BVwG
24.08.2018
W265 2179781-1
W265 2179784-1/15E
W265 2179781-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerden von
1. römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Afghanistan,
2. römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Afghanistan,
beide bevollmächtigt vertreten durch römisch 40 , jeweils gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom
1. römisch 40 , Zl. römisch 40 ,
2. römisch 40 , Zl. römisch 40 ,
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
1.
römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 24.08.2019 erteilt.
2.
römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
römisch II. In Erledigung der Beschwerde wird festgestellt, dass gemäß Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan auf Dauer unzulässig ist, und römisch 40 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer, Mutter und (bereits zum Zeitpunkt der Einreise volljähriger) Sohn und beide afghanische Staatsangehörige, reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 04.02.2016 den jeweils gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers statt. Dabei gab die Erstbeschwerdeführerin u.a. an, afghanische Staatsangehörige, in der Provinz Parwan in Afghanistan geboren und Angehörige der Volksgruppe der Hazara zu sein. Befragt dazu, warum sie ihr Land verlassen habe, gab die Erstbeschwerdeführerin an, ihr Sohn sei 13 Jahre alt gewesen, als ihr Ehemann und ihr Schwiegervater wegen Grundstücksstreitigkeiten im Zuge einer Auseinandersetzung mit den Feinden getötet worden seien. Danach sei sie mit ihrem Sohn in den Iran geflohen, wo sie die letzten 14 Jahre gelebt hätten. Im Iran sei ihr Sohn vier Mal von der Polizei festgenommen und nach Afghanistan abgeschoben worden. Sie hätten keine Dokumente gehabt und die finanzielle Lage sei schlecht gewesen. Deshalb seien sie nach Österreich gekommen. Der Zweitbeschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, sie hätten Afghanistan verlassen, weil sein Vater und sein Großvater wegen Grundstücksstreitigkeiten getötet worden seien. Seine Mutter sei mit ihm in den Iran geflohen. Den Iran hätten sie verlassen müssen, da sie keine Aufenthaltsdokumente gehabt hätten. Folglich sei er vier Mal nach Afghanistan abgeschoben worden. Er habe keine Schule besuchen dürfen, ebenso wenig habe er eine fixe Arbeit gehabt.
3. Am 03.11.2017 wurden die Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Zu ihrem Gesundheitszustand führte die Erstbeschwerdeführerin aus, sie habe seit zehn Jahren starke Kopfschmerzen. Vor zwei Monaten sei sie am Auge operiert worden. Sie habe auch Hüftschmerzen und leide unter Bluthochdruck. Dazu brachte sie aktuelle medizinische Befunde in Vorlage.
Hinsichtlich ihres Fluchtgrundes führte die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass ihr Ehemann und ihr Schwiegervater aufgrund von Grundstückstreitigkeiten von den Cousins väterlicherseits ermordet worden seien. Sie habe die Leichen auf dem Grundstück gesehen, nachdem sie vom Nachbar über den Streit informiert worden sei. Dabei habe sie einen Schlag auf den Hinterkopf erhalten. Beim Nachbarn habe sie wieder das Bewusstsein erlangt. Der Nachbar habe ihren Sohn von der Koranschule abgeholt, und sodann hätten sie mit Hilfe des Nachbarn die Flucht ergriffen.
Der Zweitbeschwerdeführer führte hinsichtlich seines Fluchtgrundes aus, dass seine Cousins seinen Vater und seinen Großvater aufgrund von Grundstückstreitigkeiten umgebracht hätten. Sein Vater oder sein Großvater hätten den Cousin seines Vaters getötet, daraufhin seien sein Vater und sein Großvater von den Cousins ermordet worden. Er habe keine persönlichen Wahrnehmungen, da er zum Zeitpunkt der Ermordungen in der Koranschule gewesen sei. Seine Mutter habe ihm davon berichtet. Unmittelbar danach hätten sie Afghanistan verlassen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würde er umgebracht werden. Dies wisse er von Leuten, die von Afghanistan in den Iran gekommen seien.
4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den jeweiligen Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit oben genannten Bescheiden bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch II.) ab. Weiters wurde den Beschwerdeführern kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt, gegenüber den Beschwerdeführern gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch IV).
5. Gegen den oben genannten Bescheid wurde Beschwerde erhoben, die am 07.12.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte und in der die Beschwerdeführer unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung relevierten und auszugsweise Berichte zur Sicherheitslage in Afghanistan sowie zur Situation von Hazara zitierten.
6. Am 01.02.2018 langten Integrationsunterlagen und ein medizinischer Befund betreffend die Erstbeschwerdeführerin ein.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.06.2018 in den gemäß Paragraph 39, Absatz 2, AVG zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Beschwerdeverfahren betreffend die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer durch die erkennende Richterin in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi sowie des Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Beschwerdeführer wurde ausführlich zu ihren Fluchtgründen, zu ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu ihrer Integration in Österreich befragt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsniederschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.
8. Zu dem in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichtsmaterial gaben die Beschwerdeführer im Wege ihrer Vertretung eine schriftliche Stellungnahme ab, die am 16.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte.
9. Mit Eingabe vom 27.07.2018 wurden aktuelle medizinische Befunde betreffend die Erstbeschwerdeführerin vorgelegt. Vorgelegt wurden zwei Arztbriefe von römisch 40 vom 13.07.2018 und 11.06.2018, wonach bei der Erstbeschwerdeführerin eine chronische Cephalea und ein cerebrelläres Meningeom (Hirntumor) diagnostiziert wurden. Neben der Auflistung der notwendigen Medikation wurde auch das weitere Prozedere zur Abklärung bzw. zu weiterführenden Behandlung des Hirntumors dokumentiert.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme der Beschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen die im Spruch genannten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und Unterlagen, der Stellungnahme vom 16.07.2018, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Die Erstbeschwerdeführerin führt den Namen römisch 40 und ist am römisch 40 geboren. Sie ist afghanische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Hazara und schiitische Muslima.
Die Erstbeschwerdeführerin wurde im römisch 40 in der Provinz Parwan in Afghanistan geboren. Vor ihrer Weiterreise nach Europa lebte die BF1 14 Jahre im Iran. Die Erstbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit dem Zweitbeschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 04.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Erstbeschwerdeführerin verfügt weder über eine Schul- noch Berufsausbildung. In Afghanistan kümmerte sie sich um den Haushalt, die Kindererziehung und arbeitete in der Landwirtschaft mit. Im Iran verrichtete die Erstbeschwerdeführerin Tätigkeiten in der Landwirtschaft. Ihre Muttersprache ist Dari, sie spricht auch Farsi.
Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin ist vor ca. 17 Jahren verstorben. Die genauen Todesumstände konnten nicht festgestellt werden.
Die Familie der Erstbeschwerdeführerin besteht aus dem Zweitbeschwerdeführer und der Erstbeschwerdeführerin.
In Afghanistan leben zwei Cousins väterlicherseits ihres verstorbenen Ehemannes und dessen Söhne. Die Erstbeschwerdeführerin hat keinen Kontakt zu zuvor genannten Familienangehörigen in Afghanistan.
Die Erstbeschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Zweitbeschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und ist am römisch 40 geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim.
Der Zweitbeschwerdeführer wurde in einem Dorf im römisch 40 in der Provinz Parwan geboren. Im Alter von 12 oder 13 Jahren verließ der Zweitbeschwerdeführer Afghanistan und zog mit der Erstbeschwerdeführerin in den Iran, wo er bis zu seiner Weiterreise nach Europa Anfang 2016 lebte. Der Zweitbeschwerdeführer hielt sich nach seiner Ausreise aus Afghanistan vor ca. 16 bzw. 17 Jahren nicht mehr in Afghanistan auf. Die Muttersprache des Zweitbeschwerdeführers ist Dari, er spricht auch Farsi.
Der Zweitbeschwerdeführer besuchte in Afghanistan für wenige Monate eine Koranschule. Der Zweitbeschwerdeführer kann nicht schreiben, aber ein wenig lesen. Der Zweitbeschwerdeführer verrichtete im Iran Tätigkeiten als Hilfsarbeiter am Bau, in der Landwirtschaft und in einer Glaserei.
In Afghanistan leben Verwandte väterlicherseits. Der Zweitbeschwerdeführer hat keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen im Herkunftsstaat. Der Zweitbeschwerdeführer verfügt in Afghanistan über keine sozialen und familiären Anknüpfungspunkte.
Der Zweitbeschwerdeführer leidet an Hepatitis B. Die Diagnose Hepatitis B schränkt den Zweitbeschwerdeführer im Alltag nicht ein. Er ist arbeitsfähig.
Der Zweitbeschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der Zweitbeschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Das von den Beschwerdeführern dargelegte Fluchtvorbringen, sie würden im Fall der Rückkehr von den Verwandten väterlicherseits aufgrund eines Grundstückstreits verfolgt werden, kann nicht festgestellt werden.
Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie spricht kein Deutsch und kümmert sich in Österreich primär um den Haushalt, was sie auch bisher in Afghanistan (und im Iran) getan hat. Sie bedarf bei komplexeren Tätigkeiten einer Unterstützung durch ihren Sohn (den Zweitbeschwerdeführer) im Alltag. Sie trägt ein Kopftuch und ist zur Verhandlung mit Hose und einer langen Tunika erschienen.
Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religionsgemeinschaft in Afghanistan konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt durch die Taliban droht. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass sie im Iran bzw. in Europa gelebt haben, konkret und individuell bzw. dass jedem afghanischen Rückkehrer aus dem Iran bzw. Europa physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:
1.3.1. Bei Erstbeschwerdeführerin wurde ein cerebelläres Meningeom (Hirntumor) diagnostiziert und zudem leidet sie an chronischer Cephalea (Spannungskopfschmerz). Die Erstbeschwerdeführerin steht aufgrund des Hirntumors in einer engmaschigen medizinischen Versorgung und in ständiger ärztlicher Kontrolle. Das weitere Prozedere rund um den diagnostizierten Hirntumor ist in Abklärung, eine Operation in angedacht. Neben den zuvor genannten Diagnosen handelt es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine betagte Frau im fortgeschrittenen Alter, bei der die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben nicht uneingeschränkt vorausgesetzt werden kann. Mangels eines sozialen und familiären Netzes in Afghanistan kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft gesichert sind. Der Erstbeschwerdeführerin würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen.
1.3.2. Dem Zweitbeschwerdeführer wurde bei einer Rückkehr in seiner Herkunftsprovinz in Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Kabul, liefe der Zweitbeschwerdeführer nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
1.4. Zur Gewährung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung" des Zweitbeschwerdeführers
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer leben in einem gemeinsamen Haushalt. Die Erstbeschwerdeführerin, der Mutter des (bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung volljährigen) Zweitbeschwerdeführers, wurde mit Erkenntnis vom selben Tag eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte in der Dauer eines Jahres gewährt. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer führen in Österreich ein schützenswertes Familienleben. Die Erstbeschwerdeführerin benötigt aufgrund ihrer Erkrankungen und ihres fortgeschrittenen Alters die Unterstützung bzw. Hilfe ihres Sohnes (des Zweitbeschwerdeführers) im alltäglichen Leben sowie bei der Wahrnehmung ihrer Arzt- und Kontrolltermine. Der Zweitbeschwerdeführer ist um eine Integration in Österreich sehr bemüht. Er ist um die Vertiefung seiner Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2 bemüht. Neben dem Besuch eines Deutschkurses an der römisch 40 , nimmt er auch an Sprachkursen an der römisch 40 teil. Samstags arbeitet der Zweitbeschwerdeführer ehrenamtlich beim Roten Kreuz mit. Der Zweitbeschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Zweitbeschwerdeführer befindet sich in der laufenden Grundversorgung und erhält sich aktuell nicht selbst. Der Zweitbeschwerdeführer erfüllt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz nicht.
2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer getroffen:
2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018 (Schreibfehler teilweise korrigiert):
Sicherheitslage:
Allgemeines:
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft.
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes
Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht.
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften. Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen. Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8.-17.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern.
Rebellengruppen:
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium.Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden.
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit.
Zivile Opfer:
Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen. Zwischen
1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen.
UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an.
Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert.
Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren.
Sicherheitslage in den einzelnen Provinzen:
Provinz Parwan:
Die strategisch bedeutsame Provinz Parwan liegt 64 km nördlich von Kabul. Die Provinz Parwan grenzt an die Provinzen (Maidan) Wardak, Bamyan, Baghlan, Panjshir und Kapisa. Charikar ist die Provinzhauptstadt, während Jabal Saraj, Salang, Sayed Khel, Shinwar, Syiah Gird, Shikh Ali, Ghorband und Shurk Parsa zu den restlichen Distrikten zählen. (Pajhwok o.D.ae). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 675.795 geschätzt (CSO 2016), und die der Provinzhauptstadt Charikar auf 57.746 (UN OCHA 26.8.2015). Rund 70% der Bevölkerung sind ethnische Tadschiken, 18% Pashtunen und 11% Hazara - Turkmenen kommen auf 1% (Vertrauliche Quelle 15.9.2015).
Ein Abschnitt der Autobahn Kabul-Parwan Highway verbindet die Provinz mit Kabul und weiter mit anderen Provinzen (Khaama Press 2.11.2015; vergleiche auch: Kabul Tribune 26.6.2016; Bakhtar News)
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Parwan 140 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Das Bagram Airfield liegt in der Provinz Parwan (VoA 1.2.2017; vergleiche auch: LWJ 12.11.2016). Als eine der sichersten Einrichtungen in Afghanistan ist dieser Flughafen Ziel von high-profile Angriffen durch Taliban und andere Aufständische (LWJ 12.11.2016; vergleiche auch:
Pajhwok 26.10.2016). Aktiv sind die Taliban unter anderem in dem abgelegenen Dorf Dara Saidan in der Provinz (Tolonews 10.12.2016).
Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt (Khaama Press 12.12.2016; Khaama Press 24.4.2016). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt (Tolonews 3.1.2017; Pajhwok 29.10.2016).
Die Polizei hat in der Vergangenheit große Drogenmengen auf der Route der nördlichen Regionen beschlagnahmt. Etwa 100 Personen wurden in Zusammenhang mit Drogenschmuggel im Norden verhaftet (Pajhwok 6.10.2016).
Provinz Kabul:
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016).
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016). Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vergleiche auch: UNAMA 6.2.2017).
Religionsfreiheit
Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vergleiche USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vergleiche auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3, der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt.
Schiiten:
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt. Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara. Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen.
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe. Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre religiösen Brüder im Iran.
Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen.
Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt. Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt.
Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern. Manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert. Im November 2016 hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee, einer schiitischen Moschee in Kabul, am schiitischen Feiertag Arbain einen Sprengstoffanschlag verübt. Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden. In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt. Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es starben dabei über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten.
Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein. Dennoch verlautbarten Schiiten, dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben.
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten.
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen.
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."
(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen.
Hazara:
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung "Hazaradschat" (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben.
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Clan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert; sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Paschtunen verachtet, weil diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden.
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara. Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle, in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt. Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat.
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.
Frauen:
Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen. Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden.
Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001.
Bildung:
Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung - auch für Mädchen. Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt.
Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben.
Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht. Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule, wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen.
Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014-2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren 63.911 Frauen.
Frauenuniversität in Kabul:
Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an.
Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies"; im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren.
Berufstätigkeit:
Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben. Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung.
Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben.
Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung. Die Alphabetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2%. In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33%.
Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln. Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen.
Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein.
Strafverfolgung und Unterstützung:
Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte. Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit.
Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierten Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen. In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden.
Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich.
Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt; und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden. Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt. Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW-Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden. Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht. Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden.
Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul. Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurden Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren. Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen.
Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation.
Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission, veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 - März 2015), was eine Reduzierung von 13% gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67% der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60% wurden verurteilt und bestraft.
Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt.
Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht. Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden.
Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung:
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord. In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt - in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher. Die AIHRC berichtet von mehr als
4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden. Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet.
Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet).
Ehrenmorde:
Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt. Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben.
Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung.
Legales Heiratsalter:
Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich. Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70%.
In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen.
Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten.
Frauenhäuser:
USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab.
Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden.
Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen.
Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten.
Medizinische Versorgung - Gynäkologie:
Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter.
Medizinische Versorgung:
Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen.
Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung
Artikel 52].
Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück. Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht. Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel.
Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen.
Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf
45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken. Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal. Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung.
Krankenkassen und Gesundheitsversicherung:
Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst. Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar.
Medikamente:
Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes. Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren.
Krankenhäuser in Afghanistan:
Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt.
In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie.
2.2. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016:
"7. Frauen mit bestimmten Profilen oder unter bestimmten Bedingungen lebende Frauen
Die Regierung hat seit 2001 einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung, insbesondere durch Verabschiedung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz), den Erlass von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe von Frauen und die Einrichtung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten.
Die Verbesserungen der Situation von Frauen und Mädchen blieben jedoch Berichten zufolge marginal und Afghanistan wird weiterhin als ‚sehr gefährliches' Land für Frauen und Mädchen betrachtet. Fortschritte, die in der Vergangenheit in Hinblick auf die Menschenrechte von Frauen erzielt wurden, wurden teilweise durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in einigen Teilen des Landes zunichte gemacht. Die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleibt endemisch. Berichten zufolge ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor weit verbreitet und nimmt weiter zu. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte üblicherweise straflos bleiben. Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.
Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz von Frauenrechten weiterhin nur langsam umgesetzt werden, dies betrifft insbesondere die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz). Das im August 2009 verabschiedete Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge der politische Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend wird es Berichten zufolge nicht vollständig durchgesetzt, insbesondere nicht in ländlichen Gebieten. Die überwiegende Mehrheit der Fälle der gegen Frauen gerichteten Gewaltakte, einschließlich schwerer Straftaten gegen Frauen, wird immer noch nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen statt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt. UNAMA berichtet, dass sowohl die afghanische nationale Polizei (ANP) als auch die Staatsanwaltschaften zahlreiche Fälle, einschließlich schwerwiegender Straftaten, an jirgas und shuras zum Zweck der Beratung oder Entscheidung weiterleiten und dadurch die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) unterminieren und die Praktizierung schädlicher traditioneller Bräuche fördern. Durch Entscheidungen gemäß diesen Mechanismen sind Frauen und Mädchen der Gefahr weiterer Schikanierung und Ausgrenzung ausgesetzt.
Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere diskriminierende Bestimmungen für Frauen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.
Während die in diesem Abschnitt beschriebenen Menschenrechtsprobleme Frauen und Mädchen im gesamten Land betreffen, gibt die Situation in Gebieten, die tatsächlich von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden, Anlass zu besonderer Sorge.
Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge in diesen Gebieten die Rechte von Mädchen und Frauen in schwerwiegender Weise beschnitten, darunter ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und politische Partizipation. Außerdem besteht in von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrollierten Gebieten eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz ausgesetzt sind und ihnen keine wirksamen Rechtsmittel gegen die Verletzung ihrer Rechte zur Verfügung stehen. Die von den regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten betriebene Paralleljustiz verletzt Berichten zufolge tatsächlich regelmäßig die Rechte von Frauen.
[...]
8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen
Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer wie etwa Witwen sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Erwerbsmöglichkeiten, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Inhaftierungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia betreffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, einschließlich Inhaftierung aufgrund ‚moralischer Vergehen' wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung, Ablehnung einer Heirat, außereheliche sexuelle Beziehungen (die als Ehebruch angesehen werden) und ‚Weglaufen von zu Hause' (einschließlich in Situationen von häuslicher Gewalt). Mehr als der Hälfte der in Afghanistan inhaftierten Mädchen und Frauen wurden ‚moralische Vergehen' zur Last gelegt. Da Anklagen aufgrund von Ehebruch und anderen ‚moralischen Vergehen' Anlass zu Ehrenmorden geben können, versuchen die Behörden Berichten zufolge in einigen Fällen, die Inhaftierung von Frauen als Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.
[...]
2.3. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (interne Schutzalternative):
"[...] Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:
(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und
(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.
[...] Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte [...] in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte [...] befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte [...] im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen. UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.
[...]
Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.
Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig. [...]"
2.4. Auszug aus den Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016:
"Grundsätzliche Anmerkungen
Nach Auffassung von UNHCR muss man bei einer Bewertung der gegenwärtigen Situation in Afghanistan sowie des Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender berücksichtigen, dass sich die Sicherheitslage seit Verfassen der UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (April 2016), insgesamt nochmals deutlich verschlechtert hat.
[...]
Neue Umstände seit der Veröffentlichung der UNHCR-Richtlinien im April 2016
Verschärfung des Konflikts: Im Laufe des Jahres 2016 hat sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt in Afghanistan weiter ausgebreitet und ist durch eine Fragmentierung und Stärkung der aufständischen Kräfte gekennzeichnet. Die Konfliktparteien ergreifen keine ausreichenden Maßnahmen, um Zusammenstöße und zivilen Opfer zu minimieren, wie es den Verpflichtungen des Humanitären Völkerrechts entspräche. Der Konflikt ist charakterisiert durch immer wiederkehrende Konfrontationen und groß angelegten militärischen Operationen zwischen nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen und den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF), durch den Konflikt zwischen verschiedenen nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen - insbesondere zwischen den Taliban und den neu auftretenden Gruppen, die mit ISIS verbunden sind - und Zusammenstößen zwischen verschiedenen Stämmen, oftmals stellvertretend für die Konfliktparteien. Darüber hinaus finden unvermindert gezielte Gewaltakte, Übergriffe und Einschüchterungen durch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen gegen Einzelpersonen und Familien, die vermeintlich mit der Regierung verbunden sind, statt.
Daneben gibt es eine deutlich erkennbare Umstellung der Taktiken bei den Taliban vom herkömmlichen Guerillakrieg hin zu großangelegten Angriffen insbesondere in städtischen Gebieten, die Zivilisten in großem Maße gefährden. Solche Angriffe führen zu Fluchtbewegungen in erheblichem Umfang.
Anstieg an zivilen Opfern: In der ersten Jahreshälfte 2016 dokumentierte das Menschenrechts-Team der Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) 1.601 zivile Tote und 3.565 verletzte Zivilpersonen. Dies stellt einen Anstieg um weitere 4 Prozent gegenüber der absoluten Zahl von Opfern im Verhältnis zu den ersten sechs Monaten 2015 dar - und ist gleichzeitig die höchste Zahl an zivilen Opfern für einen Halbjahreszeitraum seit 2009. Bodenkämpfe verursachen die höchste Zahl an zivilen Opfern, gefolgt von komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen sowie improvisierten Sprengkörpern. Während regierungsfeindliche Kräfte weiter für die Mehrheit - 60 Prozent - der zivilen Opfer verantwortlich sind, gab es im Zeitraum Januar bis Juni 2016 auch einen Anstieg der Zahlen von Zivilisten, die durch regierungsnahe Kräfte getötet oder verletzt wurden. Während dieses Zeitraums dokumentierte UNAMA 1.180 zivile Opfer, die regierungsnahen Kräften zugerechnet wurden. Dies sind 23 Prozent der Gesamtzahl ziviler Opfer in diesem Jahr. Gleichzeitig bedeutet dies einen Anstieg um 47 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des letzten Jahres. Zurückzuführen ist dieser Anstieg hauptsächlich auf Bodenkämpfe. Opfer explosiver Kampfmittelrückstände werden in besonderem Maße (zu 85 %) Kinder. Von UNAMA sind Berichte von Kindern dokumentiert, die beim Spiel mit Kampfmittelrückständen getötet oder verstümmelt wurden.
Rekordniveau von interner Flucht und Vertreibung durch bewaffnete Konflikte: Bis Mitte Dezember 2016 wurden mehr als 530.000 Personen neu durch Konflikte innerhalb Afghanistans in die Flucht getrieben. Diese Zahl überstieg somit die Zahl von 450.000 Personen, die im Jahr 2015 neu vertrieben wurden. Zudem kam sie zu der Zahl von Binnenvertriebenen hinzu, die schon vor längerer Zeit fliehen mussten und die geschätzt bei mehr als 1,2 Millionen insgesamt liegt. Aus 31 der 34 Provinzen mussten Menschen im Jahre 2016 fliehen und in allen 34 Provinzen von Afghanistan waren Binnenvertriebene zu finden. Die internationale humanitäre Gemeinschaft schätzt, dass im kommenden Jahr, wenn bisherige Trends sich fortsetzen, bis zu 450.000 Personen neu in die Flucht getrieben werden könnten.
Rückkehr in großen Zahlen unter ungünstigen Bedingungen: Ungefähr 372.000 registrierte Flüchtlinge kehrten im Jahr 2016 mehrheitlich aus Pakistan nach Afghanistan zurück. Ausgelöst wurde diese Rückkehrbewegung durch eine Zunahme des Drucks auf afghanische Staatsangehörige von offizieller Seite und der einheimischen Bevölkerung in der zweiten Hälfte des Jahres 2016, unter anderem durch Drohungen, Erpressung, unrechtmäßiger Verhaftung und Inhaftierung. Zusätzlich zu den registrierten Flüchtlingen kehrten 2016 ungefähr weitere 242.000 afghanische Staatsangehörige aus Pakistan nach Afghanistan in ähnliche Umstände zurück. Mehr als 420.000 Afghanen kehrten spontan aus dem Iran zurück oder wurden von dort abgeschoben. Die ungeplante und plötzliche Abreise, insbesondere aus Pakistan, verschärfte das ohnehin hohe Niveau von Vulnerabilität. Viele Familien berichteten, dass sie Wertgegenstände für einen Bruchteil des eigentlichen Wertes verkauften, oder dass sie gezwungen wurden, materielle Güter, die sie über Jahrzehnte im Exil angesammelt hatten, aufzugeben. Die Krise, die durch diese Bevölkerungsbewegungen kurz vor dem erwarteten Wintereinbruch ausgelöst wurde, veranlasste den Humanitären Koordinator der Vereinten Nationen für Afghanistan, mit einem dringenden Hilfsappell an die Öffentlichkeit zu treten, um zusätzlich über 150 Millionen US-Dollar an humanitärer Hilfe für die Notversorgung von über einer Million zurückgekehrten Menschen zu fordern. Wenn der aktuelle Trend sich fortsetzt, rechnet UNHCR mit bis zu 650.000 registrierten zurückkehrenden Flüchtlingen allein im Jahr 2017.
[...]
Aktualisierte Informationen zum Herkunftsgebiet Kabul
Die Zahl der Selbstmordanschläge in Kabul hat im Laufe des Jahres zugenommen. Sie sind außerdem komplexer geworden und führen zu einer höheren Zahl an Todesopfern als die sporadischen Zusammenstöße in anderen Teilen des Landes.
Außerdem ist Kabul massiv vom starken Anstieg der Zahl der Rückkehrer aus Pakistan betroffen, mit fast einem Viertel der 55.000 registrierten zurückkehrenden Familien und einem ähnlichen Anteil an nicht dokumentierten Rückkehrern aus Pakistan, die sich in den überfüllten informellen Siedlungen in Kabul niedergelassen haben. Angesichts des ausführlich dokumentierten Rückgangs der wirtschaftlichen Entwicklung in Kabul als Folge des massiven Abzugs der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 ist die Aufnahmekapazität der Stadt aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringung sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, äußerst eingeschränkt.
Kabul ist zudem traditionell ein Zufluchtsgebiet der vom Konflikt betroffenen Binnenvertriebenen aus der Zentral-Region und anderswo (insbesondere auch aus der östlichen Region des Landes und aus Kunduz). Im Jahr 2016 haben sich Primär- und Sekundärfluchtbewegungen (2.349 Familien bzw. etwa 15.500 überprüfte Personen) aus der östlichen Region weiter fortgesetzt, insbesondere aus Kot, Achin, dem Deh Bala Distrikt der Nangarhar Provinz. Dies sind Distrikte, die von den Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und mit ISIS verbundenen Gruppen sowie von großangelegten Militäroperationen der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF) und der internationalen Streitkräfte betroffen sind. Aus den Beobachtungen von UNHCR geht hervor, dass binnenvertriebene Familien sich oft deshalb in Kabul niederlassen, weil sie dort auch familiäre Verbindungen haben, im Gegensatz zu Jalalabad, wo viele andere binnenvertriebene Familien aus den gleichen Provinzen Sicherheit gesucht haben.
Darüber hinaus führte eine zweite Fluchtwelle aus Kunduz - als Folge der temporären Übernahme von Kunduz durch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen im Oktober 2016 - zu neuerlichen Ankünften von Binnenvertriebenen in Kabul. Die Profile der vertriebenen Familien bestehen aus einer Mischung aus Staatsbediensteten mit guten Verbindungen in die Hauptstadt und anderen Familien, die kaum eine andere Wahl hatten, als in südlicher Richtung vor den Kämpfen zu fliehen. Baghlan blieb im Jahr 2016 weiterhin zu instabil, um Sicherheit für Binnenvertriebene zu bieten. Daher flohen diese nach Kabul, wo sich Familien temporär auch in Lagern niederließen. Diese Binnenflucht geschah in einem kurzen Zyklus und die Mehrheit der Familien ist wahrscheinlich bereits wieder nach Kunduz zurückgekehrt, nachdem von den Behörden im Oktober und November gezielt Druck ausgeübt wurde, staatlich geförderte Rückkehrprogramme wahrzunehmen. Dies geschah allerdings unter Umständen, in denen die Freiwilligkeit der Rückkehr zumindest in einigen Fällen stark bezweifelt werden kann.
Die Wohnraumsituation sowie der Dienstleistungsbereich in Kabul sind aufgrund der seit Jahren andauernden Primär- und Sekundärfluchtbewegungen im Land, die in Verbindung mit einer natürlichen (nicht konfliktbedingten) Landflucht und Urbanisierung zu Massenbewegungen in Richtung der Stadt geführt hat, extrem angespannt. Im Jahr 2016 wurde die Situation durch den Umstand, dass mehr als 25 Prozent der Gesamtzahl der aus Pakistan zurückgekehrten Afghanen nach Kabul gezogen ist, weiter erschwert. Diese Umstände haben unmittelbare Auswirkungen auf die Prüfung, ob Kabul als interne Schutzalternative vorgeschlagen werden kann, insbesondere mit Blick auf eine Analyse der Zumutbarkeit. Die in den UNHCR-Richtlinien vom April 2016 dargestellten Erwägungen bleiben für die Bewertung des Vorhandenseins einer internen Schutzalternative in Kabul bestehen. Die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen muss unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers von Fall zu Fall geprüft werden."
2.5. Auszug aus der Anfragebeantwortung von ACCORD vom 27.06.2016 zur Situation der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan (a-9695-1):
"Chris Johnson, die in den Jahren 1996 bis 2004 unter anderem als Mitarbeiterin in der im Bereich Entwicklungszusammenarbeit tätigen NGO Oxfam und der Forschungseinrichtung Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) in Afghanistan tätig war, schreibt in einer aus dem Jahr 2000 stammenden Studie zu Hazarajat, dass dieses Gebiet die Provinz Bamiyan sowie Teile von benachbarten Provinzen umfasse. Die exakten Grenzen des Hazarajat seien umstritten, doch würden diese für den Zweck der Studie mit jenen des Gebietes alten Schura gleichgesetzt, das die folgenden Distrikte umfasse: Schebar, Bamiyan, Panjao, Waras, Yakawlang (Provinz Bamiyan); Balchab (Jowzjan); Dar-e-Souf (Samanghan); Lal o Sari Jangal (Ghor); Dai Kundi, Sharistan (Uruzgan); Malistan, Jaghori, Nawor (Ghazni); Behsud römisch eins und Behsud römisch II (Wardak). Obwohl es auch möglich sei, historisch von einem noch größeren Gebiet Hazarajat zu sprechen, würden alle genannten Distrikte im Allgemeinen als Teil des Hazarajat anerkannt, und diese Definition des Gebietes entspreche auch den Realitäten der Arbeit der Hilfsorganisationen. Das Hazarajat stelle das am stärksten mono-ethnische Gebiet Afghanistans dar. Die Bevölkerung des Gebiets setze sich überwiegend aus Imami-Schiiten zusammen, obwohl es dort auch einige Ismaili-Schiiten sowie auch sunnitische Hazara gebe. Das am stärksten ethnische gemischte Gebiet innerhalb des Hazarajat sei die Provinz Bamiyan, deren Bevölkerung sich zu 67% aus Hazara, 15% aus Tadschiken, 14% aus Sayyed und zu knapp 2% aus Paschtunen sowie 2% aus Quizilabasch zusammensetze. Insgesamt habe es in den zwei Jahrzehnten vor Veröffentlichung der Studie eine Zunahme an ethnischen Spannungen gegeben, die sich nicht von der politischen Entwicklung loslösen lasse.
Doch auch innerhalb der ethnischen Gruppe der Hazara gebe es Gegensätze und ein System von Untergruppen, das derart komplex sei, dass sich das Ausmaß, in dem sich die Mitglieder dieser Gruppen als eigene Gruppe angesehen hätten, je nach Zeit in Abhängigkeit von den in dem Gebiet aktiven politischen Bewegungen unterschiedlich gewesen sei. Die Gruppenzugehörigkeit gehe sowohl aus Mustern traditioneller Führung in Bezug auf Land, Familie und Religion ab und diese Führungsmuster könnten sich überschneiden. Am ambivalentesten sei der Status der Sayyed, welche die traditionelle religiöse Führung der Hazara bilden und rund vier bis fünf Prozent der Bevölkerung des Hazarajat ausmachen würden. Sie würden ihre Abstammung auf den Propheten Mohammed zurückführen und seien ursprünglich Araber gewesen. Während Ehen zwischen Hazara-Männern und Sayyed-Frauen selten seien, komme es häufig zu Eheschließungen zwischen Sayyed-Männern und Hazara-Frauen. Manchmal würden sich Sayyed selbst als Hazara bezeichnen und auch von anderen als solche bezeichnet. In anderen Fällen würden sich die Sayyed als eigene Gruppe bezeichnen.
In einem Update zur Sicherheitslage in Afghanistan vom September 2015 thematisiert die regierungsunabhängige Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) die Situation von Hazara wie folgt:
‚Diskriminierung gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten sind verbreitet und es kommt immer wieder zu Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien, welche zu Todesopfern führen. Die Diskriminierung Angehöriger der Hazara äußert sich in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung. Hazara wurden überdurchschnittlich oft zu Opfern gezielter Ermordungen' (SFH, 13.09.2015).
Der im April 2016 veröffentlichte Länderbericht des US-Außenministeriums (US Department of State, USDOS) zur Menschenrechtslage (Berichtsjahr 2015) hält fest, dass im November 2015 unbekannte Bewaffnete mindestens 14 Hazara-Männer aus Bussen in der Provinz Zabul entführt hätten. Über deren Verbleib hätten bis Dezember 2015 keine Informationen vorgelegen. Im Februar 2015 hätten Aufständische 31 Hazara-Männer aus einem Bus in der Provinz Zabul entführt und im Mai 2015 19 Geiseln und im November 2015 acht weitere freigelassen. Mit Stand November 2015 seien die übrigen vier Geiseln weiterhin vermisst gewesen. Im März 2015 sei es im ganzen Land zu Protesten gekommen, bei denen Demonstrierende die Regierung aufgefordert hätten, die 31 im Februar entführten Hazara freizubekommen. Im November 2015 seien in Städten im ganzen Land Proteste ausgebrochen, nachdem Aufständische mit mutmaßlichen Verbindungen zum Islamischen Staat (IS) sieben Hazara in der Provinz Zabul enthauptet hätten, darunter zwei Frauen und ein neunjähriges Mädchen. Die Demonstrationen seien ein Ausdruck öffentlichen Unmuts gegen die Unfähigkeit der Regierung gewesen, mit der Bedrohung durch Aufständische fertig zu werden und hätten ein Licht auf die Ängste der Hazara vor weiteren Anschlägen geworfen.
Weiters berichtet das USDOS von fortwährender, sozial, rassisch oder religiös motivierter gesellschaftlicher Diskriminierung von Hazara in Form von Gelderpressungen durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Haft. Laut NGOs seien Hazara-Mitglieder der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) einem stärkeren Risiko ausgesetzt, in unsicheren Gebieten eingesetzt zu werden, als Nicht-Hazara-Beamte. Aus mehreren Provinzen, darunter Ghazni, Zabul und Baghlan, seien eine Reihe von Entführungen von Hazara berichtet worden. Die Entführer hätten Berichten zufolge ihre Opfer erschossen, enthauptet, Lösegeld für sie verlangt oder sie freigelassen. Wie das USDOS weiter bemerkt, seien ethnische Hazara, Sikhs und Hindus zusätzlich zur allgemeinen gesellschaftlichen Diskriminierung weiterhin von Diskriminierung bei der Jobeinstellung und bei der Zuteilung von Arbeiten betroffen.
Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) bemerkt in ihrem im Februar 2016 erschienenen Jahresbericht zum Jahr 2015, dass sie während des Jahres 2015 einen starken Anstieg bei Entführungen und Tötungen von Hazara-ZivilistInnen durch regierungsfeindliche Kräfte verzeichnet habe. So hätten regierungsfeindliche Kräfte zwischen 1. Jänner und 31. Dezember 2015 mindestens 146 Mitglieder der Hazara-Gemeinde bei insgesamt 20 verschiedenen Vorfällen getötet. Mit Ausnahme eines einzigen Vorfalls hätten sich alle in ethnische gemischten Gebieten ereignet, die sowohl von Hazara als auch von Nicht-Hazara-Gemeinden besiedelt seien, und zwar in den Provinzen Ghazni, Balch, Sari Pul, Faryab, Uruzgan, Baghlan, Wardak, Jowzjan und Ghor. UNAMA habe die Freilassung von 118 der 146 entführten Hazara bestätigen können. 13 entführte Hazara seien von regierungsfeindlichen Kräften getötet worden, während zwei weitere während der Geiselhaft verstorben seien. UNAMA habe den Verbleib der übrigen Geiseln nicht eruieren können. Die Motive für die Entführungen seien unter anderem Lösegelderpressung, Gefangenenaustausche, Verdacht der Spionage für die Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) und Nichtbezahlung illegaler Steuern gewesen. In manchen Fällen seien die zugrundeliegenden Motive unbekannt gewesen.
UNAMA führt folgende Beispiele für Entführungen und anschließende Tötungen von Hazara an: Am 23.02.2015 seien im Bezirk Shajoy der Provinz Zabul 30 Hazara-Insassen zweier öffentlicher Busse, die von Herat nach Kabul unterwegs gewesen seien, entführt worden. Drei der Entführungsopfer seien während ihrer Gefangenschaft getötet worden, während zwei offenbar aufgrund von natürlichen Ursachen verstorben seien. Zwischen Mai und August 2015 seien die übrigen Geiseln freigelassen worden, nachdem es Berichten zufolge zu einem Austausch mit einer Gruppe von Häftlingen gekommen sei. Am 13.10.2015 hätten regierungsfeindliche Kräfte sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter zwei Frauen, zwei Jungen und ein Mädchen, die sich auf der Autobahn zwischen Kabul und Kandahar auf dem Weg in den Distrikt Jaghuri (Provinz Ghazni) befunden hätten, entführt. Stammesälteste hätten sich vergeblich um deren Freilassung bemüht. Die Hazara seien im Distrikt Arghandab der Provinz Zabul festgehalten worden, bis Kämpfe zwischen revalisierenden regierungsfeindlichen Gruppen, darunter auch der Gruppe, zu denen die Entführer gehört hätten, ausgebrochen seien. Im Zeitraum von 6. bis 8. November hätten die reguierungsfeindlichen Kräfte allen sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter auch den Kindern, die Kehlen durchgeschnitten. Dieser Vorfall habe Demonstrationen in der Stadt Kabul ausgelöst, bei denen mehr Schutz für die Hazara-Gemeinde gefordert worden sei."
2.6. Auszug aus der gutachterlichen Stellungnahme des Ländersachverständigen Dr. RASULY vom 17.02.2016 zur Lage der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Verfahren betreffend einen anderen Asylwerber vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Zl. W119 2102332-1 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
"[...]
Die Lage der Hazara seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde Ende 2001 in einer Konferenz in Bonn festgelegt, dass alle Ethnien Afghanistans, einschließlich der Hazara, an der staatlichen Macht beteiligt werden müssen. So haben die Hazara und andere schiitische Gruppen seit Ende 2001 im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits-, Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Hazara namens General Morad Ali Morad. General Morad hat weitgehende Befehlsbefugnisse und befehligt derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban. Die Hazara-Parteien, allen voran die Hezb-e Wahdat, kontrollieren derzeit die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara im Rahmen der staatlichen Authorität.
Diese Gebiete sind: Bamiyan, Daykundi, die Distrikte Jaghuri, Malistan, Nawur, Jaghatu, Teile von Qarabagh usw. in der Provinz Ghazni, die Hazara-Wohnbezirke in Mazar-e Sharif und einige Distrikte der Provinzen Samangan, wie Dara-e Suf, Hazara-Siedlungsgebiete in der Provinz Sara-e Pul und in der Provinz Balkh, sowie die von Hazara bewohnten Distrikte und Dörfer in der Provinz Maidan Wardak, v.a. Hessa-i-Awal-i Behsud, Behsud-i Markazi und Daymirdad. Die Hazara sind in Kabul im politisch-kulturellen Leben und im Bildungs- und Wirtschaftsbereich maßgebend vertreten. Sie betreiben mehrere Fernsehsendungen und haben dutzende Privatuniversitäten und Institute im Land. Sie stellen in den staatlichen Universitäten im Verhältnis zu ihrer Anzahl mehr Studenten als jede andere Ethnie des Landes, weil sie durch ihre leidgeprüfte Geschichte die derzeitigen Möglichkeiten besser wahrnehmen.
Die Hazara und andere Schiiten haben in Großstädten wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eigene islamische Bildungseinrichtungen für die schiitische Islam-Lehre. Diese werden vom Iran finanziert und mit Lehrkräften unterstützt. Die Hazara als Schiiten dürfen zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans seit dem Sturz des Taliban-Regimes ungestört und in vollem Umfang schiitische Rituale, wie den wichtigsten Feiertag Ashura, den Gedenktag an den Märtyrertod Imam Husain, mit Prozessionen auch in den nicht schiitischen Bezirken in Kabul und Mazar-e Sharif und in anderen Städten zelebrieren, ohne von den Sunniten gestört und lächerlich gemacht zu werden. Früher haben sie nur in ihren Moscheen unter sich gefeiert. Ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten in Kabul sind Hazara bzw. Schiiten und sind mit den sunnitischen Abgeordneten gleichberechtigt am politischen Prozess beteiligt. Somit sind die Hazara an der Staatsgewalt maßgebend beteiligt. Sie waren bis zum Sturz des Taliban-Regimes im Jahre 2001 in diesem Ausmaß in Afghanistan nie an der staatlichen Macht beteiligt.
Sie sind nicht nur an der Zentralgewalt beteiligt, sondern sie stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad, von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Mit ihrer neuen Stellung, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihren Möglichkeiten befinden sich die Hazara in Afghanistan seit Ende 2001 nicht mehr in einer Opferrolle. Sie sind im Stande, sich kollektiv mit ihren Möglichkeiten im Rahmen des Staates zu verteidigen. Allerdings kommt es vor, dass immer wieder Taliban auf den Hauptstraßen zwischen den Provinzen im Süden, Westen und auf dem Weg nach Maidan Wardak und Bamiyan Reisebusse anhalten und bestimmte Reisende mitnehmen. Die meisten dieser Geiseln auf diesen Strecken sind Hazara. In den Jahren 2013 bis 2015 ist es mehrere Male vorgekommen, dass auf dieser Strecke Hazara aus den Reisebussen gezerrt und mitgenommen worden sind. Einige von ihnen wurden freigelassen, Dutzende wurden getötet. Diese Aktionen der Taliban richten sich nicht nur gegen die Hazara, sondern die Taliban töten und entführen auch Paschtunen, Usbeken und Tadschiken. Bei jeder dieser Aktionen erwecken die Taliban den Anschein, als wäre sie nur gegen die jeweilige Volksgruppe, deren Mitglieder sie gerade entführt und getötet haben, gerichtet. Die Hauptroute von Kabul über den Salang-Pass nach Norden, Baghlan - Mazar-e Sharif - Kunduz, wird hauptsächlich von Paschtunen, Tadschiken und Usbeken befahren. Die Strecke zwischen Baghlan und Kunduz ist sehr gefährlich und die Reisenden versuchen, bis 14 Uhr die Strecke Baghlan nach Kunduz zu passieren, weil nachmittags die Taliban die Route immer wieder kurzfristig unter ihre Kontrolle bringen. Sie zerren willkürlich Personen aus Reisebussen und Taxis und nehmen sie als Geiseln mit. Einige dieser Personen werden von den Taliban später getötet. Dies sind großteils Tadschiken und Usbeken. Die meisten von den Taliban kontrollierten Gebiete in Afghanistan werden von Usbeken, Paschtunen und Tadschiken bewohnt. In diesen Gebieten werden die Menschen willkürlich bestraft und Personen, die einmal für die Regierung gearbeitet haben, geraten unter die Verfolgung und Unterdrückung der Taliban. Die Provinzen und Distrikte, wo hauptsächlich die Hazara wohnen, werden von diesen kontrolliert. Sie haben bis jetzt ihre Siedlungsgebiete soweit geschützt, dass die Taliban dort nicht eindringen konnten. Aber Distrikte wie Gisab in Uruzgan und Nirkh in Maidan Wardak, die auch von Paschtunen bewohnt werden, sowie einige Dörfer, die in den mehrheitlich von Paschtunen oder Usbeken bewohnten Gebieten liegen, werden nicht von den Hazara-Parteien kontrolliert. Manche dieser Gebiete werden immer wieder von den Taliban kurzfristig kontrolliert.
Die Taliban sind Anhänger der arabischen Fundamentalisten, allen voran Saudis, die gegen den Iran und damit gegen die Schiiten eingestellt sind. Daher kommt es immer wieder vor, dass die Taliban ihre Opfer, wenn sie Schiiten sind, zur Schau stellen. Aber sie bringen mehr Paschtunen und Usbeken um, deren Gebiete sie leicht unter ihre Kontrolle bringen können. In diesen Gebieten kommt es häufig vor, dass die Taliban willkürlich Menschen verfolgen, töten und die Jugendlichen, wenn sie benötigt werden, rekrutieren. Eine Zwangsrekrutierung seitens der Taliban ist dort möglich, wo sie vorherrschen.
Diese Gebiete liegen in den von Paschtunen und Usbeken bewohnten Provinzen, wie Nangarhar, Kandahar, Kunar, Kunduz, Faryab, Helmand usw. Wenn die Jugendlichen sich nicht dort befinden oder sich der Zwangsrekrutierung der Taliban entziehen und in Großstädte oder ins Ausland flüchten, werden sie von den Taliban nicht weiter gesucht. Allerdings können diese Jugendlichen nicht mehr in ihre Heimatregion zurückkehren, wenn die Taliban weiterhin dort vorherrschend sind. Zwangsrekrutierung ist nicht weit verbreitet, weil viele Jugendliche aus Gründen der Arbeitslosigkeit und ethnischer Solidarität sich den Taliban anschließen. Auch gibt es Regionen, deren Bevölkerung aus Gründen des Paschtunwali - dem Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen - es in "Krisenzeiten" für notwendig erachtet, den Taliban freiwillig Soldaten bereitzustellen. Die meisten Opfer der Taliban sind von 2013 bis Februar 2016 in den von Paschtunen bewohnten Provinzen Kandahar, Nangarhar, Kunar, Helmand, Logar, Wardak und in den Provinzen Kunduz, Faryab, Baghlan und Badakhshan zu verzeichnen, wo hauptsächlich Usbeken, Tadschiken und Paschtunen wohnen. Die Taliban haben im Oktober 2015 die Stadt Kunduz eingenommen und in wenigen Tagen den UNO-Berichten zufolge mehr als 800 Menschen getötet. Die getöteten Zivilisten waren Tadschiken und Usbeken. Derzeit werden die meisten Distrikte von Nangarhar von den Taliban kontrolliert und von ihnen werden immer wieder Massaker an der Zivilbevölkerung verübt. [...]"
2.7. Auszug aus einer Anfragebeantwortung von ACCORD zur Situation für AfghanInnen (insbesondere Hazara), die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen (u.a. mögliche Ausgrenzung oder Belästigungen); Verhalten der Taliban gegenüber Hazara, die aus dem Iran zurückkehren, vom 12.06.2015 (a-9219):
"Situation für AfghanInnen (insbesondere Hazara), die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen (u.a. mögliche Ausgrenzung oder Belästigungen)
In der im Mai 2014 veröffentlichten Ausgabe der Forced Migration Review (FMR), einer Publikation des Refugee Studies Centre der Universität Oxford, findet sich ein Artikel von Armando Geller und Maciej M. Latek, Mitbegründer von Scensei, einem Unternehmen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung und Durchführung von Analysen. Darin gehen die Autoren auf die Motivationen und die Lage von afghanischen Flüchtlingen im Iran ein, die nach Afghanistan zurückkehren. Wie der Artikel anführt, würden RückkehrerInnen bei ihrer Ankunft in Afghanistan nach einer Abwesenheit von sieben bis 30 Jahren bemerken, dass sie weitgehend von den Verwandtschafts-, Geschäfts- und Patronage-Beziehungen, die sich in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hätten, ausgeschlossen seien. So würden RückkehrerInnen beispielsweise berichten, dass sie keine Jobs über Verwandte oder Freunde bekommen könnten, da sie keinem Patronage-Netzwerk mit Zugang zu Ressourcen angehören würden. Dies führe nicht nur dazu, dass ihr neues Leben wirtschaftlich unhaltbar sei, sondern auch zu vielen Anzeichen einer Identitätskrise bei den RückkehrerInnen. Nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan seien sie Fremde im eigenen Land, die Mühe hätten, ihre schwachen sozialen Beziehungen, die sich weder materiell auszahlen noch Schutz bieten würden, neu zu beleben: [...]
In einem im August 2014 veröffentlichten Artikel für die British & Irish Agencies Afghanistan Group (BAAG), ein Dachverband von in Afghanistan tätigen britischen und irischen Hilfsorganisationen, berichtet die freiberufliche Forscherin und Autorin Vanessa Thevathasan über die Lage junger afghanischer RückkehrerInnen aus dem Iran und Pakistan. Laut Thevathasan seien viele nach ihrer Rückkehr aufgrund des anhaltenden Konflikts und der schlechten Sicherheitslage zu Binnenvertriebenen geworden. Sie seien gezwungen, in Zelten zu leben, und hätten nur geringen Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser.
Die Mehrheit der AfghanInnen sichere sich den Lebensunterhalt durch Subsistenzlandwirtschaft und informellen Handel. In den Städten seien die meisten entweder selbstständig oder GelegenheitsarbeiterInnen. Die Verankerung dieses informellen Sektors sowie der Mangel an grundlegenden Diensten habe Afghanistans Fähigkeit untergraben, der Forderung der internationalen Gemeinschaft nach einer organisierten Rückkehr und Reintegration afghanischer Flüchtlinge nachzukommen. Die Situation sei besonders für zurückkehrende afghanische Jugendliche hart: [...]
Stars and Stripes, eine Nachrichtenwebsite, deren Aufgabe es laut eigenen Angaben ist, die US-Militärgemeinde mit unabhängigen Nachrichten und Informationen zu versorgen, schreibt in einem Artikel vom Jänner 2015, dass sich immer noch mehr als 2,5 Millionen afghanische Flüchtlinge im Ausland aufhalten würden, vor allem in den Nachbarländern Pakistan und Iran. Angesichts wirtschaftlicher Probleme und der zunehmenden Gewalt sei das Ausmaß der freiwilligen Rückkehr auf 16.000 Personen im Jahr 2014 zurückgegangen. Im Jahr zuvor seien noch mehr als doppelt so viele Personen zurückgekehrt.
Zurückkehrende Flüchtlinge hätten Zugang zu einer Reihe internationaler Hilfsmaßnahmen, etwa Zuschüssen von rund 200 US-Dollar als Hilfe zur Deckung von Transport- und Reintegrationskosten, temporären Unterkünfte, Unterweisungen in den Bereichen rechtliche Hilfe und (Aus-)Bildung, sowie Impfungen für Kinder. Die afghanische Regierung habe zurückkehrenden Flüchtlingen und anderen vertriebenen Personen Land zugewiesen, allerdings sei die Fähigkeit der Regierung, andere Dienste wie (Aus-)Bildung und Gesundheitsversorgung bereitzustellen, begrenzt.
Einem für die Provinz Herat zuständigen Offiziellen zufolge würden Flüchtlinge alles verlieren, wenn sie versuchen würden, wieder nach Afghanistan zu kommen. Die afghanische Regierung verfüge nicht über die nötigen Ressourcen, um allen zu helfen.
Einer in Kabul ansässigen Mitarbeiterin der norwegischen NGO Norwegian Refugee Council (NRC) ziehe es viele zurückkehrende AfghanInnen aufgrund der Aussicht auf bessere wirtschaftliche Möglichkeiten in die Städte. Die Wirklichkeit sei allerdings, dass es dort nur selten mehr Möglichkeiten gebe. Es setze sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Mehrheit der Flüchtlinge nicht mehr zurückkehren wolle. Sie hätten Afghanistan oftmals wegen des Krieges oder anderer Schwierigkeiten verlassen und würden nun aufgrund der wirtschaftlichen Lage nicht mehr zurückkehren wollen: [...]
Die Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU), eine unabhängige Forschungsorganisation mit Sitz in Kabul, geht in einem Bericht vom Juli 2009 auf die Erfahrungen junger AfghanInnen bei ihrer Rückkehr aus Pakistan und dem Iran ein. Wie der Bericht anführt, sei die soziale Ablehnung durch AfghanInnen, die während der Konfliktjahre in Afghanistan geblieben seien, eine schwierige Erfahrung für einige RückkehrerInnen der zweiten Generation gewesen. Es gebe zwei wichtige Gründe, warum Flüchtlinge der zweiten Generation bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland mit dieser sozialen Exklusion konfrontiert seien: Zum einen könnten einige Flüchtlinge als ‚Eindringlinge' in die afghanische Gesellschaft angesehen werden, zum zweiten könnte es sich um das erste Mal handeln, dass sie als AfghanInnen mit tiefgreifenden ethnischen und Stammes-Unterschieden unter ihren Landsleuten konfrontiert würden.
Rund ein Viertel der befragten RückkehrerInnen, die meisten aus dem Iran, aber auch einige aus Pakistan, hätten berichtet, dass sie bzw. Familienangehörige oder Freunde von anderen AfghanInnen wegen ihrer Rückkehr aus einem anderen Land geächtet worden seien. Bei den RückkehrerInnen, die dies berichtet hätten, habe es sich vor allem um alleinstehende, gebildete und weibliche Personen gehandelt. Zurückgekehrte Frauen seien relativ einfach anhand ihrer Kleidung auszumachen und ihre Erscheinung und ihr Verhalten könnten im Widerspruch zu den lokalen kulturellen Erwartungen und sozialen Codes stehen. Bei diesen RückkehrerInnen handle es sich eindeutig um ‚AußenseiterInnen', die leichte Ziele für Schikanierungen seitens anderer AfghanInnen darstellen würden. Insbesondere dann, wenn Flüchtlinge der zweiten Generation sich sehr stark in die pakistanische oder iranische Lebensweise integriert hätten und nicht wüssten, was für AfghanInnen ‚normal' sei, bzw. sich nicht dementsprechend verhalten könnten, könnten sie als ‚verwöhnt', ‚Nichtstuer' oder ‚nicht afghanisch' betrachtet werden.
Im Großen und Ganzen scheine es eine generelle negative Einstellung gegenüber einigen RückkehrerInnen zu geben, denen von einigen in Afghanistan verbliebenen Personen vorgeworfen werde, ihr Land im Stich gelassen zu haben, dem Krieg entflohen zu sein und im Ausland ein wohlhabendes Leben geführt zu haben. Einer der Gründe für diese Vorwürfe sei Angst im Zusammenhang mit der Konkurrenz um Ressourcen. RückkehrerInnen der zweiten Generation, bei denen es wahrscheinlich sei, dass sie sich in einer besseren sozioökonomischen Lage befinden würden als Personen, die in Afghanistan geblieben seien, würden von ihren Landsleuten, die ihr ‚Territorium' in den Bereichen Bildung, Arbeit, Eigentum und sozialer Status bedroht sehen würden, manchmal als unerwünschte Eindringlinge angesehen. Darüber hinaus scheine es eine stereotype Wahrnehmung von zurückgekehrten Mädchen und Frauen zu geben, wonach diese ‚freier' seien. Dies hänge mit der generellen Wahrnehmung der AfghanInnen von pakistanischen und iranischen Frauen zusammen. Afghanische Flüchtlinge der zweiten Generation würden diese Frauen oftmals als ‚freier' ansehen, sowohl in negativer (z.B. Scham in Verbindung mit einem weniger moralischen Verhalten) als auch in positiver Hinsicht (z.B. besserer Zugang zu Bildung und Arbeit). Die jungen RückkehrerInnen, die in Pakistan und im Iran aufgewachsen seien, würden von den in Afghanistan Verbliebenen ähnlich betrachtet.
Wie der Bericht weiters anführt, werde Diskriminierung aus ethnischen, religiösen und politischen Gründen von Flüchtlingen der zweiten Generation noch intensiver erlebt als von Flüchtlingen der ersten Generation oder AfghanInnen, die bereits Erfahrungen in Afghanistan gemacht hätten und sich dieser Realität bewusster seien:
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In einem im Februar 2011 von den beiden Denkfabriken Middle East Institute (MEI) und Fondation pour la Recherche Stratégique (FRS) veröffentlichten Bericht geht Bruce Koepke, der aktuell beim Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) tätig ist und zuvor für die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) in Nordafghanistan, Kabul und Teheran gearbeitet hat, auf die Lage von AfghanInnen im Iran ein. Wie Koepke anführt, habe der Umstand, dass die Mehrheit der im Iran geborenen AfghanInnen, vor allem Dari-/Farsi-sprechende sunnitische TadschikInnen und schiitische Hazara, über Schule und Arbeit die iranische Kultur und Lebensweise aufgenommen habe, ihre kulturelle Anpassung erleichtert. Gleichzeitig werde dadurch aber auch ihre Repatriierung erschwert. Für viele sei die Vorstellung, in ländliche Gebiete Afghanistans zurückzukehren, die meist (‚most commonly') nur ein sehr grundlegendes Maß an Infrastruktur, sozialen Diensten und Beschäftigungsmöglichkeiten bieten würden, beängstigend. Darüber hinaus seien im Iran ausgebildete AbsolventInnen bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan nicht selten mit unterschiedlich stark ausgeprägten Vorurteilen konfrontiert: [...]
In einem im Jänner 2012 veröffentlichten Meinungsartikel auf der Website des US-amerikanischen Nachrichtensenders Fox News berichtet Fariba Nawa, eine in den USA ansässige afghanisch-amerikanische Journalistin und Autorin eines Buches zu den Auswirkungen der Opium-Produktion in Afghanistan, über aus dem Iran zurückkehrende afghanische Flüchtlinge. Wie Nawa anführt, würden diese AfghanInnen die Identität Afghanistans ändern und das Land iranischer machen. Diese Änderungen hätten zu Spannungen zwischen AfghanInnen, die das Land nie verlassen hätten, und den afghanischen RückkehrerInnen geführt. Den qualifizierten RückkehrerInnen werde übel genommen, dass sie bessere Jobs bei Hilfsorganisationen und der afghanischen Regierung bekommen würden. Konservative Personen würden die afghanischen Frauen, die im Iran aufgewachsen seien, verachten, da diese liberaler und mutiger erscheinen würden. Wie Nawa weiter anführt, würden Hazara, bei denen es sich historisch betrachtet um die ärmste der Minderheiten in Afghanistan gehandelt habe, reicher, gebildeter und geeint zurückkehren.
Dem Artikel zufolge würden die RückkehrerInnen als ‚Afghan-e badal' oder falsche AfghanInnen bezeichnet. Nur wenige von ihnen hätten politische Verbindungen in den Iran, aber aufgrund ihrer Zeit im Iran seien sie in den Augen der AfghanInnen, die das Land nicht verlassen hätten, kulturell nicht authentisch und politisch verdächtig: [...]
In einer im Jahr 2014 eingereichten Masterarbeit an der University of Ottawa geht Masuma Moravej auf die Situation junger afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran nach Afghanistan zurückkehren, ein. Unter anderem basiert die Arbeit auf Angaben von zwölf afghanischen RückkehrerInnen in Kabul (im Alter zwischen 19 und 34, davon sechs Hazara), die sich bereit erklärten, mit der Autorin über ihre Erfahrungen zu sprechen. Wie Moravej anführt, habe es InterviewpartnerInnen gegeben, die sich diskriminiert und geringgeschätzt gefühlt und angegeben hätten, als ‚verwöhnt', ‚Nichtstuer' oder ‚nicht afghanisch' bezeichnet zu werden. Obwohl einige Interviewte der Aussage, es komme zu Diskriminierung, nicht zugestimmt hätten, habe ungefähr die gleiche Anzahl an Interviewten dieser Aussage beigepflichtet.
Ausgrenzung aufgrund des Status eines/r Rückkehrers/Rückkehrerin sei nur eine der negativen Erfahrungen gewesen, die die InterviewpartnerInnen gemacht hätten. Eine weitere sei die Diskriminierung aufgrund persönlicher Merkmale (so wie Ethnie, Religion und Geschlecht) gewesen. Eine(r) der Interviewten habe mitgeteilt, dass man als RückkehrerIn aus dem Iran mit verschiedenen Arten von Diskriminierung und einem gewissen Grad an Stereotypisierung durch die lokale Gemeinschaft (andere AfghanInnen) konfrontiert werde. Deshalb müssten sich RückkehrerInnen mehr anstrengen, um bei der Arbeit oder in anderen Lebensbereichen erfolgreich zu sein.
Drei Interviewte hätten angegeben, dass die BewohnerInnen Kabuls ihnen gegenüber ein unfreundliches Verhalten an den Tag gelegt hätten. Die BewohnerInnen hätten sie als OpportunistInnen und SchwindlerInnen angesehen, die während des Krieges geflüchtet und nun nach Afghanistan zurückgekehrt seien, um von der teilweise stabilisierten Lage im Land zu profitieren. Das Problem der ethnischen Diskriminierung sei von zehn der Interviewten genannt worden. So habe eine der Interviewten (eine Hazara) angegeben, dass sie im Iran wegen ihres Afghanisch-Seins beleidigt worden sei und nun in Kabul wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werde. Wie Moravej anführt, hätten die den Hazara angehörenden Interviewten berichtet, mit einem größeren Ausmaß ethnischer Diskriminierung konfrontiert worden zu sein: [...]
Wie Moravej in der Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse anführt, hätten die meisten RückkehrerInnen erklärt, sie würden sich in erster Linie als AfghanInnen betrachten und erst danach als Angehörige einer bestimmten ethnischen Gruppe. Die afghanische Gesellschaft hingegen richte ihr Verhalten gegenüber den RückkehrerInen eher an deren ethnischer Zugehörigkeit aus: [...]
In einer im September 2013 eingereichten Masterarbeit an der japanischen Ritsumeikan Asia Pacific University geht Ahmadi Yaser Mohammad Ali ebenfalls auf die Lage afghanischer RückkehrerInnen aus dem Iran ein. Die nötigen Informationen für die Arbeit wurden unter anderem mittels Interviews mit 17 Haushaltsvorständen (im Alter von 24 bis 70) in zwei Stadtvierteln von Kabul, in denen viele RückkehrerInnen aus dem Iran leben würden, gesammelt. Wie Ali anführt, hätten sich viele der Befragten darüber beschwert, dass die afghanische Gesellschaft eine negative Wahrnehmung von RückkehrerInnen aus dem Iran habe. Allerdings sei dieses Problem vor allem von Flüchtlingen der zweiten Generation angesprochen worden.
Mit Verweis auf den weiter oben bereits zitierten AREU-Bericht von 2009 erläutert Ali, dass Flüchtlinge der zweiten Generation aufgrund der Diskriminierung, mit der sie im Iran konfrontiert gewesen seien, unter großem Druck gestanden hätten, in der Öffentlichkeit iranisches Persisch zu sprechen. Wegen ihres Akzents würden sie bei ihrer Rückkehr leicht als RückkehrerInnen ausgemacht, was zu sozialer Ausgrenzung führen könne. Einem Bericht der Afghanischen Unabhängigen Menschenrechtskommission zufolge seien diese RückkehrerInnen auch mit Diskriminierung und Erniedrigung seitens einiger staatlicher Einrichtungen, darunter auch Bildungseinrichtungen, konfrontiert. In manchen Fällen seien sie aufgrund ihres Akzents und ihrer Kleidung ihrer Rechte beraubt worden.
Wie Ali weiters anführt, habe die afghanische Regierung im Jahr 2001 ein Dekret erlassen, das die Diskriminierung von RückkehrerInnen verbiete. Trotz dieses Dekrets seien sich alle Befragten einig gewesen, dass RückkehrerInnen aus dem Iran von der Bevölkerung und der Regierung diskriminiert und schikaniert würden. Im Gegensatz dazu sei in der nationalen afghanischen Entwicklungsstrategie der afghanischen Regierung aus dem Jahr 2008 angeführt worden, dass es kein Muster von Diskriminierungen von RückkehrerInnen gegeben habe, auch wenn die Reintegration dieser Personen eine Herausforderung darstelle: [...]
Die International Crisis Group (ICG), eine unabhängige, nicht profitorientierte Nicht-Regierungsorganisation, die mittels Informationen und Analysen gewaltsame Konflikte verhindern und lösen will, schreibt in einem Bericht vom August 2009, dass viele afghanische SunnitInnen, genauso wie Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, Teherans Verbindungen zu einigen ethnischen oder bewaffneten Gruppen, die während des anti-sowjetischen Dschihad im Iran Zuflucht gesucht hätten, misstrauisch gegenüber stehen würden. Obwohl die Unterstützung des Iran für Mudschaheddin-Gruppen in den 1980er-Jahren begrenzt gewesen sei, habe die iranische Regierung im Jahr 1991 bei dem Zusammenschluss von Hazara-Gruppen zu einer einzigen Partei, der Hezb-e Wahdat Islami Afghanistan, geholfen. Die Partei habe sich später der Nordallianz beim Kampf gegen die Taliban angeschlossen. Der vermutete mittels der Hezb-e Wahdat ausgeübte Einfluss Teherans auf die Hazara, die die meisten afghanischen Flüchtlinge im Iran stellen würden, werde deshalb gemeinhin mit Misstrauen betrachtet, auch wenn die Partei im Parlament vertreten sei und die Unterstützungsbasis für die Karzai-Regierung verbreitere. Obwohl der gemeinsame Glaube den Iran und die schiitischen Hazara miteinander verbinde und die Hezb-e Wahdat eine beträchtliche Unterstützung vonseiten der Flüchtlinge im Iran genieße, sei es unwahrscheinlich, dass Teheran sich selbst dazu verpflichte, die Hazara zu verteidigen: [...]
Verhalten der Taliban gegenüber Hazara, die aus dem Iran zurückkehren
Der vom US-amerikanischen Kongress finanzierte Rundfunkveranstalter Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) berichtet im Februar 2015, dass Bewaffnete zwei Busse mit 30 Hazara an Bord in der Provinz Zabul auf dem Highway zwischen Kandahar und Kabul aufgehalten hätten. Laut Angaben lokaler Behörden hätten die Bewaffneten die männlichen Hazara mitgenommen, während Frauen, Kinder und Personen, die nicht den Hazara angehört hätten, zurückgelassen worden seien. Es werde davon ausgegangen, so RFE/RL weiters, dass es sich bei den BusinsassInnen um afghanische Flüchtlinge gehandelt habe, die aus dem Iran zurückgekehrt seien. Keine Gruppe habe sich zu dieser Massenentführung bekannt: [...]
In einer E-Mail-Auskunft vom 4. Juni 2015 schreibt Liza Schuster vom Institut für Soziologie an der City University London, die gegenwärtig als Gastwissenschaftlerin am Afghanistan Centre der Kabul University (ACKU) tätig ist, dass sie keine Studie kenne, die sich mit dieser konkreten Fragestellung beschäftige. Sie könne lediglich sagen, dass Hazara zur Zielscheibe würden und Hazara, die Zeit im Iran verbracht hätten, aufgrund ihres veränderten Akzents und ihrer Kleidung (vor allem Frauen, die kleinere Kopftücher und kurze Mäntel über enganliegenden Hosen tragen würden) hervorstechen würden. Die 31 Hazara, die vor kurzem in Zabul entführt worden seien, hätten sich auf dem Rückweg aus dem Iran befunden. Es sei allerdings nicht bekannt, ob das Motiv für die Tat die Annahme, die Entführten hätten Geld, ihre ethnische Zugehörigkeit zu den Hazara oder politische Gründe gewesen sei. Sie habe gehört, dass fünf der Entführten getötet und 26 im Austausch für die Freilassung von Taliban-Kämpfern freigelassen worden seien, so Schuster weiter:
[...]
In einer E-Mail-Auskunft vom 5. Juni 2015 schreibt Niamatullah Ibrahimi von der Australian National University, dessen Forschungsschwerpunkt auf politischen und Menschenrechtsthemen in Afghanistan liegt, dass die Behandlung eines Hazara, der aus dem Iran nach Afghanistan zurückkehre, von den individuellen Umständen abhängen könnte. Im Allgemeinen denke er, dass folgende Punkte berücksichtigt werden müssten:
Zum einen könnten Hazara, die längere Zeit im Iran verbracht hätten oder dort geboren seien, mit beträchtlichen Herausforderungen bei der Wiederansiedelung und Reintegration in Afghanistan konfrontiert sein. Es sei wahrscheinlich, dass die betreffende Person einen iranischen Akzent angenommen und einen städtischen und iranischen Lebensstil entwickelt habe und nur wenig über die sich schnell verändernden sozialen und sicherheitsrelevanten Dynamiken in Afghanistan wisse. Dies könnte die Person einer großen öffentlichen Aufmerksamkeit und Kontrolle aussetzen, was zu beträchtlichen Herausforderungen in Gebieten, die einem iranischen Einfluss feindlich gegenüberstehen würden, führen könnte.
Zum zweiten seien die Taliban dem Iran traditionell feindlich gesinnt und würden dazu tendieren, die religiösen und kulturellen Verbindungen der Hazara zum Iran mit Misstrauen zu betrachten. Während es einige Fraktionen innerhalb der Taliban gebe, die gemäßigtere Ansichten in Bezug auf den Iran und die Hazara haben könnten oder einem Angriff auf aus dem Iran zurückkehrende Hazara zu diesem Zeitpunkt keine Priorität einräumen würden, würden einige Taliban-Fraktionen gegenüber Hazara, die sie als eng mit dem Iran verbunden wahrnehmen würden, ein extremistischeres und gewalttätigeres Verhalten an den Tag legen: [...]"
3. Beweiswürdigung:
3.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:
Die Identität der Beschwerdeführer konnte mangels Vorlage unbedenklicher und übereinstimmender Dokumente nicht festgestellt werden; der im Spruch angeführte Name sowie die Geburtsdaten dienen lediglich zur Identifizierung der Beschwerdeführer als Verfahrenspartei.
Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer gründen sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen der Beschwerdeführer zu zweifeln.
Die Angaben der Beschwerdeführer zu ihrem Geburtsort, ihren Aufenthaltsorten, ihrem schulischen und beruflichen Werdegang, ihrem Familienstand, ihren Familienangehörigen, ihren Lebensumständen in Afghanistan und im Iran sowie ihrer Einreise nach Österreich waren - soweit dies angesichts des Bildungshintergrundes gefordert werden kann - im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.
Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers gründen sich auf ihre glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung und die im Akt befindlichen und in der mündlichen Verhandlung vorgelegten medizinischen Unterlagen. Zweifel an der grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit des Zweitbeschwerdeführers sind während des gesamten Verfahrens nicht aufgetaucht.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
3.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Bei der Beurteilung des Vorbringens der Beschwerdeführer findet in die Beweiswürdigung Eingang, dass es sich bei den Beschwerdeführern um Personen handelt, die nie (die Erstbeschwerdeführerin) bzw. nur über einen kurzen Zeitraum (der Zweitbeschwerdeführer) die Schule besucht haben und somit auch keinen fundierten Bildungshintergrund nachweisen können.
3.2.1. Soweit die Beschwerdeführer ihren illegalen Aufenthalt und die Lebensumstände als Grund für ihre Flucht aus dem Iran angeben, so waren ihre diesbezüglichen Aussagen sowohl bei der Erstbefragung als auch bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht - auch vor dem Hintergrund des notorischen Amtswissens zur Lage im Iran - schlüssig und plausibel und sohin glaubhaft.
3.2.2. Das Hauptverfolgungsvorbringen der Beschwerdeführer lautet im Wesentlichen, sie seien bei einer Rückkehr nach Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Cousins väterlicherseits (und deren Söhne) aufgrund eines Grundstücksstreits ausgesetzt. Dies ist aus folgenden Gründen nicht glaubhaft:
3.2.2.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer zu ihren konkreten Fluchtgründen über weite Strecken nicht hinreichend substantiiert ist.
Die Beschwerdeführer wurden in der mündlichen Verhandlung dazu aufgefordert, ihr Fluchtvorbringen möglichst detailreich zu schildern, doch blieben gerade die Ausführungen zum letztlich fluchtauslösenden Moment, sohin zum Kern des Fluchtvorbringens, relativ vage und unkonkret. Die Beschwerdeführer wurden in der mündlichen Verhandlung dazu aufgefordert, ihr Fluchtvorbringen möglichst detailreich zu schildern, doch blieben gerade die Ausführungen zu den Geschehnissen rund um die vorgebrachte Ermordung der Familienangehörigen sehr vage und unkonkret.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der aus Furcht um sein Leben sein Heimatland verlässt, versucht, von sich aus detailliert, umfangreich und lebensnah die ihm widerfahrenen Bedrohungssituationen zu schildern. Trotz wiederholter Aufforderung, ihr Vorbringen von sich aus und möglichst detailliert zu schildern, präsentierten die Beschwerdeführer bloß eine grobe Rahmengeschichte, die sie erst auf fortwährendes Nachfragen näher darlegten. Auch dabei vermochten sie aber keine konkreten und lebensnahen Details zu nennen, die für die erkennende Richterin den Eindruck erweckt hätten, die von den Beschwerdeführern geschilderten Ereignisse seien tatsächlich so vorgefallen.
Zu unkonkret blieb auch die Darlegung der sie (die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer) individuell treffenden Gefahren im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, die sie in der mündlichen Verhandlung und auch während der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nur weitgehend unbestimmt beschreiben konnten und lediglich auf Mutmaßungen bzw. Aussagen Dritter stützten vergleiche Seite 12 der Verhandlungsniederschrift, Seite 6 ff des Einvernahmeprotokolls zu W265 2179781-1).
3.2.2.2. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer in wesentlichen Punkten widersprüchlich und somit nicht nachvollziehbar war:
So traten im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl widersprüchliche Angaben zu den Verwandten väterlicherseits auf. Während die Erstbeschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zunächst von fünf Cousins sprach, behauptete sie wenig später, es seien sechs Cousins gewesen, gegen Ende der Einvernahme reduzierte sie die Anzahl der Cousins väterlicherseits auf nur mehr zwei. vergleiche Seite 6 ff des Einvernahmeprotokolls zu W265 2179784-1). Der Zweitbeschwerdeführer wiederum führte im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Familie von drei Cousins väterlicherseits bedroht worden sei vergleiche Seite 8 des Einvernahmeprotokolls zu W265 2179781-1). Die Beschwerdeführer gaben zwar zu Beginn der mündlichen Verhandlung an, dass es im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen sei. Derart divergierende Angaben der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers sind jedoch nicht erklärbar.
Weiters erwähnte der Zweitbeschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass vor der Ermordung seines Vaters und Großvaters ein Verwandter väterlicherseits von seinem Vater oder Großvater im Rahmen der Auseinandersetzung ermordet worden vergleiche Seite 6 und 7 des Einvernahmeprotokolls zu W265 2179781-1). Die Erstbeschwerdeführerin wiederum brachte im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl lediglich vor, dass ihr Ehemann und ihr Schwiegervater ermordet worden seien vergleiche Seite 9 ff des Einvernahmeprotokolls zu W265 2179784-1). Von einer weiteren ermordeten Person eines Verwandten ihres verstorbenen Ehemannes väterlicherseits tätigte die Erstbeschwerdeführerin keine Angaben, obwohl sie laut ihrem Vorbringen die Leichen auf dem Grundstück gesehen habe. Dass derart wesentliche Details von der Erstbeschwerdeführerin nicht vorgebracht wurden, ist für die erkennende Richterin nicht nachvollziehbar.
Zu Ungereimtheiten ist es auch bei den Angaben der Beschwerdeführer zur Dauer der bereits zurückliegenden Grundstücksstreitigkeiten gekommen: So behauptete die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, die Streitigkeiten hätten bereits vor drei Jahren begonnen, während der Zweitbeschwerdeführer angab, die Streitigkeiten mit den Verwandten hätten vor drei Monaten begonnen. In der mündlichen Verhandlung wiederum erklärte die Erstbeschwerdeführerin, dass es die Streitigkeiten rund um das Grundstück bereits zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung mit ihrem verstorbenen Ehemann gegeben habe vergleiche Seite 11 des Verhandlungsprotokolls).
Darüber hinaus konnten die Beschwerdeführer ihre Ausführungen zur vorgebrachten Ermordung des Ehemannes bzw. Vaters und des Schwiegervaters bzw. Großvaters nur auf Wahrnehmungen Dritter stützen. Dass die Familienangehörigen von den Verwandten väterlicherseits des Ehemannes bzw. Vaters ermordet worden seien, stützen die Beschwerdeführer auf die Berichterstattung durch die Nachbarn vergleiche Seite 10 des Verhandlungsprotokolls).
Auch die Rückkehrgefährdung bzw. Verfolgungsgefahr durch die Verwandten väterlicherseits stützten der Zweitbeschwerdeführer auf "x-beliebige Personen", die von Afghanistan in den Iran gekommen seien und von einer allfälligen Gefahr im Herkunftsstaat berichtet hätten vergleiche Seite 6 des Einvernahmeprotokolls zu W265 2179781-1). Woher diese namentlich unbekannten Personen über die mehr als 17 Jahre zurückliegenden Ereignisse berichten konnten, vermochten der Zweitbeschwerdeführer nicht zu erklären. Vielmehr trat auch in diesem Zusammenhang eine Ungereimtheit auf, da er während der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärte, dass weder er noch seine Mutter (die Erstbeschwerdeführerin) über die Geschehnisse in der Vergangenheit gesprochen hätten.
3.2.2.4. Den Beschwerdeführern kommt daher in einer Gesamtschau hinsichtlich ihres Verfolgungsvorbringens keine Glaubwürdigkeit zu. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, sie seien bei einer Rückkehr nach Afghanistan der Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Cousins väterlicherseits und deren Söhne ausgesetzt, ist daher insgesamt als nicht glaubhaft zu beurteilen.
3.2.3. Die Feststellungen zur Erstbeschwerdeführerin als eine nicht am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frau ergeben sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem persönlichen Eindruck, der von der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen werden konnte.
Es sind im gesamten Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die darauf schließen ließen, dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich bereits in einem solchen Maße eine ("westliche") Lebensweise führt, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt.
Sie handelt es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine erwachsene, betagte, einfache Frau, deren Fokus nach wie vor auf der Haushaltsführung liegt. Trotz ihres zweieinhalbjährigen Aufenthalts in Österreich verfügt die Erstbeschwerdeführerin über nur äußerst geringe Deutschkenntnisse vergleiche Seite 8 der Verhandlungsniederschrift). In der mündlichen Verhandlung wurde zudem der Eindruck gewonnen, dass die Erstbeschwerdeführerin sich in Österreich nur innerhalb eines äußerst kleinen Radius bewegt. Sie hat zwar angegeben, gelegentlich selbständig einkaufen zu gehen und gelegentlich in den Park spazieren zu gehen vergleiche Seite 8 und 9 der Verhandlungsniederschrift); derartige Unternehmungen in der näheren Umgebung stellen aber nach Auffassung des Gerichts für sich genommen noch kein ausreichend tragfähiges Substrat für die Annahme eines selbstbestimmten Lebens dar.
Die Erstbeschwerdeführerin ist darüber hinaus bei komplexen Erledigungen auf die Unterstützung durch ihren Sohn (den Zweitbeschwerdeführer) angewiesen vergleiche Seite 9 der Verhandlungsniederschrift). Was der Annahme eines selbstbestimmten Lebens diametral entgegenläuft. Dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich bereits nachhaltige soziale Kontakte hätte, was die Annahme einer westlichen Lebensführung zumindest indizieren könnte, konnte sie in der mündlichen Verhandlung nicht dartun. Die überschaubaren und wenig nachhaltigen Kontakte, die sie bislang gewonnen hat, bestehen zu Personen, mit denen sie in Zusammenhang mit integrationsfördernden Maßnahmen und in der Nachbarschaft in Berührung gekommen ist.
Zusammenfassend kann somit im Falle der Erstbeschwerdeführerin davon ausgegangen werden, dass diese eine "westliche Orientierung", der eine selbstbestimmte und selbstverantwortliche Lebensweise immanent ist, weder verinnerlicht noch in ihrer alltäglichen Lebensführung verankert ist. Die Erstbeschwerdeführerin ist eine zum Entscheidungszeitpunkt unselbständige Frau mit äußerst geringen Deutschkenntnissen, deren Leben in Österreich sich insgesamt nicht wesentlich von jenem unterscheidet, welches sie über Jahre in Afghanistan und im Iran führte. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen und aus dem im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen Gesamteindruck, den die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, lässt sich eine Verinnerlichung einer "westlichen Lebensweise", die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt, nicht ableiten.
3.2.4. Eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund ihrer Eigenschaft als Hazara und Schiit vermochten die Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen: Ihr diesbezüglich erstattetes Vorbringen blieb vorwiegend abstrakt und weitgehend vage vergleiche Seite 12 und 19 der Verhandlungsniederschrift). Es ist daher nicht erkennbar, dass den Beschwerdeführern wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion in ihrem Heimatdorf in Afghanistan konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt durch die Taliban droht.
Hinsichtlich einer (behaupteten) Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan wird auf die Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung verwiesen.
3.3. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:
3.3.1. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin gründen sich auf ihre glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten medizinischen Befunden, worin die diagnostizierten Erkrankungen der Erstbeschwerdeführerin beschrieben werden sowie die medizinische Behandlungsnotwendigkeit ausgeführt wird. Die Feststellungen zu den persönlichen und individuellen Umständen der Erstbeschwerdeführerin ergeben sich aus den glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung.
3.3.2. Die Feststellungen zu den Folgen bei einer Rückkehr des Zweitbeschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Parwan ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten (Pkt. 2.1.). Auf das Wesentliche zusammengefasst geht daraus hervor, dass Parwan eine volatile Provinz ist; sie ist eine strategisch bedeutsame Provinz in der militärische Operationen durchgeführt werden. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt.
Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Zweitbeschwerdeführers in außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegenen Landesteilen und insbesondere in der Stadt Kabul ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan vergleiche 2.3.) - aus den oben angeführten Länderberichten zu Kabul vergleiche 2.1., 2.4.) in Zusammenschau mit den - vom Zweitbeschwerdeführer glaubhaft dargelegten - persönlichen Umständen, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere maßgeblich ist, dass er arbeitsfähig ist und Berufserfahrung vorweisen kann.
3.4. Zur Gewährung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung" des Zweitbeschwerdeführers
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des volljährigen Zweitbeschwerdeführers. Der Zweitbeschwerdeführer lebt seit seiner Geburt mit der Erstbeschwerdeführerin in einem gemeinsamen Haushalt. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer reisten vor ca. 17 Jahren gemeinsam aus Afghanistan aus und lebten vor ihrer Weiterreise nach Europa 14 Jahre im Iran. Es besteht im Beschwerdefall eine außergewöhnlich enge Bindung zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer, wie die beiden auch in der Beschwerdeverhandlung mehrmals betonten. Auch der persönliche Eindruck, den die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung hinterließen, zeigt, dass sich die beiden gegenseitig unterstützen und ein besonders intensiver Zusammenhalt zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer besteht. Gerade die diagnostizierten Erkrankungen der Erstbeschwerdeführerin und die daraus resultierende engmaschige medizinische Versorgung bzw. Kontrolle fordert eine ständige Begleitung durch den Zweitbeschwerdeführer, der die Erstbeschwerdeführerin bei der Wahrnehmung ihrer Arzt- und Kontrolltermine unterstützt und ihr auch bei der Erledigung der täglichen Aufgaben hilft.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom selben Tag, wurde der Erstbeschwerdeführerin aufgrund der (lebensbedrohlichen) Erkrankung in Zusammenschau mit den festgestellten persönlichen und individuellen Lebensumständen (betagte Frau im fortgeschrittenen Alter, keine Schul- und Berufsausbildung, Arbeitsfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin nicht bzw. nur - wenn überhaupt - nur sehr eingeschränkt gegeben, keine familiären oder sozialen Kontakte im Herkunftsstaat), eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte in der Dauer von einem Jahr erteilt.
Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Zweitbeschwerdeführers, den absolvierten Sprachkursen und seinen Integrationsbemühungen ergeben sich aus den glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Zweitbeschwerdeführers gründet sich auf den eingeholten Strafregisterauszug.
Die Feststellung, dass sich der Zweitbeschwerdeführer in laufender Grundversorgung befindet, gründet sich auf die vom BVwG eingeholten Speicherauszüge aus dem Betreuungsinformationssystem. Daraus folgt, dass sich der Zweitbeschwerdeführer aktuell nicht selbst erhält. Aus den vom Zweitbeschwerdeführer vorgelegten Integrationsunterlagen ist nicht zu entnehmen, dass der Zweitbeschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung nach Paragraph 9, Integrationsgesetz bereits erfüllt hätte.
3.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Die oben wiedergegebenen Länderfeststellungen wurden den Beschwerdeführern - neben darüber hinaus gehenden Länderfeststellungen - in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übergeben. Die Beschwerdeführer erstatteten im Wege ihres Rechtsvertreters eine schriftliche Stellungnahme, in der sie den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht substantiiert entgegen traten.
4. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A.)
4.1. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
4.1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde vergleiche VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr vergleiche VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 in Verbindung mit Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe vergleiche VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, Paragraph 45,, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
4.1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass eine Gefährdung, die auf eine Verfolgungsgefahr iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention hindeuten könnte, nicht feststellbar gewesen sei. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:
4.1.2.1. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr aus Gründen die sich im Iran zugetragen haben:
Soweit sich das fluchtkausale Vorbringen der Beschwerdeführer auf die schwierigen Lebensumstände illegal im Iran aufhältiger Afghanen bezieht, so ist ihnen entgegen zu halten, dass dieses Vorbringen zwar, wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, glaubhaft ist und der Beurteilung zu Grunde gelegt wird, dass aber Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vorsieht, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 17, AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Aufgrund der afghanischen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer kann somit ihr Vorbringen im Hinblick auf den Iran außer Betracht bleiben vergleiche VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).
4.1.2.2. Zur behaupteten Gefahr der Verfolgung durch die Cousins väterlicherseits und deren Söhne:
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Vorbringen der Beschwerdeführer, sie seien bei einer Rückkehr nach Afghanistan der Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Cousins väterlicherseits und deren Söhne ausgesetzt, keine Glaubhaftigkeit zu. Den Beschwerdeführern ist es deshalb insoweit insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan sowie der mangelnden Glaubhaftigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern insofern im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
4.1.2.3. Zur (fehlenden) westlichen Orientierung der Erstbeschwerdeführerin
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, konnte im Fall der Erstbeschwerdeführerin nicht festgestellt werden, dass diese seit ihrer Einreise nach Österreich im Februar 2016 eine Lebensweise angenommen hat, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde, somit eine "westliche" Lebensführung angenommen hat, die ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden wäre und mit der sie mit den sozialen Gepflogenheiten des Heimatlandes brechen würden.
Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan haben sich keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, einer Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass sich laut jüngsten Länderberichten die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat.
Bezogen auf Afghanistan führt die Eigenschaft des Frau-Seins an sich gemäß der ständigen Judikatur der Höchstgerichte nicht zur Gewährung von Asyl. Lediglich die Glaubhaftmachung einer persönlichen Wertehaltung, die sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert, wird als asylrelevant erachtet; es ist daher zu prüfen, ob westliches Verhalten oder westliche Lebensführung derart angenommen und wesentlicher Bestandteil der Identität einer Frauen geworden ist, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (VfGH 12.06.2015, Zl. E 573/2015).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden. Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301, mwN).
Den bisherigen Aktivitäten bzw. der Lebensweise der Erstbeschwerdeführerin seit ihrer Einreise ist insgesamt nicht zu entnehmen, dass diese einen derartigen "westlichen", selbstbestimmen Lebensstil anstrebt oder bereits pflegt. Auch eine entsprechende innere Wertehaltung konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Infolgedessen verletzt die Erstbeschwerdeführerin mit ihrer Lebensweise die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan nicht in einem Ausmaß, dass ihr bei einer Rückkehr (unter Beibehaltung des derzeitigen Lebensstils) eine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde.
4.1.2.4. Zur Verfolgungsgefahr aus Gründen der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit:
In Ermangelung von den den Beschwerdeführern individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Beschwerdeführer im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale - etwa wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wären.
Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mit Verweis auf VfGH 18.09.2015, E 736/2014). Dass ein Angehöriger der ethnischen und religiösen Minderheit der Hazara im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht finden:
Aus den Länderberichten vergleiche insbesondere Pkt. römisch II. 2.5.) ist abzuleiten, dass Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, (weiterhin) von Diskriminierung in Form von illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen sind. Festzuhalten ist im Lichte der derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan auch, dass vereinzelte Angriffe, Entführungen oder Tötungen von Zivilpersonen sowie Terroranschläge in Afghanistan grundsätzlich jederzeit und überall möglich sind. Die Gründe für diese Gewalthandlungen sind dabei ebenso vielfältig wie die beteiligten Konfliktgruppen und die jeweiligen Opfer der Taten. Weiters geht auch aus dem in der mündlichen Verhandlung dargelegten Berichtsmaterial hervor, dass es zu Übergriffen gegen Angehörige der Volksgruppe der Hazara kommt. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch - auch vor dem Hintergrund des o.a. Auszugs aus einer gutachterlichen Stellungnahme zur Lage der Hazara in Afghanistan (Pkt. römisch II. 2.6.) - nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten.
Die in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara und die beobachtete Zunahme von Übergriffen gegen Hazara erreichen gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13.10.2015, Ra 2015/19/0106, eine Gruppenverfolgung der Hazara mit der Begründung nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen habe, was jedoch in der vorliegenden Entscheidung nicht der Fall ist. In einer weiteren Entscheidung behob der Verwaltungsgerichtshof ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, weil dieses sich im zugrunde liegenden Fall nicht mit dem Beschwerdevorbringen zu einer Gruppenverfolgung der Hazara in Ghazni auseinandergesetzt hatte (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0171); der vorliegende Fall ist mit dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ursprünglich nicht aus der Provinz Ghazni stammt; zudem erfolgte eine hinreichende amtswegige Auseinandersetzung mit dem relevanten Länderberichtsmaterial sowie der Frage des Vorliegens einer Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara. Auch der Verwaltungsgerichthof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).
Da eine Gruppenverfolgung - in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit - von Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht gegeben ist und die Beschwerdeführer diesbezüglich auch keine individuelle Bedrohung dargetan haben, lässt sich auch insoweit eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführer nicht ableiten.
4.1.3. Da sich auch sonst keine konkrete gegen die Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in ihrem Heimatstaat ableiten ließ, war im Ergebnis die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
4.2. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten der Erstbeschwerdeführerin
4.2.1. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, leg.cit. zu verbinden.
Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, leg.cit.) offen steht.
Nach Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
4.2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Artikel 2, oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat vergleiche etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen vergleiche VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).
Für den hier in Rede stehenden Herkunftsstaat Afghanistan hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst mehrfach auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3, EMRK geschützten Rechte bedeuten würde vergleiche dazu VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, 18.03.2016, Ra 2015/01/0255, 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die seit 2013 bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).
In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren zum Herkunftsstaat Afghanistan ergangenen Rechtsprechung wiederholt und unter Bezugnahme auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgesprochen, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde vergleiche VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, römisch eins gegen Schweden, Appl. 61204/09; siehe dazu auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255).
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Artikel 3, EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (Paragraph 11, AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht vergleiche hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).
Betreffend die auch im vorliegenden Fall in Rede stehende Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan führte der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausdrücklich aus, dass nicht von vornherein erkennbar sei, weshalb ein Fremder durch mangelnde tragfähige Beziehungen und mangelnde Ortskenntnisse in afghanischen Großstädten trotz Vertrautheit mit den kulturellen Gegebenheiten und der Sprache in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens komme vergleiche VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).
Auch der Verfassungsgerichtshof führte in einem jüngst ergangenen Erkenntnis ausdrücklich aus, dass das Faktum, dass ein Beschwerdeführer nicht über hinlängliche Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul verfügt, für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht ausreiche und dass mit dem Hinweis auf die schwierige Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche und in wirtschaftlicher Hinsicht keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und damit keine Verletzung von Artikel 3, EMRK dargetan werde vergleiche VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).
4.2.2.1. Vor diesem Hintergrund ist zum Beschwerdeverfahren der Erstbeschwerdeführerin Folgendes festzuhalten:
Dass die Erstbeschwerdeführerin bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte und den festgestellten persönlichen und individuellen Umständen der Erstbeschwerdeführerin. Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine betagte Frau im fortgeschrittenen Alter, bei der die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben nicht uneingeschränkt vorausgesetzt werden kann. Bei der Erstbeschwerdeführerin wurde eine chronische Cephalea und ein cerebelläres Meningeom (Hirntumor) diagnostiziert. Die Erstbeschwerdeführerin steht aufgrund der zuvor genannten (lebensbedrohlichen) Diagnosen in ärztlicher Behandlung und benötigt Medikamente, die ihre Schmerzen erträglich machen. Das weitere Prozedere zur Behandlung des Hirntumors ist noch in Abklärung. Die Erstbeschwerdeführerin ermüdet schnell und hat permanent Schmerzen im Kopf. Die Erstbeschwerdeführerin kann daher keine schweren oder anstrengenden Tätigkeiten verrichten. In dem weitgehend auf körperliche Arbeit ausgerichteten Arbeitsmarkt in Afghanistan, welcher besonders auf körperliche Arbeit ausgerichteten Arbeitsmarkt in Afghanistan, welcher besonders für Rückkehrer ohne sozialen Anschluss in Afghanistan relevant ist, wird es der Erstbeschwerdeführerin aufgrund ihrer massiven gesundheitlichen (lebensbedrohlichen) Einschränkung sowie ihres fortgeschrittenen Alters schwerfallen, eine Arbeitsstelle zu finden und sich ihren Lebensunterhalt zu sichern. Mangels eines sozialen oder familiären Netzes in Afghanistan kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Erstbeschwerdeführerin Unterstützung bei den täglichen Erledigungen erhält bzw. dass ihr eine entsprechende (lebensnotwendige) medizinische Versorgung aufgrund des diagnostizierten Hirntumors zuteil wird. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin ihre grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen kann und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten wird.
Der Erstbeschwerdeführerin würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten exzeptionellen Umstände unter Berücksichtigung der - im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - sie betreffenden individuellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr keine Lebensgrundlage vorzufinden drohen. Es ist somit dargetan, dass ihre Abschiebung eine Verletzung in ihren Rechten nach Artikel 3, EMKR darstellen würde.
Ausschlussgründe nach Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins und 2 leg.cit) und die Erstbeschwerdeführerin andererseits unbescholten ist (Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 3, leg.cit.).
4.2.3. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 stattzugeben.
Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten des Zweitbeschwerdeführers
4.2.4. Zum Verfahren des Zweitbeschwerdeführers ist Folgendes auszuführen.
Der Zweitbeschwerdeführers stammt aus der Provinz Parwan, welche - wie aus den Länderberichten vergleiche 2.1.) ableitbar - eine der Provinzen mit volatiler Sicherheitslage in Afghanistan ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass dem Zweitbeschwerdeführers bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz die reale Gefahr einer Verletzung des Artikel 3, EMRK drohen würde.
4.2.4.1. Der Zweitbeschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan vergleiche 2.3.) - nach den oben angeführten Länderberichten zu Kabul vergleiche 2.1., 2.4.) in Zusammenschau mit den - vom Zweitbeschwerdeführer glaubhaft dargelegten vergleiche 3.1.) - persönlichen Lebensumständen aus folgenden Gründen in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, konkret in die Hauptstadt Kabul, verwiesen werden:
Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Artikel 3, EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.
Laut den oben auszugsweise wiedergegebenen Richtlinien des UNHCR (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vergleiche u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103) müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist. Nach Auffassung von UNHCR stellen alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf Ausnahmen von der Anforderung eines Zugangs zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet dar; diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen.
Hinsichtlich der in der Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist jedoch zumindest grundlegend gesichert.
Beim Zweitbeschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann im erwerbsfähigen Alter mit Berufserfahrung als Hilfsarbeiter in den unterschiedlichsten Bereichen, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Zweitbeschwerdeführer hat zwar bislang noch nicht in Kabul gelebt und verfügt dort über keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte. Er hat jedoch einen überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, wodurch er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und der Sprache vertraut ist. Zudem gehört der Zweitbeschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Außerdem kann der Zweitbeschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei ihm seine Berufserfahrung zu Gute kommt.
4.2.4.2. Es ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aus folgenden Gründen auch nicht ersichtlich, dass bei diagnostizierter Hepatitis B Beeinträchtigungen des Zweitbeschwerdeführers in jener besonderen Schwere vorliegen, die nach der sehr strengen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes zu Artikel 3, EMRK eine Abschiebung nach Afghanistan und eine Ansiedlung in der Stadt Kabul als unmenschliche Behandlung erscheinen ließen:
Den oben angeführten Länderfeststellungen ist zwar zu entnehmen, dass es in Afghanistan landesweit nach wie vor u.a. an ausreichenden Ärzten sowie Fachpersonal mangelt, sich die medizinische Versorgung in Afghanistan jedoch in den letzten zehn Jahren stark verbessert hat und grundsätzlich vorhanden ist (Pkt. 2.1.).
Unbestritten ist, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Artikel 3, EMRK eine Überstellung nach Afghanistan dann nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte.
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat - aus dem Blickwinkel des Artikel 3, EMRK - im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist - vergleiche dazu etwa die Erkenntnisse vom 10.12.2009, 2008/19/0809, und vom 28.04.2010, 2008/19/0139).
Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung des Artikel 3, EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (EGMR 22.06.2010, Al-Zawatia gegen Schweden, Appl. 50.068/08; 27.05.2008, N. gegen Vereinigtes Königreich, Appl. 26.565/05, 42 ff.;
03.05.2007, Goncharova & Alekseytsev gegen Schweden, Appl. 31.246/06; 07.11.2006, Ayegh gegen Schweden, Appl. 4701/05;
04.07.2006, Karim gegen Schweden, Appl. 24.171/05; 10.11.2005, Paramsothy gegen die Niederlande, Appl. 14.492/03).
Für eine akute lebensbedrohende Krankheit des Zweitbeschwerdeführers, welche eine Überstellung nach Afghanistan gemäß der dargestellten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verbieten würde, liegen im konkreten Fall keine Hinweise vor. Auch wurde nicht hinreichend konkret dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand des Zweitbeschwerdeführers im Falle einer Überstellung derartig verschlechtern würde, dass eine Überstellung iSd oben angeführten Judikatur als unzulässig anzusehen wäre. Abgesehen davon werden von der Fremdenpolizeibehörde anlässlich einer Abschiebung auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit der Betroffenen beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.
Durch eine Abschiebung des Zweitbeschwerdeführers wird Artikel 3, EMRK somit nicht verletzt, zumal es ausreicht, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung grundsätzlich verfügbar sind, was im Herkunftsstaat des Zweitbeschwerdeführers der Fall ist; dass die Behandlung im Herkunftsstaat nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant.
Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Zweitbeschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.
Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Zweitbeschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Kabul in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Zweitbeschwerdeführer eine Ansiedlung in der Stadt Kabul möglich und auch zumutbar ist.
4.2.5. Im Ergebnis war daher die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
4.3. Zur Gewährung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung" und Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung auf Dauer nach Paragraph 9,
BVA-VG
Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise folgendermaßen:
Arten und Formen der Aufenthaltstitel
Paragraph 54, (1) Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatenangehörigen erteilt als:
1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß Paragraph 17, Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BgBl. Nr. 218/1975 berechtigt,
2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,
3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.
(2) Aufenthaltstitel gemäß Absatz eins, sind für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Absatz eins, Ziffer eins und Ziffer 2, sind nicht verlängerbar.
[...]
Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen.
Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz eins, Ziffer 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Absatz 3 und Paragraph 73, AVG gehemmt.
(3) - (4) [...]
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
Paragraph 58, (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist gemäß Paragraph 55, von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) - (13) [...]"
Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten wie folgt:
Verbot der Abschiebung
Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
[...]
Rückkehrentscheidung
Paragraph 52, (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) - (8) [...]
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
(10) - (11) [...]
§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine
Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.
(4) - (6) [...]
Gemäß Paragraph 58, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, leg. cit. von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, leg. cit. ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, leg. cit. nur von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 liegen im Beschwerdefall nicht vor, weil der Aufenthalt des Zweitbeschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, und der Zweitbeschwerdeführer auch nicht Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 wurden. Weder hat der Zweitbeschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, leg. cit. behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 ist, dass dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG 2005 überhaupt in Betracht vergleiche VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Nach Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen vergleiche VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Artikel 8, EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Artikel 8, EMRK einer Ausweisung entgegen steht:
Für den Beschwerdefall ergibt sich daraus Folgendes:
Der Zweitbeschwerdeführer lebt seit seiner Geburt mit seiner Mutter (der Erstbeschwerdeführerin) im gemeinsamen Haushalt in einem sehr engen Familienverband. Insbesondere nach der Ausreise aus Afghanistan vor ca. 17 Jahren und dem mehrjährigen Aufenthalt im Iran unterstützte der Zweitbeschwerdeführer seine Mutter (die Erstbeschwerdeführerin) im alltäglichen Leben bzw. kümmerte sich um die Existenzgrundlage. Bei der Erstbeschwerdeführerin wurde neben einer chronischen Cephalea ein cerebelläres Meningeom (Hirntumor) diagnostiziert, wodurch die Erstbeschwerdeführerin in engmaschiger ärztlicher Behandlung steht. Der Zweitbeschwerdeführer unterstützt die Erstbeschwerdeführerin im alltäglichen Leben, wobei der Zweitbeschwerdeführer dank seiner sehr guten Deutschkenntnisse als Dolmetscher bei laufend notwendigen Arztbesuchen und bei Behördenwegen fungiert. Der VwGH führt dazu aus, dass familiäre Beziehungen unter Erwachsenen dann unter den Schutz des Artikel 8, Absatz eins E, M, R, K, fallen, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die übliche Bindung hinausgehen. vergleiche VwGH 02.08.2016, RA 2016/20/0152). Das Familienleben des Zweitbeschwerdeführers und der Erstbeschwerdeführerin (Mutter) besteht demnach tatsächlich, und es bestand bereits vor der Einreise in das Bundesgebiet. Das Familienleben ist als intensiv anzusehen, dies insbesondere deshalb, weil die Familie lediglich aus dem Zweitbeschwerdeführer und der Erstbeschwerdeführerin besteht. Nach dem Tod des Ehemannes bzw. Vaters leben bzw. lebten der Zweitbeschwerdeführer und die Erstbeschwerdeführerin als Familie zusammen und unterstützten sich gegenseitig im alltäglichen Leben.
Die Erstbeschwerdeführerin erhält mit Erkenntnis vom selben Tag eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres. Nachdem der Zweitbeschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Einreise bereits volljährig war, ist es rechtlich nicht möglich, auch ihm eine von seiner Mutter abgeleitete befristete Aufenthaltsberechtigung zu gewähren, zumal eigene (originäre) Gründe bzw. die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes nicht gegeben sind.
De facto würde eine Rückkehrentscheidung und Ausweisung des Zweitbeschwerdeführers daher bedingen, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer getrennt werden, und der Zweitbeschwerdeführer alleine nach Afghanistan zurückkehren müsste.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt vergleiche dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK, ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil - abseits familiärer Umstände - eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist vergleiche Thym, EuGRZ 2006, 541). Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen vergleiche EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60.654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Der Zweitbeschwerdeführer hält sich im vorliegenden Fall seit seiner Antragstellung im Februar 2016, und somit erst seit zweieinhalb Jahren, im Bundesgebiet auf. Der Zweitbeschwerdeführer hat zwar Integrationsbestrebungen an den Tag gelegt, welche per se - dh. ohne seine familiären Umstände - jedoch nicht ausgereicht hätten, um eine Rückkehrentscheidung zu verhindern.
Fest steht, dass eine Ausweisung des Zweitbeschwerdeführers jedenfalls einen schwerwiegenden Eingriff in dessen Recht auf Achtung des Familienlebens nach Artikel 8, Absatz eins, EMRK darstellt.
Es war daher in einem nächsten Schritt zu prüfen und abzuwägen, ob dieser Eingriff im der in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen notwendig (verhältnismäßig) ist, was nichts anderes bedeutet, als die Privat- und Familieninteressen gegen die öffentlichen Interessen abzuwägen sind.
Der Zweitbeschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und hat sich in der Zeit seines Aufenthaltes wohlverhalten und sich vielmehr darum bemüht, sich in Österreich zu integrieren. Der Zweitbeschwerdeführer stellt als Einzelperson keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit Österreichs dar. In Zusammenschau der im konkreten Einzelfall des Zweitbeschwerdeführers vorliegenden Aspekte, überwiegen in der Gesamtbetrachtung letztlich die Interessen des Zweitbeschwerdeführers im Zusammenhang mit seinem nach Artikel 8, Absatz eins, EMRK gewährleisteten Rechtes auf Achtung seines Familienlebens, und damit seinem dauerhaften Verbleib in Österreich, gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung iSd Paragraph 9, BFA-VG ist die belangte Behörde zwar zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Zweitbeschwerdeführers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwog, und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK zumindest damals nicht vorlag. Dies war insbesondere deshalb der Fall, weil die belangte Behörde keinem Familienmitglied einen Aufenthaltstitel zusprach. Mittlerweile hat sich die Sachlage insoweit geändert, als der Mutter (der Erstbeschwerdeführerin) subsidiärer Schutz gewährt wird, und damit de facto eine Trennung der Familie im Raum steht.
Das erkennende Gericht kommt im Lichte dieser neuen Sachlage zu dem Ergebnis, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG im gegenständlichen Beschwerdeverfahren eine Verletzung der Rechte des Zweitbeschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK darstellt.
In Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ist definiert, dass die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG nur dann auf Dauer ist, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Der Zweitbeschwerdeführer ist aktuell nicht selbsterhaltungsfähig, noch erfüllt er die sonstigen Voraussetzungen des Paragraph 55, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005. Nachdem die Erlassung einer Rückkehrentscheidung dem Artikel 8, EMRK widersprechen würde, dies im Sinne des Rechtes auf Achtung des Familienlebens des Zweitbeschwerdeführers, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz 2, AsylG 2005 von Amts wegen geboten.
Die belange Behörde hat dem Zweitbeschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 58, Absatz 7, AsylG 2005 auszufolgen, und der Zweitbeschwerdeführer hat hieran gemäß Paragraph 58, Absatz 11, AslyG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß Paragraph 54, Abs-2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsraum.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN). Auch bei Gefahrenprognosen im Sinne des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 und bei Interessenabwägungen nach Artikel 8, EMRK handelt es sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).
ECLI:AT:BVWG:2018:W265.2179781.1.00