BVwG
08.08.2018
W250 2148068-1
W250 2148068-1/12E
W250 2148066-1/11E
W250 2148074-1/9E
W250 2148072-1/5E
W250 2148076-1/6E
W250 2202336-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) römisch 40 , geb. am römisch 40 , 2.) römisch 40 , geb. am römisch 40 , 3.) mj. römisch 40 , geb. am römisch 40 , 4.) mj. römisch 40 , geb. am römisch 40 , 5.) mj. römisch 40 , geb. am römisch 40 , und 6.) mj. römisch 40 , geb. am römisch 40 , alle StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 19.01.2017, Zl. römisch 40 , 2.) vom 19.01.2017, Zl. römisch 40 , 3.) vom 19.01.2017, Zl. römisch 40 , 4.) vom 19.01.2017, Zl. römisch 40 , 5.) vom 19.01.2017, Zl. römisch 40 und 6.) vom 27.02.2017, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.05.2018, zu Recht:
A)
römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 und römisch 40 , römisch 40 , römisch 40 , römisch 40 und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass den Beschwerdeführern damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Erst- bis Fünftbeschwerdeführer, alle Staatsangehörige Afghanistans, reisten gemeinsam in das Bundesgebiet ein und stellten am 08.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am römisch 40 wurde der Sechstbeschwerdeführer in Österreich geboren. Für ihn wurde am 16.02.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind traditionell miteinander verheiratet und die Eltern der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer.
2. Am 08.06.2015 fand die niederschriftliche Erstbefragung des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Der Erstbeschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er und die Zweit-beschwerdeführerin Nachbarn in Afghanistan gewesen seien. Er habe öfters um die Hand der Zweitbeschwerdeführerin angehalten, ihre Familien seien jedoch gegen ihre Heirat gewesen. Der Erstbeschwerdeführer sei deshalb auch vom Bruder der Zweitbeschwerde-führerin mit einem Messer angegriffen und verletzt worden. Er habe mehrere Stichwunden davongetragen, weshalb er mit der Zweitbeschwerdeführerin in den Iran gezogen sei. Den Iran hätten sie verlassen, weil sie dort illegal aufhältig gewesen seien und die Kinder nicht in die Schule gehen hätten dürfen.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie familiäre Probleme wegen ihrer Heirat gehabt habe. Es seien Personen gegen ihre Heirat gewesen, weshalb sie Afghanistan verlassen habe.
3. Am 08.10.2016 wurden der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) niederschriftlich zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gaben betreffend ihre Fluchtgründe zusammengefasst an, dass die Familie des Erstbeschwerde-führers zweimal um die Hand der Zweitbeschwerdeführerin angehalten habe, die Anträge von ihrer Familie jedoch jedes Mal abgelehnt worden seien. Die Zweitbeschwerdeführerin sei dann schwanger geworden, wovon jedoch niemand gewusst habe. Der Erstbeschwerde-führer sei von den Brüdern der Zweitbeschwerdeführerin mit Messern angegriffen worden, weshalb er mit der Zweitbeschwerdeführerin zunächst nach Kabul geflohen sei, wo sie traditionell geheiratet hätten und ihr erstgeborener Sohn zur Welt gekommen sei. Die Brüder der Zweitbeschwerdeführerin hätten den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin in Kabul gefunden, weshalb sie in den Iran gegangen seien. Da die Familie der Zweitbeschwerdeführerin danach der Familie des Erstbeschwerdeführers Probleme bereitet habe, seien die Familienangehörigen des Erstbeschwerdeführers ebenfalls in den Iran gezogen, wo sie die Zweitbeschwerdeführerin unterdrückt hätten, weil sie ihr die Schuld für ihre Ausreise aus Afghanistan gegeben hätten. Der Erstbeschwerdeführer sei von seinem Vater und seinen Brüdern auch aufgefordert worden sich scheiden zu lassen, weshalb er mit der Zweitbeschwerdeführerin schließlich aus dem Iran geflohen sei.
Hinsichtlich der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.
4. Das Bundesamt wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit oben genannten Bescheiden bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) ab, erkannte ihnen den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass weder der Erstnoch die Zweit-beschwerdeführerin eine konkrete individuelle asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht hätten. Zudem sei selbst bei Wahrunterstellung keine Asylrelevanz gegeben. Für die Dritt- bis Sechsbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.
5. Gegen die oben genannten Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und die Bescheide vollinhaltlich angefochten. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass das Ermittlungsverfahren des Bundesamtes nicht den Anforderungen des Paragraph 18, Absatz eins, AsylG genügt habe, weshalb das Verfahren mangelhaft sei. So habe das Bundesamt seine Feststellungen lediglich auf unvollständige Länderberichte gestützt. Zudem habe sich das Bundesamt nicht mit einer asylrelevanten Verfolgung des Erst- und der Zweitbeschwerde-führerin aufgrund ihrer (außerehelichen) Beziehung sowie betreffend die Zweitbeschwerde-führerin nicht ausreichend mit ihrer westlichen Gesinnung auseinandergesetzt.
6. Mit Urkundenvorlage vom 26.04.2018 legten die Beschwerdeführer Unterlagen betreffend ihre Integration in Österreich vor.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.05.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und Farsi und im Beisein des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Verfahren der Beschwerdeführer wurden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Die Beschwerdeführer schränkten die Beschwerde auf Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide ein. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde dem Bundesamt übermittelt.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Der Erstbeschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Er ist mit der Zweitbeschwerdeführerin traditionell verheiratet. Die Zweitbeschwerdeführerin führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben gemeinsam vier Kinder: den am römisch 40 geborenen Drittbeschwerdeführer römisch 40 , den am römisch 40 geborenen Viertbeschwerdeführer römisch 40 , den am römisch 40 geborenen Fünftbeschwerdeführer römisch 40 und den am römisch 40 in Österreich geborenen Sechstbeschwerdeführer römisch 40 .
Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, gehören der
Volksgruppe der Hazara an und bekennen sich zum
muslimisch-schiitischen Glauben (W250 2148068-1 = BF 1 AS 153; W250
2148066-1 = BF 2 AS 143; Protokoll vom 04.05.2018 = in beiden Akten
OZ 7, S. 7, 18).
Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin stammen aus der Provinz Kunduz, dem Distrikt römisch 40 und dem Dorf römisch 40 (beim Bundesamt "XXXX" geschrieben) (BF 1 AS 153; BF 2 AS 143; OZ 7, Sitzung 7, 18). Der Erstbeschwerdeführer hat ca. 8 Jahre lang eine Schule besucht (BF 1 AS 11, 153; OZ 7, Sitzung 8). Die Zweitbeschwerdeführerin ist Analphabetin, sie hat keine Schule besucht (BF 2 AS 13, 143; OZ 7, Sitzung 18).
Die Erst- bis Fünftbeschwerdeführer reisten im Familienverband unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellten am 08.06.2015 bzw. am 16.02.2017 für den in Österreich geborenen Sechstbeschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz (BF 1 AS 11 ff; BF 2 AS 13 ff).
Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
1.2.1. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Familien des Erst- und der Zweit-beschwerdeführerin gegen ihre Heirat gewesen sind. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Zweitbeschwerdeführerin ihrem Cousin versprochen war. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer von den Brüdern der Zweitbeschwerde-führerin mit einem Messer angegriffen worden ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer von ihren Familienangehörigen oder von anderen Personen in Afghanistan konkret und individuell mit der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht oder konkrete Verfolgungshandlungen gegen sie gesetzt worden sind.
Weiters kann nicht festgestellt werden, dass die Familie der Zweitbeschwerdeführerin Beziehungen zu den Taliban hat. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Erst- und/oder die Zweitbeschwerdeführerin bzw. die Familie des Erstbeschwerdeführers von den Taliban bedroht worden sind.
Es kann weder festgestellt werden, dass die Zweitbeschwerdeführerin bereits vor der Heirat schwanger gewesen ist noch dass der Drittbeschwerdeführer in Afghanistan als uneheliches Kind und/oder unrein gilt. Es kann daher auch nicht festgestellt werden, dass der Zweit- und/oder dem Drittbeschwerdeführer deshalb Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität in Afghanistan droht.
Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die Zweitbeschwerdeführerin Belästigungen bzw. körperlichen Eingriffen durch die Familie des Erstbeschwerdeführers im Iran ausgesetzt gewesen ist.
Weiters kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern deshalb im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch ihre Familien, die Taliban oder andere Personen droht.
1.2.2. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern aufgrund ihrer ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.
1.2.3. Die Zweitbeschwerdeführerin ist eine junge auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. In Österreich kleidet, frisiert und schminkt sich die Beschwerdeführerin nach westlicher Mode, geht alleine bzw. mit ihren minderjährigen Kindern shoppen, hat bereits an einem Alphabetisierungskurs und einem Deutschkurs teilgenommen, will ihre Kinder frei von Zwängen erziehen und in der Zukunft selbst eine Ausbildung machen bzw. einer Arbeit nachgehen. Die Zweitbeschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, nach dem konservativ-afghanischen Wertebild zu leben, wobei auch ihr Ehemann ihre westliche Lebensweise unterstützt.
Vor diesem Hintergrund würde die Zweitbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.3.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundes-verwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018 (LIB) wiedergegeben:
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).
Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vergleiche auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Kontrolle von Distrikten und Regionen
Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).
Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).
Taliban und ihre Offensive
Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).
Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).
Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand (Reuters 27.1.2017).
Kunduz
Kunduz liegt 337 km nördlich von Kabul City und grenzt an die Provinzen Takhar im Osten, Baghlan im Süden und Samangan im Westen (Pajhwok o.D.k; vergleiche auch: Khabarnama 22.8.2016).
Strategisch wichtig ist die Stadt Kunduz nicht nur für Afghanistan (Deutsch Welle 30.9.2015), denn Kunduz war bis zum Einmarsch der US-Amerikaner im Jahr 2001 die letzte Hochburg der Taliban (RFE/RL 9.2015). Wer die Stadt kontrolliert, dem steht der Weg nach Nordafghanistan offen. Kunduz liegt auf einer wichtigen Straße, die Kabul mit den angrenzenden nördlichen Provinzen verbindet (Deutsch Welle 30.9.2015).
Die einst relativ friedliche Region - die Provinzen Baghlan, Kunduz und Takhar - war in den letzten Monaten von heftigen Zusammenstößen zwischen Taliban und Regierungskräften betroffen (Global Times China 15.1.2017; vergleiche auch: News Ghana 30.1.2017). Im Jahr 2016 versuchten die Taliban einige Provinzhauptstädte einzunehmen, unter anderem auch Kunduz (Hindustan Times 8.1.2017). Im Oktober 2016 drangen die Taliban in Kunduz City ein und wurden nach einer Woche von den Sicherheitskräften wieder vertrieben (UN GASC 13.12.2016; vergleiche auch:
IRIN News 13.10.2016). Die Stadt selber konnte gesichert werden - die Taliban kontrollieren die umliegenden Gegenden der Provinz (Al-Jazeera 4.11.2016; vergleiche auch: RFE/RL 8.10.2016).
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Terroristen zu befreien (Sputnik News 31.1.2017; Khaama Press 22.1.2017; Z News 12.1.2017; Khaama Press 9.1.2017; Tolonews 29.12.2016; Tolonews 25.1.22016; UN GASC 13.12.2016; Tolonews 30.9.2016; Eurasia Review 28.4.2016); dabei werden Aufständische getötet (Tolonews 29.12.2016; Tolonews 25.1.22016; Eurasia Review 28.4.2016; South Front 11.4.2016), unter anderem auch hochrangige Talibanführer (Al-Jazeera 4.11.2016). Luftangriffe werden durchgeführt (News Ghana 30.1.2017). Ebenso wurde ein hochrangiger Talibanführer verhaftet (Sputnik News 31.1.2017).
Eine Gruppe von zehn Aufständischen hat sich dem Friedensprozess in Kunduz angeschlossen; die Aufständischen waren in unterschiedlichen Teilen der Stadt Kunduz aktiv. Einem Sicherheitsberater zufolge wird sich die Sicherheitslage nun verbessern, nachdem sich die Aufständischen dem Friedensprozess angeschlossen haben (Khaama Press 9.1.2017).
Religionsfreiheit
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3, der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).
Schiiten
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9.2016; vergleiche auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9.2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).
Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).
Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).
Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vergleiche auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9.2016).
Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein - dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."
(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vergleiche auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).
Frauen
Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).
Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).
Bildung
Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung - auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).
Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004).
Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).
Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 - 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren
63.911 Frauen (CSO 2016).
Frauenuniversität in Kabul
Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vergleiche auch:
MORAA 31.5.2016).
Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vergleiche auch:
University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).
Berufstätigkeit
Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016).
Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vergleiche auch: AF 7.12.2016).
Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vergleiche auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).
Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).
Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).
Frauen im öffentlichen Dienst
Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9.2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).
Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9.2016).
Frauen in den afghanischen Sicherheitskräften
Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u.a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti-Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden. Dieses ist allerdings bisher noch nicht geschehen (AA 9.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: Sputnik News 14.6.2016). Laut Verteidigungsministerium werden derzeit 400 Frauen in unterschiedlichen Bereichen des Verteidigungsministeriums ausgebildet: 30 sind in der nationalen Militärakademie, 62 in der Offiziersakademie der ANA, 143 in der Malalai Militärschule und 109 Rekrutinnen absolvieren ein Training in der Türkei (Tolonews 28.1.2017).
Im Allgemeinen verbessert sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte, bleibt aber weiterhin fragil. Der Schutz von Frauenrechten hat in größeren städtischen Gegenden, wie Kabul, Mazar-e Sharif und in der Provinz Herat, moderate Fortschritte gemacht; viele ländliche Gegenden sind extrem konservativ und sind aktiv gegen Initiativen, die den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern könnte (USDOD 6.2016).
Auch wenn die Regierung Fortschritte machte, indem sie zusätzliche Polizistinnen rekrutierte, erschweren kulturelle Normen und Diskriminierung die Rekrutierung und den Verbleib in der Polizei (USDOS 13.4.2016).
Teilnahmeprogramme für Frauen in den Sicherheitskräften
Initiiert wurde ein umfassendes Programm zur Popularisierung des Polizeidienstes für Frauen (SIGAR 30.7.2016; vergleiche auch: Sputnik News 5.12.2016). Dies Programm fördert in verschiedenster Weise Möglichkeiten zur Steigerung der Frauenrate innerhalb der ANDSF (SIGAR 30.7.2016). Das afghanische Innenministerium gewährte im Vorjahr 5.000 Stellen für Frauen bei der Polizei, diese Stellen sind fast alle noch immer vakant (Sputnik News 5.12.2016; vergleiche auch:
SIGAR 30.7.2016). Eines der größten Probleme ist, dass sowohl junge Mädchen als auch Ehefrauen in ihren Familien nichts selbständig entscheiden dürften (Sputnik News 5.12.2016). Die afghanische Nationalpolizei schuf zusätzlich neue Posten für Frauen - womit sich deren Zahl auf 5.969 erhöhte; 5.024 dieser Posten sind innerhalb der afghanischen Nationalpolizei, 175 in Gefängnissen und Haftanstalten, sowie 770 zivile Positionen (SIGAR 30.7.2016). Im Juni 2016 verlautbarten die Behörden in Kabul, bis März 2017 die Polizei mit 10.000 neuen Stellen für weibliche Polizeikräfte aufzustocken. Die Behörden möchten der steigenden Gewalt gegen Frauen in Afghanistan entgegentreten und effektiver gegen die Terrorbedrohung und den Drogenhandel im Land vorgehen (Sputnik News 14.6.2016).
Seit fast einem Jahrzehnt schaffen afghanische Behörden massiv Arbeitsstellen für Frauen bei der Polizei und versuchen alljährlich den Frauenanteil zu erhöhen. Das dient vor allem dazu, den Afghaninnen Schutz zu gewähren. Wenn Verdächtigte und mutmaßliche Verbrecher Frauen seien, werden Polizistinnen bevorzugt. Allerdings haben Beamtinnen wegen ihres Polizeidienstes öfter Probleme mit ihren konservativen Verwandten (Sputnik News 14.6.2016). Im Arbeitskontext sind Frauen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen: so sind z. B. Polizistinnen massiven Belästigungen und auch Gewalttaten durch Arbeitskollegen oder im direkten Umfeld ausgesetzt (AA 9.2016; vergleiche auch: Sputnik News 14.6.2016).
Strafverfolgung und Unterstützung
Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9.2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9.2016; vergleiche USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016)
Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9.2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).
Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9.2016).
Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: AA 9.2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9.2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9.2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW-Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).
Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul (USDOS 13.4.2016). Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurde Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren (USDOS 13.4.2016). Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: UNAMA 4.2015).
Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation (USDOS 13.4.2016).
Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission - AIHRC), veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 - März 2015), was eine Reduzierung von 13% gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67% der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60% wurden verurteilt und bestraft (USDOS 13.4.2016).
Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).
Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9.2016; vergleiche auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).
Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9.2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt - in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).
Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9.2016).
Ehrenmorde
Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).
Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).
Legales Heiratsalter:
Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich (USDOS 13.4.2016). Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70% (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: AA 9.2016).
In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst (USDOS 13.4.2016). Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (AA 9.2016).
Frauenhäuser
USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab (USDOS 13.4.2016).
Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden (AA 9.2016).
Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 13.4.2016).
Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).
Medizinische Versorgung - Gynäkologie
Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 9.2016).
Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 9.2016)
Kinder
Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Mädchen waren unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen (AA 9.2016). Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen (USAID 19.12.2016). Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Aber auch geografisch gibt es Unterschiede. Den geringsten Mädchen-Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (AA 9.2016).
Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 9.2016).
Bacha Bazi (Bacha Bazi) - Tanzjungen
In weiten Teilen Afghanistans, vor allem in den Rängen von Armee und Polizei, aber nicht nur dort, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert und wird nicht selten unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten ("Bacha Bazi", so genannte "Tanzjungen") verschwiegen oder verharmlost (AA 9.2016). Üblicherweise sind die Jungen zwischen 10 und 18 Jahre alt (SBS 20.12.2016; vergleiche auch: AA 9.2016); viele von ihnen werden weggeben, sobald sie erste Anzeichen eines Bartes haben (SBS 21.12.2016). Viele der Jungen wurden entführt und manchmal werden sie von ihren Familien, aufgrund von Armut, an die Täter verkauft (SBS 20.12.2016; vergleiche auch: AA 9.2016).
Die afghanische Menschenrechtskommission AIHRC hat sich 2014 mit einer nationalen Studie des Themas angenommen. Ein Großteil der Täter hat keinerlei Unrechtsbewusstsein. Die Jungen werden oft weiter gehandelt oder auch getötet. Die Jungen und ihre Familien werden oft von ihrer sozialen Umgebung verstoßen; eine polizeiliche Aufklärung findet nicht statt. (AA 9.2016)
Das von der AIHRC geleitete Komitee zum Thema Bacha Bazi, reichte beim Justizministerium einen Gesetzesentwurf ein, um diese Praxis zu kriminalisieren. Nach intensiver medialer Auseinandersetzung über vermeintliche Misshandlungen durch afghanische Sicherheitskräfte, ordnete der Präsident am 23. September 2015, die Schaffung einer Organisation - bestehend aus dem Büro der Generalstaatsanwaltschaft, dem Innenministerium und der AIHRC - um sexuellen Missbrauch von Kindern zu verhindern und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen (UN GASC 10.12.2015).
Die UNAMA unterstütze weiterhin Bemühungen der AIHRC Bacha Bazi, und andere Formen sexuellen Missbrauchs, vorzubeugen und zu kriminalisieren: sie drängte die afghanische Regierung Bacha Bazi zu kriminalisieren, indem die von einer Kommission entworfenen und vorgeschlagenen Gesetze, durch ein Präsidialdekret bestätigt werden sollen. Derzeit gibt es sehr wenige Leistungen und Unterstützungsmechanismen für Opfer von Bacha Bazi - oftmals werden sie selbst bestraft (UNAMA 6.2.2017).
Kinderarbeit
Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest, erlaubt 14 -Jährigen als Lehrlinge zu arbeiten, sowie 15-Jährigen (und älter) "einfache Arbeit" zu verrichten. Ebenso dürfen 16- und 17-Jährige bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. Unter 14-Jährigen ist es unter gar keinen Umständen erlaubt zu arbeiten. Das Arbeitsgesetz verbietet die Anstellung von Kindern in Bereichen, die ihre Gesundheit gefährden. In Afghanistan existiert eine Liste, die gefährliche Jobs definiert - dazu zählen:
Arbeit in Bergbau, Betteln, Abfallentsorgung und Müllverbrennung, arbeiten an Schmelzöfen, sowie großen Schlachthöfen, arbeiten mit Krankenhausabfall oder Drogen, arbeiten als Sicherheitspersonal und Arbeit im Kontext von Krieg (USDOS 13.4.2016).
Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert. Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten. Dennoch haben im Jahr 2014 laut AIHRC (Children's Situation Summary Report vom 14. Dezember 2014) 51,8% der Kinder auf die ein oder andere Weise gearbeitet. Viele Familien sind auf die Einkünfte, die ihre Kinder erwirtschaften, angewiesen. Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z. B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen dieser gesetzlichen Regelungen. 6,5 Millionen Kinder gelten als Gefahren ausgesetzt (AA 9.2016). Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien (USDOS 13.4.2016).
Kinderarbeit bleibt ein tiefgreifendes Problem. Das Arbeitsministerium verweigerte Schätzungen zu den Zahlen der arbeitenden Kinder in Afghanistan und begründete dies mit fehlenden Daten und Mängeln bei der Geburtenregistrierung. Dies schränkte, die ohnehin schwachen Kapazitäten der Behörden bei der Durchsetzung des Mindestalters für Arbeit ein. Berichten zufolge, wurden weniger als 10% der Kinder bei Geburt registriert. In einem Bericht der AIHRC, gaben 22% der Befragten an, arbeitende Kinder zu haben. Kinder sind bei der Arbeit einer Anzahl von Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt; Berichte existieren wonach Kinder sexuellem Missbrauch durch erwachsene Arbeiter ausgesetzt waren (USDOS 13.4.2016).
Das Gesetz besagt, dass die Verhaftung eines Kindes als letztes Mittel und nur für die kürzest mögliche Zeit vorgenommen werden soll. Berichten zufolge mangelt es Kinder in Jugendhaftanstalten landesweit an Zugang zu adäquatem Essen, Gesundheitsvorsorge und Bildung. Verhafteten Kindern wurden oftmals Basisrechte wie z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, oder das Recht auf Information über die Haftgründe usw., sowie das Recht nicht zu einem Geständnis gezwungen zu werden, verwehrt. Das Gesetz sieht eine eigene Jugendgerichtsbarkeit vor, limitierte Ressourcen ermöglichten bisher aber nur Jugendgerichte in sechs Gebieten: Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Jalalabad und Kunduz. In anderen Provinzen, in denen keine speziellen Gerichte existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte. In manchen Fällen nahmen die Behörden die Opfer, als zu bestrafende wahr, da sie Schande über die Familie gebracht haben, indem sie Missbrauch anzeigten. In manchen Fällen wurden misshandelte Kinder von den Behörden verhaftet, wenn sie nicht zu ihren Familien zurückgebracht werden konnten und keine anderen Zufluchtsstätten existierten. Auch gab es Vorwürfe wonach die Behörden Kinder oft stellvertretend für verwandte Täter verhafteten (USDOS 13.4.2016).
Bildungssystem in Afghanistan
In Afghanistan gibt es zwei parallele Bildungssysteme. Religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet. Im Alter von 7 bis 13 Jahren gehen die Schüler in die Primärschule. Darauf folgen 3 Jahre Mittelschule. Studieninteressenten müssen am Ende dieses Abschnitts ein Examen bestehen. In der Sekundarschule haben die Schüler/innen die Wahl entweder für 3 weitere Jahre den akademischen Weg einzuschlagen, welcher weiter zur Universität führen kann; oder Themen wie angewandte Landwirtschaft, Luftfahrt, Kunst, Handel etc. zu lernen. Beide Programme enden mit einem "Bacculuria"-Examen. Aus- und Weiterbildung: Bildungseinrichtungen umfassen auch Berufsschulen, technische Hochschulen und tertiäre Institute wie das Kabul Polytechnic Institute. Viele Einrichtungen, unter der Leitung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, bieten Trainings an. Auch das Ministerium für Bildung betreibt eine Abteilung für Weiterbildung (41 Schulen), die Unterstützung bieten. Diese fokussieren sich hauptsächlich auf Mechanik, Tischlerei, Sanitär, Metallarbeiten, Friseur, Schneiderei und Bürotätigkeiten. Öffentliche Schulen und Kindergärten sind bis zum Universitätslevel kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten müssen bezahlt werden.
Kinderbetreuung: Es gibt einige staatlich finanzierte und verwaltete Kindergärten. Diese gewähren Kindern von Mitarbeiter/innen kostenfreien Zugang (IOM 2016).
Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt (AA 9.2016).
1.3.2. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016:
"[...] 7. Frauen mit bestimmten Profilen oder unter bestimmten Bedingungen lebende Frauen
Die Regierung hat seit 2001 einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung, insbesondere durch Verabschiedung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz), den Erlass von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe von Frauen und die Einrichtung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten.
Die Verbesserungen der Situation von Frauen und Mädchen blieben jedoch Berichten zufolge marginal und Afghanistan wird weiterhin als ‚sehr gefährliches' Land für Frauen und Mädchen betrachtet. Fortschritte, die in der Vergangenheit in Hinblick auf die Menschenrechte von Frauen erzielt wurden, wurden teilweise durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in einigen Teilen des Landes zunichte gemacht. Die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleibt endemisch. Berichten zufolge ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor weit verbreitet und nimmt weiter zu. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte üblicherweise straflos bleiben. Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.
Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz von Frauenrechten weiterhin nur langsam umgesetzt werden, dies betrifft insbesondere die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz). Das im August 2009 verabschiedete Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge der politische Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend wird es Berichten zufolge nicht vollständig durchgesetzt, insbesondere nicht in ländlichen Gebieten. Die überwiegende Mehrheit der Fälle der gegen Frauen gerichteten Gewaltakte, einschließlich schwerer Straftaten gegen Frauen, wird immer noch nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen statt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt. UNAMA berichtet, dass sowohl die afghanische nationale Polizei (ANP) als auch die Staatsanwaltschaften zahlreiche Fälle, einschließlich schwerwiegender Straftaten, an jirgas und shuras zum Zweck der Beratung oder Entscheidung weiterleiten und dadurch die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) unterminieren und die Praktizierung schädlicher traditioneller Bräuche fördern. Durch Entscheidungen gemäß diesen Mechanismen sind Frauen und Mädchen der Gefahr weiterer Schikanierung und Ausgrenzung ausgesetzt.
Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere diskriminierende Bestimmungen für Frauen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.
Während die in diesem Abschnitt beschriebenen Menschenrechtsprobleme Frauen und Mädchen im gesamten Land betreffen, gibt die Situation in Gebieten, die tatsächlich von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden, Anlass zu besonderer Sorge.
Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge in diesen Gebieten die Rechte von Mädchen und Frauen in schwerwiegender Weise beschnitten, darunter ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und politische Partizipation. Außerdem besteht in von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrollierten Gebieten eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz ausgesetzt sind und ihnen keine wirksamen Rechtsmittel gegen die Verletzung ihrer Rechte zur Verfügung stehen. Die von den regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten betriebene Paralleljustiz verletzt Berichten zufolge tatsächlich regelmäßig die Rechte von Frauen.
[...]
8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen
Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer wie etwa Witwen sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Erwerbsmöglichkeiten, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Inhaftierungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia betreffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, einschließlich Inhaftierung aufgrund ‚moralischer Vergehen' wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung, Ablehnung einer Heirat, außereheliche sexuelle Beziehungen (die als Ehebruch angesehen werden) und ‚Weglaufen von zu Hause' (einschließlich in Situationen von häuslicher Gewalt). Mehr als der Hälfte der in Afghanistan inhaftierten Mädchen und Frauen wurden ‚moralische Vergehen' zur Last gelegt. Da Anklagen aufgrund von Ehebruch und anderen ‚moralischen Vergehen' Anlass zu Ehrenmorden geben können, versuchen die Behörden Berichten zufolge in einigen Fällen, die Inhaftierung von Frauen als Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.
[...]
In Gebieten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, besteht für Frauen und Männer, die unmoralischer Verhaltensweisen bezichtigt werden, das Risiko, über die parallelen Justizstrukturen dieser regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) zu harten Strafen, einschließlich zu Auspeitschung und zum Tod, verurteilt zu werden."
1.3.3. Auszug aus der Analyse der Staatendokumentation zu Frauen in Afghanistan vom 02.07.2014 (Fußnoten entfernt):
"[...] 2. Gewalt gegen Frauen
2.1. Das Gesetz zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen (EVAW - law) und Kontroversen
Die Streitigkeiten in Bezug auf das Gesetz zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen (Elimination of Violence Against Women - EVAW) unterstreichen, was für ein Drahtseilakt die Verbesserung der rechtlichen Situation von Frauen in Afghanistan ist:
Verabschiedet im Jahr 2009, ist es das erste Gesetz, das Gewalt gegen Frauen kriminalisiert. Es definiert 22 Handlungen als Gewalt gegen Frauen, schlägt Strafen für die Täter vor und nimmt die Regierung in die Pflicht. Verboten werden unter anderem Kinderheirat, Zwangsheirat, Menschenhandel für den Zweck oder unter dem Vorwand der Heirat, die traditionelle Praxis des baads (Übergabe einer Frau oder eines Mädchens zur Streitschlichtung), erzwungene Selbstverbrennung und 17 weitere Gewalthandlungen, inklusive Vergewaltigung und physischer Misshandlung.
Das Strafgesetz des Landes, welches aus dem Jahr 1976 stammt, regelt Verbrechen wie Körperverletzung, Zwangsehen und Mord. Nichtsdestotrotz werden keine expliziten Referenzen in Bezug auf Gewalt innerhalb der Familie oder Kinderheirat gemacht. Zwar legt das afghanische Zivilgesetz das Mindestalter für Heirat mit 15 Jahren fest, jedoch sind im Strafgesetz keine Strafen für Zuwiderhandlung vorgesehen. Das Strafgesetz fasst außerdem Vergewaltigung mit einvernehmlichem Ehebruch zusammen, welches beide strafbare Handlungen sind. Deshalb würde ein separates Gesetz, im Speziellen über Gewalt gegen Frauen, ein starkes Signal bezüglich Straffreiheit für Misshandlungen gegen Frauen sein und würde die afghanische Regierung zwingen diese Angelegenheit ernster zu nehmen. Das EVAW-Gesetz repräsentiert daher einen großen Erfolg, zumal viele von ihm kriminalisierte Handlungen von einem Großteil der afghanischen Gesellschaft, einschließlich der Gesetzesvollzugsorgane, nicht als Verbrechen angesehen werden.
Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und demzufolge seine tatsächliche Anwendung ist jedoch begrenzt. Genauso wie seine allgemeine Bekanntheit, obwohl sich die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission - AIHRC), einzelne Gesetzesvollzugsorgane und die Zivilgesellschaft bemühen, diese zu steigern. Teile der Öffentlichkeit und religiöser Kreise erachten das Gesetz nämlich als unislamisch. Somit ist seine erfolgreiche und korrekte Umsetzung auch weiterhin mangelhaft. Laut Angaben von Human Rights Watch, ist die Umsetzung des Gesetzes durch die afghanische Regierung mangelhaft. Eine Erklärung von Frauenrechtsaktivistinnen dafür ist das Fehlen sozialer Legitimität. EVAW wurde nie vom afghanischen Parlament abgesegnet, sondern durch ein Präsidialdekret bewilligt. Laut Artikel 79 der Verfassung von 2004 ist das statthaft (ein Präsidialdekret ist rechtmäßig, außer es wird vom Parlament ausdrücklich abgelehnt). Auch viele andere Gesetze wurden bereits auf diesem Wege erlassen und sind weiterhin in Kraft.
Aus der Hoffnung einiger AktivistInnen heraus, dem Gesetz breitere Anerkennung zu verleihen und seine Umsetzung zu erleichtern, wurden bereits im Herbst 2009 Versuche unternommen, eine entsprechende parlamentarische Akzeptanz zu erreichen. Aufgrund der kontroversen Reaktionen, speziell einflussreicher religiöser Führer, war die afghanische Frauenrechtsgemeinschaft danach jahrelang darüber uneinig, ob EVAW überhaupt dem Parlament zur Ratifizierung vorgelegt werden sollte. Die Mehrheit der AktivistInnen scheint mit dem Präsidialdekret nicht unzufrieden zu sein, da sie sich keine großen Chancen ausrechnen, das Gesetz in einer akzeptablen Form durch den parlamentarischen Ratifizierungsprozess zu bekommen.
Beim letzten Versuch, im Mai 2013, beeinspruchten reaktionäre Elemente im Parlament auch tatsächlich mindestens acht Artikel dieses Gesetzes. Nach einer Reihe hetzerischer Kommentare konservativer Parlamentarier wurde die Diskussion schnell abgebrochen. Speziell das Verbot von Zwangs- und Kinderheirat, sowie der uneingeschränkte Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Frauenhäusern, wurden von mehreren Mitgliedern des Parlaments als unislamisch betrachtet und eine Streichung dieser Bestimmungen beantragt. Nichtsdestotrotz wurde ein nationaler Aktionsplan für EVAW entworfen, der spezielle Schritte für die Umsetzung des Gesetzes, durch Bewusstseinsbildung, Präventions- und Schutzmaßnahmen vorsieht, darunter das Beobachten und Berichten von Gewalt gegen Frauen.
Gewalt gegen Frauen in Afghanistan existiert in verschiedenen Formen. Das Thema selbst wird in der traditionellen afghanischen Gesellschaft als Tabu erachtet, trotzdem kommt es häufig vor. Die einzigen existierenden statistischen Schätzungen zur Häufigkeit von Gewalt gegen Frauen, leiten sich von einer landesweiten Befragung im Jahre 2008 ab, bei der 4.700 Frauen in 16 afghanischen Provinzen daran teilnahmen.
In den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 registrierte und sammelte die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (AIHRC) Berichte zu physischer, sexueller, wirtschaftlicher, verbaler und psychologischer, sowie anderen Formen von Gewalt, die in Verbindung mit schädlichen traditionellen Praktiken und Gebräuchen stehen. In diesem Zeitraum wurden demnach 1.249 Fälle physischer Gewalt gegen Frauen registriert, im Jahr 2012 waren es noch 889 Fälle; dies ist ein Anstieg um 30,1%. Laut AIHRC könnte die Erhöhung auch auf eine Steigerung des öffentlichen Bewusstseins zurückzuführen sein. Nichtsdestotrotz geht AIHRC davon aus, dass die Dunkelziffer höher ist. [...]
Ferner suchen die meisten Frauen keinen rechtlichen Beistand, weil sie sich ihrer Rechte nicht bewusst sind und überdies Angst haben, selbst strafverfolgt zu werden oder zu ihren Familien bzw. dem Täter zurückgebracht zu werden.
2.2. Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung
Ehrenmorde werden an Frauen von einem - typischerweise männlichen - Familien- oder Stammesmitglied verübt. Die Motive reichen von bloßen Gerüchten in Zusammenhang mit dem anderen Geschlecht, bis hin zu einer sexuellen Beziehung oder dem Weglaufen von zu Hause.
In Afghanistan ist es eine verbreitete Annahme, dass Frauen den Ruf der Familie tragen. Die Männer spüren diesen sozialen Druck und nehmen sich daher das Recht Frauen zu kontrollieren, damit diese keine Schande über die Familie bringen. Frauen und Mädchen versuchen um jeden Preis Handlungen zu vermeiden, die Schande über Männer oder die Familie bringen könnten. Manche afghanische Stämme im Süden gehen sogar davon aus, dass Schande, die über eine Familie gebracht wurde, Schande über den gesamten Clan bringt.
Die AIHRC gab im November 2013 bekannt, in den vorangegangen zwei Jahren 240 Ehrenmorde registriert zu haben. Eine viel höhere Dunkelziffer wird angenommen. RAWA (Revolutionary Association of the Women of Afghanistan - Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans) schätzt, dass 21% der Ehrenmorde vom Ehemann des Opfers begangen werden. In ungefähr 57% der Fälle waren die Mutter oder andere Verwandte des Ehemannes die Täter. Viele in Ehrenmorde verwickelte Personen bleiben unbekannt.
"Ehre" ist im Falle von Vergewaltigung von zentraler Bedeutung. Im Kontext von Vergewaltigung schreibt die Gemeinschaft eher dem Opfer die Schande zu, als dem Täter. Selbst von der Justiz sehen sich die Opfer oft mit Strafverfolgung wegen des Vergehens des Zina (Ehebruch) konfrontiert. Das EVAW-Gesetz führte zum ersten Mal "Vergewaltigung" als kriminelles Vergehen im afghanischen Gesetz ein. Es bestraft Vergewaltigung mit "dauernder Haft", was weithin als lebenslange Haft interpretiert wird, obwohl das nicht in jedem Fall tatsächlich zutrifft. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe.
Eine verbreitete Form von Gewalt in Verbindung mit einer traditionellen Praktik, ist die Zwangsverheiratung. Dies ist der Fall, wenn Frauen und Mädchen im Alter von 15 Jahren oder jünger ohne ihre Einwilligung (manchmal unter Anwendung von Drohungen oder Gewalt) heiraten müssen, mit dem Ziel, der Heirat entführt oder zum Zweck der informellen Streitschlichtung getauscht zu werden. In Afghanistan ist baad, eine traditionelle Praktik, die den erzwungenen Austausch von Frauen und Mädchen als Bräute zur Beendigung von Blutfehden, zur Schuldentilgung bzw. als Kompensation für kriminelle Handlungen oder persönliche Schädigung zum Nachteil einer anderen Partei oder Familie vorsieht. Auf diesem Weg können Familiendispute geregelt werden, die jedoch im Widerspruch zu den Bestimmungen des afghanischen Gesetzes und internationaler Menschenrechtsstandards stehen. Die Anwendung dieses Gesetzes würde darüber hinaus auch islamischen Rechtsprinzipien entgegenstehen, speziell wenn die Schlichtung die Praxis des baads beinhaltet.
Besonders in ländlichen Gegenden werden weiterhin selbst Verbrechen, welche Gewalt gegen Frauen beinhalten, durch informelle Streitschlichtungsmechanismen geahndet. Und das mit Strafen, die wiederum nachteilig für Frauen sind. Als Konsequenz daraus können etwa Vergewaltigungsfälle durch den Austausch von Frauen beigelegt werden. Frauen und Mädchen, die durch baad verheiratet wurden, werden jedoch selten respektiert, da sie immer mit jenem männlichen Verwandten in Verbindung gebracht werden, für dessen Verbrechen sie ausgetauscht wurden.
Badal ist eine andere Form der Zwangsverheiratung, in welcher der Austausch von Töchtern und Schwestern als Bräute zwischen Familien oder Stämmen stattfindet.
Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen. Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung ihres Vaters oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist jedoch unzulässig. Nichtsdestotrotz ist Kinderheirat in Afghanistan weiterhin üblich.
Gemäß Daten, welche von der zentralen afghanischen Statistikorganisation (CSO) und UNICEF zwischen 2000 und 2011 zusammengetragen wurden, sind 20% der afghanischen Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren bereits verheiratet, davon sind 15% bereits vor dem 15. Lebensjahr und 46% vor dem 18. Lebensjahr verheiratet. Bildung, Wohlstand und geographische Lage des Haushaltes, in welchem das Mädchen lebt, spielen eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit Kinderheirat. Junge Frauen ohne Bildung werden drei Mal häufiger unter 18 Jahren verheiratet, als solche, die über eine Hauptschul- oder höhere Bildung verfügen. Speziell in Zeiten von Krieg und großer Unsicherheit steigt der Prozentsatz der Frühverehelichungen, weil Eltern die Ehre ihrer Töchter gegen Bedrohungen wie Vergewaltigung oder mögliche Zwangsverheiratung mit aufständischen Kommandeuren schützen wollen.
Nach dem EVAW Gesetz sind Personen, die eine Zwangsheirat oder Kinderheirat arrangieren, mit einer Haftstrafe von mindestens zwei Jahren zu bestrafen. Die Umsetzung ist aber weiterhin mangelhaft.
In Afghanistan ist die Mobilität von Frauen ohne männliche Erlaubnis oder Begleitung durch soziale Traditionen eingeschränkt. Unbegleitete Frauen sind gemeinhin nicht gesellschaftlich akzeptiert.
Als letzten Ausweg, in Reaktion auf gegen Frauen gerichtete Gewalt und traditionelle Praktiken, laufen Frauen entweder von zu Hause weg oder verbrennen sich in drastischen Fällen sogar selbst. [...]
3. Strafverfolgung und Unterstützung durch das EVAW Gesetz
In Einklang mit dem EVAW-Gesetz, haben Frauen, welche Opfer von Gewalt wurden, das Recht, die Hilfe der Abteilung für Frauenangelegenheiten (Department of Women¿s Affairs - DoWA), der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission (AIHRC), der Polizei oder des Büros der Staatanwaltschaft zu suchen. Je nach Wunsch der Frau vermitteln DOWA, AIHRC bzw. Justizministerium (Department of Huqooq) oder verweisen die Frauen an relevante Einrichtungen (z.B. Frauenhäuser). Diese Institutionen versuchen durch Mediation und Dialog eine Lösung zu finden.
Fehlendes Wissen über ihre Rechte bzw. Analphabetentum schmälern den Zugang von Frauen zur Justiz. Eine Kultur des Nicht-Anzeige-Erstattens von Gewalt an Frauen ist in Afghanistan präsent und wird teilweise von sozialen Normen gefördert, die es den meisten afghanischen Frauen unmöglich machen, einen männlichen Polizisten anzusprechen. Dies führt zu ausbleibender Strafverfolgung und einer Kultur der Straflosigkeit.
Während die Umsetzung des EVAW-Gesetzes mangelhaft ist, gibt es Berichte über Fälle erfolgreicher Strafverfolgung durch die VAW-Einheiten.
Diese erste VAW-Einheit (Violence Against Women - VAW) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft in Kooperation mit der internationalen Rechtsorganisation (International Development Law Organization - IDLO) initiiert und hat ihren Sitz im Büro der Generalstaatsanwaltschaft in Kabul. Die Staatanwälte dieser Einheit erhalten ein spezielles Training in Bezug auf Gender-Fragen. Innerhalb des ersten Jahres ihres Bestehens, verfolgte die Einheit ungefähr 300 Fälle, darunter Misshandlungs- und Vergewaltigungsfälle, und bis zum letzten Monat des ersten Jahres verdoppelte sich die Anzahl der Anklagen. Die Kabuler VAW-Einheit etablierte ein Netzwerk von Unterstützungsdiensten für Gewaltopfer. Diese bieten Hilfe bezüglich Unterkunft, Gesundheit und Bildung. Im April des Jahres 2011 wurde eine zweite VAW-Einheit im Berufungs-Büro der Staatsanwaltschaft der Provinz Herat angesiedelt.
2012 wurden 1.352 Beschwerden wegen Verstößen gegen das EVAW-Gesetz an die VAW-Einheiten herangetragen. Dies deutet einen signifikanten Anstieg gegenüber den 500 registrierten Fällen im Jahr 2011 an. Die Provinzdirektionen für Frauenangelegenheiten orten darin eher eine gesteigerte Wahrnehmung des Themas Frauenrechte, als eine Zunahme der Gewalt gegen Frauen. Ein großer Teil dieser Beschwerden wurde durch Familien-Mediation gelöst. Die Kabuler VAW-Einheit brachte 38 Fälle vor Gericht und erlangte 28 Verurteilungen, die restlichen 10 Fälle endeten mit Freisprüchen.
Landesweit sind 355 Ermittler der sogenannten "Female Response Unit" in 146 Büros aktiv. Diese sind zum Großteil mit Polizistinnen besetzt, die Gewalt und Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Familien behandeln. Polizistinnen sind darauf trainiert Opfern häuslicher Gewalt zu helfen, jedoch, werden sie durch Vorschriften behindert, die verlangen, dass man warten muss, bis sich das Opfer von selbst meldet. Frauen in der afghanischen Polizei und in zivilen Positionen im Innenministerium bieten Vermittlung und Ressourcen zur zukünftigen Vermeidung von häuslicher Gewalt an.
4. Frauenhäuser
Frauen auf der Suche nach Hilfe in Fällen von häuslicher Gewalt, müssen dies oft außerhalb ihres Heimes und ihrer Gemeinschaft tun. Laut UNICEF, gab es 2012 14 Frauenhäuser im Land. Etwa 40% ihrer Bewohnerinnen waren unter 18 Jahre alt.
Laut Human Rights Watch (HRW) ist die Zahl der Frauenhäuser 2013 auf 18 angestiegen. Das USDOS (United States Department of States) zählt 21 formelle und informelle Frauenhäuser. Seit internationale Bemühungen zu einem Ausbau der Kapazitäten geführt haben, hat sich der Zugang für Frauen zu Frauenhäusern gesteigert. In Kabul wurde eine Zunahme der Vermittlungen an Frauenhäuser durch die Polizei registriert, was auf ein verbessertes Training und Bewusstseinsbildung der afghanischen Polizei hindeutet. Nichtsdestotrotz gibt es nicht genügend Frauenhäuser für den existierenden Bedarf. Manche der 34 Provinzen in Afghanistan haben kein einziges Frauenhaus, vor allem im konservativen Süden des Landes. Aufgrund des Platzmangels in Frauenhäusern, werden in manchen Fällen Frauen zu ihrer eigenen Sicherheit in Schutzgewahrsam genommen. Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können, müssen in den Frauenhäusern bleiben, da "unbegleitete" Frauen gesellschaftlich nicht akzeptiert sind.
Die Frauenhäuser sind gänzlich von der Finanzierung durch internationale Geber und Regierungen abhängig. Laut HRW hat die afghanische Regierung kein Interesse gezeigt, Frauenhäuser durch das Regierungsbudget zu finanzieren. Jedoch verlautbarte die afghanische Regierung im Jahr 2011, alle Frauenhäuser nationalisieren zu wollen und sie unter die Leitung des Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MOWA) zu bringen. Menschenrechts-NGOs arbeiteten gemeinsam mit dem Ministerium, um die vorgeschlagene Nationalisierung zu stoppen. Durch eine endgültige Regelung über die Frauenhäuser, unterstehen diese dem MOWA, es erlaubt aber den NGOs, sie weiterhin zu betreiben.
Gesellschaftliche Vorbehalte gegenüber Frauenhäusern existieren. Im Jahr 2012 stellte sogar der afghanische Justizminister Frauenhäuser mit "Häuser der Prostitution und Immoralität" gleich. Nach Protesten von Frauenrechtsgruppen, entschuldigte er sich später für seine Bemerkungen.
[...]"
1.3.4. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Außerehelichem Geschlechtsverkehr und unehelichen Kindern in Afghanistan vom 15.09.2016:
"[...] Frauen [werden] regelmäßig wegen zina, einem Begriff für Ehebruch, eingesperrt, welcher laut Strafgesetzbuch eine Straftat ist. Diese Straftat beinhaltet das Weglaufen von Zuhause, sich der Wahl eines Ehemannes von der Familie zu widersetzen, durchzubrennen oder das Fliehen vor häuslicher Gewalt. Frauen können ebenso dafür verhaftet werden, ein uneheliches Kind geboren zu haben. [...]
In Afghanistan werden hunderte von Frauen und Mädchen wegen "moralischer Vergehen" verhaftet werden. Diese sogenannten Vergehen beinhalten das Weglaufen von Zuhause, das Begehen von zina oder den Versuch es zu begehen, oder außerehelichen Geschlechtsverkehr. Zina ist laut afghanischem Strafgesetzbuch strafbar und kann mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Das Weglaufen von Zuhause ist keine Straftat, dennoch wird es von der Polizei und den Richtern als solche gehandelt und manchmal als "Versuch von zina" angeklagt.
[...]
Darüber hinaus geschieht es immer wieder, dass Frauen, die entweder eine Straftat zur Anzeige bringen oder aber von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, wegen sog. Sittenverbrechen wie z.B. "zina" (außerehelicher Geschlechtsverkehr) im Fall einer Vergewaltigung verhaftet oder wegen "Von-zu-Hause-Weglaufens" (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der "zina" gewertet) inhaftiert werden. [...]
Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs). [...]
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF berichtet, dass der Artikel 427 des Strafgesetzbuches eine illegale sexuelle Beziehung als Ehebruch betrachtet, welche eine langfristige Haft für den Täter vorsieht. Laut dem Gesetz der Scharia [anm.: islamisches Recht] sind der "zani" (Täter des Geschlechtsverkehrs, üblicherweise Männer) und die "zaniah" (Empfängerin, üblicherweise Frauen) harten Strafen wie Ehrenmorde, ortsüblichen Regeln und dem Gesetz der Scharia ausgesetzt. [...]
UK Home Office berichtet, dass unehelichen Kindern ihr Recht auf Geburtenregistrierung entzogen werden kann, welche ein wesentliches Mittel ist, um die Kinderrechte zu schützen. Dies betrifft vor allem den Schutz vor Kinderheirat, Kinderarbeit, der vorzeitigen Einberufung ins Militär, oder der Strafverfolgung wie Erwachsene, wenn ein Verbrechen vorliegt. Das Fehlen einer Geburtsurkunde kann ein Kind daran hindern, Gesundheitsdienstleistungen und soziale Unterstützung in Anspruch zu nehmen und sich in die Schule einzuschreiben. [...]
Aber ein uneheliches Kind zur Welt zu bringen, wird in Afghanistan gesellschaftlich geächtet. Für die Ehre der Familie stellt es eine Schande da - und es gibt kaum etwas, das Afghanen wichtiger ist als ihren guten Ruf zu wahren. [...]
Ein Kind aus einem Akt von Zena (Geschlechtsverkehr vor der Heirat) ist von dem Erbe ausgeschlossen. Islam und Afghanistan kennen keine Adoption. Somit erben uneheliche Kinder nicht. [...]"
1.3.5. Auszug aus der ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan betreffend staatlichen Schutz vor Zwangsheirat, Sanktionen für Mädchen bei Flucht aus Zwangsheirat vom 13.10.2017:
"[...] in der westlich von Kabul gelegenen Provinz Ghor Kinderehen seien üblich und es komme häufig zu "Ehrenmorden", wobei die Getöteten häufig Frauen seien, die versuchen würden, den Ehen, in die sie gezwungen worden seien, zu entfliehen. Laut afghanischem Gesetz müssten Mädchen 16 Jahre und Jungen 18 Jahre alt sein, um heiraten zu können. In den entlegenen Dörfern von Ghor werde das Gesetz selten respektiert. [...] Viele Frauen hier seien in Ehen gezwungen worden, als sie noch Kinder gewesen seien. Wenn diese Frauen älter würden, wollten sie davonlaufen, um dem elenden Leben zu entkommen, in das sie gezwungen worden seien. Sollten sie dies wagen, würden sie häufig Opfer von Ehrenmorden, die von den männlichen Mitgliedern ihrer Stämme verübt würden. Die Leute würden diese Männer nicht als Kriminelle ansehen. Man akzeptiere, dass sie die Ehre ihrer Familie verteidigen würden. Und es sei einfach für die Täter, in den Taliban-Gebieten Unterschlupf zu finden, wo die Polizei sie nicht verhaften könne [...]
Das US-Außenministerium schreibt [..], dass das Präsidialdekret zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen Gewalt gegen Frauen unter Strafe stelle, unter anderem auch Zwangsehen. Die Umsetzung des Dekrets sei jedoch beschränkt. Das Gesetz sei weithin nicht verstanden worden und einige Personen in der Öffentlichkeit sowie die religiösen Gemeinschaften würden es als unislamisch erachten. Vielen Behörden habe der politische Wille gefehlt, das Gesetz umzusetzen, weshalb sie es nicht voll durchgesetzt hätten. Frauen seien bei Straf- und Zivilverfahren in Zusammenhang mit Zwangsehen von Polizisten, Staatsanwälten und Richtern diskriminiert worden [...]
Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen [...] schreibt [...], dass laut der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) Frauen, die alleine leben würden, in der Gesellschaft stigmatisiert würden. Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) habe erklärt, dass Frauen, die aus einer gewalttätigen Ehe ("abusive marriage") flüchten würden, dem Risiko ausgesetzt seien, wegen Zina strafrechtlich verfolgt zu werden. Frühehen seien in Afghanistan weit verbreitet, wodurch Frauen in Zwangsehen den gesundheitlichen Folgen früher Schwangerschaften ausgesetzt seien. Mädchen und Frauen, die versuchen würden, aus Zwangsehen zu fliehen, würden oft von den eigenen Familien verstoßen und hätten wegen des Stigmas des Weglaufens keinen Ort, an den sie gehen könnten. Frauen und Mädchen könnten sogar wegen des Beschmutzens der Familienehre getötet werden. Diejenigen, die nicht von ihren Familien unterstützt würden, seien oft gezwungen, zu betteln oder sich zu prostituieren. Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau sei 2003 ratifiziert worden. Das Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (EVAW) sei 2009 durch ein Präsidialdekret verabschiedet worden. Dieses Gesetz definiere 22 Gewalttaten gegenüber Frauen und stelle sie unter Strafe, darunter auch Zwangsehe. Konservative Elemente in der afghanischen Gesellschaft würden das EVAW jedoch ablehnen und einige Richter würden den Status des Gesetzes in Frage stellen bzw. es nicht anwenden. Das Gesetz sei nicht vom Parlament ratifiziert worden und mehrere weibliche Parlamentsabgeordnete hätten das Gesetz nicht unterstützt. Die Umsetzung und Durchsetzung des EVAW sowie die Kenntnis darüber seien begrenzt.
Frauen könnten dafür bestraft werden, wenn sie versuchen würden, der eigenen Familiensituation zu entkommen, wenn sie beispielsweise vor einer Zwangsehe flüchten würden. 2012 habe die Regierung angeordnet, dass Frauen für das Weglaufen von zu Hause nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden sollten. Staatsanwälte hätten Berichten zufolge gegen Frauen Anklage wegen Zina (der Absicht, außereheliche sexuelle Beziehungen einzugehen, oder die Wahrnehmung, dies bereits getan zu haben) oder versuchter Zina erhoben. Obwohl die Verfassung und die Gesetze des Landes ein derartiges Verhalten nicht bestrafen würden, würden manche Richter es wie einen Straftatbestand nach islamischem Recht behandeln. Solche Frauen könnten von der Polizei inhaftiert und von den Gerichten strafrechtlich verfolgt werden. In den Städten sei dies jedoch weniger ein Problem als in ländlichen Gebieten oder Stadtrandgebieten [..]
Eine wütende Menge hat im Osten von Afghanistan in aller Öffentlichkeit ein junges Paar getötet, das eine außereheliche Beziehung führte. Die 18-jährige Frau, die gegen ihren Willen mit einem anderen Mann verheiratet worden war, und ihr 19-jähriger Freund wurden wegen ‚unsittlichen Verhaltens' auf einer Polizeistation festgehalten, wie Regierungsvertreter mitteilten. Sie waren am Tag zuvor festgenommen worden. ‚Die Familie der Frau war der Ansicht, sie habe ihre Ehre verletzt', sagte Provinzgouverneur Hafis Abdul Kajom. Gemeinsam mit bewaffneten Dorfbewohnern stürmten Angehörige demnach die Polizeistation in der Provinz Nuristan, zwangen das Paar nach draußen und erschossen die Frau und den Mann in aller Öffentlichkeit. Ein weiterer Provinzvertreter warf der Polizei vor, das Paar nicht ausreichend beschützt zu haben. Kajom zufolge wurden bei dem Vorfall drei Polizisten verletzt. Die Regierung leitete eine Untersuchung zu dem sogenannten Ehrenmord ein. [...]"
1.3.6. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Frauen in urbanen Zentren Afghanistans vom 18.09.2017:
"[...] Kleidungs-und Kopftuchvorschriften in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat variieren erheblich. Dies gilt auch für die Erwartungen, die an Frauen bezüglich ihrer Bekleidung gestellt werden. Generell umfasst Frauenkleidung in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung -diese unterscheiden sich je nach Bevölkerungsgruppe. Während Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat häufig den sogenannten "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel, mit verschieden Arten der Kopfbedeckung, bleiben konservativere Arten der Verschleierung, wie der Chador und die Burka (in Afghanistan chadri genannt) weiterhin, auch in urbanen Gebieten, vertreten. Es herrschen weiterhin Debatten über die angemessenste Art der Bekleidung von Frauen, vor allem auch darüber was letztendlich eine richtige "islamische" Körper-oder Kopfbedeckung darstellt. Die Vorstellungen, wie Frauen sich in der Öffentlichkeit zeigen sollen bzw. dürfen unterscheiden sich oft erheblich, je nach der Herkunft, Geschlecht und Bildungsstand der Befragten. [...]
[...] Obwohl Frauen seit dem Fall des Taliban-Regimes in 2001 eine größere Rolle im öffentlichen Leben übernommen haben, ist die Burka weiterhin in vielen Teilen des Landes verbreitet. Dabei wird die Burka von vielen als "importiertes" Phänomen gesehen. Selbst Historiker bestätigen, dass die Burka erst relativ "jung" in Afghanistan verwurzelt ist. So ist sie erst vor hundert Jahren aus Indien nach Afghanistan gekommen. Viele afghanische Frauen geben jedoch an, dass das Tragen der Burka ihnen ein Gefühl von Sicherheit bietet, vor allem vor männlicher Belästigung. Ein im Artikel zitierter Verkäufer von Burkas aus Herat erklärt jedoch, dass -seiner Erfahrung nach -Frauen die Burka nicht aus ihrem eigenen Willen tragen, sondern von männlichen Verwandten, wie dem Ehemann oder Schwiegervater, dazu gezwungen werden. Was genau die "angemessene" Form von sittsamer Kleidung für Frauen sei wird vielmehr von islamischen Rechtsgelehrten seit Jahrhunderten debattiert. Maulawi Sayed Husain Husaini, zum Beispiel, erklärt, dass aus den religiösen Texten selbst nicht hervorgeht, das die Burka als ultimative Form des "hijabs" zu verstehen sei [Anmerkung der Staatendokumentation: im Qur'an wird der Begriff "hijab" zwar erwähnt, wie dieser jedoch zu verstehen sei ist seit jeher Gegenstand lebhafter Debatten unter Religionsgelehrten. Wörtlich bedeutet "hijab" nur "Bedeckung", was genau bedeckt werden muss ist Gegenstand von Interpretation und Diskussion]
[...] die konkrete Situation von Frauen in Afghanistan ist erheblich von Faktoren wie Herkunft, Familie, Bildungsstand, finanzieller Situation und Religiosität abhängig. Obwohl sich die Lage afghanischer Frauen in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, kämpfen viele weiterhin mit Diskriminierung auf einer Vielzahl von Ebenen -rechtlich, beruflich, politisch und sozial. Gewalt gegen Frauen bleibt weiterhin ein ernsthaftes Problem. Frauen im Berufsleben und in der Öffentlichkeit müssen oft gegen Belästigung und Schikane kämpfen, und sehen sich oft Drohungen ausgesetzt. [...]
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90 % innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord. Es trifft Frauen aber auch im Arbeitskontext: So sind z. B. Polizistinnen massiven Belästigungen und auch Gewalttaten durch Arbeitskollegen oder im direkten Umfeld ausgesetzt. Insbesondere durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, das "Eliminating Violence Against Women (EVAW) Gesetz, im Jahre 2009 wurde eine wichtige Grundlage geschaffen, Gewalt gegen Frauen -inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt -unter Strafe zu stellen. Das durch Präsidialdekret erlassene Gesetz wird jedoch besonders außerhalb der Städte weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern steht weiterhin aus und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden. [...]
Gleichzeitig ist es für viele Frauen immer noch sehr schwierig, außerhalb des Bildungs-und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben. Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten [...]
Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter. Zwangsheirat und Verheiratung von Mädchen unter 16 Jahren sind noch weit verbreitet. Die Datenlage hierzu ist sehr schlecht. Eine Erhebung des zuständigen Ministeriums von 2006 zeigt, dass über 50 % der Mädchen unter 16 Jahren verheiratet wurden und dass 60-80 % aller Ehen in Afghanistan unter Zwang zustande kamen. [...]
Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigungen oder Zwangsehen sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre.
[...]
[...] afghanische Frauen sind in urbanen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif in einer Vielzahl beruflicher Felder aktiv. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen, usw. Sie haben jedoch mit mannigfaltigen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt und in der Berufswelt zu kämpfen. Diese reichen von Diskriminierung in der Rekrutierung und im Gehalt, über Schikane und Drohungen bis zur sexuellen Belästigung. Während es Frauen der afghanischen Elite seit dem Ende der Taliban-Herrschaft zuweilen möglich war eine Reihe erfolgreicher Unternehmen aufzubauen, mussten viele dieser Neugründungen seit dem Einsturz der afghanischen Wirtschaft 2014 wieder schließen. Frauen der Mittel-und Unterschicht kämpfen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt und Lohnungleichheit. Dazu müssen Frauen unverhältnismäßig oft unbezahlte Arbeit leisten. Die letzten Jahre sahen einen steigenden Druck auf Frauen in der Arbeitswelt und eine zunehmende Abneigung gegenüber Frauen im Beruf, vor allem in konservativen Kreisen. Trotzdem finden sich viele Beispiele erfolgreicher junger Frauen in den verschiedensten Berufen. Was die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für Frauen in afghanischen Städten betrifft, so gibt es auch hier, eine Vielzahl von Beispielen. [...]"
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungs- und Gerichtsakten, in Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdeninformationssystem, in Strafregisterauszüge und in Auszüge aus dem Grundversorgungs-Informationssystem sowie durch Einvernahme des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Unterlagen Beilage ./A bis ./I (Anmeldung bei der römisch 40 vom 02.05.2018 über ein Beschäftigungsverhältnis des BF 1 ab 01.05.2018 - Beilage A; Schulnachricht des BF 3 vom 16.02.2018 - Beilage ./B;
Schulbesuchsbestätigung des BF 3 vom 08.07.2016 - Beilage ./C;
Schulbesuchsbestätigung des BF 3 vom 07.07.2017 - Beilage ./D;
Schulnachricht des BF 4 vom 16.02.2018 - Beilage ./E; Jahreszeugnis des BF 4 vom 07.07.2017 - Beilage ./F; Jahreszeugnis des BF 5 vom 08.07.2016 - Beilage ./G; Jahresinformation der Volksschule des BF 5 vom 07.07.2017 - Beilage ./H; Semesterinformation des BF 5 vom 16.02.2018 - Beilage ./I) sowie durch Einsichtnahme in die mit Urkundenvorlage vom 26.04.2018 vorgelegten Urkunden (OZ 6 -
Teilnahmebestätigung Deutschkurs A1 für den BF 1 vom 04.12.2017;
Teilnahmebestätigung Deutschkurs für den BF 1 vom 17.08.2017;
Zeugnis Deutschprüfung A1 des BF 1 vom 05.01.2018, Abklärung Förderwürdigkeit des BF 1, Anmeldung Deutschkurs für BF 1 vom 20.03.2017, Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs des BF 1 vom 14.03.2017, Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs der BF 2 vom 01.12.2017, Anmeldung Deutschkurs für BF 2 vom 22.11.2017, Anmeldung Deutschkurs für BF 2 vom 20.03.2017).
2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:
2.1.1. Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.
2.1.2. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheits-dienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführer gelten ausschließlich zur Identifizierung der Personen der Beschwerdeführer im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, ihrer Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, ihrem Lebenslauf (ihr Aufwachsen sowie ihre familiäre Situation in Afghanistan, die (fehlende) Schulausbildung des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin) sowie zu den gegenseitigen Familienverhältnissen gründen sich auf den diesbezüglich im Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen und stringenten Aussagen des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung an diesen Aussagen zu zweifeln.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Erstbis Drittbeschwerdeführer ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug jeweils vom 03.05.2018). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Viert- bis Sechstbeschwerdeführer ergibt sich aus ihrer Strafunmündigkeit aufgrund ihres Alters.
Die Feststellung zur traditionellen Heirat des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin ergibt sich aus ihren diesbezüglich übereinstimmenden und gleichgebliebenen Angaben.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:
2.2.1. Der zur Entscheidung berufene Richter des Bundesverwaltungsgerichts geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund seines persönlichen Eindrucks des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin davon aus, dass ihnen hinsichtlich ihres Vorbringens betreffend ihre Verfolgung durch ihre Familien keine Glaubwürdigkeit zukommt. Die Beschwerdeführer wurden zu Beginn der Verhandlung angehalten, ihr Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen sind die Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden, sie präsentierten lediglich eine grobe Rahmengeschichte. Die Angaben der Beschwerdeführer blieben auch trotz mehrfacher Nachfrage gänzlich detaillos und vage. Es ergaben sich viele Widersprüche und Unplausibilitäten zwischen den Aussagen der Beschwerdeführer, die ihre Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass die Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen, widersprüchlichen und nicht stringenten Weise wie in der Beschwerdeverhandlung schildern würden, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität.
2.2.1.1. Verfolgung durch Familie der Zweitbeschwerdeführerin aufgrund Beziehung bzw. Heirat mit dem Erstbeschwerdeführer gegen deren Willen
Der Erstbeschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass seine Familie zweimal bei der Familie der Zweitbeschwerdeführerin um die Hand seiner Frau angesucht habe (BF 1 AS 155). In der Beschwerdeverhandlung gab der Erstbeschwerdeführer hingegen an, dass seine Eltern dreimal um die Hand der Zweitbeschwerdeführerin angehalten hätten. Nach Vorhalt seiner Aussage beim Bundesamt gab der Erstbeschwerdeführer lediglich ausweichend an, dass er sich nicht mehr erinnern könne (OZ 7, Sitzung 10). Nach der allgemeinen Lebenserfahrung scheint es unplausibel, dass der Erstbeschwerdeführer nicht gleichbleibend angeben konnte wie oft seine Familie um die Hand seiner Frau angehalten habe, zumal es doch darum gegangen sei, ob er die Zweitbeschwerdeführerin heiraten dürfe und somit künftig mit ihr zusammenleben könne. Auch die Zweitbeschwerdeführerin gab in der Beschwerde-verhandlung lediglich vage an, dass die Eltern des Erstbeschwerdeführers zwei oder drei Mal um ihre Hand angehalten hätten. Ein Heiratsantrag, der somit zur Verlobung und zur Planung eines gemeinsamen Lebens führt, hätte jedoch insbesondere für den Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin, die sich bisher angeblich nur heimlich getroffen hätten (OZ 7, Sitzung 10), eine einschneidende Veränderung ihres Lebens dargestellt, zumal sie bei positivem Ausgang eine gemeinsame Zukunft vor sich gehabt hätten. Dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin lediglich vage bzw. sogar widersprüchliche Angaben in Bezug auf die gestellten Heiratsanträge getätigt haben, ist daher nicht nachvollziehbar.
Während der Erstbeschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung angegeben hat, dass er sich mit der Zweitbeschwerdeführerin nur heimlich getroffen habe und sie nie gemeinsam gesehen worden seien, weil sie sonst gesteinigt worden wären (OZ 7, Sitzung 10), gab die Zweit-beschwerdeführerin hingegen an, dass sie sich heimlich getroffen hätten bis ihre Brüder sie gesehen hätten. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin seien gemeinsam gesehen worden als sie miteinander gesprochen hätten (OZ 7, Sitzung 21). Nach Vorhalt der Aussage des Erstbeschwerdeführers gab die Zweitbeschwerdeführerin lediglich ausweichend an, dass ihre Brüder nicht gewusst hätten, dass sie miteinander eine Beziehung führen würden. Der Erstbeschwerdeführer sei auf dem Grundstück [Anm. BVwG: seiner Familie] gewesen und sie habe Wasser geholt, wobei sie dann miteinander gesprochen hätten. Das hätten jedoch ihre Brüder gesehen (OZ, Sitzung 21). Dies erklärt jedoch nicht, weshalb der Erstbeschwerdeführer angegeben hat, dass sie nicht zusammen gesehen worden seien.
Der Erstbeschwerdeführer hat in der Beschwerdeverhandlung auch angegeben, dass er sich mit der Zweitbeschwerdeführerin auch nachdem der dritte Heiratsantrag seiner Eltern abgelehnt worden sei noch heimlich getroffen habe (OZ 7, Sitzung 10). Die Zweitbeschwerde-führerin führte hingegen aus, dass sie sich nach dem letzten Heiratsantrag nicht mehr getroffen hätten, weil es ihr verboten gewesen sei. Nach Vorhalt der Angaben des Erstbeschwerdeführers gab sie an, dass sie sich einmal über die Mauer gesehen hätten und ihre Schwester auch dabei gewesen sei (OZ 7, Sitzung 21). Dennoch sind die Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin nicht miteinander in Einklang zu bringen, weil selbst wenn sie sich über die Mauer gesehen hätten, dies wohl kein heimliches Treffen darstellt und aus der Antwort des Erstbeschwerdeführers nicht zu schließen war, dass es sich dabei lediglich um ein einmaliges kurzes "Sehen" im Beisein der Schwester der Zweitbeschwerdeführerin gehandelt habe.
Der Erstbeschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung an, dass die Brüder der Zweit-beschwerdeführerin gegen ihre Heirat gewesen seien, weshalb zwei Brüder ihn auf seinem Grundstück mit einem Messer angegriffen hätten als er gearbeitet habe (OZ 7, Sitzung 11). Befragt gab der Erstbeschwerdeführer zunächst an, dass niemand in der Nähe gewesen sei. Die anderen hätten zwar auch gearbeitet, sie seien jedoch nicht in der Nähe gewesen, er habe diese Personen jedoch sehen können. Auf die Frage, warum die Brüder der Zweit-beschwerdeführerin den Angriff beendet hätten, gab der Erstbeschwerdeführer hingegen an, dass die anderen Bauern gekommen seien und die Brüder seiner Frau daher nicht weiter angreifen hätten können. Danach habe die Familie des Erstbeschwerdeführers davon erfahren und sein Vater und sein Bruder hätten ihn ins Spital gebracht (OZ 7, Sitzung 12). Beim Bundesamt gab der Erstbeschwerdeführer hingegen an von seinen Nachbarn ins Krankenhaus gebracht worden zu sein (BF 1 AS 155). Da doch niemand in der Nähe gewesen sei, scheint es unplausibel, dass andere Bauern gekommen seien und die Brüder der Zweitbeschwerdeführerin gestoppt hätten. Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum diese Bauern den Erstbeschwerdeführer nicht selbst ins Krankenhaus gebracht haben, sondern auf den Vater und Bruder des Erstbeschwerdeführers gewartet haben sollen, zumal der Erstbeschwerdeführer aufgrund der angeblichen Messerstiche doch stark geblutet haben muss und der Erstbeschwerdeführer angegeben hat, dass ihr Grundstück ca. 15 Minuten zu Fuß von ihrem Wohnhaus entfernt gewesen sei.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab in der Beschwerdeverhandlung folgendes an: "[...] Eines Tages, als ich mit meinem Mann gesprochen habe, hat mich mein Bruder gesehen. Dann haben meine Brüder mit meinem Mann gestritten. Sie haben mich auch geschlagen. Mein Mann hat zu meinen Brüdern nicht gesagt, dass ich von ihm schwanger bin, aber er möchte mich heiraten. Die Brüder waren auf dem Grundstück als sie mit meinem Mann gestritten haben und haben ihn mit einem Messer gestochen." (OZ 7, Sitzung 20). Nach den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin scheint es als habe die angebliche Messerattacke gegen den Erstbeschwerdeführer gleich nachdem der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin von ihren Brüdern gemeinsam gesehen worden seien stattgefunden. Diesfalls wäre jedoch auch die Zweitbeschwerdeführerin bei dem Angriff dabei gewesen und sind die Angaben des Erst-beschwerdeführers, wonach niemand in der Nähe gewesen sei (OZ 7, Sitzung 12) bzw. die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin, wonach sie bei dem Vorfall nicht anwesend gewesen sei (OZ 7, Sitzung 21), nicht nachvollziehbar.
Der Erstbeschwerdeführer hat beim Bundesamt auch ausgeführt, dass sein Vater ihm aufgezeigt habe, dass die Leute ihn umbringen würden und er in den Iran gehen solle, weshalb er sich mit der Zweitbeschwerdeführerin verabredet habe um ihr Heimatdorf zu verlassen (BF 1 AS 155, 157). In der Beschwerdeverhandlung gaben der Erst- und die Zweit-beschwerdeführerin hingegen befragt an, dass die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin ihnen gesagt habe, dass sie getötet werden würden und der Erstbeschwerdeführer mit der Schwester der Zweitbeschwerdeführerin die Flucht geplant habe (OZ 7, Sitzung 12 f, 20, 22).
Zudem scheint unplausibel, dass die Eltern des Erstbeschwerdeführers nichts von der geplanten Ausreise gewusst haben sollen, zumal diese doch hinter dem Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin gestanden seien und sogar zwei bzw. drei Mal um die Hand der Zweitbeschwerdeführerin angesucht hätten. Zudem habe der Vater des Erstbeschwerde-führers ihm doch geraten in den Iran auszureisen (BF 1 AS 155, 157).
Auch die Angaben bezüglich der Ausreise aus Kabul sind widersprüchlich. So gab der Erstbeschwerdeführer zunächst beim Bundesamt an, dass die Brüder der Zweitbeschwerde-führerin nach einer Zeit herausgefunden hätten, dass der Erst- und die Zweitbeschwerde-führerin in Kabul aufhältig gewesen seien. Sein Onkel habe deshalb gemeint, dass es zu gefährlich sei in Kabul zu bleiben, weshalb sie Kabul verlassen hätten. Nachgefragt führte er weiters aus, dass die Brüder der Zweitbeschwerdeführerin Verwandte in Kabul haben würden und ihre Brüder deshalb von ihrem Aufenthalt in Kabul erfahren hätten (BF 1 AS 157). Die Zweitbeschwerdeführerin gab beim Bundesamt an, dass der Onkel des Erstbeschwerdeführers den Cousin der Zweitbeschwerdeführerin, den sie heiraten hätte sollen, in Kabul getroffen habe und dieser gesagt habe, dass er vom Aufenthalt des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin in Kabul wisse und die Brüder der Zweitbeschwerdeführerin bereits auf der Suche nach ihnen in Kabul seien (BF 2 AS 145). In der Beschwerde-verhandlung gab der Erstbeschwerdeführer hingegen an Kabul verlassen zu haben, weil der Cousin der Zweitbeschwerdeführerin nach ihnen in Kabul gesucht habe. Nachgefragt, von wem, den Brüdern oder dem Cousin der Zweitbeschwerdeführerin, sie konkret verfolgt worden seien, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass der Cousin hinter ihnen her gewesen sei, weil die Zweitbeschwerdeführerin diesem versprochen gewesen sei (OZ 7, Sitzung 13). Nach Vorhalt seiner und der Angaben der Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesamt gab der Erstbeschwerdeführer plötzlich an: "Sie waren alle hinter meiner Frau. Der Cousin ist gekommen und wollte sie wieder zurück mitnehmen. Der Cousin hat gesagt, du bist mir versprochen. Er wollte sie heiraten. Hätte er uns gefunden, wären die Brüder auch nachgekommen." (OZ 7, Sitzung 14). Zudem fällt auf, dass der Erstbeschwerdeführer zunächst lediglich angegeben hat, dass sein Onkel den Cousin seiner Frau gesehen habe (OZ 7, Sitzung 13). Es ist daher nicht nachvollziehbar zu wem der Cousin gesagt haben soll, dass die Zweit-beschwerdeführerin ihm versprochen sei. Danach befragt gab der Erstbeschwerdeführer die Frage nicht beantwortend und lediglich ausweichend an, dass es in Afghanistan so sei, dass man als Kind versprochen werde. Nun wolle seine Frau ihren Cousin jedoch nicht heiraten (OZ 7, Sitzung 14). Erst konkret danach befragt, ob sein Onkel seinen Cousin nur gesehen habe oder auch mit ihm gesprochen habe, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er mit ihm gesprochen habe und dieser gesagt habe, dass er hinter ihnen her sei (OZ 7, Sitzung 14). Auch die Zweitbeschwerdeführerin gab in der Beschwerdeverhandlung an, dass ihr Cousin in Kabul nach ihnen gesucht habe und erwähnte ihre Brüder nicht (OZ 7, Sitzung 22). Nach Vorhalt ihrer Aussage beim Bundesamt, wonach ihre Brüder auf der Suche nach ihr gewesen seien, gab sie lediglich vage und ausweichend an: "Er wollte dem Onkel Angst machen, wenn meine Brüder es gewusst hätten, wären sie in Kabul. Der Onkel hatte Angst um sich selbst, deshalb hat er gesagt, wir müssen schnell von dort weg." (OZ 7, Sitzung 22).
Aufgrund der derart widersprüchlichen und unplausiblen Aussagen des Erst- und der Zweit-beschwerdeführerin geht das Gericht davon aus, dass sie lediglich eine grobe Rahmen-geschichte präsentierten, die sie erst auf wiederholtes Nachfragen konkretisierten. Das Gericht hatte daher nicht den Eindruck, dass es sich bei der erzählten Geschichte um tatsächlich erlebtes handelt. Es ist den Beschwerdeführern daher nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass die Familien des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin gegen ihre Heirat gewesen sind, die Zweitbeschwerdeführerin ihrem Cousin versprochen war, der Erstbeschwerdeführer von den Brüdern der Zweitbeschwerdeführerin mit einem Messer angegriffen worden ist und/oder die Beschwerdeführer von ihren Familienangehörigen oder von anderen Personen in Afghanistan konkret und individuell mit der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht worden bzw. konkreten Verfolgungs-handlungen ausgesetzt gewesen sind.
2.2.1.2. Verfolgung durch die Taliban
Der Erstbeschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung erstmals an, dass die Familie der Zweitbeschwerdeführerin Beziehungen zu den Taliban gehabt habe und seine Familie auch von den Taliban bedroht worden sei. So hätten die Taliban von seinem Vater eine Tochter als Ersatz für die Familie der Zweitbeschwerdeführerin verlangt (OZ 7, Sitzung 10, 15). Befragt, warum er dies bisher im Verfahren nicht erwähnt habe, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er angegeben habe, dass sein Heimatdorf in der Hand der Taliban sei (OZ 7, Sitzung 15). Eine Bedrohung durch die Taliban oder deren Beziehungen zu der Familie der Zweitbeschwerdeführerin hat er jedoch mit keinem Wort erwähnt und kann dies allein aus der allgemein gehaltenen Angabe betreffend die Sicherheitslage in seinem Heimatdorf nicht geschlossen werden.
Der Erstbeschwerdeführer muss sich daher eine Steigerung seines Vorbringens vorwerfen lassen, die sein diesbezügliches Vorbringen insgesamt in Zweifel zieht. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Erstbeschwerdeführer nicht bereits in der Einvernahme vor dem Bundesamt Ausführungen betreffend eine Bedrohung durch die Taliban bzw. deren Beziehungen zu der Familie der Zweitbeschwerdeführerin tätigte, zumal sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Erstbeschwerdeführer nicht in der Lage gewesen wäre, bereits im behördlichen Verfahren ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Es ist davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer damit versucht, seinem Vorbringen einen zusätzlichen Aspekt hinzuzufügen.
2.2.1.3. Verfolgung aufgrund außerehelichem Kind
Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gaben beim Bundesamt an, dass die Zweit-beschwerdeführerin gesteinigt werden würde, weil sie vor einer Heirat schwanger geworden sei (BF 1 AS 155, BF 2 AS 149). Ihr ältester Sohn, der Drittbeschwerdeführer, würde in Afghanistan als uneheliches Kind und als unrein gelten, weshalb auch er umgebracht werden würde (BF 2 AS 149). Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass unehelichen Kindern ihr Recht auf Geburtenregistrierung entzogen werden kann. Das Fehlen einer Geburtsurkunde kann ein Kind daran hindern, Gesundheitsdienstleistungen und soziale Unterstützung in Anspruch zu nehmen und sich in die Schule einzuschreiben vergleiche Punkt römisch II.1.3.4.). Da der Drittbeschwerdeführer über eine Tazkira (BF 2 AS 165; OZ 7, Sitzung 8), also eine Geburtsurkunde, verfügt und somit in Afghanistan registriert ist, ist nicht davon auszugehen, dass der Drittbeschwerdeführer in Afghanistan als uneheliches Kind oder als unrein gilt.
Es ist daher auch vor dem Hintergrund, dass das Fluchtvorbringen bezüglich der Heirat gegen den Willen der Familie der Zweitbeschwerdeführerin - wie bereits ausgeführt - lediglich ein Konstrukt darstellt, weder glaubhaft, dass die Zweitbeschwerdeführerin bereits vor der Heirat schwanger gewesen ist noch, dass der Drittbeschwerdeführer in Afghanistan als uneheliches Kind und/oder unrein gilt und/oder ihnen deshalb Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität in Afghanistan droht.
Selbst wenn der Drittbeschwerdeführer ein uneheliches Kind wäre, gaben der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin im Verfahren immer wieder an, dass niemand, abgesehen von der ältesten Schwester der Zweitbeschwerdeführerin (OZ 7, Sitzung 11, 20), die die Beschwerdeführer jedoch hinsichtlich ihrer geheimen Beziehung und ihrer Flucht unterstützt hat (OZ 7, Sitzung 12 f), von der angeblichen unehelichen Schwangerschaft wisse. Da der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin traditionell verheiratet sind und der Drittbeschwerdeführer auch eine Tazkira besitzt, ist auch nicht davon auszugehen, dass jemand davon erfahren würde und sie deshalb einer Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt sein würden.
2.2.1.4. Verfolgung der Zweitbeschwerdeführerin durch die Familie des Erstbeschwerde-führers
Da das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer - wie soeben ausgeführt - nicht glaubhaft ist, ist auch nicht glaubhaft, dass die Familie des Erstbeschwerdeführers in Afghanistan Belästigungen durch die Familie der Zweitbeschwerdeführerin ausgesetzt gewesen ist und deshalb in den Iran gereist sei. Zudem gab der Erstbeschwerdeführer beim Bundesamt sowie die Zweitbeschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung an, dass die Familie des Erstbeschwerdeführers ca. drei Monate nach ihnen in den Iran gereist sei (BF 1 AS 159; OZ 7, Sitzung 23). Der Erstbeschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung hingegen an, dass seine Familie ca. zwei Jahre nach ihnen in den Iran gekommen sei (OZ 7, Sitzung 14). Weder der Erst- noch die Zweitbeschwerdeführerin konnte die Diskrepanz von fast zwei Jahren plausibel erklären (OZ 7, Sitzung 14, 23).
Zudem gab der Erstbeschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung an, dass seine Familie als sie in den Iran gekommen sei zunächst bei ihm und seiner Frau gewohnt habe. Nach einiger Zeit habe er mit seiner Frau und seinen Kindern jedoch getrennt von seiner Familie im selben Ort im Iran gelebt. Seine Eltern seien immer wieder zu Besuch gekommen und hätten seine Frau weiterhin belästigt (OZ 7, Sitzung 15). Die Zweitbeschwerdeführerin gab hingegen an, dass sie im Iran immer mit der Familie des Erstbeschwerdeführers zusammen-gewohnt hätten, weil sie sich nicht getraut hätten eine eigene Unterkunft zu suchen. Nach Vorhalt der Angaben des Erstbeschwerdeführers gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie nicht von den Eltern des Erstbeschwerdeführers getrennt gelebt hätten, sie jedoch nach einem Streit aus dem Haus geworfen worden sei. Ihr Mann habe sie dann zu seiner Arbeitsstätte gebracht und sie habe sich dort aufgehalten (OZ 7, Sitzung 23). Diese Angaben sind daher nicht miteinander in Einklang zu bringen.
Aufgrund der widersprüchlichen Angaben ist es den Beschwerdeführern nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass die Zweitbeschwerdeführerin Belästigungen bzw. körperlichen Eingriffen durch die Familie des Erstbeschwerdeführers ausgesetzt gewesen ist.
In Gesamtschau des diesbezüglichen Fluchtvorbringens konnte daher nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern deshalb im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch ihre Familien, die Taliban oder andere Personen droht.
2.2.2. Auch darüber hinaus vermochten die Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund ihrer Eigenschaft als schiitische Hazara nicht aufzuzeigen:
Der Erstbeschwerdeführer gab weder in der Erstbefragung noch beim Bundesamt an Probleme aufgrund seiner Religions- und/oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt zu haben. Auch in der Beschwerdeverhandlung führte der Erstbeschwerdeführer allgemein nach seinen Fluchtgründen befragt nicht an, dass er Probleme aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt habe. Erst als er ausdrücklich befragt worden ist, ob er jemals aufgrund seiner Religionszugehörigkeit bedroht worden sei, gab er an deshalb von den Taliban bedroht worden zu sein. Sie hätten ihn gefragt warum er Schiite sei. In seinem Heimatdorf seien sehr wenige Schiiten gewesen, weshalb er von den Taliban belästigt worden sei (OZ 7, Sitzung 16). Nachgefragt führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass die Taliban sehr ernst seien und zwei Mal Kunduz erobert hätten. Die Taliban seien noch immer in seinem Heimatort. Befragt, ob er selbst von den Taliban konkret bedroht worden ist, gab der Erstbeschwerdeführer an: "Nein, aber allgemein." (OZ 7, Sitzung 16). Zudem fällt auf, dass die Zweitbeschwerdeführerin ebenfalls der Religionsgruppe der Schiiten angehört (OZ 7, Sitzung 18) und im selben Heimatdorf des Erstbeschwerdeführers gelebt hat, diese jedoch in der Beschwerdeverhandlung angegeben hat keine Probleme aufgrund ihrer Religions-zugehörigkeit gehabt zu haben (OZ 7, Sitzung 23). Im Gegenteil, der Erst- und die Zweit-beschwerdeführerin haben in der Beschwerdeverhandlung sogar angegeben, dass die Familie der Zweitbeschwerdeführerin Beziehungen zu den Taliban gehabt hätte (OZ 7, Sitzung 10, 24).
Sofern der Erstbeschwerdeführer angegeben hat, dass er den diesbezüglichen Fluchtgrund beim Bundesamt nicht angegeben habe, weil er nicht danach gefragt worden sei (OZ 7, Sitzung 16), ist festzuhalten, dass ihm ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt wurde seine Beweggründe für das Verlassen seines Herkunftslandes zu schildern und er auch zweimal ausdrücklich befragt wurde ob er noch etwas anführen möchte (BF 1 AS 157, 163). Zudem besteht gemäß Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG eine Mitwirkungspflicht der Asylwerber, wonach diese ihren Antrag ohne unnötigen Aufschub zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen haben.
Aus diesen derart vagen und unplausiblen Angaben kann der erkennende Richter, insbesondere auch in Zusammenschau mit den Länderberichten zum Fehlen entsprechend massiver religiöser und volksgruppenbezogener Diskriminierung (siehe Punkt römisch II.1.3.1.), den Schluss ziehen, dass die Beschwerdeführer selbst keiner individuell konkret gegen sie gerichteten Verfolgung aufgrund ihrer Volksgruppen- und/oder Religionszugehörigkeit in Afghanistan ausgesetzt gewesen sind.
2.2.3. Die Feststellungen zur Zweitbeschwerdeführerin als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frau ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem von der Zweitbeschwerdeführerin dort gewonnenen persönlichen Eindruck. So hinterließ die Zweitbeschwerdeführerin durch ihr aufgeschlossenes Auftreten und die Spontanität ihrer Antworten einen in dieser Hinsicht glaubwürdigen und überzeugenden Eindruck.
Bei der Zweitbeschwerdeführerin handelt es sich um eine erwachsene junge Frau, der es in Afghanistan nicht möglich war die Schule zu besuchen (BF 2 AS 13, 143; OZ 7, Sitzung 18). In Österreich hat sie hingegen bereits einen Alphabetisierungskurs absolviert und an einem Deutschkurs teilgenommen (Beilage zu OZ 6). Sie verfügt auch bereits über Deutschkenntnisse. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom erkennenden Richter getroffen werden, da die Zweitbeschwerdeführerin in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten Fragen verstanden und auf Deutsch beantwortet hat (OZ 7, Sitzung 25). Die Zweitbeschwerdeführerin hat sich somit bereits gefestigte Grundkenntnisse der deutschen Sprache angeeignet, die es ihr ermöglichen, eine zusammenhängende Kommunikation auf einfachem Niveau zu führen.
In der mündlichen Verhandlung führte die Zweitbeschwerdeführerin unter anderem befreit aus, dass sie sich in Österreich erstmals als "Mensch" fühle (OZ 7, Sitzung 24). Die Freizeitgestaltung der Beschwerdeführerin ist derzeit aufgrund der Versorgung ihrer Kinder im Alter von 14, 12 und 9 Jahren sowie ihres Kleinkindes im Alter von 1 1/2 Jahren eingeschränkt, jedoch wird sie durch ihren Ehemann bei ihrer Lebensgestaltung unterstützt, indem auch er auf die Kinder aufpasst damit sie in den Deutschkurs sowie alleine einkaufen gehen kann (OZ 7, Sitzung 16, 24 f). Die Zweitbeschwerdeführerin ist bei den alltäglichen Erledigungen nicht auf die Unterstützung anderer angewiesen, zumal sie selbst den Einkauf erledigt (OZ 7, Sitzung 17, 25) und es ihr auch aufgrund ihrer Deutschkenntnisse möglich ist Erledigungen selbständig zu bewältigen. Sie gab auch überzeugend an, dass sie alleine ins Fitnesscenter und schwimmen geht (OZ 7, Sitzung 25). Sie trifft sich auch regelmäßig mit Freunden in Österreich (OZ 7, Sitzung 24 f). Es zeigt sich daher, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich nicht nur in einem begrenzten Radius bewegt, sondern Freizeitaktivitäten unternimmt und ihren Hobbies nachgeht.
Sie gab auch glaubhaft an, dass sie in einem Altersheim arbeiten und die entsprechende Ausbildung machen möchte. So ist die Zweitbeschwerdeführerin auch bereits zur Aufnahme-prüfung angetreten, hat diese jedoch nicht bestanden. Die Zweitbeschwerdeführerin gab jedoch bestimmt an, dass sie die Prüfung wiederholen werde (OZ 7, Sitzung 26).
Zudem war die Zweitbeschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung leicht geschminkt und mit einem leicht transparenten Schal, einem durchsichtigen Oberteil, einem Pullover und einer Leggins bekleidet und trug Schmuck. Aus den Länderberichten geht zwar hervor, dass auch die Frauenkleidung in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung umfasst. Dennoch zeigt sich daran, dass die Zweitbeschwerdeführerin teilweise auch ohne Kopftuch außer Haus geht (OZ 7, Sitzung 17, 25 f), dass sie sich den Gepflogenheiten in Österreich bereist angepasst hat.
Die Zweitbeschwerdeführerin konnte somit überzeugend und glaubhaft darlegen, dass sie sich einer westlichen Wertehaltung und einem westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild zugehörig fühlt, nach einer solchen bzw. einem solchen lebt und daran festzuhalten gewillt ist, wobei ihr westlich orientierter Lebensstil auch von ihrem Ehemann mitgetragen wird.
In Gesamtschau handelt es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin sohin um eine Frau, die das streng konservativ-afghanische Frauen- und Wertebild ablehnt, demgegenüber westliche Werte bereits verinnerlicht hat und - aus Überzeugung und im Gegensatz zu der konservativ-afghanischen Tradition - auch danach lebt. Schließlich ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht klar hervorgekommen, dass die Zweitbeschwerdeführerin ihren Kindern einen westlich orientierten Lebensstil ermöglicht, indem sie sie selbstbestimmt erzieht und sie darin fördert, die ihnen in Österreich zukommenden Freiheiten (wie insbesondere freie Partnerwahl, Schulbildung und Berufswahl) auszuleben ("RI: Werden Sie die Ehepartner Ihrer Kinder aussuchen? BF2: Nein, sie selber, wie sie es wollen. RI: Was würden Sie dazu sagen, wenn sich Ihre Kinder christliche Ehepartner aussuchen? BF2: Es macht nichts, wie sie es wollen. Ich hatte kein richtiges Leben gehabt. Ich habe keine richtige Hochzeit gehabt. RI: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor? BF2: Ich will lernen, ich will außer Haus arbeiten. Ich möchte nicht zu Hause sitzen. Dass die Kinder lernen, so wie sie es wollen." OZ 7, Sitzung 26).
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die den Länderfeststellungen (Punkt römisch II.1.3.) zu Grunde liegenden Berichte wurden in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Den Beschwerdeführern wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben in die Länderberichte Einsicht zu nehmen sowie dazu Stellung zu nehmen, wovon kein Gebrauch gemacht wurde.
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
3.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist vergleiche VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG in Verbindung mit Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe vergleiche VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, Paragraph 45,, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
3.2. Nach Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Stellt ein Familienangehöriger iSd Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß Paragraph 34, Absatz eins, AsylG als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß Paragraph 34, Absatz 2, AsylG aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Paragraph 2, Absatz 3, AsylG), die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 7, AsylG).
Gemäß Paragraph 34, Absatz 4, AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen. Die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Absatz 2 und 3 des Paragraph 34, AsylG erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.
Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren gemäß dem 4. Abschnitt des 4. Hauptstückes des AsylG auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, gilt diese gemäß Paragraph 16, Absatz 3, BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen (Paragraph 2, Ziffer 22, AsylG) betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich.
3.3. Im gegenständlichen Fall wurde zwar nicht ausdrücklich gegen den Bescheid des Bundesamtes betreffend den Sechstbeschwerdeführer Beschwerde erhoben, jedoch handelt es sich beim Sechstbeschwerdeführer um den minderjährigen Sohn des Erst- und der Zweit-beschwerdeführerin, weshalb ein Familienverfahren vorliegt. Da vom Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin Beschwerde erhoben worden ist, gilt diese gemäß Paragraph 16, Absatz 3, BFA-VG daher auch als Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 27.02.2017 betreffend den Sechstbeschwerdeführer.
3.4. Es konnte jedoch keine Verfolgung der Beschwerdeführer durch die Familienangehörigen des Erst- und/oder der Zweitbeschwerdeführerin, durch die Taliban oder durch andere Personen oder aufgrund einer außerehelichen Schwangerschaft festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass es sich beim Drittbeschwerdeführer um ein außereheliches Kind handelt. Die Beschwerdeführer wurden nie in Afghanistan bedroht. Es ist daher diesbezüglich keine Verfolgung der Beschwerdeführer erkennbar.
3.5. Auch eine konkrete und individuelle Verfolgung aufgrund der ethnisch-religiösen Zugehörigkeit der Beschwerdeführer zu den schiitischen Hazara konnten die Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen (siehe Punkt römisch II. 2.2.2.).
In Ermangelung von den Beschwerdeführern individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob sie im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale - etwa wegen ihrer Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wären.
Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mit Verweis auf VfGH 18.09.2015, E 736/2014). Dass ein Angehöriger der ethnischen und religiösen Minderheit der schiitischen Hazara im Falle seiner Einreise nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht erkennen:
Die in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara und die beobachtete Zunahme von Übergriffen gegen Hazara vergleiche Punkt römisch II.1.3.1.) erreichen gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Aus den Länderberichten stellt sich die Lage für Schiiten in Afghanistan entsprechend jener der Hazara dar.
Es ist daher eine Gruppenverfolgung - sowohl in Hinblick auf die Religions- als auch die Volksgruppenzugehörigkeit - von Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht gegeben.
3.6. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt vergleiche Punkt römisch II.2.2.3.), ist es der Zweitbeschwerdeführerin jedoch gelungen, glaubhaft zu machen, eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau zu sein. Sie hat damit eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus einem der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründe aufgezeigt:
Aus den vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Afghanistan ergeben sich zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen allein aufgrund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter sowie individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefen, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-) Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von den in den Länderberichten aufgezeigten Einschränkungen und Diskriminierungen kann jedoch bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere einer diesen - traditionellen und durch eine konservativ-religiöse Einstellung geprägten - gesellschaftlichen Zwängen nach außen hin offen widerstrebenden Wertehaltung einer Frau, ein asylrelevantes Ausmaß erreichen.
Den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 vergleiche Punkt römisch II.1.3.2.) ist zu entnehmen, dass sich die afghanische Regierung zwar bemüht, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, jedoch Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt sind und gerade Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, gesellschaftlich stigmatisiert werden und hinsichtlich ihrer Sicherheit gefährdet sind (zur Indizwirkung solcher Länderberichte s. VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182). Frauen sind daher besonders gefährdet, in Afghanistan Opfer von Misshandlungen zu werden, wenn ihr Verhalten - wie z.B. die freie Fortbewegung oder eine ausgeübte Erwerbstätigkeit - als nicht mit den von der Gesellschaft, von der Tradition oder sogar vom Rechtssystem auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen wird.
Für die Zweitbeschwerdeführerin wirkt sich die derzeitige Situation in Afghanistan so aus, dass sie im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt sowie unmittelbaren Einschränkungen und durch das Bestehen dieser Situation der Gefahr einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre. Gerade die Zweitbeschwerdeführerin unterliegt einer diesbezüglich erhöhten Gefährdung, weil sie aufgrund ihrer Wertehaltung und Lebensweise bei einer Rückkehr gegenwärtig in Afghanistan als eine Frau wahrgenommen würde, die sich als nicht konform ihrer durch die Gesellschaft, die Tradition und das Rechtssystem vorgeschriebenen geschlechtsspezifischen Rolle benimmt; sie ist insofern einem besonderen Misshandlungsrisiko ausgesetzt vergleiche hierzu auch EGMR 20.07.2010, 23.505/09, N./Schweden, ebenfalls unter Hinweis auf UNHCR).
Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zweitbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen drohen würden.
Diese Verfolgungsgefahr findet auch ihre Deckung in einem der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründe, zumal die Zweitbeschwerdeführerin einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich jener der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen, zugehörig ist vergleiche dazu VwGH 20.06.2002, 99/20/0172, mwN).
Es ist nach Lage des Falles davon auszugehen, dass die Zweitbeschwerdeführerin vor diesen Bedrohungen in Afghanistan nicht ausreichend geschützt werden kann. Zwar stellen die angeführten Bedrohungen keine Eingriffe von staatlicher Seite dar, es ist der Zentralregierung jedoch nicht möglich, für die umfassende Gewährleistung grundlegender Rechte und Freiheiten der afghanischen Frauen Sorge zu tragen; gegenwärtig besteht in Afghanistan dahingehend kein funktionierender Polizei- und Justizapparat. Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund der oben getroffenen Länderfeststellungen nicht davon auszugehen, dass im Wirkungsbereich einzelner lokaler Machthaber effektive Mechanismen zur Verhinderung von Übergriffen und Einschränkungen gegenüber Frauen bestünden; ganz im Gegenteil liegt ein derartiges Vorgehen gegenüber Frauen teilweise ganz im Sinne der lokalen Machthaber. Für die Zweitbeschwerdeführerin ist damit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie angesichts des sie als westlich orientierte Frau betreffenden Risikos, Opfer von Misshandlungen und Einschränkungen zu werden, ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden kann.
3.7. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil Paragraph 11, AsylG die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind vergleiche VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).
Zudem ist im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen, in der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frauen einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind.
3.8. Die Zweitbeschwerdeführerin konnte somit glaubhaft machen, dass ihr im Herkunftsstaat aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK droht. Es liegen gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG keine Endigungs- oder Ausschlussgründe vor.
3.9. Im vorliegenden Fall liegt bezüglich der Verfahren des Erstbeschwerdeführers und seiner Ehefrau - der Zweitbeschwerdeführerin - ein Familienverfahren iSd Paragraph 34, AsylG vor, da die Ehe bereits vor ihrer gemeinsamen Einreise nach Österreich bestanden hat. Auch bezüglich der Verfahren der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer und ihrer Mutter - der Zweitbeschwerdeführerin - liegt ein Familienverfahren iSd Paragraph 34, AsylG vor. Da der Zweitbeschwerdeführerin gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden ist, ist gemäß Paragraph 34, Absatz 2, AsylG auch dem Erst-, sowie den Dritt- bis Sechstbeschwerdeführern der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, weil keine Umstände hervorgekommen sind, die unter einen der Tatbestände des Paragraph 34, Absatz 2, Ziffer eins bis 3 AsylG zu subsumieren wären.
Der Beschwerde ist daher hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG sowie hinsichtlich des Erst- und der Drittbis Sechstbeschwerdeführer gemäß Paragraph 3, Absatz eins und 4 AsylG in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG stattzugeben und gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG festzustellen, dass den Beschwerdeführern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständlichen Anträge der Erst- bis Fünftbeschwerdeführer auf internationalen Schutz am 08.06.2015 und damit vor dem 15.11.2015 gestellt wurden. Die Paragraphen 2, Absatz eins, Ziffer 15 und 3 Absatz 4, AsylG finden daher gemäß Paragraph 75, Absatz 24, AsylG im vorliegenden Fall keine Anwendung.
Der Antrag auf internationalen Schutz des Sechstbeschwerdeführers wurde hingegen am 16.02.2017, somit nach dem 15.11.2015, gestellt, wodurch insbesondere Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 15 und Paragraph 3, Absatz 4, AsylG ("Asyl auf Zeit") gemäß Paragraph 75, Absatz 24, AsylG im konkreten Fall auf ihn Anwendung finden; dementsprechend kommt dem Sechstbeschwerdeführer eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist dies nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
ECLI:AT:BVWG:2018:W250.2148068.1.00