Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

05.12.2017

Geschäftszahl

W264 2149695-1

Spruch

W264 2149694-1/13E

W264 2149695-1/13E

W264 2149696-1/12E

W264 2149692-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin römisch 40 (BF2), geb. 19.7.1990, StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung,

Mag. Carolin SEIFRIEDSBERGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 20.2.2017,

Zahl: 1097572303-151916035, nach Durchführung einer mündlichen

Verhandlung am 27.9.2017 und am 28.9.2017 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 iVm

Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AslyG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers römisch 40 , (BF1) geb. 1.1.1988, StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung,

Mag. Carolin SEIFRIEDSBERGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 20.2.2017,

Zahl: 1097571404-151916120, nach Durchführung einer mündlichen

Verhandlung am 27.9.2017 und am 28.9.2017 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 iVm

Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Drittbeschwerdeführerin römisch 40 (BF3), geb. 3.10.2014, StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch die gesetzlichen Vertreter, diese vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Mag. Carolin SEIFRIEDSBERGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 20.2.2017, Zahl:

1097573300-151916235, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.9.2017 und am 28.9.2017 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 iVm

Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AslyG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers römisch 40 (BF4), geb. 28.3.2016, StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch die gesetzlichen Vertreter, diese vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Mag. Carolin SEIFRIEDSBERGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 20.2.2017, Zahl:

1111395606-160523330, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.9.2017 und am 28.9.2017 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 iVm

Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AslyG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

Zur leichteren Nachvollziehbarkeit wird festgehalten, dass die Abkürzungen BF1 bis BF4 im Folgenden – zur leichteren Lesbarkeit dieser Entscheidung – beibehalten werden.

Zur leichteren Nachvollziehbarkeit und zum Zwecke flüssigerer Lesbarkeit wird festgehalten, dass vor dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführer folgend mit der Abkürzung BF1 bis BF4 bezeichnet werden.

1. BF1 und BF2 reisten gemeinsam mit der minderjährigen Kindern BF3 in Umgehung der Grenzkontrollen unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 2.12.2015 für sich und die minderjährige BF3 – das Kind BF4 wurde erst im März 2016 geboren – Anträge auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 1.12.2015 befragt, gab der BF1 zu seinem Fluchtgrund an, dass er und seine Familie in Afghanistan aufgrund seiner Tätigkeit für die Amerikaner bedroht worden wäre und hätten sie daher Afghanistan verlassen. Er habe Unterlagen, welche belegen würden, dass er als Dolmetscher mit den Amerikanern zusammengearbeitet hätte und wäre seine Familie und seine Eltern daher unter dem Vorhalt, sie würden mit Ungläubigen zusammenarbeiten, bedroht worden. Der BF1 berichtete, der Ehemann der ältesten Schwester wäre bedroht worden und hätte dies nicht als Bedrohung wahrgenommen und wäre er nun seit sechs Jahren verschwunden, ohne dass die Familie um seinen Aufenthalt wisse. Er gab an, ein Schwager wäre als Polizist tätig gewesen und bei der Überfahrt über eine Brücke wäre der Streifenwagen explodiert, sodass der Schwager und vier weitere Polizisten gestorben wären.

Am 11.1.2017 wurde der BF1 von der belangten Behörde einvernommen. Er gab an Pashtune zu sein und gläubiger Moslem. Er habe 11 Jahre Schulbildung genossen und Englisch im Privatunterricht erlernt. Er legte Dokumente vor (Camp-Karte Black Horse, Supreme Card, Fotos aus Afghanistan, Empfehlungsschreiben der US-Streitkräfte, Certification oft Training). Er gab an, weder in seinem Heimatland, noch in einem anderen Land gerichtlich verurteilt worden zu sein und zu seiner Familie und der Familie seiner Frau ca. zwei bis dreimal pro Monat Kontakt zu halten und einen Onkel im Bezirk Kabul zu haben, zu welchem wenig Kontakt bestehe. Von Dezember 2011 bis 2014 habe er bei Supreme als Dolmetscher und als Contractor gearbeitet, davor von Juli 2010 bis Oktober 2011 als Dolmetscher im Camp Black Horse. In Afghanistan habe er sich nie politisch betätigt, er sei nie aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner Religion verfolgt worden. Er gab an, durch die Taliban bedroht worden zu sein. ER wäre zwei bis dreimal in Kandahar bedroht worden, wo er für 100 Leute zuständig gewesen wäre.

Während seiner Tätigkeit für die Amerikaner hätte er in Kabul einen Vorfall erlitten, er wäre von drei bewaffneten Leuten überfallen und geschlagen worden. Dabei wäre er am Arm verletzt worden. Während seiner Arbeitsleistung für Supreme wäre er zwei- bis dreimal telefonisch bedroht worden: es wäre ihm unterstellt worden, ein Ungläubiger zu sein und solle er seine Arbeitsstelle aufgeben, andernfalls er getötet werden würde.

Nach dem Tod des als Polizisten tätigen Schwagers wäre er erneut verunsichert gewesen und hätte beschlossen, das Land zu verlassen.

In Österreich habe er eine Tante und habe er durch Ersparnisse (EUR 18.000,--) finanziert. Nach Afghanistan wolle er nicht zurück, so der BF1 vor der belangten Behörde.

Am 19.1.2017 reichte der BF1 der belangten Behörde Ergänzungen zum Einvernahmeprotokoll betreffend die seine Berufstätigkeit und die Bedrohungen nach: Mit einem Programm namens "Cash for work", welches vom BF1 betreut worden wäre, wären Bauern unterstützt worden, woraufhin er von einem Commandeur der Taliban deshalb bedroht worden wäre, da er Geld und Nahrungsmittel an die Bevölkerung verteilt habe. Zehn Tage später hätte ihn ein Landwirt namens "Nane" aufgesucht und ihm den Ort eines Waffen- und Explosionsmateriallagers der Taliban verraten. Dies hätte der BF1 dem Camp-Commander mitgeteilt, welcher eine Aufklärungsaktion startete, an welcher der BF1 als Dolmetscher teilgenommen hätte.

Eine Woche später hätte er auf seinem Handy einen Anruf mit unterdrückter Rufnummer erhalten. Er wäre als Spion für die Amerikaner bezeichnet worden und wäre er bedroht worden, im Falle dass man ihn finde, werde man ihm den Kopf abschneiden. Diese Bedrohung hätte er sofort dem Fire Officer römisch 40 mitgeteilt und dieser hätte ihm gesagt, ihm nicht helfen zu können.

Einige Tage später wäre er wieder als Dolmetscher für eines der regelmäßigen Meetings zwischen der US-Army und der Bevölkerung im Beisein eines mit den Amerikanern in gutem Einvernehmen stehenden Malegh in Turaka Qalacha tätig gewesen. Der Malegh habe ihm gesagt, dass er schlechte Nachrichten für ihn habe: die Taliban würden sagen, dass er alles den Amerikanern verraten würde und kein Moslem sein könne und sie ihn daher suchen würden, um ihn zu köpfen. Er sollte daher seine Arbeitsstelle sofort verlassen. Der BF1 wäre daher in Panik geraten, weil die dritte Warnung aus dem Munde des Malegh von einem Menschen stammte, der genau und über alles in der Region Bescheid wusste und dennoch hätte der BF1 für die Amerikaner weiterhin an Missionen teilnehmen müssen.

Daher hätte er zwei Wochen Urlaub genommen um nach Hause zu fahren. Er habe beschlossen, nicht mehr zurückzukehren. Auch sein Vater wäre in der Moschee bedroht worden, man hätte ihn auf die "bösen Taten des Sohnes bei den Amerikanern" angesprochen. Aber auch zu Hause hätte er die Zunehmende Aggressivität der gleichaltrigen jungen Männer wahrgenommen und da in seinem Dorf jede Familie bewaffnet gewesen wäre, wäre er nach Kabul gegangen. Ein Freund in Kabul hätte ihm erzählt, dass er einen Job als Contractor bei Supreme annehmen könnte und hätte er dies getan. Nach der Arbeit wäre er dort am Firmengelände geblieben, da die Rückreise in sein Heimatdorf römisch 40 zu gefährlich gewesen wäre. Abermals hätte er am Handy einen Anruf mit unterdrückter Nummer und dem selben Warnungsinhalt wie damals in Kandarhar erhalten, aber mit dem Zusatz, dass man wisse, dass er trotz Warnungen weiter für die Amerikaner arbeite, jedoch nun bei Supreme. Man werde ihn finden und ihm den Kopf abschneiden.

Aufgrund dessen, dass er nach seinem Urlaub ohne Abmeldung nicht mehr zu den Amerikanern zurückgekehrt wäre, wäre ihm bewusst gewesen, dass ihm die Amerikaner nicht helfen würden. Eines Tages um Mitternacht hätte er einen Anruf von einem LKW-Fahrer erhalten, welcher eine Panne vorgab. ER habe sich mit einem Dienstwagen von Supreme (Logo an der Windschutzscheibe und an der Heckscheibe angebracht) auf dem Weg zu dem LKW gemacht. Auf der Fahrt hätte ihn ein von hinten herannahender Pick-Up Ranger mit der Lichthupe Signale gegeben. Er wäre rechts ran gefahren, um das Fahrzeug passieren zu lassen, doch die Personen hätten den Pick-Up angehalten und ihm mit dem Schaft einer Kalaschnikow auf ihn eingeschlagen. Einer der Personen hätte sich hinter das Steuer des Fahrzeugs von Supreme gesetzt und wäre unbeleuchtet ca fünf Minuten irgendwohin abseits der Straße gefahren. Dort hätte man den BF1 zusammengeschlagen und hätte er vernommen, dass einer der Männer gesagt hätte, ein anderer solle den BF1 erschießen. Der BF1 hätte um sein Leben gebeten und das Handy, Geld und den Wagen angeboten, doch hätte einer die Waffe auf ihn gerichtet und der BF1 hätte den Lauf der Waffe weggestoßen, sodass dabei der Unterarm des BF1 verletzt wurde und er viel Blut verlor. Die Männer hätten nichts mitgenommen. Daraufhin hätten die Männer von ihm abgelassen und ihm gesagt, dies wäre die letzte Warnung gewesen, das nächste Mal werde man ihn köpfen. Er habe seinen Freund angerufen und mit letzter Kraft den Weg zur Hauptstraße zurück genommen. Sein Freund hätte ihn dann in ein privates Krankenhaus nach Kabul gebracht.

Der BF1 erläuterte weiters, dass afghanische Dolmetscher von den Amerikanern nach einer gewissen Zeit ihrer Tätigkeit ein Empfehlungsschreiben zur Erlangung eines Special Immigration Visa erlangten. So auch der BF1, aber wegen seinem eigenmächtigen Verlassen der US-Army wären ihm die USA nun als Einwanderungsland verwehrt.

Zum Länderinformationsbericht wurde ausgeführt, dass dieses als durchgehend richtig erachtet werde.

3. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 2.12.2015 befragt, gab die BF2 römisch 40 zu ihrem Fluchtgrund an, dass ihr Gatte von pashtusprechenden Personen bedroht worden wäre, weil diese gegen mit Amerikanern zusammenarbeitende Personen agieren würden. Im Zuge dessen stellte sie auch für ihre Tochter BF3 römisch 40 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde am 11.1.2017 gab die BF2 an, die selben Fluchtgründe zu haben wie ihr Mann, eigene habe sie nicht.

4. Laut Geburtsurkunde des Standesamtes römisch 40 , Zahl: römisch 40 , wurde der BF4 römisch 40 am 28.3.2016 in Österreich geboren.

5. Mit den nunmehr bekämpften (im Spruch näher bezeichneten) Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten wurde den BF1 bis BF4 jeweils gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten / einer Asylberechtigten abgewiesen und jeweils gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status eines / einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Mit den im Spruch näher bezeichneten bekämpften Bescheiden wurde den oben Genannten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt und wurde gegen die oben Genannten gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG 2005 erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der oben Genannten gemäß Paragraph 46, FPG nach Afghanistan zulässig ist. In den im Spruch näher bezeichneten bekämpften Bescheiden wurde mit dem Hinweis auf Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise der oben Genannten mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgehalten.

5. Gegen diese Bescheide brachten die BF1 bis BF4, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren wurde mangelhaft bezeichnet, ebenso die Feststellungen zum Herkunftsstaat der BF. Hingewiesen wurde auf einen Bericht aus der Zeitung "Welt" mit der Headline "USA lassen afghanische Übersetzer im Stich", über welchen vom Auslandsrundfunksender "Deutsche Welle" (DW) berichtet wurde. Weiters wurde ein Artikel der "Süddeutschen Zeitung" vom 24.11.2013 zitiert. Weitere Medienberichte über das Schicksal von afghanischen Übersetzern wurden thematisiert (aus der Huffington Post, Associated Press, Sydney Morning Herald, AIP).

Ebenso wurde auf eine ACCORD Anfragebeantwortung aus April 2014 und aus Februar 2013 sowie auf die im August 2013 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Afghanistan des UNHCR hingewiesen.

Es wurde In der Beschwerde unter Hinweis auf diverse Quellen ausgeführt, wie sich das Risiko für eine Person, welche ihre Aktivität einstellt, im Hinblick auf die Verfolgung durch Taliban aussieht und demnach könne ein Dolmetscher dem Risiko der Verfolgung durch die Taliban entgehen, wenn er sich diesen anschließe oder diese kontaktiere, um ihnen zu beweisen, dass er die Regierung oder die internationalen Streitkräfte nicht länger unterstütze und könnten solche Personen in 30 % der Fälle trotzdem zum Ziel der Taliban werden (Seite 23 des Beschwerdeschriftsatz).

Zu Empfehlungsschreiben internationaler Organisationen wurde in der Beschwerde auf das Judikat 206/01/0788 des VwGH vom 16.12.2010 hingewiesen, wonach entsprechende Empfehlungen internationaler Organisationen Indizwirkungen haben. Diese Indizwirkung bedeute nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR Asyl oder Abschiebungsschutz zu gewähren hätten, vielmehr aber hätte die Asylbehörde, weil dass sie den Einschätzungen des UNHCR nicht folgt, beweiswürdigen darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Lageeinschätzung betreffend den Herkunftsstaat komme.

Die belangte BehördeHabe sich nicht mit der Thematik der Bedrohung von Dolmetschern auseinandergesetzt und bei korrekter Auswertung der Länderberichte und konkreter Ermittlungen von Amts wegen hätte sie zu der Feststellung gelangen müssen, dass das Vorbringen der BF plausibel, objektiv wahrscheinlich und glaubwürdig ist, so der Beschwerdeschriftsatz.

Weiters wurde betreffend "Prüfung der Ereignisse und Umstände" auf EuGH-Urteile hingewiesen (EuGH 22.11.2012, C-277/11; 18.12.2008, C-349/07).

Es wurde mangelhafte Beweiswürdigung geltend gemacht, Verletzung von Verfahrensvorschriften und dass die belangte Behörde eine mangelhafte Beweiswürdigung betreffend die Feststellung zur Situation im Falle einer Rückkehr durchgeführt hätte.

Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und den BF den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben zurückzuverweisen und im Falle der Abweisung des obigen Beschwerdeantrags festzustellen, dass den BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat zukommt. Es wurde beantragt festzustellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und festzustellen dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) vorliegen würden und daher den BF gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen wäre, in eventu festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. Paragraph 57, Absatz eins, AsylG von Amts wegen zu erteilen ist. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

6. Die belangte Behörde legte den bezughabenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und verzichtete auf die Teilnahme einer allenfalls durchgeführten mündlichen Verhandlung. Der bezughabende Akt langte am 10.3.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Am 27.9.2017 und am 28.9.2017 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher als Dolmetsch für die Sprache Dari Frau

römisch 40 teilnahm.

9. Die BF2 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.9.2017 in der öffentlichen mündlichen Verhandlung befragt. Sie gab an, sie habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und die Matura erlangt. Die Zeugnisse hätte sie an der Grenze zu Mazedonien verloren. Sie hätte die Zeugnisse an der Grenze zurückgelassen, als ihre Tochter mit hohem Fieber mit einem Krankenwagen in das Krankenhaus gebracht wurde und sie – da die Tochter stationär aufgenommen wurde – nicht mehr an den Ort, wo sie ihre Habseligkeiten zurückgelassen hatten – zurück gebracht worden wären. Sie sei Tadschikin sunnitischen Glaubens und habe sie in der Provinz Kabul im Distrikt Shekar Darra im Bezirk römisch 40 gewohnt. Sie hätte sehr gerne ein Studium der Pädagogik aufgenommen, aber zum Studieren hätte sie in eine große Stadt wie Kabul gehen müssen und wäre dies für ein Mädchen undenkbar gewesen. Sie habe eine Vorliebe für die englische Sprache entwickelt. Sie hätte gern studiert und auch ihr Mann hätte sich das gewünscht.

Zusammengefasst gab sie als Fluchtgrund die Arbeit ihres Gatten (Dolmetsch bei ISAF) an. Auch der Schwiegervater wäre bedroht worden und man hätte ihm vorgeworfen, einen Verräter als Sohn zu haben. Die Taliban hätten ihrem Gatten Drohungen in Form von Nachrichten überbracht und als er nach diesen Drohungen nach Hause gekommen wäre, wäre er nicht mehr zur Arbeit zurückgekehrt. Er hätte daraufhin in Kabul bei einer Logistikfirma namens Supreme zu arbeiten begonnen. Dort wäre er als Supervisor für die Einteilung der Transporte zuständig gewesen und auch dort wäre er einmal bedroht und auch einmal zusammengeschlagen worden. Davon hätte er eine Narbe an seinem Handgelenk davongetragen.

Auf Vorhalt, dass sie die englische Sprache sehr gerne möge und ihr Gatte für die Amerikaner in Afghanistan gearbeitet hätte, wurde die BF2 von der Richterin befragt, weshalb nicht England oder Amerika ihr Ziel für das Verlassen Afghanistans gewesen wäre. Die BF2 antwortete darauf: "Als mein Mann für die Amerikaner arbeitete und bedroht wurde, kam er nach Hause zurück und ging ohne sich abzumelden nicht mehr zur Arbeit zurück." Sie erzählte, dass ein Schwager ihres Mannes durch eine Mine ums Leben gekommen wäre und ihr Schwiegervater schon seit geraumer Zeit davon überzeugt gewesen wäre, dass ihr Gatte und seine Familie das Land verlassen müssten. Ihr Gatte habe aber immer gesagt, er könne sich und seine Familie nicht in Sicherheit bringen und den Rest der Familie zurückgelassen. Er habe auch bei den Amerikanern einen Antrag auf Visum gestellt, da er jedoch seine Arbeit ohne Vorankündigung beendet hatte, hätte er ein solches nicht erhalten.

Sie brachten zu Afghanistan im Zusammenhang mit den Drohungen gegen ihren Gatten vor "im Grunde waren wir wie Gefangene. Wir konnten es nicht riskieren hinauszugehen, aus Angst getötet, entführt oder vergewaltigt zu werden." In freier Erzählung brachte sie weiter vor, dass bei der Geburt ihrer Tochter dem Arzt nicht einmal in das Gesicht habe sehen können und unter diesen Einschränkungen gelitten habe. Sie gab an: "Das war kein Leben, was wir geführt haben. Es ist in unserer Kultur nicht zulässig, dass man als Schwangere Kontrolltermine und Arztbesuche macht. Ich habe bis zur Geburt keinen Arzt zu Gesicht bekommen."

Nachdem die BF2 zu den telefonischen Drohungen gegenüber ihren Mann erzählte, gab sie an, dass ihrem Vater sehr an Bildung gelegen wäre und sie in der Provinz Parwan im Distrikt Jabel Saraj aufgewachsen wäre.

Auf Befragen ob sie sonst noch Gründe, sie persönlich, für die Flucht gehabt hätte, gab die BF2 an: "Ja. Abgesehen von den Problemen meines Mannes wollte ich persönlich in Freiheit leben können. Ich war dort wie eine Gefangene. Wenn ich krank wurde, hatte ich nicht einmal die Möglichkeit zu einem Arzt zu gehen. Es gab lediglich eine Klinik in Shekar Darra. Aus Angst um unser Leben konnten wir aber nicht dorthin gehen, es gab keine Verkehrsmittel und es war ein 2-Stunden-Marsch dorthin. Ich konnte nicht studieren. Mein Mann konnte aus Angst nicht nach Hause kommen. Es war also kurz gesagt kein menschenwürdiges Leben. Ich wollte ein freies menschenwürdiges Leben führen." In Österreich wolle sie gerne studieren und habe hier ein normales Leben. Sie besuche Deutschkurse und wolle Pädagogik studieren. Sie habe hier in Österreich viele Freunde, österreichische Freunde. Sie habe einen Lehrer, dieser komme nach Hause.

Sie wäre nie Mitglied einer Partei gewesen und weder aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, noch aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt worden. Sie habe in Afghanistan auch niemals Probleme mit Behörden, Polizei oder den Gerichten gehabt. In Österreich würde eine Tante mütterlicherseits ihres Gattens leben.

Auf Befragen durch die Rechtsvertreterin, ob sie auch in Afghanistan so gekleidet und geschminkt auftreten hätte können, wie vor dem Bundesverwaltungsgericht, gab sie an Nein, allein wegen den Drohungen hätten sie nicht aus dem Haus gehen können und wenn sie einmal hinaus konnte, dann nur mit einer Burka. Dabei führte sie aus, dass es keinen Unterschied gemacht hätte, ob man unter der Burka dekorative Kosmetik trug oder nicht aber für den Fall dass man erwischt werde, dass man unter der Burka geschminkt ist, könne einem bis zur Todesstrafe drohen. In Afghanistan hätten Frauen keine Freiheiten und in Österreich entscheide sie wann sie hinausgehe wo sie hingehe und wenn Freundinnen kommen, könne sie dies auch alleine entscheiden, sage ihr Mann. Jetzt wisse er, dass ihr keine Gefahr mehr drohe und sie müsse weiter Deutsch lernen und sich immer mehr verbessern.

In Österreich wolle sie sich weiterbilden und gab sie an: "Das war meines Mannes Wunsch, drei Kinder zu haben. Für mich waren zwei genug".

Die BF3 und BF4 hätten die gleichen Fluchtgründe wie sie. Auf die Frage was sie befürchte, wenn sie nach Hause zurück müsste, gab sie an, dass man – wenn man geflüchtet ist, weil man Drohungen ausgesetzt war und bereits in deren Visier war, man in deren Visier bliebe wenn sie nicht Todesangst gehabt hätte, warum hätte sie ihr Land verlassen sollen, so die BF2.

Die BF2 legte kein Zertifikat über eine bereits absolvierte Deutsch-Prüfung vor, bloß eine Kursbesuchsbestätigung betreffend einen Deutschkurs des Herr Dr. römisch 40 von Jänner 2016 bis dato vom 15.9.2017. Die BF2 konnte sich aber vor dem Bundesverwaltungsgericht sehr flüssig und mit einem großen Wortschatz in deutscher Sprache verständigen. Dieser Bestätigung zufolge sind der BF1 und die BF2 seit Jänner 2016 bis September 2017 Teilnehmer am "Basiskurs zum Erlernen der Deutschen Sprache und zum Verstehen zentraleuropäischer kultureller Gegebenheiten" beim ehrenamtlichen Kursleiter Dr. römisch 40 .

10. Der BF1 wurde am 27.9. und am 28.9.2017 einvernommen und brachte als Fluchtgründe vor, was er bereits vor der belangten Behörde vorbrachte und konkretisierte dabei seinen Aufgabenbereich als Dolmetscher bei der US-Armee und später als Dolmetscher und als für logistische Belange Zuständiger bei der britischen Firma Supreme. Er erläuterte dem Gericht die im Fremdakt der belangten Behörde einliegenden Empfehlungsschreiben und die auf den darin einliegenden Fotos befindlichen Personen. Auf diesen Fotos ist der BF mehrmals in US-Uniform abgebildet.

Der BF1 weinte während der Schilderung der gegen seine Person ausgesprochenen Drohungen und tat seinen Unmut darüber kund, dass im Koran nicht steht was als "Abtrünnige" zu verstehen wäre.

Er schilderte nochmals das Bedrohungsszenario rund um die Anhaltung seines Wagens mit einem nachfahrenden Wagen, aus welchem Männer ausstiegen und ihn überfallen, misshandelt und eine Waffe auf ihn gerichtet hätten und brach die Schilderung unter einem Anfall von minutenlangen Weinen ab.

Er gab an, in Afghanistan nie wegen seiner Religionszugehörigkeit verfolgt worden zu sein. Die Frage, ob er je wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Pashtunen verfolgt worden wäre, gab er an: "Naja, genau genommen schon, denn weil ich Pashtune bin, habe ich dieses Elend erleben müssen."

Auf die Frage ob er in Afghanistan einmal einer Partei angehört habe, gab er zur Antwort: "Um ehrlich zu sein, hätte ich mich sogar sehr dafür interessiert, mich einer Partei anzuschließen und auf politischer Ebene etwas zu tun. Diese Probleme führten jedoch dazu, dass es nicht so weit kam, ich war nie bei einer Partei."

Er habe eine Tante, die in Wien lebt und bei welcher sie für die Teilnahme an der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht untergebracht waren. Unterstützung würden sie von dieser Tante aber nicht bekommen.

Auf die Frage ob er sich in Kabul auskenne und dort schon einmal warm antwortete er dass er nie in der Stadt Kabul gelebt habe und sich dort auch nicht auskenne und wäre Kabul keine Statt in der jemand sicher leben könne. In einem Außenstadtbezirk von der Stadt Kabul wäre er angegriffen und verletzt worden und bei allem was er selbst gesehen habe, habe er für ganz Afghanistan bereits den Gedanken ausgelöscht, dorthin jemals zurückzukehren. Er würde nicht wollen dass seine zwei – bzw schon bald drei – Kinder zu Waisen werden.

Der BF1 begann bitterlich zu weinen, als er berichtete, er habe inzwischen erfahren, dass sein Vater gestorben wäre und er wisse gar nicht was da gerade abläuft. Eine Mutter habe auf einem Auge ihr Augenlicht verloren, doch sie erzähle ihm diese Dinge nicht wirklich.

11. Dem Gericht wurde neben der Bestätigung des Dr. römisch 40 vom 15.9.2017 ein Schreiben der römisch 40 aus September 2017 vorgelegt, wonach der BF1 der Verfasserin des Schreibens spontan seine Hilfe bei einer Englisch-Pashtu-Übersetzung angeboten hätte. Dies wäre im Dezember 2015 gewesen und stünde die Verfasserin des Schreibens seither mit der Familie römisch 40 in Kontakt und wenn die Verfasserin ihre Familie in Klagenfurt und Villach besuche, besuche sie auch die Familie römisch 40 . Die BF2 wäre gleich alt wie die Verfasserin und mit dieser verbinde sie eine gute Freundschaft. Die BF2 und der BF1 hätten rasch die deutsche Sprache erlernt und wären sehr bemüht, sich in Villach zu integrieren. Die BF2 besuche einmal wöchentlich eine Nähgruppe der lokalen Pfarre und wäre die Teilnahme nur aufgrund ihrer Schwangerschaft unterbrochen worden. Die Familie wäre stets offen und kommunikativ, Kontakte zu ÖsterreicherInnen suchend und würden sich bestmöglich in Kärnten integrieren wollen.

12. Mit der Ladung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde der Länderbericht der Staatendokumentation vom 22.6.2017 übermittelt. Der Vertreterin der BF1 bis BF4 wurde am 27.9.2017 die aktuelle Fassung des Länderberichts (25.9.2017) übergeben und verzichtete sie auf eine dies betreffende Stellungnahme unter Hinweis auf dem Beschwerdeschriftsatz sowie auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.2.2015, Zahl: W227 1423152-1, und vom 17.8.2015, Zahl: W119 2014791-1, betreffend Dolmetschtätigkeit für die US-Armee.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund des glaubhaft gemachten

Sachverhaltes folgende Feststellungen:

Zu den Beschwerdeführern wird festgestellt:

1.1. Die BF1 bis BF4 sind Staatsangehörige von Afghanistan. Der BF1 stammt aus der Volksgruppe der Pashtunen und die BF2 aus der Volksgruppe der Tadschiken. Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet. BF3 und BF4 sind unmündige Minderjährige und sind die Kinder des BF1 und der BF2. Die BF bekennen sich zum Islam und sprechen Dari.

Die Identität steht mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.

BF1 und BF2 verließen gemeinsam mit der BF3 die Islamische Republik Afghanistan und reisten unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein, wo sie am 2.12.2015 die Anträge auf internationalen Schutz stellten. Der unmündige Minderjährige BF4 wurden am 28.3.2016 in Österreich geboren.

1.2. Die BF2 (römisch 40 ) lebte gemeinsam mit ihrer Familie – BF1 und BF3 – bis zur Ausreise in Afghanistan in der Provinz Kabul, im Distrikt Shekar Darra im Bezirk römisch 40 .

Die BF2 genoss 12 Jahre Schulbildung und hätte gerne das Studium der Pädagogik aufgenommen.

Befragt nach eigenem Fluchtgründen gab sie an: "Ja. Abgesehen von den Problemen meines Mannes wollte ich persönlich in Freiheit leben können. Ich war dort wie eine Gefangene. Wenn ich krank wurde, hatte ich nicht einmal die Möglichkeit zu einem Arzt zu gehen. Es gab lediglich eine Klinik in Shekar Darra. Aus Angst um unser Leben konnten wir aber nicht dorthin gehen, es gab keine Verkehrsmittel und es war ein 2-Stunden-Marsch dorthin. Ich konnte nicht studieren. Mein Mann konnte aus Angst nicht nach Hause kommen. Es war also kurz gesagt kein menschenwürdiges Leben. Ich wollte ein freies menschenwürdiges Leben führen."

Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergab, dass die BF2 eine selbständige Frau ist, welche sich in ihrer Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert und den den Frauen in Afghanistan aufoktroyierten Lebensstil nicht als freies menschenwürdiges Leben empfand.

Sie kleidet, frisiert und schminkt sich nach westlicher Mode.

Sie hält in Österreich Kontakt zu Österreichern beiderlei Geschlechts. Sie lebt nicht mehr nach der konservativ-afghanischen Tradition und lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan sowie die dort aufoktroyierten Kleidungsvorschriften ab. Die BF2 kann bereits sehr gut eine Konversation in deutscher Sprache führen.

Diese Einstellung der Zweitbeschwerdeführerin steht im Widerspruch zu den nach den Länderfeststellungen im Herkunftsstaat bestehenden traditionalistisch-religiös geprägten gesellschaftlichen Auffassungen hinsichtlich Auftreten in der Öffentlichkeit und Bewegungsfreiheit der Frau.

Die BF2 betreffend scheinen keine Vormerkungen im Strafregister der Republik Österreich auf. Es liegen keine Gründe vor, nach denen die BF2 von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen wäre.

Die BF2 lebt in Österreich von der Grundversorgung.

1.3. Auch die BF1, BF 3 und BF4 leben in Österreich von der Grundversorgung und sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2.4. Zur Situation in Afghanistan wird festgestellt:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2.3.2017, zuletzt aktualisiert am 25.9.2017, Schreibfehler teilweise korrigiert):

Politische Lage:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.) und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vergleiche auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vergleiche Max Planck Institute 27.01.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.01.2017), nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vergleiche CRS 12.01.2017).

Parlament und Parlamentswahlen:

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.01.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.04.2016 vergleiche auch: CRS 12.01.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.04.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge zum Teil über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien:

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einigen von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, das von allen Parteien verlangte, sich neu zu registrieren, und zum Ziel hatte, ihre Anzahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber anscheinend nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder ein Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG):

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.09.2016) unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.09.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.09.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 04.02.2017).

Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.01.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint Einzelberichten zufolge auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.02.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

Mit Stand September 2016 schätzt die Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.01.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 05.01.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: Intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vergleiche auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen:

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im dritten Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.01.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal an: Zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit fünf von sechs Distrikten und Helmand mit acht von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.01.2017).

Rebellengruppen:

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielte Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistische Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan – gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive:

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstützte Regierung zu vertreiben (Reuters 12.04.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD 12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitige Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand wie einst Mansour (Reuters 27.01.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.05.2016; vergleiche auch: The National 13.01.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt – ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter – der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.05.2016; vergleiche auch:

The National 13.01.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.01.2017), und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.05.2016).

Haqqani-Netzwerk:

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.01.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.05.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.01.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig – speziell in der Stadt Kabul –,Operationen durchzuführen; es finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus – wahrscheinlich, um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.01.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit, eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.01.2017).

Al-Qaida:

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.01.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Camp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.01.2017; vergleiche auch: FP 02.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 02.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.01.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzentrierte und nicht, wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.04.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG):

Siehe oben unter "Friedens- und Versöhnungsprozess".

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh – Islamischer Staat:

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan – in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vergleiche auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 03.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vergleiche auch: USIP 03.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen, die Gruppe wird von den Ansäßigen jedoch großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansäßigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.10.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.01.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen:

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potenzielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus – eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkten Beseitigungsbemühungen aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer:

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 01.01. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation war weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED) und gezielten und willkürlichen Tötungen (UNAMA 06.02.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) – eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 06.02.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivile Opfer (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) – eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) – eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffen auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte) sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 06.02.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfe zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% zivile Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 06.02.2017).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte:

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an – nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.02.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Internationalen Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 09.02.2017); im April 2015 wurden fünf Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.04.2015).

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 09.09.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Distrikt Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen

21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

28

Andere Vorfälle

3

Insgesamt

151

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 01.09.2015 – 31.05.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Provinz Kabul Gewalt gegen Einzelpersonen

5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

1

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

161

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 01.09.2015. – 31.05.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.01.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.01.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.01.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 08.02.2017; Khaama Press 10.01.2017; Tolonews 04.01.2017a; Bakhtar News 29.06.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.07.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 04.01.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 02.01.2017; vergleiche auch: UNAMA 06.02.2017).

Grundversorgung und Wirtschaft:

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vergleiche auch: AA 11.2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und [schwachen] Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.04.2016).

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011 stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenz von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 02.05.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringen Ausbildungsstandes der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11.2016).

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt. Als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, die Privatinvestitionen schwächte, verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Milliarden USD laut Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels – Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig – sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11.2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung – Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen sowie Gewalt sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 02.05.2016).

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11.2016).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11.2016).

Projekte der afghanischen Regierung:

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens’ Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel, 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie die Zufriedenheit zu steigern und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

Medizinische Versorgung:

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9.2016).

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52 (Max Planck Institute 27.01.2004)].

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9.2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vergleiche auch: AA 9.2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (vor allem Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9.2016).

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter fünf Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf 45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 02.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 02.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.04.2016).

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung:

Es gibt keine staatliche Krankenkasse, und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar, und somit muss bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.09.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie sind in Kabul (eine in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

Medikamente:

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war es vielen Frauen nicht erlaubt, alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.04.2016).

Beispiele für Behandlung psychischer Fälle in Afghanistan:

In öffentlichen und privaten Kliniken ist beispielsweise paranoide Schizophrenie behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patient/innen nichts für ihre Aufnahme bezahlen. Die Patient/innen müssen ihre Medikamente in außenstehenden Apotheken kaufen (IOM 11.10.2016). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Sharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn Patient/innen kein unterstützendes Familienumfeld haben. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 9.2016).

Krankenhäuser in Afghanistan:

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und [wird] je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel, die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 01.12.2016).

[ ]

Beispiele für Nichtregierungsorganisationen vor Ort:

Ärzte ohne Grenzen (MSF):

In Helmand besteht das größte Krankenhaus im südlichen Afghanistan, das von Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt wird. Als eines der wenigen Krankenhäuser in der Provinz hat das Krankenhaus 300 Betten. Etwa 700 afghanische Mitarbeiter/innen und 25 Ausländer/innen arbeiten in den Abteilungen des Krankenhauses, zu diesen zählen unter anderem die Pädiatrie, die Intensivmedizin, die Orthopädie, Erste Hilfe und Operationen. Die Behandlung in diesem Krankenhaus ist kostenfrei, sofern man es schafft, einen Platz zu bekommen (Time 31.08.2016).

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC):

Zugang zu Gesundheitsbehandlung bleibt schwierig in jenen Gegenden, in denen die Sicherheitslage schwach ist.

Das ICRC:

Telemedizinprojekt durch den Mobilfunkanbieter Roshan:

Das Telemedizinprojekt verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialist/innen im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden arme Patient/innen auf dem Land von Expert/innen diagnostiziert. Die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie ermöglicht es afghanischen Ärzten im Institut zudem, durch komplizierte Behandlungen geleitet zu werden, für die sie sonst nicht die Expertise hätten (Good Impact 17.12.2016).

Rückkehr:

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.01.2017); viele von ihnen sind laut Internationalem Währungsfonds (IMF) hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling, in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.01.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich – laut UNHCR –, sich in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.01.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlingen, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind – davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt (Khaama Press 17.01.2017).

Afghanische Rückkehrer/innen, afghanische Flüchtlinge und nicht registrierte Afghan/innen:

Pakistan:

Pakistan hat seit 1978 nicht weniger als eine Million Afghan/innen beherbergt. In den Jahren 1986 bis 1991 waren etwa drei Millionen Flüchtlinge in Pakistan. Zwischen 2002 und 2015 unterstützte UNHCR 3,9 Millionen Afghan/innen bei der Rückkehr. Der Großteil davon kehrte bis Ende 2008 zurück, danach ging die Rückkehrrate signifikant zurück (HRW 13.02.2017).

Wegen zunehmender Spannungen zwischen der afghanischen und pakistanischen Regierung (Die Zeit 13.02.2017) waren im Jahr 2016

249.832 Afghan/innen entweder freiwillig oder durch Abschiebung aus Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Stand: 07.01.2017) (IOM 08.01.2017).

Bis Ende 2017 soll eine weitere halbe Million Afghan/innen aus Pakistan zurückkehren. Die Anzahl der Rückkehrer/innen ist in den letzten zwei Jahren stetig gestiegen (DAWN 12.01.2017). In der ersten Jännerwoche 2017 kehrten 1.643 nicht registrierte Afghan/innen aus Pakistan (freiwillig oder im Rahmen von Abschiebungen) nach Afghanistan zurück (IOM 08.01.2017). In der zweiten Jännerwoche sind insgesamt 1.579 nicht registrierte Afghan/innen über Nangarhar und Kandahar, entweder freiwillig oder im Zuge von Abschiebungen, zurückgekehrt. IOM hat im Berichtszeitraum 79% nicht registrierte Afghan/innen unterstützt; dies beinhaltete Essen und Unterbringung in Transitzentren in Grenznähe, sowie Haushaltsgegenstände und andere Artikel für Familien, spezielle Unterstützung für Personen mit speziellen Bedürfnissen, eine ein-Monatsration vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme – WFP) und andere relevante Hygieneartikel. Im Rahmen einer Befragung gaben 76% Ende 2016 an, Nangarhar als Niederlassungsprovinz zu wählen, für 16% war dies Kabul, für 4% war es Laghman, 2% gingen nach Kunar und weitere 2% nach Logar (IOM 15.01.2017).

Im Februar 2017 veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) einen Bericht, in dem von "Zwangsrückführungen" afghanischer Flüchtlinge gesprochen wird (HRW 13.02.2017). Der HRW-Bericht basiert auf 115 Interviews mit afghanischen Rückkehrer/innen nach Afghanistan, sowie afghanischen Flüchtlingen und nicht registrierten Afghan/innen in Pakistan (DAWN 13.02.2017; vergleiche auch: HRW 13.02.2017). UNHCR hatte im Juni 2016 die finanzielle Unterstützung für jede Rückkehrer/in von US$ 200 auf US$ 400 erhöht (HRW 13.02.2017). HRW argumentiert, dies sei ein Faktor, der afghanische Flüchtlinge dazu bewogen habe, nach Afghanistan zurückzukehren. Laut UNHCR wurden 4.500 Rückkehrer/innen bei Ankunft interviewt, von denen keiner die Bargeldzuschüsse als primären Faktor für die Rückkehrentscheidung angab (DAWN 13.02.2017). Als Gründe für die Rückkehr wurden unter anderem folgendes angegeben: Einrichtung formeller Grenzkontrolle in Torkham; große Besorgnis über die Gültigkeit der Proof of Registration Card (PoR-Cards); Kampagne der afghanischen Regierung in Pakistan ("home sweet home”), die Afghan/innen bat, nach Hause zurückzukehren (UNHCR 03.02.2017).

Iran:

Seit 01.01.2016 sind insgesamt 461.112 nicht-registrierte Afghan/innen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. In der zweiten Jännerwoche 2017 sind insgesamt 9.378 nicht registrierte Afghan/innen nach Afghanistan durch Herat oder Nimroz zurückgekehrt; von diesen sind 3.531 freiwillig und 5.847 im Zuge von Abschiebungen zurückgekehrt – 2% der nicht registrierten Afghan/innen, die in den Transitzentren in Herat oder Nimroz ankamen, wurden von IOM unterstützt. Dazu zählten 101 UMF (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge), denen IOM eine besondere Unterstützung zukommen ließ, inklusive medizinischer Behandlung, sichere Unterkünfte und die Suche nach Familienangehörigen (IOM 15.01.2017).

Ein UNHCR-Vertreter berichtete, dass afghanische Flüchtlinge in Gegenden zurückkehrten, in denen der Friede wieder hergestellt wurde. Dennoch sei es schwierig, alle afghanischen Flüchtlinge eines Jahres zu verteilen, da der Iran afghanische Migrant/innen zurückschicke und Afghanistan eine [hohe] Anzahl wohnungsloser Menschen hat, die zusätzlich die Situation verkomplizieren (Pakistan Observer 02.01.2017). Die IOM-Transitzentren in Grenznähe bieten elementare Unterkünfte, Schutz für unbegleitete Minderjährige, Haushaltsgegenstände (Töpfe und Pfannen), sowie Transportmöglichkeiten für Familien, um sich in ihren Wunschgebieten ansiedeln zu können (DAWN 12.01.2017).

Unterstützung durch verschiedene Organisationen vor Ort:

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme – WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsende Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt, um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkinder aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es, 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen – insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9.2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

Staatliches Pensionssystem:

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Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org) angeboten (IOM 2016).

Erhaltungskosten in Kabul:

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.04.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten steht eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

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Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan:

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach Folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); zwei Passfotos und AFA 1.000 bis 5.000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016).

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016).

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vergleiche auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).

Memorandum of Understanding (MoU):

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2002 mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen (MoU – Memorandum of Understanding) zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen unter anderem die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien schieben abgelehnte Asylbewerber/innen afghanischer Herkunft nach Afghanistan ab. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Der afghanische Flüchtlingsminister Balkhi (seit Ende Januar 2015 im Amt) lehnt die Rücknahme von afghanischen Flüchtlingen ab und ignoriert die MoUs, wurde jedoch von Präsident Ghani in seinem Einfluss beschnitten. Ein deutsch-afghanisches Rücknahme-MoU wurde am 02.10.2016 in Kabul unterzeichnet (AA 9.2016).

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Ausbildungen für Rückkehr/innen in Afghanistan:

In Afghanistan bieten staatliche Schulen, unter Leitung des Ministeriums für Bildung, und private Berufsschulen Trainings/Ausbildungen an. Die Einschreibung an Bildungseinrichtungen können Rückkehrer/innen beim Ministerium für Rückkehr beantragen. Diese verweisen Rückkehrer/innen an die Bildungsabteilung in Kabul (Marif Shahr); danach werden die Rückkehrer/innen in jenen Bildungseinrichtungen eingeschrieben, deren nachgewiesenem Bildungsniveau sie entsprechen. Um ausländische Abschlüsse anzuerkennen, sollten relevante Unterlagen (Zeugnisse, Diploma oder Abschlüsse) an das Ministerium für ausländische Angelegenheiten geschickt werden. Unter der Bedingung, dass diese Unterlagen zuvor vom Ministerium für ausländische Angelegenheiten im Gastland geprüft wurden, wird das Ministerium die Unterlagen akzeptieren. Danach werden die Unterlagen an das Ministerium für höhere Bildung weitergeleitet. Im Anschluss werden die vom Ministerium anerkannten Kopien der Unterlagen an den Inhaber zurückversandt (IOM 2016).

Frauen

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Bildung

Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung – auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004).

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).

Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 – 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren

63.911 Frauen (CSO 2016).

Frauenuniversität in Kabul

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vergleiche auch:

MORAA 31.5.2016).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vergleiche auch:

University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

Berufstätigkeit

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den

schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vergleiche auch:

USDOS 13.4.2016).

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vergleiche auch: AF 7.12.2016).

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vergleiche auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).

Frauen im öffentlichen Dienst

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9.2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women‘s Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9.2016).

Frauen in den afghanischen Sicherheitskräften

Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u.a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti- Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden. Dieses ist allerdings bisher noch nicht geschehen (AA 9.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: Sputnik News 14.6.2016). Laut Verteidigungsministerium werden derzeit 400 Frauen in unterschiedlichen Bereichen des Verteidigungsministeriums ausgebildet: 30 sind in der nationalen Militärakademie, 62 in der Offiziersakademie der ANA, 143 in der Malalai Militärschule und 109 Rekrutinnen absolvieren ein Training in der Türkei (Tolonews 28.1.2017).

Im Allgemeinen verbessert sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte, bleibt aber weiterhin fragil. Der Schutz von Frauenrechten hat in größeren städtischen Gegenden, wie Kabul, Mazar-e Sharif und in der Provinz Herat, moderate Fortschritte gemacht; viele ländliche Gegenden sind extrem konservativ und sind aktiv gegen Initiativen, die den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern könnte (USDOD 6.2016).

Auch wenn die Regierung Fortschritte machte, indem sie zusätzliche Polizistinnen rekrutierte, erschweren kulturelle Normen und Diskriminierung die Rekrutierung und den Verbleib in der Polizei (USDOS 13.4.2016).

Teilnahmeprogramme für Frauen in den Sicherheitskräften

Initiiert wurde ein umfassendes Programm zur Popularisierung des Polizeidienstes für Frauen (SIGAR 30.7.2016; vergleiche auch: Sputnik News 5.12.2016). Dies Programm fördert in verschiedenster Weise Möglichkeiten zur Steigerung der Frauenrate innerhalb der ANDSF (SIGAR 30.7.2016). Das afghanische Innenministerium gewährte im Vorjahr 5.000 Stellen für Frauen bei der Polizei, diese Stellen sind fast alle noch immer vakant (Sputnik News 5.12.2016; vergleiche auch:

SIGAR 30.7.2016). Eines der größten Probleme ist, dass sowohl junge Mädchen als auch Ehefrauen in ihren Familien nichts selbständig entscheiden dürften (Sputnik News 5.12.2016). Die afghanische Nationalpolizei schuf zusätzlich neue Posten für Frauen – womit sich deren Zahl auf 5.969 erhöhte; 5.024 dieser Posten sind innerhalb der afghanischen Nationalpolizei, 175 in Gefängnissen und Haftanstalten, sowie 770 zivile Positionen (SIGAR 30.7.2016). Im Juni 2016 verlautbarten die Behörden in Kabul, bis März 2017 die Polizei mit 10.000 neuen Stellen für weibliche Polizeikräfte aufzustocken. Die Behörden möchten der steigenden Gewalt gegen Frauen in Afghanistan entgegentreten und effektiver gegen die Terrorbedrohung und den Drogenhandel im Land vorgehen (Sputnik News 14.6.2016).

Seit fast einem Jahrzehnt schaffen afghanische Behörden massiv Arbeitsstellen für Frauen bei der Polizei und versuchen alljährlich den Frauenanteil zu erhöhen. Das dient vor allem dazu, den Afghaninnen Schutz zu gewähren. Wenn Verdächtigte und mutmaßliche Verbrecher Frauen seien, werden Polizistinnen bevorzugt. Allerdings haben Beamtinnen wegen ihres Polizeidienstes öfter Probleme mit ihren konservativen Verwandten (Sputnik News 14.6.2016). Im Arbeitskontext sind Frauen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen: so sind z. B. Polizistinnen massiven Belästigungen und auch Gewalttaten durch Arbeitskollegen oder im direkten Umfeld ausgesetzt (AA 9.2016; vergleiche auch: Sputnik News 14.6.2016).

Die Situation der Frauen war bereits vor dem Taliban-Regime durch sehr strenge Scharia-Auslegungen und archaisch-patriarchalische Ehrenkodizes geprägt. So war die Burka auch vor der Taliban-Herrschaft bei der ländlichen weiblichen Bevölkerung ein übliches Kleidungsstück. Viele Frauen tragen sie noch immer, weil sie sich damit vor Übergriffen sicher fühlen. Während Frauenrechte in der Verfassung und teilweise im staatlichen Recht gestärkt werden konnten, liegt ihre Verwirklichung für den größten Teil der afghanischen Frauen noch in weiter Ferne.

Die Lage der Frauen unterscheidet sich je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark. In weiten Landesteilen erlaubt es die unbefriedigende Sicherheitslage den Frauen nicht, die mit Überwindung der Taliban und ihrer frauenverachtenden Vorschriften erwarteten Freiheiten wahrzunehmen. Die meisten sind sich ihrer in der Verfassung und einfachgesetzlich (Gesetz zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen, EVAW – law) garantierten und im Islam vorgegebenen Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern bestimmt wird und in dem kaum qualifizierte Anwältinnen oder Anwälte zur Verfügung stehen, in den seltensten Fällen möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage – oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt –, Frauenrechte zu schützen.

Frauen werden weiterhin im Familien-, Erb-, Zivilverfahrens- sowie im Strafrecht benachteiligt. Dies gilt vor allem hinsichtlich des Straftatbestands "Ehebruch", wonach selbst Opfer von Vergewaltigungen bestraft werden können. Fälle, in denen Frauen wegen "Ehebruchs" von Ehemännern oder anderen Familienmitgliedern umgebracht werden (so genannte "Ehrenmorde") kommen besonders in den paschtunischen Landesteilen vor. Im August 2010 hatten Taliban in der Provinz Kunduz ein unverheiratetes Liebespaar wegen Ehebruchs öffentlich gesteinigt, was durch Präsident Karzai verurteilt wurde. Im August 2010 haben die Taliban in der Provinz Badghis eine Witwe wegen Ehebruchs gehängt, die vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes schwanger geworden war. Am 08.12.2010 haben Taliban in der Provinz Takhar eine Frau wegen angeblichen Ehebruchs erschossen. Die AIHRC verurteilte die Tat. Ähnliche Vorfälle haben sich auch in den folgenden Jahren immer wieder ereignet.

Das durchschnittliche Heiratsalter von Mädchen liegt bei 15 Jahren, obwohl ein Mindestheiratsalter von 16 Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist. Zwangsheirat bereits im Kindesalter, "Austausch" weiblicher Familienangehöriger zur Beilegung von Stammesfehden sowie weit verbreitete häusliche Gewalt kennzeichnen die Situation der Frauen. Opfer sexueller Gewalt sind auch innerhalb der Familie stigmatisiert. Das Sexualdelikt wird in der Regel als "Entehrung" der gesamten Familie aufgefasst. Sexualverbrechen zur Anzeige zu bringen hat aufgrund des desolaten Zustands des Sicherheits- und Rechtssystems wenig Aussicht auf Erfolg. Der Versuch endet unter Umständen mit der Inhaftierung der Frau, sei es aufgrund unsachgemäßer Anwendung von Beweisvorschriften oder zum Schutz vor der eigenen Familie, die eher die Frau oder Tochter eingesperrt als ihr Ansehen beschädigt sehen will.

Viele Frauen sind wegen so genannter Sexualdelikte inhaftiert, weil sie sich beispielsweise einer Zwangsheirat durch Flucht zu entziehen versuchten, vor einem gewalttätigen Ehemann flohen oder weil ihnen vorgeworfen wurde, ein uneheliches Kind geboren zu haben.

Internationale Aufmerksamkeit erregte im Frühjahr 2009 die Verabschiedung des schiitischen Personenstandsgesetzes durch das afghanische Parlament. Es enthielt zahlreiche Frauen diskriminierende Bestimmungen. Nach massiven Protesten unterzeichnete Präsident Karzai am 19.07.2009 eine überarbeitete Fassung des Gesetzes, die er als Dekret in Kraft setzte. Bislang ist das Gesetz vom Parlament nicht wieder aufgenommen worden. Die Zivilgesellschaft begrüßte die in Kraft getretene Fassung des Gesetzes mehrheitlich; mehr sei in Anbetracht der politischen Kräfteverhältnisse nicht zu erreichen. Das in Kraft getretene Gesetz stellt eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf dar. Gestrichen wurden unter anderem die höchst umstrittenen Passagen, die regeln sollten, wie häufig die Eheleute einander zu Geschlechtsverkehr verpflichtet sind. Zudem wurden einige Textstellen getilgt, die die Ehe mit/unter Minderjährigen betrafen und diese damit implizit anerkannten, sowie ein Artikel abgeändert, der das Verlassen des Hauses durch die Frau an die Zustimmung des Mannes knüpfte.

Zahlreiche Bestimmungen stehen weiterhin in Widerspruch zu völkerrechtlichen Verpflichtungen Afghanistans, vor allem zur Konvention zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen (CEDAW). Zwar erhält der Ehemann in der von Präsident Karzai in Kraft gesetzten Fassung kein "Vetorecht" mehr, wenn seine Frau das Haus verlassen möchte, doch darf die Frau nun nur zu "legalen Zwecken" ausgehen, und auch dies nur "in dem Maße, wie örtliche Gewohnheit es zulässt". Problematisch sind daneben unter anderem Bestimmungen zum Vormundschaftsrecht von Vater und Großvater, zur Einschränkung des Rechts der Frau zu arbeiten, zur Polygamie, zur finanziellen Kompensation für Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen, zur Verweigerung des Unterhalts durch den Mann bei Verweigerung "ehelicher Rechte" durch die Frau und zu Unterschieden im Erbrecht zwischen Männern und Frauen, vor allem was Immobilien betrifft.

Die Situation der Frau in Afghanistan wird in der Theorie durch die Verabschiedung des "Gesetzes zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen" (EVAW-Gesetz) verbessert, das am 19.07.2009 von Präsident Karzai unterzeichnet wurde. Das EVAW-Gesetz genießt nach seinem Schlussartikel Vorrang vor allen entgegenstehenden Normen. Es enthält zahlreiche strafbewehrte Bestimmungen und hat zum Ziel, Gewalt gegen Frauen in allen Formen zu bekämpfen und zur Schaffung eines Bewusstseins von der Würde und den Rechten der Frau beizutragen. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden, die es nach einer UNAMA-Studie vom Dezember 2010 zum Teil gar nicht kannten, auch heute noch weit entfernt.

Traditionell sind Mädchen und Frauen in der Region Herat in ihrer Bewegungs- und Handlungsfreiheit aufgrund eines ausgeprägt traditionellen Verhaltenskodex besonders stark eingeschränkt. In dieser Region wird – mit abnehmender Tendenz – eine erhebliche Zahl von Selbstverbrennungen von Frauen verzeichnet. Überwiegend handelt es sich dabei um aus Iran zurückgekehrte Flüchtlingsfrauen, von denen angenommen wird, dass sie sich vorwiegend aus Verzweiflung wegen Kinder- und Zwangsverheiratung selbst verbrannt haben. Verlässliche Statistiken liegen nicht vor.

Frauen waren unter den Taliban (1996-2001) von jeglicher Bildung ausgeschlossen. Die Alphabetisierungsrate bei Frauen liegt Schätzungen zufolge in der Größenordnung von 10%. Nach Angaben von UNICEF können nur 18% der Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren lesen und schreiben. Für die wenigen hochqualifizierten Afghaninnen hat sich jedoch der Zugang zu adäquaten Tätigkeiten bei der Regierung verbessert. Die Entwicklungsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen bleiben durch die strenge Ausrichtung an Traditionen und fehlende Schulbildung weiterhin wesentlich eingeschränkt. Wiederholte Gasangriffe auf Mädchenschulen (etwa am 25.08.2010, Totja-Oberschule, Kabul – der fünfte mutmaßliche Gasangriff auf eine Mädchenschule in Kabul 2010; 2011 wurden keine derartigen Vorkommnisse bekannt) bestätigten, dass Schulbildung für Mädchen immer noch von einem Teil der Bevölkerung abgelehnt wurde.

Im Juni 2008 wurde der mit Unterstützung von UNIFEM erarbeitete National Action Plan for Women of Afghanistan (NAPWA) von Regierung gebilligt. NAPWA soll helfen, die Situation der Frauen in Afghanistan zu verbessern, insbesondere ihre Diskriminierung zu beenden, die Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu ermöglichen und ihnen volle und gleichberechtigte Beteiligung in allen Lebensbereichen (Wirtschaft, Gesundheit, Bildung) zu gewähren. Die staatlichen Institutionen sind jedoch bisher nicht fähig, die Vorgaben des NAPWA wirksam durchzusetzen. Oft liegt dies auch an den weiterhin bestehenden, den Forderungen des NAPWA entgegenstehenden kulturell verankerten Traditionen.

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich.

Frauen mit bestimmten Profilen:

Frauen sind besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen zu werden, wenn ihr Verhalten als nicht mit den von der Gesellschaft, der Tradition und sogar vom Rechtssystem auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen wird.

Afghanische Frauen, die einen weniger konservativen Lebensstil angenommen haben, beispielsweise solche, die aus dem Exil im Iran oder in Europa zurückgekehrt sind, werden nach wie vor als soziale und religiöse Normen überschreitend wahrgenommen. Als Folge können sie Opfer von häuslicher Gewalt oder anderer Formen der Bestrafung werden, die von der Isolation und Stigmatisierung bis hin zu Ehrenmorden auf Grund der über die Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm gebrachte "Schande" reichen. Tatsächliche oder vermeintliche Überschreitungen der sozialen Verhaltensnormen umfassen nicht nur das Verhalten im familiären oder gemeinschaftlichen Kontext, sondern auch die sexuelle Orientierung, das Verfolgen einer beruflichen Laufbahn und auch bloße Unstimmigkeiten über die Art des Auslebens des Familienlebens.

Alleinstehende Frauen oder Frauen ohne männlichen Schutz (mahram) sind weiterhin in Bezug auf eine normale soziale Lebensführung eingeschränkt. Betroffen sind geschiedene, unverheiratete, jedoch nicht jungfräuliche Frauen und Frauen, deren Verlobung gelöst wurde. Außer wenn sie heiraten, was angesichts des gesellschaftlichen Stigmas sehr schwierig ist, sind soziale Unterdrückung und Diskriminierung üblich. Alleinlebenden Frauen ohne männliche Unterstützung und Schutz fehlt es infolge der sozialen Einschränkungen, einschließlich der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, grundsätzlich an Mitteln zum Überleben. Dies spiegelt sich im Fall der wenigen Frauen wieder, die ein Frauenhaus aufsuchen konnten. Da es für sie keine Möglichkeit gibt, unabhängig zu leben, sehen sie sich mit einer jahrelangen haftähnlichen Situation im Frauenhaus konfrontiert und entscheiden sich deswegen vielfach für die Rückkehr in die durch Missbrauch geprägte familiäre Situation. Ergebnisse dieser "Versöhnungen" werden nicht weiter beobachtet und Misshandlungen oder Ehrenmorde, die nach der Rückkehr begangen werden, bleiben oft unbestraft. Zwangs- und Kinderheirat werden in Afghanistan nach wie vor weit verbreitet praktiziert und können in unterschiedlichen Formen in Erscheinung treten. Auch ist der Zugang zu Bildung für Mädchen stark eingeschränkt. Darüber hinaus werden Frauenrechtsaktivisten bedroht und eingeschüchtert, insbesondere wenn sie ihre Stimme zu Frauenrechten, der Rolle des Islam oder das Verhalten von Befehlshabern erheben.

Angesichts der weit verbreiteten gesellschaftlichen Diskriminierung und der geschlechtsspezifischen Gewalt können afghanische Frauen und Mädchen – insbesondere in den vom bewaffneten Konflikt betroffenen oder sich unter der faktischen Kontrolle der bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppen befindlichen Gebieten – je nach ihrem individuellen Profil und ihren persönlichen Umständen einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein. Das Abweichen von den konventionellen Rollen oder die Überschreitung der gesellschaftlichen und religiösen Normen kann dazu führen, dass Frauen und Mädchen Gewalt, Schikanierungen und Diskriminierungen ausgesetzt sind. Frauen mit bestimmten Profilen können einer Verfolgungsgefahr auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein, beispielsweise Opfer von häuslicher oder anderen Formen schwerwiegender Gewalt, alleinstehende Frauen oder weibliche Familienvorstände, Frauen mit erkennbaren gesellschaftlichen oder beruflichen Rollen wie Journalistinnen, Menschenrechtsaktivistinnen und in der Gemeindearbeit tätige Frauen. Wenn das Abweichen von den traditionellen Rollen als Widerspruch zu den traditionellen Machtstrukturen angesehen wird, kann sich die Verfolgungsgefahr auch auf die Religion oder politische Überzeugung beziehen. Darüber hinaus können Maßnahmen, die die Fähigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen, so stark einschränken, dass das Überleben bedroht ist, oder starke Einschränkungen des Zugangs zur Bildung oder zu Gesundheitsdiensten eine Verfolgung darstellen.

(UNHCR, "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender" vom 10.11.2009; vergleiche UNHCR, "Eligibility Guidelines for Assessing the international protection needs of Asylum-Seekers from Afghanistan”, 17.12.2010; Human Rights Watch, "We Have the Promises of the World – Women’s Rights in Afghanistan”, Dezember 2009)

Laut einer "Analyse der Staatendokumentation”, Übersetzung des Beitrages "Women in Afghanistan” (erschienen in Taucher/Vogl/Webinger, Hrsg.3.2014, "Afghanistan 2014 and beyond”, Wien, BMI) sowie laut Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (zuletzt vom 02.03.2017, in der Fassung vom 25.09.2017) hat sich die Situation inzwischen nicht wesentlich geändert.

Zur maßgeblichen Situation der Frauen in Afghanistan (Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016):

"Frauen mit bestimmten Profilen oder unter bestimmten Bedingungen lebende Frauen

Die Regierung hat seit 2001 einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung, insbesondere durch Verabschiedung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz), den Erlass von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe von Frauen und die Einrichtung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten.

Die Verbesserungen der Situation von Frauen und Mädchen blieben jedoch Berichten zufolge marginal und Afghanistan wird weiterhin als ‚sehr gefährliches‘ Land für Frauen und Mädchen betrachtet. Fortschritte, die in der Vergangenheit in Hinblick auf die Menschenrechte von Frauen erzielt wurden, wurden teilweise durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in einigen Teilen des Landes zunichte gemacht. Die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleibt endemisch. Berichten zufolge ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor weit verbreitet und nimmt weiter zu. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte üblicherweise straflos bleiben. Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.

Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz von Frauenrechten weiterhin nur langsam umgesetzt werden, dies betrifft insbesondere die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz). Das im August 2009 verabschiedete Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge der politische Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend wird es Berichten zufolge nicht vollständig durchgesetzt, insbesondere nicht in ländlichen Gebieten. Die überwiegende Mehrheit der Fälle der gegen Frauen gerichteten Gewaltakte, einschließlich schwerer Straftaten gegen Frauen, wird immer noch nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen statt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt. UNAMA berichtet, dass sowohl die afghanische nationale Polizei (ANP) als auch die Staatsanwaltschaften zahlreiche Fälle, einschließlich schwerwiegender Straftaten, an jirgas und shuras zum Zweck der Beratung oder Entscheidung weiterleiten und dadurch die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) unterminieren und die Praktizierung schädlicher traditioneller Bräuche fördern. Durch Entscheidungen gemäß diesen Mechanismen sind Frauen und Mädchen der Gefahr weiterer Schikanierung und Ausgrenzung ausgesetzt.

Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere diskriminierende Bestimmungen für Frauen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.

Während die in diesem Abschnitt beschriebenen Menschenrechtsprobleme Frauen und Mädchen im gesamten Land betreffen, gibt die Situation in Gebieten, die tatsächlich von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden, Anlass zu besonderer Sorge.

Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge in diesen Gebieten die Rechte von Mädchen und Frauen in schwerwiegender Weise beschnitten, darunter ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und politische Partizipation. Außerdem besteht in von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrollierten Gebieten eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz ausgesetzt sind und ihnen keine wirksamen Rechtsmittel gegen die Verletzung ihrer Rechte zur Verfügung stehen. Die von den regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten betriebene Paralleljustiz verletzt Berichten zufolge tatsächlich regelmäßig die Rechte von Frauen.

[ ]

Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen

Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer wie etwa Witwen sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Erwerbsmöglichkeiten, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Inhaftierungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia betreffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, einschließlich Inhaftierung aufgrund ‚moralischer Vergehen‘ wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung, Ablehnung einer Heirat, außereheliche sexuelle Beziehungen (die als Ehebruch angesehen werden) und ‚Weglaufen von zu Hause‘ (einschließlich in Situationen von häuslicher Gewalt). Mehr als der Hälfte der in Afghanistan inhaftierten Mädchen und Frauen wurden ‚moralische Vergehen‘ zur Last gelegt. Da Anklagen aufgrund von Ehebruch und anderen ‚moralischen Vergehen‘ Anlass zu Ehrenmorden geben können, versuchen die Behörden Berichten zufolge in einigen Fällen, die Inhaftierung von Frauen als Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.

[...]

In Gebieten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, besteht für Frauen und Männer, die unmoralischer Verhaltensweisen bezichtigt werden, das Risiko, über die parallelen Justizstrukturen dieser regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) zu harten Strafen, einschließlich zu Auspeitschung und zum Tod, verurteilt zu werden."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Neue Aspekte oder Belege zu Identität oder den Fluchtgründen brachten die Beschwerdeführer mit dem Beschwerdeschriftsatz in das Verfahren nicht ein und steht die Identität der Beschwerdeführer mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

Die oben unter römisch II.1. getroffenen Feststellungen zur Identität, zur Grundversorgung und der strafrechtlichen Unbescholtenheit in Österreich, ergeben sich aus ihren Angaben vor dem BFA und im Beschwerdeverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie aus der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem und in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den Lebensumständen der Beschwerdeführer, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF im Verfahren vor dem BFA im Beschwerdeverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Die zu den BF1, BF3 und BF4 und zu der BF2 getroffenen Feststellungen stützen sich weiters auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer in der Erstbefragung, in der Einvernahme vor der belangten Behörde, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und aus dem Akteninhalt der von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakte sowie auf die in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Unterstützungserklärungen von Personen, welche mit den Beschwerdeführern in Österreich in Kontakt gekommen sind.

2.2. Die zur BF2 getroffenen Feststellungen gründen auf den Angaben der BF2 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auch auf deren persönlichen Eindruck, welchen die BF2 hinterließ und die in dem vorgelegten Schreiben der römisch 40 enthaltene Beschreibung der BF2 (sucht Kontakt zu ÖsterreicherInnen, Teilnahme an Deutschkursen und einer Nähgruppe). Entsprechend der Linie des VwGH hat sich das Bundesverwaltungsgericht damit auseinander zu setzen, wie es der BF2 ergehen würde, wenn sie in der relevanten Herkunftsregion Kabul den im Entscheidungszeitpunkt gelebten Lebensstil fortführen würde (VwGH 22.3.2017, Ra 2016/18/0388 mHa VwGH 15.12.2015, Ra 2014/18/0118-0119).

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hinterließ die BF2 glaubhaft den Eindruck, dass sie selbständig und ohne Fremdbestimmung und mit Kontakt zu Mitmenschen beiderlei Geschlechts – auch von außerhalb der Familie – leben möchte und so in ihrer Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Dies wird durch die vorgelegten Beweismittel (siehe unter 1.8.) unterstützt. Daraus kommt hervor, dass die BF2 in Österreich Kontakt mit österreichischen Staatsbürgern beiderlei Geschlechts hält. Sie lebt nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition: dies zeigt sich im gegenständlichen Fall daran, dass die BF2 mit ihrer Erzählung aus ihrem Leben in Afghanistan deutlich zum Ausdruck brachte, die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan sowie die dort aufoktroyierten Kleidungsvorschriften für Frauen abzulehnen:

dies verdeutlichte sie in der Verhandlung unter anderem auch damit, indem sie angab, sie hätte bereits in Afghanistan den Wunsch gehabt, nach der von ihr absolvierten Matura ein Studium zu beginnen und damit, dass sie angab, das Leben in Afghanistan nicht als "menschenwürdig" empfunden zu haben, wärend sie das Leben in Österreich als "normales Leben" bezeichnet.

Dass die BF2 die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ablehnt, brachte sie mit ihrer Aussage, dass sie in Afghanistan "wie eine Gefangene gewesen wäre", weil sie nicht hätte rausgehen dürfen, zum Ausdruck und auch dadurch, dass sie vorbringt, unter der Einschränkung, dass man in Afghanistan als Schwangere nicht zum Arzt dürfe, weil dies in der Kultur nicht zulässig wäre, gelitten zu haben.

Die BF2 als Mutter von bald drei Kleinkindern vermochte nach zweijährigem Aufenthalt in Österreich mit sehr gutem Wortschatz eine flüssige Konversation zu führen. Sie hinterließ glaubhaft den Eindruck, dass es ihr an Bildungserwerb liegt, sowohl für sich als auch für ihre Kinder.

Die BF2 verdeutlichte mit ihren Ausführungen, dass sie ein selbstbestimmtes Leben und nicht eines nach von außen aufoktroyierten Vorschriften und Erwartungen führen möchte.

Dass die BF2 die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ablehnt, geht weiters auch daraus hervor, dass der Deutschlehrer die im Zeitpunkt der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hochschwangere BF2 auch zuhause unterrichtet. Das widerspricht dem in Afghanistan geliebten Bild einer Frau, welche von der Familie verschiedene Personen nicht im Haushalt darf.

2.3. Da im Zuge des Verfahrens der Nachfluchtgrund der westlichen Orientierung/selbstständigen Lebensführung betreffend die BF2 hervorgekommen ist, ist das Fluchtvorbringen ihres Ehemannes BF1, von den Taliban wegen seiner Arbeitstätigkeit bei der US-Armee und bei der britischen Firma römisch 40 mit dem Tode bedroht zu sein, durch das Bundesverwaltungsgericht nicht relevant und wurde daher nicht weiter geprüft.

2.4. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan ergeben sich aus UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation (der Frauen) in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquelle und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan ergeben sich aus dem den Beschwerdeführern mit der Verhandlungsladung übermittelten und anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erörterten Länderbericht sowie der Aktualisierung des Länderberichts vom 25.9.2017, welche der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt wurden. Dabei handelt es sich um gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellte Länderbericht der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, welche der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Die Länderfeststellungen stützen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, welche in ihren Aussagen ein einzelfallunabhängiges schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Die Beschwerdeführer und deren Rechtsvertreter sind dem Länderbericht nicht entgegen getreten.

Die BF1 bis BF4 gaben in der mündlichen Verhandlung zu den mit der Ladung zur Verhandlung übermittelten Länderfeststellungen keine Stellungnahme ab und verwies die Vertreterin auf den Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes sowie auf zwei Judikate des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Rechtsvorschriften für das gegenständliche Verfahren:

Gemäß Paragraph 6, Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.

Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß Paragraph 15, AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Gemäß Paragraph 18, AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

Familienverfahren:

Gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG gilt der Antrag eines Familienangehörigen eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Die Behörde hat gemäß Paragraph 34, Absatz 4, AsylG Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, gilt diese gemäß Paragraph 16, Absatz 3, BFA-VG auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich.

Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

3.2. Rechtlich folgt daraus:

Ad Spruchpunkt A):

Die gegenständliche Verwaltungssache langte am 10.3.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. In Ermangelung einer anderslautenden Norm in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen ist eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen, sodass in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung der nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichterin zukommt.

Ein Familienverfahren gemäß Paragraph 34, AsylG liegt vor, da der BF1 und die BF2 Ehe iSd Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG verheiratet und Eltern der minderjährigen BF3 und BF4 sind.

Zu Spruchpunkt A) – Entscheidung in der Sache:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden, welcher in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 2, AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Der Antrag auf internationalen Schutz ist allerdings gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG bezüglich Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (Paragraph 11, AsylG 2005) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund gesetzt hat (Paragraph 6, AsylG 2005).

Die Anträge auf internationalen Schutz der BF1 bis BF3 wurden am 2.12.2015 – somit nach dem 15.11.2015 gestellt, sodass der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen ist, dass die Paragraphen 2, Absatz eins, Ziffer 15 und Paragraph 3, Absatz 4 bis Absatz 4 b, AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 24 aus 2016, ("Asyl auf Zeit") gemäß Paragraph 75, Absatz 24, AsylG 2005 Anwendung finden.

Der Antrag auf internationalen Schutz des BF4 wurde nach dessen Geburt im März 2016 gestellt, somit nach dem 15.11.2015. Daher gelten auch für den BF4 die mit 1.1.2016 in Kraft getretenen Paragraph 3, Absatz 4 bis 4b AsylG 2005, welche gemäß Paragraph 75, Absatz 24, leg.cit. für Anträge auf internationalen Schutz gelten, welche nach dem 15.11.2015 gestellt worden sind.

Die Absatz 4 bis 4b des Paragraph 3, AsylG 2005 lauten:

"(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (Paragraph 5, BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer eins, gilt Absatz 4, mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet."

Paragraph 6, AsylG 2005 normiert die Gründe für den Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wie folgt:

(1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Artikel eins, Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Artikel eins, Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB, Bundesgesetzblatt Nr. 60 aus 1974,, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Absatz eins, vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. Paragraph 8, gilt.

Als Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 21.9.2000, 2000/20/0286).

Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, 99/01/0280).

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 6.10.1999, 99/01/0279; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25. 1.2001, 2001/20/0011).

Glaubhaftmachung bedeutet, die Behörde davon zu überzeugen, dass der behauptete Sachverhalt wahrscheinlich verwirklicht oder nicht verwirklicht worden ist (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I², Anmerkung 1 zu Paragraph 45,, Sitzung 640). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (VwGH 29.4.1992, 90/13/0201; 22.12.1992, 91/04/0019; 11.6.1997, 95/01/0627; 19.3.1997, 95/01/0466).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 5.11.1992, 92/01/0792; 9. 3.1999, 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen

(Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2,) haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die beststehende Verfolgungsgefahr vergleiche VwGH 16.6.1994, 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche VwGH 1.6.1994, 94/18/0263; 1.2.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – in diesem Fall wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2002, 2000/01/0322).

Innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative:

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 8.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht vergleiche z.B. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; VwGH 15.03.2001, 99/20/0134). In diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 8.9.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden vergleiche etwa VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017- 0018, mwN). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht. Auch eine private Verfolgung kann insoweit maßgeblich sein, als der Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage ist, Schutz vor solcher Verfolgung zu gewähren. Es sind daher konkrete Feststellungen zur Lebensweise der Asylwerberin im Entscheidungszeitpunkt zu treffen und ist ihr diesbezügliches Vorbringen einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 22.3.2017, Ra 2016/18/0388).

Daraus ergibt sich, dass einer Beschwerdeführerin Asyl zu gewähren ist, wenn der von ihr vorgebrachte "westliche Lebensstil" in Afghanistan einer zu den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen eingenommenen oppositionellen Einstellung gleichgesetzt wird und ihr deshalb Verfolgung im oben dargestellten Sinn droht (VwGH 6.7.2011, 2008/19/0994).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Furcht der BF2 bei Beibehaltung des westlichen Lebensstils und der westlichen Lebenseinstellung, vor Verfolgung im Sinne der GFK in ihrem Herkunftsstaat wohlbegründet ist. Dies ergibt sich aber auch aus dem Länderbericht, wonach im Jahr 2009 beabsichtigt wurde, die Rechtsordnung mit Hilfe des schiitischen Personenstandsgesetzes [die BF2 ist sunnitschen Glaubensbekenntnisses] mit zahlreichen frauendiskriminierenden Bestimmungen zu versehen. Erst nach massiven Protesten unterzeichnete Präsident Karzai am 19.07.2009 eine überarbeitete Fassung des Gesetzes, die er als Dekret in Kraft setzte. Bislang ist das Gesetz vom Parlament nicht wieder aufgenommen worden. Die Zivilgesellschaft begrüßte die in Kraft getretene Fassung des Gesetzes mehrheitlich. Das verdeutlicht, dass die grundsätzliche Haltung gegenüber Frauen in Afghanistan noch nicht derart verbessert ist, dass sich eine den westlichen Werten zugetane Frau wohlfühlen und / oder ihre Lebensvorstellungen ohne Einschränkungen oder argwöhnische Beobachtung afghanische Gesellschaft umsetzen könnte.

Der Lebensstil der BF2 und deren Wunsch, selbstbestimmt das eigene Leben nach eigenen Vorstellungen zu organisieren und ein Studium aufzunehmen, unterscheidet sich nicht von jenem, welchen die Frauen in Österreich zu führen pflegen.

Im Wissen, dass "westlicher Lebensstil" nicht etwa bloß aus dem Umstand des Erscheinungsbildes von Beschwerdeführern bei der mündlichen Verhandlung erkennbar ist vergleiche VwGH 22.3.2017, Ra 2016/18/0388), sei an dieser Stelle dennoch angemerkt, dass der Kleidungsstil der in der Verhandlung angezogenen Kleidungsstücke der BF2 nicht jenem Kleidungsstil entsprach, welcher in Afghanistan von Frauen erwartet wird zu tragen. Die BF2 würde daher bereits aufgrund ihrer optischen Erscheinung auffallend vom Erscheinungsbild der Frau in der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft abweichen, wenn sie ihre weiterhin angestrebte Lebensweise in ihrer Heimatregion in Afghanistan fortsetzen würde und spätestens dann, wenn sie ihre in Österreich an den Tag gelegte Lebensweise, wie zum Beispiel sich ohne männlichen Begleiter frei außerhalb der eigenen vier Wände zu bewegen, in Afghanistan weiter betreiben würde.

Nicht zuletzt ist auch davon auszugehen, dass eine Ablehnung der konservativ-islamischen Wertvorstellungen der BF2 im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund ihres Aufenthaltes im Ausland und ihrer Anpassung an das in Österreich bestehende Gesellschaftssystem zumindest unterstellt würde, und der BF2 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde.

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wäre die BF2 mit einer für sie prekären Sicherheitslage konfrontiert. Aus dem Länderbericht geht hervor, dass selbst Polizistinnen von Drohungen und Misshandlungen gegen ihre Person berichten. Das bedeutet, dass für eine Frau – und erst recht für eine solche, die sich nicht an die von der afghanischen Gesellschaft und der Religion auferlegten Vorgaben gebunden fühlt – in fast allen Teilen Afghanistans ein erhöhtes Risiko besteht, Eingriffen in ihre physische Integrität und Sicherheit ausgesetzt zu sein. Aus dem Länderbericht geht hervor, dass die ländlichen Gegenden extrem konservativ und aktiv gegen Initiativen, welche den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern sollen, agieren. Den Feststellungen zufolge ist dieses Risiko sowohl als generelle, die afghanischen Frauen betreffende Gefährdung zu sehen als auch als spezifische Gefährdung, bei nonkonformem Verhalten (dh bei Verstößen gegen gesellschaftliche Normen wie beispielsweise Bekleidungsvorschriften oder – wie von der BF2 vor dem Gericht vorgebracht – bei Verwendung von dekorativer Kosmetik) einer "Bestrafung" ausgesetzt zu sein.

Die BF2 brachte glaubhaft vor, sich fortbilden zu wollen: sowohl mit dem Vorbringen ihren bereits in Afghanistan vorhandenen Wunsch nach einem Pädagogikstudium in Österreich umsetzen zu wollen als auch damit, dass sie bereits trotz der Erziehungsarbeit (derzeit zwei Kleinkinder) sehr gute Deutschkenntnisse aufweist. Dem Länderbericht zufolge ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen, bemerkbar und hätten bei einer Befragung 81% der Interviewten angegeben, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (Länderbericht Sitzung 165). Dennoch ist es so, dass am Land extrem konservativ und aktiv gegen Initiativen, welche den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern sollen, agiert wird. Am Beispiel der die Frauen betreffenden Einschränkungen der Bewegungsfreiheit wird anschaulich, dass afghanische Frauen de facto einer Verletzung in grundlegenden Rechten ausgesetzt sind. Es bestehen nach wie vor gesellschaftliche Normen dahingehend, dass Frauen sich nur bei Vorliegen bestimmter Gründe alleine außerhalb ihres Wohnraumes bewegen sollen. Widrigenfalls haben Frauen mit Beschimpfungen und Bedrohungen zu rechnen bzw. sind der Gefahr willkürlicher Übergriffe und bei Berufstätigkeit sexueller Belästigung (laut Länderbericht Sitzung 165) ausgesetzt.

Auf Grund der Ermittlungsergebnisse ist daher davon auszugehen, dass sich die BF2 aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung, nämlich aus Gründen ihrer politischen Gesinnung (überwiegende Orientierung an dem als "westlich" zu bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbild) und ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von dieser Gesinnung überzeugten afghanischen Frauen, außerhalb sich Afghanistans befinden und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren. Denn die Situation in Afghanistan wirkt sich für die BF2 so aus, dass sie im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen und durch das Bestehen dieser Situation einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist. Dies, da die BF2 nicht willens ist, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben, sondern sich eine Lebensführung angeeignet hat, welche zu dem in der afghanischen Gesellschaft weiterhin vorherrschenden traditionell-konservativen Rollenbild der Frau gegensätzlich ist.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für die BF2 nicht, zumal im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen ist, wo sie deshalb einem erhöhten Sicherheitsrisiko und den daraus resultierenden Einschränkungen ausgesetzt wären. Zwar normiert laut dem aktuellen Länderbericht der Staatendokumentation die im Jahr 2004 angenommene Verfassung, dass alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben und hat sich die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert, aber bleibt die vollumfängliche Realisierung der Rechte der Frau innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterschiedlich sein und ist die Berufsausübung wegen der eingeschränkten Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung schwierig. Frauen sind noch immer einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt, nämlich Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und (weit verbreitete sexualisierte und geschlechtsspezifische) Gewalt.

Die BF2 betreffend kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sie als sich an westlichen Werten und an westlicher Lebenseinstellung orientierende Frau bei dem bestehenden Risiko Opfer von Misshandlungen und Einschränkungen zu werden, etwa ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden kann.

Laut dem aktuellen Länderbericht der Staatendokumentation wird das kodifizierte Recht unterschiedlich eingehalten und in einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle die Taliban ein paralleles Rechtssystem umsetzen. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass laut dem Länderbericht die Verfassung, welche die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Gesetz vorsieht, im Artikel 3 normiert, dass alle Gesetze im Lichte des generellen Islamvorbehalts zu verstehen sind und mangels Stufenbau der Rechtsordnung die Gerichte die Gesetze oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachten.

Frauen sind besonders gefährdet Opfer von Misshandlungen zu werden, wenn ihr Verhalten als nicht mit den von der Gesellschaft, der Tradition oder sogar vom Rechtssystem auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen wird. Afghanische Frauen, die einen weniger konservativen Lebensstil angenommen haben – beispielsweise solche, die aus dem Exil im Iran oder in Europa zurückgekehrt sind – werden nach wie vor als soziale und religiöse Normen überschreitend wahrgenommen. Die BF2 würde dadurch in Afghanistan als Frau, die sich Kleidungsvorschriften bzw religiösen Zwängen nicht unterwerfen möchte, als eine Frau welche sich als nicht konform ihrer durch die Gesellschaft, Tradition und das Rechtssystem vorgeschriebenen geschlechtsspezifischen Rolle benimmt, wahrgenommen werden. Die BF2 ist insofern einem besonderen Misshandlungsrisiko ausgesetzt vergleiche dazu EGMR, Case N. gegen Schweden, 20.7.2010 Application Nr. 23505/09, ebenfalls unter Hinweis auf UNHCR).

Damit liegt hinsichtlich die BF2 der Nachfluchtgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe der selbstständig lebenden Frauen vor. Es liegt keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der BF2 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der BF2 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu den im Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung noch nicht volljährigen BF3 und BF4 ist zu sagen, dass in deren Fällen der Status der Asylberechtigten aufgrund des Familienverfahrens nach Paragraph 34, AsylG 2005 vergeben wurde.

Zu dem BF1 ist zu sagen, dass gemäß Paragraph 34, AsylG 2005 Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers oder einer Asylwerberin gesondert zu prüfen, die Verfahren jedoch unter einem zu führen, sind.

Paragraph 34, Asylgesetz 2005 (in Kraft seit 1.11.2017) normiert zum Familienverfahren im Inland wie folgt:

(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8,) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

Anmerkung, Ziffer 2, aufgehoben durch Artikel 3, Ziffer 13,, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 84 aus 2017,)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 7,).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

Anmerkung, Ziffer 2, aufgehoben durch Artikel 3, Ziffer 13,, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 84 aus 2017,)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 9,) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Absatz 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß Paragraph 12 a, Absatz 4, zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Absatz eins bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (Paragraph 30, NAG).

Familienangehöriger im Sinne des AsylG 2005 ist ua wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005).

Bezüglich BF1 waren im Hinblick auf die Asylgewährung für seine Ehefrau seine eigenen Fluchtgründe nicht mehr zu prüfen und war ihm gemäß Paragraph 34, AsylG 2005 Asyl zu gewähren und hinsichtlich seiner Person die Flüchtlingseigenschaft festzustellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen im Spruchpunkt A) wiedergegeben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2017:W264.2149695.1.00