), währenddessen er in der mündlichen Verhandlung angab, bereits nach einem Stück außer Sichtweise gewesen zu sein und sich normal gehend fortbewegt zu haben (Verhandlungsschrift Seite 19).
Davon abgesehen ist es nicht plausibel, dass es dem BF nach seiner Flucht aus der Gefangenschaft möglich gewesen sein soll, unbehelligt in seinem Heimatort für zumindest eine weitere Woche (über-)leben zu können. Auch war es seiner Mutter möglich, die Flucht des BF unbesehen zu organisieren (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 10.03.2017, Seite 13). Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Al Shabaab um den genauen Wohnort des BF Bescheid gewusst hätten, da sie ihm zuvor aus seinem Haus gewaltsam mitgenommen und auch bereits die Mutter des BF geschlagen hätten.
Des Weiteren ist sein Vorbringen nur schwer mit den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten in Einklang zu bringen, vor allem betreffend die Rekrutierungsstrategien und die Rekrutierungsgebiete der Al Shabaab. Gemäß den Länderberichten ist die Möglichkeit einer Rekrutierung davon abhängig, ob das betroffene Gebiet unter Kontrolle steht. Aus den in das Verfahren eingebrachten Länderberichten geht hervor, dass römisch 40 von AMISOM kontrolliert wird, auch wenn es sich um ein gefährdetes Gebiet handelt. Darüber hinaus wird gemäß den Länderberichten nur dann unter Zwang rekrutiert, wenn Al Shabaab entstandene Verluste rasch auffüllen muss, oder wenn für einen besonderen Einsatz zusätzliche Kräfte benötigt werden. Dementsprechende Anhaltspunkte haben sich im Verfahren nicht ergeben und wurden vom BF auch nicht vorgebracht.
Dem BF war es somit insgesamt nicht möglich, die behauptete Verfolgung durch die Al Shabaab plausibel und damit glaubhaft geltend zu machen.
In Hinblick auf seinen Herkunftsstaat Somalia brachte der BF nur allgemein und vage gehaltene Diskriminierungen aufgrund seiner Clan bzw. Volksgruppenzugehörigkeit zu den Gabooye bzw. den Madhiban vor (Verhandlungsschrift Seite 20: "R: Erläutern Sie die Probleme. BF:
Ich habe keine Schule besucht, sondern nur eine Koranschule. Ich habe 1 Jahr die Koranschule besucht, sie haben meine Hefte zerrissen, sie beschimpften mich, sie machten mir Probleme. Ich beschwerte mich beim Lehrer, der mir aber nicht half. Ich erzählte es meiner Mutter zu Hause, diese sagte mir, dass ich nicht mehr in die Koranschule gehen soll. Zb in Somalia hat es jetzt einen Vorfall gegeben: ein Mann von Jareer Clan heiratete eine Frau aus einem anderen Clan, sein Onkel wurde lebendig verbrannt. Hätte ich versucht in Somalia eine Frau eines anderen Clans zu heiraten, dann würde mir das gleiche passieren. Andere Angehörige höherer Clans haben Schutzgeld erpresst von mir. Al Shabaab hob Gebühren ein wie Zakat Abgaben und Steuern."), woraus aber keine ihn individuell selbst treffende Verfolgungsgefahr maßgeblicher Intensität abgeleitet werden kann. Auch wenn dem BF grundsätzlich beizupflichten ist, dass für Mischehen noch eine gesellschaftliche Diskriminierung besteht, hat er diesbezüglich kein individuelles Vorbringen erstattet. Gleiches gilt für die behauptete Schutzgeld-Erpressung durch höhere Clans, welche mangels weiterer Ausführungen nicht festgestellt werden konnte. Zu einer diesbezüglich allfälligen Gruppenverfolgung wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.
Es kann daher aufgrund der obigen Erwägungen das geschilderte Fluchtvorbringen des BF insgesamt als nicht schlüssig und damit glaubhaft bewertet werden. Dabei wird nicht verkannt, dass - aufgrund der Minderjährigkeit des BF im Zeitpunkt des fluchtauslösenden Ereignisses - Unstimmigkeiten im Aussageverhalten bzw. Lücken und Unschärfen des Erinnerungsvermögens vorliegen können und auch hinzunehmen sind (siehe dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.09.2014, Zl. 2014/19/0020.). Diesem Umstand Rechnung tragend wurde in der vorliegenden Beweiswürdigung auf bestehende Widersprüchlichkeiten in der Erzählung in Bezug auf Detailfragen des BF nicht eingegangen, sondern alleine die Plausibilität und Glaubhaftigkeit des Kerninhaltes seiner Erzählung herangezogen.
Persönliche Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit oder mit staatlichen Behörden, wurden nicht vorgebracht, sodass insgesamt keine Feststellungen zu treffen waren.
In Bezug auf die in der Stellungnahme vom 30.10.2018 erstmals behauptete Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als "verwestlichter" Rückkehrer machte der BF nur allgemein gehaltene Angaben und damit keine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung geltend, weshalb diesbezüglich ebenfalls keine Feststellungen zu treffen waren. Auch allein aus dem Umstand, dass der BF seine Haare nach der österreichischen Mode trägt (Verhandlungsschrift Seite 16: "BFV: Sie kommen aus einer muslimischen Tradition, wie leben Sie in Österreich Ihre Religion aus? BF: Würde ich in Somalia meine Haare so weiter tragen, würde ich Schwierigkeiten bekommen. In Österreich ist das aber egal, weil es hier Mode ist. Würde die Regierung in Somalia mich hier mit meinem Bart so sehen, würden sie mir unterstellen, dass ich ein Terrorist bin. Würde ich meinen Bart abrasieren, würde die Al Shabaab denken, dass ich Regierungsanhänger bin. In Österreich sind alle Menschen gleich, in Somalia sind die Menschen nicht gleich."), kann auf kein derart verwestlichtes Verhalten geschlossen werden, dass eine individuelle Verfolgung nach sich ziehen würde. Auf eine allfällige Gruppenverfolgung wird auch die rechtliche Beurteilung verwiesen.
Allein aus der - erstmals in der Stellungnahme vom 30.10.2018 - behaupteten Umstand, dass der BF ein junger Mann im wehrfähigen Alter sei und somit für verschiedene bewaffnete Gruppen zur Rekrutierung interessant wäre, kann ebenfalls keine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung abgeleitet werden. Auf eine allfällige Gruppenverfolgung wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.
Persönliche Fluchtgründe in Bezug auf Somalia wurden somit nicht glaubhaft geltend gemacht.
3.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht ebenfalls kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Somalia zugrunde gelegt werden konnten.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1. Zu Spruchpunkt A)
4.1.1. Säumnis der Behörde
Die Behörden sind gemäß Paragraph 73, Absatz eins, AVG in Verbindung mit Paragraph 17, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 22, AsylG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 24 aus 2016, verpflichtet über Anträge von Parteien, die vor dem 01.06.2018 gestellt wurden, ohne unnötigen Aufschub, spätestens jedoch binnen 15 Monaten nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen. Gemäß Paragraph 8, VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungsfrist erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist erhoben werden. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Der Beschwerdeführer erhob betreffend seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 19.05.2014 am 14.09.2016 eine Säumnisbeschwerde gemäß Paragraph 8, VwGVG. Zwischen der Antragstellung und dem Erheben der Säumnisbeschwerde liegt ein Zeitraum von über 15 Monaten. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, wonach diese Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei, zumal das Bundesamt die gesetzliche Frist von 3 Monaten gemäß Paragraph 16, Absatz eins, VwGVG nicht genutzt hat um den Bescheid nachzuholen.
In Folge der zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde ist die Zuständigkeit, über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 19.05.2014 zu entscheiden, auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen (VwGH vom 27.05.2015, Ra 2015/19/0075).
4.1.2. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen vergleiche VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt vergleiche VwGH 09.09.1993, 93/01/0284) und dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein vergleiche VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0287).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann aber nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN; VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht vergleiche VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein (siehe dazu VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212, wonach im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen zu rechnen ist).
Einer (versuchten) Zwangsrekrutierung kommt dann Asylrelevanz zu, wenn aus der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, eine tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung abgeleitet wird, an die eine Verfolgung anknüpft. Entscheidend für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist, mit welchen Reaktionen der Taliban der Revisionswerber aufgrund seiner Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, rechnen muss und ob in seinem Verhalten eine - wenn auch nur unterstellte - politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (siehe dazu VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069 u.v.m., was gegenständlich auch auf Somalia angewandt werden kann).
Wie den Länderfeststellungen zwar zu entnehmen ist, kann es zu Rekrutierungen, auch durch den Einsatz von Zwang, durch die Al-Shabaab Milizen kommen. Aus den Länderfeststellungen ist aber auch ersichtlich, dass die Al Shabaab keineswegs im gesamten somalischen Gebiet ihren Einfluss geltend macht. Insbesondere ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass die Heimatortschaft des Beschwerdeführers von AMISOM-Truppen kontrolliert wird, auch wenn das Gebiet nach wie vor gefährdet ist.
In Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia konnte der BF allerdings - wie bereits in der Beweiswürdigung näher dargestellt - keine konkrete individuelle, gegen ihn gerichtete Bedrohung, aus welcher möglicherweise eine aktuelle asylrelevante Verfolgung der Person des BF in seinem Herkunftsstaat ableitbar wäre, glaubhaft machen.
Da - wie in der Beweiswürdigung aufgeführt - keine (versuchte) Zwangsrekrutierung und damit keine Bedrohung des BF als Deserteur durch die Al Shabaab glaubhaft gemacht werden konnte, und auch sonst nichts hervorgekommen ist, dass der BF im besonderen Maße gefährdet wäre, bedroht zu sein, war dem BF auch nicht aus diesem Grund der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
Zu einer allfälligen Gruppenverfolgung von Angehörigen des Clans der Gabooye bzw. der Madhiban ist Folgendes auszuführen: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann nämlich auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten vergleiche zB VwGH vom 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 u.v.m.).
Aus den vorliegenden Länderberichten ergibt sich keine generelle Verfolgung von Angehörigen des Clans der Gabooye/Madhiban und allgemein von Angehörigen der Minderheiten auf dem Gebiet Somalias. Dabei wird nicht verkannt, dass Angehörige dieser Gemeinschaft und auch Angehörige anderer Minderheiten, Diskriminierungen ausgesetzt sein können; Anhaltspunkte dafür, dass sämtliche Angehörige des Clans der Gabooye/Madhiban bzw. sämtliche Angehörige von Minderheiten von einer systematischen Vertreibung oder massiv diskriminierenden Benachteiligung in Somalia betroffen sind, liegen nicht vor, weshalb das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf diese Clans in Somalia, aber auch in Bezug auf andere Minderheiten im Ergebnis zu verneinen ist. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich somit, dass selbst eine Minderheitenzugehörigkeit für sich alleine keinen Hinweis auf eine entsprechende maßgebliche Verfolgungsgefahr mit sich bringt. In einer Gesamtschau kann eine asylrelevante Gefährdung des BF auf Grund seiner Zugehörigkeit zum Clan der Gabooye/Madhiban nicht abgeleitet werden.
Gleiches gilt auch für eine vom BF behauptete Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der "verwestlichten Rückkehrer". Aus den Länderfeststellungen geht auf das Wesentliche zusammengefasst hervor, dass nach Somalia Rückgeführte nicht per se einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Aus den vorhandenen Länderberichten ist auch nicht ableitbar, dass alleine ein Aufenthalt in Europa bei einer Rückkehr nach Somalia ohne Hinzukommen weiterer Gefahrenmomente (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würden. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Die gleichen Erwägungen gelten auch für die vom BF in seiner Stellungnahme angedeutete Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von Zwangsrekrutierung betroffenen Jugendlichen. Den Länderberichten ist jedoch nicht zu entnehmen, dass jeder wehrfähige Mann der Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab oder einer anderen bewaffneten Gruppe ausgesetzt wäre, womit dem BF auch nicht aus diesem Grund der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen war.
Dem Beschwerdeführer ist es deshalb insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in römisch 40 sowie der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht. Da sich auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in seinem Heimatstaat ableiten ließ, war im Ergebnis der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Abs. AsylG abzuweisen.
4.2. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
4.2.1. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr ("real risk") einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG) offen steht.
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen vergleiche VwGH 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus (VwGH vom 26.04.2017, Ra 2017/19/0016).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich scheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation eines Asylwerbers begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0137; VwGH vom 25.04.2017 Ra 2017/01/0016).
Es obliegt grundsätzlich auch der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Asylwerber nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen (VwGH vom 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134).
Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Asylwerbers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird vergleiche EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).
Wie der aktuellen Rechtsprechung des VwGH zu entnehmen ist, ist unbeschadet davon, dass die Lage in einem bestimmten Land, sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage in einzelnen Landesteilen als auch der wirtschaftlichen Situation angespannt sein mag, davon das Prüfungskalkül des Artikel 3, EMRK zu unterscheiden, welches für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (zuletzt etwa VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0420 unter Verweis auf VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0205).
Wie der Verwaltungsgerichtshof erkannt hat (VwGH vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0036-5), ist bei der Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Artikel 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahr, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat beziehen vergleiche auch VwGH vom 23.09.2014, Ra 2014/01/0060, VwGH vom 24.03.2015, Ra 2014/19/0021 mit weiteren Hinweisen).
Aus dem jüngst ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, kann geschlossen werden, dass Paragraph 8, Absatz eins, AsylG unionsrechtskonform einschränkend so auszulegen ist, dass diese Bestimmung - ungeachtet ihres unterschiedslos auf Verletzungen von (insb.) Artikel 2 und 3 EMRK abstellenden Wortlautes - nur in jenen Fällen die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorsieht, in denen dies nach Artikel 15, Litera b, der Statusrichtlinie in Verbindung mit Artikel 3, Statusrichtlinie geboten ist. Demnach ist für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erforderlich, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss oder von einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt ausgeht. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführenden Verletzung von Artikel 3, EMRK.
4.2.2. Im Falle des BF ist ein solche reale Gefahr einer - nicht bloß auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückführende - Verletzung seiner Rechte nach Artikel 3, EMRK im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zu erkennen:
Zum einen ist zwar den Staatenberichten zu entnehmen, dass römisch 40 von der AMISOM kontrolliert wird, doch ist das Gebiet gefährdet. Selbst die Staatenberichte sprechen davon, dass es in diesem Gebiet drei maßgebliche Akteure, nämlich die AMISOM, Milizen und die Al Shabaab gibt. Zudem finden in diesem Gebiet auch Clankonflikte statt, va zwischen Habr Gedir, Biyomaal und Rahanweyn. Die Fruchtbarkeit der Gegend ist ein Mitgrund für die Dichte an Gewalttätigkeiten. Es kommt häufig zum Streit über Ressourcen; und viele Clans sind involviert. Die Al Shabaab und AMISOM ergreifen im Rahmen derartiger Konflikte Partei. Weiters ist den Länderberichten zu entnehmen, dass die Al Shabaab 2017 einige Gebiete im Shabelle-Tal wieder zurückgewonnen hat. Die Bezirke Merka, römisch 40 und Afgooye sind besonders hart von der Gewalt betroffen. Die Zahl der Zwischenfälle in der Region Lower Shabelle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden, steigt kontinuierlich vergleiche auch weiter oben).
Darüber hinaus ist es fraglich, ob der BF bei einer Rückkehr nach Somalia, seine Heimatstadt über Mogadischu überhaupt sicher erreichen könnte. Der Verfassungsgerichtshof verlangt in seiner ständigen Rechtsprechung, dass bei Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes die sichere Erreichbarkeit in den Herkunftsort festgestellt wird vergleiche etwa VfGH vom 23.02.2015, E1146/2014): Aus den Länderberichten ergibt sich, dass es viele Straßensperren gibt und eine Reise auf dem Landweg ein Risiko darstellt. In vielen Gebieten kommt es zu Problemen im Straßenverkehr, werden illegale Wegzölle erhoben und Reisende misshandelt. Die Al Shabaab kontrolliert wichtige Hauptversorgungsrouten. Es konnten auch keine Informationen dahingehend ausfindig gemacht werden, ob römisch 40 bspw. per Flugzeug sicher zu erreichen wäre. Die sichere Erreichbarkeit muss aber ohnehin nicht umfassend geprüft werden, weil bereits die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiären Schutz vorliegen.
Die weiter oben skizzierte prekäre Sicherheitslage im Heimatort des Beschwerdeführers würde im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers eine reale Gefahr einer Verletzung des Artikel 3, EMRK allein durch seine dortige Anwesenheit darstellen. Daher ist zu prüfen, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative, etwa nach Mogadischu oder in andere Landesteile in Frage kommt:
Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des Paragraph 11, offen steht. Mit dem hier relevanten Prüfmaßstab hat sich der Verwaltungsgerichtshof jüngst in seinem Erkenntnis vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, auseinandergesetzt: Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 legt als Voraussetzungen für die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative fest, dass dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.
Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat; es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Dabei handelt es sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss vergleiche VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mwN).
Fallgegenständlich muss neben der nach wie vor prekären Sicherheitslage in Süd/Zentralsomalia sowie der prekären Menschenrechtslage in von Al Shabaab kontrollierten Gebieten auch die aktuell angespannte Grundversorgungslage mit in die Würdigung einbezogen werden. Auch wenn die neuen Kurzinformationen des LIB von einer Entspannung der Lage betreffend die allgemeine Nahrungsmittelunsicherheit sprechen, ist dennoch zu berücksichtigen, dass weite Teile Somalias im vergangenen Jahr dürrebedingt von einer massiven Nahrungsversorgungsunsicherheit betroffen waren. Circa sechseinhalb Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, wobei 3,2 Millionen Menschen akute lebensrettende Hilfe benötigten. Die akute Unterernährung von Kindern (zumindest 900.000 betroffen) sowie die durch Wasser verursachten Krankheiten sind weit verbreitet, im Zeitraum 1.-11.2017 wurden 874.000 Menschen innerhalb Somalias aufgrund der Dürre vertrieben.
Der Beschwerdeführer kann nicht in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Somalias verwiesen werden:
Gegen eine innerstaatliche Fluchtalternative spricht nicht nur die prekäre Versorgungs- und Sicherheitssituation in weiten Teilen dieses Landes, sondern auch der Umstand, dass er in anderen Gebieten seines Herkunftsstaats keinerlei soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte hätte, welche die Annahme einer möglichen Existenzbegründung erlaubten.
Wie sich aus den Länderberichten ergibt, bleiben für Rückkehrer die wichtigsten Faktoren für Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft und Nahrung) Familie und Clan. Wie in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, ist es zwar nicht glaubhaft, dass der BF keinen Kontakt zu seiner Familie in Somalia hat. Ungeachtet dessen, ist jedoch - wie in der Beweiswürdigung ausgeführt - nicht davon auszugehen, dass der BF mit einer hinreichenden finanziellen Unterstützung durch seine Familie rechnen kann. Auch kann der genaue Aufenthaltsort seiner Familie nicht festgestellt werden und ist dem BF eine Rückkehr nach römisch 40 , welcher der letzte Aufenthaltsort der Familie des BF war, nicht zumutbar. Der BF verfügt in anderen Landesteilen Somalias über keine familiären und/oder soziale Anknüpfungspunkte.
Überdies stammt der BF von einem Minderheitenclan ab, weshalb er bei einer Rückkehr nach Somalia keine Unterstützungsleistungen von Clanangehörigen erwarten kann. Somit läuft der BF Gefahr in ein IDP-Camp gehen zu müssen. In diesem Zusammenhang ergibt sich aus den Länderberichten, dass sich ein erheblicher Teil der Rückkehrer als IDPs wiederfinden wird und es va. in Mogadischu zu Vertreibung bzw. Zwangsräumungen von IDPs gekommen ist. An den Vertreibungen waren auch staatliche Sicherheitskräfte beteiligt, die auch Gewalt angewendet haben. IDPs gehören in Somalia generell zu den am meisten gefährdeten Personengruppen. Die Regierung und Regionalbehörden bieten nur unwesentlichen Schutz und Unterstützung. IDPs sind ganz besonders von der Dürre betroffen, da sie die steigenden Preise für Lebensmittel nicht bezahlen können. Außerdem gibt es für sie weniger Beschäftigungsmöglichkeiten. Üblicherweise überleben sie aufgrund der Überweisung von Remissen und mittels internationaler Unterstützung.
Ferner ist den Länderberichten zu entnehmen, dass UNHCR vor der nicht-existenten Infrastruktur und mangelnden Einrichtungen für somalische Rückkehrer warnt, sodass auch unter diesem Aspekt der Aufbau einer Existenzgrundlage für einen Rückkehrer ohne soziale und/oder familiäre Kontakte auch in Mogadischu oder in anderen Landesteilen kaum möglich ist. Auch wenn es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias, ist dennoch zu berücksichtigen, dass freie Arbeitsplätze häufig über die Verwandtschaft oder den Clan vergeben werden.
Den Länderberichten ist daher in ihrer Gesamtheit zu entnehmen, dass sich eine Person in einem IDP-Lager wiederfinden wird und sich keinen Lebensunterhalt sichern wird können, wenn sie in einer Stadt weder über eine Kern- oder eine erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügt, noch auf Remissen zurückgreifen kann.
In Hinblick auf die Länderberichte muss davon ausgegangen werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Somalia außerhalb seiner Heimatstadt ohne familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte nicht mit der nötigen Wahrscheinlichkeit einen notdürftigsten Lebensunterhalt erwirtschaften könnte und dadurch für ihn in kürzester Zeit eine existenzbedrohende Lage entstehen könnte.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht daher zusammenfassend nicht, da der BF in anderen Teilen Somalias über keine Familie verfügt, bzw. die prekäre Versorgungslage - auch wenn langsam eine Verbesserung in Sicht ist - ganz Somalia, betrifft. In Zusammenschau der derzeitigen Situation mit den persönlichen Umständen des BF (Angehöriger der Gaboye/Minderheitenclan, keine finanzielle Unterstützungsmöglichkeit durch die Familie oder durch sonstige soziale Kontakte, Gefahr in einem IDP-Lager zu kommen) erscheint eine innerstaatliche Fluchtalternative in einen anderen Landesteil daher nicht zumutbar.
Ausschlussgründe nach Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins und 2 AsylG 2005) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Ziffer 3, leg.cit.).
Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert.
4.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
ECLI:AT:BVWG:2019:W254.2146054.1.00