Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

18.12.2018

Geschäftszahl

W270 2170872-1

Spruch

W270 2170872-1/17E

Schriftliche Ausfertigung des am 28.09.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Günther GRASSL über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2017, Zl. römisch 40 , betreffend eine Angelegenheit nach AsylG 2005 und FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. wird Folge gegeben und festgestellt, dass gemäß Paragraph 9, Absatz 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

3. Dem Beschwerdeführer wird gemäß Paragraph 58, Absatz 2, i.V.m. Paragraph 55, Absatz eins und Paragraph 54, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. römisch 40 (in Folge: "Beschwerdeführer") stellte am 13.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner am selben Tag stattgefundenen Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass seine Mutter zum zweiten Mal geheiratet habe, als er ungefähr fünf Jahre alt war. Seither habe er sie nicht mehr gesehen. Er selbst sei bei seinem Onkel väterlicherseits aufgewachsen. Dieser habe ihn geschlagen und schlecht behandelt, weswegen er in den Iran geflüchtet sei. Im Iran habe er Probleme bei seiner Arbeitsstelle gehabt, deswegen sei er weitergereist.

3. Bei seiner Einvernahme am 07.08.2017 vor der belangten Behörde, gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für seine Asylantragstellung befragt zusammengefasst an, dass er seit seinem fünften Lebensjahr bei seinem Onkel väterlicherseits gelebt und für diesen gearbeitet habe. Eines Tages habe ein Dorfbewohner zu ihm gesagt, dass sein Onkel ihn in den Krieg schicken wolle und dafür auch bereits eine Geldleistung erhalten habe. Der Dorfbewohner habe ihm dann Unterstützung in Form von Geld angeboten und ihm überdies gesagt, dass er in Kabul zu einem Mann namens "XXXX" gehen solle. Sobald der Beschwerdeführer diesen Mann in Kabul erreicht habe, hätte dieser ihm gesagt, dass er auch in Kabul nicht bleiben könne, weil sein Onkel ihn finden würde und Kabul zudem nicht sicher sei. "XXXX" habe dann einen Schlepper für ihn organisiert und der Beschwerdeführer sei in den Iran ausgereist. Im Iran habe der Beschwerdeführer ein Jahr arbeiten müssen, um seine Schulden beim Schlepper bezahlen zu können. Danach habe er gearbeitet um Geld zu sparen. Er habe nicht im Iran bleiben können, weil er Angst gehabt habe, dass die iranischen Behörden ihn nach Afghanistan zurückschicken, sein Onkel ihn dort finden und in den Krieg schicken würde. Außerdem herrsche Krieg in Afghanistan. Nicht zuletzt sei er illegal im Iran aufhältig gewesen und habe über keine gültigen Dokumente verfügt. Deswegen sei er auch aus dem Iran ausgereist.

4. Am 18.08.2017 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde ins Verfahren eingeführten Länderinformationen und legte weitere Beweismittel u.a. zur Sicherheitslage in Afghanistan sowie zum Risikoprofil der Apostaten vor.

5. Die belangte Behörde wies den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, i.V.m.

Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, i.d.F. Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 145 aus 2017, (in Folge: "AsylG 2005") (Spruchpunkt römisch eins.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, i.V.m. Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt römisch II.) mit Bescheid vom 28.08.2017 ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 i.V.m.

Paragraph 9, des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, i.d.F. Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 145 aus 2017, (in Folge: "BFA-VG"), wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, Fremdenpolizeigesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, i.d.F. Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 145 aus 2017, (in Folge: "FPG") erlassen. Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Afghanistan zulässig ist und dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt römisch III. und römisch IV.).

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass zwar nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer durch seinen Onkel an eine bewaffnete Gruppierung verkauft werden sollte, ihm jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünde. Er könne sich bei einer Rückkehr nach Kabul, als volljähriger, gesunder und erwerbsfähiger junger Mann, selbst versorgen.

6. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde eine mangelhafte Beweiswürdigung der belangten Behörde moniert und weitere Beweismittel zur Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere auch der Stadt Kabul, vorgelegt.

7. Gemeinsam mit der Ladung für die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden dem Beschwerdeführer länderkundliche und sonstige Informationen im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.

8. Mit Schreiben vom 26.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen zu seiner Integration.

9. Am 28.09.2018 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt in deren Rahmen der Beschwerdeführer insbesondere zu einer möglichen Rückkehr nach Afghanistan sowie seinem Leben in Österreich einvernommen wurde und außerdem weitere Urkunden zur Integration vorlegte. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurden außerdem weitere länderkundliche und sonstige Informationen in das Verfahren eingeführt, hinsichtlich welcher der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers lediglich auf das bisherige Vorbringen verwies. Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis verkündet.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Identität, Herkunft und Sprachkenntnisse:

1.1.1.1.Der Beschwerdeführer trägt den Namen römisch 40 und ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan. Er wurde am römisch 40 in der Provinz Maidan Wardak, im Distrikt Markaz, im Dorf römisch 40 geboren.

1.1.1.2. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Neben dieser Sprache hat er noch Kenntnisse der Sprachen Farsi, Englisch und Deutsch. In Deutsch und Englisch kann er auch lesen und schreiben (s. dazu unten Pkt. römisch II.1.3.).

1.1.1.3. Der Beschwerdeführer hatte in seinem Herkunftsstaat weder Probleme mit den Behörden noch wurde er wegen seiner Nationalität, seinem Geschlecht, seiner sexuellen Orientierung oder seinem Bekenntnis zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam, seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder wegen einer Zugehörigkeit zu einer anderen gesellschaftlichen Gruppe bedroht oder wurde sonst eine Handlung oder Maßnahme aus diesen Gründen gegen ihn gesetzt.

1.1.2. Volksgruppe und Religion:

Der Beschwerdeführer gehört der afghanischen Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

1.1.3. Familiäre Situation und wirtschaftliche Lage:

1.1.3.1. Nicht festgestellt werden kann, wo sich die Mutter des Beschwerdeführers derzeit aufhält. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben.

1.1.3.2. Der Beschwerdeführer lebte ungefähr von seinem fünften Lebensjahr bis zu seinem elften Lebensjahr bei seinem Onkel väterlicherseits, welcher landwirtschaftliche Grundstücke in Afghanistan besitzt.

1.1.3.3. Der Beschwerdeführer steht weder mit seiner Mutter noch mit seinem Onkel in Kontakt.

1.1.4. Ausbildung und Berufserfahrung:

1.1.4.1. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keine Schule besucht.

1.1.4.2. In Afghanistan arbeitete der Beschwerdeführer bei seinem Onkel in der Landwirtschaft.

1.1.4.3. Im Iran arbeitete der Beschwerdeführer in einem Kunststoffunternehmen. Er war dort an einer Maschine in der Produktion tätig. Sein Einkommen belief sich auf ungefähr 1,5 Mio. Toman monatlich, wovon der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt bestreiten und auch etwas sparen konnte.

1.1.5. Gesundheitszustand:

Der Beschwerdeführer ist gesund und nimmt keine Medikamente ein.

1.1.6. Ausreise aus Afghanistan und Antragstellung in Österreich

1.1.6.1. Der Beschwerdeführer hat Afghanistan ungefähr im Jahr 2011 verlassen und reiste in den Iran aus.

1.1.6.2. Den Iran hat der Beschwerdeführer ungefähr im März 2015 verlassen und stellte schließlich am 13.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.2. Zum individuellen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund der Sicherheitslage verließ und weil er von seinem Onkel schlecht behandelt wurde und dieser ihn auch an eine Miliz verkaufen wollte.

1.2.2. Außerdem kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den Iran verließ, weil er dort illegal aufhältig war und keine Dokumente besaß.

1.3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

1.3.1. Der Beschwerdeführer lebt in einer Wohnung in römisch 40 .

1.3.2. In Österreich leben weder Verwandte noch sonstige nahe Angehörige des Beschwerdeführers.

1.3.3. Der Beschwerdeführer hat eine in Österreich lebende Freundin, "XXXX". Es besteht jedoch kein gemeinsamer Haushalt und keine finanzielle Abhängigkeit. Der Beschwerdeführer und seine Freundin schreiben sich lediglich per Instagram und haben sich auch noch nicht getroffen.

1.3.4. Der Beschwerdeführer hat bereits das Sprachzertifikat für das Sprachniveau A2 erworben und vom 07.02.2018 bis 30.05.2018 einen Deutschkurs für das Sprachniveau B1 besucht. Nunmehr lernt er im Rahmen der Berufsschule römisch 40 weiter Deutsch. Das Schuljahr 2017/2018 konnte er in der Berufsschule römisch 40 positiv abschließen. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, bei klarer Standardsprache über vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. zu reden. Darüber hinaus kann er über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben.

1.3.5. In seiner Freizeit geht der Beschwerdeführer ins Fitnessstudio, Laufen oder Fußball spielen.

1.3.6. Der Beschwerdeführer war Mitglied des Vereins Union römisch 40 . Aufgrund seiner Lehre spielt er Fußball jedoch nur mehr in der Berufsschule.

1.3.7. Seine österreichischen Kontaktpersonen sind "XXXX" und insbesondere seine beiden Arbeitskollegen "XXXX" und "XXXX".

1.3.8. Sein soziales Umfeld beschreibt den Beschwerdeführer als lernwilligen, wissbegierigen, fleißigen, integrationswilligen, besonnenen, äußerst hilfsbereiten, engagierten jungen Mann.

1.3.9. Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit 18.11.2016 als Lehrling für die Ausbildung im Lehrberuf Schalungsbauer im Unternehmen römisch 40 beschäftigt und erhält dafür eine monatliche Lehrlingsentschädigung von EUR 1500. Im Zuge seiner Ausbildung hat der Beschwerdeführer auch die Lehrlingsseminare "XXXX" vom 29.03.2017 bis 31.03.2017 sowie am 07.04.2017 einen Erste-Hilfe-Grundkurs besucht. Seine Ausbildner sind mit seinen Leistungen sehr zufrieden und sie sehen den Beschwerdeführer aufgrund seines Fleißes und Lernwillens als Vorbild für andere Lehrlinge an. Laut seinem direkten Vorgesetzten, dem Polier "XXXX" gehört der Beschwerdeführer sowohl menschlich als auch fachlich zu den besseren Lehrlingen. Das Unternehmen plant überdies den Beschwerdeführer nach voraussichtlicher Beendigung der Lehre am 17.11.2019 - auch über die Behaltezeit hinweg - in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu beschäftigen.

1.3.10. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

Von der Verfolgung eines im Jahr 2017 begangenen Vergehens nach Paragraph 83, Absatz eins, StGB wurde von der Staatsanwaltschaft unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurückgetreten. Im Jahr 2017 kam es überdies zu einer Anzeige wegen einer Verwaltungsübertretung.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.4.1. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil.

Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren.

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.612 registrierten zivilen Opfer (440 Tote und 1.172 Verletzte). Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen.

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen. Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden.

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF; diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 letzte Kurzinformation eingefügt am 22.08.2018 [in Folge: "LIB"], Pkt. 3. "Sicherheitslage")

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Allgemeines

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus.

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen. Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren. Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet.

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird.

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan. Die Gründe dafür sind verschiedene:

das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten.

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht. Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen.

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen.

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten. Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand. Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten. Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vergleiche Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten:

Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden.

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen. Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben. Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS.

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation. Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen. Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet.

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben. Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen. Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen.

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt; er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an, aber auch ausländische Botschaften. Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätte. Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind.

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar.

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben.

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens.

(Auszüge aus dem LIB, Pkt. 3. "Sicherheitslage")

Grundversorgungs- und Wirtschaftslage

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu.

Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert. Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 21. "Grundversorgung und Wirtschaft")

Rechtsschutz und Justizwesen in Afghanistan

Im Bereich des Rechtsschutzes und des Justizwesens in Afghanistan gibt es legislative Fortschritte; dennoch gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen und werden Dispute überwiegend außerhalb des formellen Justizsystems gelöst. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, in den ländlichen Gebieten aber schwächer ausgeprägt. Dem Justizsystem mangelt es an Leistungsfähigkeit, teils mangels qualifizierten Personals (insbesondere in ländlichen Gebieten), teils wegen der eingeschränkten Zugänglichkeit von Gesetzestexten; die Situation bessert sich jedoch. Innerhalb des Gerichtswesens ist auch Korruption vorhanden und sind Richterinnen und Richter und Anwältinnen und Anwälte oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen.

(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 4. "Rechtsschutz/Justizwesen")

Sicherheitsbehörden in Afghanistan

In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA-Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anmerkung Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA). Auch das NDS ist Teil der ANDSF.

Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen.

Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat. Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt.

Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats.". Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt.

Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt. Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden US-amerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen. Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF-Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden.

Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei. Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich. Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf. Nachdem die Operation Shafaq römisch II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020.

Reformen der ANDSF

Die afghanische Regierung versucht die nationalen Sicherheitskräfte zu reformieren. Durch die Afghanistan Compact Initiative sollen u.a. sowohl die ANDSF als auch ihre einzelnen Komponenten ANA und ANP reformiert und verbessert werden. Ein vom Joint Security Compact Committee (JSCC) durchgeführtes Monitoring der afghanischen Regierung ergab, dass die für Dezember 2017 gesetzten Ziele des Verteidigungs- und des Innenministeriums zum Großteil erreicht wurden. Das Aufstocken des ANASOC, der Ausbau der AAF, die Entwicklung von Führungskräften, die Korruptionsbekämpfung und die Vereinheitlichung der Führung innerhalb der afghanischen Streitkräfte sind einige Elemente der 2017 angekündigten Sicherheitsstrategie der afghanischen Regierung. Auch soll diese im Rahmen der neuen US-amerikanischen Strategie für Südasien Beratung und Unterstützung bei Lufteinsätzen bekommen.

Mit Unterstützung der RS-Mission implementieren und optimieren das MoI und das MoD verschiedene Systeme, um ihr Personal präzise zu verwalten, zu bezahlen und zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist das Afghan Human Resource Information Management System (AHRIMS), welches alle Daten inklusive Namen, Rang, Bildungsniveau, Ausweisnummer und aktuelle Position des ANDSF-Personals enthält. Auch ist das Afghan Personnel Pay System (APPS), das die AHRIMS-Daten u.a. mit Vergütungs- und in Lohndaten integrieren wird, in Entwicklung.

Geheimdienstliche Tätigkeiten

Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anmerkung und das Nasrat, auch National Threat Intelligence Center, unter dem NDS, tauschen sich regelmäßig aus. Obwohl der Austausch von geheimdienstlichen Informationen als Stärke der ANDSF gilt, blieb Mitte 2017 die geheimdienstliche Analyse schwach. Gemäß einem Bericht von SIGAR finden Ausbildungen zur Verbesserung der geheimdienstlichen Fähigkeiten des MoI und des MoD im Rahmen der Resolute Support Mission statt.

Das National Directorate for Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist für die Untersuchung von Strafsachen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul. Die Bush- und die Obama-Administration konzentrierten sich auf den Ausbau des ANAund ANP-Personals und vernachlässigten dadurch den afghanischen Geheimdienst. Die Rekrutierungsmethode für NDS-Personal war mit Stand Juli 2017 sehr restriktiv und der Beitritt für Bewerber ohne Kontakte fast unmöglich.

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert.

Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren. Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind. Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben. Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern.

Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorfältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen. Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen. Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel.

Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden. Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw.

Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3%.

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte. Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen.

Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen. Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2%.

Quellen zufolge beginnt die Grundausbildung der ANA-Soldaten am Kabul Military Training Center (KMTC) und beträgt zwischen sieben und acht Wochen. Anschließend gibt es verschiedene weiterführende Ausbildungen für Unteroffiziere und Offiziere.

Resolute Support Mission (RS)

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verlautbarte am 9. November 2017, dass sie zukünftig auf 16.000 Mann angehoben werden soll. Die RS-Mission befasst sich mit zahlreichen Aspekten bzw. Problematiken der afghanischen Sicherheitsbehörden. Involviert ist die Mission z. B. in die Förderung von Transparenz, in den Kampf gegen Korruption, den Ausbau der Streitkräfte, die Verbesserung des Geheimdienstes usw.

Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten. Die US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan (United States Forces-Afghanistan, USFOR-A) und die Resolute Support Mission werden von General John Nicholson koordiniert. Korruption, Vetternwirtschaft, schwache Führung usw. sind einige der Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit der ANDSF unterminieren. Einer Quelle zufolge ist der Einsatz von ausländischen Sicherheitskräften ein wirksames Mittel für die Verbesserung von einigen Bereichen wie die Institutionalisierung einer meritokratischen Anwerbung, Beförderungen im afghanischen Sicherheitsbereich und die Entpolitisierung der ANDSF.

(Auszug aus dem LIB, Pkt. 5. "Sicherheitsbehörden")

Folter und unmenschliche Behandlung

Laut den Artikeln 29 und 30 der afghanischen Verfassung ist Folter verboten. Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt wurden, sind ungültig. Auch ist Afghanistan Vertragsstaat der vier Genfer Abkommen von 1949, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC). Am 22. April 2017 genehmigte die afghanische Regierung ein neues Anti-Folter-Gesetz und erweiterte das im ursprünglichen Strafgesetzbuch enthaltene Folterverbot. Das neue Gesetz bezieht sich jedoch nur auf Folterungen, die im Rahmen des Strafrechtssystems erfolgt sind, und nicht eindeutig auf Misshandlungen, die von militärischen sowie anderen Sicherheitskräften verübt werden. Fehlende Regelungen zur Entschädigung von Folteropfern wurden im August 2017 durch ein entsprechendes Addendum ergänzt.

Trotz dieser Vorgaben gibt es zahlreiche Berichte über Misshandlungen durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Gefängnispersonal und Polizei. Quellen zufolge wenden die Sicherheitskräfte weiterhin exzessive Gewalt an, einschließlich Folter und Gewalt gegen Zivilisten. Personen, die im Rahmen des bewaffneten Konflikts festgenommen wurden, werden insbesondere während des ersten Verhörs gefoltert, um Geständnisse zu erhalten.

Im Zuge einer Befragung gaben für den Zeitraum 1.1.2015 - 31.12.2016 181 (39%) von 469 befragten Personen an, von den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF) gefoltert worden zu sein. Auch 38 (45%) von 85 befragten Kinder gaben an im Berichtszeitraum Opfer von Folter oder Missbräuchen geworden zu sein. Die meisten Misshandlungen fanden unter der Obhut des National Directorate of Security (NDS) und der afghanischen Nationalpolizei statt (ANP).

Zwei Jahre nach der Verlautbarung des Nationalplans von 2015 zur Eliminierung der Folter durch die afghanische Regierung, hat diese einige dauerhafte Fortschritte gemacht, insbesondere auf der Gesetzesebene. Zahlreiche im Nationalplan eingegangene Hauptverpflichtungen wurden jedoch nur teilweise verwirklicht

(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 6. "Folter und unmenschliche Behandlung")

Binnenflüchtlinge

Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs). Im Zeitraum 2012-2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen.

Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).

Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya. Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt.

Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz. Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung.

Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden.

Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe. Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern. Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw.

Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an.

Flüchtlinge in Afghanistan

Die afghanischen Gesetze sehen keine Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus vor und es existiert kein staatliches System zum Schutz von Flüchtlingen aus anderen Ländern.

In Afghanistan leben pakistanische Flüchtlinge, die 2014 aus Nord-Waziristan in die Provinzen Khost und Paktika geflüchtet sind.

42.262 dieser Flüchtlinge sind in der Provinz Khost registriert: Das Gulan-Flüchtlingslager in Khost beherbergt 13.167 pakistanische Flüchtlinge und der Rest lebt in anderen Distrikten der Provinz Khost. In der Provinz Paktika wurden 2016 35.949 pakistanische Flüchtlinge registriert. In den Provinzen Khost und Paktika wurden ca. 76.925 pakistanische Flüchtlinge aus Nord-Waziristan registriert und verifiziert. In den urbanen Zentren leben ungefähr 505 Asylwerber, die auf die Verabschiedung eines Asylgesetzes warten. Ihre lokale Integration ist aus rechtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und anderen Gründen derzeit unmöglich; auch bleiben die Umsiedlungsmöglichkeiten eingeschränkt.

(Auszug aus dem LIB, Pkt. 20. "Binnenflüchtlinge")

1.5.2. Lage der Heimatprovinz bzw. dem Heimatdistrikt des Beschwerdeführers in Afghanistan:

(Maidan) Wardak ist eine der zentralen Provinzen Afghanistans. Maidan Shahr ist die Provinzhauptstadt. Distrikte der Provinz Wardak sind: Sayed Abad, Jaghto, Chak, Daimirdad, Jalrez, central Bihsud/Behsood und Hisa-i-Awal Bihsud. Kabul und Logar liegen im Osten der Provinz (Maidan) Wardak, Bamyan im Westen und Nordwesten, Ghazni im Süden und Südwesten, sowie die Provinz Parwan im Norden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 615.992 geschätzt. In der Provinz leben hauptsächlich ethnische Paschtunen, Tadschiken und Hazara; auch Kuchis sind in der Vergangenheit insbesondere in den Distrikt Behsood gezogen.

Die Hauptautobahn (Ring Road) Kabul-Kandahar führt durch die Provinz Maidan Wardak, von wo aus sie die südlichen, aber auch südöstlichen Provinzen des Landes mit der Hauptstadt Kabul verbindet. Polizisten arbeiten hart daran, die Autobahn von Minen zu befreien, da der südliche Abschnitt der Kabul-Kandahar Autobahn neun Provinzen mit der Hauptstadt Kabul verbindet.

Mit Stand November 2017 ist die Provinz Wardak zumindest seit dem Jahr 2006 komplett opiumfrei - im Jahr 2005 wurden in Daimirdad noch 106 Hektar Mohnanbauflächen verzeichnet.

Drei Frauen haben bei der Provinzwahl von Maidan Wardak Sitze für den Provinzrat erhalten. Im März 2018 hat eine Gruppe junger Frauen in der Provinz die Kunstbewegung "Village Sisters Art Movement" gegründet, wodurch Lyrik-Vorträge organisiert werden. Das Projekt wird vom Kultur- und Informationsdepartment begrüßt.

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Wardak zählt seit einiger Zeit zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv - speziell in den Distrikten nächst der Autobahn.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 81 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 83 zivile Opfer (42 getötete Zivilisten und 41 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten/willkürlichen Tötungen und Luftangriffen. Dies deutet einen Rückgang von 35% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Militärische Operationen in Wardak

In der Provinz Wardak werden groß angelegte militärische Operationen durchgeführt; Aufständische werden getötet und festgenommen. Bei diesen Operationen werden unter anderem auch Führer von regierungsfeindlichen Gruppierungen getötet. Luftangriffe werden ebenso durchgeführt; bei diesen werden auch Aufständische getötet.

Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt.

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Wardak

Regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv. Dazu zählen u.a. die Taliban; Quellen zufolge hat das Haqqani-Netzwerk in einem Teil der Provinz Wardak eine Zentrale gehabt. Das Haqqani-Netzwerk operiert großteils in Ostafghanistan und der Hauptstadt Kabul.

Für den Zeitraum 1.1.2017-31.1.2018 wurden keine IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet.

(Auszüge aus dem LIB, Pkt. 3.33. "Wardak/ Maidan Wardak")

1.5.3. Lage in der Stadt Mazar-e Sharif:

Allgemeines

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt der Provinz Balkh, die sich im Norden Afghanistans befindet. Die Bevölkerung von Balkh ist heterogen, wobei Tadschiken und Paschtunen die größten Gruppen bilden, gefolgt von Usbeken, Hazara, Turkmenen, Arabern und Belutschen. Die Bevölkerung von Mazar-e Sharif wird auf 368.000 bis 693.000 geschätzt und zeichnet sich durch ihre ethnische und sprachliche Vielfalt aus. Die Zentrale Statistische Organisation schätzt die Bevölkerung auf 402.806 Einwohner. Laut einer Umfrage vom Januar 2015 sind etwa 38% der Mazar-e Sharif-Bevölkerung Migranten. Die meisten von ihnen stammen aus anderen afghanischen Provinzen. Nur 17% der Migranten sind Rückkehrer aus dem Ausland. Laut UNHCR hat die Provinz Balkh seit Anfang 2015 19.764 konfliktinduzierte Binnenvertriebene erhalten: 2.509 im Jahr 2015 und 17.227 im Jahr 2016, von denen die meisten im städtischen und semi-urbanen Gebiet Mazar-e Sharif identifiziert wurden. Die steigende Zahl der Binnenvertriebenen in der Provinz Balkh ist ein Indikator für die sich verschlechternde Sicherheitslage in einer großen Zahl von Provinzen im Norden und Nordosten. Zusammenfassend hat die Provinz Balkh, meist Mazar-e Sharif, in den letzten zwei Jahren etwa 26.000 Menschen aufgenommen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus European Asylum Support Office [in Folge: "EASO"], Country of Origin Information Report Afghanistan, Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, August 2017 [in Folge:

"EASO-Bericht Sozioökonomie"], abrufbar unter:https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_COI_Afghanistan_IPA_August2017.pdf, abgerufen am 14.12.2018; Pkt. 1.3.)

Mazar-e Sharif ist eines der größten Handels- und Finanzzentren Afghanistans, das auch als das "de facto politische, wirtschaftliche und administrative Zentrum Nordafghanistans" bezeichnet wird. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Stadt liegt außerdem an einer wichtigen Ost-West-Verbindung zwischen Herat im Westen und Kabul und Kundus im Osten. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar. An der Grenze zu Usbekistan liegt der wichtige wirtschaftliche Trockenhafen Hairatan.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan, Security Situation, Dezember 2017 [in Folge: "EASO-Bericht Sicherheitslage"], abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_Afghanistan_security_situation_2017.pdf, abgerufen am 14.12.2018, Pkt. 2.1. und LIB, Pkt. 3.5. "Balkh").

Sicherheit

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen.

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 3.5. "Balkh")

Im Jahr 2017 gab es in der Provinz 9 zivile Opfer pro 100.000 Einwohner. Hinsichtlich der Art der Methoden und Taktiken zeigt COI, dass die Hauptursache für zivile Opfer IEDs (Non-Suicide), Bodenziele und nicht explodierte Munition/Minen waren. Weitere Auswirkungen auf das zivile Leben waren z.B.: Missbrauch durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppen, Schwierigkeiten bei der Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten aufgrund der Anwesenheit von Aufständischen, Behinderung der Polioimpfung. Einige konfliktbedingte Binnenvertreibungen fanden im Zeitraum Januar 2017 - März 2018 aus der Provinz statt, mit 150 Binnenvertriebenen pro 100.000 Einwohner. Andererseits wurde über eine erhebliche Vertreibung nach Balkh und insbesondere nach Mazar-e Sharif berichtet.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018 [in Folge:

"EASO-Länderleitfaden Afghanistan"], abrufbar hier:

https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/easo-country-guidance-afghanistan-2018.pdf, abgerufen am 14.12.2018, Pkt. römisch III.b.)

Laut UNAMA verursachten die Kämpfe zwischen regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen 2017 einen zivilen Toten in der Provinz Balkh. Es gab mehrere Berichte über Sicherheitsmaßnahmen, die in der Provinz Balkh durchgeführt wurden. Medienberichten zufolge hatte der amtierende Gouverneur und prominente Politiker Atta Mohammad Noor mehrere Operationen in einigen abgelegenen Bezirken der Provinz gestartet.

Im Januar 2017 kündigte die NDS an, eine Bombenfabrik der Taliban in der Balkprovinz entdeckt und beseitigt zu haben.

Im Oktober 2016 explodierte ein IED in der Nähe einer Moschee im Gebiet Khwaja Ghulak im Balkhdistrikt, wo sich schiitische Gläubige während der Ashura (einem religiösen Trauertag) versammelt hatten, tötete 18 Zivilisten und verletzte 67 weitere, darunter 36 Kinder. Während mehrere Quellen angaben, dass keine Gruppe die Verantwortung für den Angriff übernommen hat, gaben andere an, dass ISKP dies tat.

Regierungsfeindliche Elemente waren in der Lage, high-profile Angriffe in Mazar-e Sharif durchzuführen:

Es gab Berichte über IED-Explosionen in Mazar-e Sharif, die im Herbst 2016 zivile Opfer forderten. Medienquellen berichteten, dass Sicherheitskräfte des amtierenden Provinzgouverneurs Atta Mohammad Noor im Februar 2017 einen Mann am Steuer eines Autos getötet haben, der in Richtung der Residenz des amtierenden Gouverneurs raste. Die Umstände des Vorfalls waren unklar und es wurde eine Untersuchung eingeleitet. Es wurden keine weiteren Informationen über die Ergebnisse der Untersuchung gefunden. Ein Insiderangriff innerhalb des 209. Shaheen Military Corps wurde im Juni 2017 gemeldet, der zur Verletzung von 7 US-Soldaten führte. Im August 2017 wurde über einen Konflikt zwischen Anhängern von Atta Mohammad Noor und dem Mitglied des Provinzialrats Asif Mohmand berichtet. Zwei Menschen starben an den Folgen der Zusammenstöße kurz vor der Landung von Asif Mohmand auf dem Flughafen Mazar, wo er verhaftet wurde. Es war unklar, wer seine Verhaftung angeordnet hatte.

Die Taliban haben sich für einen Angriff auf das deutsche Konsulat in der Balkh-Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif am 10. November 2016 verantwortlich erklärt, bei dem 4 Zivilisten starben und 131 Zivilisten verletzt wurden, darunter 29 Kinder und 19 Frauen. Infolge einer selbstmörderischen fahrzeuggetragenen IED-Explosion erlitt das Konsulatsgebäude schwere Schäden. Es gab auch erhebliche Schäden am umliegenden Eigentum. Die Taliban erklärten, dass der Angriff als Vergeltung für die Luftangriffe in Kunduz Anfang November 2016 durchgeführt wurde, bei denen 32 Zivilisten getötet und 36 weitere verletzt wurden. Am 21. April 2017 führten die Taliban einen Großangriff auf einen afghanischen Armeestützpunkt in der Nähe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif durch, in dem sich das

209. Korps der afghanischen Armee sowie ein Kontingent der Bundeswehr befinden. Der Angriff führte zu einer der tödlichsten Zölle bei einem Angriff der Taliban auf die afghanische Armee, wobei mehr als 100 Soldaten getötet und viele verletzt wurden.

(Auszug aus EASO-Bericht Sicherheitslage, Pkt. 2.5.)

Aufständische konnten mehrere Angriffe in Mazar-e Sharif durchführen: Im Oktober starben Schützen auf einem Motorrad den Sprecher des Gouverneurs bei einem gezielten Angriff in Mazar-e Sharif. Im November 2017 zielte ein Selbstmordattentäter auf eine bekannte Person und Stammesälteste in Mazar-e Sharif, tötete den Mann und verletzte zwei weitere. Später in diesem Monat wurde ein weiterer Mann bei einer Explosion in seinem Auto in Mazar-e Sharif getötet, und im Dezember 2017 wurden neun Zivilisten und zwei Polizisten verletzt, als eine Bombe am Straßenrand ein Polizeifahrzeug traf. Ein Zivilist wurde getötet und zwei weitere verletzt, als eine Magnetbombe ihr Fahrzeug in der Provinzhauptstadt traf.

(Auszug aus EASO, COI Report: Afghanistan: Security Situation - Update, Mai 2018 [in Folge: "EASO-Sicherheitsupdate Mai 2018", abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan-security_situation_2018.pdf, abgerufen am 14.12.2018], Sitzung 49)

Erreichbarkeit von Österreich

Der Flughafen von Mazar-e Sharif, der 2013 eröffnet wurde, ist auch als Mazar Mawlana Jalaluddin Balkhi International Airport bekannt. Turkish Airlines bietet seit 2013 Direktflüge von und nach Istanbul von Mazar-e Sharif an. Der Flugplan von Kam Air listet 2017 internationale Flüge von Mazar-e Sharif nach Istanbul und Mashhad, entsprechend dem Online-Flugplan. Flüge nach Delhi und Dubai sind ebenfalls gelistet, jedoch mit dem Datum 2015. Im März 2017 führte Kam Air auch einen Dienst zwischen Herat und Mazar-e Sharif als über den Flug RQ-006 aktiv an.

Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 3.35. "Erreichbarkeit - Flugverbindungen" und "EASO-Bericht Sozioökonomie"], Pkt. 5.3.3.)

Wirtschaftliche Lage durch bzw. für Rückkehrer

Rückkehrer aus anderen Staaten

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt und war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung.

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart römisch II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird.

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben.

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden.

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen.

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können.

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 23. "Rückkehr")

Versorgung mit Lebensmitteln - Aktuelle Dürresituation in der Provinz Balkh

Generell gibt es in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Kabul keine Nahrungsmittelknappheit. Die wichtigste Variable beim Zugang zu Nahrungsmitteln sind die dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Existenzmittel, die im Falle von Vertriebenen ein besonderes Anliegen sein können.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.4.)

Auszug aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Afghanistan aus dem Jahr 2018:

1. Wie wirkt sich diese Dürre auf die Versorgungslage der Bevölkerung im Hinblick auf die Wasserversorgung sowie auf die Versorgung mit Lebensmitteln in den Städten Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) und Herat (Hauptstadt der Provinz Herat) aus?

Den Quellen ist zu entnehmen, dass es im Umland von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, zu Wasserknappheit und einer unzureichenden Wasserversorgung kommt. Über die Situation in Mazar-e-Sharif selbst wird nicht berichtet. Zur Wasserversorgung in der Provinz Herat konnte ein Bericht gefunden werden, demzufolge Zahlungen an die Wasserversorgungsanstalt in der Höhe von 208 Mio. Afghanis ausstehen. Aufgrund der ausstehenden Zahlungen musste die Wasseranstalt Infrastrukturprojekte verschieben. Über die konkrete Versorgungslage in Herat-Stadt wurde nicht berichtet.

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte in Afghanistan dieses Jahr deutlich geringer ausfallen als in den vergangenen Jahren. Gemäß einer Quelle lagen die Getreidepreise auf den Märkten in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund guter Ernten im Iran und Pakistan im Mai 2018 dennoch nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.

2. Gibt es bedingt durch diese Dürre in den Provinzen Balkh und Herat eine Landflucht in die Provinzhauptstädte?

Es kann davon ausgegangen werden, dass von Mai bis Mitte August rund 12.000 Familien, unter anderem aufgrund der Dürre, aus den Provinzen Badghis und Ghor nach Herat-Stadt geflohen sind. Zur Lage in Mazar-e-Sharif wurde nichts berichtet.

3. Falls ja,

a. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Möglichkeit der Wohnraumbeschaffung für Neuansiedler in diesen Städten aus?

Gemäß den Quellen handelt es sich bei den Personen, welche vor der Dürre nach Herat-Stadt geflohen sind, um Personen, die ihren gesamten Besitz verloren haben. Sie leben in behelfsmäßigen Zelten in den armen Gegenden am westlichen Stadtrand von Herat. Über den Wohnungsmarkt, oder auch Versuche dieser Personen, erschwinglichen Wohnraum in Herat-Stadt zu finden, konnten keine Berichte gefunden werden.

b. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler in diesen Städten aus?

Der Quelle kann entnommen werden, dass die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 rund 17 Prozent unter dem Fünfjahresdurchschnitt lagen. Damit steht die Lohnentwicklung in Herat-Stadt im Kontrast zu Entwicklungen in anderen urbanen Zentren Afghanistans. In Mazar-e-Sharif lagen die Löhne für Gelegenheitsarbeit im Mai 2018 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.

4. Gibt es staatliche oder internationale Hilfsmaßnahmen für die in den Dürregebieten lebenden Personen?

Gemäß mehreren Berichten gibt es insbesondere von internationaler Seite Hilfe für die von der Dürre betroffenen Personen. Das Humanitarian Country Team (HCT) der UN hat den Humanitarian Response Plan (HRP) für 2018 aufgrund der anhaltenden Dürre aktualisiert. Dementsprechend benötigt Afghanistan in diesem Jahr rund 547 Mio. Dollar an Hilfsgeldern, wobei Ende Juli rund ein Drittel dieses Plans finanziert war. Bislang hat OCHA an die von der Dürre betroffene Bevölkerung unter anderem Trinkwasser und Nahrungsmittel verteilt. Weiters erhielten Betroffene auch Geld, über welches sie selbst verfügen können. In jenen Zentren, in denen sich von der Dürre Geflohene ansiedelten (Herat-Stadt, Qala-e-Naw und Chaghcharan) wurden unter anderem auch Zelte verteilt.

Das World Food Programme (WFP) gab Ende Juli an, über 400.000 Personen in den von der Dürre betroffenen Provinzen Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jowzjan mit Nahrungsmittelsoforthilfe unterstützen zu wollen. Australien sagte eine Zahlung von 3,6 Mio. Dollar an das WFP zu. Auf Betreiben der WHO sind in Herat mobile Gesundheitsteams im Einsatz.

Die afghanische Regierung verteilte in Chaghcharan, Provinz Ghor, Getreide an 155.000 Familien.

(Auszug bzw. Zusammenfassung unter Wiedergabe entscheidungsrelevanter Passagen aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.09.2018, "Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre")

Wohnungsmarkt in Mazar-e Sharif

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 besitzt die Mehrheit der Einwohner in Mazar-e Sharif ihre Häuser während 24,5 % ihre Wohnungen mieten. Mehr als die Hälfte der Häuser in der Stadt sind aus Schlamm oder Erde mit Holzbalken gebaut, der Rest aus Kalk mit Ziegeln und Metall, Zement oder anderen Materialien. Die meisten haben Erdboden (70 %) oder Zement (26 %). Die Haushalte in Mazar-e Sharif werden mit Holz, Holzkohle oder Kohle beheizt. Der Strom ist in der Regel in der Stadt verfügbar (93 % der Haushalte haben Zugang). Die meisten Menschen haben Zugang zu verbesserten Trinkwasserquellen (76 %), meist in Rohrleitungen oder aus den Brunnen. 92 % der Haushalte verfügen über verbesserte sanitäre Einrichtungen. Laut IOM lagen die Mietkosten in Mazar-e Sharif im Jahr 2014 zwischen 150-250 USD für eine Dreizimmerwohnung in einem sicheren Bereich. Der Preis für eine ähnliche Wohnung betrug USD 40.000. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 haben etwa 94 % der Haushalte Zugang zum Handy, 91 % haben einen Fernseher, 51 % einen Kühlschrank, 28 % einen Computer, 20 % haben ein Auto, 20 % Zugang zum Internet.

In den Städten gibt es auch die Möglichkeit, günstig in sog. "Teehäusern" (engl. "tea houses") Unterkunft zu nehmen, die zudem einen wichtigen Treffpunkt und Schauplatz für Sozialisation darstellen.

Darüber hinaus gibt es seit 2016 in Mazar-e Sharif keine humanitären Organisationen mehr, die bei der Unterbringung von Rückkehrern und konfliktbedingten Binnenvertriebenen helfen. Die Provinzbehörden in Mazar-e Sharif und der Balkh-Provinz hatten in der Vergangenheit Land zugewiesen, um die Rückkehr und Wiedereingliederung afghanischer Flüchtlinge, die aus Pakistan und dem Iran zurückkehren, zu unterstützen. Der größte Teil des von den Provinzbehörden zugewiesenen Landes war jedoch nicht förderlich für eine effektive und nachhaltige Wiedereingliederung, da es sich in abgelegenen geografischen Gebieten und in Gebieten befand, die von militanten Gruppen angefochten wurden. Dies führte dazu, dass einige Standorte von Rückkehrern und Binnenvertriebenen verlassen wurden, die in das Stadtzentrum von Mazar-e Sharif zogen und heute unter prekären Bedingungen mit Verwandten oder in provisorischen Unterkünften leben.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan, Afghanistan Networks, Februar 2018 [in Folge:

"EASO-Bericht Netzwerke"], abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan_Networks.pdf, abgerufen am 14.12.2018, Pkt. 4.2. und EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.7.6.).

Sanitäre Situation

Der Zugang zu Trinkwasser ist oft eine Herausforderung, vor allem in den Slums und Binnenvertriebenen-Siedlungen in Kabul. In Mazar-e Sharif haben die meisten Menschen Zugang zu verbesserten Wasserquellen und verbesserten Sanitäranlagen.

(Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.7.3.1.)

Arbeitsmarkt

Die Bevölkerung von Mazar-e Sharif liegt bei etwa 590.000 Einwohnern und steht angesichts seiner "starken und relativ diversifizierten Volkswirtschaften, einschließlich eines robusten Bau-, Verarbeitungs- und Dienstleistungssektors", "unter erheblichem Urbanisierungsdruck". Die relativ friedliche Situation in der Provinz Balkh im ersten Jahrzehnt nach dem Übergang ermöglichte einen wirtschaftlichen Aufschwung und einen "Wirtschaftsboom" nach 2004. Die Wirtschaftsleistung von Mazar-e Sharif hat viele Arbeitskräfte aus dem ländlichen Raum, aus benachbarten Bezirken, Provinzen und noch weiter entfernt angezogen. Eine Studie von Samuel Hall aus dem Jahr 2014 zur städtischen Armut ergab, dass die Stadt den mit Abstand größten Anteil an Wirtschaftsmigranten aller fünf Großstädte Afghanistans hatte. Durch die Anbindung an Zentralasien und die vorteilhafte zentrale Lage im Norden Afghanistans ist Mazar-e Sharif ein wichtiges Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan. Mazar-e Sharif ist auch ein Industriezentrum mit einer großen Anzahl von kleinen und mittleren Unternehmen und mehreren großen Produktionsunternehmen. Im Vergleich zu anderen Großstädten hat Mazar-e Sharif den größten Anteil an Selbstständigen, gefolgt von Angestellten und Tagelöhnern. Nach Angaben der afghanischen Regierung ist die KMU-Industrie in Mazar-e Sharif gut entwickelt und bietet Qaraqul-Haut, Kunsthandwerk und Teppiche. Auch Bergbau, Textilien und landwirtschaftliche Erzeugnisse gewinnen an Bedeutung. Die boomende städtische Wirtschaft von Mazar-e Sharif hat vielen Haushalten eine Quelle nichtlandwirtschaftlichen Einkommens gebracht, die jedoch seit etwa 2013 deutlich zurückgegangen ist. Dies ist auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen, vor allem auf den Rückgang der internationalen Finanzströme, der die Beschäftigung auf Militärstützpunkten und im Baugewerbe eingeschränkt hat. So verloren schätzungsweise 7.000 Menschen ihren Arbeitsplatz durch die Schließung von zwei Militärbasen in und um Mazar-e Sharif. Auch hier hat die Unsicherheit aufgrund der politischen Instabilität in der Regierung der Nationalen Einheit die Wirtschaft von Mazar-e Sharif beeinflusst. Geschäftsleute nahmen eine abwartende Haltung ein. Das Geschäftsklima in der Provinz Balkh ist seit der zweiten Jahreshälfte 2015 weitgehend negativ, hauptsächlich aufgrund von Sicherheitsfaktoren Während es keine formalen Wirtschaftsstatistiken gibt, gab es laut Analyst Paul Fishstein klare Indikatoren, dass Bau, Investitionen und Handel in Mazar-e Sharif rückläufig waren, wobei Gelegenheitsarbeiter weniger Arbeit und stagnierende oder niedrigere Löhne fanden. Diejenigen, die zur Gelegenheitsarbeit nach Mazar-e Sharif kommen, sind gegenüber denjenigen, die besser bekannt sind und ihre Netzwerke besser nutzen, um Arbeit zu finden, benachteiligt. Im Jahr 2013 lag die Arbeitslosenquote der Provinzen über dem nationalen Durchschnitt, während die Unterbeschäftigungsquote darunterlag. Laut einer Studie von Mercy Corps und Samuel Hall aus dem Jahr 2011 ist der wichtigste Rekrutierungskanal in Mazar-e Sharif, wie in anderen Städten, das soziale Netzwerk: 85 % der Werktätigen gaben an, durch Freunde oder Familienangehörige rekrutiert worden zu sein, entweder als Arbeitgeber oder als Arbeitnehmer. Nur 7 % der Mitarbeiter gaben an, einen formellen Arbeitsvertrag zu haben. Dies unterstreicht den informellen Charakter der Arbeitsbeziehungen in Afghanistan. Sie bestätigt auch die Annahme, dass es sich bei den meisten Unternehmen um Familienunternehmen handelt, bei denen kein Vertrag als notwendig erachtet wird. Die Gehälter in Mazar-e Sharif liegen nahe am Durchschnitt anderer nördlicher Städte. Laut Afghanistan Rights Monitor: Baseline Report vom April 2016 wird hier einheitlich behauptet, dass der Zugang zur Beschäftigung durch Korruption und Vetternwirtschaft stark beeinträchtigt wird. Bestechung ist eine Voraussetzung für die Aufnahme einer Beschäftigung, auch wenn ein Kandidat über die erforderlichen Qualifikationen verfügt. Es wird behauptet, dass gewöhnliche Regierungspositionen für bis zu 60.000 Afghanen verkauft werden.

Der Zugang zu Beschäftigung für Binnenvertriebene und Rückkehrer in Mazar-e Sharif

UNHCR erklärte 2017, dass sowohl Binnenvertriebene als auch Rückkehrer vor großen Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, sinnvolle Beschäftigungs- und Lebenschancen zu erhalten. Binnenvertriebene, die meist ehemalige Bauern sind und ihr Vieh und ihre Ernte an Ort und Stelle verloren haben, sind oft auf tägliche Lohnarbeit angewiesen. Diese Jobs sind in der Herbst- und Wintersaison begrenzter. Auch Rückkehrer sind meist auf tägliche Lohnarbeit angewiesen. Das durchschnittliche Tageseinkommen für Rückkehrer und Binnenvertriebene liegt zwischen 50 und 100 AFS.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.2.7.)

Der Arbeitsmarkt in Afghanistan ist herausfordernd und die Arbeitslosigkeit hoch. So wuchs in den Jahren 2016-2017 die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner).

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen.

Auch für höher gebildete und höherqualifizierte Personen ist es, nach einer Quelle der UN schwierig, ohne ein Netzwerk Arbeit zu bekommen und ohne jemanden zu haben, welcher jemandem einem Arbeitgeber vorstellt. Afghanistan wird von Amnesty International als hochgradig korrupt beschrieben. Nepotismus ist weitverbreitet und die meisten höheren Positionen in der Verwaltung und Gesellschaft im Allgemeinen werden auf Grundlage von Beziehungen und früheren Bekanntschaften verteilt. Aus Sicht eines Arbeitgebers ist es sinnvoll jemanden aus seinem eigenen Netzwerk aufzunehmen, weil man genau weiß, was man bekommt. Wenn jemand aus der erweiterten Familie aufgenommen wird, so bleiben die Ressourcen im Familiennetzwerk. Eine Studie aus 2012 der ILO über Beschäftigungsmuster in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher einstufen als formale Qualifikationen und, dass dies der Schlüssel zur Sicherung von Beschäftigung wäre. Nach einer Analyse von Landinfo hat sich daran seit 2012 nichts geändert.

Nach der IOM gibt es lokale Webseiten, welche freie Stellen im öffentlichen und privaten Sektor ausweisen. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, ungeregelten Arbeitsmarkts. Der Arbeitsmarkt besteht hauptsächlich aus manueller Arbeit ohne die Anforderung für eine formale Ausbildung und gibt das niedrige Bildungsniveau wieder.

Eine lokale Botschaft beschreibt, wie Tagelöhner von der Straße angeworben werden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 21. "Grundversorgung und Wirtschaft" sowie dem EASO-Bericht Netzwerke, Pkt. 4.1.)

1.5.4. Meldesystem:

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan. Ebenso wenig gibt es "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen, jedoch verfügen die lokalen Gemeinschaften über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 19.1. "Meldewesen").

1.5.5. Bankensystem:

Geld kann über das Bankensystem überwiesen werden, aber nicht alle Afghanen haben ein Bankkonto. Dies gilt insbesondere für die ländliche Bevölkerung. Das Vertrauen der Bevölkerung in Banken und Bankensysteme ist gering.

Für diejenigen, welche das Bankensystem nicht nutzen können oder wollen kann Geld durch ein informelles Überweisungssystem überwiesen werden ("Hawala"). Dabei handelt es sich um ein etabliertes System für grenzüberschreitende Zahlungen und Geldüberweisungen, dem die Bevölkerung vertraut. Ein gewisser Prozentsatz der überwiesenen Summe wird als Gebühr einbehalten. Geld kann in alle Teile des Landes überwiesen werden, auch nach und von Nachbarstaaten, wie dem Iran und Pakistan.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem EASO-Bericht Netzwerke, Pkt. 4.3.)

1.5.6. Medizinische Versorgung:

Allgemeines

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten. In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht, allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Die Qualität der Kliniken variiert stark, da es praktisch keine Qualitätskontrollen gibt. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung.

In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen, die vier häufigsten sind Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Mittlerweile existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt.

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen. Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Da die Kosten von Behandlung in privaten Kliniken vom Patienten selbst getragen werden müssen ist die Qualität der Behandlungen stark einkommensabhängig.

In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 22. "Medizinische Versorgung")

1.5.7. Potentielle Risiken für den Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Afghanistan:

Situation ethnischer Minderheiten

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara begleitet eine lange Geschichte der Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung; Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Hazara sind auch gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch hat sich die Situation grundsätzlich verbessert. Hazara sind auch keiner gezielten Diskriminierung wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt.

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.

Auch nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender in Afghanistan droht ethnischen Minderheiten, wie den Hazara, in Afghanistan teilweise eine schlechte Behandlung. So sind diese gesellschaftlicher Diskriminierung und Misshandlung ausgesetzt. Ihnen droht auch eine schlechte Behandlung durch Taliban (beispielsweise Entführung, Schikanierung, Tötung). Die Hazara haben jedoch seit Ende des Taliban-Regimes im Jahr 2001 erhebliche wirtschaftliche und politische Fortschritte gemacht.

(Zusammenfassung unter Wiedergabe der entscheidungsrelevanten Passagen aus dem LIB, Pkt. 17.2 "Hazara", sowie den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, HCR/EG/AFG/18/02 [in Folge: "UNHCR-Richtlinien" abrufbar unter:

http://www.refworld.org/country,,,,AFG„5b8900109,0.html, abgerufen am 14.12.2018], Pkt. römisch III.A.13.b. "Hazara")

Seit dem Sturz des Taliban-Regimes haben die Hazara ihre Position in der Gesellschaft verbessert, und die afghanische Verfassung schließt die Hazara als eines der Völker ein, aus denen die Nation Afghanistan besteht. Es gibt keine Informationen über Misshandlungen durch den Staat. Angriffe auf Hazara durch aufständische Gruppen haben stattgefunden, besonders an Orten, an denen sich Hazara oder Shiiten versammeln, wie religiöse Gedenkfeiern oder politische Demonstrationen. Solche Angriffe könnten mit ihrer Religion zusammenhängen. Die ISKP zielt unter anderem auch auf die Hazara wegen ihrer wahrgenommenen Nähe und Unterstützung für den Iran und den Kampf gegen den islamischen Staat in Syrien. Es gibt Fälle, in denen Hazara-Zivilisten entführt oder getötet werden, während sie auf den Straßen unterwegs sind. Bei gemeldeten Vorfällen, bei denen Hazara-Straßenpassagiere ausgesondert und getötet oder entführt wurden, konnten oft andere Gründe festgestellt werden, wie z.B. unpolitische kommunale Streitigkeiten oder die Person, die Mitglied des ANSF ist, einen Arbeitsplatz in der Regierung oder im NRO-Sektor hat usw., wobei diese Vorfälle mit anderen Profilen verknüpft wurden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Pkt. 17.a., unter dortiger Angaben weiterer Quellen)

Schiiten

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen. Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.

Während einige Quellen zwar angeben, dass die offene Diskriminierung von Schiiten durch Sunniten abgenommen habe, berichten andere Quellen von fortgesetzter Diskriminierung. Außerdem wird die schiitische Bevölkerung nach wie vor gewaltsam durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) angegriffen. Es ist darauf hinzuweisen, dass ethnische Zugehörigkeit und Religion in Afghanistan oftmals untrennbar miteinander verbunden sind, insbesondere in Bezug auf die vorwiegend schiitische ethnische Gruppe der Hazara. Daher kann oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits und Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 15.1. "Schiiten", sowie UNHCR-Richtlinien, Pkt. römisch III.A.5.a.)

Im Jahr 2016 zeigte UNAMA Bedenken über ein aufkommendes Muster bewusster konfessioneller Attacken gegen die die Minderheit schiitischer Moslems. Dieses Muster setzte sich in der ersten Hälfte des Jahres 2017 fort. Nach Borhan Osman können Vorfälle, welche auf Schiiten abzielen in zwei Hauptkategorien eingeordnet werden:

Einerseits Attacken auf Plätze, an welchen sich Schiiten in den Städten versammeln, wie etwa Moscheen in Kabul oder Herat, während religiösen Gedenkfeierlichkeiten in den Städten Kabul oder Mazar-e Sharif oder während politischen Demonstrationen in Kabul. Andererseits in Vorfälle, bei welchen Hazara aus Bussen ausgesondert wurden, was in ländlicheren Gebieten in den Provinzen wie Baghlan, Sar-e Pul, Ghor, Balkh, Wardak, Ghazni oder geschah.

Nach Ansicht des Analysten Borhan Osman besteht das Hauptrisiko für Hazara oder Shiiten wegen deren Ethnie oder konfessioneller Ausrichtung zum Ziel zu werden in Attacken auf Versammlungen, religiösen Gedenkfeierlichkeiten oder Demonstrationen in den Städten. Dieses Muster deutet auf eine neue aufkommende Dynamik in dem Konflikt in Afghanistan hin, wobei es zu früh ist irgendwelche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Allerdings, nach Aussage von Anad Gopal steigt das Muster an.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus EASO, Country of Origin Report Afghanistan: Individuals targeted by armed actors in the conflict, Dezember 2017 [in Folge "EASO-Bericht Verfolgung Einzelner durch bewaffnete Akteure"] abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan_targeting_conflict.pdf, abgerufen am 14.12.2018, Pkt. 1.2.10.2.)

Situation für Rückkehrer aus dem Westen / Risiken aus einer "Verwestlichung"

Berichten zufolge werden Personen von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen, die vermeintlich Werte und/oder ein Erscheinungsbild angenommen haben, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden, und denen deshalb unterstellt wird, die Regierung und die internationale Gemeinschaft zu unterstützen. Es liegen Berichte über Personen vor, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten und von regierungsfeindlichen Gruppen als "Ausländer" oder vermeintliche für ein westliches Land tätige Spione gefoltert oder getötet wurden. Ähnlich kann Personen mit Profilen als "Mitarbeiter von humanitären Hilfs- und Entwicklungsorganisationen" und "Frauen im öffentlichen Leben" von regierungsfeindlichen Gruppen zur Last gelegt werden, Werte und/oder ein Erscheinungsbild übernommen zu haben, die mit westlichen Ländern in Zusammenhang gebracht werden. Auch aus diesem Grund können sie Opfer von Angriffen werden.

Generell kann gesagt werden, dass Afghanen, die sich mit westlichen Werten identifizieren, von aufständischen Gruppen angegriffen werden können, da sie als unislamisch oder regierungsfreundlich wahrgenommen werden können oder als Spione betrachtet werden können.

(Auszug aus den UNHCR-Richtlinien, Sitzung 46 f)

Generell kann gesagt werden, dass Afghanen, die sich mit westlichen Werten identifizieren, von aufständischen Gruppen angegriffen werden können, da sie als unislamisch oder regierungsfreundlich wahrgenommen werden können oder als Spione betrachtet werden können.

Für die Gesellschaft ist eine Unterscheidung nach der Einstellung gegenüber Männern einerseits und Frauen andererseits erforderlich. Afghanische Frauen und Kinder, die sich an die Freiheiten und die Unabhängigkeit im Westen gewöhnt haben, können Schwierigkeiten haben, sich an die sozialen Restriktionen in Afghanistan anzupassen. Frauen können auch als "verwestlicht" angesehen werden, wenn sie außerhalb des Hauses arbeiten oder eine höhere Ausbildung haben. Frauen, die als "verwestlicht" wahrgenommen werden, können als gegen kulturelle, soziale und religiöse Normen verstoßend empfunden werden und können Gewalt von ihrer Familie, konservativen Elementen in der Gesellschaft und Aufständischen ausgesetzt sein.

Bei den Männern sind die gesellschaftlichen Haltungen gegenüber "verwestlichten" Individuen gemischt. Es werden nur sehr wenige Fälle von Vorfällen im Zusammenhang mit der "Verwestlichung" gemeldet. Teile der Gesellschaft, meist in Städten (z.B. Kabul-Stadt), sind offen für westliche Ansichten, während andere Teile, meist in ländlichen oder konservativen Umgebungen, dagegen sind.

(Auszug aus dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Juni 2018, Sitzung 57 mit dortigen Hinweisen auf weitere Berichte dieser Organisation)

Situation betreffend Blutfehden bzw. Grundstücksstreitigkeiten

Im Allgemeinen beinhaltet eine Blutfehde, dass die Mitglieder einer Familie Mitglieder einer anderen Familie bei Vergeltungsmaßnahmen töten, die nach einem alten Ehren- und Verhaltenskodex durchgeführt werden. Im Zusammenhang mit Afghanistan sind Blutfehden zwar in erster Linie eine paschtunische Tradition, die im gewohnten Rechtssystem der Paschtunen, den Paschtunwali, verwurzelt ist, sie sollen aber auch unter anderen ethnischen Gruppen vorkommen. Blutfehden können durch Morde, aber auch durch andere Straftaten ausgelöst werden, wie z.B. die Zufügung von dauerhaften, schweren Verletzungen, die Entführung oder Verletzung verheirateter Frauen oder ungelöste Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasservorräten oder Eigentum. Blutfehden können zu langen Zyklen von Vergeltungsgewalt und Rache führen. Unter Paschtunwali muss grundsätzlich Rache an dem Täter genommen werden, aber unter bestimmten Umständen kann der Bruder des Täters oder eine andere patriline Rachefamilie zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen wird zwar nicht berichtet, dass Rache an Frauen und Kindern ausgeübt wird, die Praxis des Baad, einer Stammesform der Streitbeilegung, bei der die beleidigende Familie ein Mädchen zur Heirat in die geschädigte Familie anbietet, angeblich verwendet, um eine Blutfehde vor allem in den ländlichen Gebieten beizulegen. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, Rache zu vollziehen, kann eine Blutfehde angeblich so lange ruhen, bis die Familie des Opfers glaubt, dass sie in der Lage ist, Rache zu nehmen. Die Verurteilung des Täters in der formellen Justiz schließt also nicht unbedingt gewalttätige Vergeltungsmaßnahmen der Familie des Opfers aus: Solange keine Einigung über einen traditionellen Streitbeilegungsmechanismus zur Beendigung der Blutfehde erzielt wurde, wird die Familie des Opfers Berichten zufolge noch immer erwartet, dass sie sich genau an dem Täter rächt, nachdem er sein Urteil vollstreckt hat.

(Auszug aus den UNHCR-Richtlinien, Sitzung 98)

In der Regel treten Blutfehden zwischen nichtstaatlichen Akteuren auf, zum Beispiel innerhalb bestimmter ethnischer Untergruppen, und vor allem in Gebieten, in denen die Regierung und die Rechtsstaatlichkeit schwach oder nicht präsent sind. Der Einfluss des Stammeskontextes von Blutfehden ist in Großstädten weniger stark, aber das bedeutet nicht automatisch, dass eine Person einer Blutfehde vollständig entkommen würde, indem sie weggeht. Solche Fehden können extrem gewalttätig werden (z.B. Morde) und über Generationen andauern. Die gesellschaftlichen und familiären Verpflichtungen zur Vergeltung sind stark, und es ist schwierig für jemanden, einer Blutfehde zu widerstehen oder zu entkommen. Blutfehden entstehen vor allem bei Paschtunen, sind aber auch bei anderen ethnischen Gruppen in Afghanistan üblich. Erwachsene Männer sind das häufigste Ziel von Blutfehden. In der Regel wird Rache an den Brüdern oder anderen unmittelbaren männlichen Verwandten des Täters vollzogen.

Frauen und Kinder sind in der Regel davon ausgeschlossen, direkte Ziele von Rachemorden in Blutfehden zu sein. In den Medien gibt es jedoch Beispiele für Kinder und Frauen, die angeblich im Zusammenhang mit einer Blutfehde oder Vergeltung getötet wurden. In einigen Fällen könnten Blutfehden vermieden werden, indem man die Vergebung (nanawatai) der verletzten Partei sucht und sie auf Badal verzichtet (durch den einzelnen Täter, der sich der verletzten Partei nähert, um Vergebung zu bitten, oder durch einen Jirga mit lokalen Stammesältesten und Ulemas); Frauen sind jedoch von der Teilnahme an solchen Foren ausgeschlossen.

Landstreitigkeiten treten zwischen Einzelpersonen und Familien auf und können manchmal mächtige Eliten oder aufständische Gruppen betreffen. Sie kommen im ganzen Land und in allen ethnischen Gruppen vor. In ländlichen Gebieten können sich Landkonflikte auf ganze Familien, Gemeinschaften, Ethnien, Stämme oder Clans innerhalb eines Stammes ausdehnen. Landkonflikte können schnell eskalieren und gewalttätig werden, manchmal degenerieren sie zu kleinen bewaffneten Konflikten und Blutfehden. Etwa 70% der schweren Gewaltverbrechen wie Mord werden durch Streitigkeiten über das Grundeigentum verursacht. Es wurden Fälle von Familien und Einzelpersonen berichtet, die in Konflikte um Land und Eigentum in verschiedenen Regionen Afghanistans verwickelt waren, die zu Morden und Verlusten führten. Eine schwache Rechtsstaatlichkeit führt dazu, dass mächtige Personen die Verwaltung beeinflussen können, um gefälschte Dokumente zu erstellen, und die Justiz, um ihnen zu ermöglichen, ungestört zu arbeiten. In der Streitbeilegung zeigen sowohl formelle als auch informelle Mechanismen eine Tendenz zu den mächtigen, wohlhabenden Männern, Eliten und dominanten Ethnien.

(Quelle: EASO-Länderleitfaden, Sitzung 63 f, unter Nennung der weiteren Quellen des EASO, welchen diese Informationen entnommen wurden)

Allgemeines

In Afghanistan gibt es mehrere ethnische Minderheiten; die Bevölkerung setzt sich aus 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, etwa 10% Hazara und 9% Usbeken zusammen. Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort "Afghane" wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Dessen ungeachtet beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen. Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 16. "Ethnische Minderheiten")

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person:

2.1.1. Der Beschwerdeführer hat während des verwaltungsbehördlichen Verfahrens sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu seinem Namen, seiner Staatsangehörigkeit, Herkunft, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seinen sonstigen persönlichen Umständen (insbesondere zu seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeiten; s. Pkt. römisch II.1.1.1., römisch II.1.1.2. und römisch II.1.1.4.) stets gleiche und zusammenhängende Angaben gemacht. Die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari wurde von der bestellten Dolmetscherin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. In der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer in nicht als unglaubwürdig zu erkennender Weise angegeben, dass er auch Farsi, Englisch und Deutsch spreche und, jedenfalls Lese- und Schreibkenntnisse in den Sprachen Englisch und Deutsch besitze.

2.1.2. Die Feststellungen zum Geburtsdatum sowie die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den konsistenten, im Rahmen der behördlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht getätigten Angaben (s. Pkt. römisch II.1.1.5., AS 71 und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht [in Folge: "VHS"] Sitzung 5).

2.1.3. Die Feststellungen zur familiären Herkunft des Beschwerdeführers sowie zu dessen derzeitiger Wohn-, Versorgungs- und Vermögenssituation ergeben sich aus den diesbezüglichen als glaubhaft zu beurteilenden Aussagen im Rahmen der behördlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. Pkt. römisch II.1.1.3., AS 73 und 74 und VHS Sitzung 6 und 7).

2.1.4. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine Probleme mit den afghanischen Behörden hatte, dort auch keine strafbaren Handlungen begangen hat sowie dort nicht politisch tätig war (Pkt. römisch II.1.1.1.3), ergeben sich aus seinen nicht als unglaubwürdig zu erkennenden Angaben vor der belangten Behörde (s. AS 74 und 75).

2.1.5. Die Feststellungen zur Ausreise aus Afghanistan sowie zur Antragstellung in Österreich (Pkt. römisch II.1.1.6.) ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, dem erkennenden Gericht sowie dem Verfahrensakt.

2.2. Zu den Feststellungen zum individuellen Fluchtvorbringen:

2.2.1. Hinsichtlich des fluchtauslösenden Ereignisses - s. dazu auch die in der rechtlichen Beurteilung dargestellten, der Rechtsprechung zu entnehmenden Grundsätze der Beweiswürdigung in Asylverfahren (s. Pkt. römisch II.3.2. Abschnitt zur "Glaubhaftmachung") - hat der Asylwerber, um dieses glaubhaft zu machen, insbesondere die in seiner Sphäre gelegenen Umstände einigermaßen plausibel und genügend substantiiert zu schildern, weiters muss - wobei es darauf ankommt, ob Aussagen in unwesentlichen Details oder im Kern variieren - das Vorbringen, um glaubwürdig zu sein, in sich schlüssig sein. Von Bedeutung ist für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit auch, wann im Verfahren der Asylwerber bestimmte Angaben tätigt. Zu berücksichtigen ist schließlich immer auch die persönliche Glaubwürdigkeit des Asylwerbers an sich. Vor diesem Hintergrund ist betreffend den gegenständlichen Fall, auch nach dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnenen persönlichen Eindrucks, Folgendes zu erwägen:

2.2.2. Als glaubwürdig festzustellen ist, dass der Beschwerdeführer Afghanistan verließ, weil sein Onkel ihn schlecht behandelt hat und die Sicherheitslage schlecht sei. So gab er dies bereits bei seiner Erstbefragung (s. AS 13) an und kam es auch in weiterer Folge diesbezüglich zu keinen Widersprüchen.

2.2.3. In nicht als unglaubwürdig zu erkennenden Weise gab der Beschwerdeführer außerdem an, dass sein Onkel ihn an eine Miliz verkaufen wollte (s. AS 75). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte der Beschwerdeführer überdies plausibel darlegen, dass die Anteile seines verstorbenen Vaters an den gemeinsamen Grundstücken zu Problemen mit dem Onkel führen könnten (s. VHS Sitzung 10).

2.2.4. Die Feststellungen zu den Gründen, welche den Beschwerdeführer veranlassten, den Iran zu verlassen folgen aus den konsistenten und auch entsprechend detaillierten Angaben sowohl im Rahmen der Erstbefragung wie auch vor der belangten Behörde (s. AS 13 und 75f).

2.2.5. Der Beschwerdeführer konnte jedoch auch vor dem Hintergrund dieser Erwägungen in Gesamtschau keine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, vorbringen.

2.3. Zu den Feststellungen zum Leben in Österreich:

2.3.1. Die Feststellungen zum Leben in Österreich (betreffend eigene Familienangehörige oder Verwandte in Österreich, Beziehungen zu anderen Österreichern und Afghanen, Erlernen der deutschen Sprache, Erwerbstätigkeiten, Lebensunterhalt, ehrenamtliche Tätigkeiten sowie sonstige Aktivitäten) folgen aus den klar geäußerten und widerspruchsfrei gebliebenen Angaben zu den Fragen des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung sowie einer Reihe vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit sich das erkennende Gericht nicht zu zweifeln veranlasst sah (s. die der VHS angeschlossenen Beilagen ./2 bis ./7, ./10, ./11 sowie dem Schriftsatz vom 26.09.2018). Vom festgestellten erlangten Niveau der deutschen Sprache konnte der erkennende Richter sich in der mündlichen Verhandlung persönlich überzeugen.

2.3.2. Die Feststellung, wie der Beschwerdeführer in Österreich von seinem sozialen Umfeld wahrgenommen wird, gründet sich auf den in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht vorgelegten Urkunden (s. die Beilagen ./2, ./8 bis ./11 zur VHS). Auch bei diesen Urkunden sah sich das erkennende Gericht nicht veranlasst, an deren Echtheit und Richtigkeit zu zweifeln.

2.3.3. Die Feststellung, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen fleißigen Lehrling handelt, welcher überdies ein Vorbild für andere Lehrlinge darstellt (Pkt. römisch II.1.3.9) beruht auf den im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen (s. Beilage ./2 zur VHS).

2.3.4. Die Feststellungen zur Unbescholtenheit ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Beschwerdeführers sowie einer Einsicht in das Strafregister.

2.4. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

2.4.1. Die Feststellungen zur Allgemeinen Lage in Afghanistan (Pkt. römisch II.1.4.1, allgemeine Sicherheits-, Grundversorgungs- und Wirtschaftslage, regierungsfeindliche Gruppierungen, Rechtsschutz und Justizwesen, Sicherheitsbehörden, Folter und unmenschliche Behandlung, Binnenflüchtlinge), zur Lage in der Stadt Mazar-e Sharif (Pkt. römisch II.1.4.3.) - siehe aber auch nachstehend zu anderen herangezogenen Quellen -, im Hinblick auf die Erreichbarkeit von Österreich, Sicherheitslage und wirtschaftlicher Lage durch bzw. für Rückkehrer (einschließlich Arbeitsmarkt), zum Meldesystem (Pkt. römisch II.1.4.4.), zur medizinischen Versorgung (Pkt. römisch II.1.4.6.), sowie die Feststellungen zur Lage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers bzw. in dessen Heimatdistrikt (Pkt. römisch II.1.4.2.) stützen sich auf das im Entscheidungszeitpunkt hinreichend aktuelle (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 22.08.2018), nachvollziehbare und schlüssige, von der Staatendokumentation der belangten Behörde zusammengestellte Länderinformationsblatt zu Afghanistan. Ein entsprechender Beweiswert dieser Informationen ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht schon daraus, dass aufgrund von Paragraph 5, Absatz 2, BFA-Einrichtungsgesetz vorgesehen ist, dass die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (als allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind. Die Dokumentation ist weiters in Bezug auf Fakten, die nicht oder nicht mehr den Tatsachen entsprechen, zu berichtigen. Eine allenfalls auf diese Tatsachen aufbauende Analyse ist schließlich richtig zu stellen. Soweit dem LIB Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass die Informationen über die Lage im Herkunftsstaat regelmäßig aktualisiert werden und jene Informationen, die nicht durch neue Berichte ersetzt werden, mangels einer maßgeblichen Änderung der Sachlage nach wie vor relevant für die Lagebeurteilung im Herkunftsstaat sind. Das LIB als solches blieb vom Beschwerdeführer im Verfahren unbestritten.

2.4.2. Andererseits gründen die soeben genannten Feststellungen, insbesondere zum Bankensystem (Pkt. römisch II.1.4.5.), auf den aktuellen, nachvollziehbaren und schlüssigen Informationsberichten des EU-Unterstützungsbüros für Asylfragen EASO zu sozioökonomischen Schlüsselindikatoren, staatlichem Schutz und Mobilität in Kabul, Mazar-e Sharif, und Herat von August 2017 sowie zu Netzwerken in Afghanistan von Jänner 2018. Ein entsprechender Beweiswert dieser Informationen ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht auch daraus, dass diese Einrichtung gemäß Artikel 4, Litera a und b der EU-Verordnung Nr. 439/2010 relevante, zuverlässige, genaue und aktuelle Informationen über Herkunftsländer transparent und unparteiisch sammelt und darüber Bericht erstattet. Überdies nennt die EU-Richtlinie 2013/32/EU (konkret: deren Artikel 10, Absatz 3, Litera b,) gerade die Berichte des Unterstützungsbüros als zu verwendende Informationsquelle. Die Berichte als solches blieben vom Beschwerdeführer im Verfahren unbestritten.

2.4.3. Die Feststellungen betreffend die Situation in der Stadt Mazar-e Sharif und die dortige Sicherheitslage, die Versorgung mit Lebensmitteln, den Wohnungs- und Arbeitsmarkt, die sanitäre Situation und die Erreichbarkeit von Österreich beruhen (auch) auf den erwähnten Berichten von EASO zu sozioökonomischen Schlüsselindikatoren, Sicherheitslage, Netzwerken sowie den auf andere Quellen dieser Organisation verweisenden EASO-Länderleitfaden Afghanistan sowie auf der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur "Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre" vom 13.09.2018. Die darin enthaltenen Informationen können widerspruchsfrei mit entsprechenden Angaben im LIB kombiniert werden.

Die in den in der Beschwerde Sitzung 6ff) zitierten Quellen dargestellten Tatsachen betreffend die allgemeine Sicherheitslage bzw. sozioökonomischen Rahmenbedingungen weichen von den getroffenen Feststellungen nicht ab oder sind bereits als veraltet anzusehen.

2.4.4. Die Feststellungen betreffend potentielle Risiken für Angehörige einer ethnischen Minderheit bzw. gegenständlich für einen "Hazara" bzw. "Schiiten" (Pkt. römisch II.1.5.7.) gründen auf den schlüssigen und nachvollziehbaren UNHCR-Richtlinien, dem im Entscheidungszeitpunkt hinreichend aktuellen, von der Staatendokumentation zusammengestellten LIB sowie dem EASO-Bericht "Verfolgung Einzelner durch bewaffnete Akteure" aus Dezember 2017; zum grundsätzlichen Beweiswert dieser Quellen siehe oben. Ebenso folgen die Feststellungen zum Risikoprofil "Hazara" aus dem nachvollziehbaren, schlüssigen Länderleitfaden Afghanistan. Auch diese Berichte konnten im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen widerspruchsfrei kombiniert werden.

2.4.5. Die Feststellungen zu einem möglichen Risiko wegen einer Verwestlichung ("westliche Orientierung") bzw. als Rückkehrer aus dem Westen beruhen auf den UNHCR-Richtlinien sowie dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan. Die jeweiligen Ausführungen waren ausreichend aktuell und schlüssig. Die Informationen von EASO ließen sich auch mit den UNHCR-Richtlinien ohne Widerspruch kombinieren.

2.4.6. Die Feststellungen zu Risiken i.Z.m Blutrache (Blutfehde) bzw. Grundstücksstreitigkeiten folgen aus den jeweiligen Zusammenfassungen von Länderinformationen (Quellen) in den UNHCR-Richtlinien und dem EASO-Länderleitfaden. Beide Quellen unterscheiden sich im Detaillierungsgrad, sind aber grundsätzlich widerspruchsfrei kombinierbar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheids (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz)

3.1. Rechtsgrundlagen:

3.1.1. "Flüchtling" i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (in Folge: "GFK") ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2. Die Paragraphen 3 und 11 AsylG 2005 lauten samt Überschrift:

"Status des Asylberechtigten

Paragraph 3, (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat."

"Innerstaatliche Fluchtalternative

Paragraph 11, (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins,) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

3.1.3. Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 9, i.V.m. Ziffer 11, AsylG 2005 ist "Verfolgung" jede Verfolgungshandlung i.S.d. Artikel 9, der EU-Richtlinie 2011/95/EU (in Folge: "Statusrichtlinie").

Gemäß Artikel 9, Absatz eins, Statusrichtlinie muss eine Handlung um als "Verfolgung" im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten,

a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15, Absatz 2, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in Folge: "EMRK") keine Abweichung zulässig ist, oder

b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a) beschriebenen Weise betroffen ist.

3.1.4. Als "Verfolgung" im Sinne von Artikel 9, Absatz eins, leg. cit. können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,

b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,

c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und

f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

3.1.5. Paragraph 18, Absatz eins und 3 AsylG 2005 lautet:

"§ 18. (1) Das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

(2) [...]

(3) Im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers ist auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen."

3.1.6. Gemäß Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 ist ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen.

3.2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

3.2.1. Bei der Beurteilung, ob eine asylrelevante Verfolgung als glaubhaft gemacht zu betrachten ist sind folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:

3.2.2. Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074, m.w.N.).

3.2.3. Auch aus einer Mehrzahl allein jeweils nicht ausreichender Umstände im Einzelfall kann sich bei einer Gesamtschau die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem oder mehreren von asylrelevanten Gründen ergeben vergleiche dazu VwGH 26.06.1996, 95/20/0423).

3.2.4. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).

3.2.5. Die Verfolgungsgefahr muss auch aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass eine Person bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Es ist entscheidend, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen gerechnet werden muss vergleiche aktuell VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212, m.w.N.).

3.2.6. Die Gefahr der Verfolgung i.S.d. Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 i.V.m. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Verfolgungshandlungen gegen Verwandte können nur dann eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung bilden, wenn auf Grund der im Verwaltungsverfahren glaubhaft dargelegten konkreten Situation davon ausgegangen werden muss, dass gegen ein Familienmitglied gesetzte oder von diesem zu befürchtende Verfolgungshandlungen auch zu - die Intensität asylrechtlich relevanter Verfolgungshandlungen erreichenden - Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werden (VwGH 07.09.2000, 2000/01/0153).

3.2.7. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe vergleiche VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet. Schutz für Angehörige einer verfolgten Gruppe ist unabhängig davon, ob auch andere Gruppen in vergleichbarer Intensität verfolgt werden, zu gewähren vergleiche VfGH vom 18. September 2015, E 736/2014).

3.2.8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.02.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt -asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche zuletzt VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

3.2.9. Eine auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung kann keinem der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründe zugeordnet werden. Dies bedeutet aber nicht, dass in einer solchen Situation einem Begehren auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten keinesfalls Erfolg beschieden sein kann. Es kommt nämlich entscheidend auch darauf an, auf welche Ursachen allenfalls fehlender staatlicher Schutz zurückzuführen ist. Ist der Heimatstaat des Beschwerdeführers aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen nicht bereit, Schutz zu gewähren, käme einer primär kriminell motivierten Verfolgung nämlich asylrelevanter Charakter zu vergleiche VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059).

3.2.10. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können positive Feststellungen von der Behörde nicht getroffen werden vergleiche VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069, Rz. 16). Als glaubwürdig können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen vergleiche VwGH 06.03.1996, 95/20/0650). Es entspricht auch der Lebenserfahrung, dass die von einem Beschuldigten bei der ersten Vernehmung gemachten Angaben (erfahrungsgemäß) der Wahrheit am nächsten kommen vergleiche VwGH 26.01.1996, 95/02/0289; zur Plausibilität s. VwGH 29.06.2000, 2000/01/0093; zu gehäuften und eklatanten Widersprüchen oder fehlendem Allgemein- und Detailwissen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0544, und vom 22.02.2001, Zl. 2000/20/0461). Beweisergebnisse der Erstbefragung nach Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 - diese dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen - dürfen jedoch nicht unreflektiert bzw. ohne Berücksichtigung deren eingeschränkten Zwecks - insbesondere nicht ohne weitere Ermittlungen und ohne mündliche Verhandlung - verwertet werden vergleiche dazu VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061, Rz. 3.2. m.w.N.). Die Asylbehörden haben in der Beweiswürdigung den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0108, Rz. römisch III.4., m.w.N.).

3.2.11. Daraus folgt für den gegenständlichen Fall:

3.2.1. Zur möglichen Verfolgung als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara:

3.2.1.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er sei als Hazara bzw. als Schiite gefährdet, so ist - auf Grundlage entsprechender Feststellungen vergleiche dazu VwGH 13.10.2015, Ra 2015/19/0106) - zunächst zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre. Dies ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht der Fall:

3.2.1.2. Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zu entnehmen, dass es zu sozialen Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara bzw. Schiiten kommt. Die Situation der schiitisch-muslimischen Gemeinschaft hat sich jedoch seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Der Analyst Borhan Osman sieht das Hauptrisiko für Hazara oder Schiiten, wegen deren Ethnie oder konfessioneller Ausrichtung zum Ziel zu werden, in Attacken auf Versammlungen, religiösen Gedenkfeierlichkeiten oder Demonstrationen in den Städten. Bei Gesamtschau ist daraus jedoch nicht auf ein Ausmaß zu schließen, welches notwendig wäre, um auf eine spezifische Verfolgung der gesamten Volksgruppe der Hazara bzw. der Schiiten zu schließen. Ebenso ist nicht darauf zu schließen, dass die genannten Diskriminierungen zum Fehlen jeglicher Existenzgrundlage führen.

3.2.1.3. Es ist auch auf die Entscheidung des EGMR vom 12.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, hinzuweisen, wonach weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem der Art hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Artikel 3, EMRK bestünde.

3.2.1.4. Auch der Verwaltungsgerichtshof selbst hat in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan judiziert, zum Unterschied etwa zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Es ist daher davon auszugehen, dass der Verwaltungsgerichtshof, sollte er der Auffassung sein, dass eine Gruppenverfolgung - auch lokal - in Afghanistan aktuell festzustellen wäre, in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur dies auch festgestellt hätte.

3.2.1.5. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (s. dazu das erwähnte Erkenntnis vom 17.12.2015), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht gegenständlich nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. Schiiten im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung i.S.d. GFK ausgesetzt zu sein.

3.2.1.6. Auch EASO sieht grundsätzlich - wobei als Ausnahmen etwa die Herkunft aus einem vom IS kontrollierten Gebiet, die berufliche Tätigkeit oder politischer Aktivismus genannt werden - in der bloßen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 20).

3.2.1.7. Nach den getroffenen Feststellungen liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, wonach mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf eine individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. als Schiite zu schließen wäre. Dies insbesondere nicht am möglichen Ort der Rückkehr, nämlich der Stadt Mazar-e Sharif (s. dazu unten Pkt. römisch II.3.4.2.). Diese in der Provinz Balkh gelegene Stadt steht nach den getroffenen Feststellungen unter der Kontrolle der Regierung und nicht unter der Kontrolle der Taliban oder des IS. Bei der Provinz Balkh handelt es sich nach den getroffenen Länderfeststellungen nach wie vor um eine der stabilsten Provinzen und zählt diese außerdem zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan.

3.2.2. Mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers wegen der Rückkehr aus Europa und einer damit zusammenhängenden "Verwestlichung" ("westlichen Einstellung" / "westliche Orientierung"):

3.2.2.1. Zu dem ohne Tatsachensubstrat erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, er wäre nicht vor Verfolgungshandlungen geschützt, denen westlich orientierte Menschen ausgesetzt sind, ist Folgendes zu erwägen:

3.2.2.2. Zunächst ist zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung einer bestimmten Lebensweise bzw. eines bestimmten Lebensstils, welcher bereits als wesentlicher Bestandteil der Identität anzusehen ist, bei Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würde und es eine Verfolgung bedeuten würde, diese zu unterdrücken vergleiche dazu VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329, Rz. 12). Der Beschwerdeführer führte i.d.Z. in seiner Stellungnahme vom 18.08.2017 an die belangte Behörde lediglich allgemein gehalten aus, dass er sich einen westlichen Lebensstil angeeignet hätte und mit seinen Arbeitskollegen nach der Arbeit gerne auch ein "Feierabendbier" trinke. Welche als "westlich" erachteten Verhaltensweisen er sich konkret angeeignet hätte, brachte er jedoch nicht vor.

3.2.2.3. Hinsichtlich der geltend gemachten westlichen Orientierung ist auszuführen, dass es nach dem den festgestellten Länderinformationen zu entnehmenden Gesamtbild (auch) bei einer Rückkehr von Männern aus Europa bzw. aus dem Westen in Afghanistan zu vereinzelten Verfolgungshandlungen durch die Gesellschaft und regierungsfeindliche Elemente kommen kann (s. oben Pkt. römisch II.1.4.3. bzw. die dort genannten Ausführungen aus Quellen von UNHCR sowie EASO). Während die UNHCR-Richtlinien auf ein Verfolgungsrisiko insbesondere durch regierungsfeindliche Elemente hinweisen sieht EASO - wenngleich eine, von besonderen Umständen abhängige Möglichkeit für eine Verfolgung grundsätzlich bejaht wird (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 19) - das Risiko für Männer - abhängig von "risikoverstärkenden" (risk-enhancing) Umständen des Einzelfalls -im Gegensatz zu Frauen grundsätzlich als minimal an. Als relevante und zu beachtende Umstände werden von EASO i.d.Z. u.a. neben dem Geschlecht bestimmte angenommene Verhaltensweisen, die Herkunftsregion, eine konservative Umgebung, die Familie, das Alter und die Auffälligkeit genannt (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, s. Sitzung 19 und 57).

3.2.2.4.Zum geltend gemachten, gelegentlichen Alkoholkonsum ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nunmehr im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ohnedies angab, dass er sich entschlossen habe, keinen Alkohol mehr zu trinken (s. VHS Sitzung 11). Darüber hinaus ist dieser Umstand allein nicht mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum westlichen Lebensstil vergleichbar ist (s. dazu VwGH 01.03.2016, Ra 2015/18/0254). Denn nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist bereits als "Verfolgung" i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen vergleiche Artikel 9, Absatz eins, Statusrichtlinie; VwGH 15.12.2015, Ra 2014/18/0118). Gerade zu einer solchen Verletzung kann der Verlust der Möglichkeit des Alkoholkonsums aber nicht führen. Anders formuliert gibt es kein Grundrecht auf den Konsum von Alkohol, womit die - unter Umständen bei Rückkehr nach Afghanistan notwendige - Unterdrückung des Alkoholkonsums keine einer "Verfolgungshandlung" gleichzuhaltende Maßnahme darstellt.

3.2.2.4. Besondere Umstände, wie besondere Verhaltensweisen oder Auffälligkeiten des Beschwerdeführers, welche - auch in der kumulierenden Betrachtung - in Gegenüberstellung mit den getroffenen Feststellungen auf Verfolgungshandlungen schließen lassen würden, sind gegenständlich nicht hervorgekommen.

3.2.2.5. Nach dem den festgestellten Länderinformationen zu entnehmenden Gesamtbild kann es (auch) bei einer Rückkehr von Männern aus Europa bzw. aus dem Westen in Afghanistan zu vereinzelten Verfolgungshandlungen durch die Gesellschaft und regierungsfeindliche Elemente kommen. Aus den Feststellungen zur maßgeblichen Lage in Afghanistan vergleiche insbesondere Pkt. römisch II.1.5.7. "Situation für Rückkehrer aus dem Westen" bzw. die dort genannten Ausführungen aus Quellen von UNHCR sowie EASO) ist jedoch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Bild dahingehend ableitbar, dass bei Gesamtbetrachtung die Tatsache der Rückkehr nach einigen Jahren im Westen oder eine "westliche" Geisteshaltung bei Männern allein nach Art und Häufigkeit (dazu VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031) eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgungshandlungen in asylrelevanter Intensität auslösen würde. Dies gilt insbesondere für eine Rückkehr in (bzw. Neuansiedlung in) - liberaleren - städtischen Regionen, wie gegenständlich die als möglicher Rückkehrort angenommene Stadt Mazar-e Sharif (s. dazu unten Pkt. römisch II.3.4.2.). Überdies ist darauf hinzuweisen, dass diese Stadt unter vollständiger Kontrolle der Regierung steht und regierungsfeindliche Elemente - von bestimmten wiederkehrenden Anschlägen abgesehen - keinerlei maßgeblichen Einfluss haben.

3.2.2.6. Auch mit dem Vorbringen zu einer möglichen Gefahr von Handlungen oder Maßnahmen als Rückkehrer aus dem Westen bzw. einer (unterstellten) "westlichen Einstellung" macht der Beschwerdeführer somit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine die Intensität von Abschnitt A Ziffer 2, der GFK erreichende Verfolgung bei Rückkehr nach Afghanistan glaubhaft; dies weder in Ansehung individueller sowie genereller Umstände.

3.2.3. Zu einer möglichen Verfolgung des Beschwerdeführers i.Z.m.

Grundstücksstreitigkeiten:

3.2.3.1. Der Verlust von Land selbst stellt aus Sicht des EASO grundsätzlich keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung dar (EASO-Länderleitfaden, Sitzung 20).

Die Gewalt, die sich aus Landstreitigkeiten ergibt, kann jedoch aus Sicht von EASO zusammen mit dem Fehlen eines wirksamen Rechtssystems zu schweren Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte führen, die einer Verfolgung (z.B. Tötung) gleichkommen würden. Nicht alle Personen unter diesem Profil wären mit dem Risiko konfrontiert, das erforderlich ist, um eine begründete Angst vor Verfolgung aufzubauen. Bei der individuellen Beurteilung der Frage, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Antragsteller mit Verfolgung konfrontiert wird, sollten risikoinduzierende Umstände berücksichtigt werden, wie z.B. die Gewalttätigkeit des Streits, die Macht / der Einfluss der an dem Landstreit beteiligten Akteure, Herkunftsgebiete mit schwachem Rechtsstaat usw. Betreffend den Zusammenhang mit einem Verfolgungsgrund deuten nach EASO verfügbare Informationen darauf hin, dass es im Falle von Gewalt im Zusammenhang mit Landstreitigkeiten im Allgemeinen keinen Zusammenhang mit einem Verfolgungsgrund des Übereinkommens gibt. Dies gilt unbeschadet einzelner Fälle, in denen der Zusammenhang aufgrund zusätzlicher Umstände hergestellt werden könnte (z.B. ethnische Zugehörigkeit, Landstreitigkeiten, die zu einer Blutfehde führen, usw.) vergleiche EASO-Länderleitfaden Sitzung 64 f).

3.2.3.2. Da als möglicher Ort einer Rückkehr und Neuansiedlung in Afghanistan ohnehin die Stadt Mazar-e Sharif angenommen wird ist aus diesem Sachverhalt - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Onkel des Beschwerdeführers nicht um eine einflussreiche oder mächtige Persönlichkeit handelt - nicht mit maßgeblicher (und nicht bloß entfernt möglicher) Wahrscheinlichkeit auf eine aktuelle Gefahr von die Intensität von Verfolgung i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A GFK erreichenden Handlungen oder Maßnahmen bzw. auch nicht von einer wohlbegründeten Furcht vor denselben auszugehen.

3.2.4. Sonstige mögliche asylrelevante Gründe:

3.2.4.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt im Umstand, dass im Heimatland des Revisionswerbers Bürgerkrieg herrscht, für sich allein keine Verfolgungsgefahr i.S.d. GFK vergleiche VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404, Rz. 7 m.w.N.). Auch eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar vergleiche etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Überhaupt rechtfertigen wirtschaftliche Gründe nach Artikel eins, Abschnitt A GFK grundsätzlich nicht die Ansehung als Flüchtling. Sie könnten nur dann relevant sein, wenn den Beschwerdeführern der völlige Verlust ihrer Existenzgrundlage drohte (VwGH 28.6.2005, 2002/01/0414).

3.2.4.2. Eine Asylrelevanz im Hinblick auf sonstige Gründe ist aus dem festgestellten Sachverhalt bzw. dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich:

Während einer kriegerischen Situation als solches keine Asylrelevanz zukommt hätte der Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat jedenfalls auch eine Existenzgrundlage (s. dazu die weitergehenden Erwägungen unten unter Pkt. römisch II.3.4.2.).

3.2.5. Ergebnis:

3.2.5.1. Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen - insbesondere, aber nicht ausschließlich bei Berücksichtigung der gegenständlich als möglich angenommenen innerstaatlichen Fluchtalternative (s. auch nachstehenden Absatz) -, eine ihm bei Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende, die Intensität von Verfolgung i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, erreichende Gefahr glaubhaft zu machen. Dies trifft auch bei Vornahme einer Gesamtbetrachtung zu.

3.2.5.2. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass - die übrigen Voraussetzungen liegen vor (s. Pkt. römisch II.3.4.2.) - auch im Verfahren nach Durchführung dem Paragraph 18, Absatz eins, AsylG 2005 entsprechender Ermittlungsschritte keine Anhaltspunkte hervorgekommen wären, dass dem Beschwerdeführer am angenommenen Neuansiedlungsort aus anderen Gründen Verfolgungshandlungen i.S.d. Artikel 9, Statusrichtlinie drohen würden.

3.2.5.3. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheids war somit unbegründet.

Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheids (Abweisung des Antrags auf Zuerkennung subsidiären Schutzes)

3.3.1. Gemäß Artikel 2, Absatz eins, EMRK wird das Recht jedes Menschen auf Leben gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist. Nach Artikel 2, Absatz 2, leg. cit. wird eine Tötung nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;

b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;

c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.

3.3.2. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.

3.3.3. Paragraph 8, Absatz eins bis 3 AsylG 2005 lautet:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht."

3.4. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

3.4.1. Bei der Beurteilung, ob einem Antragsteller der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuzuerkennen ist sind folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:

3.4.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH hat ein Drittstaatsangehöriger nur dann Anspruch auf subsidiären Schutz, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Artikel 15, der Richtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens zu erleiden vergleiche EuGH 24.02.2018, C-353/16, MP, Rz. 28, m.w.N.). Aus Sicht des EuGH gehört zwar das durch Artikel 3, EMRK garantierte Grundrecht zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, deren Einhaltung der EuGH sichert, und dass für die Auslegung seiner Reichweite in der Gemeinschaftsrechtsordnung die Rechtsprechung des EGMR findet, dass es aber Artikel 15, Buchst. b der Richtlinie ist, der im Wesentlichen Artikel 3, EMRK entspricht vergleiche EuGH 17.02.2009, C-465/07, Rz. 28). Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 ist unionsrechtskonform so auszulegen, dass die Zuerkennung subsidiären Schutzes eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat oder eine Verursachung durch Akteure voraussetzt, jedoch nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist vergleiche VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

3.4.3. Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 orientiert sich an Artikel 15, Litera c, Statusrichtlinie und umfasst eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist vergleiche VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, Rz 24, unter Hinweis auf die Urteile des EuGH vom 07.02.2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30.01.2014, C-285/12, Diakite).

3.4.4. Folgende, grundsätzliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist jedoch auch bei einer unionsrechtskonformen Auslegung von Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 aus Sicht des erkennenden Gerichts auch im Lichte des erwähnten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 06.11.2018 weiterhin von Relevanz:

Im Hinblick auf die Prüfung subsidiären Schutzes hat der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation durch konkrete, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist vergleiche VwGH 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214). Notorische Entwicklungen im Herkunftsstaat eines Asylwerbers, auch wenn sie "bloß" für die Entscheidung nach Paragraph 8, AsylG 2005 von Relevanz sind, müssen von Amts wegen berücksichtigt werden (VwGH 29.1.2002, 2001/01/0030).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche etwa VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).

3.4.5. Bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt ist zunächst die Heimatregion des Beschwerdeführers für eine allfällige Rückkehr zu prüfen vergleiche VfGH 13.09.2013, U370/2012).

3.4.6. Daraus folgt für den gegenständlichen Fall:

3.4.1. Zur Situation in der Heimatprovinz bzw. dem Heimatdistrikt des Beschwerdeführers:

3.4.1.1. Der Beschwerdeführer stammt aus der afghanischen Provinz Maidan Wardak. Die zu dieser Provinz festgestellten Länderinformationen zeigen (oben Pkt. römisch II.1.4.2.), dass die Provinz seit einiger Zeit zu den volatilen Provinzen Afghanistans zählt und regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische in unterschiedlichen Distrikten aktiv sind. Zudem wurden in der Provinz im Zeitraum 01.01.2017 bis 30.04.2018 81 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Es kommt auch groß angelegten militärischen Operationen bzw. finden ständig Zusammenstöße zwischen Aufständischen und afghanischen Sicherheitskräften statt.

3.4.1.2. Aufgrund einer aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts unverändert anzusehenden Lage kommt das EASO zum Schluss, dass die willkürliche Gewalt in der Provinz Maidan Wardak ein so hohes Niveau erreicht, dass minimale individuelle Elemente erforderlich sind, um substanzielle Gründe für die Annahme zu liefern, dass ein in die Provinz zurückgekehrter Zivilist einem tatsächlichen Risiko eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15, Litera c, Statusrichtlinie zu erleiden ausgesetzt ist (s. EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 91).

3.4.1.3. Gegenständlich ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seine Heimatprovinz im Alter von ungefähr elf Jahren verlassen hat und auch keinen Kontakt zu seiner Familie hat (s. oben Pkt. römisch II.1.1.3). Aufgrund dessen liegt bereits ein individuelles Element vor, um von der Erfüllung von Artikel 15, Litera c, Statusrichtlinie auszugehen.

3.4.1.4. Von einer ausreichenden Schutzfähigkeit des afghanischen Staats ist in Anbetracht der den Länderinformationen zu entnehmenden Zustände des Sicherheits- und Justizapparats (s. dazu oben Pkt. römisch II.1.5.1. "Rechtsschutz und Justizwesen in Afghanistan" und "Sicherheitsbehörden in Afghanistan") nicht auszugehen, auch ist im Hinblick auf die - konkrete - Rückkehr in den Heimatdistrikt des Beschwerdeführers (einschließlich des Reisewegs) im Verfahren bzw. bei entsprechender Ermittlungstätigkeit nichts Gegenteiliges hervorgekommen.

3.4.1.5. Damit stünde dem Beschwerdeführer grundsätzlich ein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 zu. Allerdings steht ihm mit der Möglichkeit zur Neuansiedlung - neben den Städten Kabul und Herat - insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif auch eine mögliche innerstaatliche Fluchtalternative gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 offen:

3.4.2. Zu einer möglichen innerstaatlichen Fluchtalternative:

3.4.2.1. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen zu bejahen:

(i) Einem Asylwerber muss in einem Teil seines Herkunftsstaats vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden können.

Schutz ist gewährleistet, wenn

(i) a) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und

(i) b) die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(ii) Dem Asylwerber muss der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebiets zugemutet werden können.

3.4.2.2. Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden vergleiche Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 11, AsylG 2005, K15).

3.4.2.3. Bei der Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative sind, insbesondere im Hinblick auf den Herkunftsstaat Afghanistan folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:

3.4.2.4. Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bezieht vergleiche hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

3.4.2.5. Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass ein Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539).

3.4.2.6.Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Artikel 3, EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459).

3.4.2.7. Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr unter anderem innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit (zuletzt etwa VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118 m.w.N.).

3.4.2.8. Zuletzt hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, ausgesprochen, dass mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können muss, dass der Asylwerber in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere unter Hinweis auf die Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz Nr. 4 sowie der Statusrichtlinie auch festgehalten, dass die Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative danach zu beurteilen ist, ob der in einem Teil seines Herkunftslandes verfolgte oder von ernsthaften Schäden bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härte führen kann.

3.4.2.9. Nach den rechtlich unverbindlichen UNHCR-Richtlinien, welchen aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besondere Beachtung zu schenken ist (s. etwa VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118), hängt die Beantwortung der Frage, ob einem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, von mehreren Faktoren ab. Dazu müssten die persönlichen Umstände des Betroffenen (einschließlich allfälliger Traumata infolge früherer Verfolgung), die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden vergleiche Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz Nr. 4 "Interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative" vom 23. Juli 2003, Rz. 23 ff). Zum Aspekt des wirtschaftlichen Überlebens wird in den erwähnten Richtlinien an der genannten Stelle u.a. ausgeführt, dass ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation keine ausreichenden Gründe seien, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Die Verhältnisse in dem Gebiet müssten aber ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen. Wäre eine Person in dem Gebiet etwa ohne familiäre Bindungen und ohne informelles soziales Netzwerk, sei eine Neuansiedlung möglicherweise nicht zumutbar, wenn es der Person nicht auf andere Weise gelingen würde, ein relativ normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum zu führen.

3.4.2.10. Zudem ist auch zu beachten, dass aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch eine fehlende Schul- und Berufsausbildung bzw. -erfahrungen, eine drohende Arbeitslosigkeit, eine nicht vorhandene familiäre Unterstützung in Afghanistan, eine nicht ausreichende Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit keine Verletzung des Artikel 3, EMRK begründen. Insgesamt stellen Probleme hinsichtlich Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche, in wirtschaftlicher Hinsicht bzw. überhaupt eine schwierige Lebenssituation bei Rückkehr keine exzeptionellen Umstände dar (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063;

18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036;

23.03.2017, Ra 2016/20/0188; 10.03.2017, Ra 2017/18/0064;

25.04.2017, Ra 2017/01/0016, 20.6.2017, Ra 2017/01/0023; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5; VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0190; VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0616).

3.4.2.11. Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und seiner persönlichen Umstände steht dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall eine Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif als zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offen. Dazu im Folgenden im Einzelnen:

Ad (i) a)

3.4.2.12. Wie oben unter Pkt. römisch II.3.2. zu den getroffenen Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erwogen, hat dieser bei Rückkehr nach Afghanistan bzw. in die Stadt Mazar-e Sharif als Ort der Neuansiedlung keine ihm drohende asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Daraus folgt, dass auch keine "wohlbegründete Furcht" nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegt.

Ad (i) b)

Zur Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif als Ort der möglichen Rückkehr

3.4.2.13. Was die allgemeine Sicherheitslage betrifft ist zunächst festzuhalten, dass die Stadt Mazar-e Sharif nach den Länderfeststellungen (Pkt. römisch II.1.5.3. "Lage in der Stadt Mazar-e Sharif" "Sicherheit") jedenfalls als unter Kontrolle der afghanischen Regierung stehend zu betrachten ist. Auch ergibt sich daraus nicht, dass dort von einem aktiven Konflikt zwischen der Regierung bzw. deren Kräften und regierungsfeindlichen Kräften auszugehen wäre.

Grundsätzlich zählt die Provinz Balkh zu den ruhigen Provinzen in Nordafghanistans mit im Jahr 2017 neun zivilen Opfern auf 100.000 Einwohnern. Allerdings übersieht das erkennende Gericht nicht, dass es auch in der Stadt Mazar-e Sharif wiederkehrend zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt. Aus dem erwähnten Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge bzw. sonstige sicherheitsrelevante Vorfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter ("high-profile"-Ziele) wie insbesondere Regierungseinrichtungen oder Armeestützpunkte, in der Stadt Mazar-e Sharif nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Jedoch begründet aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts allein der Umstand, dass an diesen Orten ein Vorfall ausgelöst durch regierungsfeindliche Gruppierungen erfolgen könnte, bei der derzeitigen Gefahrenlage für den Beschwerdeführer noch keine stichhaltigen Gründe dafür, dass allein durch seine Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich die Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein: Die in Mazar-e Sharif verzeichneten Anschläge ereigneten sich hauptsächlich im Nahebereich der dargestellten "high-profile"-Ziele. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten und auch bei Berücksichtigung bestimmter, üblicherweise zu erwartender Bewegungen des Beschwerdeführers nach seiner Neuansiedlung (insbesondere der Weg zu Orten des Einkaufs von Gegenständen des täglichen Bedarfs, zu [möglichen, zukünftigen] Arbeitsstätten oder medizinischen Einrichtungen) nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass von einem bereits erreichten Gewaltausmaß, wonach es geradezu wahrscheinlich wäre, dass auch der Beschwerdeführer tatsächlich und durch seine bloße Anwesenheit in der Stadt Mazar-e Sharif Opfer eines Gewaltaktes werden würde, gesprochen werden muss. Dies insbesondere, wenn man dabei die Häufigkeit der dargestellten Anschläge dem Gesamtgebiet und der gesamten Einwohnerzahl von Mazar-e Sharif (rund 500.000) gegenüberstellt.

Auch das EASO geht vergleiche dazu EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 99) vor dem Hintergrund von Artikel 8, der Statusrichtlinie - und unter Bezugnahme auf eine nach wie vor als aktuell anzusehende Länderberichtslage (was sich insbesondere aus den festgestellten, neueren Berichten ergibt) - grundsätzlich davon aus, dass das Ausmaß der willkürlichen Gewalt in Mazar-e Sharif nicht ein so hohes Niveau erreicht, dass ernsthafte Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein Zivilist allein aufgrund seiner Anwesenheit dort einem tatsächlichen Risiko eines schweren Schadens ausgesetzt wäre.

3.4.2.14. Der Beschwerdeführer könnte Mazar-e Sharif über den Luftweg aufgrund des vorhandenen, internationalen Flughafens praktikabel, sicher und legal erreichen.

3.4.2.15. Auf besondere, sich also von der übrigen Bevölkerung unterscheidende Gefährdungsmomente für den Beschwerdeführer, wonach dieser in Kombination mit der Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre, wurden von diesem weder substantiiert vorgebracht, noch sind solche sonst im Verfahren hervorgekommen. Insbesondere ist auch nicht hervorgekommen, dass sich der Beschwerdeführer bei Neuansiedlung in der Stadt Mazar- e Sharif häufig an den oben angegebenen - mit höherer Wahrscheinlichkeit von Anschlägen regierungsfeindlicher Elemente betroffenen - Orten aufhalten werde.

Zur möglichen Zuerkennung subsidiären Schutzes aus sonstigen Gründen

3.4.2.16. Auch sonstige, auf die Stadt Mazar-e Sharif als Zielort einer möglichen innerstaatlichen Fluchtalternative bezogene Gründe für die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigten sind fallbezogen nicht ersichtlich:

3.4.2.17. Betreffend eine mögliche Gefährdung "unafghanischer", "westlicher" oder "europäischer" Personen ("Rückkehrer aus dem Westen" bzw. "Verwestlichung") sind den Länderberichten lediglich in Einzelfällen gezielte Übergriffe gegen diese aus diesem Grund zu entnehmen (siehe dazu auch oben die Erwägungen vor dem Hintergrund von Paragraph 3, AsylG 2005, Pkt. römisch II.3.2.3.). Maßnahmen gegen Personen die vermeintlich Werte und/oder ein Erscheinungsbild angenommen haben, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden, werden vor allem von regierungsfeindlichen Kräften und aus sonstigen Kreisen der Gesellschaft in gewissen ländlichen Gebieten gesetzt. Auch ein mögliches besonderes, über die Situation als Rückkehrer aus dem Westen allgemein hinausgehendes Gefährdungsmoment, insbesondere auch betreffend eine Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif, wurde vom Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargelegt (s. dazu das Vorbringen auf Sitzung 11 der VHS).

Ad ii)

3.4.2.20. Angesichts der Feststellungen zu seiner Person, seinem bisherigen Lebensweg bzw. der festgestellten allgemeinen Lage vor Ort kann dem Beschwerdeführer ein Aufenthalt in der Stadt Mazar-e Sharif auch zugemutet werden:

3.4.2.21. Der UNHCR erachtet eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in Afghanistan als dem Herkunftsort nur dann als zumutbar, wenn der Einzelne Zugang zu (i) Unterkünften, (ii) grundlegenden Dienstleistungen wie sanitäre Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Existenzgrundlagen oder bewährte und nachhaltige Unterstützung hat, um den Zugang zu einem angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. Darüber hinaus hält der UNHCR eine innerstaatliche Fluchtalternative nur dann für angemessen, wenn die Person Zugang zu einem Unterstützungsnetz von Mitgliedern ihrer (Groß-)Familie oder Mitgliedern ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft im Bereich der zukünftigen Umsiedlung hat, die als bereit und in der Lage beurteilt wurden, den Antragsteller in der Praxis wirklich zu unterstützen. Der UNHCR ist - und darauf weisen die Beschwerdeführer in ihren Stellungnahmen vom 10.10.2018 ausdrücklich hin - der Ansicht, dass die einzige Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung alleinstehende Männer und Ehepaare im erwerbsfähigen Alter ohne identifizierte spezifische Vulnerabilitäten sind. Unter bestimmten Umständen können diese Personen ohne familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die über die notwendige Infrastruktur und die Möglichkeit verfügen, die grundlegenden Lebensbedürfnisse zu befriedigen, und die unter wirksamer staatlicher Kontrolle stehen (UNHCR-Richtlinien, Sitzung 110).

Zur Vorgängerversion der UNHCR-Richtlinien aus dem Jahr 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es auf einen "gesicherten" Zugang zu den erwähnten Kriterien dabei allerdings nicht ankommt (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, Rz. 23). Diese Rechtsprechungslinie ist - auch in Anbetracht des dahingehend weiterhin unveränderten Wortlauts der Richtlinien (s. auf Sitzung 110 sowie Sitzung 86 der Richtlinien aus dem Jahr 2016) - aus Sicht des erkennenden Gerichts weiterhin beachtlich.

3.4.2.22. Mit Ausnahme der Stadt Kabul behalten - wenngleich auch auf aktuelle Vorkommnisse etwa einer Dürresituation u.a. in der Provinz Balkh und überhaupt die hohe in die größeren Städte einströmende Zahl an Rückkehrern bzw. Binnenvertriebenen hingewiesen wird - auch die am 30.08.2018 vom UNHCR publizierten Richtlinien zu Afghanistan die Sichtweise zu den Voraussetzungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative grundsätzlich bei.

3.4.2.23. Aus Sicht des EASO (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 109) - und dessen auf Länderinformationen basierende Schlussfolgerungen nehmen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gemäß Artikel 10, Absatz 3, Litera b, der Asylverfahrensrichtlinie eine den Richtlinien des UNHCR vergleichbare Stellung ein - ist eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Mazar-e-Sharif, Herat und Kabul für alleinstehende Männer, welche zuvor in Afghanistan gelebt haben, grundsätzlich als zumutbar zu erachten, auch wenn es in dem Neuansiedlungsgebiet kein Unterstützungsnetzwerk gibt. So brächte die Situation der Neuansiedlung gewisse Härten mit sich, allerdings zieht das EASO den Schluss, dass derartige Personen in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse, Unterkunft und Hygiene sicherzustellen; dies sofern nicht aus deren persönlichen Umständen auf zusätzliche Vulnerabilitäten zu schließen ist. Die folgenden Umstände sind nach dem EASO dabei in Betracht zu ziehen: Alter, Geschlecht, Familienstand, Gesundheitszustand, sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund, Kenntnisse der lokalen Bedingungen, Unterstützungsnetzwerk und Religion.

3.4.2.24. Soweit von Relevanz kann verfügbare Reintegrationsunterstützung auch als zusätzlicher Faktor berücksichtigt werden, welche vorübergehend zur Reintegration in Afghanistan beiträgt (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 105).

3.4.2.25. Im Hinblick auf die allgemeinen Gegebenheiten am Ort der innerstaatlichen Fluchtalternative ist gegenständlich Folgendes zu berücksichtigen:

3.4.2.26. Bereits oben unter Pkt. römisch II.3.2.1. wurde erwogen, dass die Stadt Mazar-e Sharif vollkommen unter Kontrolle der afghanischen Regierung steht.

3.4.2.27. In der Stadt Mazar-e Sharif stehen nach den Länderinformationen ausreichend (einfache) Unterkünfte zur Verfügung. Insbesondere kann - wie dies Landinfo im EASO-Bericht Netzwerke aufzeigte - anstelle einer ganzen Wohnung ein einzelnes (und damit gegenüber einem ganzen Apartment deutlich günstigeres) Zimmer gemietet werden, z.B. vorübergehend in einem "Teehaus" ("tea house"). Es ist zu berücksichtigen, dass nicht davon ausgegangen werden muss, dass eine einzelne Person eine ganze Wohnung für sich mieten müsste. So könnte auch eine Wohnung von mehreren Personen/Rückkehren, jedenfalls für eine Übergangszeit, geteilt werden, was die Mietkosten (erheblich) senken würde.

3.4.2.28. Eine grundlegende Infrastruktur und der Zugang zu grundlegender Versorgung, einschließlich zu sanitärer Infrastruktur, sind in der Stadt Mazar-e Sharif gegeben, welche nach der festgestellten Berichtslage als eines der größten Handels- und Finanzzentren Afghanistans gilt. Die grundsätzliche Versorgung mit Gütern wird nach den getroffenen, auf aktuellen Berichten beruhenden Feststellungen - s. dazu auch die Hinweise des UNHCR auf Sitzung 111 - auch nicht durch eine derzeit auch die Provinz Balkh betreffende Trockenperiode (Dürre) beeinträchtigt. Dies ist auch der aktuellen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur "Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre" vom 13.09.2018 zu entnehmen. In dieser wird zwar festgehalten, dass es zu Wasserknappheit und einer unzureichenden Wasserversorgung im Umland von Mazar-e Sharif kommt, darüber, dass es auch in der Stadt Mazar-e Sharif selbst keine ausreichende Wasser- oder Lebensmittelversorgung gäbe, ist den aktuellen Berichten jedoch nicht zu entnehmen. Jedenfalls wird auch über entsprechende - teilweise auch international unterstützte - staatliche Reaktionen und Hilfsmaßnahmen berichtet. Aufgrund der Dürre wird es zu geringeren Getreideernten kommen, die Getreidepreise liegen jedoch aufgrund guter Ernten im Iran und in Pakistan in Mazar-e Sharif aber dennoch nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Und auch die Löhne in Mazar-e Sharif liegen trotz der Dürre im Mai 2018 um 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.

3.4.2.29. Es ist weiters nicht zu übersehen, dass nach den festgestellten Informationen die wirtschaftliche Lage sowie Versorgungslage in Afghanistan im Allgemeinen sowie in der Stadt Mazar-e Sharif bzw. aber auch der Provinz Balkh - insbesondere auch aufgrund der großen Anzahl sonstiger Binnenvertriebener und anderer Rückkehrer, welche einströmen - jedenfalls als insbesondere im Hinblick auf die Wohnressourcen als angespannt betrachtet werden muss und die Arbeitslosigkeit auch dort hoch ist. Auch kann die aktuelle Trockenheit bzw. Dürre zu einem weiteren Einströmen führen.

Ebenso ist jedoch aus den getroffenen Feststellungen zu schließen, dass die Stadt Mazar-e Sharif ein wichtiger Wirtschaftsknotenpunkt des Landes ist und eine höhere Industrialisierung als andere Städte in Afghanistan aufweist. Zudem hat Mazar-e Sharif grundsätzlich bessere Arbeitsmöglichkeiten aufgrund einer größeren Anzahl an Unternehmen. Auch liegen die Löhne für Gelegenheitsarbeiten dort klar über dem Fünfjahresdurchschnitt (s. oben die auf Grundlage einer ganz aktuellen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation getroffenen Feststellungen unter Pkt. römisch II.1.5.3. "Versorgung mit Lebensmitteln").

3.4.2.30. Es ist auch möglich, in der Stadt Mazar-e Sharif eine medizinische Einrichtung bei Bedarf in Anspruch zu nehmen: Aus den Länderfeststellungen ist ersichtlich, dass in Mazar-e Sharif sowohl Zugang zu medizinischen Einrichtungen als auch zu Medikamenten besteht. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste umsonst an, Medikamente sind zumindest in privaten Apotheken verfügbar. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den öffentlichen Krankenhäusern umsonst.

3.4.2.31. Insgesamt ist festzuhalten, dass der Zugang zu Grundversorgung, medizinischer Versorgung, Arbeits- und Wohnungsmarkt in der Stadt Mazar-e Sharif gegeben ist. Zwar fallen - nach der festgestellten, auf dem EASO-Bericht Sozioökonomie beruhenden Länderinformationen - auch dort ein Großteil der Haushalte unter die städtische Armut ("urban poor"), d.h. nur rund 30 USD pro Person pro Haushalt, jedoch wäre nach der festgestellten Berichtslage nicht erkennbar, dass insgesamt nicht die Grundlage bzw. (Lebens-) Bedingungen an sich für die - in weiterer Folge, wie nachstehend auch erwogen, dann von weiteren persönlichen Umständen des Einzelnen abhängig - Existenzsicherung allgemein wie auch das Erreichen und Halten eines angemessenen Lebensstandards ("adequate living standard") vorhanden wären (s. dazu auch EASO-Länderleitfaden Afghanistan Sitzung 104 f bzw. Sitzung 110 der UNHCR-Richtlinien).

3.4.2.32. Im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers ist gegenständlich Folgendes in Betracht zu ziehen:

3.4.2.33. Beim Beschwerdeführer handelt es sich nach den zu seiner Person getroffenen Feststellungen um einen gesunden, mobilen, alleinstehenden, jungen, arbeits- und leistungsfähigen Mann. Er verfügt zwar in der Stadt Mazar-e Sharif über kein örtliches soziales Netzwerk und ist mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertraut. Er spricht jedoch eine der beiden Landessprachen, Dari. Daneben spricht er noch Deutsch und Englisch. Er verfügt zwar über keine Schulbildung in Afghanistan, konnte jedoch Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft seines Onkels väterlicherseits sowie als Arbeiter in einer Kunststofffabrik im Iran sammeln. Mit dieser Tätigkeit konnte er auch - worauf EASO wie oben beschrieben besonders hinweist - im Iran selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen. Der Beschwerdeführer wuchs selbst auch in Afghanistan auf und ist somit mit den dortigen örtlichen und kulturellen Gegebenheiten vertraut.

3.4.2.36. Der Beschwerdeführer gehört auch keinem Personenkreis mit besonderen Bedürfnissen an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger, also etwa in Folge einer schweren Erkrankung oder aufgrund des fortgeschrittenen Alters, darstellt als die übrige Bevölkerung in der Stadt Mazar-e Sharif, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

3.4.2.36. Dabei spricht auch die Tatsache, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Hazara ohne familiäre Anknüpfungspunkte am Neuansiedlungsort handelt, nicht gegen die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative (s. dazu das bereits oben zitierte und zur Stadt Kabul ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 04.04.2018, Ra 2018/19/0077). Es ist auch davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer nach einer Übergangsphase ein neues soziales Netzwerk in der Stadt Mazar-e Sharif schaffen kann.

3.4.2.37. Der Beschwerdeführer könnte seine Existenz dort ebenso - zumindest anfänglich - nach den Länderfeststellungen durch auch in der Stadt Mazar-e Sharif verfügbaren Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern.

3.4.2.38. In Anbetracht der festgestellten allgemeinen Gegebenheiten in Afghanistan sowie der Stadt Mazar-e Sharif im Besonderen und den festgestellten persönlichen Umständen des Beschwerdeführers kann gegenständlich davon ausgegangen werden, dass er anfangs und auch während einer gewissen Übergangsphase zwar mit Schwierigkeiten konfrontiert sein wird wieder Fuß zu fassen (insbesondere in Bezug auf die Erlangung einer Erwerbstätigkeit). Allerdings kann auch davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen vorliegen, danach ein mit anderen in der Stadt Mazar-e Sharif lebenden Afghanen vergleichbares (d.h. relativ normales) Leben ohne unbillige Härten bzw. mit einer mehr als bloß das Existenzminimum ermöglichenden Perspektive zu führen (s. dazu insbesondere das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 23.01.2018, Zl. Ra 2018/18/0001, mit Hinweis auch auf die bereits zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs vom 12.12.2017).

3.4.2.39. Insgesamt ist daher im gegenständlichen Fall - insbesondere auch unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien sowie des EASO-Länderleitfadens Afghanistan - gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 von einer mit der Stadt Mazar-e Sharif vorhandenen, - trotz fehlendem örtlichen (sozialen bzw. familiären) Netzwerks jedoch bei Berücksichtigung verfügbarer Rückkehrhilfen und in Anbetracht von Ausbildung und Berufserfahrung - zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative für den Beschwerdeführer auszugehen bzw. liegen für das Bundesverwaltungsgericht keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass in eine ausweglose, oder in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie insbesondere Nahrung und Unterkunft), in eine sogar lebensbedrohende Situation geraten würde.

3.4.3. Ergebnis:

3.4.3.1. Bei Gesamtbetrachtung aller im gegenständlichen Fall zu berücksichtigenden Umstände ergibt sich für das erkennende Gericht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückführung in den Herkunftsstaat bzw. bei Neuansiedlung an dem als nach den von Paragraph 11, AsylG 2005 geforderten Voraussetzungen - insbesondere im Hinblick auf die Freiheit von Gefahr und Risiko für Leib und Leben, die Möglichkeit der Ausübung der grundlegenden Menschenrechte bzw. auch des wirtschaftlichen Überlebens - mögliche innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Ort, der Stadt Mazar-e Sharif, kein ernsthafter Schaden droht seitens eines Akteurs oder infolge willkürlicher Gewalt droht.

3.4.3.2. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheids war daher unbegründet.

Zu den Spruchpunkten römisch III. und römisch IV. des angefochtenen Bescheids (Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise)

3.5. Rechtsgrundlagen:

3.5.1. Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

3.5.2. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt wird.

3.5.3. Die Paragraph 55,, 57 und 58 AsylG 2005 lauten:

"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."

[...]

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz eins, Ziffer 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Absatz 3 und Paragraph 73, AVG gehemmt."

"§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird."

3.5.4. Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."

3.5.5. Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

[...]

Paragraph 52, (1) [...]

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

[...]

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

[...]

Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. Paragraph 37, AVG gilt."

3.6. Anspruch auf eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz":

3.6.1. Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, weil mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach Paragraph 13, AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

3.6.2. Ein Anspruch auf die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" liegt daher in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht vor.

3.7. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sowie einem Anspruch auf eine "Aufenthaltsberechtigung" oder eine "Aufenthaltsberechtigung plus":

3.7.1. Im Hinblick auf die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" oder auf eine "Aufenthaltsberechtigung" sind folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:

3.7.2. Ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Artikel 8, EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen vergleiche VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325 m.w.N.).

3.7.3. Es besteht ein großes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Das verlangt von Fremden grundsätzlich, dass sie nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (etwa VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034).

3.7.4. Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben i.S.d. Artikel 8, EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind vergleiche etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren vergleiche z.B. EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a. v. Norwegen).

3.7.5. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva u.a. gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist vergleiche Thym, EuGRZ 2006, 541). Im seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte vergleiche i.d.Z. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu Paragraph 66, Absatz eins, FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch die Erkenntnisse VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354). Außerdem ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist vergleiche VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 m. w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Aufenthaltsdauer nach Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist vergleiche etwa VwGH vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Gleichzeitig betonte er aber, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (s. dazu das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.07.2015).

Die Umstände eines gesicherten Unterhalts und, dass es zu keiner Straffälligkeit kam bewirken keine relevante Verstärkung der persönlichen Interessen, vielmehr stellen das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme dar vergleiche VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112). Integrative Bemühungen eines Beschwerdeführers sind insofern zu relativieren, als die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen vergleiche dazu VwGH 26.01.2009, 2008/18/0720). Im Rahmen der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 5, BFA-VG) kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der Frage, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann, eine Bedeutung zukommen vergleiche etwa das Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, Rz. 4.1 m.w.N.). Dies hat freilich im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz:

Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr - letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen vergleiche VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188).

Unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens ist auch von Bedeutung, welche Verhältnisse konkret bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat vorgefunden werden (VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0038). Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität, welche nicht die von Artikel 3, EMRK geforderte Schwere und Intensität erreichen, sind an Artikel 8, EMRK zu messen (VfGH 21.09.2015, E 332/2015, unter Hinweis auf die Entscheidung EGMR 13.05.2008, Juhnke, Appl. 52.515/99).

Im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG ist es maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 10.04.2017, Ra 2016/01/0175 m.w.N.).

Vor dem Hintergrund von Artikel 2 und 3 EMRK hat der Verwaltungsgerichtshof spezifisch zu Afghanistan ausgesprochen, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung der erwähnten Bestimmung notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Diese Darlegung obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person. Diese hat durch geeignete Beweise gewichtige Gründe für eine Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Die allgemeine Situation in Afghanistan ist nämlich nicht so gelagert, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3, EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, m.w.N. und Hinweisen insbesondere auch auf Rechtsprechung des EuGH sowie des EGMR). Auch in jüngeren Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof an den Leitlinien dieser Rechtsprechung festgehalten (dazu VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; 20.09.2017, Ra 2017/19/0205, Ra 2017/19/0190 und Ra 2016/19/0209; 18.10.2017, Ra 2017/19/0420; 05.12.2017, Ra 2017/01/0236).

3.7.6. Angewendet auf den Beschwerdeführer und die vorzunehmende Interessenabwägung nach Paragraph 9, BFA-VG bzw. Artikel 8, EMRK folgt daraus:

3.7.7. Zunächst ist festzuhalten, dass nach dem Paragraph 18, Absatz eins, AsylG 2005 entsprechenden Ermittlungstätigkeiten keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, welche ein reales Risiko einer Verletzung der Artikel 2, oder 3 EMRK erwarten ließen (s. dazu insbesondere die entsprechenden Erwägungen zum individuellen Vorbringen, den dazu getroffenen Feststellungen sowie der festgestellten allgemeinen Lage in Afghanistan oben unter Pkt. römisch II.3.4.2.). Doch ist die Rückkehrentscheidung aus anderen Gründen des Privatlebens des Beschwerdeführers für auf Dauer unzulässig zu erklären. Dazu im Einzelnen:

3.7.8. So spricht für den Beschwerdeführer gegenständlich, dass dieser in Österreich bereits eine Reihe von integrativen Maßnahmen gesetzt hat. Er hat bereits das Sprachzertifikat für das Sprachniveau A2 erworben und vom 07.02.2018 bis 30.05.2018 einen Deutschkurs für das Sprachniveau B1 besucht. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, bei klarer Standardsprache über vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. zu reden. Darüber hinaus kann er über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben.

Er hat auch regelmäßigen Kontakt zu Österreichern, insbesondere zu seinen beiden besten Freunden "XXXX" und "XXXX" und entfaltete in der Vergangenheit auch bereits Vereinstätigkeiten in der Union römisch 40 .

Außerdem verfügt der Beschwerdeführer über einen laufenden Lehrvertrag für die Ausbildung im Lehrberuf Schalungsbauer im Unternehmen römisch 40 Er hat diese Lehre bereits am 18.11.2016 begonnen und erhält dafür eine monatliche Lehrlingsentschädigung von EUR 1500. Es handelt sich bei dieser Ausbildung sowohl um einem Mangellehrberuf (s. https://www.ams.at/_docs/asylwerber_lehrstellenliste.pdf) wie - auch -einen Mangelberuf (s. Paragraph eins, Ziffer 21, der Fachkräfteverordnung 2018, dort noch unter der älteren Bezeichnung "Betonbauer" angeführt, s. https://www.berufslexikon.at/berufe/180-SchalungsbauerIn/). Im Zuge seiner Ausbildung hat der Beschwerdeführer vom 29.03.2017 bis 31.03.2017 auch das Lehrlingsseminar "XXXX" sowie am 07.04.2017 einen Erste-Hilfe-Grundkurs besucht. Seine Ausbildner sind mit seinen Leistungen sehr zufrieden und sie sehen den Beschwerdeführer aufgrund seines Fleißes und Lernwillens als Vorbild für andere Lehrlinge an. Laut seinem direkten Vorgesetzten, dem Polier "XXXX" gehört der Beschwerdeführer sowohl menschlich als auch fachlich zu den besseren Lehrlingen. Das Unternehmen plant überdies den Beschwerdeführer nach voraussichtlicher Beendigung der Lehre am 17.11.2019 - auch über die Behaltezeit hinweg - in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu beschäftigen. Auch in der Berufsschule römisch 40 fällt der Beschwerdeführer äußerst positiv durch seine Leistungen auf und wird überdies als ruhiger, besonnener und angenehmer Schüler beschrieben. Das Schuljahr 2017/2018 hat er bereits positiv abgeschlossen.

Zu berücksichtigen ist im gegenständlichen Fall insbesondere in Anbetracht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (dazu etwa VwGH Ra 2017/18/0070) auch, dass der Beschwerdeführer Afghanistan als etwa Elfjähriger verließ und anschließend im Iran lebte. Durch diese Unterbrechung ist - insbesondere auch in Anbetracht, dass er dort mit Ausnahme eines Onkels und seiner Mutter, zu welche ohnehin kein Kontakt besteht, keine weiteren Verwandten mehr hat - seine Bindung an den Heimatstaat daher als eher gering zu werten.

Zu bedenken ist, dass sich der Beschwerdeführer seit knapp dreieinhalb Jahren in Österreich aufhält.

3.7.9. Dem steht gegenüber, dass der Beschwerdeführer in Österreich weder Verwandte oder Familienangehörige hat noch sonstige substantielle Anknüpfungspunkte festgestellt werden konnten. Der Beschwerdeführer hat zwar eine in Österreich lebende Freundin, es besteht jedoch weder ein gemeinsamer Haushalt noch eine finanzielle Abhängigkeit. Der Beschwerdeführer erbrachte zwar bisher keine ehrenamtlichen Tätigkeiten, allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seit November 2016 im entsprechenden Umfang als Lehrling tätig ist, was ihn in - jedenfalls vertretbarem - Ausmaß auslastet (bzw. es nicht verlangt werden kann, daneben auch noch ehrenamtliche Tätigkeiten zu machen).

Dem Bundesverwaltungsgericht ist auch bewusst, dass der Beschwerdeführer bereits einmal (gerichtlich) strafrechtlich in Erscheinung trat, wobei es sich allerdings nur um ein, wenngleich vorsätzlich begangenes, Vergehen handelte. Diesbezüglich entschied die Staatsanwaltschaft jedoch vorläufig von der Verfolgung unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren zurückzutreten und - was bei der Abwägung auf dem Boden des Paragraph 9, BFA-VG bzw. Artikel 8, EMRK von Relevanz ist - letztlich keine Anklage zu erheben. Seither hat sich der Beschwerdeführer - abgesehen von einer Anzeige aufgrund einer Verwaltungsübertretung im Jahr 2017 - wohlverhalten. Im Zuge der mündlichen Verhandlung konnte er gegenüber dem erkennenden Richter auch darlegen, dass er durch den Verzicht auf den Konsum von Alkohol künftig von der Begehung einer Handlung wie der auf dem Zeltfest abgehalten werden sollte (s. VHS Sitzung 11).

Nicht verkannt bzw. berücksichtigt wird außerdem, dass die beschriebenen integrationsbegründenden Umstände durch den unsicheren Aufenthaltsstatus während des Asylverfahrens, welchem sich der Beschwerdeführer auch bewusst sein musste - und dies auch im Hinblick auf die von ihm angenommene Lehrstelle -, gemindert werden. Der Umfang dieser Minderung reduziert sich jedoch fallbezogen gegenüber anderen Antragstellern durch seine (anfängliche) Minderjährigkeit - der Beschwerdeführer reiste als unbegleiteter Minderjähriger illegal in das Staatsgebiet ein - welche insgesamt auch den überwiegenden Teil des Gesamtaufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich ausmachte. Der Aufbau einer - neuerlichen - Existenz in Afghanistan wäre dem Beschwerdeführer, bei welchem auch grundsätzlich keine Bedenken einer Verletzung seiner Integrität bestehen, auch möglich (s. dazu oben die umfangreichen Erwägungen unter Pkt. römisch II.3.4.2.).

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht ebenso nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck bringt, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie eine etwaige Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt, keine wesentliche Bedeutung zukommen (VwGH 22.02.2011/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/016; 29.06.2010, 2010/18/0195, m.w.N.). Dabei kommt es nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob dem Betroffenen ein "Vorwurf" im Hinblick auf eine unterlassene Integration am Arbeitsmarkt zu machen ist, sondern darauf, ob sie ihm gelungen ist oder nicht (VwGH 19.04.2012, 2010/21/0242). Auch gegenständlich ist dem Beschwerdeführer die - vollständige - wirtschaftliche Integration in Österreich (noch) nicht gelungen. Auch ist hinsichtlich des Lehrverhältnisses des Beschwerdeführers zu beachten, dass dieses nur ein Ausbildungsverhältnis darstellt. Dieses allein begründet kein besonders gewichtiges Interesse an einem Aufenthalt in Österreich:

Diesbezüglich ist auf die Bestimmung des Paragraph 14, Absatz 2, Litera f, BAG hinzuweisen, in welchem festgelegt ist, dass ein Lehrverhältnis mit einem negativen rechtskräftigen Bescheid im Asylverfahren endet. Mit dieser außerordentlichen Beendigung des Lehrvertrages durch die Beendigung des Asylverfahrens lässt der Gesetzgeber erkennen, dass das Eingehen eines Lehrvertrages keine Ausbildungsgarantie bis zum Ende des Lehrvertrages darstellt. Mit der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens endet gleichzeitig auch der Lehrvertrag. Den Behörden ist in diesem Punkt kein Ermessenspielraum eingeräumt worden, wodurch die Beendigung des Asylverfahrens zwingend die Beendigung des Lehrverhältnisses zur Folge hat. Dem Asylverfahren wird daher mehr Gewicht beigemessen als der regulären Beendigung des Lehrverhältnisses durch die Gesellenprüfung.

Schließlich ist auch ein - wohl gegebenes - öffentliches Interesse an der Arbeitsleistung des Beschwerdeführers - sei es auch in einem Mangellehrberuf bzw. in einem Mangelberufsfeld- bei der Abwägung gemäß Paragraph 9, BFA-VG nicht dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen gegenüberzustellen, sondern nur als privates Interesse vergleiche dazu das zwar vor dem Hintergrund von Paragraph 66, FPG ergangene, jedoch auch auf den gegenständlichen Fall anwendbare, Erkenntnis VwGH 23.03.2010, 2008/18/0305, Rz. 4.2.; s. demgegenüber jedoch auch das Erkenntnis VfGH 12.06.2013, U 485/2012-15 zu beachten, dass ein besonders qualifizierter Grad an Integration nicht nur ein durch Artikel 8, Absatz eins, EMRK geschütztes gewichtiges Interesse des Asylwerbers an seinem Verbleib im Bundesgebiet begründet, sondern auch dazu führen kann, dass im Hinblick auf die Integration des Fremden in die Gesellschaft und seine Leistungen für diese das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung relativiert wird).

3.7.10. Wägt man nun die in den Vorabsätzen dargestellten, für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Gesichtspunkte in einer Gesamtbetrachtung gegeneinander ab, so überwiegt - unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG normierten Kriterien - für das Bundesverwaltungsgericht - gerade, jedoch keinesfalls ausschließlich in Anbetracht der Tätigkeit in einem Mangellehrberuf bzw. in einem Mangelberufsfeld - fallbezogen das privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich den - unbestritten auch äußerst wesentlichen - Interessen des Staates an einem geordneten Fremdenwesen.

3.7.11. Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, leg.cit. von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, (i) wenn dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und (ii) der Drittstaatsangehörige zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze gemäß Paragraph 5, Absatz 2, ASVG erreicht wird. Die Voraussetzungen für eine solche "Aufenthaltsberechtigung plus" liegen gegenständlich vor.

Der Beschwerdeführer ist als Lehrling für die Ausbildung im Lehrberuf Schalungsbauer im Unternehmen römisch 40 beschäftigt und erhält dafür eine monatliche Lehrlingsentschädigung von EUR 1500.

3.7.11. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch III. und römisch IV. des angefochtenen Bescheids war daher stattzugeben, die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig zu erklären und eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zuzusprechen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder des EuGH (s. dazu die oben unter A wiedergegebenen Entscheidungen) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2018:W270.2170872.1.00