BVwG
23.02.2018
W244 2139405-1
W244 2139403-1/14E
W244 2139413-1/14E
W244 2139408-1/14E
W244 2139405-1/14E
Schriftliche Ausfertigung des am 02.02.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Verena JEDLICZKA-MESSNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.
römisch 40 , geb. römisch 40 , 2. römisch 40 , geb. römisch 40 , 3. römisch 40 , geb. römisch 40 , und
4. römisch 40 , geb. römisch 40 , alle StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2016, Zlen. 1. 1101172210-160029939, 2. 1101171507-160029925, 3.
1101171703-160029955 und 4. 1101172101-160029971, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 und römisch 40 , römisch 40 und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass den Beschwerdeführern damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer stellten am 24.11.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Am 08.01.2016 fanden vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftlichen Erstbefragungen der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin statt. Dabei gaben sie u.a. an, afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Hazara zu sein. Befragt dazu, warum sie ihr Land verlassen haben, gaben die Beschwerdeführer übereinstimmend an, sie hätten Afghanistan etwa zehn Jahre (Zweitbeschwerdeführer) bzw. sieben Jahre (Erstbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführerin) zuvor aufgrund des Krieges und der damit verbundenen unsicheren Lage sowie wegen der Armut verlassen. Außerdem sei das Leben des ebenfalls mitgereisten ältesten Sohnes bzw. Bruders aufgrund von aus Grundstücksstreitigkeiten resultierenden Feindschaften in Gefahr. Er sei mit dem Tod bedroht worden. Den Iran hätten sie aus Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan verlassen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan fürchteten sie den Krieg und die Feinde des Sohnes bzw. Bruders.
Am 18.10.2016 wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit oben genannten Bescheiden bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch II.) ab. Weiters wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt, gegenüber den Beschwerdeführern gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch IV.).
Gegen die oben genannten Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 02.02.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der die Erstbeschwerdeführer in Anwesenheit ihrer Vertreterin ausführlich zu ihren Fluchtgründen, zu ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu ihrer Integration in Österreich befragt wurde. Als gesetzliche Vertreterin ihrer beiden minderjährigen Kinder wurde sie auch zu deren Fluchtgründen befragt. Hinsichtlich der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin fand darüber hinaus eine ausführliche Befragung im Hinblick auf eine allfällige westliche Orientierung statt. Der Zweitbeschwerdeführer verzichtete aufgrund von gesundheitlichen Problemen explizit auf eine persönliche Einvernahme. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.
Zu dem mit der Ladung übermittelten Länderberichtsmaterial nahm die Beschwerdeführervertreterin am 26.01.2018 schriftlich Stellung. In der mündlichen Verhandlung wurde ergänzendes Berichtsmaterial ins Verfahren eingebracht, zu dem die Beschwerdeführervertreterin mündlich Stellung bezog.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses. Die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 02.02.2018 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl samt Hinweis auf die mündliche Verkündung übermittelt. Die belangte Behörde beantragte fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Die Erstbeschwerdeführerin führt den Namen römisch 40 und ist am römisch 40 geboren. Sie ist mit dem Zweitbeschwerdeführer seit etwa 31 Jahren verheiratet. Der Zweitbeschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und ist am römisch 40 geboren. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben gemeinsam drei Kinder: den am römisch 40 geborenen Beschwerdeführer im zu W244 2139416-1 protokollieren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, römisch 40 , die am römisch 40 geborene Drittbeschwerdeführerin, römisch 40 , und den am römisch 40 geborenen Viertbeschwerdeführer, römisch 40 .
Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Hazara und bekennen sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.
Die Erstbeschwerdeführerin stammt der afghanischen Hauptstadt Kabul, der Zweitbeschwerdeführer aus der Provinz Maidan Wardak. Nach der Hochzeit mit der Erstbeschwerdeführerin zog der Zweitbeschwerdeführer nach Kabul, wo die Familie fortan lebte. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer wurden in Kabul geboren. Etwa im Jahr 2005 zog der Erstbeschwerdeführer aufgrund der allgemein schlechten Sicherheitslage in den Iran; die restliche Familie folgte ihm etwa im Jahr 2008. Dort lebten sie ohne Aufenthaltstitel in der Stadt Isfahan bis zu ihrer Weiterreise nach Europa in der zweiten Jahreshälfte 2015.
Die Beschwerdeführer reisten im Familienverband gemeinsam mit dem ältesten Sohn bzw. Bruder, dem Beschwerdeführer im zu W244 2139416-1 protokollieren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellten am 24.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind ledig.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben nie die Schule besucht und können weder lesen noch schreiben. Die Erstbeschwerdeführerin hat nie außerhalb des Hauses gearbeitet; im Iran hat sie zu Hause gelegentlich Näharbeiten verrichtet. Der Zweitbeschwerdeführer führte in Kabul eine Bäckerei; im Iran war er als Tagelöhner, vor allem am Bau, tätig. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer verfügten zum Zeitpunkt ihrer Einreise nach Österreich über geringe Schulbildung und keine Berufserfahrung.
Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari.
Die Erstbeschwerdeführerin leidet unter Rückenproblemen. Der Zweitbeschwerdeführer ist gesundheitlich sehr angeschlagen, erlitt 2016 einen Schlaganfall und hat seit seiner Entlassung aus der stationären Behandlung wiederholt Ohnmachtsanfälle. Er ist sehr vergesslich.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
1.2.1. Bei der Drittbeschwerdeführerin handelt es sich um eine auf Eigenständigkeit bedachte junge Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Die Beschwerdeführerin lebt nicht mehr nach der konservativ-afghanischen Tradition und kleidet und schminkt sich nach westlicher Mode und trägt das Kopftuch nur gelegentlich und aus modischen Überlegungen heraus. Sie spricht gut Deutsch, besucht eine Höhere Bundeslehranstalt für Wirtschaftliche Berufe und verfügt über einen aktiven Freundeskreis in Österreich. Sie führte in Österreich eine (inzwischen beendete) Beziehung zu einem jungen Mann, bewegt sich frei und geht auch häufig ohne männliche Begleitung abends aus. Sie will weiterhin frei leben, eine Ausbildung in Österreich machen und einem Beruf nachgehen. Die von ihr angenommene Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Die Beschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan kategorisch ab und kann sich nicht vorstellen, (neuerlich) nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die Beschwerdeführerin würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden.
1.2.2. Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie spricht kein (faktisch) Deutsch und kann nicht lesen und schreiben und kümmert sich in Österreich primär um den Haushalt und die Kinder, was sie auch bisher in Afghanistan und im Iran getan hat. Sie hat eine gute Beziehung zu einigen freiwilligen Helfern ihrer Gemeinde. Sie bedarf einer Unterstützung im Alltag durch ihre Kinder und (freiwillige) Helfer. Sie trägt jedenfalls Kopftuch und ist zur Verhandlung mit dunkler Hose und einer langen Tunika erschienen.
1.2.3. Festgestellt wird, dass der älteste Sohn der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers, römisch 40 (Beschwerdeführer im zu W244 2139416-1 protokollieren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht), in Kabul Opfer eines Betruges in Zusammenhang mit einem Grundstückskauf wurde und vom vermeintlichen Verkäufer des Grundstückes und dessen Mitarbeitern bedroht, mit einem Messer verletzt und angeschossen wurde. römisch 40 sowie auch seinen Familienangehörigen drohte bei einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Kabul, die Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt durch diese Kriminellen.
Nicht festgestellt werden kann, dass es sich beim betrügerischen Verkäufer des Grundstücks um einen Talib oder um das Mitglied eines sonstigen regierungsfeindlichen Netzwerkes handelt.
Dass römisch 40 und die Beschwerdeführer als seine Familienangehörigen durch die afghanische Polizei nicht ausreichend vor physischer und/oder psychischer Gewalt durch den betrügerischen Verkäufer des Grundstücks und sein Netzwerk geschützt werden können, ist ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Effektivität der afghanischen Polizei in Afghanistan großteils nicht in dem nötigen Ausmaß gegeben ist.
1.2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 25.09.2017 (Schreibfehler teilweise korrigiert):
Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft.
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes.
Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht.
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften. Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen.
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8.-17.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern.
Rebellengruppen:
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium.
Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden.
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit.
Zivile Opfer:
Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen. Zwischen
1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen.
UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an.
Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert.
Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren.
Sicherheitslage in der Provinz Kabul:
Im Zeitraum 1.9.201-31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im Zeitraum 1.9.2015-31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen. Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen.
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt. Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet. Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt.
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten hat eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden.
Religionsfreiheit:
Etwa 99,7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84,7-89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan.
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3, der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt.
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt.
Schiiten:
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt. Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara. Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen.
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe. Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre religiösen Brüder im Iran.
Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen.
Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt. Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt.
Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern. Manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert. Im November 2016 hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee, einer schiitischen Moschee in Kabul, am schiitischen Feiertag Arbain einen Sprengstoffanschlag verübt. Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden. In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt. Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es starben dabei über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten.
Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein. Dennoch verlautbarten Schiiten, dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben.
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten.
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben laut Schätzungen von Juli 2016 mehr als 33,3 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht. Schätzungen zufolge sind 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch-iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4% der Bevölkerung ausmachen.
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften." Das Wort "Afghane" wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen zu haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen.
Hazara:
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung "Hazaradschat" (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben.
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Clan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert; sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Paschtunen verachtet, weil diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden.
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara. Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle, in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt. Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat.
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.
Frauen:
Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen. Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden.
Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001.
Bildung:
Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung - auch für Mädchen. Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt.
Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben.
Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht. Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen.
Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014-2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren 63.911 Frauen.
Frauenuniversität in Kabul:
Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an.
Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies"; im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren.
Berufstätigkeit:
Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben. Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung.
Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben.
Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung. Die Alphabetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2%. In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33%.
Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln. Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen.
Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein.
Strafverfolgung und Unterstützung:
Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte. Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit.
Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierten Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen. In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden.
Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich.
Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt; und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden. Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt. Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW-Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden. Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht. Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden.
Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul. Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurden Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren. Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen.
Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation.
Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission, veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 - März 2015), was eine Reduzierung von 13% gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67% der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60% wurden verurteilt und bestraft.
Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt.
Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht. Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden.
Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung:
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord. In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt - in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher. Die AIHRC berichtet von mehr als
4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden. Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet.
Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet).
Ehrenmorde:
Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt. Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben.
Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung.
Legales Heiratsalter:
Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich. Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70%.
In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen.
Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten.
Frauenhäuser:
USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab.
Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden.
Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen.
Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten.
Medizinische Versorgung - Gynäkologie:
Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter.
Kinder:
Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Mädchen waren unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Aber auch geografisch gibt es Unterschiede. Den geringsten Mädchen-Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika).
Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 9.2016).
Bacha Bazi (Bacha Bazi) - Tanzjungen:
In weiten Teilen Afghanistans, vor allem in den Rängen von Armee und Polizei, aber nicht nur dort, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert und wird nicht selten unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten ("Bacha Bazi", so genannte "Tanzjungen") verschwiegen oder verharmlost. Üblicherweise sind die Jungen zwischen 10 und 18 Jahre alt; viele von ihnen werden weggeben, sobald sie erste Anzeichen eines Bartes haben. Viele der Jungen wurden entführt und manchmal werden sie von ihren Familien, aufgrund von Armut, an die Täter verkauft.
Die afghanische Menschenrechtskommission AIHRC hat sich 2014 mit einer nationalen Studie des Themas angenommen. Ein Großteil der Täter hat keinerlei Unrechtsbewusstsein. Die Jungen werden oft weiter gehandelt oder auch getötet. Die Jungen und ihre Familien werden oft von ihrer sozialen Umgebung verstoßen; eine polizeiliche Aufklärung findet nicht statt.
Das von der AIHRC geleitete Komitee zum Thema Bacha Bazi, reichte beim Justizministerium einen Gesetzesentwurf ein, um diese Praxis zu kriminalisieren. Nach intensiver medialer Auseinandersetzung über vermeintliche Misshandlungen durch afghanische Sicherheitskräfte, ordnete der Präsident am 23. September 2015, die Schaffung einer Organisation - bestehend aus dem Büro der Generalstaatsanwaltschaft, dem Innenministerium und der AIHRC - um sexuellen Missbrauch von Kindern zu verhindern und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Die UNAMA unterstütze weiterhin Bemühungen der AIHRC Bacha Bazi, und andere Formen sexuellen Missbrauchs, vorzubeugen und zu kriminalisieren: sie drängte die afghanische Regierung Bacha Bazi zu kriminalisieren, indem die von einer Kommission entworfenen und vorgeschlagenen Gesetze, durch ein Präsidialdekret bestätigt werden sollen. Derzeit gibt es sehr wenige Leistungen und Unterstützungsmechanismen für Opfer von Bacha Bazi - oftmals werden sie selbst bestraft.
Kinderarbeit:
Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest, erlaubt 14 -Jährigen als Lehrlinge zu arbeiten, sowie 15-Jährigen (und älter) "einfache Arbeit" zu verrichten. Ebenso dürfen 16- und 17-Jährige bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. Unter 14-Jährigen ist es unter gar keinen Umständen erlaubt zu arbeiten. Das Arbeitsgesetz verbietet die Anstellung von Kindern in Bereichen, die ihre Gesundheit gefährden. In Afghanistan existiert eine Liste, die gefährliche Jobs definiert - dazu zählen:
Arbeit in Bergbau, Betteln, Abfallentsorgung und Müllverbrennung, arbeiten an Schmelzöfen, sowie großen Schlachthöfen, arbeiten mit Krankenhausabfall oder Drogen, arbeiten als Sicherheitspersonal und Arbeit im Kontext von Krieg.
Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert. Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten. Dennoch haben im Jahr 2014 laut AIHRC (Children's Situation Summary Report vom 14. Dezember 2014) 51,8% der Kinder auf die ein oder andere Weise gearbeitet. Viele Familien sind auf die Einkünfte, die ihre Kinder erwirtschaften, angewiesen. Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z. B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen dieser gesetzlichen Regelungen. 6,5 Millionen Kinder gelten als Gefahren ausgesetzt. Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien.
Kinderarbeit bleibt ein tiefgreifendes Problem. Das Arbeitsministerium verweigerte Schätzungen zu den Zahlen der arbeitenden Kinder in Afghanistan und begründete dies mit fehlenden Daten und Mängeln bei der Geburtenregistrierung. Dies schränkte, die ohnehin schwachen Kapazitäten der Behörden bei der Durchsetzung des Mindestalters für Arbeit ein. Berichten zufolge, wurden weniger als 10% der Kinder bei Geburt registriert. In einem Bericht der AIHRC, gaben 22% der Befragten an, arbeitende Kinder zu haben. Kinder sind bei der Arbeit einer Anzahl von Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt; Berichte existieren wonach Kinder sexuellem Missbrauch durch erwachsene Arbeiter ausgesetzt waren.
Das Gesetz besagt, dass die Verhaftung eines Kindes als letztes Mittel und nur für die kürzest mögliche Zeit vorgenommen werden soll. Berichten zufolge mangelt es Kinder in Jugendhaftanstalten landesweit an Zugang zu adäquatem Essen, Gesundheitsvorsorge und Bildung. Verhafteten Kindern wurden oftmals Basisrechte wie z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, oder das Recht auf Information über die Haftgründe usw., sowie das Recht nicht zu einem Geständnis gezwungen zu werden, verwehrt. Das Gesetz sieht eine eigene Jugendgerichtsbarkeit vor, limitierte Ressourcen ermöglichten bisher aber nur Jugendgerichte in sechs Gebieten: Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Jalalabad und Kunduz. In anderen Provinzen, in denen keine speziellen Gerichte existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte. In manchen Fällen nahmen die Behörden die Opfer als zu Bestrafende wahr, da sie Schande über die Familie gebracht haben, indem sie Missbrauch anzeigten. In manchen Fällen wurden misshandelte Kinder von den Behörden verhaftet, wenn sie nicht zu ihren Familien zurückgebracht werden konnten und keine anderen Zufluchtsstätten existierten. Auch gab es Vorwürfe wonach die Behörden Kinder oft stellvertretend für verwandte Täter verhafteten.
Bildungssystem in Afghanistan:
In Afghanistan gibt es zwei parallele Bildungssysteme. Religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet. Im Alter von 7 bis 13 Jahren gehen die Schüler in die Primärschule. Darauf folgen 3 Jahre Mittelschule. Studieninteressenten müssen am Ende dieses Abschnitts ein Examen bestehen. In der Sekundarschule haben die Schüler/innen die Wahl entweder für 3 weitere Jahre den akademischen Weg einzuschlagen, welcher weiter zur Universität führen kann; oder Themen wie angewandte Landwirtschaft, Luftfahrt, Kunst, Handel etc. zu lernen. Beide Programme enden mit einem "Bacculuria"-Examen. Aus- und Weiterbildung: Bildungseinrichtungen umfassen auch Berufsschulen, technische Hochschulen und tertiäre Institute wie das Kabul Polytechnic Institute. Viele Einrichtungen, unter der Leitung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, bieten Trainings an. Auch das Ministerium für Bildung betreibt eine Abteilung für Weiterbildung (41 Schulen), die Unterstützung bieten. Diese fokussieren sich hauptsächlich auf Mechanik, Tischlerei, Sanitär, Metallarbeiten, Friseur, Schneiderei und Bürotätigkeiten. Öffentliche Schulen und Kindergärten sind bis zum Universitätslevel kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten müssen bezahlt werden.
Kinderbetreuung: Es gibt einige staatlich finanzierte und verwaltete Kindergärten. Diese gewähren Kindern von Mitarbeiter/innen kostenfreien Zugang.
Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.
Rechtsschutz/Justizwesen:
Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure.
Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg. Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten. In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um.
Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist.
Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin. Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert, davon waren rund 200 Richterinnen. Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt. Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar.
Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte. Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen.
Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden; Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen, um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken. Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar. Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren.
Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen.
Sicherheitsbehörden:
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums.
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban.
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt.
Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen.
Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert, davon 4.228 Frauen.
Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2%.
Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP):
Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten. 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind.
Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind. Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden.
Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9%.
Afghanische Nationalarmee (ANA):
Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren.
Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile.
Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul.
Resolute Support Mission:
Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman.
Korruption:
Auf dem Korruptionsindex des Jahres 2015 belegte Afghanistan von 168 Ländern den 166. Platz. Dem Bericht von Asia Foundation zufolge, sind 90% der Afghan/innen im Alltag Korruption ausgesetzt; angegeben wurde hauptsächlich Bestechungsgelder an Polizei und Regierungsbeamte zu bezahlen.
Zur Erkennung, Verfolgung und Verhinderung von Korruption existiert kein gesetzlicher Rahmen. Trotz umfangreicher Reformvorhaben und aufwendiger Konsultationsmechanismen - oft unter direkter Federführung des Staatspräsidenten oder von ihm beauftragter Gremien - bleiben Qualität und Transparenz der Regierungsführung und der demokratischen Prozesse weiterhin mangelhaft. Die RNE (Einheitsregierung) startete im Mai 2016 eine neue Initiative zur Bekämpfung der Korruption, deren integraler Bestandteil das Anti Corruption Justice Center (ACJC) sein soll. Das ACJC soll Fällen erheblicher Korruption insbesondere auch unter hochrangigen Funktionären der afghanischen Regierung nachgehen, harrt aber noch seines offiziellen Startes. Die Regierung verfolgte weiterhin Anti-Korruptionsziele - dies beinhaltet die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von großen Korruptionsfällen und die Stärkung des rechtlichen und behördlichen Rahmens.
Das Gesetz verordnet strafrechtliche Sanktionen für öffentliche Korruption. Die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um; einerseits wurde von öffentlich Bediensteten berichtet, die regelmäßig und ungestraft in korrupte Praktiken involviert waren. Andererseits gab es Korruptionsfälle, die erfolgreich vor Gericht gebracht wurden. Berichte deuten an, dass Korruption innerhalb der Gesellschaft endemisch ist - Geldflüsse von Militär, internationalen Gebern und des Drogenhandels verstärken das Problem.
Die Einheitsregierung hat im Bereich der Korruptionsprävention einige Fortschritte gemacht: Der afghanische Präsident bekräftigte seine Transparenzverpflichtungen, veranlasste eine externe Kontrolle von Beschaffungsprozessen, sowie eine Umstrukturierung des Justizsektors. All dies sind wichtige Schritte des Präsidenten, welche die Bereitschaft signalisieren, Korruption in den Griff zu bekommen.
Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, Mohammad Farid Hamidi, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, zum Generalstaatsanwalt ernannt.
Manch hochrangiger Akteure wurde dennoch strafrechtlich verfolgt - mit wenig abschreckender Wirkung. Der ehemalige Chef der Kabul Bank - Khalil Ferozi - wurde im Jahr 2014 aufgrund schweren Betrugs zu 15 Jahren Haft verurteilt. Berichten zufolge, durfte er das Gefängnis bei Tag verlassen, um seinen geschäftlichen Tätigkeiten nachzugehen. Im November 2015 unterzeichnete er ein Übereinkommen, an einem 900 Millionen US Dollar schweren Projekt mitzuarbeiten. Das Übereinkommen wurde aufgrund des öffentlichen Aufschreis storniert.
1.3.2. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016:
"7. Frauen mit bestimmten Profilen oder unter bestimmten Bedingungen lebende Frauen
Die Regierung hat seit 2001 einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung, insbesondere durch Verabschiedung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz), den Erlass von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe von Frauen und die Einrichtung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten.
Die Verbesserungen der Situation von Frauen und Mädchen blieben jedoch Berichten zufolge marginal und Afghanistan wird weiterhin als ‚sehr gefährliches' Land für Frauen und Mädchen betrachtet. Fortschritte, die in der Vergangenheit in Hinblick auf die Menschenrechte von Frauen erzielt wurden, wurden teilweise durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in einigen Teilen des Landes zunichte gemacht. Die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleibt endemisch. Berichten zufolge ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor weit verbreitet und nimmt weiter zu. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte üblicherweise straflos bleiben. Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.
Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz von Frauenrechten weiterhin nur langsam umgesetzt werden, dies betrifft insbesondere die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz). Das im August 2009 verabschiedete Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge der politische Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend wird es Berichten zufolge nicht vollständig durchgesetzt, insbesondere nicht in ländlichen Gebieten. Die überwiegende Mehrheit der Fälle der gegen Frauen gerichteten Gewaltakte, einschließlich schwerer Straftaten gegen Frauen, wird immer noch nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen statt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt. UNAMA berichtet, dass sowohl die afghanische nationale Polizei (ANP) als auch die Staatsanwaltschaften zahlreiche Fälle, einschließlich schwerwiegender Straftaten, an jirgas und shuras zum Zweck der Beratung oder Entscheidung weiterleiten und dadurch die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) unterminieren und die Praktizierung schädlicher traditioneller Bräuche fördern. Durch Entscheidungen gemäß diesen Mechanismen sind Frauen und Mädchen der Gefahr weiterer Schikanierung und Ausgrenzung ausgesetzt.
Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere diskriminierende Bestimmungen für Frauen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.
Während die in diesem Abschnitt beschriebenen Menschenrechtsprobleme Frauen und Mädchen im gesamten Land betreffen, gibt die Situation in Gebieten, die tatsächlich von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden, Anlass zu besonderer Sorge.
Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge in diesen Gebieten die Rechte von Mädchen und Frauen in schwerwiegender Weise beschnitten, darunter ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und politische Partizipation. Außerdem besteht in von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrollierten Gebieten eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz ausgesetzt sind und ihnen keine wirksamen Rechtsmittel gegen die Verletzung ihrer Rechte zur Verfügung stehen. Die von den regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten betriebene Paralleljustiz verletzt Berichten zufolge tatsächlich regelmäßig die Rechte von Frauen.
[...]
8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen
Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer wie etwa Witwen sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Erwerbsmöglichkeiten, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Inhaftierungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia betreffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, einschließlich Inhaftierung aufgrund ‚moralischer Vergehen' wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung, Ablehnung einer Heirat, außereheliche sexuelle Beziehungen (die als Ehebruch angesehen werden) und ‚Weglaufen von zu Hause' (einschließlich in Situationen von häuslicher Gewalt). Mehr als der Hälfte der in Afghanistan inhaftierten Mädchen und Frauen wurden ‚moralische Vergehen' zur Last gelegt. Da Anklagen aufgrund von Ehebruch und anderen ‚moralischen Vergehen' Anlass zu Ehrenmorden geben können, versuchen die Behörden Berichten zufolge in einigen Fällen, die Inhaftierung von Frauen als Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.
[...]
In Gebieten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, besteht für Frauen und Männer, die unmoralischer Verhaltensweisen bezichtigt werden, das Risiko, über die parallelen Justizstrukturen dieser regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) zu harten Strafen, einschließlich zu Auspeitschung und zum Tod, verurteilt zu werden."
1.3.3. Auszug aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 02.09.2016, a-9737-V2, zur Lage der Hazara:
"In einem Update zur Sicherheitslage in Afghanistan vom September 2015 thematisiert die regierungsunabhängige Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) die Situation von Hazara und beschreibt Maßnahmen gegen Hazara wie folgt:
‚Diskriminierung gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten sind verbreitet und es kommt immer wieder zu Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien, welche zu Todesopfern führen. Die Diskriminierung Angehöriger der Hazara äußert sich in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung. Hazara wurden überdurchschnittlich oft zu Opfern gezielter Ermordungen.' (SFH, 13. September 2015, Sitzung 18)
Der im April 2016 veröffentlichte Länderbericht des US-Außenministeriums (US Department of State, USDOS) zur Menschenrechtslage (Berichtsjahr: 2015) hält fest, dass Hazara von fortwährender, sozial, rassisch oder religiös motivierter gesellschaftlicher Diskriminierung in Form von Gelderpressungen durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen seien. Laut NGOs seien Hazara-Mitglieder der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) einem stärkeren Risiko ausgesetzt, in unsicheren Gebieten eingesetzt zu werden als Nicht-Hazara-Beamte. Aus mehreren Provinzen, darunter Ghazni, Zabul und Baghlan, seien eine Reihe von Entführungen von Hazara berichtet worden. Die Entführer hätten Berichten zufolge ihre Opfer erschossen, enthauptet, Lösegeld für sie verlangt oder sie freigelassen. Im Februar 2015 hätten Aufständische 31 Hazara-Männer aus einem Bus in der Provinz Zabul entführt und im Mai 2015 19 Geiseln und im November 2015 acht weitere freigelassen. Mit Stand November 2015 seien die übrigen vier Geiseln weiterhin vermisst gewesen. ...
Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) bemerkt in ihrem im Februar 2016 erschienenen Jahresbericht zum Jahr 2015, dass sie während des Jahres 2015 einen starken Anstieg bei Entführungen und Tötungen von Hazara-ZivilistInnen durch regierungsfeindliche Kräfte verzeichnet habe. So hätten regierungsfeindliche Kräfte zwischen 1. Jänner und 31. Dezember 2015 mindestens 146 Mitglieder der Hazara-Gemeinde bei insgesamt 20 verschiedenen Vorfällen getötet. Mit Ausnahme eines einzigen Vorfalls hätten sich alle in ethnisch gemischten Gebieten ereignet, die sowohl von Hazara als auch von Nicht-Hazara-Gemeinden besiedelt seien, und zwar in den Provinzen Ghazni, Balch, Sari Pul, Faryab, Uruzgan, Baghlan, Wardak, Jowzjan und Ghor. UNAMA habe die Freilassung von 118 der 146 entführten Hazara bestätigen können.
13 entführte Hazara seien von regierungsfeindlichen Kräften getötet worden, während zwei weitere in Geiselhaft verstorben seien. UNAMA habe den Verbleib der übrigen Geiseln nicht eruieren können. Die Motive für die Entführungen seien unter anderem Lösegelderpressung, Gefangenenaustausche, Verdacht der Mitgliedschaft bei den Afghanischen Nationalen Sicherheitskräften (ANSF) und Nichtbezahlung illegaler Steuern gewesen. In manchen Fällen seien die zugrundeliegenden Motive unbekannt gewesen. UNAMA führt folgende Beispiele für Entführungen und anschließende Tötungen von Hazara an:
Am 23. Februar 2015 seien im Bezirk Shajoy der Provinz Zabul 30 Hazara-Insassen zweier öffentlicher Busse, die von Herat nach Kabul unterwegs gewesen seien, von regierungsfeindlichen Gruppen entführt worden. Drei der Entführungsopfer seien während ihrer Gefangenschaft getötet worden, während zwei offenbar aufgrund von natürlichen Ursachen verstorben seien. Zwischen Mai und August 2015 seien die übrigen Geiseln freigelassen worden, nachdem es Berichten zufolge zu einem Austausch mit einer Gruppe von Häftlingen gekommen sei.
Am 13. Oktober 2015 hätten regierungsfeindliche Kräfte sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter zwei Frauen, zwei Jungen und ein Mädchen, die sich auf der Autobahn zwischen Kabul und Kandahar auf dem Weg in den Distrikt Jaghuri (Provinz Ghazni) befunden hätten, entführt. Stammesälteste hätten sich vergeblich um deren Freilassung bemüht. Die Hazara seien im Distrikt Arghandab der Provinz Zabul festgehalten worden, bis Kämpfe zwischen rivalisierenden regierungsfeindlichen Gruppen, darunter auch der Gruppe, zu denen die Entführer gehört hätten, ausgebrochen seien. Im Zeitraum von 6. bis 8. November hätten die regierungsfeindlichen Kräfte allen sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter auch den Kindern, die Kehlen durchgeschnitten. Dieser Vorfall habe Demonstrationen in der Stadt Kabul ausgelöst, bei denen mehr Schutz für die Hazara-Gemeinschaft gefordert worden sei. [...]
Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO), eine Agentur der Europäischen Union, die die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Asylbereich fördern soll, nennt in einem Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan vom Jänner 2016 Beispiele von Sicherheitsvorfällen, die Hazara betreffen. Demnach seien im Februar 2015 bei zwei Vorfällen Mitglieder der Hazara Minderheit von maskierten bewaffneten Männern im Distrikt Kajran [Provinz Daykundi, Anmerkung ACCORD] in ihren Fahrzeugen gestoppt worden. Die Reisenden seien nach ihrem religiösen Glauben gefragt worden und 55 der Reisenden seien entführt und an unbekannte Orte gebracht worden. Laut offiziellen Quellen hätte es sich bei den Entführern um Taliban gehandelt, Augenzeugenberichte würden aber auf eine Beteiligung der Gruppe Islamischer Staat (IS) hindeuten. [...]
Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erwähnt in ihrem World Report vom Jänner 2016, dass es im Jahr 2015 einen Anstieg von Entführungen und Geiselnahmen von ZivilistInnen durch aufständische Gruppen gegeben habe, darunter auch die zwei Vorfälle in der Provinz Zabul, nämlich die Entführung und Tötung von 7 ZivilistInnen am 9. November und die Entführung von 31 Businsassen am 23 Februar, von denen 19 wieder freigelassen worden seien. In beiden Fällen seien die Opfer offenbar wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu den Hazara ins Visier genommen worden.
[...]
Der in Prag ansässige, vom US-Kongress finanzierte Radiosender Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) berichtet im August 2015, dass vier Männer, die in der Woche zuvor entführt worden seien, im Distrikt Nawur der Provinz Ghazni erschossen aufgefunden worden seien. Bei drei der Toten handle es sich um Hazara, bei dem Vierten um einen Paschtunen. Bei einem weiteren Vorfall im August seien mindestens acht weitere Hazara auf dem Weg in die Stadt Ghazni entführt worden. Im Februar seien 30 Hazara in der Provinz Zabul, im Süden von Ghazni, entführt worden. 19 seien im Mai wieder freigelassen worden, zwei seien getötet worden, und neun seien noch als vermisst gemeldet. Im Juli seien 11 Hazara im Norden der Provinz Baghlan entführt worden. [...]
Die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) berichtet im September 2015, dass Bewaffnete im Distrikt Zari der größtenteils ruhigen Provinz Balch 13 männliche Hazara erschossen hätten, nachdem sie zwei Fahrzeuge aufgehalten und die Insassen gezwungen hätten, auszusteigen. [...]
Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) berichtet im November 2015 über die Entführung von mindestens sieben Hazara durch die Taliban, nachdem es zu einem lokalen Streit um Schafe gekommen sei. Die Taliban hätten drei Busse in der Provinz Zabul aufgehalten und zunächst 17 Geiseln genommen und neun von ihnen wieder freigelassen. Ein örtlicher Taliban-Anführer habe die Entführungen mit der Begründung angeordnet, dass Hazara Schafe gestohlen hätten. [...]
In einer Pressemitteilung vom November 2015 schreibt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) über Proteste in der afghanischen Hauptstadt Kabul am 11. November 2015 aufgrund einer Reihe von ethnisch motivierten Tötungen.
Die Pressemitteilung berichtet über die Entführung und anschließende Tötung von sieben Hazara, darunter auch zwei Mädchen, am 9. November in der Provinz Zabul. Es habe sich keine Gruppe zu dem Anschlag bekannt.
Weiters wird beschrieben, dass sich die Sicherheitslage im Berichtsjahr 2015 in vielen Gebieten Afghanistans verschlechtert, die Gewalt gegen Zivilisten zugenommen habe und dass es zu internen Machtkämpfen zwischen rivalisierenden Fraktionen innerhalb der Taliban gekommen sei. HRW berichtet, dass eine der größten Splitterfraktionen der Taliban von Mullah Abdul Manan Niazi angeführt werde, welcher zur Zeit des Massakers an tausenden von Hazara in Mazar-e-Sharif 1998 Taliban-Gouverneur in der Provinz Balch gewesen sei. Diese Gruppe werde Berichten zufolge vom Islamischen Staat (IS) unterstützt und sei in dem Gebiet in der Provinz Zabul aktiv, in dem die sieben Hazara getötet worden seien.
Wenngleich alle Zivilisten in Konfliktgebieten gefährdet seien, würden die Tötungen in Zabul die besondere Gefährdung aufzeigen, mit denen Hazara konfrontiert seien. In den vergangenen zwei Jahren seien bei einer Reihe von Vorfällen Hazara-Buspassagiere von anderen Insassen ausgesondert und entführt und in manchen Fällen getötet worden. [...]
BBC Monitoring schreibt in der Zusammenfassung eines Berichts der in Pakistan ansässigen privaten Nachrichtenagentur Afghan Islamic Press News Agency im März 2016, dass in der nördlichen Provinz Sar-e Pol 11 Hazara entführt worden seien. Laut des Polizeichefs der Polizeizentrale von Sar-e Pol, seien die 11 Hazara aufgrund ihrer Ethnizität von den Taliban entführt worden. Es handle sich bei den Entführten um Zivilisten, die nicht für die Regierung arbeiten würden. Die Taliban hätten sich noch nicht zu dem Vorfall geäußert.
In der Vergangenheit seien einige ethnische Hazara in Zabol, Ghazi und anderen Provinzen entführt worden. Manche seien freigelassen, andere seien getötet worden. [...]
Im Juni 2016 berichtet die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP), dass Bewaffnete im Bezirk Santscharak der Provinz Sar-e-Pul mindestens 17 reisende Hazara, bei denen es sich allesamt um Zivilisten, die nicht mit der Regierung in Verbindung gebracht werden könnten, handle, aus ihren zivilen Fahrzeugen gezerrt und in ein entlegenes Gebiet gebracht hätten, das sich unter Taliban-Kontrolle befinde. Laut dem ortsansässigen Gouverneur seien die Dorfältesten gebeten worden mit den Taliban über die Freilassung der Entführten zu verhandeln. [...]
Zwei Tage später berichtet Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), dass die 17 oben erwähnten, von den Taliban entführten Hazara freigelassen worden seien. Der Vorfall in der Provinz Sar-e-Pul sei Teil einer Serie von Angriffen auf zivile Fahrzeuge gewesen. Die Taliban hätten sich nicht zu dem Vorfall geäußert.
In den letzten Monaten habe es einen Anstieg der Gewalt gegen Hazara in Form einer Reihe von Entführungen und Tötungen gegeben. In einem der letzten Vorfälle hätten die Taliban 10 Busreisende getötet, viele davon seinen summarisch hingerichtet worden, und ein Dutzend andere seien im Norden der Provinz Kunduz entführt worden. Laut dem Provinz-Gouverneur hätten die Dorfältesten und die ortsansässigen Bewohner die sichere Befreiung der Geiseln, bei denen es sich um Zivilisten handelte, ausgehandelt. [...]
In einem Statement vom Juni 2016 äußert sich die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) besorgt über den Anstieg von Entführungen, Geiselnahmen sowie summarischen Hinrichtungen und berichtet von einer bewaffneten Entführung von 25 ZivilistInnen, bei denen es sich Berichten zufolge allesamt um Hazara gehandelt habe. Die Entführten seien in zwei Fahrzeugen im Bezirk Balkh Ab, der nördlichen Provinz Saripul (Sar-e-Pul), unterwegs gewesen. Während vier Frauen und ein älterer Herr wieder freigelassen worden seien, sei der Verbleib der 20 Anderen nicht bekannt. [...]
Im Juli 2016 beschreibt die deutsche Tageszeitung (Taz) einen Anschlag der Gruppe Islamischer Staat (IS) während einer Demonstration von Hazara in der Stadt Kabul, bei dem mindestens 80 Personen ums Leben gekommen seien:
‚Die Zahl der Todesopfer bei einem Anschlag auf friedliche Demonstranten in der afghanischen Hauptstadt Kabul ist auf mindestens 80 gestiegen. Außerdem seien bei dem Bombenanschlag am Samstag 231 Menschen verletzt worden, teilte das afghanische Innenministerium mit. Nach vorläufigen Informationen sei die Tat von drei Selbstmordattentätern begangen worden. ‚Der dritte Angreifer wurde von Sicherheitskräften niedergeschossen', hieß es weiter.
[...]
Tausende Angehörige der ethnischen Minderheit der Hazara hatten in der afghanischen Hauptstadt für den Bau einer Stromtrasse in der vernachlässigten Region Bamijan demonstriert, als inmitten der Menschenmenge mindestens ein Sprengsatz detonierte. Ein AFP-Fotograf sah am Tatort dutzende zum Teil völlig zerfetzte Leichen. Krankenwagen hatten Schwierigkeiten, zum Explosionsort zu gelangen, weil die Behörden Straßenkreuzungen blockiert hatten, um zu verhindern, dass die Demonstranten zum Präsidentenpalast marschieren.
Zu der Tat bekannte sich die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS). Die radikalislamischen Taliban, die derzeit ihre Sommeroffensive gegen die afghanischen Sicherheitsbehörden führen, wiesen jegliche Beteiligung an dem Anschlag zurück." (Taz, 23. Juli 2016)
In einem weiteren Artikel vom Juli 2016, geht die Taz auf die Motive für den oben beschriebenen Anschlag ein:
‚Der IS-Anschlag auf die Friedensdemo in Kabul mit mindestens 80 Toten hatte militärisch keinen Sinn. Ziel war eine schiitische Minderheit.
Es gibt kaum Zweifel daran, dass der schwere Anschlag am Sonnabend in Kabul vom örtlichen Ableger des Islamischen Staates (IS) durchgeführt worden ist. Die Handschrift des Anschlags spricht eindeutig dafür: Es ist ein skrupelloser Akt ohne jeglichen militärischen Sinn: gegen den friedlichen, von Zivilisten getragenen Protest der schiitischen Hazara-Minderheit und gegen die schiitische Minderheit insgesamt gerichtet, die vom IS und seinen Geistesgenossen nicht als ‚richtige' Muslime angesehen werden.'
(Taz, 25. Juli 2016)
[...]"
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:
Die Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführer ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den vorgelegten Dokumenten (Tazkira). Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Beschwerdeführer im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer gründen sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen der Beschwerdeführer zu zweifeln.
Die Angaben der Beschwerdeführer zu ihren Geburtsorten, ihren Aufenthaltsorten, ihrer (fehlenden) Schulausbildung und ihrem beruflichen Werdegang, ihrem Familienstand, dem Zeitpunkt ihrer Eheschließung und ihrer Einreise nach Österreich waren- soweit dies angesichts des fehlenden Bildungshintergrundes gefordert werden kann - im Wesentlichen gleichlautend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.
Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers beruhen auf den übereinstimmenden und plausiblen Angaben der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung und aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen (Beilagen 2 und 3 zur Niederschrift zur mündlichen Verhandlung), die im Einklang mit dem vom Zweitbeschwerdeführer gewonnenen Eindruck in der mündlichen Verhandlung stehen vergleiche dazu Seite 22 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung).
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:
2.2.1. Die Feststellungen zur Drittbeschwerdeführerin als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische junge Frau ergeben sich aus den glaubhaften Angaben der Drittbeschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vergleiche Seite 20 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung) und dem persönlichen Eindruck, der von der Drittbeschwerdeführerin in der Verhandlung gewonnen werden konnte vergleiche Seite 21 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung).
Dass die Drittbeschwerdeführerin nicht mehr nach der konservativ-afghanischen Tradition lebt und sich nach westlicher Mode kleidet und schminkt und das Kopftuch nur gelegentlich und aus modischen Überlegungen heraus trägt, beruht auf den glaubhaften Angaben der Drittbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, die sich mit dem von ihr in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Bild einer selbstbewussten jungen Frau decken. Ihre guten Deutschkenntnisse konnte sie in der mündlichen Verhandlung unter Beweis stellen, indem sie Teile der Einvernahme ohne Zuhilfenahme eines Dolmetschers souverän auf Deutsch durchführte (Seite 19 f der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung). Ihren Schulbesuch belegte die Drittbeschwerdeführerin durch eine von der Schule ausgestellte Bestätigung und Fotos (Beilage 5 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung). Dass sie über einen aktiven Freundeskreis, einschließlich Freundschaften zu Österreichern verfügt, legte die Drittbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung überzeugend dar (Seite 19 f der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung). Keine Zweifel sind an den Angaben der Drittbeschwerdeführerin zu ihrer (inzwischen beendeten) Beziehung zu einem jungen Mann und zu ihrer Freizeitgestaltung entstanden, sodass diese den Feststellungen zugrunde gelegt werden. Die Drittbeschwerdeführerin vermochte zu überzeugen, dass sie gewillt ist, eine Ausbildung zu machen und einen Beruf zu ergreifen, um wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen, zumal sie schon sehr genaue Vorstellungen über ihre berufliche Zukunft und die hierfür erforderlichen Ausbildungsschritte hat vergleiche Seite 19 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung).
Die Drittbeschwerdeführerin vermochte vor diesem Hintergrund zu überzeugen, dass sie sich einer westlichen Wertehaltung und einem westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild zugewandt hat, danach lebt und daran festzuhalten gewillt ist. Sie präsentierte sich in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig als moderne junge Frau, die ihre in Österreich gewonnene Freiheit als Frau schätzt, was sich nicht nur darin ausdrückte, dass sie sorgfältig geschminkt und mit modischer Kleidung auftrat, sondern auch darin, dass sie glaubhaft vermittelte, ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit anzustreben und Möglichkeiten, die sich ihr zur Bildung bieten, anzunehmen. Sie wird in diesen Bestrebungen auch erkennbar von ihrer Familie unterstützt. Ihr Leben in Österreich unterscheidet sich nicht wesentlich vom Leben, welches andere junge Frauen in Österreich führen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Einvernahme der Drittbeschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung darüber hinaus den Eindruck gewonnen, dass es sich bei ihr um eine junge Frau handelt, die das streng konservativ-afghanische Frauenbild und die konservativ-afghanische Tradition ablehnt und abgelegt hat. Die Drittbeschwerdeführerin hat in der Beschwerdeverhandlung verdeutlicht, dass sie sich vor - in Afghanistan für Frauen üblichen - traditionellen Einschränkungen und gesellschaftlichen Vorgaben fürchtet.
2.2.2. Die Feststellungen zur Erstbeschwerdeführerin als eine nicht am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frau ergeben sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem persönlichen Eindruck, der von der Erstbeschwerdeführerin in der Verhandlung gewonnen werden konnte.
Zunächst ist festzuhalten, dass in der Beschwerde eine Verfolgung aufgrund von westlicher Einstellung nur im Hinblick auf die Drittbeschwerdeführerin vorgebracht, im Hinblick auf die Erstbeschwerdeführerin jedoch nicht einmal behauptet wurde.
Es sind im gesamten Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die darauf schließen ließen, dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich bereits in einem solchen Maße eine ("westliche") Lebensweise führt, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt.
So handelt es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine erwachsene, sehr einfache Frau, die sich primär um den Haushalt und die Kinder kümmert, was sie auch bisher in Afghanistan und im Iran getan hat vergleiche Seite 11 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung).
Dass sie (faktische) über keine Deutschkenntnisse verfügt und Analphabetin ist, hat die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben vergleiche Seite 8 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung.
In der mündlichen Verhandlung wurde zudem der Eindruck gewonnen, dass die Erstbeschwerdeführerin sich in Österreich nur innerhalb eines äußerst kleinen Radius bewegt, obwohl es ihr möglich wäre, alleine das Haus zu verlassen und sich frei zu bewegen. Sie hat zwar angegeben, gelegentlich alleine in der näheren Umgebung spazieren zu gehen; größere Unternehmungen könne sie aber nur mit Unterstützung ihrer Kinder bewältigen vergleiche Seite 13 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung: "RI: Waren Sie z.B. schon einmal alleine in Graz? BF1: Ich habe Probleme, mir ein Ticket zu kaufen und das im Gerät abstempeln zu lassen, deshalb nein. Die Kinder müssen für mich ein Ticket kaufen und mir zeigen, wie es geht, dann würde es gehen."). Gelegentliche Spaziergänge in der näheren Umgebung stellen aber nach Auffassung des Gerichts für sich genommen noch kein ausreichend tragfähiges Substrat für die Annahme eines selbstbestimmten Lebens dar.
Die Erstbeschwerdeführerin ist darüber hinaus bei den alltäglichen Erledigungen auf die Unterstützung durch ihre Kinder und (freiwillige) Helfer angewiesen. So geht sie weder alleine zum Arzt, noch erledigt sie Einkäufe alleine vergleiche Seite 11 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung), was der Annahme eines selbstbestimmten Lebens diametral entgegen läuft.
Dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich bereits nachhaltige soziale Kontakte geknüpft hätte, was die Annahme einer westlichen Lebensführung zumindest indizieren könnte, wurde von ihr nicht vorgebracht. Die überschaubaren Kontakte, die sie bislang gewonnen hat, bestehen zu Personen, mit denen sie im Zusammenhang mit integrationsfördernden Maßnahmen in Berührung gekommen ist vergleiche Seite 11 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung).
Die Erstbeschwerdeführerin bringt zwar vor, hier in Österreich selbst arbeiten zu wollen. Diese Aussage weicht jedoch erkennbar von ihrer Lebenswirklichkeit ab, zumal in der mündlichen Verhandlung weder klare Vorstellungen noch eine konkrete Planung oder eigenes Engagement erkennbar waren und die Erstbeschwerdeführerin nicht in der Lage war, der erkennenden Richterin nachvollziehbar darzulegen, dass sie angesichts ihrer praktisch nicht vorhandenen Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache und bei der Alphabetisierung in der Lage ist, diesen Wunsch auch in die Tat umzusetzen vergleiche Seite 12 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung). Dabei wird auch berücksichtigt, dass ihr Alter und die von ihr vorgebrachten gesundheitlichen Probleme erschwerend hinzukommen.
Die Erstbeschwerdeführerin legt in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dar, dass ihr die Bildung ihrer Kinder ein großes Anliegen ist und sie diese diesbezüglich in jeder Hinsicht unterstützt. Die von ihr geäußerten Wünsche betreffend die Bildung ihrer Kinder stellen sich jedoch nicht als substanzieller Bruch mit den gesellschaftlichen Normen in Afghanistan dar, da zumindest grundlegende Bildung keineswegs verboten, sondern seitens des afghanischen Staates auch für Mädchen/Frauen ausdrücklich unterstützt wird, und jedenfalls in Kabul auch faktisch die Möglichkeiten dazu gegeben sind.
Zur Kleidung der Erstbeschwerdeführerin ist zunächst anzumerken, dass sie jedenfalls ein Kopftuch trägt und zur Verhandlung mit dunkler Hose und einer langen Tunika erschienen ist vergleiche Seite 14 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung). Es ist nicht anzunehmen, dass ihr dieser Kleidungsstil zumindest in den Großstädten Afghanistans, vor allem in Kabul, grundlegende Probleme bereiten würde vergleiche dazu auch die ins Verfahren eingebrachte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.09.2017, Frauen in urbanen Zentren).
Zusammenfassend kann somit im Falle der Erstbeschwerdeführerin davon ausgegangen werden, dass diese eine "westlichen Orientierung", der eine selbstbestimmte und selbstverantwortliche Lebensweise immanent ist, weder verinnerlicht noch in ihrer alltäglichen Lebensführung verankert hat. Die Erstbeschwerdeführerin ist eine zum Entscheidungszeitpunkt in hohem Maße unselbständige Frau, (faktisch) ohne Deutschkenntnisse, deren Lebensführung in Österreich sich insgesamt nicht wesentlich von jenem unterscheidet, welches sie über Jahre in Afghanistan führte (Haushaltsführung und Kinderbetreuung). Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen und aus dem im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen Gesamteindruck, den die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, lässt sich eine Verinnerlichung einer "westlichen Lebensweise", die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt, nicht ableiten.
2.2.3. Die Feststellungen zur Bedrohung durch ein kriminelles Netzwerk konnten aufgrund der glaubhaften Aussagen der Erstbeschwerdeführerin und ihres ältesten Sohnes römisch 40 , dem Beschwerdeführer im zu W244 2139416-1 protokollieren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, in der mündlichen Verhandlung und im Verwaltungsverfahren getroffen werden.
Die Erstbeschwerdeführerin und römisch 40 gaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend an, die Familie hätte, als der Zweitbeschwerdeführer bereits in den Iran ausgereist war, mit Hilfe des Ehemannes der Schwester des Zweitbeschwerdeführers etwa im Jahr 2006 in Kabul ein Grundstück gekauft. Als römisch 40 etwa im Jahr 2013 nach Afghanistan abgeschoben worden sei, habe er mit dem weiterhin in Kabul aufhältigen Mann seiner Tante das Grundstück besichtigen und dort mit dessen Hilfe einen Rohbau errichten wollen. Dort hätten sie gesehen, dass auf dem Grundstück bereits ein Rohbau stand. Als sie mit den Verkaufsunterlagen zum Makler, der ihnen das Grundstück verkauft hatte, gegangen seien, habe dieser die Urkunden zerrissen und verneint, sie überhaupt zu kennen. Zwei seiner Männer seien auf römisch 40 losgegangen und hätten ihn zusammengeschlagen, ihm gedroht und ihn mit einem Messer verletzt. Ein paar Tage später habe römisch 40 erfolglos versucht, den Makler erneut zu kontaktieren, worauf römisch 40 in dessen Büro gegangen sei und mit der Polizei gedroht habe. Die Männer des Maklers hätten sich mit diesem in Verbindung gesetzt und sollten römisch 40 mit dem Auto zu ihm hinführen. Unterwegs habe der Makler einen seiner Männer angerufen und ihm aufgetragen, römisch 40 umzubringen. Dieser sei daraufhin aus dem fahrenden Auto gesprungen und auf der Flucht von den Männern angeschossen und schwer verletzt worden. römisch 40 habe einige Tage in einem Krankenhaus verbracht und sei dann wieder zum Haus seiner Tante zurückgegangen. Dort seien bereits Männer gewesen, die nach römisch 40 gefragt hätten. Der Mann seiner Tante sei sich der von dem kriminellen Netzwerk ausgehenden Gefahr bewusst gewesen und habe römisch 40 unter dem Vorwand einer schweren Erkrankung des Zweitbeschwerdeführers dazu gebracht, unverzüglich aus Afghanistan auszureisen. Er selbst sei kurz darauf aus gesundheitlichen Gründen verstorben.
Das diesbezügliche Vorbringen im Verlauf des Verfahrens ist schlüssig, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturen in Afghanistan plausibel, weitgehend widerspruchsfrei, substantiiert und angereichert mit lebensnahen Details. Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Sohn zeichneten insbesondere in der mündlichen Verhandlung in ihren Aussagen und ihrem Antwortverhalten ein glaubwürdiges Bild der geschilderten Vorfälle, präsentierten keine einstudierte lineare Fluchtgeschichte und vermittelten so den Eindruck, die dargestellten Ereignisse wären tatsächlich so vorgefallen. Sie konnten auch glaubhaft darlegen, dass der betrügerische Verkäufer des Grundstückes ein einflussreicher Mann war, der über ein großes Netzwerk verfügte und vor Gewalt nicht zurückschreckte vergleiche insbesondere Seite 29 f der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung).
Soweit die Erstbeschwerdeführerin lediglich grobe Ausführungen tätigte bzw. ihre Schilderungen eine gewisse Detailfülle vermissen lassen, kann im vorliegenden Fall die Tatsache, dass ihr die Umstände und Ereignisse weitgehend nur aus Erzählungen anderer zur Kenntnis gebracht worden waren, zu ihren Gunsten beweiswürdigend berücksichtigt werden.
Einzelne kleinere Ungereimtheiten im Vorbringen in der Erstbefragung des ältesten Sohnes der Erstbeschwerdeführerin konnten im Wesentlichen aufgeklärt werden. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang zu Gunsten der Beschwerdeführer beweiswürdigend zu berücksichtigen, dass vor dem Hintergrund der Judikatur (zB VfGH 20.02.2014, U 1919/2013; VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; 13.11.2014, Ra 2014/18/0061) zur Berücksichtigung der Funktion der Erstbefragung im Rahmen der Würdigung von Aussagen des Asylwerbers während der Erstbefragung an die dennoch bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen im Rahmen der Beweiswürdigung keine hohen Ansprüche in Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit zu stellen sind vergleiche auch VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189 mwN).
Das diesbezügliche Fluchtvorbringen wird daher insgesamt als glaubhaft erachtet.
Dass es sich bei dem betrügerischen Verkäufer des Grundstücks um eine kriminelle Privatperson und nicht um einen Talib oder um das Mitglied eines sonstigen regierungsfeindlichen Netzwerkes handelt, lässt sich aus den insoweit unsubstantiierten Angaben der Erstbeschwerdeführerin und ihres ältesten Sohnes, dem Beschwerdeführer im zu W244 2139416-1 protokollieren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, in der mündlichen Verhandlung ableiten ("RI: Ist er sehr einflussreich und wenn ja, warum? BF1: Ich kenne ihn nicht. Mein ‚Schwager' sagte mir, er sei eine sehr gefährliche Person. Er muss einflussreich sein, um so einer Arbeit nachzugehen. Menschen umbringen, das ist für ihn so, wie Vögel zu töten. Ich weiß nicht, mit wem er zusammenarbeitet, mit der Regierung oder den Taliban, ich weiß nicht mit wem." [vgl. Seite 17 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung]; "RI: Steht römisch 40 in irgendeiner Verbindung zu extremistischen Gruppen? BF3: Ich weiß es nicht, aber sicherlich, weil jeder, der in Afghanistan solche Geschäfte macht und hinter dem die Polizei steht, sicher einen derartigen Einfluss hat. Wenn ich ihn angezeigt hätte, hätte ich sicher nichts erreicht, denn er hatte auch bei der Polizei Leute." [vgl. Seite 30 der Niederschrift]).
Dass die mangelnde Schutzfähigkeit ausschließlich auf die mangelnde Effektivität der afghanischen Polizei in Afghanistan zurückzuführen ist, beruht auf den glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin und ihres ältesten Sohnes, dem Beschwerdeführer im zu W244 2139416-1 protokollieren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, vergleiche Seite 30 der Niederschrift: "RI: Wieso glauben Sie, dass Sie von der Polizei nicht ausreichend geschützt werden könnten? BF3: Wenn ich zur Polizei gegangen wäre, hätte die Polizei sicher zu ihm gehalten. Die meisten Polizisten dort sind bestechlich.") und den damit im Einklang stehenden, ins Verfahren eingebrachten Länderberichten vergleiche insbesondere Pkt. 1.3.1.).
2.2.4. Eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund ihrer Eigenschaft als Hazara und Schiiten vermochten die Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen: Ihr diesbezügliches Vorbringen blieb sowohl vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der mündlichen Verhandlung vorwiegend abstrakt gehalten und weitgehend vage vergleiche zB Seite 18 der Niederschrift zur mündlichen
Verhandlung: "RI: Fühlen Sie sich mehr als andere Hazara auf Grund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit individuell bedroht oder bezieht sich die von Ihnen geschilderte Bedrohung auf die Hazara als Gruppe?
BF1: Nein, das bezieht sich nicht nur auf mich, sondern Hazara sind generell dort bedroht. Dazu kommt, dass wir dort Feinde haben. Die Hazara, die dort leben wollen, müssen die Gesetze dort befolgen, sich kleiden wie die anderen und haben auch keinen Schutz vor Daesh oder den Taliban."). Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage in ihrem Herkunftsland Afghanistan lässt sich keine drohende konkret gegen sie gerichtete Verfolgung ableiten.
Hinsichtlich einer behaupteten Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan wird auf die Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung verwiesen.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (siehe v.a. die Aktualisierungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom Dezember 2017 und vom Jänner 2018) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Die oben wiedergegebenen Länderberichte wurden den Beschwerdeführern - neben darüber hinaus gehenden Länderfeststellungen - mit der Ladung übermittelt bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übergeben. Den Beschwerdeführern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Die Beschwerdeführer erstatteten zwar im Wege ihrer Vertretung eine Stellungnahme, traten den oben wiedergegebenen Länderberichten und Erkenntnisquellen jedoch nicht substantiiert entgegen; vielmehr stützten sie sich sogar darauf.
Zu in der Beschwerde und in der Stellungnahme verwiesenem weiterem Länderberichtsmaterial, unter anderem einem Afghanistan-Update der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 14.09.2017 und aktuellem Berichtsmaterial von EASO, ist anzumerken, dass die darin getätigten Aussagen in den oben angeführten Länderfeststellungen im Kern ohnehin Deckung finden.
Die Richtlinien und Anmerkungen von UNHCR wurden ausreichend berücksichtigt (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vergleiche u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist zulässig.
3.2. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.2.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde vergleiche VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr vergleiche VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, Paragraph 45,, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder im Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Stellt ein Familienangehöriger iSd Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005 von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß Paragraph 34, Absatz eins, AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Paragraph 2, Absatz 3,), die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 7,).
Gemäß Paragraph 34, Absatz 4, AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Absatz 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.
3.2.2. Zur Drittbeschwerdeführerin:
Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, ist es der Drittbeschwerdeführerin gelungen, glaubhaft zu machen, eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte junge Frau zu sein. Sie hat daher aus nachstehenden Gründen eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus einem der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe aufgezeigt:
Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Afghanistan haben sich zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefen, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von den in den Länderberichten aufgezeigten Einschränkungen und Diskriminierungen kann jedoch bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere einer diesen - traditionellen und durch eine konservativ-religiöse Einstellung geprägten - gesellschaftlichen Zwängen nach außen hin offen widerstrebenden Wertehaltung einer Frau, Asylrelevanz erreichen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden. Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer bedrohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (so zuletzt VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301 ua).
Den aktuellen Länderfeststellungen vergleiche 1.3.1. und die unter 1.3.2. wiedergegebenen UNHCR-Richtlinien, denen Indizwirkung zukommt), ist zu entnehmen, dass kulturelle Verbote für die freie Fortbewegung und das Verlassen des Hauses ohne Begleitperson viele Frauen daran hindern, außerhalb ihres Hauses zu arbeiten, und ihren Zugang zu Bildung, Gesundheitsvorsorge, Polizeischutz und andere soziale Leistungen begrenzen. Öffentliche Schande haftet Frauen an, die ihr Haus ohne männliche Begleitperson verlassen. Frauen sind besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen zu werden, wenn ihr Verhalten als nicht mit den von der Gesellschaft, der Tradition oder sogar vom Rechtssystem auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen wird.
Für die Drittbeschwerdeführerin wirkt sich die derzeitige Situation in Afghanistan so aus, dass sie im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbarer Einschränkungen und durch das Bestehen dieser Situation einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre. Die Drittbeschwerdeführerin unterliegt allerdings einer erhöhten Gefährdung, in Afghanistan dieser Situation ausgesetzt zu sein, weil sie aufgrund ihrer Wertehaltung und Lebensweise gegenwärtig in Afghanistan als eine junge Frau wahrgenommen würde, die sich als nicht konform ihrer durch die Gesellschaft, Tradition und das Rechtssystem vorgeschriebenen geschlechtsspezifischen Rolle benimmt; sie ist insofern einem besonderen Misshandlungsrisiko ausgesetzt vergleiche dazu EGMR, 20.07.2010, 23.505/09, N./Schweden, ebenfalls unter Hinweis auf UNHCR). Die die Drittbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan bedrohende Situation ist in ihrer Gesamtheit von asylrelevanter Intensität.
Es ist nach Lage des Falles davon auszugehen, dass die Drittbeschwerdeführerin vor dieser Bedrohung in Afghanistan nicht ausreichend geschützt werden kann. Zwar stellen diese Umstände keine Eingriffe von "offizieller" Seite dar, das heißt, sie sind von der gegenwärtigen afghanischen Regierung nicht angeordnet; andererseits ist es der Zentralregierung auch nicht möglich, für die umfassende Gewährleistung grundlegender Rechte und Freiheiten der afghanischen Frauen Sorge zu tragen. Gegenwärtig besteht in Afghanistan kein funktionierender Polizei- und Justizapparat. Darüber hinaus ist nicht davon auszugehen, dass im Wirkungsbereich einzelner lokaler Machthaber effektive Mechanismen zur Verhinderung von Übergriffen und Einschränkungen gegenüber Frauen bestünden; ganz im Gegenteil liegt ein derartiges Vorgehen gegenüber Frauen teilweise ganz im Sinne der lokalen Machthaber. Für die Drittbeschwerdeführerin ist damit nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie angesichts des sie als westlich orientierte Frau betreffenden Risikos, Opfer von Misshandlungen und Einschränkungen zu werden, ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden kann.
Auch die für die Asylgewährung erforderliche Anknüpfung an einen Konventionsgrund (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) ist im vorliegenden Fall gegeben. Bei der Drittbeschwerdeführerin liegt das dargestellte Verfolgungsrisiko in ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich der Gruppe der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen vergleiche dazu VwGH 20.06.2002, 99/20/0172, mwN).
Es ist daher zu prognostizieren, dass die Drittbeschwerdeführerin im Falle ihrer nunmehrigen Rückkehr nach Afghanistan als westlich orientierte Frau mit hoher Wahrscheinlichkeit Eingriffen von erheblicher Intensität ausgesetzt sein wird.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für die Drittbeschwerdeführerin nicht, zumal im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen ist, in der die am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen einem erhöhten Sicherheitsrisiko und den daraus resultierenden Einschränkungen ausgesetzt sind.
Da auch keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war der Drittbeschwerdeführerin schon aus diesem Grund gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen.
3.2.3. Zur Erstbeschwerdeführerin und zum Zweitbeschwerdeführer:
3.2.3.1. Zur (fehlenden) westlichen Orientierung der Erstbeschwerdeführerin:
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, konnte im Fall der Erstbeschwerdeführerin nicht festgestellt werden, dass diese seit ihrer Einreise nach Österreich im November 2015 eine Lebensweise angenommen hat, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde, somit eine "westliche" Lebensführung angenommen hat, die ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden wäre und mit der sie mit den sozialen Gepflogenheiten des Heimatlandes brechen würden.
Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan haben sich keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, einer Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass sich laut jüngsten Länderberichten die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat.
Bezogen auf Afghanistan führt die Eigenschaft des Frau-Seins an sich gemäß der ständigen Judikatur der Höchstgerichte nicht zur Gewährung von Asyl. Lediglich die Glaubhaftmachung einer persönlichen Wertehaltung, die sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert, wird als asylrelevant erachtet; es ist daher zu prüfen, ob westliches Verhalten oder westliche Lebensführung derart angenommen und wesentlicher Bestandteil der Identität einer Frauen geworden ist, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (VfGH 12.06.2015, Zl. E 573/2015).
Den bisherigen Aktivitäten bzw. der Lebensweise der Erstbeschwerdeführerin seit ihrer Einreise ist insgesamt nicht zu entnehmen, dass diese einen derartigen "westlichen", selbstbestimmen Lebensstil anstrebt oder bereits pflegt. Auch eine entsprechende innere Wertehaltung konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Infolgedessen verletzt die Erstbeschwerdeführerin mit ihrer Lebensweise die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan nicht in einem Ausmaß, dass ihr bei einer Rückkehr (unter Beibehaltung des derzeitigen Lebensstils) eine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde.
3.2.3.2. Zur Verfolgung durch Private:
Bei der von den Beschwerdeführern vorgebrachten und glaubhaft gemachten Verfolgung durch Kriminelle handelt es sich um eine Verfolgung durch Privatpersonen ohne Anknüpfung an einen in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Grund (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung), zumal es sich beim betrügerischen Verkäufer des Grundstücks nicht um einen Talib oder um das Mitglied eines sonstigen regierungsfeindlichen Netzwerkes handelt.
Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche etwa VwGH vom 20. Mai 2015, Ra 2015/20/0030, mwN). Dies konnte jedoch im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, zumal die mangelnde Schutzwilligkeit im vorliegenden Fall ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass die Effektivität der afghanischen Polizei in Afghanistan großteils nicht in dem nötigen Ausmaß gegeben ist.
3.2.3.3. Zur Verfolgungsgefahr aus Gründen der Volksgruppenzugehörigkeit:
Weiters ist im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor dem Hintergrund des in der Beschwerde und in der Stellungnahme zitierten Berichtsmaterials und der dort getroffenen Ausführungen der Beschwerdeführer zu prüfen, ob die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre. Eine konkrete individuelle Verfolgung auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara wurde von den Beschwerdeführern - wie oben unter Pkt. 2.2.4. dargelegt - nicht glaubhaft gemacht.
Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mit Verweis auf VfGH 18.09.2015, E 736/2014). Dass ein Angehöriger der ethnischen und religiösen Minderheit der Hazara im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht finden:
Auf Basis der oben wiedergegebenen Länderberichte ist festzuhalten, dass Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, (weiterhin) von Diskriminierung in Form von illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen sind. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13.10.2015, Ra 2015/19/0106, eine Gruppenverfolgung der Hazara mit der Begründung nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen habe, was jedoch in der vorliegenden Entscheidung nicht der Fall ist. In einer weiteren Entscheidung behob der Verwaltungsgerichtshof ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, weil dieses sich im zugrunde liegenden Fall nicht mit dem Beschwerdevorbringen zu einer Gruppenverfolgung der Hazara in Ghazni auseinandergesetzt hatte (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0171); der vorliegende Fall ist mit dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden schon deshalb nicht vergleichbar, weil die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ursprünglich nicht aus der Provinz Ghazni stammen - zudem erfolgte eine hinreichende amtswegige Auseinandersetzung mit dem relevanten Länderberichtsmaterial sowie der Frage des Vorliegens einer Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara Auch der Verwaltungsgerichthof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).
Da eine Gruppenverfolgung - in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit - von Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht gegeben ist und die Beschwerdeführer diesbezüglich auch keine individuelle Bedrohung dargetan haben, lässt sich auch insoweit eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführer nicht ableiten.
3.2.3.4. Da sich auch sonst keine konkreten Anhaltspunkte für eine gegen die Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in ihrem Heimatstaat ableiten ließen, liegt hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers keine individuelle Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention im Herkunftsstaat vor.
3.2.3.5. Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des Paragraph 34, AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers einerseits und der Drittbeschwerdeführerin andererseits vor. Da der minderjährigen Tochter der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 auch der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des Paragraph 34, Absatz 2, Ziffer eins bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.
3.2.4. Zum Viertbeschwerdeführer:
Hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers wurden im Verfahren keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht und haben sich im Verfahren auch keine Anhaltspunkte für solche ergeben. Es liegt daher - unter Berücksichtigung der unter Punkt 3.2.3.2. und 3.2.3.3. getätigten Erwägungen - auch hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers keine individuelle Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention im Herkunftsstaat vor.
Da der Mutter und dem Vater des Viertbeschwerdeführers, der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführers, gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens zuerkannt wurde und es sich beim Drittbeschwerdeführer um ein minderjähriges lediges Kind im Sinne des Paragraph 34, Absatz 6, Ziffer 2, AsylG 2005 handelt, ist auch dem Drittbeschwerdeführer gemäß Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 im Rahmen des Familienverfahrens der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des Paragraph 34, Absatz 2, Ziffer eins bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.
3.2.5. Asyl auf Zeit:
Gemäß Paragraph 3, Absatz 4, in Verbindung mit Paragraph 75, Absatz 24, AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu, wenn er einen Antrag auf internationalen Schutz nicht vor dem 15.11.2015 gestellt hat. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz wurden am 24.11.2015, sohin nicht vor dem 15.11.2015, gestellt; den Beschwerdeführern, denen der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, kommt daher eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN).
ECLI:AT:BVWG:2018:W244.2139405.1.00