Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

29.12.2017

Geschäftszahl

I405 2162461-1

Spruch

I405 2162461-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch XXXX StA. Nigeria, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/Top 5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2017, Zl. 281873310-170228734, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

behoben und die Angelegenheit gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 02.06.2004 seinen ersten Asylantrag.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes römisch XXXX, wurde der BF wegen Paragraphen 27, Absatz eins, erster, zweiter und sechster Fall, Absatz 2, Ziffer 2, erster Fall SMG und Paragraph 15, Paragraph 269, Absatz eins, StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt.

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 22.07.2005, 04 11.466-BAE, wurde der Asylantrag des BF abgewiesen. Es wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Nigeria zulässig sei. Zugleich wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes römisch XXXX, wurde der BF wegen Paragraphen 27, Absatz eins und Absatz 2, Ziffer 2, erster Fall SMG rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt.

5. Mit Urteil des Landesgerichtes römisch XXXX, wurde der BF wegen Paragraphen 269, Absatz eins,, 15 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt.

6. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 08.08.2006, Zl. III-1184721/FrB/06, wurde gegen den BF gemäß Paragraph 62, Absatz eins und Absatz 2, in Verbindung mit Paragraph 60, Absatz 2, Ziffer eins und Paragraph 63, Absatz eins, FPG idgF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18.11.2006, Zl. SD 1073/06, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das Rückkehrverbot unbefristet erlassen wurde.

7. Mit Bescheid vom 16.10.2007, Zl. 263.078/0/10E-XV/54/05, wies der Unabhängige Bundesasylsenat die Berufung (nunmehr Beschwerde) hinsichtlich der negativen Asylentscheidung ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Abschiebung und Ausweisung. Letztgenannte Entscheidung wurde dem BF am 30.10.2007 ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellt und erwuchs mit diesem Tag in Rechtskraft.

8. Der zwischenzeitig in die Schweiz ausgereiste BF reiste am 30.09.2009 illegal mit dem Zug wieder in das österreichische Bundesgebiet ein und stelle am 30.10.2009 einen weiteren Asylantrag.

9. Dieser zweite Asylantrag vom 30.10.2009 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.11.2009, Zl. 09 13.466 EAST-Ost, gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der BF gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 idgF aus dem österreichischem Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

10. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.12.2009, A5 263.078-2/2009/4E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

11. Mit Urteil des Bezirksgerichtes römisch XXXX, wurde der BF wegen Paragraph 231, Absatz eins, StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Wochen verurteilt.

12. Der BF stellte am 01.12.2014 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8, EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" gemäß Paragraph 55, AsylG. Dem Antrag beigelegt wurde eine Kopie eines nigerianischen Reisepasses, ein Meldezettel, eine nigerianische Heiratsurkunde, die Kopie eines slowakischen Aufenthaltstitels und der E-Card sowie Kontoauszüge, wonach der BF Unterhalt zahle.

13. Mit Schreiben vom 28.12.2015 teilte die belangte Behörde dem BF mit einer "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" mit, dass beabsichtige sei seinen Antrag nach Paragraph 55, AsylG abzuweisen. Zugleich wurde dem BF unter Setzung einer zweiwöchigen Frist die Möglichkeit zur Stellungnahme aufgetragen und er darauf hingewiesen, das Verfahren werde ohne nochmalige Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt, falls er die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht wahrnehme.

14. Mit Stellungnahme vom 26.01.2016 (nach vorheriger Anfrage auf Friststreckung) brachte der BF vor, dass er am 22.09.2011 eine namentlich genannte slowakische Staatsbürgerin geehelicht habe, mit welcher auch eine namentlich genannte Tochter habe. Seine Ehefrau habe aber erstmals am 30.07.2013 die Scheidung eingereicht, welche mit Beschluss des Bezirksgericht römisch XXXX vom 10.06.2014 abgewiesen worden sei. Seine Frau habe deshalb auch in der Slowakei die Scheidung beantragt. Er würde mit seiner Ehefrau in Unfrieden leben, weshalb er hierzu keine Unterlagen vorlegen könne. Seine Frau wolle nicht, dass er Unterhalt bezahle, jedoch würde er trotzdem Geld überweisen. Er besuche derzeit einen Deutschkurs sowie die afrikanische katholische Kirche und verfüge er über eine Einstellungszusage. Der Stellungnahme beigelegt waren die Geburtsurkunde der Tochter, Heiratsurkunde, Ehescheidungsprotokoll, Beschluss des Bezirksgerichtes, Antrag auf Ehescheidung in der Slowakei, Deutschkursbesuchsbestätigung, Mietvertrag und eine Bestätigung der Afrikanischen Katholischen Kirche.

15. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.03.2016 wurde das vom 08.08.2006 erlassene Rückkehrverbot von Amts wegen aufgehoben.

16. Am 24.03.2016 zog der BF nach vorheriger Belehrung den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8, EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" gemäß Paragraph 55, AsylG zurück.

17. Mit Schreiben vom 18.07.2016 legte der BF der belangten Behörde das slowakische Scheidungsurteil samt Übersetzung vor.

18. Mit Schreiben vom 23.02.2017 teilte die belangte Behörde dem BF mit einer "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" mit, dass beabsichtigt sei gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen und trug ihm unter Setzung einer zehntägigen Frist zur Stellungnahme die Beantwortung einer Reihe von Fragen auf und wies darauf hin, das Verfahren werde ohne nochmalige Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt, falls er die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht wahrnehme. Es langte keine Stellungnahme ein.

19. Mit Urteil des Landesgerichtes römisch XXXX wurde der BF wegen Paragraph 27, Absatz eins, Ziffer eins, achter Fall, Absatz 3, SMG Paragraph 15, StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monate verurteilt.

20. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 09.06.2017, 281873310/170228734, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den Paragraph 57, AsylG nicht erteilt und gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG idgF wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG 2005 idgF erlassen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß Paragraph 46, FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.). Ferner wurde gemäß Paragraph 55, Absatz 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß Paragraph 18, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt römisch III.). Letztlich wurde gegen den BF gemäß Paragraph 53, Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3, Ziffer 2, FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Die belangte Behörde stellte im bekämpften Bescheid zur Person des BF fest, dass seine Identiät fest stehe und er nigerianischer Staatsangehöriger sei. Der BF sei unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, welcher in zweiter Instanz negativ entschieden worden sei. Auch der Folgeantrag des BF vom 30.10.2009 sei zweitinstanzlich negativ entschieden worden.

Mit Bescheid vom 08.08.2006 sei gegen den BF aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ein auf zehn Jahre befristetes Rückkehrverbot erlassen worden, welches mit Berufungsbescheid vom 18.09.2016 ohne Befristung festgesetzt worden sei. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.03.2016 sei das erlassene Rückkehrverbot von Amts wegen aufgehoben worden.

Am 01.04.2016 sei der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist. Der Zeitpunkt der Wiedereinreise des BF entziehe sich der Kenntnis der belangten Behörde. Laut dem Zentralen Melderegister habe der BF von 01.07.2014 bis 03.11.2016 über einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich verfügt. Dem Sozialversicherungsauszug sei zu entnehmen, dass der BF keiner offiziellen Beschäftigung nachgehe. In Österreich sei der belangten Behörde keine dauerhafte berufliche, familiäre noch soziale Bindung des BF bekannt und sei dieser aufgrund seiner Aufenthaltsdauer und seinem aufgezeigtem Fehlverhalten als nicht integriert anzusehen.

Zur Lage im Herkunftsstaat wurde lediglich festgestellt, dass es sich laut aktuell vorliegendem Länderinformationsblatt bei Nigeria um einen demokratischen Drittstaat handle und nichts gegen die Rückkehr des BF spreche.

Beim Einreiseverbot wurde auf die strafrechtlichen Verurteilungen des BF hingewiesen.

Beweiswürdigend referierte die belangte Behörde zum Aufenthalt des BF in Österreich, dass der BF mehrmals strafrechtlich verurteilt worden sei und er sich der Mitwirkungspflicht an sämtlichen anhängigen Verfahren entzogen habe. Der BF sei am 01.04.2016 ausgereist, jedoch sei er wieder in das Bundesgebiet eingereist, um eine gerichtlich strafbare Handlung zu setzen. Er befinde sich derzeit in einer Justizanstalt. Die negativen Asylentscheidungen als auch die rechtskräftigen Verurteilungen würden den illegalen Aufenthalt des BF bestätigen. Zum Privat-und Familienleben des BF wiederholte die belangte Behörde ihre Feststellungen. Betreffend die Lage im Herkunftsstaat referierte die belangte Behörde, dass sie sich mit dem Länderinformationsblatt auseinandergesetzt habe, jedoch könne nicht auf die einzelnen Punkten eingegangen werde, da der BF keine Stellungnahme abgegeben habe und daher auch keine Gründe vorliegen, welche gegen eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sprechen würden.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt römisch eins. aus, dass die Asylantärge des BF einhergehend mit einer Ausweiung negativ entschieden worden seien. Fernerhin habe der BF ein vorerst befristetes, in weiterer Folge unbefristetes Rückkehrverbot erhalten, welches 2016 von Amts wegen aufgehoben worden sei. Dem Rückkehrverbot seien gerichtliche Verurteilungen vorausgegangen. Es sei in keinster Weise von einer sozialen Integration auszugehen, da der BF sich zwar seit 2004 im Bundesgebiet aufhalte – teilweise als Asylwerber – jedoch trotz behördlicher Meldung im Verborgenen gelebt habe. Der BF sei in Österreich noch nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen und bestehen zu Österreich auch keine familiären Bindungen. Von einer Bindung zu seinem Heimatsstaat sei auszugehen, da er dort den Großteil seines Lebens verbrachte habe, er dort sozialisiert worden sei und er in einem arbeitsfähigem Alter sei. Fernerhin würden sich auch weder aus den Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat noch aus dem Vorbringen des BF ergeben, wonach eine Abschiebung als unzulässig zu erklären sei (Spruchpunkt römisch II.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Spruchpunkt römisch III. wurde im Wesentlichen damit begründet, dass vor dem Hintergrund der rechtskräftigen Verurteilungen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den BF auszugehen, und somit die sofortige Ausreise erforderlich sei. Das Einreiseverbot stützte die belangte Behörde auf die strafrechtlichen Verurteilungen und den ihnen zugrunde gelegten Tatvorwürfen, aus denen sich ergebe, dass das Fehlverhalten des BF im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle (Spruchpunkt römisch IV.).

21. Der Bescheid des BFA wurde dem BF, samt den Verfahrensanordnungen vom 09.06.2017 wonach dem BF eine Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt und ihm die verpflichtende Teilnahme an einem Rückehrberatungsgespräch aufgetragen wurde, am 09.06.2017 zugestellt.

22. Mit Schriftsatz vom 02.05.2017 erhob die rechtsfreundliche Vertretung des BF fristgerecht Beschwerde.

Zunächst wurden die Anträge gestellt, "die Rechtsmittelbehörde möge

1) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde ersatzlos aufbehen und feststellen, dass gem. Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 55, Absatz 2, AsylG 2005 erteilen, in eventu 2) die gem. Paragraph 10, Absatz 2, AsylG in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG ausgesprchene Rückkehrentscheiung aufheben; 3) die Beschwerde gegen die Rückkerentscheidung die aufschiebende Wirkung zuerkenn, 4) die Abschieung nach Nigeria für unzulässig erklären; das gem. Paragraph 53, Absatz eins, iVM Absatz 3, Ziffer eins, FPG erlassene Einreiseverbot in der Höhe von 5 Jahren zur Gänze beheben, in eventu die Dauer des Einreiseverbotes auf verhältnismäßiges Ausmaß reduzieren, 6) eine mündliche Verhandlung anberaumen."

Der BF sei mit einer namentlich genannten slowakischen Staatsbürgerin verheiratet und habe er mit dieser eine vierjährige Tochter. Sohin würde jedenfalls ein schützenswertes Privat- und Familienleben vorliegen, welches eine Rückkerentscheidung gem. Paragraph 9, Absatz 3, BFA-Vg auf Dauer unzulässig mache. Zwar habe der BF die Beziehung zu seiner Frau zu einem Zeitraum gegründet, als er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei, jedoch würde die Trennung einen schweren Eingriff in das Recht auf Familienleben gem. Artikel 8, EMRK darstellen, da er die Beziehung zu seiner Frau und zu seiner Tochter nicht außerhalb Österreichs bzw. der Slowakei führen könne. Seine Ehefrau verfüge kaum über finanzielle Mittel, sohin wären nicht einmal gelegentliche Besuche in Nigeria möglich und die minderjährige Tochter würde ohne ihren Vater aufwachsen, was auch nicht dem Kindeswohl ensprechen würde. Fernerhin halte sich der BF seit über 13 Jahren in Österreich auf. Seine slowakische Ehefrau würde seit mehr als drei Monate in Österreich leben sohin habe sie von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht gebrauch gemacht und der BF sei sohin begünstigter Drittsstaatsangehöriger. Die belangte Behörde hätte daher die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes gemäß Paragraph 67, FPG prüfen müssen.

23. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und sind am 27.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

24. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2016, Zl. I405 2162461-1/3Z, wurde der Beschwerde gemäß Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen, Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt römisch eins. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser ergibt sich bedenkenlos aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

2.1.1. Gemäß Paragraph 9, Absatz 2, des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, idgF, und Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

2.1.2. Gemäß Paragraph 6, des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 10 aus 2013,, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 33 aus 2013, idgF, geregelt. Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß Paragraph 31, Absatz eins, VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A):

2.2. Zur Zurückverweisung:

2.2.1. Gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Ziffer eins,) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Ziffer 2,).

Gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Absatz 2, leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Vor dem Hintergrund der soeben zitierten Bestimmung hatte die gegenständliche Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.

Eine Zurückweisung der Sache gemäß Paragraph 28, Absatz 3, zweiter Satz VwGVG an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts vergleiche Paragraph 37, AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden vergleiche VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Gemäß Paragraph 60, AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch in qualifizierter Weise unterlassen worden.

2.2.2. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweist sich in wesentlichen Punkten als mangelhaft:

Es musste dem Bundesamt durch zahlreiche Judikate des Bundesverwaltungsgerichts und durch eine gleichbleibende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bekannt sein, dass hinsichtlich der Interessensabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG nähere und aktuelle Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF für die Beurteilung einer möglichen Verletzung des Artikel 8, EMRK relevant sind.

Für das Bundesverwaltungsgericht erweist sich der vorliegende Sachverhalt in Bezug auf das Privat- und Familienleben als so mangelhaft, dass festzustellen ist, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gar nicht ermittelt hat.

Weder erweist sich diesbezüglich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, ob der BF in Österreich ein schutzwürdiges Privat- und Familienleben entwickelt hat. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten schweren Mängeln behaftet. Es wurde auf S. 7 des angefochtenen Bescheides ausgeführt: "In Österreich sind der Behörde weder dauerhafte berufliche, familiäre noch soziale Bindungen bekannt." Durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt ist jedoch ersichtlich, dass der BF eine vierjährige Tochter hat, welche in Österreich wohnhaft ist. Insbesondere die Frage der Fortführung eines Familienlebens mit einem Kind muss unter Berücksichtigung des Kindeswohls geprüft werden; dies hat das BFA im vorliegenden Fall gänzlich unterlassen. Des Weiteren hat es die belangte Behörde auch gänzlich unterlassen eine Prüfung zur möglichen Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd Paragraph 2, Absatz 4, Ziffer 11, FPG des BF zu machen, so dass von einer Delegierung an das Bundesverwaltungsgericht ausgegangen werden muss. Die Voraussetzungen des Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG sind somit nicht gegeben.

In Hinblick auf die (aktuelle) Situation in seinem Herkunftsstaat ist die Zulässigkeit der Abschiebung zu prüfen. Im angefochtenen Bescheid wurden keine Länderfeststellungen zu der Situation in Nigeria getroffen. Es wurde lediglich auf S. 9 des angefochtenen Bescheides ausgeführt: "Ho. Behörde hat sich mit dem Länderinformationsblatt für Nigeria, respektive der Länderfeststellung intensiv beschäftigt, jedoch konnte zu den einzelnen Punkten nicht eingegangen werden, da Sie keine Stellungnahme abgegeben haben und daher auch keine Gründe ho. Aufliegen, welche gegen eine Rückkehr in Ihre Heimat spricht."

Die Feststellung, welche die belangte Behörde getroffen hat, ist als unzureichend für die darauf gestützte rechtliche Begründung zu erachtet. Im Bescheid der belangten Behörde finden sich keine Ermittlungsschritte in Form von Länderberichten oder dergleichen in Bezug auf den Herkunfts- und Ausweisestaat Nigeria und mangelt es der von der belangten Behörde aufgestellten Behauptung, der BF habe keinerlei Bedenken bezüglich einer Abschiebung nach Nigeria vorgebracht, jeglicher Grundlage, zumal der BF über eine etwaige Abschiebung und damit verbundenen Rückkehrgefährdung gar nicht befragt wurde. Fernerhin hat es die belangte Behörde unterlassen, dem BF die aktuellen Länderfeststellungen zur Situation in Nigeria vorzulegen bzw. mit ihm zu erörtern. Es wurde daher auch kein Parteiengehör hinsichtlich der Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung gewährt.

Die Feststellung, dass der BF keine Rückkehrhindernisse vorgebracht habe, erweist sich angesichts des zuvor Ausgeführten sohin als nicht richtig und würde zudem in Bezug auf die Bewertung der Rückkehrsituation des BF allein nicht hinreichen. Wenn die belangte Behörde ausführt, sie habe eine Rückkehrgefährdung anhand der Länderfeststellungen geprüft und würde aufgrund der nichterfolgten Stellungnahme des BF keine Gründe vorliegen, welche gegen seine Rückführung sprechen würden, so ist dies nicht ausreichend, sondern hat die belangte Behörde die entsprechende Beweiswürdigung vorzunehmen und die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

Fernerhin unterließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im gegenständlichen Verfahren, den BF einzuvernehmen. Der BF wurde letztmalig am 10.11.2009 - und damit vor über acht Jahren – in seinem Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Er wurde zwar mit "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 23.02.2017 aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben, jedoch hätte eine mündliche Einvernahme des BF erfolgen sollen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren durch eine mündliche Einvernahme des BF mit den persönlichen Umständen des BF, insbesondere mit der Beziehung zu seiner Tochter, auseinanderzusetzen haben und ihm Parteiengehör zu den Länderfeststellungen zu gewähren haben.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungs-gericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem weil das BFA als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß Paragraph 5, BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist, sowie aufgrund des Umstandes, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerde-verfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes gemäß Paragraph 28, Absatz 3, zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

2.3. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, liegen vor.

Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR/EuGH stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2017:I405.2162461.1.01