Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

11.05.2018

Geschäftszahl

W163 2152724-1

Spruch

W163 2152722-1/8E

W163 2152724-1/8E

W163 2152726-1/8E

W163 2152729-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1) römisch 40 , geb. römisch 40 , 2) römisch 40 , geb. römisch 40 , 3) römisch 40 , geb. römisch 40 und 4) römisch 40 , geb. römisch 40 , alle Staatsangehörigkeit Afghanistan, alle vertreten durch den römisch 40 , gegen jeweils Spruchpunkt römisch eins. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1) 03.03.2017, Zl. römisch 40 ,

2) 03.03.2017, Zl. römisch 40 , 3) 07.03.2017, Zl. römisch 40 und 4) 07.03.2017, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der jeweils angefochtenen

Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist jeweils gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht

zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang und Sachverhalt:

römisch eins.1. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge: BF1) ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge: BF2). Der Drittbeschwerdeführer (in der Folge: BF3) und der Viertbeschwerdeführer (in der Folge: BF4) sind die volljährigen Söhne von BF1 und BF2. Die BF1-4 sind afghanische Staatsangehörige, reisten gemeinsam unrechtmäßig und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellten jeweils am 29.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

2. Am gleichen Tag fand die Erstbefragung der BF1-4 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

3. Am 20.10.2016 fand eine niederschriftliche Befragung des BF1 und der BF2, am 27.10.2016 eine niederschriftliche Befragung des BF3 und des BF4 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt.

4. Das BFA hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheiden jeweils den Antrag der BF1-4 auf Zuerkennung des Status des/der Asylberechtigten gem. Paragraph 3, Absatz eins, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Ihnen wurde jeweils der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihnen jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieser Bescheide erhoben die BF1-4 fristgerecht Beschwerde.

6. Die gegenständliche Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 11.04.2017 vom BFA vorgelegt.

7. Das BVwG führte in den gegenständlichen Rechtssachen am 25.04.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die BF und ihr Vertreter persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Im Zuge dieser Verhandlungen wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung der BF1-4.

8. Am 04.05.2018 langte eine (gemeinsame) Stellungnahme der BF ein.

römisch eins.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

1. Der BF1 führt den Namen römisch 40 , geb. römisch 40 . Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF1 ist Dari. Der BF1 stammt aus dem Dorf römisch 40 im Distrikt römisch 40 in der Provinz Ghazni.

Die BF2 führt den Namen römisch 40 , geb. römisch 40 . Sie ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache der BF2 ist Dari. Die BF2 stammt aus dem Dorf römisch 40 im Distrikt römisch 40 in der Provinz Ghazni.

Der BF3 führt den Namen römisch 40 , geb. römisch 40 . Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF3 ist Dari. Der BF3 wurde in der Stadt römisch 40 in der Provinz Helmand geboren.

Der BF4 führt den Namen römisch 40 , geb. römisch 40 . Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF4 ist Dari. Der BF4 wurde in der Stadt römisch 40 im Iran geboren.

2. Drei weitere Söhne des BF1 und der BF2 - römisch 40 , römisch 40 und römisch 40 - reisten zu einem früheren Zeitpunkt unrechtmäßig nach Österreich ein und stellten jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. römisch 40 und römisch 40 wurde jeweils mit Bescheid des BFA der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. römisch 40 , der bereits im Zeitpunkt der Antragstellung auf internationalen Schutz volljährig war, wurde mit Erkenntnis des BVwG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

3. Die Fluchtgründe der BF sind nicht glaubhaft.

Gründe, die eine Verfolgung des BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Afghanistan aus asylrelevanten Gründen maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, wurden von den BF nicht glaubhaft gemacht. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass den BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus seiner politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

4. Die BF2 ist über 57 Jahre alt. Sie ist Analphabetin. Sie lebt in Österreich im Familienverband mit den anderen BF und einem weiteren Sohn. Sie übt in Österreich keine Aktivitäten außerhalb des Lebens im Familienverband und der Betreuung des BF1 aus. Sie hat keine Deutschkurse besucht und keine Kenntnisse der deutschen Sprache erworben. Sie bewegt sich öffentlich nicht ohne Begleitung. Sie ist nicht imstande, allein Besorgungen des täglichen Lebens zu machen.

Die aktuelle Lebensweise der BF2 verstößt nicht einer solchen Form gegen die sozialen Normen in urbanen Gebieten Afghanistans, dass sie als gegen die sozialen Sitten sowie gegen religiöse und politische Normen verstoßend und sie exponierend wahrgenommen werden. Die BF2 hat in Österreich keine selbstständige und eigenbestimmte Lebensweise entwickelt. Eine derartige Lebensweise ist nicht Bestandteil der Identität der BF2 geworden.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 30.01.2018:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 30.01.2018: Angriffe in Kabul (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vergleiche BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vergleiche NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vergleiche The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vergleiche The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vergleiche Reuters 24.1.2018).

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The Guardian (24.1.2018)

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

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The Guardian (22.1.2018)

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vergleiche NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

Quellen:

https://www.channelnewsasia.com/news/asiapacific/taliban-and-is-create-perfect-storm-of-bloodshed-in-kabul-9909494, Zugriff 30.1.2018

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast/shock-gives-way-to-despair-in-kabul-after-ambulance-bomb-idUSKBN1FG086, Zugriff 29.1.2018

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-claim/islamic-state-claims-attack-on-jalalabad-in-afghanistan-idUSKBN1FD1HC, Zugriff 29.1.2018

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attacks/heavy-casualties-after-overnight-battle-at-kabul-hotel-idUSKBN1F90W9, Zugriff 29.1.2018

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/29/explosions-kabul-military-academy-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/28/afghanistan-kabul-reels-bomb-attack-ambulance, Zugriff 29.1.2018

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/27/scores-of-people-wounded-and-several-killed-in-kabul-blast, Zugriff 29.1.2018

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/24/explosion-attack-save-the-children-office-jalalabad-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vergleiche SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vergleiche SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vergleiche SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

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(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

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(UNAMA 10.2017)

High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vergleiche Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vergleiche Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vergleiche BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vergleiche NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vergleiche BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vergleiche NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

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(Guardian 7.11.2017)

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vergleiche UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vergleiche BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

Politische Entwicklungen

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

Quellen:

http://www.aljazeera.com/news/2017/10/dozens-feared-dead-attacks-afghanistan-171020142936566.html, Zugriff 20.12.2017

http://www.kuna.net.kw/ArticleDetails.aspx?id=2669249&language=en, Zugriff 21.12.2017

http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/kabul-attack-latest-update-shia-mosque-suicide-bomb-kills-death-afghanistan-capital-prayers-a8011466.html, Zugriff 20.12.2017

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

https://www.nytimes.com/2017/11/07/world/asia/kabul-shamshad-tv-attack.html, Zugriff 20.12.2017

https://www.pajhwok.com/en/2017/12/01/31-militants-eliminated-security-operations-says-mod, Zugriff 21.12.2017

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-islamic-state/islamic-state-beheads-15-of-its-own-fighters-afghan-official-idUSKBN1DN12I, Zugrif 21.12.2017

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast/suicide-bomber-kills-nine-near-afghan-political-meeting-idUSKBN1DG164, Zugriff 20.12.2017

Powerful Afghan Governor Vows To Fight His Disputed Ouster, https://www.rferl.org/a/afghan-kabul-ghani-government-ousts-powerful-governor-noor-vows-fight-jamiat-e-islami/28926040.html, Zugriff 21.12.2017

http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2017-12/afghanistan_23.php, Zugriff 18.12.2017

CONGRESS,
https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-10-30qr.pdf, Zugriff 18.12.2017

http://www.tolonews.com/afghanistan/senior-al-qaeda-member-killed-joint-military-operations, Zugriff 21.12.2017

https://tribune.com.pk/story/1567289/3-afghan-forces-claim-killing-top-haqqani-commander/, Zugriff 21.12.2017

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_quarterly_report_1_january_to_30_september_2017_-_english.pdf, Zugriff 18.12.2017

KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

[...]

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

[...]

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vergleiche, BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vergleiche, NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vergleiche Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vergleiche SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vergleiche, Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Quellen:

https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosque-kabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightened-after-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017

CONGRESS,
https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017

http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017

http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isis-afghanistan-killed-us-afghan/, Zugriff 19.9.2017

[...]

KI vom 22.6.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

[...]

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vergleiche auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

[...]

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vergleiche auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vergleiche auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vergleiche auch: The Guardian 3.6.2017).

[...]

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vergleiche auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vergleiche auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS-Zweig in Afghanistan - teilweise bekannt als IS Khorasan - ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vergleiche auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vergleiche auch: DZ 14.6.2017).

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vergleiche auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

Quellen:

http://www.aljazeera.com/news/2017/06/troops-killed-insider-attack-nangarhar-170610143131831.html, Zugriff 21.6.2017

http://www.aljazeera.com/news/2017/05/huge-blast-rocks-kabul-diplomatic-area-170531040318591.html, Zugriff 20.6.2017

http://www.dw.com/de/afghanistan-sicherheitslage-hat-sich-verschlechtert/a-39058179, Zugriff 20.6.2017

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/afghanistan-islamischer-staat-kaempfe-taliban, Zugriff 21.6.2017

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/afghanistan-taliban-insider-attacke-soldaten-usa-tote, Zugriff 21.6.2017

http://en.farsnews.com/newstext.aspx?nn=13960317001159, Zugriff 21.6.2017

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/neuer-anschlag-in-kabul-viele-tote-bei-explosion-auf-trauerfeier-15045768.html, Zugriff 21.6.2017

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 23.2.2017

http://www.pajhwok.com/en/2017/05/11/afghan-forces-wrest-back-badakhshan%E2%80%99s-zebak-district, Zugriff 20.6.2017

http://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack-idUSKBN18X1E0, Zugriff 21.6.2017

https://www.theguardian.com/world/2017/jun/02/afghanistan-protesters-killed-kabul-bombing, Zugriff 20.6.2017

https://www.theguardian.com/world/2017/may/31/huge-explosion-kabul-presidential-palace-afghanistan, Zugriff 20.6.2017

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/n1705111.pdf, Zugriff 8.5.2017

https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/the-latest-2-top-afghan-security-officials-suspended/2017/06/12/1879119c-4f42-11e7-b74e-0d2785d3083d_story.html?utm_term=.fd14b4a74b8a, Zugriff 22.6.2017

KI vom 11.5.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q1.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich im Jahr 2016 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert; dieser Trend zieht sich bis ins Jahr 2017. Gefechte fanden vorwiegend in den folgenden fünf Provinzen im Süden und Osten statt: Helmand, Nangarhar, Kandahar, Kunar und Ghazni; 50% aller Vorfälle wurden in diesen Regionen verzeichnet (für das Jahr 2016 wurden 23.712 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert). Doch der Konflikt hat sich geographisch ausgeweitet, da die Taliban ihre Aktivitäten in Nord- und Nordostafghanistan, sowie in der westlichen Provinz Farah, verstärkt haben. In den Provinzhauptstädten von Farah, Kunduz, Helmand und Uruzgan übten die Taliban Druck auf die Regierung aus. Wesentlich für die Machterhaltung der Regierung in diesen Provinzhauptstädten war die Entsendung afghanischer Spezialeinheiten und die Luftunterstützung durch internationale und afghanische Kräfte (UN GASC 3.3.2017).

[...]

INSO berichtet für den Zeitraum Jänner - März 2017 von insgesamt

6.799 sicherheitsrelevanten Vorfällen in ganz Afghanistan (INSO o. D.):

[...]

Im Jahr 2016 hat sich die Zahl der Gefechte zwischen Taliban und Regierungskräften (meist Angriffe der Taliban) um 22% erhöht und machen damit 63% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die Anzahl der IED-Vorfälle war 2016 um 25% niedriger als im Jahr davor und ist damit weiterhin rückläufig (UN GASC 3.3.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die afghanischen Sicherheitskräfte sind auch weiterhin signifikanten Herausforderungen ausgesetzt - speziell was ihre operative Leistungsfähigkeit betrifft: Schwächen in den Bereichen Führung und Kontrolle, Leitung und Logistik, sowie hohe Ausfallsraten, haben maßgebliche Auswirkungen auf Moral, Rekrutierung und Leistungsfähigkeit (UN GASC 3.3.2017). Dennoch haben die afghanischen Sicherheitskräfte hart gegen den Talibanaufstand und terroristische Gruppierungen gekämpft und mussten dabei hohe Verluste hinnehmen. Gleichzeitig wurden qualitativ hochwertige Spezialeinheiten entwickelt und Aufständische davon abgehalten Bevölkerungszentren einzunehmen oder zu halten (SIGAR 30.4.2017).

Der sich intensivierende Konflikt hat zunehmend Opfer bei Sicherheitskräften und Taliban gefordert. Die Rate der Neu- bzw. Weiterverpflichtungen ist zu niedrig, um die zunehmenden Desertionen und Ausfälle zu kompensieren. Bis Februar 2016 war die Truppenstärke des afghanischen Heeres bei 86% und die der afghanischen Nationalpolizei auf 94% ihres geplanten Mannschaftsstandes (UN GASC 3.3.2017).

Berichtszeitraum 18.11.2016 bis 14.2.2017

Im Berichtszeitraum wurden von den Vereinten Nationen 5.160 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert; dies bedeutet eine Erhöhung von 10% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (UN GASC 3.3.2017).

Im Jänner 2017 wurden 1.877 bewaffnete Zusammenstöße registriert; die Anzahl hatte sich gegenüber dem vorigen Vergleichszeitraum um 30 erhöht. Im Berichtszeitraum haben sich IED-Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 11% verstärkt (UN GASC 3.3.2017).

High-profile Angriffe:

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vergleiche auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vergleiche auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Angaben, welche Gebiete von den Aufständischen in Afghanistan kontrolliert werden, sind unterschiedlich: Schätzungen der BBC zufolge, wird bis zu ein Drittel des Landes von den Taliban kontrolliert (BBC 9.5.2017). Einer US-amerikanischen Quelle zufolge stehen 59,7% der Distrikte unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Sicherkräfte (Stand: 20.2.2017); was eine Steigerung von 2,5% gegenüber dem letzten Quartal wäre; jedoch einen Rückgang von 11% gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2016. Die Anzahl der Distrikte, die unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen sind, hat sich in diesem Quartal um 4 Distrikte vermehrt: es sind dies 45 Distrikte in 15 Provinzen (SIGAR 30.4.2017). Die ANDSF konnten die Taliban davon abhalten Provinzhauptstädte einzunehmen oder zu halten; die Aufständischen haben die Kontrolle über gewisse ländliche Gebiete behalten. (SIGAR 30.4.2017).

Bild kann nicht dargestellt werden

(SIGAR 30.4.2017).

Taliban

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive Ende April 2017 eröffnet; seitdem kommt es zu verstärkten Gefechtshandlungen in Nordafghanistan (BBC 7.5.2017). Bisher haben die Taliban ihre alljährliche Kampfsaison durch die Frühjahrsoffensive eingeläutet; allerdings haben dieses Jahr die Taliban-Aufständischen auch in den Wintermonaten weitergekämpft (BBC 28.4.2017).

Helmand

Die Taliban haben den Druck auf die Provinz Helmand erhöht; heftige Gefechte fanden Ende Jänner und Anfang Februar im Distrikt Sangin statt (UN GASC 3.3.2017): 10 der 14 Distrikte in Helmand werden entweder von den Taliban kontrolliert oder sind umstritten. In die Provinz Helmand wurde bereits eine Anzahl US-amerikanischer Soldaten entsendet (al-Jazeera 29.4.2017; vergleiche auch: Khaama Press 11.4.2017). Auch das afghanische Verteidigungsministerium hat Befreiungsoperationen gestartet, die sogenannten Khalid-Operationen in Helmand aus den beiden Distrikten, Garamser und Nad-e Ali heraus (Khaama Press 11.4.2017). Militärischen Quellen zufolge, wurde im Mai eine riesige Kommandozentrale der Taliban im Distrikt Nad-e Ali zerstört (Sputnik News 10.5.2017).

Kunduz

Seit zwei Jahren ist Kunduz Zentrum intensiver Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LWJ 9.5.2017); die Stadt Kunduz fiel zweimal bevor die ANDSF und die Koalitionskräfte sie wieder unter ihre Kontrolle bringen konnten (SIGAR 30.4.2017; vergleiche auch: LWJ 9.5.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS-Zweig in Afghanistan - teilweise bekannt als IS Khorasan - ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie auch gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017). Der IS verliert weiterhin Gebiete, die zuvor von ihm kontrolliert wurden; Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Aktivitäten der afghanischen Luftstreitkräfte mit Unterstützung der Luftangriffe der NATO (SCR 28.2.2017).

Abdul Hasib, der IS-Anführer in Afghanistan, wurde im Rahmen einer militärischen Operation in Nangarhar getötet (BBC 8.5.2017; vergleiche auch: NYT 7.5.2017); von Hasib wird angenommen für viele high-profile Angriffe verantwortlich zu sein - so auch für den Angriff gegen das Militärkrankenhaus in Kabul (Dawn 7.5.2017; vergleiche auch: BBC 8.5.2017).

In diesem Jahr wurden hunderte IS-Aufständische entweder getötet oder gefangen genommen (BBC 8.5.2017). Im April 2017 wurde die größte nicht-nukleare Bombe, in einer Region in Ostafghanistan eingesetzt, die dafür bekannt ist von IS-Aufständischen bewohnt zu sein (Independent 13.4.2017). Netzwerke bestehend aus Höhlen und Tunnels wurden zerstört und 94 IS-Kämpfer, sowie vier Kommandanten, getötet (Dawn 7.5.2017). Quellen zufolge waren keine Zivilisten von dieser Explosion betroffen (BBC 14.4.2017; vergleiche auch: The Guardian 13.4.2017, al-Jazeera 14.4.2017).

Quellen:

http://www.aljazeera.com/news/2017/04/marines-return-taliban-stronghold-helmand-170429090406248.html, Zugriff 9.5.2017

http://www.aljazeera.com/video/news/2017/04/mixed-reaction-afghanistan-nangarhar-bombing-170414143849115.html, Zugriff 8.5.2017

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 23.2.2017

http://www.khaama.com/200-us-troops-deployed-in-helmand-province-of-afghanistan-02546, Zugriff 9.5.2017

http://www.longwarjournal.org/archives/2017/05/taliban-back-on-the-offensive-in-kunduz.php, Zugriff 10.5.2017

http://de.reuters.com/article/afghanistan-anschlag-idDEKBN17P0BX, Zugriff 9.5.2017

http://de.reuters.com/article/afghanistan-anschlag-krankenhaus-idDEKBN16F1EH, Zugriff 9.5.2017

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/n1705111.pdf, Zugriff 8.5.2017

http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2017-03/afghanistan_20.php, Zugriff 8.5.2017

2. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vergleiche auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vergleiche Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vergleiche CRS 12.1.2017).

[...]

Parteien

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

Quellen:

http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949, Zugriff 5.10.2016

http://www.oldsite.idea.int/publications/emd/upload/EMD_CS_Afghanistan.pdf, Zugriff 13.2.2017

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 11.9.2014

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/technokrat-populist-choleriker-1.18339044, Zugriff 31.10.2014

http://www.nytimes.com/aponline/2016/09/29/world/asia/ap-as-afghanistan-peace-agreement.html?_r=0; Zugriff 5.10.2016

http://www.pajhwok.com/en/2017/01/19/wolesi-jirga-district-council-elections-next-year, Zugriff 24.1.2017

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und%20Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, Zugriff 23.1.2017

http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 24.1.2017

http://www.tolonews.com/afghanistan/hizb-e-islami-slams-taliban-ignorant-fanatic-group, Zugriff 31.1.2017

http://www.usip.org/sites/default/files/SR362-Political-Parties-in-Afghanistan.pdf, Zugriff 2.11.2015

3. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

[...]

 

1.12.2015 - 15.2.2016

16.2.2016 - 19.5.2016

20.5.2016 - 15.8.2016

16.8.2016 - 17.11.2016

1.12.2015 - 17.11.2016

sicherheitsrelevante Vorfälle

4.014

6.122

5.996

6.261

22.393

Bewaffnete Zusammenstöße

2.248

3.918

3.753

4.069

13.988

Vorfälle mit IED¿s

770

1.065

1.037

1.126

3.998

gezielte Tötungen

154

163

268

183

768

Selbstmordattentate

20

15

17

19

71

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC

7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA )

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vergleiche auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vergleiche auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vergleiche auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vergleiche auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Siehe Kapitel 2 - Politische Lage - Friedens- und Versöhnungsprozesse

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vergleiche auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vergleiche auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

[...]

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Quellen:

http://dailysignal.com/2016/01/06/it-would-be-a-mistake-to-not-hold-steady-in-afghanistan/, Zugriff 13.1.2016

http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949, Zugriff 5.10.2016

http://www.khaama.com/top-haqqani-network-leaders-arrested-by-afghan-intelligence-8821, Zugriff 27.10.2014

Sicherheitslage, per E-Mail.

Übermittlung per E-Mail. Unterlagen liegen bei der Staatendokumentation auf.

NDS,
http://www.pajhwok.com/en/2015/07/01/special-unit-established-wipe-out-daesh-nds, Zugriff 12.1.2016

http://www.pajhwok.com/en/2015/05/26/moi-confirms-daesh-presence-parts-country, Zugriff 12.1.2016

https://www.theguardian.com/world/2015/apr/11/afghanistan-bodies-aid-workers-save-the-children, Zugriff 23.2.2017

http://www.longwarjournal.org/archives/2015/09/taliban-overruns-outpost-in-eastern-afghanistan.php, Zugriff 30.11.2015

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/22921-unama-chief-reports-of-increased-security-incidents, Zugriff 12.1.2016

http://www.rand.org/blog/2016/11/the-islamic-state-taliban-rivalry-in-afghanistan.html, Zugriff 31.1.2017

http://www.reuters.com/article/us-afghanistan-taliban-idUSKBN15B1PN?il=0, Zugriff 30.1.2017

http://www.reuters.com/article/us-afghanistan-taliban-idUSKCN0X90D1; Zugriff 26.1.2017

http://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/2016_12_forecast.pdf, Zugriff 26.1.2017

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_feb2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/1049, Zugriff 1912.2016

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/n1616020.pdf, Zugriff 29.6.2016

http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/768, Zugriff 15.9.2016

https://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/Afghanistan-1225-Report-December-2016.pdf, Zugriff 13.2.2017 , Zugriff 31.1.2017

3.1. Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Distrikt Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen

21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

28

Andere Vorfälle

3

Insgesamt

151

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Provinz Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen

5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

1

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

161

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vergleiche auch: UNAMA 6.2.2017).

Quellen:

http://afghanspirit.com/45-taliban-commanders-killed-in-four-months-moi/, Zugriff 9.2.2017

http://www.bakhtarnews.com.af/eng/security/item/23489-clearing-operation-begins-in-several-districts-of-kabul.html, Zugriff 2.2.2017

Afghanistan - Estimated Population 2016/2017, https://data.humdata.org/dataset/estimated-population-of-afghanistan-2016-2017, Zugriff 22.2.2017

http://www.kabultribune.com/index.php/2017/02/08/taliban-leader-killed-with-his-fighters-in-kabul-operation/, Zugriff 8.2.2017

citizens,http://www.khaama.com/serious-threats-exist-in-kabul-us-embassy-warn-citizens-02664, Zugriff 30.1.2017

http://www.khaama.com/43-militants-killed-in-17-provinces-in-past-24-hours-moi-claims-02645, Zugriff 9.2.2017

http://www.khaama.com/explosion-near-a-mosque-in-herat-city-leaves-6-wounded-02601, Zugriff 16.2.2017

http://www.tolonews.com/afghanistan/afghan-forces-battle-insurgents-multiple-fronts-mod, Zugriff 3.2.2017

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_feb2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf, Zugriff 2.2.2017

http://www.voanews.com/a/afghanistan-winter-fighting-taliban-islamic-state-us-troops/3664876.html, Zugriff 30.1.207

3.2. Ghazni

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktika und Logar im Osten liegen; Zabul grenzt gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist sie die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.249.376 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 2016).

Ghazni ist in folgende Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Ghazni wird aufgrund ihrer strategischen Position, als Schlüsselprovinz gewertet - die Provinz verbindet durch die Autobahn, die Hauptstadt Kabul mit den bevölkerungsreichen südlichen und westlichen Provinzen (HoA 15.3.2016).

Gewalt gegen Einzelpersonen

39

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

952

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

140

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

155

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

4

Andere Vorfälle

2

Insgesamt

1.292

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Ghazni 1.292 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in Ghazni festgehalten; gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Im Dezember 2016 verlautbarte der CEO Afghanistans den baldigen Beginn militärischer Spezialoperationen in den Provinzen Ghazni und Zabul, um Sympathisanten des Islamischen Staates und Talibanaufständische zu vertreiben (Khaama Press 23.1.2017).

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen in Südostafghanistan, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Operationen durchführen (Khaama Press 15.10.2016; Khaama Press 8.7.2016; vergleiche auch: Truthdig 23.1.2017). Die Bevölkerung der Provinz kooperiere bereits mit den Sicherheitskräften. Ein Mitglied des Provinzrates verlautbarte, dass sich die Sicherheitslage verbessern könnte, wenn die Polizei mit notwendiger Ausrüstung versorgt werden würde (Pajhwok 8.1.2017). Im Gegensatz zum Jahr 2015 registrierte die UNAMA 2016 keine Entführungsfälle der Hazara-Bevölkerung in Ghazni. In vormals betroffenen Gegenden wurden Checkpoints der afghanischen Sicherheitskräfte errichtet; dies wird als Abschreckung gewertet (UNMA 6.2.2017).

In der Provinz werden regelmäßig Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 15.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 8.1.2017; Tolonews 26.12.2016; Pajhwok 21.11.2016; Afghanistan Times 25.8.2016; Afghanistan Times 21.8.2016), auch in Form von Luftangriffen (Pajhwok 18.6.2017; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 8.6.2016). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Sputnik News 30.11.2016). Unter anderem wurden Taliban Kommandanten getötet (Khaama Press 9.1.2017; Sputnik News 26.12.2016; Khaama Press 17.10.2016; Afghanistan Spirit 18.7.2016; Pajhwok 18.6.2016; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 7.6.2016).

Im Februar 2017 bestätigte der afghanische Geheimdienst (NDS) den Tod eines hochrangigen al-Qaida Führers: Qari Saifullah Akhtar, war vom NDS in einer Razzia im Jänner 2017 getötet worden. Berichten zufolge, war Qari Saifullah Akhtar jahrzehntelang am Aufstand beteiligt; ihm werden direkte Verbindung zu Osama bin Laden und dem pakistanischen Geheimdienst nachgesagt (LWJ 19.2.2017; vergleiche auch:

ATN News 19.2.2017).

Quellen:

http://afghanspirit.com/45-taliban-commanders-killed-in-four-months-moi/, Zugriff 9.2.2017

http://afghanistantimes.af/22-insurgents-killed-21-wounded-during-military-operations/, Zugriff 9.2.2017

http://afghanistantimes.af/over-50-insurgents-killed-in-military-operations/, Zugriff 9.2.2017

http://ariananews.af/nds-confirms-top-al-qaeda-leader-killed-in-ghazni/, Zugriff 20.2.2017

Afghanistan - Estimated Population 2016/2017, https://data.humdata.org/dataset/estimated-population-of-afghanistan-2016-2017, Zugriff 22.2.2017

http://www.khaama.com/afghan-air-force-bomb-isis-hideout-in-zabul-21-killed-02729, Zugriff 22.2.2017

http://www.khaama.com/43-militants-killed-in-17-provinces-in-past-24-hours-moi-claims-02645, Zugriff 9.2.2017

http://www.khaama.com/10-militants-join-peace-process-in-kunduz-city-02641, Zugriff 9.2.2017

http://www.khaama.com/afghan-forces-release-50-prisoners-from-taliban-jail-in-ghazni-02079, Zugriff 9.2.2017

http://www.khaama.com/7-terrorists-killed-in-an-airstrike-in-ghazni-province-mod-says-01206, Zugriff 9.2.2017

http://www.khaama.com/mod-14-terrorists-killed-in-an-airstrike-in-ghazni-province-01184, Zugriff 9.2.2017

Amarkhel,
http://www3.pajhwok.com/en/2017/01/08/people-help-improve-ghazni-security-amarkhel, Zugriff 9.2.2017

http://www.pajhwok.com/en/2016/11/25/15-militants-killed-7-injured-security-operations-mod, Zugriff 9.2.2017

http://www.pajhwok.com/en/2016/06/18/taliban%E2%80%99s-shadow-governor-ghazni-killed-airstrike, Zugriff 9.2.2017

https://sputniknews.com/asia/201612261049003311-afghanistan-police-ghazni-taliban/, Zugriff 9.2.2017

https://sputniknews.com/middleeast/201611301048019569-afghanistan-taliban-fight-ghazni/, Zugriff 9.2.2017

http://www.tolonews.com/afghanistan/77-insurgents-killed-wounded-operations-16-provinces, Zugriff 6.2.2017

http://www.tolonews.com/afghanistan/top-taliban-commander-among-six-killed-ghazni,Zugriff 9.2.2017

http://www.truthdig.com/report/item/given_away_to_settle_family_dispute_child_bride_describes_abuse_20170123, Zugriff 9.2.2017

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_feb2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf, Zugriff 2.2.2017

https://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/Afghanistan-1225-Report-December-2016.pdf, Zugriff 13.2.2017

[...]

4. Sicherheitsbehörden

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9.2016; vergleiche auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: Sputnik News 14.6.2016).

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

Resolute Support Mission

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

Quellen:

http://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/pdf_2016_05/20160518_1605-backgrounder-afghanistan-en.pdf, Zugriff 7.12.2016

https://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/Afghanistan-1225-Report-December-2016.pdf, Zugriff 13.2.2017

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5. Religionsfreiheit

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vergleiche USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vergleiche auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3, der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vergleiche auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9.2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

Quellen:

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 29.11.2016

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 30.11.2016

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 28.11.2016

http://www.newindianexpress.com/thesundaystandard/article350359.ece?service=print, Zugriff 5.11.2015

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5.1. Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vergleiche auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

Quellen:

https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2016/07/21csi_20161031_afghanistan_index.pdf, Zugriff 23.1.2017

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 23.1.2017

https://www.nytimes.com/2015/11/22/world/asia/kidnappings-escalate-in-afghanistan.html?_r=0, Zugriff 24.1.2017

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und%20Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, Zugriff 23.1.2017

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_feb2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

http://www.worldhazaracouncil.org/wp-content/uploads/2015/11/HazaraTargetKilling20151.pdf, Zugriff 24.1.2016

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6. Frauen

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung - auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004).

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).

Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 - 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren

63.911 Frauen (CSO 2016).

Frauenuniversität in Kabul

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vergleiche auch:

MORAA 31.5.2016).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vergleiche auch:

University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016).

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vergleiche auch: AF 7.12.2016).

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vergleiche auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9.2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9.2016).

Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u.a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti-Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden. Dieses ist allerdings bisher noch nicht geschehen (AA 9.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: Sputnik News 14.6.2016). Laut Verteidigungsministerium werden derzeit 400 Frauen in unterschiedlichen Bereichen des Verteidigungsministeriums ausgebildet: 30 sind in der nationalen Militärakademie, 62 in der Offiziersakademie der ANA, 143 in der Malalai Militärschule und 109 Rekrutinnen absolvieren ein Training in der Türkei (Tolonews 28.1.2017).

Im Allgemeinen verbessert sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte, bleibt aber weiterhin fragil. Der Schutz von Frauenrechten hat in größeren städtischen Gegenden, wie Kabul, Mazar-e Sharif und in der Provinz Herat, moderate Fortschritte gemacht; viele ländliche Gegenden sind extrem konservativ und sind aktiv gegen Initiativen, die den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern könnte (USDOD 6.2016).

Auch wenn die Regierung Fortschritte machte, indem sie zusätzliche Polizistinnen rekrutierte, erschweren kulturelle Normen und Diskriminierung die Rekrutierung und den Verbleib in der Polizei (USDOS 13.4.2016).

Teilnahmeprogramme für Frauen in den Sicherheitskräften

Initiiert wurde ein umfassendes Programm zur Popularisierung des Polizeidienstes für Frauen (SIGAR 30.7.2016; vergleiche auch: Sputnik News 5.12.2016). Dies Programm fördert in verschiedenster Weise Möglichkeiten zur Steigerung der Frauenrate innerhalb der ANDSF (SIGAR 30.7.2016). Das afghanische Innenministerium gewährte im Vorjahr 5.000 Stellen für Frauen bei der Polizei, diese Stellen sind fast alle noch immer vakant (Sputnik News 5.12.2016; vergleiche auch:

SIGAR 30.7.2016). Eines der größten Probleme ist, dass sowohl junge Mädchen als auch Ehefrauen in ihren Familien nichts selbständig entscheiden dürften (Sputnik News 5.12.2016). Die afghanische Nationalpolizei schuf zusätzlich neue Posten für Frauen - womit sich deren Zahl auf 5.969 erhöhte; 5.024 dieser Posten sind innerhalb der afghanischen Nationalpolizei, 175 in Gefängnissen und Haftanstalten, sowie 770 zivile Positionen (SIGAR 30.7.2016). Im Juni 2016 verlautbarten die Behörden in Kabul, bis März 2017 die Polizei mit 10.000 neuen Stellen für weibliche Polizeikräfte aufzustocken. Die Behörden möchten der steigenden Gewalt gegen Frauen in Afghanistan entgegentreten und effektiver gegen die Terrorbedrohung und den Drogenhandel im Land vorgehen (Sputnik News 14.6.2016).

Seit fast einem Jahrzehnt schaffen afghanische Behörden massiv Arbeitsstellen für Frauen bei der Polizei und versuchen alljährlich den Frauenanteil zu erhöhen. Das dient vor allem dazu, den Afghaninnen Schutz zu gewähren. Wenn Verdächtigte und mutmaßliche Verbrecher Frauen seien, werden Polizistinnen bevorzugt. Allerdings haben Beamtinnen wegen ihres Polizeidienstes öfter Probleme mit ihren konservativen Verwandten (Sputnik News 14.6.2016). Im Arbeitskontext sind Frauen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen: so sind z. B. Polizistinnen massiven Belästigungen und auch Gewalttaten durch Arbeitskollegen oder im direkten Umfeld ausgesetzt (AA 9.2016; vergleiche auch: Sputnik News 14.6.2016).

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9.2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9.2016; vergleiche USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016)

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9.2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).

Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9.2016).

Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: AA 9.2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9.2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9.2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW-Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).

Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul (USDOS 13.4.2016). Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurde Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren (USDOS 13.4.2016). Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: UNAMA 4.2015).

Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation (USDOS 13.4.2016).

Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission - AIHRC), veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 - März 2015), was eine Reduzierung von 13% gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67% der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60% wurden verurteilt und bestraft (USDOS 13.4.2016).

Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).

Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9.2016; vergleiche auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9.2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt - in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9.2016).

Ehrenmorde

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).

Legales Heiratsalter:

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich (USDOS 13.4.2016). Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70% (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: AA 9.2016).

In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst (USDOS 13.4.2016). Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (AA 9.2016).

Frauenhäuser

USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab (USDOS 13.4.2016).

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden (AA 9.2016).

Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 13.4.2016).

Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).

Medizinische Versorgung - Gynäkologie

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 9.2016).

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 9.2016)

Quellen:

http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/afghanistan, Zugriff 30.12.2016

https://www.hrw.org/sites/default/files/world_report_download/wr2016_web.pdf, Zugriff am 14.2.2017

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 29.12.2016

http://moraa.edu.af/2016/06/18/moraa-educational-complex-mec-was-inaugurated-by-countrys-first-lady/, Zugriff 27.12.2016

http://thediplomat.com/2016/12/despite-rising-violence-some-promising-trends-in-afghanistan/, Zugriff 22.12.2016

http://www.tolonews.com/afghanistan/mod-urges-afghan-women-join-national-army, Zugriff 30.1.2017

http://data.un.org/CountryProfile.aspx, Zugriff 27.12.2016

http://www.unesco.org/new/en/kabul/education/enhancement-of-literacy-in-afghanistan-ela-program/, Zugriff 3.11.2015

Afghanistan, https://www.usaid.gov/afghanistan/education, Zugriff 22.12.2016

https://www.defense.gov/Portals/1/Documents/Enhancing_Security_and_Stability_in_Afghanistan-June_2016.pdf, Zugriff 14.12.2016

[...]

7. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, die Regierung schränke die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 13.4.2016; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004).

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Die Taliban verhängen nächtliche Ausgangssperren in jenen Regionen, in denen sie die Kontrolle haben - Großteiles im Südosten (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 29.12.2016

7.1. Meldewesen

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012; vergleiche auch: DW 9.10.2004).

Quellen:

http://www.dw.com/de/boykott-aufruf-%C3%BCberschattet-wahl-in-afghanistan/a-1354509, Zugriff 29.11.2016

[...]

Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation:

AFGHANISTAN

Konflikt zwischen Hazara und Kutschi in Parwan, Gruppe Azadagan, Wahdat-e Islami vom 16.04.2018

[...]

3. Besteht die Partei Wahdat-e Islami noch? Gibt es eine Leitung einer Zweigstelle der Partei Wahdat-e Islami, Bamian? (da an diese im Jänner 2017 eine Bestätigung von der Ratskommission der Modjahedin in Bamian geschickt wurde)

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch einige Informationen gefunden. Eine ausgewogene Auswahl wird entsprechend den Standards der Staatendokumentation im Folgenden zur Verfügung gestellt.

Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu einigen der verwendeten Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm. Als allgemein bekannt vorausgesetzte Quellen werden i.d.R. nicht näher beschrieben. Als weniger bekannt erkannte Quellen werden im Abschnitt "Einzelquellen" näher beschrieben.

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die Hezb-e Wahdat (alternative Schreibweise: Hizb-i Wahdat, Bedeutung: Unionspartei) 1989, auf Anraten der iranischen Führung, durch den Zusammenschluss von acht konkurrierenden schiitischen Hazara-Gruppierungen gegründet wurde. Das Einflussgebiet der Hezb-e Wahdat, deren Unterstützerbasis ethnische Hazara sind, liegt im Hazarajat, in Nordafghanistan und in Kabul. Ihren Sitz hat die Hezb-e Wahdat in der Stadt Bamyan in der gleichnamigen Provinz.

Die Hezb-e Wahdat ist in mehrere Fraktionen zersplittert, wobei die bedeutendste Nachfolgepartei die Hezb-e Wahdat(Khalili) ist. 1994 spaltete sich die Hezb-e Wahdat(Akbari) ab, die heute Hezb-e Wahdat Milli Islami Afghanistan, bzw. Hizb-i-Milli-Islami-i-Afghanistan heißt (Bedeutung: Nationale Islamische Partei Afghanistans) heißt. 2004 wurde die Hezb-e Wahdat-e Islami-ye Mardom-e Afghanistan(Mohaqqeq) bzw. die Hizb-i-Wahdat-i-Islami Mardom-i-Afghanistan gegründet (Bedeutung: Islamische Einheitspartei des afghanischen Volkes) und 2005 wurde die Hezb-e Wahdat-e Islami-ye Millat-e Afghanistan(Erfani) (Bedeutung: Islamische Einheitspartei der afghanischen Nation) im Justizministerium registriert.

Einzelquellen:

Afghan Bios ist eine Datenbank, als deren Betreiber Bruns römisch fünf. Erek aus Hannover, Deutschland, angegebenen wird. Die Datenbank bietet Informationen zu Persönlichkeiten der afghanischen Öffentlichkeit (Politik, Justizwesen, Militär, Polizei, Wirtschaft, etc.). Die auf der Webseite dargebotenen Informationen werden, laut Afghan Bios, aus internationalen Medien, Internet-Recherchen und persönlichen Kontakten des Betreibers in Afghanistan gesammelt. Afghan Bios berichtet, dass die politisch einflussreichsten Gruppen der schiitischen Gemeinschaft Afghanistans die diversen Wahdat-Parteien (Einheitsparteien) sind, die auf Vorschlag der iranischen Führung 1989 in Bamyan gegründet wurden, um die schiitischen Mudschaheddin-Gruppen zu vereinigen.

Dieser Name wird noch immer von der von Khalili geführten Partei verwendet. Sarwar Danish, der zweite Vizepräsident von Ashraf Ghani, ist ebenfalls Parteimitglied. Die zweit-wichtigste der Wahdat-Parteien ist die Hezb-e Wahdat-e Islami-ye Mardom-e Afghanistan unter der Leitung von Mohammad Mohaqqeq, dem zweiten Vize-Präsidentschaftskandidaten Abdullahs, der nun stellvertretender CEO wird. Es gibt noch einige kleinere Gruppen, von denen einige offiziell registriert sind, andere nicht.

(...)

Afghan Biographies (2.11.2014): Afghanistan Shia Community, http://www.afghan-bios.info/index.php?option=com_afghanbios&id=3127&task=view&total=3559&start=135&Itemid=2, Zugriff 10.4.2018

Die australische Einwanderungs- und Flüchtlingsbehörde MRT-RRT (Migration Review Tribunal und das Refugee Review Tribunal) berichtet am 7.3.2013, dass die Hezb-e Wahdat (andere Schreibweisen, Hezb-e Wahdat(Khalili), Hizb-i Wahdat) seit 1989 aktiv ist, wobei folgende Parteiableger durch Hezb-e Wahdat-Führer gegründet wurden:

1994: die Hezb-e Wahdat(Akbari), die nun Hezb-e Wahdat Milli Islami Afghanistan heißt;

2004: die Hezb-e Wahdat-e Islami-ye Mardom-e Afghanistan(Mohaqqeq);

2005: die Hezb-e Wahdat-e Islami-ye Millat-e Afghanistan(Erfani).

Das Einflussgebiet der Hezb-e Wahdat liegt im Hazarajat, in Nordafghanistan und in Kabul mit den Hazara als Unterstützerbasis.

Die Hezb-e Wahdat, oder die 'Einheitspartei', war eine Koalition schiitischer Widerstandsbewegungen, die sich aus der ethnischen Gruppe der schiitischen Hazara rekrutierten. Die Partei wurde im Juli 1989 durch den Zusammenschluss einiger politischer Parteien der Hazara gegründet, die seit 1978 miteinander im Hazarajat im Konflikt befanden.

Nachdem sich die sowjetischen Truppen im Februar 1989 aus Afghanistan zurückgezogen hatten, übte der Iran Druck auf die Hazara-Parteien aus, die Hezb-e Wahdat als schiitisches Gegengewicht zu den sunnitischen Mudschaheddin-Parteien, zu gründen,

Die Hezb-e Wahdat setzte sich aus den folgenden acht Gruppen zusammen:

? Sazman-i-Nasr/Organisation des Sieges (radikal)

? Sepah-i Pasdaran(Pasdaran-i-Jihad-i-Islami)/Wächter des Islamischen Heiligen Krieges

? Daawat-i-Ittehad-i-Islami

? Nazhat-i-Islami

? Shura-i-Itttefaq/Rat der Union (ultrakonservativ)

? Jabha-i-Mutahed-i-Inqelabi-i-Islami

? Sazman-i-Mujahidin-i-Mustazafin/Organisation der enteigneten/vertriebenen Krieger

? Sazman-i-Nayro-i-Islami

? Zusätzlich schlossen sich der Hezb-e Wahdat 1989 viele ethnische Hazara an, die von den politischen schiitischen Bewegungen Harakat-i-Islami (angeführt von Ayatollah Asef Mohseni) und Hezbollah kamen. Die Harakat-i-Islami und die Hisbollah wurden nie ein Teil der Hezb-e Wahdat und agierten weiterhin unabhängig.

Ihren Sitz hat die Hezb-e Wahdat in der Stadt Bamyan in der gleichnamigen Provinz.

(...)

MRT-RRT - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal (7.3.2013): Background Paper Afghanistan: Political Parties and Insurgent Groups 1978-2001,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1154721/1226_1369733568_ppig1.pdf, Zugriff 5.4.2018

Die australische MRT-RRT berichtet am 7.3.2013, dass die Gründung der Hezb-e Wahdat 1989 ein wichtiger Schritt in der politischen Entwicklung der Hazara in Afghanistan war, bei dem in der Vergangenheit zersplitterte politische Gruppen vereint wurden. In der Zeit des Bürgerkrieges Anfang der 90er Jahre entwickelte sie sich zu einem der wichtigsten Akteure in Kabul und einigen anderen Teilen des Landes. Zwar war der politische Islamismus die Ideologie der meisten seiner wichtigsten Führer, jedoch entwickelte sich die Partei zu einem Mittel der ethnischen Hazara, deren politische Forderungen und Bestrebungen zu transportieren.

Durch den antisowjetischen Dschihad und den Bürgerkrieg hat Wahdat unter den Hazara Afghanistans beträchtliches politisches Kapital angesammelt, verlor aber bis 2009 durch Zersplitterung an politischem Gewicht. Die Partei war in mindestens vier konkurrierende Organisationen zerbrochen, von denen jede den Namen und das Erbe von Wahdat beanspruchte.

Hezb-e Wahdat-e Islami (Khalili)

Anführer: Abdol Karim KHALILI

Die Hezb-e Wahdat (Khalili) ist die wichtigste Nachfolgepartei der Hezb-e Wahdat.

Khalili leitete eine neuerliche politische Mobilisierung der Hazara und der militärischen und politischen Macht seiner Partei in Bamyan und etablierte seine Kontrolle über fast die gesamte Hazarajat-Region. Unter seiner Führung gewann die Partei ihre politische und militärische Bedeutung als eine der wichtigsten Anti-Taliban-Organisationen zurück. Im September 2004 organisierte Khalili's Wahdat-e Islami ihre konstituierende Versammlung in Kabul, an der fünfhundert Personen teilnahmen. Die Versammlung verabschiedete eine neue Parteisatzung und bestätigte Khalili als ihren Führer (er war der einzige Kandidat) einstimmig.

Sarwar Danish, damals Justizminister, und Habibah Wahaj, eine Dozentin an der Universität Kabul, wurden als erste bzw. zweite Stellvertreter gewählt. Außerdem wurde ein Zentralrat mit 99 Mitgliedern gewählt. Die neue Verfassung der Partei sieht auch den Aufbau von Provinz-, Bezirks- und Dorfstrukturen für die Partei vor. Ein Teilnehmer der Verfassungsgebenden Versammlung behauptete, dass der Rat nach seiner Gründung nie einberufen oder als Instanz innerhalb der Partei funktionierte.

Hezb-e Wahdat-e Islami-ye Mardom (Mohaqeq)

Andere Namen: Islamische Einheitspartei des afghanischen Volkes (Hizb-i-Wahdat-i-Islami Mardom-i-Afghanistan).

Anführer: Mohammad MOHAQEQ.

Mohaqeq und seine Partei widersetzten sich Präsident Karsais Bemühungen um Versöhnung mit den moderaten Taliban.

Hezb-e Wahdat-e Islami-ye Millat (Erfani)

Anführer: Qurban Ali ERFANI (Urfani, Irfani)

Die Partei war die vierte Abspaltung von der Hezb-e Wahdat und wurde im März 2005 im Justizministerium registriert. Erfani, ein gebürtiger Bamyaner aus dem Yakawlang Distrikt und einer der Gründer von Nasr und der Hezbe Wahdat, war schon immer im Zentrum der Hazara-Politik.

Hezb-e Wahdat Milli Islami (Akbari)

Andere Namen: National Islamic Party of Afghanistan (Hizb-i-Milli-Islami-i-Afghanistan),

Anführer: Ustad Mohammad AKBARI und Rohullah LOUDIN;

Muhammad Akbari spaltete sich 1994 von der Hezb-e Wahdat ab, um die Hezb-e Wahdat (Akbari) zu gründen.

Er war die bedeutendste schiitische Person, die sich den Taliban ergab und mit ihnen zusammenarbeitete, um die Kontrolle über das Hazarajat zu behalten.

Sein Bündnis mit den Taliban brachte ihn nach dem Zusammenbruch deren Regimes Ende 2001 in eine ungünstige Lage. Denn die Regierung in Kabul wurde von anti-Taliban Widerstandsgruppen dominiert, die mit der US-geführten Koalition zusammengearbeiteten, um die Taliban zu stürzen und Kabul einzunehmen,. Er und seine Organisation wurden bei der Regierung außen vor gelassen. Seine Bündnis mit den Taliban und die Rolle, die er bei der Verringerung und Verhinderung von Gräueltaten in seiner Heimat Bamyan spielte, verbesserten jedoch sein Ansehen in der Provinz, was ihm half bei den Parlamentswahlen 2005 einen Sitz in der Nationalversammlung zu sichern.

Von der Hezb-e Wahdat Milli Islami (Akbari) spaltetet sich wiederum Mustafa Kazimi, welcher in der Übergangsregierung Handelsminister war, ab und gründete die Eqtedar-e Milli.

Akbari spielt daher nur eine marginale Rolle in der Politik.

Hezb-e Eqtedar-e Melli (Kazemi)

Andere Namen: Eqtedar-e Milli (Kazemi); National Islamic Empowerment Party (Hizb-i Iqtedar-i-Milli-Islami).

Anführer: Ahmad Shah AHMADZAY, Mustapha KAZEMI (ermordet 2007)

Die Gründung dieser Partei wurde Anfang 2006 unter der Leitung von Ahmad Shah Ahmadzay und Mustafa Kazimi, welcher in der Übergangsregierung Handelsminister war, gemeldet.

(...)

MRT-RRT - Australian Government - Migration Review Tribunal & Refugee Review Tribunal (7.3.2013): Background Paper Afghanistan:

Political Parties and Insurgent Groups 2001-2013, https://www.ecoi.net/en/file/local/1131715/1226_1369733768_ppig2.pdf, Zugriff 28.3.2018

4. Ist bekannt ob durch diese Partei (Wahdat-e Islami) und/bzw. durch diese Gruppierungen (Azadagan) Menschenrechtsverletzungen begangen wurden?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch keine Informationen gefunden. Gesucht wurde auf google.com, bing.com, ecoi.net und refworld.org mit den Suchworten "human rights violation", "massacre", "abductions", "extra judicial killings", "Wahdat", "Azadagan", "Azadegan", "Hazara", "Parwan".

Es wurden jedoch indirekt Information gefunden. Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu einigen der verwendeten Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm. Als allgemein bekannt vorausgesetzte Quellen werden i.d.R. nicht näher beschrieben. Als weniger bekannt erkannte Quellen werden im Abschnitt "Einzelquellen" näher beschrieben.

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass in einem, aufgrund von Druck von hohen Beamten nicht veröffentlichten Bericht der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission mit dem Titel "Conflict Mapping in Afghanistan Since 1978", der den Zeitraum bis 2001 behandelt unter anderem der zweite Vizepräsident Karim Khalili von der Wahdat Partei als eine für Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Person genannt wird.

Eine Quelle berichtet, dass afghanische Journalisten aufgrund von Drohungen die im Namen mächtiger Regierungsbeamter oder einflussreicher lokaler Akteure, darunter Milizenführer und Warlords, ausgesprochen werden, oft mit Selbstzensur reagieren und viele Themen wie Korruption, Landraub, Gewalt gegen Frauen und Menschenrechtsverletzungen meiden.

Einzelquellen:

Die deutsche Tageszeitung TAZ berichtet am 24.7.2012 folgendes:

Die Regierungen Afghanistans und der USA wollen die Veröffentlichung eines brisanten Menschenrechtsberichts verhindern. Das Argument lautet: "Bloß das Boot nicht ins Schwanken bringen." Es bezieht sich auf die Regierung von Präsident Hamid Karsai, die der Westen nach dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 aus damaligen Reformern und Warlords zusammengezimmert hat.

Längst ist bekannt, dass diese Regierung durch Korruption, Vetternwirtschaft und mafiöse Strukturen in Richtung einer Familien-Präsidialdiktatur driftet.

Hinzu kommen ungesühnte Menschenrechtsverletzungen aus mehr als drei Jahrzehnten. Deshalb schlug auch gestern ein Bericht der New York Times hohe Wellen, in dem die bloße Existenz einer bisher unveröffentlichten sogenannten Kartierung dieser Verbrechen preisgegeben wird.

Die 800 Seiten lesen sich wie ein "Who's who" des afghanischen Establishments. Recherchiert und geschrieben haben den Bericht afghanische und ausländische Menschenrechtler im Auftrag der - von Präsident Karsai ernannten - Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC).

TAZ - Die Tageszeitung (24.7.2012): Menschenrechte in Kabul sind "Gedöns",

https://www.taz.de/Afghanistan-Bericht-unterdrueckt/!5088298/, Zugriff 10.4.2018

Die U.S.-amerikanische Tageszeitung The New York Times berichtet am 22.7.2012, dass eine von der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission erstellte Studie mit dem Titel "Conflict Mapping in Afghanistan Since 1978" Orte und Details von 180 Massengräbern von Zivilisten oder Gefangenen beschreibt. Es werden darin auch die Zeugenaussagen von Überlebenden und Zeugen der vom Errichten von Massengräbern gesammelt, sowie Informationen zu anderen Kriegsverbrechen beschrieben.

Die Forscher meinen, dass der Bericht nicht in der näheren Zukunft veröffentlicht wird, und sie beschuldigen hohe afghanische Beamte, das Werk und die Namen der Verantwortlichen zu unterdrücken. Menschenrechtsaktivisten meinen, dass das Land dazu verdammt ist, seine gewalttätige Vergangenheit zu wiederholen, wenn Missbräuche nicht ans Licht gebracht und verfolgt werden, während einige Beamte, darunter auch einige amerikanische Diplomaten, befürchten, dass die Veröffentlichung des Berichts neue Bürgerkriege auslösen wird.

In dem 800-seitigen Bericht werden Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan von 1978, vor der sowjetischen Invasion in Afghanistan, bis zum Sturz der Taliban im Jahr 2001 genannt. Es werden mächtige Persönlichkeiten der Verantwortung für zehntausende Todesfälle beschuldigt, von denen einige auf direkten Befehl hin, andere von Männern in deren Befehlskette ausgeführt worden sein sollen.

Zu den im Bericht beschuldigten Personen gehören einige der mächtigsten Persönlichkeiten der afghanischen Regierung und ethnischer Gruppen, sowie der Nordallianz, die 2001 gegen die Taliban kämpfte. Unter ihnen finden sich der erste Vizepräsident Fahim, ein Tadschike von der Jamiat Islami Partei, der zweite Vizepräsident Karim Khalili, ein Hazara und Führer der Wahdat Partei, General Atta Mohammed Noor, ein Tadschike von der Jamiat Islami Partei und Gouverneur der bedeutenden nördlichen Provinz Balkh, deren Hauptstadt Mazar-i-Sharif ist und General Abdul Rashid Dostum, ein vormaliger usbekischer Kriegsherr der Jumbush-Partei, der den Ehrentitel des Stabschefs des Oberbefehlshabers der afghanischen Streitkräfte trägt.

(...)

HRW - Human Rights Watch (21.1.2015): "Stop Reporting or We'll Kill Your Family" - Threats to Media Freedom in Afghanistan, https://www.hrw.org/report/2015/01/21/stop-reporting-or-well-kill-your-family/threats-media-freedom-afghanistan, Zugriff 10.4.2018

Auszug aus einem Bericht zu politischen Parteien und aufständischen Gruppen von 1978 bis 2001 MRT-RRT - Australian Government - Migration Review Tribunal & Refugee Review Tribunal 07.03.2013

Harakat-i-Islami

Other Names: Harakat-e Islami (Islamic Movement)

Years of Operation: 1979 to present

Leaders: Ayatollah Muhammad Asef MUHSINI (MOHSENI) (leader); Sayyed Husain Anwari (split to form new party in 2003)

Based in: Ghazni, Kandahar, Wardak, Parwan, Bamyan and Samangan provinces

Supported by: Shias - both Hazara and non-Hazara

History: The Harakat, headed by Ayatollah Muhammad Asef Muhsini, is a Shia (though not exclusively Hazara) group that stayed outside the Hezb-e Wahdat (Unity Party. römisch eins t allied itself with the Kabul government of Burhanuddin Rabbani and was represented in Gulbuddin Hekmatyar's cabinet by Sayyid Husain Anwari, who held the portfolio of minister of works and social affairs.

In 2003, Mousavi gave this profile of the Harakat:

Harakat-e Islami: is a traditionalist religious party that was formed in 1979 after the coming to power of the PDPA. römisch eins t was founded by Sheikh Mohammad Asif Mohseni Qandahari (Mohseni), a Qizilbash Shi'a from Qandahar, in Qom in Iran. HI came to play a particularly destructive and divisive role in inter-Hazara fighting. Following rifts between HI leadership and the Iranian authorities, the party headquarters were moved to Peshawar in Pakistan in the late 1980s. In 1989, HI joined the 6 other main Shi'a and Hazara parties to form the WP. Soon, however, it left the coalition and took up opposition to the WP.

Since 1993 HI has been significantly weakened and many of its followers have defected to the WP. However, because of its alliance with the government of Burhanuddin Rabbani in the early 1990s, it continued to enjoy political presence, though not much popularity. Following the fall of Kabul to the Taliban in 1996, HI faced a leadership struggle, as a result of which Sayed Hussain Anwari (currently Minister for Agriculture) formally challenged Mohseni's leadership and proclaimed himself leader. Mohseni, who is now an old and ailing man, continues to have a very marginal presence in the HI, and currently ranks alongside other former partyless leaders, like Rabbani and Sayyaf. HI itself has not fared much better, it currently has no effective military or political presence, or even party headquarters anywhere anymore.

In 2003, Harakat split into two factions, with Mohseni's wing keeping the traditional name and representing its clerical wing, and Sayyed Hossein Anwari's wing, called Harakat-e Islami-ye Mardom-e Afghanistan, representing its military - and more secular - component.21 In February 2005, Mohseni stepped down as party leader and handed over to Hojjatolislam Seyyed Muhammad Ali Jawed, a minister in Karzai's first cabinet formed in late 2001 in Bonn.

Related Groups: Allied to Shura-i-Itttefaq and Hezb-e Islami in the Hazara civil wars of the 1980s. Part of Northern Alliance - ally of Jamiat in the 1990s.

Fought against: Nasr, Pasdaran, Nahzat in the Hazara civil wars of the 1980s.

Ittehad-e Islami (Sayyaf )

Other Names: Islamic Union of Afghanistan (IUA), Islamic Union for the Liberation of Afghanistan, Etehad-e Islami

Years of Operation: 1980s-1996

Leaders: Abdul-Rassul SAYYAF (overall leader and ideologue). Other leaders included Haji Shir Alam, Zalmay Tufan, Abdullah Shah, and Mullah Taj Mohammad.

Based in: Paghman in Kabul province.

Supported by: Pashtuns, funded by Wahabis in Saudi Arabia

History: The faction is militant fundamentalist and anti-Shia.It is heavily influenced by the radical Islamist beliefs of its leader Abdul-Rassul Sayyaf. The IUA was heavily financed by the Wahabi sect out of Saudi Arabia. Sayyaf was known for recruiting motivated Arab youths for jihad in his organisation. This party was smaller than other Mujahideen groups and played little part in the war against the Communist government. römisch eins t was allied to Jamiat and part of the Afghan government of 1992-96 and became known for its part in the 1993 Afshar massacre of Hazaras in Kabul. Defeated by the Taliban in 1996, the party remained part of the Northern Alliance until the fall of the Taliban. Sayyaf has been active in the current Afghan government since 2002. 6

Related Groups: Member of Peshawar Seven alliance (1979-92). Allied to Jamiat and part of the Afghan government of 1992-96 as well as the post-Taliban government since 2001.

Fought against: Communists/Soviets (1980s-1992); Hezb-e Islami (Hekmatyar) (1992-96) Hezb-e Wahdat (1993-1995), Taliban (1995-2001)

Sources:

? Adamec, Ludwig 2011, Historical Dictionary of Afghanistan, 4th Ed., Scarecrow Press, London

? Amstutz, J.B. 1986, Afghanistan: the first five years of Soviet occupation, National Defense University Press, Washington, p.111.

? Saikal, A. & Maley, W. 1991, Regime Change in Afghanistan :

Foreign Intervention and the Politics of Legitimacy, pp.58-60

? 'Anti-Soviet Mujahideen' 2011, GlobalSecurity.org, 7 November <http://www.globalsecurity.org/military/world/para/Mujahideen.htm> Accessed 9 November 2012

? Ruttig, Thomas 2006, Islamists, Leftists - and a Void in the Center. Afghanistan's Political Parties and where they come from (1902-2006), Konrad Adenauer Foundation paper

Quelle: Background Paper Afghanistan: Political Parties and Insurgent Groups 1978-2001; MRT-RRT - Australian Government - Migration Review Tribunal & Refugee Review Tribunal 07.03.2013; abrufbar unter

https://www.ecoi.net/en/file/local/1154721/1226_1369733568_ppig1.pdf

Auszug aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Person Abdul Rasul SAYYAF, 08.04.2010

1. Ist etwas über Sayyaf bekannt? Insbesondere, welche Positionen diese Person innehat, welche Gruppierungen sie anführt, ob sie noch aktiv ist und ob sich diese Aktivitäten regional eingrenzen lassen?

Center for American Progress: Profiles of Afghan Power Brokers - Abdul Rasul Sayyaf, 26.10.2009, http://www.americanprogress.org/issues/2009/10/afghan_power_brokers.html, Zugriff 8.4.2010

Abdul Rasul Sayyaf ist Parlamentarier der Islamischen Dawah Organisation Afghanistans. Er ist Paschtune.

Abdul Sayyaf ist ein ehemaliger Mujahedeenführer, dessen Basis während des Großteils des Konflikts gegen die Sowjetunion in Peshawar, Pakistan war. Mit der Unterstützung Saudi Arabiens etablierte er1980 die Ittehad-e-Islami (Islamische Einheit) Partei um arabische Freiwillige und Geld für den Jihad zu mobilisieren. Sayyaf baute in den 1980er Jahren eine Beziehung zu Osama Bin Laden auf und gründete mehrere Trainingscamps für ausländische Kämpfer in Afghanistan und Pakistan. Diese Camps operierten nach dem Abzug der Sowjetunion weiter und die Abu Sayyaf Gruppe auf den Philippinen benennt sich nach ihm.

Während des afghanischen Bürgerkriegs nach dem sowjetischen Rückzug wurden die Truppen Sayyafs beschuldigt viele Menschenrechtsverletzungen, darunter das Massaker an schiitischen Hazara in Kabul, begangen zu haben. In den späten 1990er Jahren stand Sayyaf der Talibanbewegung gegenüber und kämpfte an der Seite der Nordallianz als einer von wenigen Paschtunenführern gegen diese. Nach dem Zusammenbruch des Talibanregimes wurde Sayyaf 2002 Mitglied der Verfassungsjirga und hatte Einfluss bei der Besetzung des neu geschaffenen Obersten Gerichts mitreligiösen Konservativen. 2005 wurde seine Partei in Islamische Dawah Organisation Afghanistans umbenannt und Sayyaf ist momentan eine prominente Person im Parlament, wo er versuchte, die Verfolgung ehemaliger Mujahedeen für Kriegsverbrechen zu verhindern. Er befürwortete die Wiederwahlkampagne von Präsident Karzai.

[...]

The Washington Post: Former Mujahedeen Stage Rally in Kabul, 23.2.2007,

http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/02/23/AR2007022300251.html, Zugriff 8.4.2010

Tausende ehemalige Kämpfer, darunter hochrangige Regierungsmitarbeiter, versammelten sich am Freitag um eine Amnestie für Afghanen, die verdächtigt werden Kriegsverbrechen begangen zu haben, zu unterstützen.

Abdul Rasul Sayyaf, ein einflussreicher Gesetzgeber und ehemaliger Mujahideenführer sprach zu der Versammlung, dass jene, die gegen die Mujahideen seien, gegen den Islam und Feinde des Landes seien.

[...]

Global Security: Ustad Abdul Rasul Sayyaf, ohne Datum, http://www.globalsecurity.org/military/world/afghanistan/sayyaf.htm, Zugriff 8.4.2010

Ustad Abdul Rasul Sayyaf, der ursprünglich Abdul Rasul Sayyaf hieß und auch als Abd-i-Rab Rasoul Sayyaf bekannt ist, ist ein wahhabitisch-paschtunischer Warlord, der eine paschtunische Miliz führt, die mit der Nordallianz verbunden war. Er wurde von Saudi-Arabien unterstützt.

Sayyaf war im Mujahideenkrieg gegen die Sowjetbesatzung als Führer der Itihad-i-Islami Baraye Azadi Afghanistan bekannt. Er war ein aktives Mitglied der Mujahideenkoalition "Vereinigung der Sieben". Er wird als konservativ, antiwestlich, antiamerikanisch und islamischer fundamentalistischer Hardliner beschrieben. Er hat einen Abschluss der Universität in Kairo für Religion und ein Masterdiplom der Al Azhar Universität in Kairo. Er war auch ein Mitglied der Muslimbruderschaft. Mit Sitz in Afghanistan hat die Fraktion starke Beziehungen zur bekannteren Muslimbruderschaft in Ägypten.

Kurze Zeit unterrichtete er an einer kleinen islamischen Universität in Kabul. Aufgrund eines fehlgeschlagenen Putschversuchs im Jahr 1973 mussten die zukünftigen Mujahideenführer nach Pakistan fliehen.

Also known as Abd-i-Rab Rasoul Sayaf and originally named Abdul Rasul Sayyaf, Ustad Abdul Rasul Sayyaf is a Wahhabi Pashtun warlord who leads a Pashtun militia that was allied with the United Front (Northern Alliance). He was backed by Saudi Arabia and was the only anti-Taliban Pashtun leader that was allied with the United Front prior to the fall of Kabul.

Sayyaf was prominent in the mujahideen war against the Soviet occupation as a leader of the Itihad-i-Islami Baraye Azadi Afghanistan (United Islamic Front for the Liberation of Afghanistan). He was an active member of the mujahideen coalition "Unity of Seven." He is described as conservative, "anti-West," "anti-American" and a hard line Islamic fundamentalist. He holds a degree in religion from Kabul University and a masters from Al-Azhar University in Cairo, Egypt. He was also a member of the radical group Akhwan-ul-Muslimeen (Muslim Brotherhood) founded in 1969 by Gulbuddin Hekmatyar and Dr. Syed Burhanuddin Rabbani. Based in Afghanistan, this faction had strong links to the better known Muslim Brotherhood in Egypt. This group was known to engage in radical Islamic practices, such as throwing acid in the faces of unveiled women. He taught for a short time at a small Islamic university called The Shariat in Kabul. His tenure ended in 1973 when he plotted with Burhanuddin Rabbani, Ahmed Shah Massoud and Gulbuddin Hekmatyar to overthrow President Daoud Khan from the Panjshir Valley, a coup that failed miserably and forced the future-mujahideen leaders to flee to Pakistan.

Sayyaf, ein Wahhabit, hatte eine enge Beziehung zu Osama bin Laden während des Jihad gegen die Sowjets. Zusammen etablierten sie ein Netzwerk von Trainingscamps und Bunkern in der Gegend von Jalalabad. Die Einrichtungen wurden später von der Al-Quaida genutzt.

2001 war Sayyaf das einzige paschtunische Mitglied der Nordallianz. Er hatte nicht viele Truppen unter seinem Kommando. Ustad (Professor) Sayyaf, der fließend arabisch spricht, hatte eine beträchtliche Anzahl Männer unter seiner Kontrolle, da er in der Lage war, diese mit den Geschenken der reichen arabischen Stifter zu bezahlen. Trotz Sayyafs Präsenz in der Nordallianz repräsentierte die verbündete Gruppe keine landesweite Koalition der zahlreichen ethnischen, religiösen und linguistischen Gruppen.

2003 wurde Sayyaf als einer der 502 Abgeordneten der konstituierenden Loya Jirga in Kabul gewählt. Als ehemaliger Mujahideen beeinflusste Sayyaf die zukünftige Verfassung stark durch die Besetzung einer Arbeitsgruppe. Kritiker fürchteten zu dieser Zeit, dass die anderen Delegierten durch die Macht der Mujahideenführer eingeschüchtert werden könnten und Angst hätten, ihnen im Komitee zu widersprechen.

[...]

World Prout Assembly: The protesters accused Sayyaf and his armed militia of extorting their lands and imposing crimes against them., 12.7.2006,

http://www.worldproutassembly.org/archives/2006/08/afghanistan_peo.html, Zugriff 8.4.2010

Am 1. Juli 2006 demonstrierten hunderte Menschen aus dem Paghmandistrikt Kabuls gegen Rasul Sayyaf, einen fundamentalistischen Anführer der Itehad-e-Islami Partei und momentan ein Mitglied des afghanischen Parlaments.

In der Nacht des 29. Juli 2006 töteten Sayyafs bewaffnete Milizen einen Dorfbewohner. Am nächsten Tag protestierten hunderte Menschen gegen die Tötung. Der Distriktchef von Paghman und der Polizeichef sind beide loyal zur Partei Sayyafs und versuchten die Demonstration zu stoppen. Hunderte Menschen forderten einen Prozess gegen Sayyaf.

In Unterstützung für Sayyaf versuchte die Polizei die wachsende Menge zu verhindern und schoss auf sie. Infolgedessen wurden zwei Menschen getötet und zwei weitere verletzt. In einer Stellungnahme des Innenministeriums wurde Sayyaf verteidigt und die Protestanten als Agitatoren verdammt.

[...]

Rashid, Ahmed: Descent into chaos - The U.S. and the disaster in Pakistan, Afghanistan, and Central Asia, 2009, Sitzung 214-215, Sitzung 307

Die Jihadisten unter der Führung von Abdul Rasul Sayyaf und Burhanuddin Rabbani hatten eine Liste islamischer Forderungen, darunter, dass die Scharia das oberste Gesetz des Landes werden sollte. Sayyaf war berüchtigt, ein Anhänger der wahhabitischen Sekte, die zuerst die Araber ermutigt hatte, sich dem anti-sowjetischen Jihad in den frühen 1980ern anzuschließen und ein Mentor Osama Bin Ladens. Während des Bürgerkriegs in den 1990ern führten Sayyafs Kräfte Massaker an schiitischen Hazaras in Kabul aus, die von Human Rights Watch dokumentiert wurden. Sayyaf lehnte die Taliban ab und trat der Nordallianz bei. Er wurde zum wichtigsten Paschtunen in der großteils nicht-paschtunischen NA.

Er ist ein großer imposanter Mann mit einem wallenden schneeweißen Bart. Sayyaf spricht fließend Arabisch und Englisch mit einer dröhnenden Stimme, die er effektiv einsetzt, um Menschen einzuschüchtern. Er lebt in Paghman außerhalb von Kabul, wo seine Miliz ein strenges islamisches Regime verhängte und erscheint regelmäßig in den westlichen Vororten Kabuls, um Häuser auszurauben und Frauen zu vergewaltigen. Er war einer der ersten Warlords der Nordallianz auf dem Gehaltszettel der CIA, die ihm nach Angaben eines CIA Agenten nach dem 11. September 100 000 Dollar gab.

Nach Ende des Krieges schmeichelte sich Sayyaf bei Khalilzad ein, sehr zum Ärger der reformistischen Minister. Er ist weiterhin sehr einflussreich bei der Justiz und beim Obersten Gericht, der bis 2006 von seinen Nominierten kontrolliert wurde.

Bis zum Sommer 2003 betreiben Warlords und Kommandanten auf der US Gehaltsliste auch eigene Gefängnisse, die sie oft im Auftrag der Amerikaner führten. Der fundamentalistische Warlord Abdul Rasul Sayyaf betrieb mehrere Gefängnisse außerhalb von Kabul.

[...]

Quelle: BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan: Abdul Rasul Sayyaf, 8. April 2010

https://www.ecoi.net/en/file/local/1044897/1729_1271142065_afgh-po-per-sayyaf-2010-04-as.doc (Zugriff am 11. Mai 2018)

ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Berichte über Zusammenstöße zwischen den Gruppierungen Arkati und Nasri bzw. deren Vorgehen gegen ZivilistInnen; Umgang lokaler Machthaber mit Befehlsverweigerung bzw. Zwangsarbeit [a-8745] 17. Juli 2014 (Auszug)

In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine Informationen zu Gruppierungen mit den Bezeichnungen "Arkati" und "Nasri" gefunden werden. Es wurden jedoch Informationen zu den politischen Gruppierungen "Harakat-e Islami" (auch: "Harakat-i Islami" bzw. "Harakat") und Nasr gefunden. Aufgrund der phonetischen Ähnlichkeiten zu den oben genannten Bezeichnungen werden diese Informationen im Folgenden angeführt:

In einer älteren Anfragebeantwortung vom Oktober 2009 bezeichnet die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) die Harakat-e Islami als eine politische und militärische Kraft, deren Mitglieder vorwiegend Schiiten bzw. Hazara seien und die sich faktisch in drei Teile gespalten habe. Jede dieser Fraktionen nenne sich weiterhin "Harakat-e Islami" bzw. einfach nur "Harakat":

"Die Harakat-e Islami ist sowohl eine politische als auch eine militärische Kraft, die vorwiegend Schiiten bzw. Hazara umfasst. Während der 1980er- und 1990er-Jahre operierte sie in Zentral-, Nord- und Westafghanistan gegen die Sowjetunion bzw. gegen die Taliban. Während der 1980er-Jahre wurde sie von Mohammad Asef Mohseni angeführt. Später zersplitterte sie sich praktisch in drei Teile, wobei sich jeder Teil weiterhin ‚Harakat-e Islami' oder einfach nur ‚Harakat' nennt. Ein Teil wird weiterhin von Mohammed Asef Mohseni geführt. Der militärische Kommandierende der zweiten Gruppierung ist Sayeed Hossein Anwari, und der dritte Teil wird von Mohammed Ali Javeed geführt." (SFH, 6. Oktober 2009, Sitzung 1-2)

Das australische Refugee Review Tribunal (RRT) hält in einer Anfragebeantwortung vom März 2013 fest, dass die Partei Harakat-i-Islami-i Afghanistan (Mohseni) aus der Harakat-i Islami, einer schiitischen Organisation der Mudschahedin-Ära, hervorgegangen sei. Die Gruppe habe sich nicht in die Hezb-e Wahdat eingegliedert.

Die Harakat-i Islami habe sich in zwei Fraktionen gespalten: Die Fraktion um Mohseni habe den bisherigen Namen beibehalten und repräsentiere den klerikalen Flügel. Mohseni sei im Jahr 2005 zurückgetreten und habe die Führung seiner Fraktion an Seyyed Muhammad Ali Jawid übergeben. Die zweite Fraktion von Seyyed Hossein Anwari nenne sich indes Harakat-e Islami-ye Mardom-e Afghanistan (Harakat-i Islami-i Mardon (Anwari)) und stehe für die militärischen und stärker säkular ausgerichtete Komponente in der ursprünglichen Harakat-i Islami

"Harakat-i-Islami-i Afghanistan (Mohseni)

[...] (RRT, 7. März 2013, Sitzung 22), [Anm.: vergleiche dazu oben den Auszug aus einem Bericht zu politischen Parteien und aufständischen Gruppen von 1978 bis 2001 MRT-RRT - Australian Government - Migration Review Tribunal & Refugee Review Tribunal 07.03.2013 in englischer Sprache]

In einem älteren Bericht vom April 2009 schreibt die in Afghanistan ansässige Denkfabrik Cooperation for Peace and Unity (CPAU), dass die Hezb-e Wahdat ursprünglich im Jahr 1980 als eine Dachorganisation verschiedener schiitischer Parteien gegründet worden sei. Während des Bürgerkrieges (ab 1992) sei sie jedoch in mehrere Fraktionen, vor allem in die Akbari-Fraktion und die Khalili-Fraktion, zersplittert gewesen. Die Khalili-Fraktion gehöre zur Nasr-Gruppe. Zum Berichtszeitpunkt würden diese Fraktionen in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle über Distrikte in den Provinzen Ghazni, Bamyan und Uruzgan ausüben. Die Wahdat-Partei als solche habe weithin aufgehört zu existieren. Bezüglich des Distrikts Jaghori in der Provinz Ghazni bemerkt die CPAU, dass dort mehrere Parteien aktiv seien, jedoch die Nasr-Fraktion der ehemaligen Hezb-i Wahdat (Khalili) die einflussreichste Gruppe darstelle. Trotz der Dominanz der Khalili-Fraktion seien in den Distrikten Jaghori und Malistan auch mehrere andere Gruppen, darunter die Harakat-i Islami, militärisch präsent:

[...]

Ein älterer, im Jänner 2009 veröffentlichter Bericht des Crisis State Research Centre der London School of Economics and Political Science (LSE) beschreibt die Entwicklung der Nasr-Gruppe in den 1980er Jahren. Nasr sei politisch, militärisch und ideologisch eine der am besten organisierten Muschahedin-Gruppen in Afghanistan gewesen. In den Teilen der Provinz Ghazni, in denen die Hazara dominieren würden, hätten die Gruppierungen Nasr, Nahzat, Pasdaran und Jabhe Muttahed einander unter anderem im Kampf gegen die Harakat unterstützt. Im Jahr 1985 sei die Harakat im Distrikt Qarabagh von der Nasr besiegt worden.

[...]

Die SFH geht in ihrer Anfragebeantwortung vom Oktober 2009 wie folgt auf das Verhältnis zwischen Hezb-e Wahdat und Harakat-e Islami in der Provinz Ghazni ein:

"Gemäss Angaben des Immigration and Refugee Board of Canada ist die Harakat-e Islami, im Gegensatz zu den meisten anderen schiitischen Parteien, nie der Hezb-e Wahdat beigetreten. Generell bestanden viele Konflikte zwischen den verschiedenen Mujaheddin/Parteien, sowohl vor der Machtübernahme durch die Taliban als auch nach dem Sturz der Talibanherrschaft. In Bezug auf das Verhältnis zwischen Hezb-e Wahdat und Harakat-e Islami lässt sich festhalten, dass in der Region um Jaghori intensive Konflikte und Rivalitäten zwischen den beiden Parteien bestanden. Viele dieser Konflikte gehen in die 1980er- und 1990er-Jahre (Bürgerkrieg) zurück, sind aber auch heute noch von Relevanz, das heisst, dass die Konflikte und Rivalitäten entlang der früheren Linien noch heute bestehen." (SFH, 6. Oktober 2009, Sitzung 2)

Eine ältere Anfragebeantwortung des australischen Refugee Review Tribunal (RRT) vom Juli 2005 erwähnt, dass Mitte Mai 2002 der Hezb-e-Wahdat (Khalili)-Anführer Juma Gul sowie 13 weitere Personen vom Kommandanten Abdul Qayum von der Harakat-e-Islami mutmaßlich getötet worden seien. Es scheine sich dabei um eine Familienfehde gehandelt zu haben. Der Konflikt sei mittels einer Intervention der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) beigelegt worden. Jedoch seien die Anführer beider Parteien in Ghazni versucht gewesen, die Sache weiter eskalieren zu lassen.

[...]

Weiters schreibt die SFH im Bericht vom Oktober 2009 über Missbräuche, die Mitglieder der Hezb-e Wahdat an der zivilen Bevölkerung in mehreren Distrikten der Provinz Ghazni, darunter in den Distrikten Malistan, Jaghori, Nawur und Qarabagh, begangen hätten:

"Missbräuche durch Truppen der Hezb- e - Wahdat in den Distrikten Malistan, Jaghori, Nawur und Qarabagh haben dazu geführt, dass Menschen aus diesen Distrikten geflüchtet und nach Ghazni-Stadt, nach Kabul oder Mazar-e Sharif gezogen sind. Missbräuche umfassten politische Verfolgung, Gelderpressungen, willkürliche Fest- nahmen und Haft, Entführungen sowie erzwungene Heiraten von Mädchen und jungen Frauen. Ein Mann aus Jaghori, der nach Kabul geflüchtet ist und nicht ins Jaghori - Distrikt zurückzukehren will, hat Human Rights Watch gesagt, dass er sich vor den lokalen Kommandierenden in Jaghori fürchte. Aus den genannten Quellen geht hervor, dass in den Jahren nach dem Fall des Talibanregimes Kommandierende verschiedener Parteien in den Distrikten der Provinz Ghazni faktisch die Macht innehatten. Aufgrund der schwachen Regierungspräsenz war die Bevölkerung den Machenschaften dieser Kommandierenden praktisch schutzlos ausgeliefert, was viele Personen zur Flucht nach Ghazni-Stadt, Kabul oder Mazar-e Sharif zwang." (SFH, 6. Oktober 2009, Sitzung 1-3)

"Berichten zufolge haben Mitglieder der Hezb-e Wahdat Dörfer von Paschtunen geplündert, namentlich in Qarabagh, wo sich die Bevölkerung aus Hazara und Paschtunen zusammensetzt." (SFH, 6. Oktober 2009, Sitzung 4)

Wie die CPAU im April 2009 berichtet, habe die Bevölkerung der Provinz Ghazni je nach Ort in unterschiedlichem Maße an den Handlungen lokaler Kommandanten und Fraktionen zu leiden gehabt. Zu den berichteten Missbräuchen gegen DorfbewohnerInnen würden unter anderem Erpressungen von Geld bzw. Nahrungsmitteln sowie Landbesetzungen gehören. Welches Ausmaß derartige Misshandlungen zum Berichtszeitpunkt hätten, sei nicht feststellbar. Jedoch habe das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) im Jahr 2003 von Misshandlungen der Bevölkerung im Gebiet Pashayi durch bewaffnete Gruppen berichtet. Zuvor habe die Nasr-Fraktion das Land der örtlichen Dorfbewohner okkupiert. RückkehrerInnen seien Ziel von Angriffen geworden, da sie sich von der Nasr-Fraktion losgesagt hätten bzw. da sie andere Gruppierungen wie z.B. die Harakat-i Islami unterstützt hätten. Weiters führt CPAU an, dass es im Distrikt Qarabagh Überfälle durch Mitglieder der Hezb-e Wahdat (Khalili) auf paschtunische Dörfer gegeben habe.

[...]

Auszug aus den UNHCR-RL zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender 19.04.2016

[...]

Ausschluss vom internationalen Flüchtlingsschutz

Angesichts der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen sowie Verletzungen des humanitären Völkerrechts, die während der jahrelang andauernden bewaffneten Konflikte in Afghanistan begangen wurden, können sich Erwägungen zum Ausschluss nach Artikel 1 F der GFK hinsichtlich einzelner Anträge von afghanischen Asylsuchenden ergeben. Erwägungen zum Ausschluss werden ausgelöst, wenn sich Elemente im Antrag des Asylsuchenden finden, die darauf hindeuten, dass er in Verbindung mit der Begehung einer Straftat nach Artikel 1 F der GFK gestanden haben könnte. Angesichts der potenziell schwerwiegenden Folgen des Ausschlusses vom internationalen Flüchtlingsschutz sind die Ausschlussklauseln eng auszulegen und mit Vorsicht anzuwenden. Eine umfassende Bewertung der Umstände des Einzelfalls ist in jedem Fall unerlässlich.[...]

Im Kontext Afghanistans können sich Erwägungen zum Ausschluss in Fällen von Asylsuchenden mit bestimmten Hintergründen und Profilen ergeben, insbesondere in Hinblick auf Personen, die an der Revolution im April 1978 beteiligt waren, durch die die Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) an die Macht gelangte, und in deren Folge spätere Aufstände auf brutale Weise niedergeschlagen wurden. Das Gleiche gilt für Personen, die an den bewaffneten Konflikten in Afghanistan seit 1979 bis heute beteiligt waren, und zwar: (i) dem nicht internationalen bewaffneten Konflikt zwischen der DVPA-Regierung und bewaffneten, von lokalen Eliten unterstützten Widersachern von Sommer 1979 bis zur sowjetischen Invasion am 24. Dezember 1979, (ii) dem Jahrzehnt des internationalen bewaffneten Konflikts, der mit dem Sturz der bestehenden afghanischen Regierung am 27. Dezember 1979 begann und in dessen Folge Afghanistan durch die Sowjetunion bis zum vollständigen Rückzug des sowjetischen Militärs im Februar 1989 besetzt wurde572; (iii) dem darauf folgenden nicht internationalen bewaffneten Konflikt, bei dem von verschiedenen Befehlshabern angeführte Mudschaheddin-Gruppen gegen die Regierung und regierungsnahe bewaffnete Gruppen kämpften, bis die Taliban im September 1996 die Kontrolle über Kabul übernahmen; (iv) dem nicht internationalem Konflikt zwischen den Taliban und der Nordallianz zwischen 1996 und dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 (v) dem internationalen bewaffneten Konflikt, der mit der von den USA geführten Intervention am 6. Oktober 2001 begann und nach dem Sturz des Taliban-Regimes und einer Phase der Besetzung mit der Wahl einer afghanischen Regierung im Juni 2002 endete[...], (vi) dem nicht internationalen bewaffneten Konflikt zwischen der Regierung und den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen, der bis heute andauert.

[...]

Bei der Prüfung von Anträgen von Personen, die an den oben aufgeführten Ereignissen und bewaffneten Konflikten beteiligt waren, ist Artikel 1 F (a) von besonderer Bedeutung. Wenn ein Antragsteller mit Handlungen im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt in Verbindung stehen kann, ist der Ausgangspunkt für die Analyse des Ausschlusses die Frage, ob diese Handlungen das geltende humanitäre Völkerrecht und entsprechende Bestimmungen des Völkerstrafrechts verletzt haben und daher Kriegsverbrechen gemäß Artikel 1 F (a) darstellen.575 Wenn die betreffenden Straftaten grundlegende unmenschliche Handlungen darstellen, die im Rahmen weit verbreiteter oder systematischer Angriffe gegen die Zivilbevölkerung stattfanden, kann der Ausschlussgrund der Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Artikel 1 F (a) ebenfalls relevant sein. [...] Zu den durch Parteien der unterschiedlichen bewaffneten Konflikte in Afghanistan begangenen Handlungen zählen Berichten zufolge unter anderem Entführungen und Zwangsverschleppungen, willkürliche Angriffe auf Zivilisten, Zwangsvertreibung, Folter und andere unmenschliche und erniedrigende Behandlungen, einschließlich politisch motivierter Morde, Massentötungen, extralegale und willkürliche Hinrichtungen und Zwangsrekrutierung für militärischen Dienst und/oder Arbeitseinsätze, einschließlich der Rekrutierung von Kindern. [...]

Unterschiedliche Akteure haben Berichten zufolge schwerwiegende Straftaten begangen, einschließlich illegalen Drogenhandels, illegaler Besteuerung, Waffen- und Menschenhandels.578 Zu diesen Akteuren gehören nicht nur organisierte kriminelle Netzwerke, sondern auch Kriegsfürsten ("Warlords") und regierungsfeindliche Kräfte (AGEs). Die betreffenden Straftaten können im Zusammenhang mit den bewaffneten Konflikten in Afghanistan stehen. [...]

Damit ein Ausschluss gerechtfertigt ist, muss eine persönliche Verantwortung in Bezug auf eine Straftat nach Artikel 1 F festgestellt werden. Eine solche persönliche Verantwortung liegt dann vor, wenn eine Person eine Straftat auf eine Weise ausgeübt hat oder an einer Straftat auf eine Weise beteiligt war, die zu einer strafrechtlichen Verantwortung führt, zum Beispiel durch Beauftragung, Anstiftung, Beihilfe und Begünstigung oder durch eine Handlung, die zur Begehung einer Straftat durch eine Gruppe von Personen mit einem gemeinsamen Ziel beiträgt. Für Personen in Machtpositionen innerhalb einer militärischen oder zivilen Hierarchie kann sich eine persönliche Verantwortung auch durch übergeordnete Befugnisse und Befehlsgewalt ergeben. Bei der Prüfung der Anwendung der Ausschlussklauseln sind gegebenenfalls sowohl vorliegende Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe als auch Verhältnismäßigkeitserwägungen in Betracht zu ziehen. Die Nachweise hinsichtlich der Praktiken der Zwangsrekrutierung, insbesondere von Kindern, müssen in dieser Hinsicht berücksichtigt werden. Die Zugehörigkeit zu den Regierungsstreitkräften, der Polizei, dem Geheimdienst- oder Sicherheitsapparat oder zu einer bewaffneten Gruppe oder Miliz allein stellt noch keine hinreichende Grundlage für den Ausschluss einer Person vom Flüchtlingsstatus dar. Gleiches gilt für Regierungsmitarbeiter und Staatsbedienstete. In allen derartigen Fällen ist zu prüfen, ob die betreffende Person persönlich an zum Ausschluss führenden Handlungen beteiligt war, oder an solchen Handlungen auf eine Weise teilgenommen hat, die nach den relevanten Kriterien des internationalen Rechts zu einer persönlichen Verantwortung führt. Es ist notwendig, die Umstände jedes Einzelfalls sorgfältig zu prüfen. [...]

2008 verabschiedete die Regierung das Gesetz für nationale Stabilität und Aussöhnung (National Stability and Reconciliation Law) [...], das all jenen Freiheit von Strafverfolgung gewährt, die vor dem Zustandekommen der Übergangsregierung in Afghanistan im Dezember 2001 am bewaffneten Konflikt beteiligt waren. [...] Nach Ansicht von UNHCR bedeutet das nicht, dass der Ausschluss keine

Anwendung findet, wenn Straftaten nach Artikel 1 F vor diesem Datum begangen wurden. In Anbetracht der Abscheulichkeit vieler von verschiedenen Akteuren in Afghanistan in den vergangenen Jahrzehnten begangener Straftaten ist UNHCR der Ansicht, dass sich das Amnestiegesetz nicht auf Möglichkeit der Anwendung von Ausschlussgründen gemäß Artikel 1 F auswirkt. [...]

Im Kontext von Afghanistan ist insbesondere bei folgenden Profilen eine sorgfältige Erwägung von Ausschlussgründen erforderlich:

(i) Ehemalige Mitglieder der Streitkräfte und des Geheimdienst-/Sicherheitsapparats einschließlich KhAD- (staatlicher Dienst für Informationssicherheit Khadamate Ettelaate Dowlati) / WAD- (Ministerium für Staatssicherheit Wezarat-e Amniyat-e Dowlati) Agenten sowie ehemalige Funktionäre der kommunistischen Regime;

(ii) Ehemalige Mitglieder bewaffneter Gruppen und Milizen während und nach den

kommunistischen Regimen;

(iii) (Ehemalige) Mitglieder und Befehlshaber von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs);

(iv) (Ehemalige) Mitglieder der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF), einschließlich

des afghanischen Inlandsgeheimdienstes (NDS), der afghanischen nationalen Polizei und der

afghanischen lokalen Polizei (ALP);

(v) (Ehemalige) Mitglieder paramilitärischer Gruppen und Milizen;

und

(vi) (Ehemalige) Mitglieder von Gruppen und Netzwerken, die in organisierte Kriminalität verwickelt sind.

[...]

Ehemalige Mitglieder bewaffneter Gruppen und Milizen während und nach den kommunistischen Regimen

Die Aktivitäten von Mitgliedern bewaffneter Gruppen und Milizen597 während der Zeit des bewaffneten Widerstands gegen die kommunistischen Regime und gegen die sowjetische Besetzung - vom 27. April 1978 bis zum Sturz Nadschibullahs im April 1992 - können Anlass für die Erwägung von Ausschlussgründen bieten. Zu den Beispielen für relevante Handlungen gehören politische Morde, Repressalien, Vergewaltigungen und extralegale Hinrichtungen, einschließlich von Zivilisten aufgrund ihrer Arbeit für Regierungsinstitutionen und Schulen oder aufgrund der Verletzung islamischer Prinzipien und Normen. Andere berichtete Straftaten von bewaffneten Gruppen und Milizen stellen extralegale Hinrichtungen von Kriegsgefangenen und Angriffe auf zivile Ziele dar. [...] Insbesondere zwischen 1992 und 1995 war der bewaffnete Konflikt von schwerwiegenden Verletzungen der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gekennzeichnet, unter anderem durch den Beschuss von Stadtzentren durch alle Konfliktparteien. [...]

Fn 597: Antragsteller, bei denen eine genaue und sorgfältige Prüfung notwendig ist, umfassen Befehlshaber und Mitglieder folgender islamischer Parteien mit bewaffneten Fraktionen: Hezb-e-Islami (Hekmatyar und Khalis), Hezb-e-Wahdat (beide Ableger sowie alle neun Parteien, die die Hezb-e-Wahdat bildeten), Jamiat-e-Islami (einschließlich Shura-e-Nezar), Jonbesh-e-Melli-Islami, Ittehad-e-Islami, Harakat-e-Inqilabe- Islami (geführt von Mohammad Nabi Mohammadi) und Harakat-e-Islami.

[...]

2. Beweiswürdigung:

römisch II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG.

römisch II.2. Zu den Personen und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien

2.1. Die Feststellungen zu Namen, Geburtsdaten und Geburtsorten der BF, ihrer Muttersprache und ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit ergeben sich aus ihren Angaben im Verfahren vor dem BFA sowie insbesondere in der Beschwerdeverhandlung.

2.2. Die Feststellungen zu den drei weiteren Söhnen des BF1 und der BF2 beruhen auf deren Angaben im Verfahren in Zusammenschau mit Datenauszügen aus dem Informationssystem Zentrales Fremdenregister und dem Erkenntnis des BVwG zur Zl. W121 römisch 40 vom 22.12.2016.

2.3. Das BVwG erachtet das Vorbringen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, das sich aus den Angaben in der jeweiligen Erstbefragung, der Einvernahme vor und BFA sowie aus der Beschwerdeverhandlung ergibt, aus folgenden Erwägungen als nicht glaubhaft:

2.3.1. Vorauszuschicken ist, dass sich sämtliche BF auf die von BF1 behaupteten Fluchtgründe beziehen und ihre behauptete Gefährdungssituation davon ableiten, dass sie aufgrund der für den BF1 bestehenden Gefährdung bzw. Verfolgung ebenfalls eine solche zu befürchten hätten. Zum konkreten Fluchtvorbringen hat auch nur der BF1 eine persönliche Wahrnehmung, sodass seine Angaben im Mittelpunkt der Erwägungen stehen. Der BF1 brachte im Kern vor, dass er aufgrund seiner Verbindung zur römisch 40 und einem konkreten Vorfall im Jahr 1994 Verfolgung zu gewärtigen hätte.

2.3.2. Der BF1 verwickelte sich jedoch in gravierende Widersprüche hinsichtlich jenes Ereignisses, dass er als fluchtauslösend darstellte und das auch Grund für die behauptete Gefährdung bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre.

In der Einvernahme vor dem BFA stellte der BF1 die Situation so dar, dass er sich zur Verteidigung seines Dorfes der dort aktiven, mächtigen Gruppe der " römisch 40 " Anmerkung, gemeint ist die römisch 40 ) anschließen hätte müssen, da diese Leute gesucht hätte, um das Dorf zu beschützen und "einfach so" Leute mitgenommen hätte. Der BF1 wäre eines Tages mitgenommen und bei einem Angriff verletzt worden. Die gesamte Gruppe wäre von einer anderen Gruppe umzingelt und umgebracht worden. Danach hätten die Familien dieser Gruppierung Personen wie den BF1 verdächtigt, für den Hinterhalt verantwortlich gewesen zu sein, weshalb sie Afghanistan verlassen hätten müssen (Akt des BF1 Sitzung 71).

In der Beschwerdeverhandlung stellte der BF1 seine Position und Stellung zur/in der römisch 40 gänzlich anders dar. Hier gab er an, nach Kabul gegangen und dort bei der römisch 40 gewesen zu sein - er habe zehn Jahre in Kabul gelebt und dort als Schreiber für die römisch 40 gearbeitet (Protokoll der mV Seite 7). Dies widerspricht der Darstellung vor dem BFA, nach der er einmalig und eher zwangsläufig (arg: "mitgenommen") zum Schutz des Dorfes auf Seiten der römisch 40 gestanden hätte. Nach der Darstellung in der Beschwerdeverhandlung wäre der BF1 über zehn Jahre hinweg bei der römisch 40 (u.a. als Schreiber) tätig gewesen. Er identifizierte sich in der Beschwerdeverhandlung auch stark mit der römisch 40 , indem er angab, er sei Mitglied und die römisch 40 und römisch 40 hätten gegen sie gekämpft (Protokoll der mV Sitzung 7 und 8). Dass der BF1 seine Position bei und Beziehung zur römisch 40 derart verschieden dargestellte, lässt darauf schließen, dass seine Angaben nicht den Tatsachen entsprechen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der BF1 eine engere Verbindung zur römisch 40 (wie eine langjährige Tätigkeit für diese und Mitgliedschaft) nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt schilderte. Der BF1 steigerte damit sein Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung und stellte auch seine Verbindung grundlegend verschieden dar, sodass seine Angaben nicht glaubhaft waren.

Parallel dazu ergaben sich gravierende Divergenzen hinsichtlich des behaupteten Vorfalls, aus welchem die behauptete Gefährdung resultiert hätte. Vor dem BFA schilderte er eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Gruppierungen, bei der er aufgrund der Mitnahme durch die römisch 40 zum Schutz des Dorfes anwesend gewesen und verletzt worden wäre. Ganz anders war aber seine Darstellung dieses Vorfalls in der Beschwerdeverhandlung - hier behauptete er, in der Stadt Kabul auf ihrem Stützpunkt, wo er beim Eingang des Stützpunktens als Wächter stationiert gewesen wäre, angegriffen und verletzt worden zu sein (Protokoll der mV Sitzung 8 und 9). Die Stellung als Wächters eines Stützpunktes setzt eine organisatorische Einbindung voraus, sodass sich bereits dieser Aspekt von einer bloßen "Mitnahme" wesentlich unterscheidet. Hinzu kommt, dass es nach der nunmehrigen Schilderung offenbar nicht um den "Schutz des Dorfes" (so noch vor dem BFA), sondern um die Bewachung eines Stützpunktes gegangen wäre. Auch hinsichtlich des Vorfallsortes ergeben sich insofern Divergenzen, als der BF1 vor dem BFA vom "Schutz des Dorfes" sprach, die Handlung in der Beschwerdeverhandlung aber in einem Stadtteil im Westen der Stadt Kabul verortete. Insgesamt ergibt sich aus der Schilderung in der Beschwerdeverhandlung ein völlig anderer Kontext, in dem der Vorfall gestanden hätte, als nach seinen Schilderungen vor dem BFA.

Auch die Konsequenz des behaupteten Angriffs stellte der BF1 grundlegend verschieden dar. Die Gefährdung seiner Person begründete er vor dem BFA noch damit, dass Angehörige der bei diesem Vorfall Getöteten ihn verdächtigen würden, "für den Hinterhalt verantwortlich gewesen zu sein" (Akt des BF1 Sitzung 71). In der Beschwerdeverhandlung führte er aus, dass bei dem Angriff zwei Verwandte ihres Kommandanten getötet worden wären und dass der Kommandant daraufhin sie Anmerkung, gemeint sind damit die Angreifer) getötet hätte. Zu einer daraus resultierenden (und noch immer andauernden) Gefährdung seiner Person gab der BF1 nur vage an, dass diejenigen, die an dem Abend ihre Leute verloren hätten, an ihm interessiert sein könnten (Protokoll der mV Sitzung 9). Die Beschuldigung wegen eines "Hinterhalts" erwähnte der BF1 in diesem Zusammenhang jedoch nicht mehr, sodass auch in diesem Punkt sein Vorbringen divergiert. Der BF1 konnte in der Beschwerdeverhandlung aber kein konkretes Motiv für das Interesse an seiner Person nennen. Maßgeblich ist, dass er auch keine Angaben dazu machen konnte, von wem konkret er eine Gefährdung bzw. Verfolgung fürchte - aufgefordert, näher zu erklären, wer an ihm interessiert sein könnte, antwortete der BF1 nur ausweichend, er könne sie namentlich nicht nennen, aber es gebe schon Leute (Protokoll der mV Sitzung 9). Damit konnte der BF1 selbst nicht einmal grob darstellen, von wem eine Gefährdung ausgehen würde, sodass eine solche nicht nachvollziehbar ist. Der BF1 konnte auch vor dem Hintergrund der damaligen Bürgerkriegssituation in Afghanistan, in der (Macht-)Kämpfe insbesondere in Kabul ausgetragen wurden, nicht plausibel erklären, aus welchen Gründen konkret er nunmehr eine Verfolgung zu gewärtigen hätte.

Da der BF3 und der BF4 von der behaupteten Bedrohung nur durch Erzählungen ihres Vaters wussten waren ihre diesbezüglichen Angaben nicht zentral für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens. Auch die BF2 konnte zum Fluchtvorbringen nichts Wesentliches vorbringen.

Zusammenschauend stellte der BF1 nicht nur seine eigene Position und Verbindung zur römisch 40 völlig verschieden dar, sondern schilderte auch den konkret fluchtauslösenden Vorfall auf mehreren Ebenden widersprüchlich und konnte letztlich weder konkret benennen, aus welchen Grund noch von wem er (und damit allenfalls auch die übrigen BF) eine Gefährdung bzw. Verfolgung zu gewärtigen hätte, sodass er das Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen konnte.

2.3.3. Dabei wird nicht verkannt, dass der BF1 im September 1994 eine Verletzung erlitt und deshalb auch in einem Kabuler Krankenhaus behandelt wurde vergleiche die Bestätigung im Akt des BF1 S.75; das auf Sitzung 76 ersichtliche Akronym "GSW" steht med. für "gun shot wound"). Diese Verletzung (Schusswunde) lässt jedoch für sich allein nicht den Rückschluss zu, dass der vom BF1 behauptete Sachverhalt den Tatsachen entspricht.

2.3.4. Es ergaben sich im Vorbringen des BF1 in der Beschwerdeverhandlung auch weitere Divergenzen, die unterstreichen, dass das Fluchtvorbringen nicht den Tatsachen entspricht und die der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF1 abträglich sind.

So fällt etwa auf, dass sich der BF1 in zeitlicher Hinsicht widersprach. Zum einen behauptete er in der Beschwerdeverhandlung, in den zehn Jahren von 1984/85 bis etwa 1994/95 oder 1995/96 in Kabul gelebt zu haben (Protokoll der mV Sitzung 7). Gleichzeitig wurde aber beim 1992 geborenen BF3 als Geburtsort römisch 40 in der Provinz Helmand angegeben, sodass dessen Geburt in den Zeitraum fällt, in dem der BF1 (mit der BF2) bereits länger in Kabul gelebt hätte. Der BF1 wurde auch zu diesem Umstand in der Beschwerdeverhandlung befragt. Dabei ergaben sich zeitliche Unvereinbarkeiten in seiner Schilderung. Zuerst bestätigte er, dass sie in diesem Zeitraum nur in Kabul gelebt hätten. Sodann gab er an, dass sie (erst) nachdem der BF3 geboren worden sei, nach Kabul gezogen wären und verneinte die Frage, ob sie vor der Geburt des BF3 bereits in Kabul gelebt hätten. Auf Vorhalt, dass nach dem Gesagten sie erst nach 1992 (Geburt BF3) nach Kabul gezogen wären, behauptete der BF1 plötzlich, dass die BF2 den BF3 während eines Besuchs bei ihrem Vater in Helmand geboren hätte. Dieses Aussageverhalten des BF1 zeigt einerseits auf, dass Angaben des BF1 in zeitlicher Hinsicht nicht stimmen. Das wird insbesondere durch seine Aussage deutlich, dass sie erst nach der Geburt des BF3, demnach acht Jahre später als zum Fluchtvorbringen angegeben (dort: Umzug nach Kabul 1984), nach Kabul gezogen wären. Dabei stellt der Umstand, ob der älteste Sohn in einem solchen Zeitpunkt bereits geboren war, einen Umstand dar, der einfach erinnerlich ist. Das Aussageverhalten des BF1 zeigt aber auch auf, dass er sich, obwohl er kurz zuvor noch anders behauptete, bei konkretem Hinweis auf die Unvereinbarkeit seiner Aussagen eine Schutzbehauptung (nämlich Geburt des BF3 bei einem Besuch) aufstellte, die jedoch aufgrund seiner vorherigen Angaben nicht glaubhaft ist.

In Widersprüche verwickelte sich der BF1 auch hinsichtlich der vorgelegten Tazkira (Akt des BF1 AS 78). Diese wurde erst 2006 ausgestellt (Protokoll der mV S, 9), sohin zu einem Zeitpunkt, in dem der BF1 seinen Behauptungen nach schon etwa 12 Jahre im Iran gelebt hatte. Zu Beginn der Beschwerdeverhandlung hatte der BF1 die Frage, ob er jemals nach Afghanistan zurückgekehrt wäre, noch verneint (Protokoll der mV Sitzung 8). Auf Befragung zur Tazkira gab er jedoch an, dass er "einmal nach Afghanistan gereist" sei und sich "dieses Dokument ausstellen lassen" habe (Protokoll der mV Sitzung 9). Damit widersprach er seiner vorherigen Behauptung. Seine nachfolgende Erklärung, dass er sich die Tazkira zwecks Erlangung eines Reisepasses hätte ausstellen lassen, um legal in den Iran ausreisen zu können, war nicht nachvollziehbar. Auf Vorhalt dessen behauptete der BF1 unvermittelt - und entgegen seinen vorigen Angaben - dass er vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden wäre (Protokoll der mV Seite 10). Da der BF1 aber zuvor davon sprach, nach Afghanistan gereist zu sein, was jedenfalls von einer Abschiebung dorthin begrifflich zu unterscheiden ist, stellt sich auch dies als bloße Schutzbehauptung dar.

In diesem Zusammenhang fiel auch auf, dass die BF2 bei der Frage, ob sie selbst jemals nach Afghanistan zurückgekehrt wäre, diese zwar für sich verneinte, aber sogleich versicherte, dass der BF1 einmal nach Afghanistan abgeschoben worden wäre (Protokoll der mV Sitzung 17). Durch diese im völligen Gegensatz zu dem im Übrigen zurückhaltenden Antwortverhaltens stehende Äußerung entstand der Eindruck, dass der BF1 (während der Befragungen des BF3 und des BF4 befanden sich der BF1 und die BF2 vor dem Verhandlungssaal) der BF2 von der diesbezüglichen Befragung seiner Person in der Beschwerdeverhandlung erzählte, sodass sie sich zur Bestätigung seiner Behauptungen veranlasst sah.

Schließlich erscheint es auch als lebensfremd, dass der BF1 den BF4 zwar vor einer Gefahr bei einer allfälligen Abschiebung aus dem Iran nach Afghanistan gewarnt hätte (Protokoll der mV Sitzung 13), ihm aber nicht gesagt hätte, vor wem konkret er sich in Acht nehmen müsste. Dabei wäre es naheliegend, in einem solchen Fall konkret zu benennen, von wem eine Gefahr ausgehen würde, um jemanden tatsächlich vor einer drohenden Gefahr zu schützen bzw. damit dieser sich schützen könnte. Auch dies belegt, dass die behauptete Gefährdungssituation nicht den Tatsachen entspricht.

2.3.5. Mit Erkenntnis des BVwG vom 22.12.2016, Zl. römisch 40 wurde einem Sohn des BF1 und der BF2, der im Alter von 20 Jahren in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 10.05.2016 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Dabei wurde das Fluchtvorbringen dieses Sohns, mit dem er sich auf eine Gefährdung seiner Person in Zusammenhang mit der Mitgliedschaft des BF1 bei der römisch 40 , berief als glaubhaft erachtet. Dabei ist jedoch maßgeblich, dass die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens in diesem Verfahren lediglich aufgrund der Aussage des Sohnes getroffen wurde, der selbst (aufgrund dessen, dass er im relevanten Zeitraum noch nicht geboren bzw. noch ein Säugling war) keinerlei eigene Wahrnehmung hatte. Im gegenständlichen Verfahren wurde demgegenüber der BF1 umfassend einvernommen und zu seiner Position, dem behaupteten Vorfall und Konsequenzen daraus befragt. Der BF1, der im Mittelpunkt der behaupteten Gefährdungssituation steht, konnte jedoch aufgrund der oben dargestellten Widersprüche und den teils vagen, teils unplausiblen Angaben den behaupteten Sachverhalt nicht glaubhaft machen. Dass die Angaben seines Sohnes in dessen Verfahren als glaubhaft erachtet wurden, kann das im gegenständlichen Verfahren nach Einvernahme des BF1 selbst gewonnene Ermittlungsergebnis nicht entkräften.

2.3.6. Insgesamt konnte das Fluchtvorbringen der BF, das sich zentral auf den BF1 bezog, aufgrund obenstehender Erwägungen nicht glaubhaft gemacht werden. Damit ist es auch nicht glaubhaft, dass die BF2-4 aufgrund ihrer Verwandtschaft zum BF1 eine Verfolgung zu gewärtigen hätten. Das Vorbringen zur Verfolgung seitens Angehöriger von Getöteten, Angehörigen anderer Parteien (insb. römisch 40 und römisch 40 ) oder sonstigen Akteuren wird daher als nicht glaubhaft beurteilt.

Vollständigkeitshalber sei auch erwähnt, dass nach den Länderfeststellungen die Regierung 2008 das Gesetz für nationale Stabilität und Aussöhnung (National Stability and Reconciliation Law) [...], verabschiedete, das all jenen Freiheit von Strafverfolgung gewährt, die vor dem Zustandekommen der Übergangsregierung in Afghanistan im Dezember 2001 am bewaffneten Konflikt beteiligt waren. Der BF1 hat konkret eine solche Beteiligung zwar gar nicht glaubhaft machen können, unbeschadet dessen wäre auch keine staatliche Pönalisierung zu erwarten.

2.4. Aus der Lebenssituation der BF2 vor der Ausreise aus Afghanistan ergeben sich keine Hinweise auf eine Sozialisierung (iSv Faktoren wie insb. Herkunft, Familie, Bildungsstand, Religiosität), die sie aufgrund einer Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen exponiert hätte. Die über 57- jährige BF2 absolvierte keine Schul- und Berufsausbildung, sie ist Analphabetin. Sie lebte zusammen mit ihrer Familie und wurde sodann mit dem BF1 verheiratet. Die Ehe mit dem BF1 wurde von ihren und seinen Eltern arrangiert. Sie hat ausschließlich im Haushalt gearbeitet, auch im Iran hat sich die BF2 um den Haushalt und um den BF1 gekümmert. Das gleicht tut sie in Österreich. Während ihres Aufenthalts in Österreich hat sie für sich nicht in Anspruch genommen, Bildungsmöglichkeiten, insbesondere den Besuch einen Sprachkurses, wahrzunehmen, um die Möglichkeit zu haben, zumindest auf einfachem Niveau in deutscher Sprache zu kommunizieren um selbstständig agieren zu können. Dass sie am Besuch eines Deutschkurses tatsächlich gehindert wäre, konnte die BF2 nicht nachvollziehbar darlegen. Auch die vorgelegten "Ärztlichen Bestätigungen", wonach sie den im Rollstuhl sitzenden BF1 "täglich den ganzen Tag über" pflegen müsse, erklären dies nicht. Dies schon deshalb, weil die BF2 und der BF1 im gemeinsamen Haushalt mit drei ihrer erwachsenen Söhne leben, sodass nicht einsichtig ist, dass diese sich nicht zeitweise, jedenfalls in einer mehrstündigen Abwesenheit der BF2 während eines Kursbesuchs, kümmern könnten. Die BF2 räumte selbst ein, dass etwa der BF4 um 14.30 Uhr vom Deutschkurs nachhause komme (Protokoll der mV Seite 18), sodass ein Kursbesuch zu anderen Tageszeiten grundsätzlich möglich ist. Aus der Erklärung der BF2 auf entsprechenden Vorhalt wird aber deutlich, dass sie derartiges für sich gar nicht in Anspruch nimmt. Sie gab an, dass ihr Mann (der BF1) wolle, dass die Söhne lernen und sie sich um ihn kümmere, das sei schon seit Jahren so (Protokoll der mV Sitzung 18). Aus dieser Äußerung wird deutlich, dass sie sich vorbehaltlos dem Willen des BF1 beugt und gar nicht (an)erkennt, dass auch sie berechtigt wäre, zumindest grundlegende Sprachkenntnisse bzw. Bildung für sich zu erlangen. Auch aus den sonstigen Aktivitäten der BF2 ergibt sich keine selbstbestimmte oder eigenständige Lebensweise. Ihren Lebensalltag in Österreich beschrieb sie damit, sich um den BF1 zu kümmern, zu putzen und zu kochen. Einkaufen gehen kann die BF2 nur in Begleitung, weil sie den Weg sonst nicht findet (Protokoll der mV Sitzung 18). Damit verbleibt die BF2 in sämtlichen Lebensbereichen bei der bisher geübten, von der Abhängigkeit von ihren männlichen Familienangehörigen geprägten, Lebensweise.

Die Beschreibung des BF4, dass sich die Kleidungsgewohnheiten der BF2 in Österreich von jenen im Iran insofern unterscheiden würden, als sie dort Hijab und lange Kleider hätte tragen müssen, in Österreich aber nur einen "kleinen Schal" trage (Protokoll der mV Sitzung 14), ist nicht zutreffend. Die BF2 war in der Beschwerdeverhandlung ebenfalls körperbedeckend gekleidet und sie trug ein Kopftuch, das auch um den Hals geschlungen war, sodass nur ihr Gesicht und ihre Hände frei blieben vergleiche Protokoll der mV Sitzung 19). Wenn sie auch keinen Hijab und keinen Tschador trug, so ist unter dem Aspekt der Verhüllung des Körpers bis auf Freibleiben des Gesichts und der Hände keine Änderung in den Bekleidungsgewohnheiten der BF2 bemerkbar. Es ergab sich daher nicht, dass die BF2 nunmehr einen Kleidungsstil pflegen würde, der sich von ihren früheren Gewohnheiten relevant unterscheiden würde bzw. mit welchen sie vom äußeren Erscheinungsbild exponiert wäre.

Hinsichtlich Kleidungsvorschriften ist zudem festzuhalten, dass sich die notorische Situation in urbanen Zentren Afghanistans so darstellt, dass einerseits konservative Arten der Verschleierung (etwa Chador oder Burka) getragen werden, andererseits aber Frauen durchaus häufig moderne "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel, dies mit verschieden Arten der Kopfbedeckung. Die allgemeine Situation in urbanen Zentren ist also dergestalt, dass auch weniger strenge Formen der Kopfbedeckung üblich sind, sodass auch unter diesem Aspekt nicht indiziert ist, dass sich die BF2 Kleidungsvorschriften unterwerfen müssten, die von ihrem in Österreich geübten erheblich abweichen würde. Es hat sich zudem aufgrund dem von der BF2 persönlich gewonnenen Eindruck nicht ergeben, dass eine freie Wahl der Kleidung sich bereits nach dem relativ kurzen Aufenthalt in Österreich so strak eingeprägt hat, dass dies ein Bestandteil ihrer Identität wurde.

Zusätzlich fällt hier ins Gewicht, dass sie sich in einem sehr fortgeschrittenen Alter befindet, was eine Verinnerlichung einer von ihrer jahrzehntelang gelebten Identität abweichenden Lebensweise binnen des vergleichsweise kurzen Aufenthalts in Österreich nach der allgemeinen Lebenserfahrung erschwert.

Aus der völlig eingeschränkten Lebensweise der BF2 in Österreich ergibt sich nicht, dass sie eine Lebensweise angenommen hätte, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Damit setzt sie kein Verhalten, aufgrund dessen sie als gegen die sozialen Sitten sowie gegen religiöse und politische Normen verstoßend wahrgenommen werden oder irgendwie exponiert würde. Zudem hat sie in Österreich keine selbstständige und eigenbestimmte Lebensweise entwickelt, umso weniger ist eine derartige Lebensweise Bestandteil ihrer Identität geworden.

2.5. Zu den Länderfeststellungen:

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf von der Staatendokumentation aufbereitete Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben. Die in der Stellungnahme eingebrachten Länderberichte betreffen neben einer auszugsweisen Wiedergabe von UNHCR-RL die Situation von Frauen in Afghanistan sowie die dortige Sicherheitslage und zeigen keine maßgeblich von den gegenständlich getroffenen Länderfeststellungen abweichende Situation, sodass sie die im Länderinformationsblatt enthaltenen Berichte nicht entkräften.

römisch III. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkte römisch eins. der angefochtenen Bescheide

1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974, (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

2. Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" vergleiche VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Artikel eins, Abschnitt C Ziffer 5, GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Nach Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der Beschwerdeführer, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen landesweit verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

3.1. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte von den BF nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht festgestellt werden. Erachtet die zur Entscheidung über einen Asylantrag zuständige Instanz - wie im gegenständlichen Fall - im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380). Wie in der Beweiswürdigung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses dargetan, ergibt sich der Schluss auf die Unglaubhaftigkeit des BF1 in Bezug auf die Fluchtgründe aus einer Gesamtschau seiner Angaben im Verfahren in Zusammenhalt mit dem von ihm in den Beschwerdeverhandlungen gewonnenen persönlichen Eindruck. Die BF2-4 beriefen sich auch dasselbe Fluchtvorbringen, sodass sich die Unglaubhaftigkeit auch auf ihr Vorbringen erstreckt.

3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden vergleiche etwa VwGH vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017- 0018, mwN). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht. Auch eine private Verfolgung kann insoweit maßgeblich sein, als der Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage ist, Schutz vor solcher Verfolgung zu gewähren vergleiche dazu insb. VwGH Ra 2016/18/0388 vom 22.03.2017).

Nicht entscheidend ist, ob die Asylwerberin schon vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat eine derartige Lebensweise gelebt hatte bzw. deshalb bereits verfolgt worden ist. Es reicht vielmehr aus, dass sie diese Lebensweise im Zuge ihres Aufenthalts in Österreich angenommen hat und bei Fortsetzung dieses Lebensstils im Falle der Rückkehr mit Verfolgung rechnen müsste vergleiche etwa VwGH 6.7.2011, 2008/19/0994-1000).

Um davon ausgehen zu können, dass der Asylwerberin bei Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung wegen ihres von den dort herrschenden politischen und/oder religiösen Normen abweichenden Lebensstils droht, bedarf es selbstverständlich einer Abkehr der Asylwerberin von eben diesen herrschenden politischen und/oder religiösen Normen. Dass diese Abkehr, deutlich und nachhaltig sein muss, [...] wurde in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zwar nicht gefordert, steht mit dieser aber auch nicht im Widerspruch: Nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, führt dazu, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden muss. Aus diesem Grund ist etwa das Revisionsvorbringen, die Erstrevisionswerberin könne im Falle einer Rückkehr nach Kabul - ohne männliche Begleitung - nicht mehr den Freizeitsport Nordic Walking ausüben, für sich betrachtet jedenfalls kein Grund, ihr asylrechtlichen Schutz zu gewähren. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301; vergleiche idS VwGH 22.3.2017, Ra 2016/18/0388).

Im gegenständlichen Fall führte das Ermittlungsverfahren zu dem Ergebnis, dass die BF2 keine Lebensweise angenommen hat, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, eine solche Lebensweise ist umso weniger ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität. Auf Basis der aktuellen Lebensweise der weiblichen BF2 ergibt sich vor dem Hintergrund der Situation in urbanen Gebieten nicht, dass die Lebensweise einen Verfolgung auslösenden Bruch mit den vorherrschenden Normen darstellt.

Infolgedessen verletzt die BF2 mit ihrer Lebensweise die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan, jedenfalls in urbanen Zentren, nicht, sodass ihr bei einer Rückkehr keine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention droht.

3.3. Schließlich droht den BF auch keine Gefahr bloß aufgrund ihrer Eigenschaft als Rückkehrende aus dem Iran. Nach den festgestellten Länderinformationen zur Lage in Kabul ist die Situation dort soweit sicher bzw. unter Kontrolle der Regierung, dass mit solchen Angriffen - gedacht eben gezielt auf die Gruppe der Zurückgekehrten - nicht zu rechnen ist. Dies ist auch schon in Ansehung der hohen Zahl von Rückkehrern aus dem Iran, die sich insbesondere auch in der Stadt Kabul niederlassen, nicht maßgeblich wahrscheinlich.

3.4. Eine konkrete individuelle Verfolgung der BF in Afghanistan auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara wurde nicht hinreichend substantiiert ausgeführt: In Ermangelung von ihnen individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu prüfen, ob die BF bei einer Überstellung in ihren Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wären.

Das ist jedoch nicht der Fall:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführer als Angehörige der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müssten, alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - verschiedenen gesellschaftlichen Diskriminierungen durch die sunnitische/paschtunische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara (oder der Schiiten) in Afghanistan, fallbezogen insbesondere in der Stadt Kabul, für gegeben zu erachten.

Eine asylrelevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit der Volksgruppe der Hazara und der Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung haben die Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft gemacht.

3.5. Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen:

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste vergleiche etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.) und wurde Derartiges seitens der Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für die Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar vergleiche etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen vergleiche etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482; vergleiche 28.05.1994, 94/20/0034). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist. Zudem können sich die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr eine Existenzgrundlage erwirtschaften und Unterstützung erlangen.

4.1. Da es den BF nicht gelungen ist, asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen, waren die jeweiligen Beschwerden gegen Spruchpunkte römisch eins. der angefochtenen Bescheide gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

4.2. Zum Familienverfahren:

Im gegenständlichen Fall liegt bezüglich BF1 und BF2 ein Familienverfahren gem. Paragraph 34, AsylG vor.

Im vorliegenden Fall wurde weder keinem der BF gemäß Paragraph 3, Abs. AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Mangels Zuerkennung dieses Status an ein anderes Familienmitglied kommt auch für das jeweils andere Familienmitglied aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens eine entsprechende Zuerkennung nicht in Betracht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben vergleiche insb. zum Erfordernis der Glaubhaftmachung VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380 sowie hinsichtlich geschlechtsspezifischer Verfolgung von Frauen VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301 und VwGH 22.3.2017, Ra 2016/18/0388). Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2018:W163.2152724.1.00