Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

24.09.2018

Geschäftszahl

W270 2170867-1

Spruch

W270 2170867-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Günther GRASSL über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2017, römisch 40 , betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. römisch 40 (in Folge: "Beschwerdeführer") stellte am 09.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.11.2015 gab er befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass er Pakistan verlassen habe, weil in seinem Wohngebiet Schiiten verfolgt und umgebracht worden seien. Es hätte dort mehrmals Selbstmordattentate gegeben und hätten diese Anschläge immer den Schiiten gegolten.

3. Bei seiner Einvernahme am 25.08.2017 vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für seine Asylantragstellung befragt zusammengefasst an, dass seine Eltern aufgrund der schlechten Sicherheitslage von Afghanistan nach Pakistan geflüchtet wären. Auch in Pakistan wäre die Sicherheitslage jedoch schlecht und würden die Schiiten bzw. Hazara getötet werden. Es komme immer wieder zu Selbstmord- und Bombenanschlägen.

4. Die belangte Behörde wies den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, i.V.m.

Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, des AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, i.V.m. Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt römisch II.) mit Bescheid vom 29.08.2017 ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 i.V.m. Paragraph 9, BFA-VG, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen. Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Afghanistan zulässig ist und dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt römisch III. und römisch IV.).

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine konkrete oder drohende Verfolgung glaubhaft gemacht habe. Er könne sich bei einer Rückkehr nach Kabul, als flexibler, mobiler und arbeitsfähiger Mann selbst versorgen.

5. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird insbesondere ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren sowie eine mangelhafte Beweiswürdigung der belangten Behörde gerügt und u.a. Beweismittel zur Situation der Hazara bzw. Schiiten, zum westlichen Lebensstil und die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan vorgelegt.

6. Am 10.07.2018 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt in deren Rahmen der Beschwerdeführer insbesondere zu einer möglichen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sowie seinem Leben in Österreich einvernommen wurde und weitere Urkunden zur Integration vorlegte. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers erstattete zudem am 09.07.2018 eine schriftliche Stellungnahme ab. In dieser wird insbesondere auf die Risikoprofile des Beschwerdeführers als Hazara bzw. Schiit und Rückkehrer aus dem Westen eingegangen sowie auf die Möglichkeit der Zwangsrekrutierung durch die Taliban und die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und diesbezüglich auch Berichte, Stellungnahmen, Gutachten sowie Artikel als Beweismittel vorgebracht. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurden außerdem weitere länderkundliche und sonstige Informationen in das Verfahren eingeführt, zu welchen keine gesonderte Stellungnahme erfolgte.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Identität, Herkunft und Sprachkenntnisse:

Der Beschwerdeführer trägt den Namen römisch 40 und ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan. Er wurde am römisch 40 in der Provinz Ghazni geboren.

Im Alter von ungefähr fünf Jahren flüchtete der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach Pakistan. Er ist dort in der Stadt römisch 40 , aufgewachsen.

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Neben dieser Sprache hat der Beschwerdeführer noch Kenntnisse der Sprachen Urdu, Englisch und Deutsch (s. dazu unten Pkt. römisch II.1.3.).

1.1.2. Volksgruppe und Religion:

Der Beschwerdeführer gehört der afghanischen Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

1.1.3. Familiäre Situation und wirtschaftliche Lage:

Die Eltern sowie der Bruder des Beschwerdeführers leben nach wie vor in XXXXin Pakistan.

Aufgrund der Krankheit des Vaters versorgt der Bruder des Beschwerdeführers die Familie. Dieser arbeitet als Tagelöhner im Baubereich. Die Familie verfügt über kein Vermögen, ebenso wenig der Beschwerdeführer selbst.

Der Beschwerdeführer steht zu seiner Familie regelmäßig in Kontakt. Er telefoniert ca. alle zwei Tage mit dieser über das Internet.

1.1.4. Ausbildung und Berufserfahrung:

Der Beschwerdeführer hat in Pakistan bereits im Alter von sieben Jahren als Hilfsarbeiter gearbeitet und u.a. Plastik und Wasser verkauft und in Geschäften ausgeholfen.

Während seiner Zeit in Pakistan absolvierte der Beschwerdeführer einen Englischkurs. Er kann in dieser Sprache auch lesen und schreiben.

Er verfügt zudem über eine in Pakistan erworbene, jedenfalls dreijährige Arbeitserfahrung als Schuhmachergehilfe. Bei dieser Tätigkeit schnitt und nähte er neue Schuhe, nachdem diese von seinem Schuhmachermeister entsprechend markiert wurden.

Ein Monat lang arbeitete der Beschwerdeführer dort auch als Gehilfe bei einem Mechaniker.

Mit diesen Tätigkeiten verdiente er sich in Pakistan seinen Lebensunterhalt.

1.1.5. Gesundheitszustand:

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er nimmt keine Medikamente ein.

1.1.6. Ausreise aus Pakistan und Antragstellung in Österreich:

Der Beschwerdeführer hat Pakistan im Juli 2015 verlassen und stellte schließlich am 09.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer war seit seinem fünften Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan. Damals verließen er und seine Eltern Afghanistan aufgrund der schlechten Sicherheitslage für Schiiten.

Der Beschwerdeführer hat Pakistan nach Europa verlassen, weil es dort vermehrt zu Anschlägen auf die schiitische Bevölkerung kam.

Der Beschwerdeführer befürchtet, bei Rückkehr nach Afghanistan als Hazara getötet zu werden.

1.3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer lebt in einer Unterkunft in römisch 40 . In dieser Unterkunft lebt er mit anderen Afghanen sowie Arabern zusammen. Er ist ledig.

In Österreich leben weder Verwandte noch sonstige nahe Angehörige des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer absolvierte bereits einen von Freiwilligen organisierten Deutschkurs. Er ist in der Lage, auf elementarer Ebene in einfachen routinemäßigen Situationen des Alltags- und Berufslebens auf Deutsch zu kommunizieren. Er besuchte außerdem im Schuljahr 2017/2018 den 1. Jahrgang der Landwirtschaftlichen Fachschule römisch 40 , Fachrichtung Landwirtschaft, als außerordentlicher Schüler und ist für das Schuljahr 2018/2019 an der Höheren Bundeslehranstalt und Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der "XXXX" als außerordentlicher Schüler aufgenommen. Außerdem hat er an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen.

In seiner Freizeit lernt der Beschwerdeführer im Internet Englisch und Deutsch oder macht Sport. Seine österreichischen Kontaktpersonen sind seine Schulkollegen sowie seine Lehrerin "XXXX".

Sein soziales Umfeld bezeichnet den Beschwerdeführer als eifrig und zuverlässig.

Der Beschwerdeführer ist weder Mitglied in Vereinen, noch war er ehrenamtlich tätig.

Er war bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

1.4. Zur persönliche Situation des Beschwerdeführers bei Rückkehr nach Afghanistan:

Der Beschwerdeführer könnte nach Rückkehr nach Afghanistan in geringfügigem Ausmaß und vorübergehend von seiner in Pakistan lebenden Familie finanziell unterstützt werden.

Für den Beschwerdeführer besteht die Möglichkeit, staatliche Rückkehrhilfe zu beziehen:

Von 1. Jänner 2017 bis 31. Dezember 2019 implementiert die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt "RESTART römisch II - Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und Iran". Das Projekt wird durch den Asyl, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert.

Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr in die Islamische Republiken Afghanistan und Iran sowie bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden.

Das Projekt sieht die Teilnahme von 490 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen.

Die Maßnahmen, die die Rückkehrer/innen bei ihren Reintegrationsbemühungen unterstützen, werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen erarbeitet und sind auf deren individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt.

IOM setzt im Rahmen des Projekts folgende Maßnahmen um:

Rückkehrunterstützung

* Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich;

* Möglichkeit der Erhebung der familiären Situation im Rückkehrland im Falle der Rückkehr von unbegleiteten Minderjährigen;

* Logistische Organisation der Reise (inklusive Kauf des Flugtickets);

* Unterstützung bei der Abreise am Flughafen Wien Schwechat;

* Empfang und Unterstützung bei der Ankunft sowie Organisation der Weiterreise zum endgültigen Zielort in Afghanistan und der Islamischen Republik Iran;

* Temporäre Unterkunft nach der Ankunft im Rückkehrland.

Reintegrationsunterstützung

* Beratung der Projektteilnehmer/innen nach der Rückkehr bezüglich ihrer Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation;

* Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld: EUR 500,- für jede/n Projektteilnehmer/in, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken;

* Unterstützung in Form von Sachleistungen wie

* Unterstützung bei Gründung von oder Beteiligung an einem Unternehmen (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren);

* Aus- und Weiterbildung;

* Unterkunft;

* Unterstützung für Kinder;

* Medizinische Unterstützung

* Leitfaden zur Unternehmensgründung und Weitervermittlung zu kostenlosen Business Trainings.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.5.1. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil.

Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren.

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.612 registrierten zivilen Opfer (440 Tote und 1.172 Verletzte). Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 [in Folge: "LIB"], Pkt. 4. "Sicherheitslage")

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Allgemeines

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus.

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen. Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren. Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet.

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird.

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan. Die Gründe dafür sind verschiedene:

das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten.

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht. Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen.

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen.

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten. Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand. Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten. Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vergleiche Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten:

Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden.

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen. Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben. Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS.

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation. Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen. Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet.

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben. Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen. Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen.

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt; er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an, aber auch ausländische Botschaften. Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätte. Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind.

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar.

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben.

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens.

(Auszüge aus dem LIB, Pkt. 4. "Sicherheitslage")

Grundversorgungs- und Wirtschaftslage

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu.

Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert. Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 22. "Grundversorgung und Wirtschaft")

Rechtsschutz und Justizwesen in Afghanistan

Im Bereich des Rechtsschutzes und des Justizwesens in Afghanistan gibt es legislative Fortschritte; dennoch gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen und werden Dispute überwiegend außerhalb des formellen Justizsystems gelöst. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, in den ländlichen Gebieten aber schwächer ausgeprägt. Dem Justizsystem mangelt es an Leistungsfähigkeit, teils mangels qualifizierten Personals (insbesondere in ländlichen Gebieten), teils wegen der eingeschränkten Zugänglichkeit von Gesetzestexten; die Situation bessert sich jedoch. Innerhalb des Gerichtswesens ist auch Korruption vorhanden und sind Richterinnen und Richter und Anwältinnen und Anwälte oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen.

(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 5. "Rechtsschutz/Justizwesen")

Sicherheitsbehörden in Afghanistan

In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA-Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anmerkung Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA). Auch das NDS ist Teil der ANDSF.

Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen.

Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat. Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt.

Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats.". Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt.

Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt. Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden US-amerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen. Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF-Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden.

Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei. Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich. Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf. Nachdem die Operation Shafaq römisch II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020.

Reformen der ANDSF

Die afghanische Regierung versucht die nationalen Sicherheitskräfte zu reformieren. Durch die Afghanistan Compact Initiative sollen u.a. sowohl die ANDSF als auch ihre einzelnen Komponenten ANA und ANP reformiert und verbessert werden. Ein vom Joint Security Compact Committee (JSCC) durchgeführtes Monitoring der afghanischen Regierung ergab, dass die für Dezember 2017 gesetzten Ziele des Verteidigungs- und des Innenministeriums zum Großteil erreicht wurden. Das Aufstocken des ANASOC, der Ausbau der AAF, die Entwicklung von Führungskräften, die Korruptionsbekämpfung und die Vereinheitlichung der Führung innerhalb der afghanischen Streitkräfte sind einige Elemente der 2017 angekündigten Sicherheitsstrategie der afghanischen Regierung. Auch soll diese im Rahmen der neuen US-amerikanischen Strategie für Südasien Beratung und Unterstützung bei Lufteinsätzen bekommen.

Mit Unterstützung der RS-Mission implementieren und optimieren das MoI und das MoD verschiedene Systeme, um ihr Personal präzise zu verwalten, zu bezahlen und zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist das Afghan Human Resource Information Management System (AHRIMS), welches alle Daten inklusive Namen, Rang, Bildungsniveau, Ausweisnummer und aktuelle Position des ANDSF-Personals enthält. Auch ist das Afghan Personnel Pay System (APPS), das die AHRIMS-Daten u.a. mit Vergütungs- und in Lohndaten integrieren wird, in Entwicklung.

Geheimdienstliche Tätigkeiten

Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anmerkung und das Nasrat, auch National Threat Intelligence Center, unter dem NDS, tauschen sich regelmäßig aus. Obwohl der Austausch von geheimdienstlichen Informationen als Stärke der ANDSF gilt, blieb Mitte 2017 die geheimdienstliche Analyse schwach. Gemäß einem Bericht von SIGAR finden Ausbildungen zur Verbesserung der geheimdienstlichen Fähigkeiten des MoI und des MoD im Rahmen der Resolute Support Mission statt.

Das National Directorate for Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist für die Untersuchung von Strafsachen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul. Die Bush- und die Obama-Administration konzentrierten sich auf den Ausbau des ANAund ANP-Personals und vernachlässigten dadurch den afghanischen Geheimdienst. Die Rekrutierungsmethode für NDS-Personal war mit Stand Juli 2017 sehr restriktiv und der Beitritt für Bewerber ohne Kontakte fast unmöglich.

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert.

Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren. Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind. Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben. Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern.

Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorfältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen. Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen. Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel.

Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden. Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw.

Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3%.

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte. Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen.

Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen. Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2%.

Quellen zufolge beginnt die Grundausbildung der ANA-Soldaten am Kabul Military Training Center (KMTC) und beträgt zwischen sieben und acht Wochen. Anschließend gibt es verschiedene weiterführende Ausbildungen für Unteroffiziere und Offiziere.

Resolute Support Mission (RS)

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verlautbarte am 9. November 2017, dass sie zukünftig auf 16.000 Mann angehoben werden soll. Die RS-Mission befasst sich mit zahlreichen Aspekten bzw. Problematiken der afghanischen Sicherheitsbehörden. Involviert ist die Mission z. B. in die Förderung von Transparenz, in den Kampf gegen Korruption, den Ausbau der Streitkräfte, die Verbesserung des Geheimdienstes usw.

Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten. Die US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan (United States Forces-Afghanistan, USFOR-A) und die Resolute Support Mission werden von General John Nicholson koordiniert. Korruption, Vetternwirtschaft, schwache Führung usw. sind einige der Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit der ANDSF unterminieren. Einer Quelle zufolge ist der Einsatz von ausländischen Sicherheitskräften ein wirksames Mittel für die Verbesserung von einigen Bereichen wie die Institutionalisierung einer meritokratischen Anwerbung, Beförderungen im afghanischen Sicherheitsbereich und die Entpolitisierung der ANDSF.

(Auszug aus dem LIB, Pkt. 6. "Sicherheitsbehörden")

Folter und unmenschliche Behandlung

Laut den Artikeln 29 und 30 der afghanischen Verfassung ist Folter verboten. Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt wurden, sind ungültig. Auch ist Afghanistan Vertragsstaat der vier Genfer Abkommen von 1949, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC). Am 22. April 2017 genehmigte die afghanische Regierung ein neues Anti-Folter-Gesetz und erweiterte das im ursprünglichen Strafgesetzbuch enthaltene Folterverbot. Das neue Gesetz bezieht sich jedoch nur auf Folterungen, die im Rahmen des Strafrechtssystems erfolgt sind, und nicht eindeutig auf Misshandlungen, die von militärischen sowie anderen Sicherheitskräften verübt werden. Fehlende Regelungen zur Entschädigung von Folteropfern wurden im August 2017 durch ein entsprechendes Addendum ergänzt.

Trotz dieser Vorgaben gibt es zahlreiche Berichte über Misshandlungen durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Gefängnispersonal und Polizei. Quellen zufolge wenden die Sicherheitskräfte weiterhin exzessive Gewalt an, einschließlich Folter und Gewalt gegen Zivilisten. Personen, die im Rahmen des bewaffneten Konflikts festgenommen wurden, werden insbesondere während des ersten Verhörs gefoltert, um Geständnisse zu erhalten.

Im Zuge einer Befragung gaben für den Zeitraum 1.1.2015 - 31.12.2016 181 (39%) von 469 befragten Personen an, von den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF) gefoltert worden zu sein. Auch 38 (45%) von 85 befragten Kinder gaben an im Berichtszeitraum Opfer von Folter oder Missbräuchen geworden zu sein. Die meisten Misshandlungen fanden unter der Obhut des National Directorate of Security (NDS) und der afghanischen Nationalpolizei statt (ANP).

Zwei Jahre nach der Verlautbarung des Nationalplans von 2015 zur Eliminierung der Folter durch die afghanische Regierung, hat diese einige dauerhafte Fortschritte gemacht, insbesondere auf der Gesetzesebene. Zahlreiche im Nationalplan eingegangene Hauptverpflichtungen wurden jedoch nur teilweise verwirklicht

(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 7. "Folter und unmenschliche Behandlung")

Binnenflüchtlinge

Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs). Im Zeitraum 2012-2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen.

Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).

Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya. Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt.

Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz. Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung.

Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden.

Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe. Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern. Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw.

Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an.

Flüchtlinge in Afghanistan

Die afghanischen Gesetze sehen keine Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus vor und es existiert kein staatliches System zum Schutz von Flüchtlingen aus anderen Ländern.

In Afghanistan leben pakistanische Flüchtlinge, die 2014 aus Nord-Waziristan in die Provinzen Khost und Paktika geflüchtet sind.

42.262 dieser Flüchtlinge sind in der Provinz Khost registriert: Das Gulan-Flüchtlingslager in Khost beherbergt 13.167 pakistanische Flüchtlinge und der Rest lebt in anderen Distrikten der Provinz Khost. In der Provinz Paktika wurden 2016 35.949 pakistanische Flüchtlinge registriert. In den Provinzen Khost und Paktika wurden ca. 76.925 pakistanische Flüchtlinge aus Nord-Waziristan registriert und verifiziert. In den urbanen Zentren leben ungefähr 505 Asylwerber, die auf die Verabschiedung eines Asylgesetzes warten. Ihre lokale Integration ist aus rechtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und anderen Gründen derzeit unmöglich; auch bleiben die Umsiedlungsmöglichkeiten eingeschränkt.

(Auszug aus dem LIB, Pkt. 21. "Binnenflüchtlinge")

1.5.2. Lage der Heimatprovinz bzw. dem Heimatdistrikt des Beschwerdeführers in Afghanistan:

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl, die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird. Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind.

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen.

Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch.

Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Militärische Operationen in Ghazni

Militärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt, Aufständische werden getötet und festgenommen. Luftangriffe werden ebenso durchgeführt, bei denen auch Taliban getötet werden. Auch finden Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften statt.

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni

Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv. Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein.

Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei. Für den Zeitraum 1.1.-15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 4.10. "Ghazni")

1.5.3. Lage in der Stadt Mazar-e Sharif:

Allgemeines

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt der Provinz Balkh, die sich im Norden Afghanistans befindet. Die Bevölkerung von Balkh ist heterogen, wobei Tadschiken und Paschtunen die größten Gruppen bilden, gefolgt von Usbeken, Hazara, Turkmenen, Arabern und Belutschen. Die Bevölkerung von Mazar-e Sharif wird auf 368.000 bis 693.000 geschätzt und zeichnet sich durch ihre ethnische und sprachliche Vielfalt aus. Die Zentrale Statistische Organisation schätzt die Bevölkerung auf 402.806 Einwohner. Laut einer Umfrage vom Januar 2015 sind etwa 38% der Mazar-e Sharif-Bevölkerung Migranten. Die meisten von ihnen stammen aus anderen afghanischen Provinzen. Nur 17% der Migranten sind Rückkehrer aus dem Ausland. Laut UNHCR hat die Provinz Balkh seit Anfang 2015 19.764 konfliktinduzierte Binnenvertriebene erhalten: 2.509 im Jahr 2015 und 17.227 im Jahr 2016, von denen die meisten im städtischen und semi-urbanen Gebiet Mazar-e Sharif identifiziert wurden. Die steigende Zahl der Binnenvertriebenen in der Provinz Balkh ist ein Indikator für die sich verschlechternde Sicherheitslage in einer großen Zahl von Provinzen im Norden und Nordosten. Zusammenfassend hat die Provinz Balkh, meist Mazar-e Sharif, in den letzten zwei Jahren etwa 26.000 Menschen aufgenommen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus European Asylum Support Office ["Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen", in Folge:

"EASO"], Country of Origin Information Report Afghanistan, Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, August 2017 [in Folge:

"EASO-Bericht Sozioökonomie"], abrufbar unter:https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_COI_Afghanistan_IPA_August2017.pdf, abgerufen am 11.09.2018; Pkt. 1.3.)

Mazar-e Sharif ist eines der größten Handels- und Finanzzentren Afghanistans, das auch als das "de facto politische, wirtschaftliche und administrative Zentrum Nordafghanistans" bezeichnet wird. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Stadt liegt außerdem an einer wichtigen Ost-West-Verbindung zwischen Herat im Westen und Kabul und Kundus im Osten. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar. An der Grenze zu Usbekistan liegt der wichtige wirtschaftliche Trockenhafen Hairatan.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan, Security Situation, Dezember 2017 [in Folge: "EASO-Bericht Sicherheitslage"], abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_Afghanistan_security_situation_2017.pdf, abgerufen am 11.09.2018, Pkt. 2.1. und LIB, Pkt. 4.5. "Balkh").

Sicherheit

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen.

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 4.5. "Balkh")

Im Jahr 2017 gab es in der Provinz 9 zivile Opfer pro 100.000 Einwohner. Hinsichtlich der Art der Methoden und Taktiken zeigt COI, dass die Hauptursache für zivile Opfer IEDs (Non-Suicide), Bodenziele und nicht explodierte Munition/Minen waren. Weitere Auswirkungen auf das zivile Leben waren z.B.: Missbrauch durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppen, Schwierigkeiten bei der Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten aufgrund der Anwesenheit von Aufständischen, Behinderung der Polioimpfung. Einige konfliktbedingte Binnenvertreibungen fanden im Zeitraum Januar 2017 - März 2018 aus der Provinz statt, mit 150 Binnenvertriebenen pro 100.000 Einwohner. Andererseits wurde über eine erhebliche Vertreibung nach Balkh und insbesondere nach Mazar-e Sharif berichtet.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018 [in Folge:

"EASO-Länderleitfaden Afghanistan"], abrufbar hier:

https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/easo-country-guidance-afghanistan-2018.pdf, abgerufen am 11.09.2018, Pkt. römisch III.b.)

Laut UNAMA verursachten die Kämpfe zwischen regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen 2017 einen zivilen Toten in der Provinz Balkh. Es gab mehrere Berichte über Sicherheitsmaßnahmen, die in der Provinz Balkh durchgeführt wurden. Medienberichten zufolge hatte der amtierende Gouverneur und prominente Politiker Atta Mohammad Noor mehrere Operationen in einigen abgelegenen Bezirken der Provinz gestartet.

Im Januar 2017 kündigte die NDS an, eine Bombenfabrik der Taliban in der Balkprovinz entdeckt und beseitigt zu haben.

Im Oktober 2016 explodierte ein IED in der Nähe einer Moschee im Gebiet Khwaja Ghulak im Balkhdistrikt, wo sich schiitische Gläubige während der Ashura (einem religiösen Trauertag) versammelt hatten, tötete 18 Zivilisten und verletzte 67 weitere, darunter 36 Kinder. Während mehrere Quellen angaben, dass keine Gruppe die Verantwortung für den Angriff übernommen hat, gaben andere an, dass ISKP dies tat.

Regierungsfeindliche Elemente waren in der Lage, high-profile Angriffe in Mazar-e Sharif durchzuführen:

Es gab Berichte über IED-Explosionen in Mazar-e Sharif, die im Herbst 2016 zivile Opfer forderten. Medienquellen berichteten, dass Sicherheitskräfte des amtierenden Provinzgouverneurs Atta Mohammad Noor im Februar 2017 einen Mann am Steuer eines Autos getötet haben, der in Richtung der Residenz des amtierenden Gouverneurs raste. Die Umstände des Vorfalls waren unklar und es wurde eine Untersuchung eingeleitet. Es wurden keine weiteren Informationen über die Ergebnisse der Untersuchung gefunden. Ein Insiderangriff innerhalb des 209. Shaheen Military Corps wurde im Juni 2017 gemeldet, der zur Verletzung von 7 US-Soldaten führte. Im August 2017 wurde über einen Konflikt zwischen Anhängern von Atta Mohammad Noor und dem Mitglied des Provinzialrats Asif Mohmand berichtet. Zwei Menschen starben an den Folgen der Zusammenstöße kurz vor der Landung von Asif Mohmand auf dem Flughafen Mazar, wo er verhaftet wurde. Es war unklar, wer seine Verhaftung angeordnet hatte.

Die Taliban haben sich für einen Angriff auf das deutsche Konsulat in der Balkh-Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif am 10. November 2016 verantwortlich erklärt, bei dem 4 Zivilisten starben und 131 Zivilisten verletzt wurden, darunter 29 Kinder und 19 Frauen. Infolge einer selbstmörderischen fahrzeuggetragenen IED-Explosion erlitt das Konsulatsgebäude schwere Schäden. Es gab auch erhebliche Schäden am umliegenden Eigentum. Die Taliban erklärten, dass der Angriff als Vergeltung für die Luftangriffe in Kunduz Anfang November 2016 durchgeführt wurde, bei denen 32 Zivilisten getötet und 36 weitere verletzt wurden. Am 21. April 2017 führten die Taliban einen Großangriff auf einen afghanischen Armeestützpunkt in der Nähe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif durch, in dem sich das

209. Korps der afghanischen Armee sowie ein Kontingent der Bundeswehr befinden. Der Angriff führte zu einer der tödlichsten Zölle bei einem Angriff der Taliban auf die afghanische Armee", wobei mehr als 100 Soldaten getötet und viele verletzt wurden.

(Auszug aus EASO, COI Report: Afghanistan: Security Situation, December 2017, Pkt. 2.5)

Aufständische konnten mehrere Angriffe in Mazar-e Sharif durchführen: Im Oktober starben Schützen auf einem Motorrad den Sprecher des Gouverneurs bei einem gezielten Angriff in Mazar-e Sharif. Im November 2017 zielte ein Selbstmordattentäter auf eine bekannte Person und Stammesälteste in Mazar-e Sharif, tötete den Mann und verletzte zwei weitere. Später in diesem Monat wurde ein weiterer Mann bei einer Explosion in seinem Auto in Mazar-e Sharif getötet, und im Dezember 2017 wurden neun Zivilisten und zwei Polizisten verletzt, als eine Bombe am Straßenrand ein Polizeifahrzeug traf. Ein Zivilist wurde getötet und zwei weitere verletzt, als eine Magnetbombe ihr Fahrzeug in der Provinzhauptstadt traf.

(Auszug aus EASO, COI Report: Afghanistan: Security Situation - Update, Mai 2018 [in Folge: "EASO-Sicherheitsupdate Mai 2018", abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan-security_situation_2018.pdf, abgerufen am 21.09.2018], Sitzung 49)

Erreichbarkeit von Österreich

Der Flughafen von Mazar-e Sharif, der 2013 eröffnet wurde, ist auch als Mazar Mawlana Jalaluddin Balkhi International Airport bekannt. Turkish Airlines bietet seit 2013 Direktflüge von und nach Istanbul von Mazar-e Sharif an. Der Flugplan von Kam Air listet 2017 internationale Flüge von Mazar-e Sharif nach Istanbul und Mashhad, entsprechend dem Online-Flugplan. Flüge nach Delhi und Dubai sind ebenfalls gelistet, jedoch mit dem Datum 2015. Im März 2017 führte Kam Air auch einen Dienst zwischen Herat und Mazar-e Sharif als über den Flug RQ-006 aktiv an.

Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 4.35 "Erreichbarkeit - Flugverbindungen" und "EASO-Bericht Sozioökonomie"], Pkt. 5.3.3.)

Wirtschaftliche Lage durch bzw. für Rückkehrer

Rückkehrer aus anderen Staaten

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt und war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung.

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart römisch II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird.

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben.

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden.

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen.

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können.

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 24. "Rückkehr")

Versorgung mit Lebensmitteln

Generell gibt es in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Kabul keine Nahrungsmittelknappheit. Die wichtigste Variable beim Zugang zu Nahrungsmitteln sind die dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Existenzmittel, die im Falle von Vertriebenen ein besonderes Anliegen sein können.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.4.)

Wohnungsmarkt in Mazar-e Sharif

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 besitzt die Mehrheit der Einwohner in Mazar-e Sharif ihre Häuser während 24,5 % ihre Wohnungen mieten. Mehr als die Hälfte der Häuser in der Stadt sind aus Schlamm oder Erde mit Holzbalken gebaut, der Rest aus Kalk mit Ziegeln und Metall, Zement oder anderen Materialien. Die meisten haben Erdboden (70 %) oder Zement (26 %). Die Haushalte in Mazar-e Sharif werden mit Holz, Holzkohle oder Kohle beheizt. Der Strom ist in der Regel in der Stadt verfügbar (93 % der Haushalte haben Zugang). Die meisten Menschen haben Zugang zu verbesserten Trinkwasserquellen (76 %), meist in Rohrleitungen oder aus den Brunnen. 92 % der Haushalte verfügen über verbesserte sanitäre Einrichtungen. Laut IOM lagen die Mietkosten in Mazar-e Sharif im Jahr 2014 zwischen 150-250 USD für eine Dreizimmerwohnung in einem sicheren Bereich. Der Preis für eine ähnliche Wohnung betrug USD 40.000. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 haben etwa 94 % der Haushalte Zugang zum Handy, 91 % haben einen Fernseher, 51 % einen Kühlschrank, 28 % einen Computer, 20 % haben ein Auto, 20 % Zugang zum Internet.

In den Städten gibt es auch die Möglichkeit, günstig in sog. "Teehäusern" (engl. "tea houses") Unterkunft zu nehmen, die zudem einen wichtigen Treffpunkt und Schauplatz für Sozialisation darstellen.

Darüber hinaus gibt es seit 2016 in Mazar-e Sharif keine humanitären Organisationen mehr, die bei der Unterbringung von Rückkehrern und konfliktbedingten Binnenvertriebenen helfen. Die Provinzbehörden in Mazar-e Sharif und der Balkh-Provinz hatten in der Vergangenheit Land zugewiesen, um die Rückkehr und Wiedereingliederung afghanischer Flüchtlinge, die aus Pakistan und dem Iran zurückkehren, zu unterstützen. Der größte Teil des von den Provinzbehörden zugewiesenen Landes war jedoch nicht förderlich für eine effektive und nachhaltige Wiedereingliederung, da es sich in abgelegenen geografischen Gebieten und in Gebieten befand, die von militanten Gruppen angefochten wurden. Dies führte dazu, dass einige Standorte von Rückkehrern und Binnenvertriebenen verlassen wurden, die in das Stadtzentrum von Mazar-e Sharif zogen und heute unter prekären Bedingungen mit Verwandten oder in provisorischen Unterkünften leben.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan, Afghanistan Networks, Februar 2018 [in Folge:

"EASO-Bericht Netzwerke"], abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan_Networks.pdf, abgerufen am 11.09.2018, Pkt. 4.2. und EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.7.6).

Sanitäre Situation

Der Zugang zu Trinkwasser ist oft eine Herausforderung, vor allem in den Slums und Binnenvertriebenen-Siedlungen in Kabul. In Mazar-e Sharif haben die meisten Menschen Zugang zu verbesserten Wasserquellen und verbesserten Sanitäranlagen.

(Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.7.3.1.)

Arbeitsmarkt

Die Bevölkerung von Mazar-e Sharif liegt bei etwa 590.000 Einwohnern und steht angesichts seiner "starken und relativ diversifizierten Volkswirtschaften, einschließlich eines robusten Bau-, Verarbeitungs- und Dienstleistungssektors", "unter erheblichem Urbanisierungsdruck". Die relativ friedliche Situation in der Provinz Balkh im ersten Jahrzehnt nach dem Übergang ermöglichte einen wirtschaftlichen Aufschwung und einen "Wirtschaftsboom" nach 2004. Die Wirtschaftsleistung von Mazar-e Sharif hat viele Arbeitskräfte aus dem ländlichen Raum, aus benachbarten Bezirken, Provinzen und noch weiter entfernt angezogen. Eine Studie von Samuel Hall aus dem Jahr 2014 zur städtischen Armut ergab, dass die Stadt den mit Abstand größten Anteil an Wirtschaftsmigranten aller fünf Großstädte Afghanistans hatte. Durch die Anbindung an Zentralasien und die vorteilhafte zentrale Lage im Norden Afghanistans ist Mazar-e Sharif ein wichtiges Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan. Mazar-e Sharif ist auch ein Industriezentrum mit einer großen Anzahl von kleinen und mittleren Unternehmen und mehreren großen Produktionsunternehmen. Im Vergleich zu anderen Großstädten hat Mazar-e Sharif den größten Anteil an Selbstständigen, gefolgt von Angestellten und Tagelöhnern. Nach Angaben der afghanischen Regierung ist die KMU-Industrie in Mazar-e Sharif gut entwickelt und bietet Qaraqul-Haut, Kunsthandwerk und Teppiche. Auch Bergbau, Textilien und landwirtschaftliche Erzeugnisse gewinnen an Bedeutung". Die boomende städtische Wirtschaft von Mazar-e Sharif hat vielen Haushalten eine Quelle nichtlandwirtschaftlichen Einkommens gebracht, die jedoch seit etwa 2013 deutlich zurückgegangen ist. Dies ist auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen, vor allem auf den Rückgang der internationalen Finanzströme, der die Beschäftigung auf Militärstützpunkten und im Baugewerbe eingeschränkt hat. So verloren schätzungsweise 7.000 Menschen ihren Arbeitsplatz durch die Schließung von zwei Militärbasen in und um Mazar-e Sharif. Auch hier hat die Unsicherheit aufgrund der politischen Instabilität in der Regierung der Nationalen Einheit die Wirtschaft von Mazar-e Sharif beeinflusst. Geschäftsleute nahmen eine abwartende Haltung ein. Das Geschäftsklima in der Provinz Balkh ist seit der zweiten Jahreshälfte 2015 weitgehend negativ, hauptsächlich aufgrund von "Sicherheitsfaktoren Während es keine formalen Wirtschaftsstatistiken gibt, gab es laut Analyst Paul Fishstein klare Indikatoren, dass Bau, Investitionen und Handel in Mazar-e Sharif rückläufig waren, wobei Gelegenheitsarbeiter weniger Arbeit und stagnierende oder niedrigere Löhne fanden. Diejenigen, die zur Gelegenheitsarbeit nach Mazar-e Sharif kommen, sind gegenüber denjenigen, die besser bekannt sind und ihre Netzwerke besser nutzen, um Arbeit zu finden, benachteiligt. Im Jahr 2013 lag die Arbeitslosenquote der Provinzen über dem nationalen Durchschnitt, während die Unterbeschäftigungsquote darunter lag. Laut einer Studie von Mercy Corps und Samuel Hall aus dem Jahr 2011 ist der wichtigste Rekrutierungskanal in Mazar-e Sharif, wie in anderen Städten, das soziale Netzwerk: 85 % der Werktätigen gaben an, durch Freunde oder Familienangehörige rekrutiert worden zu sein, entweder als Arbeitgeber oder als Arbeitnehmer. Nur 7 % der Mitarbeiter gaben an, einen formellen Arbeitsvertrag zu haben. Dies unterstreicht den informellen Charakter der Arbeitsbeziehungen in Afghanistan. Sie bestätigt auch die Annahme, dass es sich bei den meisten Unternehmen um Familienunternehmen handelt, bei denen kein Vertrag als notwendig erachtet wird. Die Gehälter in Mazar-e Sharif liegen nahe am Durchschnitt anderer nördlicher Städte. Laut Afghanistan Rights Monitor: Baseline Report vom April 2016 wird hier einheitlich behauptet, dass der Zugang zur Beschäftigung durch Korruption und Vetternwirtschaft stark beeinträchtigt wird. Bestechung ist eine Voraussetzung für die Aufnahme einer Beschäftigung, auch wenn ein Kandidat über die erforderlichen Qualifikationen verfügt. Es wird behauptet, dass gewöhnliche Regierungspositionen für bis zu 60.000 Afghanen verkauft werden".

Der Zugang zu Beschäftigung für Binnenvertriebene und Rückkehrer in Mazar-e Sharif

UNHCR erklärte 2017, dass sowohl Binnenvertriebene als auch Rückkehrer vor großen Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, sinnvolle Beschäftigungs- und Lebenschancen zu erhalten. Binnenvertriebene, die meist ehemalige Bauern sind und ihr Vieh und ihre Ernte an Ort und Stelle verloren haben, sind oft auf tägliche Lohnarbeit angewiesen. Diese Jobs sind in der Herbst- und Wintersaison begrenzter. Auch Rückkehrer sind meist auf tägliche Lohnarbeit angewiesen. Das durchschnittliche Tageseinkommen für Rückkehrer und Binnenvertriebene liegt zwischen 50 und 100 AFS.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.2.7)

Der Arbeitsmarkt in Afghanistan ist herausfordernd und die Arbeitslosigkeit hoch. So wuchs in den Jahren 2016-2017 die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner).

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen.

Auch für höher gebildete und höherqualifizierte Personen ist es, nach einer Quelle der UN schwierig, ohne ein Netzwerk Arbeit zu bekommen und ohne jemanden zu haben, welcher jemandem einem Arbeitgeber vorstellt. Afghanistan wird von Amnesty International als hochgradig korrupt beschrieben. Nepotismus ist weitverbreitet und die meisten höheren Positionen in der Verwaltung und Gesellschaft im Allgemeinen werden auf Grundlage von Beziehungen und früheren Bekanntschaften verteilt. Aus Sicht eines Arbeitgebers ist es sinnvoll jemanden aus seinem eigenen Netzwerk aufzunehmen, weil man genau weiß, was man bekommt. Wenn jemand aus der erweiterten Familie aufgenommen wird, so bleiben die Ressourcen im Familiennetzwerk. Eine Studie aus 2012 der ILO über Beschäftigungsmuster in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher einstufen als formale Qualifikationen und, dass dies der Schlüssel zur Sicherung von Beschäftigung wäre. Nach einer Analyse von Landinfo hat sich daran seit 2012 nichts geändert.

Nach der IOM gibt es lokale Webseiten, welche freie Stellen im öffentlichen und privaten Sektor ausweisen. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, ungeregelten Arbeitsmarkts. Der Arbeitsmarkt besteht hauptsächlich aus manueller Arbeit ohne die Anforderung für eine formale Ausbildung und gibt das niedrige Bildungsniveau wieder.

Eine lokale Botschaft beschreibt, wie Tagelöhner von der Straße angeworben werden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 22. "Grundversorgung und Wirtschaft" sowie dem EASO-Bericht Netzwerke, Pkt. 4.1.)

1.5.4. Meldesystem:

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan. Ebenso wenig gibt es "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen, jedoch verfügen die lokalen Gemeinschaften über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 20.1. "Meldewesen").

1.5.5. Bankensystem:

Geld kann über das Bankensystem überwiesen werden, aber nicht alle Afghanen haben ein Bankkonto. Dies gilt insbesondere für die ländliche Bevölkerung. Das Vertrauen der Bevölkerung in Banken und Bankensysteme ist gering.

Für diejenigen, welche das Bankensystem nicht nutzen können oder wollen kann Geld durch ein informelles Überweisungssystem überwiesen werden ("Hawala"). Dabei handelt es sich um ein etabliertes System für grenzüberschreitende Zahlungen und Geldüberweisungen, dem die Bevölkerung vertraut. Ein gewisser Prozentsatz der überwiesenen Summe wird als Gebühr einbehalten. Geld kann in alle Teile des Landes überwiesen werden, auch nach und von Nachbarstaaten, wie dem Iran und Pakistan.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem EASO-Bericht Netzwerke, Pkt. 4.3.)

1.5.6. Medizinische Versorgung:

Allgemeines

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten. In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht, allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Die Qualität der Kliniken variiert stark, da es praktisch keine Qualitätskontrollen gibt. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung.

In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen, die vier häufigsten sind Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Mittlerweile existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt.

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen. Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Da die Kosten von Behandlung in privaten Kliniken vom Patienten selbst getragen werden müssen ist die Qualität der Behandlungen stark einkommensabhängig.

In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 23. "Medizinische Versorgung")

1.5.7. Potentielle Risiken für den Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Afghanistan:

Situation ethnischer Minderheiten

Allgemeines

In Afghanistan gibt es mehrere ethnische Minderheiten; die Bevölkerung setzt sich aus 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, etwa 10% Hazara und 9% Usbeken zusammen. Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort "Afghane" wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Dessen ungeachtet beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen. Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 17. "Ethnische Minderheiten")

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara begleitet eine lange Geschichte der Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung; Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Hazara sind auch gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch hat sich die Situation grundsätzlich verbessert. Hazara sind auch keiner gezielten Diskriminierung wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt.

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.

Auch nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender in Afghanistan droht ethnischen Minderheiten, wie den Hazara, in Afghanistan teilweise eine schlechte Behandlung. So sind diese gesellschaftlicher Diskriminierung und Misshandlung ausgesetzt. Ihnen droht auch eine schlechte Behandlung durch Taliban (beispielsweise Entführung, Schikanierung, Tötung). Die Hazara haben jedoch seit Ende des Taliban-Regimes im Jahr 2001 erhebliche wirtschaftliche und politische Fortschritte gemacht.

(Zusammenfassung unter Wiedergabe der entscheidungsrelevanten Passagen aus dem LIB, Pkt. 17.2 "Hazara", sowie den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, HCR/EG/AFG/16/02 [in Folge: "UNHCR-Richtlinien", abrufbar unter:

http://www.refworld.org/docid/570f96564.html, abgerufen am 21.08.2018], Pkt. römisch III.A.13.b. "Hazara")

Seit dem Sturz des Taliban-Regimes haben die Hazara ihre Position in der Gesellschaft verbessert, und die afghanische Verfassung schließt die Hazara als eines der Völker ein, aus denen die Nation Afghanistan besteht. Es gibt keine Informationen über Misshandlungen durch den Staat. Angriffe auf Hazara durch aufständische Gruppen haben stattgefunden, besonders an Orten, an denen sich Hazara oder Shiiten versammeln, wie religiöse Gedenkfeiern oder politische Demonstrationen. Solche Angriffe könnten mit ihrer Religion zusammenhängen. Die ISKP zielt unter anderem auch auf die Hazara wegen ihrer wahrgenommenen Nähe und Unterstützung für den Iran und den Kampf gegen den islamischen Staat in Syrien. Es gibt Fälle, in denen Hazara-Zivilisten entführt oder getötet werden, während sie auf den Straßen unterwegs sind. Bei gemeldeten Vorfällen, bei denen Hazara-Straßenpassagiere ausgesondert und getötet oder entführt wurden, konnten oft andere Gründe festgestellt werden, wie z.B. unpolitische kommunale Streitigkeiten oder die Person, die Mitglied des ANSF ist, einen Arbeitsplatz in der Regierung oder im NRO-Sektor hat usw., wobei diese Vorfälle mit anderen Profilen verknüpft wurden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Pkt. 17.a., unter dortiger Angaben weiterer Quellen)

Schiiten

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen. Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.

Während einige Quellen zwar angeben, dass die offene Diskriminierung von Schiiten durch Sunniten abgenommen habe, berichten andere Quellen von fortgesetzter Diskriminierung. Außerdem wird die schiitische Bevölkerung nach wie vor gewaltsam durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) angegriffen. Es ist darauf hinzuweisen, dass ethnische Zugehörigkeit und Religion in Afghanistan oftmals untrennbar miteinander verbunden sind, insbesondere in Bezug auf die vorwiegend schiitische ethnische Gruppe der Hazara. Daher kann oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits und Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Pkt. 16.1 "Schiiten", sowie UNHCR-Richtlinien, Pkt. römisch III.A.5.a.)

Im Jahr 2016 zeigte UNAMA Bedenken über ein aufkommendes Muster bewusster konfessioneller Attacken gegen die die Minderheit schiitischer Moslems. Dieses Muster setzte sich in der ersten Hälfte des Jahres 2017 fort. Nach Borhan Osman können Vorfälle, welche auf Schiiten abzielen in zwei Hauptkategorien eingeordnet werden:

Einerseits Attacken auf Plätze, an welchen sich Schiiten in den Städten versammeln, wie etwa Moscheen in Kabul oder Herat, während religiösen Gedenkfeierlichkeiten in den Städten Kabul oder Mazar-e Sharif oder während politischen Demonstrationen in Kabul. Andererseits in Vorfälle, bei welchen Hazara aus Bussen ausgesondert wurden, was in ländlicheren Gebieten in den Provinzen wie Baghlan, Sar-e Pul, Ghor, Balkh, Wardak, Ghazni oder geschah.

Nach Ansicht des Analysten Borhan Osman besteht das Hauptrisiko für Hazara oder Shiiten wegen deren Ethnie oder konfessioneller Ausrichtung zum Ziel zu werden in Attacken auf Versammlungen, religiösen Gedenkfeierlichkeiten oder Demonstrationen in den Städten. Dieses Muster deutet auf eine neue aufkommende Dynamik in dem Konflikt in Afghanistan hin, wobei es zu früh ist irgendwelche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Allerdings, nach Aussage von Anad Gopal steigt das Muster an.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus EASO, Country of Origin Report Afghanistan: Individuals targeted by armed actors in the conflict, Dezember 2017 [in Folge: "EASO-Bericht Verfolgung Einzelner durch bewaffnete Akteure"], abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan_targeting_conflict.pdf, abgerufen am 11.09.2018, Pkt. 1.2.10.2)

Situation für Rückkehrer aus dem Westen / Risiken aus einer "Verwestlichung"

Berichten zufolge werden Personen von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen, die vermeintlich Werte und/oder ein Erscheinungsbild angenommen haben, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden, und denen deshalb unterstellt wird, die Regierung und die internationale Gemeinschaft zu unterstützen. Es liegen Berichte über Personen vor, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten und von regierungsfeindlichen Gruppen als "Ausländer" oder vermeintliche für ein westliches Land tätige Spione gefoltert oder getötet wurden. Ähnlich kann Personen mit Profilen als "Mitarbeiter von humanitären Hilfs- und Entwicklungsorganisationen" und "Frauen im öffentlichen Leben" von regierungsfeindlichen Gruppen zur Last gelegt werden, Werte und/oder ein Erscheinungsbild übernommen zu haben, die mit westlichen Ländern in Zusammenhang gebracht werden. Auch aus diesem Grund können sie Opfer von Angriffen werden.

Generell kann gesagt werden, dass Afghanen, die sich mit westlichen Werten identifizieren, von aufständischen Gruppen angegriffen werden können, da sie als unislamisch oder regierungsfreundlich wahrgenommen werden können oder als Spione betrachtet werden können.

(Auszug aus den UNHCR-Richtlinien, Sitzung 46 f)

Generell kann gesagt werden, dass Afghanen, die sich mit westlichen Werten identifizieren, von aufständischen Gruppen angegriffen werden können, da sie als unislamisch oder regierungsfreundlich wahrgenommen werden können oder als Spione betrachtet werden können.

Für die Gesellschaft ist eine Unterscheidung nach der Einstellung gegenüber Männern einerseits und Frauen andererseits erforderlich. Afghanische Frauen und Kinder, die sich an die Freiheiten und die Unabhängigkeit im Westen gewöhnt haben, können Schwierigkeiten haben, sich an die sozialen Restriktionen in Afghanistan anzupassen. Frauen können auch als "verwestlicht" angesehen werden, wenn sie außerhalb des Hauses arbeiten oder eine höhere Ausbildung haben. Frauen, die als "verwestlicht" wahrgenommen werden, können als gegen kulturelle, soziale und religiöse Normen verstoßend empfunden werden und können Gewalt von ihrer Familie, konservativen Elementen in der Gesellschaft und Aufständischen ausgesetzt sein.

Bei den Männern sind die gesellschaftlichen Haltungen gegenüber "verwestlichten" Individuen gemischt. Es werden nur sehr wenige Fälle von Vorfällen im Zusammenhang mit der "Verwestlichung" gemeldet. Teile der Gesellschaft, meist in Städten (z.B. Kabul-Stadt), sind offen für westliche Ansichten, während andere Teile, meist in ländlichen oder konservativen Umgebungen, dagegen sind.

(Auszug aus dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Juni 2018, Sitzung 57 mit dortigen Hinweisen auf weitere Berichte dieser Organisation)

Wahrnehmung als reich

Rückkehrer könnten von der afghanischen Gesellschaft als reich wahrgenommen werden. Einige Fälle werden berichtet, in denen Rückkehrer Bedrohungen erhielten oder von Kriminellen wegen ihres wahrgenommenen Reichtums erpresst wurden.

(Zusammenfassung aus folgender Quelle: EASO, Country of Origin Report Afghanistan: Individuals targeted under societal and legal norms, Dezember 2017 [in Folge: "EASO-Bericht Verfolgung Einzelner durch die Gesellschaft"], abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan_targeting_society.pdf, abgerufen am 11.09.2018, Pkt. 8.5.).

Personen, die im Iran oder Pakistan geboren wurden und/oder dort für einen längeren Zeitraum gelebt haben.

Dieses Profil bezieht sich auf Afghanen, die in Iran oder Pakistan geboren wurden oder eine sehr lange Zeit als Flüchtling oder Migrant dort gelebt haben. Nicht an afghanische Normen und Erwartungen gewöhnt zu sein und kein Unterstützungsnetz in Afghanistan zu haben, kann zu Schwierigkeiten bei der Suche nach Arbeit oder Unterkunft führen. Afghanen, die lange Zeit außerhalb Afghanistans lebten, können auch einen starken Akzent haben, was ein weiteres Hindernis bei der Arbeitssuche wäre.

In Ausnahmefällen und auf der Grundlage zusätzlicher individueller Umstände könnte die Häufung von Maßnahmen, einschließlich Menschenrechtsverletzungen, die so schwerwiegend sind, dass sie eine Person in ähnlicher Weise betreffen, einer Verfolgung gleichkommen. Zusammenhang mit einem Verfolgungsgrund Verfügbare Informationen deuten darauf hin, dass es im Falle von Personen, die im Iran oder Pakistan geboren wurden und/oder dort lange Zeit gelebt haben, im Allgemeinen keinen Zusammenhang mit einem Verfolgungsgrund des Übereinkommens gibt. Dies gilt unbeschadet der Einzelfälle, in denen aufgrund zusätzlicher Umstände ein Zusammenhang hergestellt werden könnte.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Pkt. römisch II.21., unter dortiger Angabe weiterer Berichte dieser Organisation)

Situation betreffend Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung durch die Taliban

Allgemeines

Regierungsfeindliche Kräfte nutzen in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, Berichten zufolge verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind Berichten zufolge ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden.

Regierungsfeindliche Kräfte rekrutieren, wie berichtet wird, weiterhin Kinder - sowohl Jungen als auch Mädchen - um sie für Selbstmordanschläge, als menschliche Schutzschilde oder für die Beteiligung an aktiven Kampfeinsätzen einzusetzen, um Sprengsätze zu legen, Waffen und Uniformen zu schmuggeln und als Spione, Wachposten oder Späher für die Aufklärung zu dienen.

(Auszug aus den UNHCR-Richtlinien, Pkt. römisch III.A.3.a)

Die Taliban haben keinen Mangel an Freiwilligen bzw. Rekruten und nutzen die Zwangsrekrutierung nur in Ausnahmefällen. So wird beispielsweise berichtet, dass die Taliban versuchen, Personen mit militärischem Hintergrund, wie beispielsweise Mitglieder des ANSF, zu rekrutieren. Die Taliban nutzen auch die Zwangsrekrutierung in Situationen akuten Drucks. Druck und Zwang zur Aufnahme in die Taliban sind nicht immer gewalttätig und werden oft über die Familie, den Klan oder das religiöse Netzwerk ausgeübt, je nach den örtlichen Gegebenheiten. Es kann gesagt werden, dass die Folgen einer Nichtbefolgung im Allgemeinen ernst sind, einschließlich Berichten über Bedrohungen der Familie der angesprochenen Rekruten, schwere Körperverletzungen und Morde.

Obwohl die Taliban intern keine Kinder rekrutieren, deuten die verfügbaren Informationen darauf hin, dass die Rekrutierung von Kindern, insbesondere von Jungen nach der Pubertät, erfolgt. Kinder können von aufständischen Gruppen auf vielfältige Weise einer Gehirnwäsche unterzogen werden und können in Madrassas indoktriniert werden, einschließlich der Verbringung nach Pakistan zur Ausbildung.

(Zusammenfassung aus EASO, Country of Origin Report: Afghanistan, Recruitment by armed groups, September 2016 [in Folge: "EASO-Bericht Rekrutierung", abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan_Recruitment_German.pdf, abgerufen am 21.09.2018], Pkt. 1.5, 5.2., 5.2.1.2, 5.2.1.3 und 5.2.1.4).

Rekrutierungen der Hazara durch die Taliban kommen vor, sind jedoch nicht weit verbreitet. Zumal laut Osman nicht ersichtlich sei, wie oder warum die Taliban Menschen aus der ethnischen Gruppe der Hazara oder der schiitischen Sekte gewaltsam rekrutieren würden, weil sie ihnen vertrauen müssten.

(Zusammenfassung bzw. Auszug aus Staatendokumentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: "Hazara als Talibankämpfer" vom 21.02.2017)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person:

Der Beschwerdeführer hat während des verwaltungsbehördlichen Verfahrens sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu seinem Namen, seiner Staatsangehörigkeit, Herkunft, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seinen sonstigen persönlichen Umständen (insbesondere zu seiner beruflichen Tätigkeit; s. Pkt. römisch II.1.1.1., römisch II.1.1.2. und römisch II.1.1.4.) stets gleiche und zusammenhängende Angaben gemacht. Die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari wurde von der bestellten Dolmetscherin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. In der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer in nicht als unglaubwürdig zu erkennender Weise angegeben, dass er auch Urdu, Englisch und Deutsch spreche und, jedenfalls geringe, Lese- und Schreibkenntnisse in den Sprachen Deutsch und Englisch besitze.

Die Feststellungen zum Geburtsdatum sowie die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den konsistenten, im Rahmen der behördlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht getätigten Angaben (s. Pkt. römisch II.1.1.5., AS 169 und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht [in Folge: "VHS"] Sitzung 3).

Die Feststellungen zur familiären Herkunft des Beschwerdeführers sowie zu dessen derzeitiger Wohn-, Versorgungs- und Vermögenssituation ergeben sich aus den diesbezüglichen als glaubhaft zu beurteilenden Aussagen im Rahmen der behördlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (s. Pkt. römisch II.1.1.3., AS 173 und VHS Sitzung 6).

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine Probleme mit den afghanischen Behörden hatte, dort auch keine strafbaren Handlungen begangen hat sowie dort nicht politisch tätig war, ergeben sich aus seinen nicht als unglaubwürdig zu erkennenden Angaben vor der belangten Behörde (s. AS 179).

Die Feststellungen zur Ausreise aus Pakistan sowie zur Antragstellung in Österreich ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, dem erkennenden Gericht sowie dem Verfahrensakt.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen:

Hinsichtlich des fluchtauslösenden Ereignisses - s. dazu auch die in der rechtlichen Beurteilung dargestellten, der Rechtsprechung zu entnehmenden Grundsätze der Beweiswürdigung in Asylverfahren (s. Pkt. römisch II.3.2. Abschnitt zur "Glaubhaftmachung") - hat der Asylwerber, um dieses glaubhaft zu machen, insbesondere die in seiner Sphäre gelegenen Umstände einigermaßen plausibel und genügend substantiiert zu schildern, weiters muss - wobei es darauf ankommt, ob Aussagen in unwesentlichen Details oder im Kern variieren - das Vorbringen, um glaubwürdig zu sein, in sich schlüssig sein. Von Bedeutung ist für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit auch, wann im Verfahren der Asylwerber bestimmte Angaben tätigt. Zu berücksichtigen ist schließlich immer auch die persönliche Glaubwürdigkeit des Asylwerbers an sich. Vor diesem Hintergrund ist betreffend den gegenständlichen Fall, auch nach dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnenen persönlichen Eindrucks, Folgendes zu erwägen:

Die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaats als Kind wie auch später Pakistans folgen aus den konsistenten und auch entsprechend detaillierten Angaben sowohl im Rahmen der Erstbefragung wie auch vor der belangten Behörde (AS 177). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer keine anderen Gründe an (VHS Sitzung 11).

2.3. Zu den Feststellungen zum Leben in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben in Österreich (betreffend eigene Familienangehörige oder Verwandte in Österreich, Beziehungen zu anderen Österreichern und Afghanen, Erlernen der deutschen Sprache, Erwerbstätigkeiten, Lebensunterhalt, ehrenamtliche Tätigkeiten sowie sonstige Aktivitäten) folgen aus den klar geäußerten und widerspruchsfrei gebliebenen Angaben zu den Fragen des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung sowie einer Reihe vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit sich das erkennende Gericht nicht zu zweifeln veranlasst sah (s. die der VHS angeschlossenen Beilagen ./1 bis ./4). Vom festgestellten erlangten Niveau der deutschen Sprache konnte der erkennende Richter sich in der mündlichen Verhandlung persönlich überzeugen.

Die Feststellung, wie er von seinem sozialen Umfeld wahrgenommen wird gründen auf den in der Einvernahme vor der belangten Behörde vorgelegten Urkunden (s. AS 153). Auch bei diesen Urkunden sah sich das erkennende Gericht nicht veranlasst, an deren Echtheit und Richtigkeit zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Unbescholtenheit ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Beschwerdeführers sowie einer Einsicht in das Strafregister.

2.4. Zu den Feststellungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers bei Rückkehr nach Afghanistan:

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan in geringem Ausmaß durch seine Familie, welche nunmehr in Pakistan lebt, - übergangsweise und in geringem Umfang - finanziell unterstützt werden könnte, ergibt sich zunächst aus den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan: So ist die Gesellschaft der Hazara traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie (s. oben Pkt. römisch eins.1.5.7.). Soweit es um Überweisung von Geldmittel geht, gibt es in Afghanistan - d.h. sodann auch in der Stadt Mazar-e Sharif - ein funktionierendes Bankenwesen, einschließlich der Möglichkeit, etwa Western Union zu nutzen (dazu oben Pkt. römisch eins.1.5.5.).

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sein Bruder als Hilfsarbeiter tätig sei, und mit dem Einkommen die gesamte Familie zu versorgen versuchen würden (s. VHS Sitzung 6). Es wird daher zwar nicht verkannt, dass der Bruder noch weitere Personen, nämlich zumindest die Eltern, zu versorgen hätte, allerding kann durch dessen Tätigkeit darauf geschlossen werden, dass die Möglichkeit einer, zumindest geringfügigen, finanziellen Unterstützung während der ersten Zeit nach der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan besteht.

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rückkehrunterstützungen ergibt sich aus der Anfragebeantwortung "Sozialleistungen für Rückkehrer" der Staatendokumentation von Februar 2018. Die Informationen sind aktuell und schlüssig und blieben als solches vom Beschwerdeführer unbestritten.

2.5. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Feststellungen zur Allgemeinen Lage in Afghanistan (Pkt. römisch II.1.5.1, allgemeine Sicherheits-, Grundversorgungs- und Wirtschaftslage, regierungsfeindliche Gruppierungen, Rechtsschutz und Justizwesen, Sicherheitsbehörden, Folter und unmenschliche Behandlung, Binnenflüchtlinge), zur Lage in der Stadt Mazar-e Sharif (Pkt. römisch II.1.5.3.) - siehe aber auch nachstehend zu anderen herangezogenen Quellen -, im Hinblick auf die Erreichbarkeit von Österreich, Sicherheitslage und wirtschaftlicher Lage durch bzw. für Rückkehrer (einschließlich Arbeitsmarkt), zum Meldesystem (Pkt. römisch II.1.5.4), sowie zur medizinischen Versorgung (Pkt. römisch II.1.5.6.) sowie die Feststellungen zur Lage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers bzw. in dessen Heimatdistrikt (Pkt. römisch II.1.5.2.) stützen sich auf das im Entscheidungszeitpunkt hinreichend aktuelle (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018), nachvollziehbare und schlüssige, von der Staatendokumentation der belangten Behörde zusammengestellte Länderinformationsblatt zu Afghanistan. Ein entsprechender Beweiswert dieser Informationen ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht schon daraus, dass aufgrund von Paragraph 5, Absatz 2, BFA-Einrichtungsgesetz vorgesehen ist, dass die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (als allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind. Die Dokumentation ist weiters in Bezug auf Fakten, die nicht oder nicht mehr den Tatsachen entsprechen, zu berichtigen. Eine allenfalls auf diese Tatsachen aufbauende Analyse ist schließlich richtig zu stellen. Soweit dem LIB Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass die Informationen über die Lage im Herkunftsstaat regelmäßig aktualisiert werden und jene Informationen, die nicht durch neue Berichte ersetzt werden, mangels einer maßgeblichen Änderung der Sachlage nach wie vor relevant für die Lagebeurteilung im Herkunftsstaat sind. Das LIB als solches blieb vom Beschwerdeführer im Verfahren unbestritten.

Andererseits gründen die soeben genannten Feststellungen, insbesondere zum Bankensystem (Pkt. römisch II.1.5.5.), auf den aktuellen, nachvollziehbaren und schlüssigen Informationsberichten des EASO zu sozioökonomischen Schlüsselindikatoren, staatlichem Schutz und Mobilität in Kabul, Mazar-e Sharif, und Herat von August 2017 sowie zu Netzwerken in Afghanistan von Jänner 2018. Ein entsprechender Beweiswert dieser Informationen ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht auch daraus, dass diese Einrichtung gemäß Artikel 4, Litera a und b der EU-Verordnung Nr. 439/2010 relevante, zuverlässige, genaue und aktuelle Informationen über Herkunftsländer transparent und unparteiisch sammelt und darüber Bericht erstattet. Überdies nennt die EU-Richtlinie 2013/32/EU (konkret: deren Artikel 10, Absatz 3, Litera b,) gerade die Berichte des Unterstützungsbüros als zu verwendende Informationsquelle. Die Berichte als solches blieben vom Beschwerdeführer im Verfahren unbestritten.

Die Feststellungen betreffend die Situation in der Stadt Mazar-e Sharif und die dortige Sicherheitslage, die Versorgung mit Lebensmitteln, den Wohnungs- und Arbeitsmarkt, die sanitäre Situation und sowie die Erreichbarkeit von Österreich beruhen (auch) auf den erwähnten Berichten von EASO zu sozioökonomischen Schlüsselindikatoren, Sicherheitslage, Netzwerken sowie den auf andere Quellen dieser Organisation erweisenden EASO-Länderleitfaden Afghanistan. Die darin enthaltenen Informationen können letztlich (es gibt Unterschiede im Detaillierungsgrad) widerspruchsfrei mit entsprechenden Angaben im LIB kombiniert werden.

Die in den in der Beschwerde zitierten Quellen dargestellten Tatsachen betreffend die allgemeine Sicherheitslage bzw. sozioökonomischen Rahmenbedingungen weichen von den getroffenen Feststellungen nicht ab, beziehen sich auf die Situation in der Stadt Kabul oder sind bereits als veraltet anzusehen. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme 09.07.2018 grundsätzlich auch als für die Situation in der Stadt Mazar-e Sharif als relevant anzusehendes Tatsachenvorbringen erstattet bzw. auf entsprechende Beweismittel hinweist, ist dieses bzw. sind diese wie folgt zu würdigen:

Die im Bericht der stellvertretenden Leiterin des UNHCR-Büros in Kabul, A. Patel, vom 12.03.2018 genannten wesentlichen sicherheitsrelevanten Vorfällen in der Stadt Mazar-e Sharif finden sich in den getroffenen Feststellungen.

Die getroffenen Feststellungen entsprechen im Hinblick auf die Tatsachen der Berichtslage von EASO bzw. greifen auch auf noch aktuellere Quellen dieser Einrichtung zurück.

Aufgrund des Hinweises auf ein "Gutachten" von F. Stahlmann an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 28.03.2018 sieht sich das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst andere oder zusätzliche Feststellungen zu treffen. So handelt es sich bei der an F. Stahlmann gestellte Frage (Nr. 3) in Anbetracht der gegenständlich im Lichte von Paragraph 8, AsylG 2005 (bzw. auch den dadurch umgesetzten Bestimmungen internationalen Rechts bzw. Unionsrechts) zu lösenden Fragen doch recht eindeutig um eine Rechtsfrage. Die Lösung einer solchen obliegt jedoch dem Gericht und nicht einem Sachverständigen (etwa VwGH 30.03.2016, Ra 2016/09/0027). Andererseits ergibt Antwort auf die verwiesene Frage v nur aus, dass eine - nicht weiter qualifizierte - "Gefahr" besteht, dass eine sich in Afghanistan aufhaltende Person einen ernsthaften Schaden hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit zu erleiden kann. römisch eins.Z.m. der Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif ergibt sich das Vorliegen irgendeiner, nicht weiter abgestuften Gefahr für Leben und Gesundheit einer dort anwesenden Person ohnedies.

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 09.07.2018 auf Medienberichte i.Z.m. der Gebietskontrolle durch Aufständische hingewiesen wird so ist darauf hinzuweisen, dass sich die Feststellungen zur Lage in Mazar-e Sharif im Heimatdistrikt auf aktuellere, und einem nach COI-Standards qualitätssicherungsgesicherten Prozess durchlaufenden Berichte stützt.

Soweit Tatsachenvorbringen i.Z.m. der grundsätzlichen Möglichkeit der Existenzsicherung in afghanischen Großstädten erstattet wird (Stellungnahme Sitzung 24 f) ist darauf hinzuweisen, dass Feststellungen zur generellen Lage für Rückkehrer in der Stadt Mazar-e Sharif getroffen werden, welche sich - wenngleich zu bemerken ist, dass Berichte von Interessenorganisationen wie Amnesty International grundsätzlich (aufgrund der zu unterstellenden, verminderten Objektivität) nicht denselben Beweiswert wie Berichte von Organisationen wie EASO oder UNHCR aufweisen - von der in der zitierten Anfragebeantwortung an das Verwaltungsgericht Wiesbaden nicht in relevantem Umfang unterscheiden.

Soweit i.Z.m. der Arbeitsmarktsituation auf Berichte des ICG bzw. der UN OCHA verwiesen wird ist auszuführen, dass diese im Hinblick auf die generelle Situation sich von den getroffenen Feststellungen nicht unterscheiden. Fallbezogen wurden überdies jedoch auch auf die Stadt Mazar-e Sharif bezogene Feststellungen getroffen.

Bezüglich der Ausführungen zur Versorgungslage und der Lebenssituation von Rückkehrern in Afghanistan in der Präsentation von A. Patel, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass gegenständlich die - schon aufgrund der Rechtsprechung als Indiz zu berücksichtigenden - UNHCR-Richtlinien (einschließlich der Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan zur Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016) für die Beurteilung der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative herangezogen wurden. UNHCR gibt solche Richtlinien in Wahrnehmung seines Mandats gemäß der Satzung des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen sowie gestützt auf

Artikel 35 des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Artikel römisch II des dazugehörigen Protokolls von 1967 heraus. Die Richtlinien ergänzen das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Abkommens von 1951 und des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. UNHCR hat die nunmehr geltenden Richtlinien von August 2018 in dem - abweichenden - Umfang der Schlussfolgerungen ("Conclusions") von A. Patel, wonach eine innerstaatliche Schutzalternative bei einem Fehlen familiärer Unterstützung oder einem effektiven Netzwerk der Gemeinschaft ("effective community network") nicht relevant bzw. zumutbar wäre, weder wirksam widerrufen noch abgeändert. Anzumerken ist auch, dass auch die im August 2018 veröffentlichten Richtlinien des UNHCR zu Afghanistan - jedenfalls betreffen die Stadt Mazar-e Sharif - weiterhin Ausnahmen von der Anforderung der externen Unterstützung, zu denen alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne die spezifischen Vulnerabilitäten zählen, enthält. Im Übrigen wird - es handelt sich bei der Frage von Relevanz und Zumutbarkeit einer Fluchtalternative um Rechtsfragen - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auch auf die Präsentation eingegangen.

Zu dem Verweis auf einen Artikel von F. Stahlmann in der deutschen Fachzeitschrift "Asylmagazin" (F. Stahlmann, Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung, Asylmagazin 3/2017) ist anzumerken, dass getroffenen Tatsachenfeststellungen sich betreffend den Zugang zu Nahrungsmittelversorgung, Wohnraum und Arbeit decken oder auf aktuelleren Quellen beruhen. Die aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts angesichts der zu beantwortenden Rechtsfragen nicht mehr der Tatsachenebene zuzuordnende Schlussfolgerungen im erwähnten Aufsatz werden auf Ebene der rechtlichen Beurteilung gelöst.

Überdies ist anzumerken, dass die erwähnten Aussagen von F. Stahlmann im zuvor erwähnten Artikel im Asylmagazin aus dem Jahr 2017 im Wesentlichen die Lage in Afghanistan bzw. in der Stadt Kabul näher darstellen und die allgemeine Situation von Rückkehrern in unterschiedlicher Art und Weise beschreiben. Dieser Quelle ist zu entnehmen, dass unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (wie z.B. familiäre Anknüpfungspunkte, Schul- und Berufsausbildung, Wohn- und Arbeitssituation, usw.) eine Rückkehr nach Afghanistan von alleinstehenden leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter nicht als generell unmöglich dargestellt wird. Hinsichtlich der individuellen Situation des Beschwerdeführers wird unten im Rahmen der rechtlichen Beurteilung unter Pkt. römisch II.3.4.2. entsprechend den UNHCR-Richtlinien sowie dem EASO-Länderleitfaden eine einzelfallbezogene Prüfung vorgenommen.

Die Erwägungen zum Aufsatz von F. Stahlmann lassen sich auch auf die Ausführungen von T. Ruttig vom 28.08.2017 übertragen.

Zur ebenso in der Stellungnahme vom 09.07.2018 als Beweismittel angeführten Recherche von Asylos aus 2017 ist anzuführen, dass sich das darin enthaltene Tatsachensubstrat - soweit für die Situation in Mazar-e Sharif von Relevanz - auch in den getroffenen Feststellungen findet.

Die Feststellungen betreffend potentielle Risiken für Angehörige einer ethnischen Minderheit bzw. gegenständlich für einen "Hazara" bzw. "Schiiten" (Pkt. römisch II.1.5.7.) gründen auf den schlüssigen und nachvollziehbaren UNHCR-Richtlinien, dem im Entscheidungszeitpunkt hinreichend aktuellen, von der Staatendokumentation zusammengestellten LIB sowie dem EASO-Bericht "Verfolgung Einzelner durch bewaffnete Akteure" aus Dezember 2017; zum grundsätzlichen Beweiswert dieser Quellen siehe oben. Ebenso folgen die Feststellungen zum Risikoprofil "Hazara" aus dem nachvollziehbaren, schlüssigen Länderleitfaden Afghanistan. Auch diese Berichte konnten letztlich (Unterschiede liegen im Detaillierungsgrad) im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen widerspruchsfrei kombiniert werden.

Soweit in der Beschwerde auf die Beweismittel (ACCORD Anfragebeantwortung Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konfliktes zwischen Kuchis und Hazara [a-9737-V2] vom 02.09.2016; ein ("Update" der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 13.09.2015, die Berichte von Human Rights Watch, Afghanistan's Shia Hazara Suffer Latest Atrocity - Insurgents' Increasing Threat to Embattled Minority vom 13.10.2016 und Shia Bombing Spotlights Need to Protect - Develop Security Plan to Protect Embattled Minority vom 21.11.2016 sowie ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Situation für AfghanInnen (insbesondere Hazara), die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen (u.a. mögliche Ausgrenzung oder Belästigungen); Verhalten der Taliban gegenüber Hazara, die aus dem Iran zurückkehren [a-9219]) betreffend die Situation von Hazara hingewiesen wird, ist dazu auszuführen, dass die getroffenen Feststellungen betreffend die Volksgruppe der Hazara auf wesentlich aktuelleren Berichten beruht. Insofern die UNHCR Richtlinien sowie - in der Stellungnahme - der Bericht von EASO "Verfolgung Einzelner durch bewaffnete Akteure" von Dezember 2017 angeführt wird, ist festzuhalten, dass diese ohnehin einen Teil der getroffenen Feststellungen bilden. Letztlich entsprechen die getroffenen Feststellungen zudem auch den Ausführungen in den genannten Beweismitteln im Hinblick auf Diskriminierungen der Volksgruppe bzw. einzelnen, gegen diese Volksgruppe gesetzten Maßnahmen und Handlungen, insbesondere betreffend Anschläge auf Glaubenseinrichtungen.

Die getroffenen Feststellungen decken sich im relevanten Ausmaß auch mit dem dazu in der Stellungnahme vom 09.07.2018 erstatteten Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers bzw. den den dazu angebotenen Beweismitteln zu entnehmenden Inhalten.

Die Feststellungen zu einem möglichen Risiko wegen einer Verwestlichung ("westliche Orientierung") bzw. als Rückkehrer aus dem Westen beruhen auf den UNHCR-Richtlinien und einem Bericht sowie dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan. Die jeweiligen Ausführungen waren ausreichend aktuell und schlüssig. Die Informationen von EASO lassen sich als Grundlage für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung auch mit den UNHCR-Richtlinien ohne erkennbaren Widerspruch kombinieren.

Insoweit der Beschwerdeführer auf den bereits erwähnten Aufsatz von F. Stahlmann im Asylmagazin aus 2017 verweist ist festzuhalten, dass sich die Autorin auf der erwähnten Sitzung 80 i.Z.m. mit dem Entführungsrisiko - sei dies auch beispielhaft erfolgt - ihre Schlussfolgerung auf eine einzige Berichtsquelle aus dem Jahr 2012 (FN 60) stützt. Das Bundesverwaltungsgericht sieht sich sohin nicht veranlasst zum Entführungsrisiko zusätzliche oder andere Feststellungen zu treffen.

Die Feststellungen zu einem möglichen Risiko aufgrund dessen, dass der Beschwerdeführer in Pakistan aufwuchs gründen sich ebenfalls auf den auch auf andere Quellen verweisenden EASO-Länderleitfaden Afghanistan.

Die Feststellungen zur Gefahr einer zwangsweisen Rekrutierung (Pkt. römisch II.1.5.7.) beruhen einerseits auf den UNHCR-Richtlinien sowie andererseits dem Bericht von EASO zu Rekrutierungen durch Bewaffnete. Beide Quellen sind i.d.Z. schlüssig und nachvollziehbar und erscheinen auch noch als ausreichend aktuell. Weitere Feststellungen konnten - wie vom Beschwerdeführer in dessen Stellungnahme angeregt - auf der ebenfalls als schlüssig und nachvollziehbar erscheinenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation aus 2017 getroffen werden. Die Quellen unterscheiden sich im Hinblick auf die darin dargestellten Informationen zur Lage in Afghanistan durch den jeweiligen Grad der Detaillierung, bilden aber ansonsten eine widerspruchsfreie Grundlage für die zu treffende rechtliche Beurteilung.

Der vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 09.07.2018 erwähnte Bericht der OCHA der Vereinten Nationen vermag kein anderslautendes Bild zu zeichnen bzw. bleibt - soweit der Beschwerdeführer eine "besondere Gefahr" bzw. "Problematik" mit Zwangsrekrutierungen daraus ableiten möchte - oberflächlich, undifferenziert im Hinblick auf die einzelnen Volksgruppen und auch ohne die weitere Angabe von Quellen. Das Bundesverwaltungsgericht sieht sich daher nicht veranlasst weitere bzw. anderslautende Feststellungen aufgrund dieses Beweismittels i.Z.m. dem potentiellen Risiko einer zwangsweisen Rekrutierung zu treffen.

Insofern in der Stellungnahme auf ein "Gutachten" des "Ländersachverständigen" Dr. Sarajuddin Rasuly vom 17.02.2016 zum Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht W119 2102332-1 als weiteren Beweis für die Gefahr der Zwangsrekrutierung hingewiesen wird ist festzuhalten, dass in diesem unmissverständlich ausgeführt wird, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban - wenn überhaupt - in den von ihnen beherrschten Gebieten stattfinden. Bei diesen Gebieten handelt es sich zumeist um solche, die in den von Paschtunen und Uzbeken bewohnten Provinzen liegen (ein solches wäre z. B. die Provinz Nangarhar). Des Weiteren würden sich in diesen Provinzen laut Gutachten viele Jugendliche aus Gründen der Arbeitslosigkeit und ethnischer Solidarität den Taliban anschließen. Ein freiwilliger Beitritt schließt eine Zwangsrekrutierung jedoch per se aus. Diese Ausführungen entsprechend jedoch ohnedies bereits dem sich aus den getroffenen Feststellungen ergebenden Bild.

Das sich aus den festgestellten Länderinformationen in Bezug auf Zwangsrekrutierungen ergebende Gesamtbild vermögen daher weder das Gutachten noch die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 21.02.2017 zu ändern. Diese unterstreichen vielmehr, dass - wie oben bereits ausgeführt - gerade der Beschwerdeführer als Hazara für die Taliban als Rekrut nicht von vorrangigem Interesse ist und eine Zwangsrekrutierung der Hazara die Ausnahme darstellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

römisch eins. Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheids (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz)

3.1. Rechtsgrundlagen:

"Flüchtling" i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (in Folge: "GFK") ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Die Paragraphen 3 und 11 AsylG 2005 lauten samt Überschrift:

"Status des Asylberechtigten

Paragraph 3, (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat."

"Innerstaatliche Fluchtalternative

Paragraph 11, (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins,) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 9, i.V.m. Ziffer 11, AsylG 2005 ist "Verfolgung" jede Verfolgungshandlung i.S.d. Artikel 9, der EU-Richtlinie 2011/95/EU (in Folge: "Statusrichtlinie").

Gemäß Artikel 9, Absatz eins, Statusrichtlinie muss eine Handlung um als "Verfolgung" im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten,

a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15, Absatz 2, EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder

b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a) beschriebenen Weise betroffen ist.

Als "Verfolgung" im Sinne von Artikel 9, Absatz eins, leg. cit. können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,

b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,

c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und

f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Paragraph 18, Absatz eins und 3 AsylG 2005 lautet:

"§ 18. (1) Das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

(2) [...]

(3) Im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers ist auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen."

Gemäß Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 ist ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen.

3.2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Bei der Beurteilung, ob eine asylrelevante Verfolgung als glaubhaft gemacht zu betrachten ist sind folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:

Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074, m.w.N.).

Auch aus einer Mehrzahl allein jeweils nicht ausreichender Umstände im Einzelfall kann sich bei einer Gesamtschau die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem oder mehreren von asylrelevanten Gründen ergeben vergleiche dazu VwGH 26.06.1996, 95/20/0423).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).

Die Verfolgungsgefahr muss auch aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass eine Person bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Es ist entscheidend, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen gerechnet werden muss vergleiche VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212, m.w.N.).

Die Gefahr der Verfolgung i.S.d. Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 i.V.m. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Verfolgungshandlungen gegen Verwandte können nur dann eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung bilden, wenn auf Grund der im Verwaltungsverfahren glaubhaft dargelegten konkreten Situation davon ausgegangen werden muss, dass gegen ein Familienmitglied gesetzte oder von diesem zu befürchtende Verfolgungshandlungen auch zu - die Intensität asylrechtlich relevanter Verfolgungshandlungen erreichenden - Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werden (VwGH 07.09.2000, 2000/01/0153).

Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe vergleiche VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet. Schutz für Angehörige einer verfolgten Gruppe ist unabhängig davon, ob auch andere Gruppen in vergleichbarer Intensität verfolgt werden, zu gewähren vergleiche VfGH vom 18. September 2015, E 736/2014).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.02.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt -asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche zuletzt VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Abgesehen davon, dass einer derartigen nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH 10.03.1993, 92/01/1090) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist vergleiche etwa VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551).

Eine auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung kann keinem der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründe zugeordnet werden. Dies bedeutet aber nicht, dass in einer solchen Situation einem Begehren auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten keinesfalls Erfolg beschieden sein kann. Es kommt nämlich entscheidend auch darauf an, auf welche Ursachen allenfalls fehlender staatlicher Schutz zurückzuführen ist. Ist der Heimatstaat des Beschwerdeführers aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen nicht bereit, Schutz zu gewähren, käme einer primär kriminell motivierten Verfolgung nämlich asylrelevanter Charakter zu vergleiche VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059).

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können positive Feststellungen von der Behörde nicht getroffen werden vergleiche VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069, Rz. 16). Als glaubwürdig können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen vergleiche VwGH 06.03.1996, 95/20/0650). Es entspricht auch der Lebenserfahrung, dass die von einem Beschuldigten bei der ersten Vernehmung gemachten Angaben (erfahrungsgemäß) der Wahrheit am nächsten kommen vergleiche VwGH 26.01.1996, 95/02/0289; zur Plausibilität s. VwGH 29.06.2000, 2000/01/0093; zu gehäuften und eklatanten Widersprüchen oder fehlendem Allgemein- und Detailwissen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0544, und vom 22.02.2001, Zl. 2000/20/0461). Beweisergebnisse der Erstbefragung nach Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 - diese dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen - dürfen jedoch nicht unreflektiert bzw. ohne Berücksichtigung deren eingeschränkten Zwecks - insbesondere nicht ohne weitere Ermittlungen und ohne mündliche Verhandlung - verwertet werden vergleiche dazu VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061, Rz. 3.2. m.w.N.). Die Asylbehörden haben in der Beweiswürdigung den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0108, Rz. römisch III.4., m.w.N.).

Daraus folgt für den gegenständlichen Fall:

3.2.1. Zur möglichen Verfolgung als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er sei als Hazara bzw. als Schiite gefährdet, so ist - auf Grundlage entsprechender Feststellungen vergleiche dazu VwGH 13.10.2015, Ra 2015/19/0106) - zunächst zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre. Dies ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht der Fall:

Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zu entnehmen, dass es zu sozialen Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara bzw. Schiiten kommt. Die Situation der schiitisch-muslimischen Gemeinschaft hat sich jedoch seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Der Analysten Borhan Osman sieht das Hauptrisiko für Hazara oder Schiiten, wegen deren Ethnie oder konfessioneller Ausrichtung zum Ziel zu werden, in Attacken auf Versammlungen, religiösen Gedenkfeierlichkeiten oder Demonstrationen in den Städten. Bei Gesamtschau ist daraus jedoch nicht auf ein Ausmaß zu schließen, welches notwendig wäre, um auf eine spezifische Verfolgung der gesamten Volksgruppe der Hazara bzw. der Schiiten zu schließen. Ebenso ist nicht darauf zu schließen, dass die genannten Diskriminierungen zum Fehlen jeglicher Existenzgrundlage führen.

Es ist auch auf die Entscheidung des EGMR vom 12.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, hinzuweisen, wonach weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem der Art hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Artikel 3, EMRK bestünde.

Auch der Verwaltungsgerichtshof selbst hat in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan judiziert, zum Unterschied etwa zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Es ist daher davon auszugehen, dass der Verwaltungsgerichtshof, sollte er der Auffassung sein, dass eine Gruppenverfolgung - auch lokal - in Afghanistan aktuell festzustellen wäre, in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur dies auch festgestellt hätte.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (s. dazu das erwähnte Erkenntnis vom 17.12.2015), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht gegenständlich nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. Schiiten im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung i.S.d. GFK ausgesetzt zu sein.

Auch EASO sieht grundsätzlich - wobei als Ausnahmen etwa die Herkunft aus einem vom IS kontrollierten Gebiet, die berufliche Tätigkeit oder politischer Aktivismus genannt werden - in der bloßen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 20).

Nach den getroffenen Feststellungen liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, wonach mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf eine individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. als Schiite zu schließen wäre. Dies insbesondere nicht am angenommenen Ort der Rückkehr, nämlich der Stadt Mazar-e Sharif (s. dazu unten Pkt. römisch II.3.4.2.). Diese in der Provinz Balkh gelegene Stadt steht nach den getroffenen Feststellungen unter der Kontrolle der Regierung und nicht unter der Kontrolle der Taliban oder des IS. Bei der Provinz Balkh handelt es sich nach den getroffenen Länderfeststellungen nach wie vor um eine der stabilsten Provinzen und zählt diese außerdem zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan.

3.2.2. Mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers, weil dieser in Pakistan aufwuchs:

Angesichts des - nicht näher substantiierten - Vorbringens des Beschwerdeführers i.Z.m. mit seinem Aufwachsen bzw. Heranwachsen in Pakistan und dem sich aus der Gegenüberstellung mit der Länderberichtslage und dem sich daraus ergebenden Bild (Pkt. römisch II.1.5.7. "Personen, die im Iran oder Pakistan geboren wurden") konnte aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auch zu diesem Aspekt keine auf keine mit auch maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu prognostizierende Gefahr von Verfolgungshandlungen gemäß Artikel 9, Absatz eins, Statusrichtlinie bei Rückkehr an den angenommenen Zielort, dies ist die Stadt Mazar-e Sharif (dazu unten Pkt. römisch II.3.4.2.), glaubhaft gemacht werden.

3.2.3. Mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers wegen der Rückkehr aus Europa und einer damit zusammenhängenden "Verwestlichung (westlichen Einstellung / Orientierung)":

Dem in der mündlichen Verhandlung sowie der Beschwerde und der Stellungnahme ohne Tatsachensubstrat erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, er wäre nicht vor Verfolgungshandlungen geschützt, denen westlich orientierte Menschen ausgesetzt sind, ist Folgendes zu erwägen:

Zunächst ist zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung einer bestimmten Lebensweise bzw. eines bestimmten Lebensstils, welcher bereits als wesentlicher Bestandteil der Identität anzusehen ist, bei Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würde und es eine Verfolgung bedeuten würde, diese zu unterdrücken vergleiche dazu VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329, Rz. 12). Der Beschwerdeführer brachte i.d.Z. in seiner Stellungnahme vor, dass er die "westlichen Werte" der Gleichberechtigung sowie die persönlichen Freiheiten und die Toleranz gegenüber anderen Religionen und Lebenseinstellungen verinnerlicht hätte. Dieses Vorbringen wurde jedoch nicht näher substantiiert und insbesondere nicht dargetan, welche als "westlich" erachteten Verhaltensweisen er sich angeeignet hätte.

Hinsichtlich der geltend gemachten westlichen Orientierung ist auszuführen, dass es nach dem den festgestellten Länderinformationen zu entnehmenden Gesamtbild (auch) bei einer Rückkehr von Männern aus Europa bzw. aus dem Westen in Afghanistan zu vereinzelten Verfolgungshandlungen durch die Gesellschaft und regierungsfeindliche Elemente kommen kann (s. oben Pkt. römisch II.1.4.3. bzw. die dort genannten Ausführungen aus Quellen von UNHCR sowie EASO). Während die UNHCR-Richtlinien auf ein Verfolgungsrisiko insbesondere durch regierungsfeindliche Elemente hinweisen sieht EASO - wenngleich eine, von besonderen Umstände abhängige Möglichkeit für eine Verfolgung grundsätzlich bejaht wird (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 19) - das Risiko für Männer - abhängig von "risikoverstärkenden" (risk-enhancing) Umständen des Einzelfalls - für Männer im Gegensatz zu Frauen grundsätzlich als minimal an. Als relevante und zu beachtende Umstände werden von EASO i. d.Z. u.a. neben dem Geschlecht bestimmte angenommene Verhaltensweisen, die Herkunftsregion, eine konservative Umgebung, die Familie, das Alter und die Auffälligkeit genannt (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, s. Sitzung 19 und 57).

Besondere Umstände, wie besondere Verhaltensweisen oder Auffälligkeiten des Beschwerdeführers, welche - auch in der kumulierenden Betrachtung - in Gegenüberstellung mit den getroffenen Feststellungen auf Verfolgungshandlungen schließen lassen würden, sind gegenständlich nicht hervorgekommen. Auch liefert die Situation der in Pakistan lebenden Familie des Beschwerdeführers keinen Grund für eine anderslautende Beurteilung.

Nach dem den festgestellten Länderinformationen zu entnehmenden Gesamtbild kann es (auch) bei einer Rückkehr von Männern aus Europa bzw. aus dem Westen in Afghanistan zu vereinzelten Verfolgungshandlungen durch die Gesellschaft und regierungsfeindliche Elemente kommen. Aus den Feststellungen zur maßgeblichen Lage in Afghanistan vergleiche insbesondere Pkt. römisch II.1.5.7. "Situation für Rückkehrer aus dem Westen" bzw. die dort genannten Ausführungen aus Quellen von UNHCR sowie EASO) ist jedoch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Bild dahingehend ableitbar, dass bei Gesamtbetrachtung die Tatsache der Rückkehr nach einigen Jahren im Westen oder eine "westliche" Geisteshaltung bei Männern allein nach Art und Häufigkeit (dazu VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031) eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgungshandlungen in asylrelevanter Intensität auslösen würde. Dies gilt insbesondere für eine Rückkehr in (bzw. Neuansiedlung in) - liberaleren - städtischen Regionen, wie gegenständlich die als möglicher Rückkehrort angenommene Stadt Mazar-e Sharif (s. dazu unten Pkt. römisch II.3.4.2.). Überdies ist darauf hinzuweisen, dass diese Stadt unter vollständiger Kontrolle der Regierung steht und regierungsfeindliche Elemente - von bestimmten wiederkehrenden Anschlägen abgesehen - keinerlei maßgeblichen Einfluss haben.

Auch mit dem Vorbringen zu einer möglichen Gefahr von Handlungen oder Maßnahmen als Rückkehrer aus dem Westen bzw. einer (unterstellten) "westlichen Einstellung" macht der Beschwerdeführer somit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine die Intensität von Abschnitt A Ziffer 2, der GFK erreichende Verfolgung bei Rückkehr nach Afghanistan glaubhaft; dies weder in Ansehung individueller sowie genereller Umstände.

3.2.4. Zur möglichen Verfolgung i.Z.m. einer Zwangsrekrutierung:

Eine zwangsweise Rekrutierung bzw. ein zwangsweiser Rekrutierungsversuch kann grundsätzlich zur Feststellung einer asylrelevanten Verfolgung führen, wenn der Weigerung eine politische und/oder religiöse oppositionelle Gesinnung unterstellt wird (dazu zuletzt auch VfGH 13.12.2017, E2497/2016 mit Hinweisen auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs).

Das dem festgestellten (s. oben Pkt. römisch II.1.5.7. "Situation betreffend Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung durch die Taliban"), und auch aktuellen Länderberichtsmaterial zu entnehmende Bild über Rekrutierungen durch die Taliban deutet in Gesamtschau für das erkennende Gericht darauf hin, dass diese regierungsfeindliche Organisation zwangsweise Rekrutierungen nicht systematisch betreibt. Insbesondere Hazara werden von den Taliban üblicherweise nicht als Rekruten herangezogen. Zu zwangsweisen Rekrutierungen kommt es überwiegend auch nur in von diesen beherrschten Gebieten.

Nach Beurteilung des EASO kann eine zwangsweise Rekrutierung grundsätzlich eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgungshandlungen bilden, sofern im Einzelfall bestimmte "risikoverstärkende" ("risk-enhancing") Umstände gegeben sind (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 16). Dazu zählen neben der Zugehörigkeit der jungen Erwachsenen u.a. ein militärischer Hintergrund, die Herkunftsregion sowie der dortige Einfluss bewaffneter Gruppen, die gesteigerte Intensität des Konflikts, die Position des eigenen Clans sowie eine schlechte sozioökonomische Situation der Familie.

Der Beschwerdeführer hat gegenständlich weder in seiner Beschwerde noch in seiner Stellungnahme eine individuelle Bedrohungs- oder Verfolgungshandlung durch regierungsfeindliche Kräfte i.Z.m. einer zwangsweisen Rekrutierung dargelegt, sondern lediglich allgemein gehalten vorgebracht, bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer solchen Gefahr zu unterliegen. Eine Vorverfolgungshandlung - wenngleich dem erkennenden Gericht der bloße Indiz Charakter einer solchen bewusst ist vergleiche die bereits erwähnte Entscheidung VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212) - kam nicht hervor.

Der gegenständlich als möglich angenommene Ort einer Rückkehr, die Stadt Mazar-e Sharif (s. dazu unten Pkt. römisch II.3.4.2.), steht nach den getroffenen Länderfeststellungen unter Kontrolle der afghanischen Regierung, jedenfalls nicht unter der der Taliban, dort kommt es auch zu keinen regulären militärischen Auseinandersetzungen mit diesen. Die eigene Familie ist dort überhaupt nicht verankert.

Im Lichte dieser Erwägungen - und auch bei Gesamtschaut der individuellen Umstände - ist für den Beschwerdeführer somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan von keiner mit nicht bloß entfernten Gefahr einer Verfolgung in Form einer (möglicherweise zwangsweisen) Rekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte auszugehen. Auch mit dem Vorbringen einer möglichen zwangsweisen Rekrutierung wird somit eine asylrelevante Verfolgung bzw. die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung bei Rückkehr nach Afghanistan nicht glaubhaft gemacht.

3.2.5. Sonstige mögliche asylrelevante Gründe:

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er auch deshalb nicht nach Afghanistan zurückkehren kann, weil er schon seit seiner Kindheit Tod und Krieg gesehen habe (VHS S.11), ist auszuführen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt im Umstand, dass im Heimatland des Revisionswerbers Bürgerkrieg herrscht, für sich allein keine Verfolgungsgefahr i.S.d. GFK vergleiche VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404, Rz. 7 m.w.N.). Auch eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar vergleiche etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Überhaupt rechtfertigen wirtschaftliche Gründe nach Artikel eins, Abschnitt A GFK grundsätzlich nicht die Ansehung als Flüchtling. Sie könnten nur dann relevant sein, wenn der völlige Verlust der Existenzgrundlage droht vergleiche VwGH 28.6.2005, 2002/01/0414).

Eine Asylrelevanz im Hinblick auf sonstige Gründe ist aus dem festgestellten Sachverhalt bzw. dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich:

Während einer kriegerischen Situation als solches keine Asylrelevanz zukommt hätte der Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat jedenfalls auch eine Existenzgrundlage (s. dazu die weitergehenden Erwägungen unten bei Pkt. römisch II.3.4.2.).

3.2.6. Ergebnis:

Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine ihm bei Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende, die Intensität von Verfolgung i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, erreichende Gefahr glaubhaft zu machen. Dies trifft auch bei Vornahme einer Gesamtbetrachtung zu.

Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheids ist somit unbegründet.

römisch II. Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheids (Abweisung des Antrags auf Zuerkennung subsidiären Schutzes)

3.3. Rechtsgrundlagen:

Gemäß Artikel 2, Absatz eins, EMRK wird das Recht jedes Menschen auf Leben gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist. Nach Artikel 2, Absatz 2, leg. cit. wird eine Tötung nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;

b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;

c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.

Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.

Paragraph 8, Absatz eins bis 3 AsylG 2005 lautet:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht."

3.4. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 bezieht sich direkt auf die EMRK. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, leg. cit. Sind die Artikel 2 (Recht auf Leben) und 3 EMRK (Verbot der unmenschlichen Behandlung) sowie das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe zu berücksichtigen. Diese Normen fragen im Gegensatz zu Paragraph 3, AsylG 2005 i. römisch fünf.m. der GFK grundsätzlich nicht danach, aus welchen Gründen die Verfolgungsgefahren resultieren (ursachenunabhängiger Schutzbereich). Darin liegt im Wesentlichen auch der Unterschied zu der Entscheidung nach Paragraph 3, AsylG 2005 (die GFK schützt eben nur vor Verfolgung aus gewissen Gründen, z.B. aus religiösen, ethnischen, politischen usw.). Damit kann der nach den Gründen der Verfolgung grundsätzlich nicht fragende Schutzbereich des Paragraph 8, AsylG 2005 doch wesentlich weiter gehen, als der nur aus bestimmten Gründen greifende Schutzbereich der GFK bzw. Paragraph 3, leg. cit. (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 8, AsylG 2005, K7).

Bei der Beurteilung, ob einem Antragsteller der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuzuerkennen ist sind folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:

Zunächst ist zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Dazu hat der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation durch konkrete, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist vergleiche etwa zur das Erkenntnis vom 02.08.2000, 98/21/0461, welches noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage erging, aber weiterhin als relevant anzusehen ist). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Vor dem Hintergrund von Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof betreffend Afghanistan ausgesprochen:

Bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach Paragraph 8, AsylG ist im Einzelfall zu prüfen, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung der erwähnten Bestimmung notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Diese Darlegung obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person. Diese hat durch geeignete Beweise gewichtige Gründe für eine Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Die allgemeine Situation in Afghanistan ist nämlich nicht so gelagert, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3, EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, m.w.N. und Hinweisen insbesondere auch auf Rechtsprechung des EuGH sowie des EGMR). Auch in jüngeren Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof an den Leitlinien dieser Rechtsprechung festgehalten (dazu VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; 20.09.2017, Ra 2017/19/0205, Ra 2017/19/0190 und Ra 2016/19/0209; 18.10.2017, Ra 2017/19/0420; 05.12.2017, Ra 2017/01/0236).

Notorische Entwicklungen im Herkunftsstaat eines Asylwerbers, auch wenn sie "bloß" für die Entscheidung nach Paragraph 8, AsylG 2005 von Relevanz sind, müssen von Amts wegen berücksichtigt werden (VwGH 29.1.2002, 2001/01/0030).

Bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt ist zunächst die Heimatregion des Beschwerdeführers für eine allfällige Rückkehr zu prüfen vergleiche VfGH 13.09.2013, U370/2012).

Daraus folgt für den gegenständlichen Fall:

3.4.1. Zur Situation in der Heimatprovinz bzw. dem Heimatdistrikt des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stammt aus der afghanischen Provinz Ghazni. Aufgrund der zugrundeliegenden Länderfeststellungen ist in Anbetracht der Sicherheitslage in dieser Provinz im Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass auf ein - reales - Risiko einer möglichen Verletzung von Artikel 3, EMRK zu schließen ist, zählt Ghazni doch zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes. Zudem wurden im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 in dieser 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Daher erscheint es geradezu wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer durch seine bloße Anwesenheit ein Gewaltopfer werden könnte.

Allerdings steht gegenständlich dem Beschwerdeführer mit der Stadt Mazar-e Sharif eine mögliche innerstaatliche Fluchtalternative gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 offen:

3.4.2. Zu einer möglichen innerstaatlichen Fluchtalternative:

Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen zu bejahen:

(i) Einem Asylwerber muss in einem Teil seines Herkunftsstaats vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden können.

Schutz ist gewährleistet, wenn

(i) a) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und

(i) b) die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Die Bedingungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 sind dann gegeben, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(ii) Dem Asylwerber muss der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebiets zugemutet werden können.

Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden vergleiche Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 11, AsylG 2005, K15).

Bei der Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative sind, insbesondere im Hinblick auf den Herkunftsstaat Afghanistan folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:

Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u. a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bezieht vergleiche hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass ein Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539).

Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Artikel 3, EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459).

Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr unter anderem innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit (zuletzt etwa VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118 m.w.N.).

Betreffend die auch im vorliegenden Fall in Rede stehende Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan nahm der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein willkürliches Vorgehen des (zum damaligen Zeitpunkt noch bestehenden) Asylgerichtshofes an, wenn dieser das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul für afghanische Asylwerber bejaht hatte, obwohl diese nie in Kabul gelebt und dort keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte hatten (s. u.a. VfGH 06.06.2013, U 2666/2012; 07.06.2013, U 2436/2012; 13.09.2013, U 370/2012). In seiner jüngsten Rechtsprechung ist jedoch ein Abgehen von dieser Rechtsprechungslinie erkennbar vergleiche insbesondere das Erkenntnis VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).

Zudem ist auch zu beachten, dass aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch eine fehlende Schul- und Berufsausbildung bzw. -erfahrungen, eine drohende Arbeitslosigkeit, eine nicht vorhandene familiäre Unterstützung in Afghanistan, eine nicht ausreichende Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit keine Verletzung des Artikel 3, EMRK begründen. Insgesamt stellen Probleme hinsichtlich Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche, in wirtschaftlicher Hinsicht bzw. überhaupt eine schwierige Lebenssituation bei Rückkehr keine exzeptionellen Umstände dar (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063;

18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036;

23.03.2017, Ra 2016/20/0188; 10.03.2017, Ra 2017/18/0064;

25.04.2017, Ra 2017/01/0016, 20.6.2017, Ra 2017/01/0023; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5; VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0190; VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0351, VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0616).

Zuletzt hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, ausgesprochen, dass mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können muss, dass der Asylwerber in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere unter Hinweis auf die Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz Nr. 4 sowie der Statusrichtlinie auch festgehalten, dass die Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative danach zu beurteilen ist, ob der in einem Teil seines Herkunftslandes verfolgte oder von ernsthaften Schäden bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härte führen kann.

Nach den rechtlich unverbindlichen Richtlinien des Flüchtlingshochkommissars der Vereinten Nationen, welchen aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besondere Beachtung zu schenken ist (s. etwa VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118), hängt die Beantwortung der Frage, ob einem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, von mehreren Faktoren ab. Dazu müssten die persönlichen Umstände des Betroffenen (einschließlich allfälliger Traumata infolge früherer Verfolgung), die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden vergleiche Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz Nr. 4 "Interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative" vom 23.07.2003, Rz. 23 ff). Zum Aspekt des wirtschaftlichen Überlebens wird in den erwähnten Richtlinien an der genannten Stelle u.a. ausgeführt, dass ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation keine ausreichenden Gründe seien, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Die Verhältnisse in dem Gebiet müssten aber ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen. Wäre eine Person in dem Gebiet etwa ohne familiäre Bindungen und ohne informelles soziales Netzwerk, sei eine Neuansiedlung möglicherweise nicht zumutbar, wenn es der Person nicht auf andere Weise gelingen würde, ein relativ normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum zu führen.

Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung der allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und seiner persönlichen Umstände steht dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall eine Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif als zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offen. Dazu im Folgenden im Einzelnen:

Ad (i) a)

Wie oben unter Pkt. römisch II.3.2. zu den getroffenen Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erwogen hat dieser bei Rückkehr nach Afghanistan bzw. nach Mazar-e Sharif keine ihm drohende asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Daraus folgt, dass auch keine "wohlbegründete Furcht" nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegt.

Ad (i) b)

Zur Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif als Ort der möglichen Rückkehr

Was die allgemeine Sicherheitslage betrifft ist zunächst festzuhalten, dass die Stadt Mazar-e Sharif nach den Länderfeststellungen (Pkt. römisch II.1.5.3. "Lage in der Stadt Mazar-e Sharif" "Sicherheit") jedenfalls als unter Kontrolle der afghanischen Regierung stehend zu betrachten ist. Auch ergibt sich daraus nicht, dass dort von einem aktiven Konflikt zwischen der Regierung bzw. deren Kräften und regierungsfeindlichen Kräften auszugehen wäre.

Die Provinz Balkh, deren Hauptort Mazar-e Sharif ist, zählt zu den ruhigen Provinzen in Nordafghanistans mit im Jahr 2017 neun zivilen Opfern auf 100.000 Einwohnern. Auf der anderen Seite übersieht das erkennende Gericht nicht, dass es auch in der Stadt Mazar-e Sharif wiederkehrend zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt. So geht aus dem erwähnten Berichtsmaterial hervor, dass Terroranschläge bzw. sonstige sicherheitsrelevante Vorfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter ("high-profile"-Ziele) wie insbesondere Regierungseinrichtungen oder Armeestützpunkte, in der Stadt Mazar-e Sharif nicht auszuschließen sind und in - unregelmäßigen - Abständen auch stattfinden. Jedoch begründet aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts allein der Umstand, dass an diesen Orten ein derartiger Vorfall ausgelöst durch regierungsfeindliche Gruppierungen erfolgen könnte, bei der derzeitigen Gefahrenlage für den Beschwerdeführer noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Artikel 2, oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor (dazu das erwähnte Erkenntnis VwGH 25.04.2017, 2017/01/0016, m.w.N.): Die in Mazar-e Sharif verzeichneten Anschläge ereignen hauptsächlich im Nahebereich der dargestellten "high-profile"-Ziele. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten und auch bei Berücksichtigung bestimmter, üblicherweise zu erwartender Bewegungen des Beschwerdeführers nach seiner dortigen Neuansiedlung (insbesondere der Weg zu Orten des Einkaufs von Gegenständen des täglichen Bedarfs, zu [möglichen, zukünftigen] Arbeitsstätten oder medizinischen Einrichtungen) nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass von einem bereits erreichten Gewaltausmaß, wonach es geradezu wahrscheinlich wäre, dass auch der Beschwerdeführer tatsächlich und durch seine bloße Anwesenheit in der Stadt Mazar-e Sharif Opfer eines Gewaltaktes werden würde, gesprochen werden muss. Dies insbesondere, wenn man dabei die Häufigkeit der dargestellten Anschläge dem Gesamtgebiet und der gesamten Einwohnerzahl von Mazar-e Sharif (rund 500.000) gegenüberstellt.

Auch das EASO geht vor dem Hintergrund von Artikel 8, Statusrichtlinie grundsätzlich davon aus, dass das Ausmaß der willkürlichen Gewalt in Mazar-e Sharif nicht ein so hohes Niveau erreicht, dass ernsthafte Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein Zivilist allein aufgrund seiner Anwesenheit dort einem tatsächlichen Risiko eines schweren Schadens ausgesetzt wäre (s. dazu EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 99).

Auch dem vom Beschwerdeführer i.d.Z. als Beweismittel im Verfahren vorgelegten "Gutachten" von F. Stahlmann bzw. der darin getätigten Antwort auf Frage 3. ist kein Anhaltspunkt zu entnehmen (bzw. bleibt dieses im Hinblick auf das Niveau / den Grad der angenommenen Gefahr offen), dass das Gewaltniveau in Mazar-e Sharif bereits ein derartiges Ausmaß erreicht hätte, dass es i.S. eines "realen Risikos" eben geradezu wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer Gewaltopfer werden würde.

Der Beschwerdeführer könnte Mazar-e Sharif über den Luftweg aufgrund des vorhandenen, internationalen Flughafens praktikabel, sicher und legal erreichen.

Auf besondere, sich also von der übrigen Bevölkerung unterscheidende Gefährdungsmomente für den Beschwerdeführer, wonach dieser in Kombination mit der Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten müsste, wurden von diesem weder substantiiert vorgebracht, noch sind solche sonst im Verfahren hervorgekommen. Insbesondere ist auch nicht hervorgekommen, dass sich der Beschwerdeführer bei Neuansiedlung in der Stadt Mazar- e Sharif häufig an den oben angegebenen - mit höherer Wahrscheinlichkeit von Anschlägen regierungsfeindlicher Elemente betroffenen - Orten aufhalten werde. Auch seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara (VHS Sitzung 11) begründet - so bilden die Hazara dort die viertgrößte Volksgruppe - in Mazar-e Sharif kein besonderes Gefährdungsmoment. Ein solches ist auch den verwiesenen Ausführungen "Gutachten" von F. Stahlmann vom 28.03.2018 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden betreffend die Sicherheitslage (d.h. die Antwort auf Frage 3.) nicht zu entnehmen.

Sonstige mögliche Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes

Auch sonstige, auf die Stadt Mazar-e Sharif als Zielort einer möglichen innerstaatlichen Fluchtalternative bezogene Gründe für die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigten sind unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Wenngleich das erkennende Gericht nicht übersieht, dass es i.Z.m. Paragraph 8, AsylG 2005 nicht auf eine Ursache für eine mögliche Gefahr ankommt, so lässt sich aus den oben zu den vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers und den dazu getroffenen Feststellungen angestellten Überlegungen, und der jeweiligen Verneinung einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gegebener asylrelevanter Verfolgungsgefahr (s. oben unter Pkt. römisch II.3.2.1., römisch II.3.2.2., römisch II.3.2.3.,3.2.4. und römisch II.3.2.5.), bei Rückkehr nach Afghanistan und Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif auch nicht darauf schließen, dass ein reales Risiko insbesondere einer gegen Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht bzw. wurde ein solches Risiko - insbesondere auch nicht durch das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung betreffend einer Rückkehr nach Afghanistan VHS Sitzung 11 - nicht glaubhaft gemacht:

Betreffend eine mögliche Gefährdung "unafghanischer", "westlicher" oder "europäischer" Personen ("Rückkehrer aus dem Westen" bzw. "Verwestlichung") sind den Länderberichten lediglich in Einzelfällen gezielte Übergriffe gegen diese aus diesem Grund zu entnehmen (siehe dazu auch oben die Erwägungen vor dem Hintergrund von Paragraph 3, AsylG 2005, Pkt. römisch II.3.2.3.). Maßnahmen gegen Personen die vermeintlich Werte und/oder ein Erscheinungsbild angenommen haben, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden, werden vor allem von regierungsfeindlichen Kräften und aus sonstigen Kreisen der Gesellschaft in gewissen ländlichen Gebieten gesetzt. Auch ein mögliches besonderes, über die Situation als Rückkehrer aus dem Westen allgemein hinausgehendes Gefährdungsmoment, insbesondere auch betreffend eine Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif, wurde vom Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargelegt (s. dazu das Vorbringen auf Sitzung 11 der VHS).

Soweit der Beschwerdeführer in der, in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, Stellungnahme auf eine mögliche Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban hinweist, so macht er auch damit kein reales Risiko einer gegen die Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßende Behandlung glaubhaft: Die als Rückkehrort angenommene Stadt Mazar-e Sharif steht unter Kontrolle der Regierung. Darüber hinaus zeigen die Länderfeststellungen auf, dass - zwangsweise - Rekrutierungen durch die Taliban nur in Ausnahmefällen vorkommen; und dies kaum bei Hazara.

Auch vom Vorbringen des Beschwerdeführers auf Sitzung 6 seiner Stellungnahme vom 09.07.2018 im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung durch Kriminelle (etwa durch Entführungen) wegen eines - vermuteten - möglichen, im Westen erlangten Reichtums Sitzung 6 dieser Stellungnahme) ist nach den getroffenen Feststellungen, welche nur von Einzelfällen i.d.Z. sprechen (s. oben Pkt. römisch II.1.5.7. "Risiken als Rückkehrer aus einer Verwestlichung"), ist auf kein "reales Risiko" zu schließen.

Schließlich ist auch insbesondere darauf hinzuweisen, dass bestimmte Schwierigkeiten von Rückkehrern nach Afghanistan subsidiären Schutz nicht rechtfertigen können, wenn diese gesund und im erwerbsfähigen Alter sind, eine der Landesprachen Afghanistans beherrschen, mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut sind und die Möglichkeit haben, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern vergleiche VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0351, Rz 13, und VwGH 23.0.2018, Ra 2018/18/0001. Die Entscheidungen ergingen zu im Iran geborenen Afghanen. Gleiches hat dennoch aus Sicht des erkennenden Gerichts dementsprechend -insbesondere unter Bezugnahme der getroffenen Feststellungen aus dem EASO-Länderleitfaden Afghanistan - für in Afghanistan geborene und in Pakistan aufgewachsene Rückkehrer zu gelten).

Ad ii)

Angesichts der Feststellungen zu seiner Person, seinem bisherigen Lebensweg bzw. der festgestellten allgemeinen Lage vor Ort kann dem Beschwerdeführer eine Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif auch zugemutet werden:

Eine vorgeschlagene interne Schutzalternative ist nach den UNHCR-Richtlinien grundsätzlich nur dann zumutbar ("reasonable"), wenn die Person Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und Erwerbsmöglichkeiten hat. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass die interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet hat und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die Richtlinien indizieren allerdings auch, dass es - insbesondere vorausgesetzt die Gegend ist von keinem aktiven Konflikt betroffen - alleinstehenden, leistungsfähigen Männern ohne besondere Bedürfnisse (v.a. spezifische Vulnerabilitäten wie Alter oder Krankheit) bei Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten, Bildung und Erwerbsmöglichkeiten eine interne Fluchtalternative bzw. Neuansiedlung in urbanen und semi-urbanen Gegenden (unter Beachtung der Anzahl der dortigen Binnenvertriebenen) zumutbar ist, selbst wenn diese im voraussichtlichen Neuansiedelungsgebiet keinen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk haben. Zu beachten ist, dass es dabei auf einen "gesicherten" Zugang zu den erwähnten Kriterien nicht ankommt vergleiche dazu VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, Rz. 23). Nach einer (zu den erwähnten Richtlinien in Beantwortung einer Anfrage an das Innenministerium der Bundesrepublik Deutschland ergangenen, ergänzenden) Anmerkung von UNHCR aus dem Dezember 2016 erfordert die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative stets eine sorgfältige Einzelfallprüfung; ein rein pauschalierender Ansatz wäre unzulässig.

Mit Ausnahme der Stadt Kabul - bei dieser wird im Allgemeinen ("generally") in Anbetracht einer Gesamtbetrachtung der Zumutbarkeit wie aber auch der Relevanz des angenommenen Orts der Neuansiedlung als nach einer bestimmten Länderberichtslage nicht möglich beurteilt - behalten auch die am 30.08.2018 vom UNHCR publizierten Richtlinien zu Afghanistan (abrufbar unter:

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442171/90_1535962899_2018-08-30-unhcr-afghanistan-guidelines.pdf, abgerufen am 27.09.2018) diese Sichtweise grundsätzlich bei.

Nach EASO (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 109) - und dessen Informationen bzw. auch Beurteilungen (Schlussfolgerungen) nehmen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gemäß Artikel 10, Absatz 3, Litera b, der Asylverfahrensrichtlinie eine den Richtlinien von UNHCR vergleichbare Stellung ein - kann es sein, dass Antragstellern, welche außerhalb von Afghanistan geboren wurden und/oder eine lange Zeit außerhalb von Afghanistan lebten, eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar ist, falls diese über kein Unterstützungsnetzwerk verfügen, welches ihnen beim Zugang zu den existenziellen Grundbedürfnissen hilft. Zu berücksichtigen sind in solchen Fällen neben der Existenz eines Unterstützungsnetzwerks insbesondere die Ortskenntnis und die persönlichen sozialen und ökonomischen Bedingungen des Antragstellers (einschließlich deren Ausbildung und Berufserfahrung, Verbindungen und auch, ob sie fähig waren, allein außerhalb von Afghanistan zu leben).

Soweit von Relevanz kann nach dem EASO verfügbare Reintegrationsunterstützung auch als zusätzlicher Faktor berücksichtigt werden, welche vorübergehend zur Reintegration in Afghanistan beiträgt (EASO-Länderleitfaden Afghanistan, Sitzung 105).

Im Hinblick auf die allgemeinen Gegebenheiten am Ort der innerstaatlichen Fluchtalternative ist gegenständlich Folgendes zu berücksichtigen:

In der Stadt Mazar-e Sharif stehen nach den Länderinformationen (auch einfache) Unterkünfte zur Verfügung. Insbesondere kann anstelle einer ganzen Wohnung ein einzelnes (und damit gegenüber einem ganzen Apartment deutlich günstigeres) Zimmer gemietet werden bzw. vorübergehend auch z.B. in einem "Teehaus" ("tea house"). Es ist zu berücksichtigen, dass nicht davon ausgegangen werden muss, dass eine einzelne Person eine ganze Wohnung für sich mieten müsste. So könnte auch eine Wohnung von mehreren Personen/Rückkehren, jedenfalls für eine Übergangszeit, geteilt werden, was die Mietkosten (erheblich) senken würde.

Eine grundlegende Infrastruktur und der Zugang zu grundlegender Versorgung, einschließlich zu sanitärer Infrastruktur, sind in der Stadt Mazar-e Sharif gegeben, welche nach der festgestellten Berichtslage als eines der größten Handels- und Finanzzentren Afghanistans gilt.

Es ist nicht zu übersehen, dass nach den festgestellten Informationen die wirtschaftliche Lage sowie Versorgungslage in Afghanistan im Allgemeinen sowie in der Stadt Mazar-e Sharif bzw. aber auch der Provinz Balkh - insbesondere auch aufgrund der großen Anzahl sonstiger Binnenvertriebener und anderer Rückkehrer, welche einströmen - jedenfalls als insbesondere im Hinblick auf die Wohnressourcen als angespannt betrachtet werden muss und die Arbeitslosigkeit auch dort hoch ist. Ebenso ist jedoch aus den getroffenen Feststellungen zu schließen, dass die Stadt Mazar-e Sharif ein wichtiger Wirtschaftsknotenpunkt des Landes ist und eine höhere Industrialisierung als andere Städte in Afghanistan aufweist. Zudem hat Mazar-e Sharif grundsätzlich bessere Arbeitsmöglichkeiten aufgrund einer größeren Anzahl an Unternehmen.

Es ist auch möglich, in der Stadt Mazar-e Sharif eine medizinische Einrichtung bei Bedarf in Anspruch zu nehmen: Aus den Länderfeststellungen ist ersichtlich, dass in Mazar-e Sharif sowohl Zugang zu medizinischen Einrichtungen als auch zu Medikamenten besteht. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste umsonst an, Medikamente sind zumindest in privaten Apotheken verfügbar. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den öffentlichen Krankenhäusern umsonst.

Insgesamt ist festzuhalten, dass - trotz eines hohen Drucks aus dem Ausland Zurückströmender und einströmender Binnenvertriebener - der Zugang zu Grundversorgung (insbesondere betreffend Lebensmittel und sanitäre Einrichtungen), medizinischer Versorgung, Arbeits- und Wohnungsmarkt in der Stadt Mazar-e Sharif gegeben ist.

Im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers ist gegenständlich Folgendes in Betracht zu ziehen:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich nach den zu seiner Person getroffenen Feststellungen um einen gesunden, mobilen, alleinstehenden, jungen, arbeits- und leistungsfähigen Mann. Er verfügt zwar in der Stadt Mazar-e Sharif über kein örtliches soziales Netzwerk und ist mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertraut. Er spricht, wenngleich er bei dieser Sprache des Schreibens und Lesens nicht mächtig ist, jedoch eine der beiden Landessprachen Afghanistans, Dari. Lesen und auch schreiben kann er hingegen Englisch. Daneben spricht er auch noch Urdu und Deutsch. Auch wurde er während seiner Zeit in Pakistan von Afghanen sozialisiert und lebt in Österreich zusammen mit anderen Afghanen in einer Asylwerberunterkunft. Es ist somit davon auszugehen, dass er nach einer Übergangsphase keine Probleme haben wird, Anschluss im gesellschaftlichen Bereich zu finden und sich die grundsätzlich in Afghanistan wichtigen sozialen Netzwerke am Neuansiedlungsort neu aufbauen wird. Er hat in Pakistan jedenfalls mindestens drei Jahre als Schuhmachergehilfe gearbeitet, womit er auch - worauf es aus Sicht des EASO bei Personen, welche lange außerhalb Afghanistans lebten besonders ankommt - selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen. Es besteht aktuell regelmäßiger Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie in Pakistan. Es ist somit davon auszugehen, dass ihn seine Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan vorübergehend und jedenfalls in geringem Ausmaß finanziell unterstützen könnte (s. dazu auch oben die Erwägungen unter Pkt. römisch II.2.4.)

Überdies bietet der afghanische Staat seit Dezember 2016 Unterstützungsleistungen für Rückkehrer aus Europa im Rahmen eines mehrdimensionalen Ansatzes ("whole of community") an. Schließlich kann der Beschwerdeführer - auch finanzielle - Rückkehrhilfe aus besonderen Programmen in Kooperation mit der IOM in Anspruch nehmen (s. dazu oben bei Pkt. römisch II.1.4.).

Der Beschwerdeführer gehört auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger, also etwa in Folge einer schweren Erkrankung, darstellt als die übrige Bevölkerung in der Stadt Mazar-e Sharif, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Außerdem kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme der bereits erwähnten, verfügbaren Rückkehrhilfe jedenfalls übergangsweise, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu einer einfachen Unterkunft, das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort ebenso - zumindest anfänglich - nach den Länderfeststellungen auch in der Stadt Mazar-e Sharif verfügbaren Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern.

In Anbetracht der festgestellten allgemeinen Gegebenheiten in Afghanistan sowie der Stadt Mazar-e Sharif im Besonderen und den festgestellten persönlichen Umständen des Beschwerdeführers kann gegenständlich davon ausgegangen werden, dass er anfangs und auch während einer gewissen Übergangsphase zwar mit Schwierigkeiten konfrontiert sein wird wieder Fuß zu fassen (insbesondere in Bezug auf die Erlangung einer Erwerbstätigkeit). Allerdings kann auch davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen vorliegen, danach ein mit anderen in der Stadt Mazar-e Sharif lebenden Afghanen vergleichbares Leben ohne unbillige Härten bzw. mit einer mehr als bloß das Existenzminimum ermöglichenden Perspektive zu führen (s. dazu insbesondere das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 23.01.2018, Zl. Ra 2018/18/0001, mit Hinweis auch auf die bereits zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs vom 12.12.2017). Dabei spricht auch die Tatsache, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Hazara ohne familiäre Anknüpfungspunkte am Neuansiedlungsort handelt, nicht gegen die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative (s. dazu das bereits oben zitierte und zur Stadt Kabul ergangene, jedoch auf den gegenständlichen Fall übertragbare Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 04.04.2018, Ra 2018/19/0077).

Insgesamt ist daher im gegenständlichen Fall - insbesondere auch unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien sowie des Länderleitfadens von EASO - gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 von einer mit der Stadt Mazar-e Sharif vorhandenen, - trotz fehlendem örtlichen Netzwerks jedoch bei Berücksichtigung verfügbarer Rückkehrhilfen und in Anbetracht von einschlägiger Berufserfahrung - (noch) zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative für den Beschwerdeführer auszugehen bzw. liegen für das Bundesverwaltungsgericht keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass er dort in eine ausweglose, oder in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie insbesondere Nahrung und Unterkunft), in eine sogar lebensbedrohende Situation geraten würde.

3.4.2. Ergebnis:

Bei Gesamtbetrachtung aller im gegenständlichen Fall zu berücksichtigenden Umstände ergibt sich für das erkennende Gericht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückführung in den Herkunftsstaat bzw. bei Neuansiedlung an dem als nach den von Paragraph 11, AsylG 2005 geforderten Voraussetzungen mögliche innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Ort, der Stadt Mazar-e Sharif, nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokolle Nr. 6 und Nr. 13 verletzt wird. Weder droht dort durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der genannten, von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheids ist daher unbegründet.

römisch III. Zu den Spruchpunkten römisch III. und römisch IV. des angefochtenen Bescheids (Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise)

3.5. Rechtsgrundlagen:

Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Paragraph 55, AsylG 2005 lautet:

"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."

Paragraph 57, AsylG 2005 lautet:

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz eins, Ziffer 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Absatz 3 und Paragraph 73, AVG gehemmt."

Paragraph 58, AsylG 2005 lautet:

"§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird."

Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."

Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Paragraph 52, (1) [...]

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

[...]

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. Paragraph 37, AVG gilt."

3.6. Anspruch auf eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz":

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, weil mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach Paragraph 13, AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

Ein Anspruch auf die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" liegt daher in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht vor.

3.7. Anspruch auf eine "Aufenthaltsberechtigung plus" oder auf eine "Aufenthaltsberechtigung":

Im Hinblick auf die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" oder auf eine "Aufenthaltsberechtigung" sind folgende, von der Rechtsprechung aufgestellte Leitlinien zu beachten:

Ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Artikel 8, EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen vergleiche VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325 m.w.N.).

Es besteht ein großes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Das verlangt von Fremden grundsätzlich, dass sie nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (etwa VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben i.S.d. Artikel 8, EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind vergleiche etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren vergleiche z.B. EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a. v. Norwegen).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva u.a. gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist vergleiche Thym, EuGRZ 2006, 541). Im seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte vergleiche i.d.Z. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu Paragraph 66, Absatz eins, FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch die Erkenntnisse VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354). Außerdem ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist vergleiche VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 m. w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Aufenthaltsdauer nach Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist vergleiche etwa VwGH vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Gleichzeitig betonte er aber, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (s. dazu das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.07.2015).

Die Umstände eines gesicherten Unterhalts und, dass es zu keiner Straffälligkeit kam bewirken keine relevante Verstärkung der persönlichen Interessen, vielmehr stellen das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme dar vergleiche VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112). Integrative Bemühungen eines Beschwerdeführers sind insofern zu relativieren, als die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen vergleiche dazu VwGH 26.01.2009, 2008/18/0720). Im Rahmen der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 5, BFA-VG) kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der Frage, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann, eine Bedeutung zukommen vergleiche etwa das Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, Rz. 4.1 m.w.N.). Dies hat freilich im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz:

Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr - letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen vergleiche VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188).

Unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens ist auch von Bedeutung, welche Verhältnisse konkret bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat vorgefunden werden (VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0038).

Im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG ist es maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 10.04.2017, Ra 2016/01/0175 m.w.N.).

Angewendet auf den Beschwerdeführer und die vorzunehmende Interessenabwägung folgt daraus:

Für den Beschwerdeführer spricht gegenständlich, dass er in Österreich bereits eine Reihe von integrativen Maßnahmen gesetzt hat: So hat er einen von Freiwilligen organisierten Deutschkurs absolviert und es konnte festgestellt werden, dass er in der Lage ist, auf elementarer Ebene in einfachen routinemäßigen Situationen des Alltags- und Berufslebens auf Deutsch zu kommunizieren. Er besuchte außerdem den 1. Jahrgang der Landwirtschaftlichen Fachschule XXXXals außerordentlicher Schüler und wechselt im Schuljahr 2018/2019 als außerordentlicher Schüler an die Höhere Bundeslehranstalt und Fachschule für wirtschaftliche Berufe, die "XXXX". Der Beschwerdeführer ist auch unbescholten.

Dem steht gegenüber, dass der Beschwerdeführer in Österreich weder Verwandte oder Familienangehörige hat noch sonstige substantielle Anknüpfungspunkte festgestellt werden konnten. Er ist weder ein Mitglied in Vereinen noch war er bisher ehrenamtlich tätig. Er lebt von der staatlichen Grundversorgung, war bisher nicht erwerbstätig und verfügt über keine Einstellzusage. Betreffend den Kontakt zu Österreichern liegt nur in Form der Schulkollegen vor. Bei den im Vorabsatz genannten, bereits erbrachten anerkennenswerten integrativen Leistungen musste sich der Beschwerdeführer immer seines bloß vorläufigen und unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein. Er hat zwar nur bis zum Alter von ungefähr fünf Jahren in Afghanistan gelebt. Er wurde allerdings in Pakistan unter Afghanen sozialisiert und kann sich in Afghanistan - s. oben die Erwägungen unter Pkt. römisch II.3.4.2. - nach Rückkehr eine Existenz aufbauen. Auch bestehen im Hinblick auf den angenommenen Rückkehrort keine Bedenken im Hinblick auf die physische Integrität oder Unversehrtheit des Beschwerdeführers. Schließlich hält sich der Beschwerdeführer insgesamt erst seit knapp drei Jahren in Österreich auf.

Wägt man die zuvor dargestellten, für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Gesichtspunkte in einer Gesamtbetrachtung gegeneinander ab, so überwiegt für das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich. Der durch die Ausweisung des Beschwerdeführers allenfalls verursachte Eingriff in sein Recht auf Privat- oder Familienleben ist somit gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK gerechtfertigt.

3.8. Frist für die freiwillige Ausreise:

Der Beschwerdeführer hat keine besonderen Umstände, die er bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, vorgebracht. Die im angefochtenen Bescheid gesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise wurde daher von der belangten Behörde korrekt festgelegt.

3.9. Ergebnis:

Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 war dem Beschwerdeführer nach den obigen Erwägungen schon von Amts wegen nicht zuzuerkennen. Ebenso war die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG 2005 nicht geboten. Da gegenständlich die Anträge auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen waren, war auch eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan ist zulässig, weil nach den die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des Paragraph 50, FPG ergeben würde. Wie bereits oben zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheids ausgeführt sieht auch der EGMR in seiner jüngsten Rechtsprechung die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde.

Die Ausreisefrist wurde rechtsrichtig festgelegt.

Auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch III. und römisch IV. des angefochtenen Bescheids ist daher unbegründet.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (s. dazu die oben unter A wiedergegebenen Entscheidungen) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2018:W270.2170867.1.00