Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

30.11.2017

Geschäftszahl

W142 2156053-1

Spruch

W142 2156053-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.03.2017, Zl. 1105846609/160257486, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.09.2017 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist eine Staatsangehörige aus Somalia, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 17.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 17.02.2016 fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung der BF im Beisein eines Dolmetschers, welcher in die Sprache Somalisch übersetzte, statt. Zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt, gab die BF an, sunnitische Muslimin zu sein und der Volksgruppe der Midgaan anzugehören. Sie habe keine Schul- sowie Berufsausbildung. Ihr Vater und eine Schwester seien bereits verstorben. Ihre Mutter, eine Schwester sowie zwei Halbschwestern würden noch in Somalia leben. Sie habe in römisch 40 gelebt.

Zu ihrem Fluchtgrund brachte sie vor, dass ihre Schwester von ihrem Ehemann misshandelt worden sei. Der Ehemann habe die Schwester im Jahr 2015 umgebracht. Der Stiefvater der BF habe die BF mit diesem Mann verheiraten wollen. Die BF habe dies aber nicht gewollt. Die Mutter und ihre Familie hätten deshalb die Flucht für die BF organisiert. Bei einer Rückkehr habe sie Angst vor ihrem Stiefvater und dem Ehemann ihrer verstorbenen Schwester.

3. Am 08.03.2017 wurde die BF durch die belangte Behörde in der Sprache Somalisch einvernommen. Ergänzend gab sie wie folgt an:

"[ ]

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

VP: Ich gehöre den Midgan an.

LA: Gehören Sie einem Sub-Clan an? Wenn ja, welchem?

VP: Der Sub-Clan heißt Madhibaan.

LA: Welchem Glauben gehören Sie an?

VP: Ich bin Moslem.

LA: Wie lautet Ihr Familienstand (ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden)?

VP: Ich bin ledig und ich habe keine Kinder.

LA: Wo lebten Sie zuletzt in Somalia, bevor Sie die Reise nach Europa antraten?

VP: Ich lebte zuletzt in römisch 40 . Meine Reise hat von Mogadishu begonnen.

LA: Mit wem haben Sie in römisch 40 gelebt?

VP: Ich lebte dort mit meiner Mutter und meiner Geschwister und meinem Onkel. Ich habe keinen Vater, weil er bereits verstorben ist.

LA: Wie viele Geschwister haben Sie?

VP: Ich habe drei Schwestern und eine weitere Schwester ist bereits verstorben. Ich habe keine Brüder.

LA: Wie heißen Ihre Mutter und Ihre Schwestern? Wie alt sind sie?

VP: Die Mutter heißt römisch 40 , ca. 49 Jahre alt, und meine ältere Schwester heißt römisch 40 . Diese Schwester ist nicht mehr am Leben. Sie ist getötet worden.

LA: Wann ist Ihre Schwester ums Leben gekommen?

VP: Es war im August 2015. Ihr Mann hat meine Schwester umgebracht.

LA: Können Sie ein Datum nennen?

VP: Nein, das weiß ich nicht.

LA: Wie heißen die anderen Schwestern?

VP: Die weitere Schwester heißt römisch 40 , ca. 21 Jahre alt, die Halbschwester heißt römisch 40 , ca. 16 Jahre alt, und eine nächste

Halbschwester heißt römisch 40 , ca. 11 Jahre alt.

LA: Wie heißt Ihr Onkel, welcher mit ihnen in einem Haushalt wohnte?

VP: Er heißt römisch 40 .

LA: Ist jener Onkel mit Ihrer Mutter verheiratet oder lebt jener Onkel lediglich so bei ihnen?

VP: Da mein Vater verstarb, heiratete er meine Mutter.

LA: Wann ist Ihr Vater verstorben?

VP: Es war 1996.

LA: Wovon lebten Sie in Somalia bzw. welcher Arbeit sind Sie nachgegangen?

VP: Meine Mutter hat gearbeitet und mein Onkel hat gearbeitet. Ich bin keiner Arbeit nachgegangen, aber ich habe meiner Mutter geholfen.

LA: Wobei haben Sie ihrer Mutter geholfen?

VP: Meine Mutter hat eine Nähmaschine und sie hat Sachen genäht. Ich habe ihr geholfen. Sie hat geschneidert. Ich habe mich um den Haushalt gekümmert.

LA: Wann haben Sie römisch 40 verlassen?

VP: Es war Anfang Oktober 2015.

LA: Wohin haben Sie sich begeben?

VP: Nach Mogadishu bin ich mit dem Auto gefahren.

LA: Wie lange blieben Sie in Mogadishu?

VP: Ich war knapp ein Monat dort aufhältig.

LA: Wo bzw. in welcher Unterkunft waren Sie in Mogadishu untergebracht?

VP: Ich lebte im Haus meines Onkels (m) in Mogadishu. Später kam ich dann in das Haus des Schleppers.

LA: Wie lange waren Sie in dem Haus des Onkels aufhältig?

VP: Ich war nur eine Nacht lang dort aufhältig.

LA: Wie heißt der Onkel (m) in Mogadishu?

VP: Er heißt römisch 40 .

LA: Weshalb waren Sie nur eine Nacht lang dort aufhältig?

VP: Mein Onkel hatte Angst um mich. Er brachte mich deshalb zu einem Schlepper.

LA: Wo bzw. in welchem Bezirk lebte ihr Onkel in Mogadishu?

VP: Ich kann es nicht sagen. Ich kannte Mogadishu nicht. Ich habe ihn nicht danach gefragt, in welchem Bezirk er wohnt. Ich kann nur sagen, dass ich in Mogadishu war.

LA: Auf welche Art und Weise sind Sie aus Somalia ausgereist?

VP: Ich verließ Somalia mit einem Flugzeug.

LA: Wohin sind Sie gereist?

VP: Ich reiste von Mogadishu in die Türkei, nach Istanbul.

LA: Mit welchem Reisedokument sind Sie aus Somalia ausgereist?

VP: Ich hatte einen gefälschten Reisepass. Der Pass hat nicht mir gehört, sondern er wurde vom Schlepper organisiert.

LA: Wie viel haben Sie für die Reisebewegung bezahlt?

VP: Der Schlepper hat mir gesagt, dass es US-$ 4.500,-- sind. Ich habe vom Schlepper dann US-$ 500,-- erhalten.

LA: Weshalb haben Sie vom Schlepper Geld erhalten?

VP: Es war so, dass meine Familie zunächst dem Schlepper US-$ 5.000,-- übergab. Die Reise hat jedoch nur US-$ 4.500,-- gekostet, weshalb mir der Schlepper den Restbetrag von US-$ 500,-- übergab.

LA: Wie konnte Ihre Familie einen derartigen Betrag aufbringen?

VP: Ich weiß es nicht, woher die Familie das Geld hatte. Ich weiß nur, dass meine Mutter Gold hatte. Ich weiß aber nicht, ob sie das Gold verkauft hat. Ich weiß, dass der Onkel (m) namens römisch 40 auch geholfen hat.

LA: Wann kamen Sie in Österreich an?

VP: Es war im Februar 2016.

LA: Haben Sie noch weitere Familienangehörige (Onkel, Tanten, Großeltern, oä.) in Somalia?

VP: Mein Oma (m) lebt noch. Sie lebte mit uns zusammen.

LA: Wie heißt die Großmutter?

VP: Sie heißt römisch 40 .

LA: Gehören Sie einer politischen Partei, einer sonstigen Gruppierung oder einer terroristischen Vereinigung an?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie jemals strafffällig?

VP: Nein."

[ ]"

Zu ihren Fluchtgründen brachte die BF wie folgt vor (Schreibfehler korrigiert):

"[ ]

LA: Aus welchem Grund haben Sie damals Somalia verlassen? Schildern Sie bitte von den Fluchtgründen?

VP: Ich gehöre einer Minderheit an. Wie wurden von den anderen großen Clans diskriminiert. Ich bin genitalverstummelt worden. Dies passierte an meinem 9. Lebensjahr. Es musste zweimal durchgeführt werden.

Ich konnte nicht machen, was ich wollte. Ich musste einen Mann heiraten, den ich nicht wollte. Der Mann war der Ehemann meiner Schwester. Er hat meine Schwester umgebracht und er war ein Bandit. Er hat Khat-Blätter gekaut.

Mein Onkel (v), der mit meiner Mutter verheiratet ist, kaute auch diese Khat-Blätter. Mein Onkel hat mich nicht gut behandelt. Er machte mir immer das Leben schwer.

Meine Schwester, welche verstorben ist, hatte seit längerer Zeit Eheprobleme gehabt. Ihr Mann hat sie immer wieder geschlagen. Wir haben den Onkel immer darum gebeten, dass er deren Ehemann verbietet, sie zu schlagen. Der Onkel sagte immer, dass er nichts gegen diese Schlägerei sagen wird. Der Onkel sagte, dass dieser Mann ein guter Mann sei und dass wir seinetwegen in dieser Stadt leben dürfen.

Mein Onkel arbeitete mit diesen Banditen zusammen.

LA: Wen meinen Sie mit dem Begriff "Banditen"?

VP: Es sind andere Banditen. Die machen die Stadt zu einem Kontrollpunkt und haben die Stadt ausgeraubt.

LA: Setzen Sie bitte die Schilderungen fort!

VP: Ich gehöre dem Clan Midgan an und die größeren Clan heiraten uns nicht. Uns heiraten nur die Banditen, die uns versklaven wollen.

Mein Onkel hat uns verachtet und manchmal ist er von uns weggegangen und behauptete vor anderen Leuten, dass er einem anderen Clan angehöre.

Es wurden auf unser Haus Steine geworfen bzw. vor unserem Haus. Ich wurde einmal von einem Stein getroffen – es war auf der Stirn. Die größeren Clans sind gegen uns und wenn sie ein hübsches Gesicht sehen, dann sind sie verärgert.

LA: Wann wurden Sie mit einem Stein im Gesicht getroffen? Wann hat sich dieser Vorfall zugetragen?

VP: Es war bereits vor ein paar Jahren. Es war vor sieben Jahren.

LA: Wer hatte diesen Stein geworfen?

VP: Es waren Leute aus der Nachbarschaft. Sie nannten uns "Midgan".

LA: Schildern Sie weiter von Ihren Fluchtgründen?

VP: Wir mussten zu Hause bleiben und wir gingen nicht zur Schule.

LA: Wen meinen Sie mit dem Begriff "wir"?

VP: Ich meine damit meine Schwestern.

LA: Von wem aus mussten Sie zu Hause bleiben?

VP: Draußen waren wir nicht sicher. Deshalb mussten wir daheim bleiben. Meine Mutter hat zu uns immer gesagt, dass wir zu Hause bleiben sollen. Sie hatte Angst um uns, dass wir vergewaltigt werden.

Ich möchte weiters anführen, dass meine Schwester von deren eigenen Ehemann umgebracht wurde. Nach dem Tod meiner Schwester sagte mein Onkel (v), dass ich diesen Mann heiraten muss. Ich war tieftraurig, weil er meine Schwester umgebracht hat. Meine Mutter war auch dagegen. Meine Schwester hat eine Tochter hinterlassen und er hat das Kind zu uns nach Hause gebracht.

Der Ehemann meiner Schwester gehört einem großen Clan an. Danach befragt gebe ich an, dass er den Hawiye Clan angehört.

Ich war die Einzige, die wusste, dass deren Ehemann meine Schwester umgebracht hat. Meine Mutter wusste es nicht.

In der Nacht hatte ich Alpträume und ich konnte nicht richtig schlafen. Später fragte meine Mutter, was mit mir los ist. Ich erzählte meiner Mutter, dass meine Schwester nicht eines natürlichen Todes verstorben war, sondern dass ihr Ehemann sie umgebracht hat.

Meine Mutter hat mich getröstet und sie sagte, dass meine Schwester in unserem Herzen weiterleben wird und wir das Kind der verstorbenen Schwester großziehen und sich darum kümmern werden. Sie sagte, dass wir mit diesem Mann nichts zu tun haben möchten. Mein Onkel (v) kam zu uns und sagte, dass ich diesen Mann heiraten müsse. Meine Mutter war dagegen und sie sagte: "Nein, ich werde die Tochter nicht übergeben! Er hat bereits meine Tochter umgebracht!". Als meine Mutter es zu ihm sagte, ist der Onkel (v) zu dem Ehemann meiner Schwester gegangen und erzählte ihm, dass meine Mutter und ich gegen diese Heirat sind.

Der Ehemann meiner Schwester machte meiner Mutter Angst. Er sagte:

"Ich habe die große Tochter bereits geheiratet und ich habe das Recht eine weitere Tochter von ihnen zu bekommen!".

Er sagte, dass er einem großen Clan angehört und er keine Frau heiraten braucht, die einer Minderheit angehört. Er sagte zu meiner Mutter: "Ihr seid minderwertig und ein wertloser Clan. Mein letztes Wort ist, dass deine Tochter und mein Kind am nächsten Tag zu mir kommen! Wenn das nicht passieren wird, dann werde ich kommen und die gesamte Familie auslöschen!". Mein Onkel (v) hatte Angst. Die beiden – mein Onkel (v) und der Ehemann der Schwester - gingen gemeinsam weg.

Mein Onkel (v) kam dann zurück. Er hat mich und meine Mutter geschlagen. Er sagte: "Ihr seid respektlos gegenüber diesem Mann. Warum habt ihr nein gesagt!".

Ich erzählte dem Onkel (v), dass jener Ehemann meine Schwester umgebracht hat und dass er kein guter Mann ist. Mein Onkel (v) hat mich geschlagen und er sagte zu mir: "Du bist frech!". Er sagte, dass ich über den Ehemann der Schwester nichts sagen dürfe. Er hat mich gefesselt.

Meine Mutter hat dann ihren Bruder angerufen. Es ist mein Onkel (m), der bereits in Mogadishu lebte. Sie erzählte ihm alles. Sie hat ihn um Hilfe ersucht und sie erzählte ihm, dass meine Schwester umgebracht wurde. Ich fuhr dann von meinem Heimatort mit einem Auto nach Mogadishu.

Der Onkel (m) holte mich von der Bushaltestelle in Mogadishu ab. Mein Onkel brachte mich dann in sein Haus.

Mein Onkel (v) und der Mann, der mich heiraten wollte, haben den Onkel (m) angerufen. Sie sagten zu dem Onkel (m), dass ich bei ihm sein müsste und dass ich nicht, woanders sein könnte.

Mein Onkel (m) wurde bedroht. Mein Onkel hat jemanden angerufen. Mein Onkel brachte mich dann in das Haus des Mannes bzw. Schleppers. Mein Onkel (m) hat mir gesagt, dass er mir keinen Schutz geben kann, da der Schwager nun nach mir sucht.

Die restliche Zeit verbrachte ich in dem Haus des Schleppers, bis ich dann Somalia verlassen habe.

LA. Haben Sie weitere Angaben zu den Fluchtgründen zu machen?

VP: Nein, dies ist alles.

LA: Hatten Sie jemals heimatstaatlichen Behörden bzw. anderen Einrichtungen (AMISOM, oä.) Probleme?

VP: Nein.

LA: Kam es während Ihres weiteren Verbleibs in Mogadishu zu irgendwelchen Schwierigkeiten?

VP: Nein. Es war nur einmal, als der Onkel (m) angerufen wurde. Von diesem Anruf habe ich bereits zuvor berichtet.

LA: Wie ist Ihre Schwester ums Leben gekommen?

VP: Meine Schwester hatte Epilepsie. Eines Tages war ich bei ihr. Ich habe bei ihr übernachtet. Ich habe mitbekommen, dass der Mann sie die ganze Nacht geschlagen hat.

Ich habe Schreie gehört und gehört, dass meine Schwester geweint hat. Ich konnte ihr leider nicht helfen.

Ich habe das Frühstück vorbereitet. Meine Schwester kam in die Küche. Sie war sehr schwach. Der Mann meiner Schwester fragte seine Ehefrau, was sie in der Küche tue. Sie sagte, dass sie das Frühstück für ihn hole. Dann gab er ihr eine Ohrfeige. Er wollte sie noch schlagen. Ich bin dann dazwischen gegangen. Er hat mich zur Seite geworfen. Im Vorzimmer war ein großer Stein, der auf dem Boden lag. Der Mann hat seine Ehefrau zur Seite geworfen, woraufhin sie zu Boden fiel und auf den Stein stürzte. Sie blutete. Ich habe geschrien.

Die Nachbarschaft ist zu uns gelaufen. Er sagte zu mir, dass ich einfach sagen solle, dass sie über den Stein gestolpert ist. Er hat zu mir gesagt, dass, wenn ich es erzähle, er mich umbringen werde.

LA: Was machten die Nachbarn, als Sie hergelaufen waren?

VP: Der Nachbar fragte, was geschehen war. Der Ehemann meiner Schwester sagte zu den Nachbarn, dass sie über deren Kleidung gestolpert und auf den Stein gefallen war.

Meine Schwester wurde dann ins Krankenhaus eingeliefert. Meine Schwester war damals schwanger. Sie ist dann im Krankenhaus verstorben.

LA: Wann ist sie verstorben?

VP: Sie verstarb noch am selben Tag.

LA: Was machten Sie nachdem die Schwester ins Krankenhaus eingeliefert wurde?

VP: Ich bin dann nach Hause zu meiner Mutter gegangen. Ich erzählte meiner Mutter, dass die Schwester auf einen Stein gefallen war und in einem Krankenhaus liegt. Meine Mutter ist sofort hin gelaufen. Später kam sie nach Hause und sie erzählte mir, dass die Schwester starb.

LA: Aus welchem Grund hat der Ehemann Ihre Schwester schlecht behandelt?

VP: Der Ehemann war nicht gut. Er hat diese Khat-Blätter gekaut. Er kann nicht eine Frau von seinem Clan heiraten. Er hat meine Schwester genommen und er hat mit ihr gemacht, was er wollte, da sie einem Minderheiten Clan angehört.

LA: Weshalb habe der Ehemann ihrer Schwester zuvor keine Frau eines großen Clans ehelichen können?

VP: Er war ein Bandit. Die Leute kannten ihn. Es gibt keine Frau, die einem großen Clan angehört, die ihn heiraten möchte.

LA: Seit wann hat Ihre Schwester mit dem Ehemann Eheprobleme?

VP: Seit sie mit ihm verheiratet ist. Sie haben im Jahr 2012 geheiratet.

LA: Weshalb wollte der Onkel (v), dass Sie den Ehemann ihrer Schwester ehelichen?

VP: Bei uns in Somalia ist es üblich, dass der Ehemann auch die Schwester heiratet.

Mein Onkel (v) und der Ehemann meiner Schwester waren eng befreundet. Die beiden arbeiteten auch zusammen. Ich glaube, es war auch ein Grund, dass sie zusammen arbeiteten.

LA: Wann hat der Onkel (v) zu Ihnen gesagt, dass Sie den Ehemann ihrer Schwester ehelichen müssen? Wie viel Zeit ist verstrichen zwischen dem Ableben der Schwester und dieser Absicht?

VP: Es war ein Monat nach dem Tod meiner Schwester.

LA: Wann hat sich der Vorfall zugetragen, als Sie gefesselt wurden?

VP: Es war im Oktober.

LA: Wann konkret hat sich dies zugetragen?

VP: Ich weiß es nicht genau.

LA: Wie viel Zeit lag zwischen dem Gespräch mit dem Onkel (v) und dem Vorfall, als Sie gefesselt wurden?

VP: Es war eine Woche dazwischen.

LA: Zu welchem Zweck hat er sie gefesselt?

VP: Er hat zu mir gesagt, dass ich stur bin und dass ich nicht gehorsam bin. Aus diesem Grund hat er mich gefesselt.

LA: Womit wurden Sie gefesselt?

VP: Mit einer Schnur.

LA: Wo wurde die Schnur angebracht?

VP: Er hat mir die Hände und die Beine zusammen gebunden.

LA: Wo war Ihre Mutter, als Sie gefesselt wurden?

VP: Meine Mutter war auch da. Er hat auch meine Mutter geschlagen.

LA: Wie konnten Sie dann vor dem Onkel (v) entkommen?

VP: Mein Onkel (v) ist dann in die Stadt gegangen, weil er dort immer Khat-Blätter gekauft hat. Meine Mutter hat mich entfesselt und sie hat mich schließlich dann zum Auto gebracht, welches mich nach Mogadishu brachte.

LA: Woher sollte der Onkel (v) und der Ehemann der Schwester gewusst haben, dass Sie bei dem Onkel (m) in Mogadishu aufhältig sind?

VP: Es ist die einzige Stelle, wo sie mich vermutet haben. Das ich eben dort bin.

LA: Sie führten zuvor aus, dass Ihre verstorbene Schwester ein Kind hat! Wie heißt es und wie alt es?

VP: Es ist ein Mädchen. Es ist über zwei Jahre alt. Es heißt römisch 40 .

LA: Habe der Ehemann ihrer Schwester mit Ihnen darüber gesprochen, dass er Sie ehelichen wolle?

VP: Ja.

LA: Was haben Sie zu ihm gesagt?

VP: Ich sagte zu ihm, dass er bereits meine Schwester umgebracht hat und ich nicht damit einverstanden bin, ihn zu heiraten. Er sagte zu mir, dass er nicht die Schwester umgebracht hat und dass ich es niemand sagen dürfe.

LA: Was hätten Sie bei einer etwaigen Rückkehr nach Somalia zu befürchten?

VP: Ich habe Angst vor dem Ehemann meiner Schwester und dem Onkel (v). Ich habe Angst von ihnen getötet zu werden. Ich kann von diesen Personen nicht entkommen. Ich kann nirgends in Somalia leben.

LA: Weshalb blieben Sie nicht in Mogadishu, zumal es dort zu keinen Vorkommnissen gekommen war?

VP: Ich war nur eine Nacht bei meinem Onkel. Dann haben sie bereits angerufen.

LA: So waren Sie ein Monat lang – ohne jegliche Schwierigkeiten - in Mogadishu aufhältig! Was sagen Sie dazu?

VP: Ich war nur ein Monat lang in dem Haus des Schleppers. Ich musste mich dort verstecken.

LA: Vor wem oder was mussten Sie sich verstecken?

VP: Vor meinem Onkel (v) und meinem Schwager.

LA: Weshalb sollten diese beiden Personen nach wie vor nach Ihnen suchen?

VP: Der Mann wollte mich heiraten. Ich war mit dieser Heirat nicht einverstanden. Der Onkel wollte mich trotzdem zwangsverehelichen lassen.

LA: Sie führten anfangs aus, dass Sie von anderen großen Clans diskriminiert wurden! Was meinten Sie damit?

VP: Ich meinte damit, dass in unserer Stadt große Clans leben. Wir wurden oft beschimpft: "Midgan". Der Name "Midgan" ist eine Schande für einen Somalier. Sie nannten uns: "Aasfresser!". Sie meinten, dass wir unehrlich sind. Es kam auch dazu, dass ein Stein auf mich geworfen wurde. Davon habe ich noch eine Narbe im Gesicht.

[ ]"

4. Mit Bescheid vom 30.03.2017, wies die belangte Behörde den Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und der BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG bis 28.03.2018erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität der BF nicht feststehe. Ihre behauptete Verfolgung durch Private (Ehemann der Schwester und Onkel väterlicherseits) sei nicht glaubwürdig, da es zu einigen Ungereimtheiten gekommen sei und sie nicht nachvollziehbare Angaben gemacht habe. Auch eine Diskriminierung aufgrund ihrer Volksgruppen- bzw. Minderheitenzugehörigkeit habe sie nicht glaubhaft vorbringen können. Sie habe lediglich von allgemeinen Problemen und Schwierigkeiten berichtet und angegeben, dass sie beleidigt und vor ca. sieben Jahren mit einem Stein im Gesicht verletzt worden wäre. Von aktuellen bzw. konkreten Vorkommnissen aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit zu den Madhibaan habe sie nicht berichtet. Zudem gehe aus den Länderfeststellungen hervor, dass es in Somalia kein Risiko einer schweren Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit gebe. Minderheitsangehörige würden nicht mehr aufgrund ihrer Zugehörigkeit marginalisiert oder belästigt werden. Die Sicherheitslage für Angehörige kleiner, schwacher Clans oder ethnischer Minderheiten habe sich wesentlich verbessert. Aufgrund der derzeitigen Gegebenheiten in Somalia sei ihr aber subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen.

Gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG wurde der BF mit Schreiben vom 31.03.2017 amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

5. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Das Bundesamt habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt. Auch seien die Länderfeststellungen mangelhaft, unvollständig sowie veraltet und würden sich kaum mit dem konkreten Fluchtvorbringen der BF befassen. Zudem sie die Beweiswürdigung unschlüssig und mangelhaft. Zur fehlenden Emotionslosigkeit wird ausgeführt, dass die belangte Behörde nicht auf die Gesellschaftsstruktur und allgemeine Lebenserfahrung der Menschen in Somalia eingegangen sei. Es sei nicht richtig, dass die BF ihr Fluchtvorbringen detaillos geschildert habe. Die BF habe die Einvernahme als äußerst unangenehm empfunden und den Eindruck gehabt, dass das Ergebnis bereits festgestanden sei. Das Vorbringen der BF sei auch nicht widersprüchlich. Es stimme, dass der Schwager die Schwester so fest geschupst habe, dass diese auf einen Stein gefallen sei und sich so schwer verletzt habe, dass diese und ihr ungeborenes Kind auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben seien. Die BF habe glaubhaft dargelegt, dass sie von ihrem Schwager und ihrem Stiefvater verfolgt werde, da sie sich geweigert habe den Schwager zu heiraten und somit ein Fluchtgrund iSd GFK vorliege. Die BF werde aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie verfolgt. Zudem gehöre sie einem Minderheitenclan an, weshalb sie zu einer besonders vulnerablen Gruppe zähle.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13.09.2017 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch und im Beisein eines Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Die BF brachte wie folgt vor:

"[ ]

R: Haben Sie eine Schule besucht?

BF: Ja.

R: Welche Schulausbildung haben Sie?

BF: Ich habe bis zur 6. Schulklasse die Schule besucht.

R: Wie heißt diese Schule?

BF: römisch 40 .

R: Wo befindet sich diese Schule?

BF: Auch im Bezirk römisch 40 .

R: Wann haben Sie Somalia verlassen?

BF: Genau weiß ich es nicht mehr, Ende November oder Anfang Dezember 2015.

R: Über welche Länder sind Sie gereist, um nach Österreich zu gelangen?

BF: Ich habe von Mogadischu aus das Heimatland verlassen, bin in die Türkei gekommen und mit dem Schlauchboot nach Griechenland gelangt. Dann habe ich die Grenze zu Fuß überquert und bin über Ungarn nach Österreich gelangt.

R: Wie lange hat Ihre Reise nach Österreich gedauert?

BF: Am 16. oder 17. Februar 2016 bin ich nach Österreich gekommen.

R: Haben Sie noch Verwandte in Ihrem Heimatland?

BF: Ein Onkel mütterlicherseits war in Mogadischu und meine Großmutter mütterlicherseits lebte damals bei meiner Mutter.

R: Leben der Onkel und Ihre Großmutter mütterlicherseits nach wie vor in Somalia?

BF: Jetzt kann ich es nicht sagen, ich weiß es nicht. Damals, bevor ich ausgereist bin, waren sie dort.

R: Wie sind Sie von Mogadischu in die Türkei gelangt?

BF: Mit dem Flugzeug.

R: Besitzen Sie einen Reisepass?

BF: Nein.

R: Wie konnten Sie dann von Mogadischu in die Türkei fliegen, ohne einen Reisepass zu haben?

BF: Der Schlepper hat für mich einen RP besorgt, der mir aber nicht gehörte.

R: Wo befindet sich nun dieser RP?

BF: Der zweite Schlepper in der Türkei hat ihn mir abgenommen. Dieser zweite Schlepper hat mich auf das Boot gebracht und den RP abgenommen.

R: Mit welcher Fluglinie sind Sie geflogen?

BF: Das weiß ich nicht, ich kann es nicht sagen. Das war das erste Mal, dass ich in ein Flugzeug gestiegen bin.

R: Wann sind Sie abgeflogen?

BF: Es war vormittags, gegen 09.00 Uhr. Das Datum weiß ich nicht.

R: Wie lange haben Sie sich in der Türkei aufgehalten?

BF: Ca. 2 Tage.

R: Wo haben Sie sich genau aufgehalten?

BF: Ich wurde vom Schlepper vom Flughafen abgeholt und wurde dann in ein Haus am Meer gebracht. Dort gab es viele Flüchtlinge, so wie ich.

R: Wie lange haben Sie sich in Griechenland aufgehalten?

BF: Zwei Monate.

R: Welchem Clan gehören Sie an?

BF: Midgaan.

R: Können Sie mir Näheres über diesen Clan erzählen, was ist typisch für diesen Clan?

BF: Das ist eine Minderheit in Somalia und wir werden von den anderen Somaliern diskriminiert. Abgesehen von anderen Problemen in Somalia haben wir das Problem, dass uns die anderen vernichten wollen. Die anderen Somalier finden, dass wir eine Schande für Somalia sind, wir sind eine Sünde, weil wir etwas Verbotenes gegessen haben. Das ist eine Sünde und deshalb wollen sie uns vernichten. Die anderen Somalier haben ihre eigenen Gegenden, die ihnen gehört, wir haben aber keine eigene Gegend, wir leben bei anderen Stämmen in deren Gegenden.

R: Was war der Grund dafür, dass Sie Ihr Heimatland verlassen haben?

BF: In Somalia habe ich viele Probleme gehabt. Man hat mich diskriminiert, ich wurde schwer beschnitten (Infibulation). Hinzu kommt noch ein anderes Problem. Ich wurde diskriminiert und dadurch wurde ich auf zwei Arten verletzt, psychisch, mein Inneres wurde verletzt und auch hat man uns mit Steinen beworfen. Die Narbe sieht man noch auf meiner Stirn. Ein Mann hat meine Schwester getötet. Das war ihr eigener Ehemann. Dann wollte er mich heiraten. Man wollte mich mit ihm verheiraten. Er war bei meinem Onkel und hat gesagt, dass er mich heiraten will.

R: Sie haben gesagt, Ihr Schwager hat Ihre Schwester umgebracht. Wann war das?

BF: Im August 2015.

R: Wissen Sie ein genaueres Datum

BF: Nein, das weiß ich nicht.

R: Warum hat Ihr Schwager Ihre Schwester getötet?

BF: Er war ein schlechter Mensch. Er hat es ihr immer schwer gemacht. Er gehört einer Mehrheit an.

R: Welcher Mehrheit gehört Ihr Schwager an?

BF: Hawiye.

R: Wie heißt Ihr Schwager?

BF: römisch 40 (siehe Beilage A).

R: Wie alt ist Ihr Schwager?

BF: Zwischen 50 und 60 Jahre, so schätze ich.

R: Wann hat Ihre Schwester diesen Mann geheiratet?

BF: Im Jahr 2012.

R: Wissen Sie ein näheres Datum?

BF: Ich kann mich nicht daran erinnern, damals habe ich die Schule nicht besucht und nicht gearbeitet. Ich habe mir das Datum nicht gemerkt.

R: Wo hat Ihre Schwester mit ihrem Ehemann gelebt?

BF: Wir waren Nachbarn, sie haben auch in römisch 40 gelebt.

R: Wie hat Ihre Schwester geheißen, die diesen Mann geheiratet hat?

BF: römisch 40 (siehe Beilage A).

R: Wie alt war Ihre Schwester als sie gestorben ist?

BF: Ca. 25 Jahre.

R: Wie ist Ihre Schwester umgekommen?

BF: Der Ehegatte hat Khat gekaut und wenn er das getan hat, hat er sie immer geschlagen. Es war in der Nacht. Ich war bei ihr im Haus. Sie hat laut geschrien, sie haben miteinander gestritten. Sie waren in ihrem Zimmer, ich war in meinem Zimmer, aber ich konnte nicht rausgehen und ihr helfen.

R: Wieso konnten Sie nicht rausgehen?

BF: Die Tür zu ihrem Zimmer war zu. Ich konnte zwar mein Zimmer verlassen, aber ihre Tür war zu. In der Früh bin ich aufgewacht und habe das Frühstück vorbereitet. Sie ist dann aus dem Zimmer gekommen. Sie war verletzt und es ist ihr schlecht gegangen. Sie war auch schwanger. In ihrem Gesicht konnte man dunkle Flecken sehen. Sie wollte ihm das Frühstück ins Zimmer bringen. Aber er hat das Zimmer verlassen und zu ihr gesagt, dass er nach ihr gerufen habe und warum sie nicht gekommen sei. Er war wütend. Sie sagte, dass sie ihn nicht rufen gehört hat und dass sie ihm das Frühstück bringen wolle. Er hat sie an den Haaren gezogen und ihr eine Ohrfeige gegeben. Sie hat geschrien. Ich bin in ihre Richtung gegangen und wollte ihr helfen. Er hat mich geschubst. Ich habe ihm gesagt "Schwager, lass die Frau". Auch sie hat er geschubst. Ich bin an die Wand getaumelt und sie ist im Hof auf einen großen Stein gefallen. Sie hat geschrien und ich habe auch geschrien. Sie hat viel geblutet. Ich war schockiert. Das war das erste Mal, dass ich jemanden mit so viel Blut gesehen habe. Anfangs hat sie laut geschrien, dann ist sie immer leiser geworden, so dass sie übermüdet war. Die Nachbarn wollten zu uns kommen. Der Schwager hat das gemerkt und er sagte, dass, wenn ich ihn verraten würde, er mich töten würde, so wie meine Schwester. Meine Schwester hat aufgehört zu schreien, sie war tot. Zum ersten Mal habe ich gemerkt, dass ich hilflos bin und keine Macht habe. Meine Schwester wurde vor meinen Augen getötet. Er hat das aber geleugnet und gesagt, dass er sie nicht getötet habe.

R: Was haben Sie dann gemacht?

Die BF weint und wird die Verhandlung unterbrochen. 10.25 Uhr.

Die BF beginnt wieder zu sprechen. 10.28 Uhr

BF: Er sagte, dass die Schwester alleine gestürzt ist und ich habe aus Angst vor ihm das bestätigt.

R: Vor wem haben Sie das bestätigt?

BF: Vor den Nachbarn. Die Nachbarn sind zu uns gekommen um zu schauen, was da los ist. Sie haben gefragt, ob meine Schwester tot ist oder noch lebt.

R: Sind die Nachbarn dann wieder gegangen?

BF: Sie sind bei uns geblieben, bis die Schwester zum Arzt ins Spital gebracht wurde. Die Nachbarn haben mir gesagt, ich solle zu meiner Familie gehen und ihr das mitteilen.

R: Sie haben gesagt, dass Sie und Ihre Familie mit Ihrer Schwester und deren Gatten Nachbarn waren.

BF: Sie waren in unserer Gegend, aber nicht unmittelbar benachbart. Sie konnten unsere Schreie nicht hören.

R: Ist Ihre Schwester im Spital verstorben?

BF: Das kann ich nicht sagen. Ich habe meiner Mutter gesagt, dass meine Schwester gestürzt ist. Ich habe aus Angst nicht mehr gesagt. Meine Mutter ist dann ins Spital gegangen. Als sie zurückkam, sagte sie mir, dass meine Schwester bereits tot ist.

R: Wie hat dieses Spital geheißen?

BF: Das Spital wurde " römisch 40 " genannt. Mehr weiß ich nicht.

R: Haben Sie dann, nach dem Tod Ihrer Schwester, bei Ihren Eltern gewohnt?

BF: Ja. Ich habe bei meiner Familie gelebt. Mein Vater war gestorben, mein Onkel väterlicherseits war mit meiner Mutter verheiratet. Er war ein schlechter Mensch.

R: Wann ist Ihr Vater gestorben?

BF: Meine Mutter hat mir erzählt, dass er im Jahr 1996 gestorben ist.

R: Wie hat Ihr Stiefvater geheißen?

BF: römisch 40 .

R: Was war der auslösende Moment, dass Sie Ihr Heimatland verlassen haben?

BF: Als mein Schwager zu uns gekommen ist und gesagt hat, dass er mich heiraten will, weil meine Schwester gestorben ist.

R: Wann ist Ihr Schwager zu Ihnen gekommen?

BF: Anfang Oktober 2015.

R: Was ist dann passiert?

BF: Er hat mit meinem Onkel gesprochen und hat um meine Hand angehalten.

R: Was hat Ihr Onkel gesagt?

BF: Er war damit einverstanden und hat es meiner Mutter erzählt. Mutter hat das mir erzählt und dann hatte ich immer Albträume und habe geweint. Meine Mutter hat mich nach dem Albtraum gefragt – ich habe immer wieder davon geträumt wie mein Schwager meine Schwester getötet hat – ich habe aber meiner Mutter von diesem Traum nichts erzählt. Beim dritten Mal habe ich es dann erzählt. Meine Mutter wollte nicht, dass ich den Schwager heirate. Sie hat gesagt, dass sie mich beschützt.

R: Hat Ihre Mutter Ihnen geraten Somalia zu verlassen?

BF: Ja. Zuerst wurde nur über die Heirat gesprochen. Eines Tages sind dann der Schwager und mein Stiefvater zu uns gekommen. Die Nichte, die Tochter der verstorbenen Schwester, war bei uns. Die Familie meines Schwagers wollte die Tochter nicht betreuen, weil die Mutter den Midgaan angehörte. Mein Schwager hat dann die Tochter zu uns gebracht.

R: Sie hätten also den Schwager heiraten sollen. Sie wollten das aber nicht, haben Sie Somalia daraufhin verlassen?

BF: Ja. Er hat uns gedroht. Er hat gesagt, dass ich ihn so schnell wie möglich heiraten muss und dass ich und seine Tochter zu ihm nach Hause ziehen müssen. Mein Onkel/Stiefvater hat dem zugestimmt. Ich habe geschrien.

R: Sie und Ihre Nichte sind also nicht zu Ihrem Schwager gezogen?

BF: Nein.

R: Wohin sind Sie dann gegangen?

BF: Meine Mutter hat mir geholfen und hat mich mit einem Auto weggeschickt."

[ ]

R: Wenn Sie in Ihr Heimatland zurückkehren müssten, was würden Sie befürchten?

BF: Ich habe Angst. Das Problem, das mich zur Flucht veranlasst hat, besteht noch. Ich habe Angst vor meinem Stiefvater und meinem Schwager. Ich weiß auch nicht, wo meine Familie ist.

R: Woher wissen Sie, dass Ihre Familie Somalia verlassen hat?

BF: Weil mir Mutter zuletzt gesagt hat, dass sie mich retten wird und mit dem Rest der Familie flüchten wird.

R: Hat Sie gesagt, wohin sie geht?

BF: Nein. Aber sie sagte, ich solle mir keine Sorgen um sie machen. Sie wird sich und die anderen retten.

R: Sie vermuten also nur, dass Ihre Familie Somalia verlassen hat?

BF: Ich bin nicht sicher.

R: Von wann bis wann haben Sie die Schule besucht?

BF: Von 2000 bis 2006 oder 2007.

R: Sie haben gesagt, Sie wurden diskriminiert. Wie hat diese Diskriminierung ausgesehen?

BF: Die Nachbarn haben uns beleidigt und beschimpft, man hat uns zwangsverheiratet und dass ich meine Ausbildung nicht weitermachen konnte.

R: Wieso konnten Sie Ihre Ausbildung nicht weitermachen?

BF. Die Mitschüler haben uns in der Schule beleidigt und mit Steinen beworfen. Auf dem Weg zur Schule wurden wir von den anderen Mitschülern beschimpft und mit Steinen beworfen. Wir sind immer weinend nach Hause zurückgekehrt. Meine Mutter hat dann entschieden, dass wir nicht weiter in die Schule gehen sollten.

R: Sie haben gesagt, ein Stein hat Sie an Ihrer Stirn getroffen. Wann war das?

BF: Vor ca. 7 Jahren.

R: Wer hat das gemacht?

BF: Nachbarn.

R: Welche Nachbarn?

BF: Es waren Nachbarn aus unserer Gegend, welchem Clan sie angehören, weiß ich nicht.

[ ]"

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist Staatsangehörige von Somalia und stellte am 17.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Ihre Identität steht nicht fest. Sie hat in römisch 40 gelebt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF der Minderheitengruppe der Midgaan, auch Madhibaan genannt, angehört. Die von ihr behaupteten Fluchtgründe werden der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zu Grunde gelegt.

Die BF lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte.

1.2. Relevante Länderberichte zur Situation in Somalia:

0. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 27.6.2017: Update zur Dürre-Situation (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

Nachdem über zwei Jahre beide Regenzeiten (Deyr und Gu) ausgeblieben sind, hat sich in Somalia eine humanitäre Katastrophe entwickelt. Das System von Subsistenz-Landwirtschaften in den Flussgebieten von Shabelle und Juba ist teilweise zusammengebrochen; die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich verdoppelt; und Millionen Stück Vieh sind verendet (ICG 9.5.2017). Die Behörden Somalilands sprechen von 80% Verlusten beim Viehbestand (BBC 11.5.2017; vergleiche TG 24.5.2017), andere Schätzungen sprechen von 50%. Der Außenminister Somalilands gibt an: "Es gab hier schon immer Dürreperioden, aber nur alle zehn Jahre. Jetzt haben wir sie schon alle zwei Jahre. Und die Dürre in diesem Jahr ist die schlimmste Dürre, die wir in Ostafrika jemals hatten." (TG 24.5.2017)

In vielen Städten Süd-/Zentralsomalias sind Nahrungsmittel für IDPs und sehr arme Bevölkerungsteile kaum mehr leistbar (ICG 9.5.2017). Die Dürresituation hält vor allem im Südwesten Somalias weiter an, dort bleibt die Angst vor einer Hungersnot bestehen. In den nördlichen und zentralen Teilen des Landes hat der teils durchschnittliche, teils überdurchschnittliche Regen im Jahr 2017 zur verbesserten Weide- und Wasserlage beigetragen (UNFPA 14.6.2017)

Dafür ist eine massive Hilfsoperation angelaufen, an der zahlreiche ausländische und lokale NGOs beteiligt sind (ICG 9.5.2017). Dank der großzügigen Ressourcen, die von Gebern zur Verfügung gestellt worden sind, konnten nationale und internationale NGOs sowie UN-Agenturen ihre humanitäre Unterstützung in ganz Somalia massiv nach oben fahren. Dabei wird mit den Behörden zusammengearbeitet. In Mogadischu, Baidoa und Garoowe wurden Koordinierungszentren eingerichtet (UNSC 9.5.2017). Koordinierung und Management der Operationen sind angesichts der Fehler in der Vergangenheit (2011) stark verbessert worden (ICG 9.5.2017). Die internationale Unterstützung erfolgte relativ rasch, die Anstrengungen sind besser koordiniert. Auch auf nationaler Ebene wurde reagiert und geholfen. Die Regierung hat Anstrengungen unternommen, selbst Studenten wurden ermutigt, jeweils 10 USD zu spenden. Firmen und Wirtschaftstreibende haben signifikant zu den Hilfskampagnen beigetragen (ICG 9.5.2017).

Die Zahl der Menschen, die durch die Operationen zur Verbesserung des Zugangs zu Nahrungsmitteln erreicht werden, hat sich von 1,1 Millionen im Februar 2017 auf 1,7 Millionen erhöht. Alleine im März konnten 332.000 Kinder von Ernährungsleistungen profitieren. Darunter waren 69.000 schwer unterernährte Kinder unter 5 Jahren. Auch die Versorgung mit sicherem Trinkwasser wurde hochgefahren. Dabei wurden zwischen Jänner und März 2017 knapp 1.150.000 Menschen erreicht. Allein im Februar hat sich die Zahl der Erreichten verdoppelt (UNSC 9.5.2017).

Rund 50% der gewährleisteten Hilfe wurde in Geld geleistet. Damit werden Märkte stabilisiert, wurde das schnelle Hochfahren der Unterstützung gewährleistet, wurden Menschen auch in entlegenen Gebieten erreicht und wurde das Risiko der Plünderung von humanitären Hilfsgütern minimiert (UNSC 9.5.2017). Außerdem ist diese Form der Hilfeleistung billiger. Gelder werden über Mobilfunksysteme ausbezahlt (ICG 9.5.2017).

Trotz aller Bemühungen wurden die gesetzten Ziele aber nicht erreicht, die humanitäre Lage verschlechtert sich weiter. Das Risiko einer Hungersnot besteht weiterhin. 6,2 Millionen Menschen sind akut von Nahrungsmittelknappheit betroffen, 3 Millionen brauchen lebenserhaltende Unterstützung (UNSC 9.5.2017). Seit November 2016 verließen über 740.000 Menschen aufgrund der Dürre ihre Heimatgebiete, darunter 480.000 unter 18jährige (UNHCR 31.5.2017). Aus manchen Regionen wurden Hungertote gemeldet – etwa aus Bay (BBC 4.3.2017).

Einige Schwierigkeiten, die schon im Jahr 2011 vorherrschten, bestehen auch weiterhin. Unsicherheit und mangelnder Zugang zu Hilfsgütern sind problematisch (ICG 9.5.2017). Vor allem in Süd-/Zentralsomalia hindert die schlechte Sicherheitslage Menschen manchmal am Zugang zu humanitärer Hilfe (UNSC 9.5.2017). Dabei ist Süd-/Zentralsomalia wieder das Epizentrum der humanitären Krise. Diese wird dort durch lokale Clan-Konflikte und al Shabaab noch verschärft (ICG 9.5.2017).

Dahingegen waren zwar auch Teile ("pockets") von Somaliland und Puntland schwer von der Dürre betroffen. Dort ist die Situation aber bei weitem weniger schlecht als im Süden (ICG 9.5.2017).

Überhaupt variiert die Abdeckung mit internationaler humanitärer Unterstützung regional. Die meisten Gebiete in Somaliland und Puntland sind besser abgedeckt, die Möglichkeiten in Süd-/Zentralsomalia mehr eingeschränkt (ICG 9.5.2017).

Quellen:

http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Somalia%20SitRep%20%23011%2026th%20May%20-%2016th%20June%202017.pdf, Zugriff 27.6.2017

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1712363.pdf, Zugriff 27.6.2017

KI vom 13.2.2017: Farmaajo neuer Präsident (betrifft: Abschnitt 2 / politische Lage)

Der frühere Regierungschef Mohamed Abdullahi Mohamed Farmaajo hat die Präsidentenwahl in Somalia gewonnen. Im zweiten Durchgang der Wahl am Mittwoch ließ der 54-jährige somalisch-amerikanische Doppelstaatsbürger Farmaajo den bisherigen Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud hinter sich (NZZ 8.2.2017). Tausende Menschen feierten am Mittwochabend (8.2.2017) den Sieg von Farmaajo auf den Straßen von Mogadischu. Es gab Hupkonzerte, und Menschen umarmten Soldaten (FR 10.2.2017; vergleiche VOA 9.2.2017). Auch in anderen somalischen Städten sowie in Kenia – in Garissa und Eastleigh – kam es zu spontanen Freudenfeiern, die als Ausdruck aufrichtiger Unterstützung für den neuen Präsidenten durch die Bevölkerung gewertet werden können (VOA 9.2.2017).

Die Wahl von Mohamed Farmaajo kam überraschend, galt doch der Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud als Favorit (FR 10.2.2017). Letzterer hat jedenfalls seine Niederlage eingestanden (NZZ 8.2.2017; vergleiche VOA 9.2.2017), und er forderte alle Somalis dazu auf, den neuen Präsidenten zu unterstützen. Farmaajo wurde unmittelbar angelobt (VOA 9.2.2017).

Die Durchführung einer allgemeinen und freien Wahl war in Somalia zwar nicht möglich gewesen; doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Die Medien konnten hinsichtlich der Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern – ein gutes Zeichen (DW 10.2.2017).

2010/2011 war Farmaajo acht Monate lang Premierminister von Somalia gewesen. Damals hatte er sich einen Namen als Anti-Korruptionskämpfer erworben (FR 10.2.2017; vergleiche VOA 9.2.2017). Seine Entlassung durch den damaligen Präsidenten Ahmed Sheikh Sharif führte zu heftigen Protesten der Bevölkerung (FR 10.2.2017).

Quellen:

https://www.nzz.ch/international/nahost-und-afrika/mohamud-in-somalia-abgewaehlt-praesidentenwahl-zwischen-sandsaecken-und-ruinen-ld.144287, Zugriff 13.2.2017

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html, Zugriff 13.2.2017

KI vom 19.1.2017: Dürre (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

Nach einer schwachen Gu-Regenzeit im Jahr 2016 blieben auch die Regenfälle der Deyr-Regenzeit Ende 2016 aus. Von der Nahrungsversorgungsunsicherheit am schlimmsten betroffen sind landwirtschaftlich genutzte Gebiete im Süden und nomadisch genutzte Gebiete im Nordosten des Landes (FEWSNET 16.1.2017). Alleine im sogenannten South-West-State sind 820.000 Menschen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele suchen in größeren Städten nach Hilfe. Der Gouverneur der Region Bay schätzt, dass bereits rund 3.000 Familien aus ländlichen Gebieten nach Baidoa geflohen sind (UNSOM 16.1.2017). Dabei ziehen Nahrungsmittelpreise an: Der Preis für Mais liegt in Qoryooley 51% über dem Fünfjahresmittel; für Sorghum in Baidoa um 88% darüber (FEWSNET 16.1.2017).

Die humanitäre Situation in Somalia ist zunehmend fragil. Fünf Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 12.1.2017; vergleiche UNSOM 16.1.2017) und leiden unter Nahrungsversorgungsunsicherheit (FAO 20.12.2016). 3,9 Millionen davon gelten als "stressed", 1,1 Millionen Menschen leiden unter akuter Nahrungsversorgungsunsicherheit (acutely food insecure) (UNOCHA 12.1.2017) und befinden sich auf den IPC-Stufen drei (Krise) und 4 (Not/Emergency). Alleine im zweiten Halbjahr 2016 hat die Zahl um 20% zugenommen. Prognosen lassen erwarten, dass die Zahl der akut Bedrohten im ersten Halbjahr 2017 um eine weitere Viertelmillion zunehmen wird. Ähnliche Bedingungen hatten im Jahr 2011 zu einer Hungersnot und Hungertoten geführt (FAO 20.12.2016). Folglich fahren humanitäre Organisationen ihre lebensrettenden Maßnahmen hoch, angesammelte Fonds werden angezapft (UNOCHA 12.1.2017).

Eine Entschärfung der Situation ist in rein nomadisch genutzten Gebieten nicht für Mai/Juni zu erwarten; in agro-pastoral genutzten Gebieten nicht vor Juni/Juli. Im schlimmsten anzunehmenden Szenario bleibt auch die Gu-Regenzeit des Jahres 2017 – wie gegenwärtig prognostiziert – schwach und in der Folge sinkt die Kaufkraft auf das Niveau der Jahre 2010/2011. Reicht dann die humanitäre Hilfe nicht aus, wird eine Hungersnot (IPC 5) die Folge sein (FEWSNET 16.1.2017). Bereits jetzt werden vereinzelt Hungertote aus den Regionen Bay (UNSOM 16.1.2017) und Gedo gemeldet (SMN 15.1.2017).

Quellen:

http://reliefweb.int/report/somalia/continued-drought-horn-africa-braces-another-hunger-season, Zugriff 19.1.2017

http://allafrica.com/stories/201701160709.html, Zugriff 19.1.2017

http://reliefweb.int/report/somalia/deputy-srsg-de-clercq-assesses-humanitarian-crisis-somalia-s-south-west-state, Zugriff 19.1.2017

KI vom 20.9.2016: Dürre (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

Die humanitäre Lage in Somalia bleibt prekär. Etwa 38 Prozent der Bevölkerung sind auf Unterstützung angewiesen, eine Million Menschen können ihren grundlegenden Nahrungsbedarf nicht decken. 305.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. Zwischen Jänner und Juni wurden ca. 490.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt, 125.000 Kinder konnten wegen akuter Unterernährung behandelt werden (UNSC 6.9.2016). UNOCHA stellt hinsichtlich Nahrungsmittelsicherheit nebenstehende aktuelle Karte zur Verfügung (UNOCHA 9.9.2016).

Das Klimaphänomen El Niño führte in Somaliland und in Puntland zu Dürre. Dort sind 385.000 Menschen akut von Nahrungsmittelunsicherheit bedroht, weitere 1,3 Millionen Menschen sind dem Risiko ausgesetzt, ohne Unterstützung in eine akute Bedrohung abzugleiten (UNSC 6.9.2016; vergleiche UNOCHA 1.9.2016). In Süd-/Zentralsomalia brachte El Niño hingegen schwere Regenfälle und teilweise Überschwemmungen (UNOCHA 1.9.2016).

Die Regenzeit Gu (März-Juni) brachte für Puntland und Somaliland zwar eine teilweise Entlastung; doch wird für den Zeitraum Juli-Dezember 2016 wieder eine Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit erwartet (UNSC 6.9.2016). Für eine nachhaltige Besserung bedarf es mehr als nur einer guten Regenzeit. Prognosen zufolge könnte sich die Situation durch das nachfolgende Wetterphänomen La Niña weiter verschärfen. So bietet auch die Nahrungsmittelsicherheit in Süd-/Zentralsomalia zunehmend Grund zur Sorge. Derzeit sind also – v.a. im Norden – noch die Auswirkungen von El Niño zu spüren, während aufgrund von La Niña eine schlechte Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) erwartet wird. Die schwere Hungersnot der Jahre 2011/2012 war durch La Niña verursacht worden (UNOCHA 1.9.2016).

Quellen:

1. Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren – mit der Ausnahme von al Shabaab – akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vergleiche AA 1.12.2015).

Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vergleiche UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).

Obwohl seit dem Ende der Übergangsperiode wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet wird, ist die faktische Situation nach wie vor in all diesen Bereichen sehr mangelhaft (AA 1.12.2015). Die Erfolge der aktuellen Regierung bei Friedens- und Staatsbildung waren sehr bescheiden. Politische Grabenkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister haben zu mangelnder Kontinuität beim Regierungspersonal geführt (BS 2016). Zuletzt gab es im August 2015 eine Regierungskrise, als das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Mohamud einleiten wollte (UNSC 11.9.2015; vergleiche AI 24.2.2016). Dieses Begehren wurde später zurückgezogen (UNSC 8.1.2016).

Die anhaltenden politischen Grabenkämpfe und der Fokus auf die Föderalisierung haben die Regierung von Reformen im Justiz- und Sicherheitsbereich abgelenkt (HRW 27.1.2016). Das Clansystem hat wiederum die Einrichtung nachhaltiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen behindert (UNHRC 28.10.2015). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 1.12.2015).

Es gab einen signifikanten Fortschritt bei der Einrichtung staatlicher Strukturen auf regionaler Ebene, und für alle Bezirke (außer Baardheere) gibt es vorläufige Verwaltungen (UNSC 8.1.2016). Gleichwohl gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach, wesentliche Staatsfunktionen können nicht ausgeübt werden (AA 1.12.2015). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 10.2015). Die regionalen Verwaltungen kämpfen noch damit, ihre Autorität durchzusetzen. Sie stehen dabei einem Mangel an Geld, einem Mangel an Regierungsinfrastruktur und einem Mangel an Personal gegenüber. Außerdem fehlt es an Details zu den Strukturen der Bundesstaaten sowie an breiter Unterstützung beim Staatsbildungsprozess (UNSC 8.1.2016). Die internationalen Partner werden auch weiterhin signifikante Unterstützung gewähren müssen (UNSC 8.1.2016), wie etwa über laufende Projekte zur Kapazitätsbildung und zu Kernfunktionen der Regierung durch die Weltbank und UNDP (UNSC 11.9.2015).

Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)

Die Bundesregierung hat einen Prozess zur Schaffung föderaler Bundesstaaten initiiert (BS 2016). Das Bundesparlament hat eine Grenz- und Bundeskommission einberufen, welche hinsichtlich der Grenzen der Bundesstaaten, Regionalverwaltungen und Bezirke beraten soll. Die Kommission wird von der UN und anderen Partnern unterstützt (UNSC 11.9.2015).

Der Schritt zur Föderalisierung hat zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016).

Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: die Galmudug Interim Administration (GIA); die Interim Juba Administration (JIA); und die Interim South West Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 13.4.2016).

1) Im Juni 2015 fand in Cadaado die Staatsbildungskonferenz für den Bundesstaat Galmudug statt. Es sollte eine Galmudug Interim Administration (GIA) für die zentralen Regionen Galgaduud und Mudug geschaffen werden (UNSC 11.9.2015). In der Folge wurde eine Regionalversammlung gebildet, die im Juli 2015 Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (UNSC 11.9.2015; vergleiche EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten (USDOS 13.4.2016). Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama’a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert (UNSC 11.9.2015) und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 13.4.2016). Fraktionen der ASWJ haben sich später mit der GIA arrangiert (UNSC 11.9.2015). Trotzdem kontrolliert ASWJ noch immer teile der GIA, darunter die wichtige Stadt Dhusamareb (UNSC 8.1.2016). Auch Puntland hat sich ursprünglich gegen die GIA gestellt, da es selbst den nördlichen Teil von Mudug beansprucht. Nach Verhandlungen hat die GIA ihre Ansprüche auf Nord-Mudug zurückgezogen (UNSC 11.9.2015). Unter die GIA fallen demnach neben Galgaduud noch die Bezirke Hobyo und Xaradheere (EASO 2.2016). Die GIA hat bei der Einrichtung ihrer Verwaltungsinstitutionen in der Übergangshauptstadt Cadaado Fortschritte gemacht. Auch wurden Anstrengungen unternommen, die Bevölkerung zu erreichen, Clanmilizen zu entwaffnen und Sicherheitskräfte auszubilden (UNSC 8.1.2016). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa‘ad dominiert (EASO 2.2016).

2) Nach dem Ende einer zweijährigen Übergangsperiode wurde Sheikh Ahmed Islam "Madobe" am 15.8.2015 von der neuen, 75sitzigen Regionalversammlung des Bundesstaates Juba (Lower und Middle Juba, Gedo) als Präsident der Interim Juba Administration (IJA) angelobt (USDOS 13.4.2016; vergleiche UNSC 11.9.2015). Zuvor war im Mai 2015 die Regionalversammlung selbst in Kismayo eingerichtet worden. Dabei gab es auch Kritik und das Bundesparlament strebte eine Auflösung der Regionalversammlung an (UNSC 11.9.2015). Bei der Lösung von Konflikten zwischen Clans sowie innerhalb der Darod/Marehan auf dem Gebiet der IJA gibt es Fortschritte (UNSC 8.1.2016).

3) Nach anfänglichen Streitigkeiten über die Frage, ob der Bundesstaat South West aus drei oder sechs Regionen bestehen soll, einigte man sich auf die drei-Regionen-Lösung. Die Interim South West Administration (ISWA) umfasst nunmehr die Regionen Bay, Bakool und Lower Shabelle. Im November 2014 wurde Sharif Hassan Sheikh Adan von einer ISWA-Konferenz zum Präsidenten gewählt. Damit wurde die Übergangsverwaltung ISWA offiziell geschaffen (USDOS 13.4.2016). Im August 2015 wurde ein Prozess gestartet, um eine ISWA-Regionalversammlung zu schaffen (UNSC 11.9.2015). Mit der Einrichtung der Regionalversammlung ist die Errichtung der ISWA abgeschlossen. Von den 146 Abgeordneten sind 30 weiblich (UNSC 8.1.2016).

4) Im August 2015 wurde von der Bundesregierung ein Prozess zur Bildung eines Bundesstaates Hiiraan-Middle Shabelle initiiert (UNSC 11.9.2015). Dieser Prozess wird weiter vorangetrieben. Buulo Barde könnte die Hauptstadt des neuen Bundesstaates werden (UNSC 8.1.2016).

Quellen:

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016

Asylländerbericht Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

2. Sicherheitslage

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen. Es wurden die unterschiedlichen Akteure in Somalia kategorisiert:

* Die farbigen Gebiete zeigen Akteure, die über signifikanten Einfluss verfügen. Diese Akteure verfügen auch über Ressourcen, um diesen Einfluss zu garantieren. Derartige Akteure sind: Somaliland, Puntland, die Galmudug Interim Administration (GIA), AMISOM und die Somali National Army (SNA), die Jubbaland Interim Administration (JIA), al Shabaab (AS) und die Ahlu Sunna Wal Jama’a (Zentralsomalia; ASWJ). Einige Städte werden von anderen Parteien beherrscht: Von der Clan-Miliz SSC (Dulbahante; Khatumo), von der Clan-Miliz der Warsangeli, von ASWJ (Fraktion Gedo), von Clan-Milizen an der Grenze zu Äthiopien (in den Regionen Gedo, Bakool und Hiiraan). Eine Gebiete – und hier vor allem in Süd-/Zentralsomalia – werden von zwei dieser relevanten Akteure beeinflusst.

* In mit strichlierten Linien umrandeten Gebieten gibt es zusätzliche Akteure mit eingeschränktem Einfluss. Diese Akteure agieren neben den oben erwähnten Hauptakteuren, und sie verfügen nur über eingeschränkte Ressourcen (EASO 2.2016).

Kommentare zu den Eintragungen auf der Karte:

* In Puntland und Jubbaland wurden Zellen des Islamischen Staates markiert; diese Markierungen erfolgten auf der Grundlage anekdotischer Berichte über größere Gruppen von AS-Deserteuren.

* Einige der kleineren Ortschaften der al Shabaab wurden auf der Grundlange anekdotischer Berichte eingetragen.

* Hinsichtlich der Städte Buuhoodle (Togdheer) und Taalex (Sool) gibt es unterschiedliche Berichte und Informationen, die keine Grundlage bieten, diese Ortschaften mit einem relevanten Akteur zu verbinden.

* Die Karte zeigt für Qoryooley keine Garnison der AMISOM. Allerdings gibt es einen Stützpunkt und auch verfügbare Truppen. Allerdings scheinen diese Truppen den Stützpunkt nicht permanent besetzt zu halten. Daher ist Qoryooley die einzige von AMISOM kontrollierte Bezirkshauptstadt, für welche keine Garnison eingetragen worden ist (wiewohl es eine Garnison der somalischen Armee gibt).

* Dhusamareb wurden deshalb als AMISOM markiert, da die Garnison äthiopischer AMISOM-Truppen in der Stadt der wichtigste Akteur ist. Allerdings hat dort nach wie vor ASWJ die politische Kontrolle.

* Das gleiche gilt für die Städte Ceel Buur und Wabxo: Sie sind zwar unter der politischen Kontrolle der GIA, der jeweils wichtigste Akteur im Ort ist aber AMISOM.

* Dies gilt auch für Städte in Gedo: Sie mögen unter der politischen Kontrolle der JIA sein, trotzdem ist ungewiss, ob die Führung in Kismayo tatsächlich die Kontrolle über die Armee in Gedo innehat. So bleibt als wichtigster Akteur AMISOM.

* Äthiopische Flaggen markieren nicht nur äthiopische AMISOM-Garnisonen sondern auch Garnisonen äthiopischer Truppen, die nicht Teil von AMISOM sind sowie Kräfte der äthiopischen Liyu Police. Letztere operiert im mit "Government Allied Militias" markierten Gebiet entlang der äthiopischen Grenze.

* Während die kenianischen, burundischen, ugandischen und dschibutischen Garnisonen nahezu abgedeckt zu sein scheinen, gibt es mehr äthiopische Garnisonen als auf der Karte vermerkt. Es ist unmöglich, ein klares Bild über die oben erwähnten äthiopischen Truppen außerhalb von AMISOM zu erlangen.

* Jene AMISOM-Garnisonen, die als "Strongholds" (Bastionen) markiert sind, können als permanent erachtet werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese an al Shabaab fallen können.

* Die meisten AMISOM-Garnisonen, die als "Forward Position" markiert sind, haben taktische Relevanz und scheinen permanent zu sein. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass diese unter starkem Druck der al Shabaab geräumt werden können (EASO 2.2016).

Gemäß der auch von EASO zitierten Analyse der Staatendokumentation zur Sicherheitslage in Somalia hat sich die Situation im Zeitraum 7.2014-6.2015 in folgenden Bezirken verschlechtert: Dhusamareb und Ceel Buur (Galgaduud); Belet Weyne und Bulo Burte (Hiiraan); Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley, Merka und Baraawe (Lower Shabelle);

Baidoa und Burhakaba (Bay); Xudur, Waajid und Rab Dhuure (Bakool);

Bulo Xawo (Gedo); Kismayo (Lower Jubba). Die Situation in folgenden Bezirken hat sich im gleichen Zeitraum verbessert: Ceel Waaq und Luuq (Gedo). In den anderen Bezirken sind keine relevanten Änderungen eingetreten (BFA 10.2015; vergleiche EASO 2.2016).

(EASO 2.2016).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen. Dies ist einerseits bei der Verteilung terroristischer Aktivitäten im urbanen Raum zu erkennen, andererseits bei der Anzahl bewaffneter Auseinandersetzungen je Bezirk (BFA 10.2015).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

2.1. Süd-/Zentralsomalia

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz

gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 10.2015). Al Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch (UNSC 8.1.2016). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet (AI 24.2.2016). Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der al Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet (BFA 10.2015). Al Shabaab betreibt auch asymmetrische Kriegsführung (EASO 2.2016; vergleiche UNHRC 28.10.2015), gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe, von welchen Zivilisten überproportional betroffen sind. Daneben führt al Shabaab auch gezielte Attentate (UNHCR 28.10.2015; vergleiche UKHO 15.3.2016) und sogenannte hit-and-run-Angriffe aus (DIS 9.2015).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 10.2015). Politische Anstrengungen zur Etablierung von Bundesländern verstärkten die Clankämpfe in einigen Bereichen (ÖB 10.2015; vergleiche BS 2016, USDOS 13.4.2016). Dabei kam es auch zu zahlreichen Todesopfern und Vertreibungen, z.B. zwischen Dir und Hawadle im Jänner 2015 (USDOS 13.4.2016).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet und deren Eigentum wird zerstört. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 10.2015). Neben den Kampfhandlungen gegen al Shabaab gibt es aus dem ganzen Land auch Berichte über Inter- und Intra-Clankonflikte um Land und Wasserressourcen (EASO 2.2016).

AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 10.2015). Bei gemeinsamen Offensiven mit der somalischen Armee wurde al Shabaab aus Städten in Hiiraan, Bay, Bakool, Gedo und Lower Shabelle vertrieben (AI 24.2.2016). Bei den beiden jüngeren Offensiven (Operation Indian Ocean, Operation Jubba Corridor) trafen AMISOM und Regierungskräfte aufgrund taktischer Rückzüge der al Shabaab nur auf wenig Widerstand. Eingenommen wurde die letzte Bastion der al Shabaab in der Region Gedo – Baardheere – und Diinsoor in der Region Bay. Der al Shabaab wurde zwar die Kontrolle über diese Städte entzogen, doch ist sie ansonsten nicht relevant geschwächt worden. Dahingegen kann AMISOM aufgrund einer Überdehnung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr in jeder Stadt und in jedem Dorf eine Präsenz aufrecht halten (EASO 2.2016). Auch die Haupttransportrouten werden von al Shabaab kontrolliert (HRW 27.1.2016).

In der Folge kam es zu schweren Angriffen der al Shabaab auf Janaale (am 1.9.2015) (UNSC 8.1.2016) und Leego (am 26.6.2015) mit insgesamt rund 100 Toten Soldaten der AMISOM und zahlreichen Vermissten (BFA 10.2015; vergleiche UNSC 8.1.2016, EASO 2.2016). Als Reaktion auf diese Angriffe begann AMISOM mit einer Umgruppierung, wobei einige Städte und Ortschaften geräumt wurden, darunter Kurtunwarey, Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley (Lower Shabelle); Buq-Aqabla und Xarar-Lugoole in Hiiraan; und Fidow an der Grenze zu Middle Shabelle. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch Qoryooley und Wanla Weyne blieben über Tage ohne permanente Truppen der AMISOM (allerdings mit Besatzungen der somalischen Armee). Insgesamt ist einzelnen, exponierten und schwach besetzten Außenposten ein permanenter Status abzusprechen. Spätestens seit dem Angriff der al Shabaab auf den AMISOM-Stützpunkt in Leego werden einzelne Orte zugunsten einer Konzentration von Truppen in größeren Stützpunkten aufgegeben, teilweise wurde der Schutz an die – nur eingeschränkt widerstandsfähige – somalische Armee übertragen (BFA 10.2015).

Es ist nicht möglich, zu definieren, wie weit der Einfluss oder die Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee von einer Stadt hinausreicht. Der Übergang zum Gebiet der al Shabaab ist fließend und unübersichtlich. Im Umfeld (Vororte, Randbezirke) der meisten Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung in Süd-/Zentralsomalia verfügt al Shabaab über eine verdeckte Präsenz, in den meisten Städten selbst über Schläfer (DIS 9.2015). Manche Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung können als Inseln auf dem Gebiet der al Shabaab umschrieben werden (BFA 10.2015; vergleiche DIS 9.2015). Jedenfalls verfügt al Shabaab über ausreichend Kapazitäten, um in Städten unter Kontrolle von AMISOM und Regierung asymmetrische Kriegsführung (hit-and-run-Angriffe, Sprengstoffanschläge, gezielte Attentate) anzuwenden. Es gibt in allen Regionen in Süd-/Zentralsomalia Gebiete, wo al Shabaab Präsenz und Einfluss hat, und wo sie die lokale Bevölkerung zu Steuerzahlungen zwingt. Die Bastion der al Shabaab ist dabei die Region Middle Juba (DIS 9.2015).

Die Sicherheitslage in von der Regierung kontrollierten Städten bleibt also volatil (HRW 27.1.2016). Al Shabaab ist nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 24.2.2016). Bei aller Fragilität der Lage hat aber auch UNHCR festgestellt, dass es Zeichen zunehmender Stabilität gibt (UNHRC 28.10.2015). Seitens der Regierung, AMISOM und der internationalen Gemeinde gibt es Anstrengungen, die neu eroberten Bezirke zu stabilisieren. So wurden etwa nach Diinsoor unmittelbar Verwaltungsbeamte entsendet (UNSC 11.9.2015). Dass al Shabaab unter den gegenwärtigen Umständen Städte zurückerobert, in denen starke Garnisonen ("strongholds") der AMISOM stationiert sind, ist sehr unwahrscheinlich (EASO 2.2016; vergleiche DIS 9.2015).

Quellen:

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

Asylländerbericht Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

2.1.1. Lower und Middle Shabelle

Lower Shabelle ist von Aktivitäten der al Shabaab stark betroffen (EASO 2.2016; A 4.2016). Al Shabaab verfügt dort über ausreichende Kapazitäten, um Angriffe auf ihre Feinde zu verüben (A 4.2016). In zahlreichen Orten und Städten mit Garnisonen von AMISOM und/oder Armee kommt es zu Anschlägen, gezielten Attentaten, hit-and-run-Angriffen und auch zu größeren Operationen der al Shabaab. Al Shabaab konnte temporär die Kontrolle über Ortschaften wie Aw Dheegle, Mubarak, Janaale (EASO 2.2016) und Leego, aber auch über die Stadt Qoryooley erlangen. Qoryooley und Leego wurden nach kurzer Frist wieder von AMISOM besetzt (UNSC 11.9.2015). Nach einer Neuaufstellung der AMISOM im Bereich wurden die Orte Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley sowie die Bezirkshauptstadt Kurtunwarey von AMISOM geräumt. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch die Bezirkshauptstadt Wanla Weyn blieb über Tage ohne Besatzung der AMISOM (allerdings mit einer solchen der somalischen Armee) (BFA 10.2015).

Al Shabaab verfügt in der ganzen Region über eine verdeckte Präsenz (EASO 2.2016).

Zusätzlich kam es in Lower Shabelle zu Clan-Kämpfen um Land und Ressourcen (EASO 2.2016). Der Konflikt zwischen Biyomaal und Habr Gedir bleibt ungelöst, auch wenn die Zahl an Berichten hinsichtlich Entführungen und Tötungen abnehmen (USDOS 13.4.2016). Die Milizen der Biyomaal und der Tunni sind angeblich mit al Shabaab alliiert. Besonders von Clan-Konflikten betroffen sind die Städte Merka und Afgooye (EASO 2.2016).

In der bedeutenden Bezirkshauptstadt Afgooye bleibt die Zahl an Gewaltvorfällen konstant hoch. Dabei ist zwar die Zahl an Handgranatenanschlägen eingebrochen, jedoch bleibt die Zahl an Morden bzw. gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen konstant bei rund 13 pro Quartal (Zeitraum Q2 2013 – Q2 2015). Damit ist Afgooye eine der am meisten von Gewaltvorfällen betroffenen Städte. Allerdings sind nicht alle Vorfälle terroristischer Natur, da das Gebiet auch von Clankonflikten betroffen ist (BFA 10.2015). Auch im März 2016 war Afgooye die am meisten vom bewaffneten Konflikt in Somalia betroffene Stadt (A 4.2016).

Auch Merka, Hauptstadt der Region Lower Shabelle, ist seit der Befreiung im Jahr 2012 massiv von Gewaltvorfällen betroffen. Zwar sind die Zahlen in den Quartalen Q4 2014 – Q2 2015 rückläufig, allerdings liegt der – relativ konstante – Durchschnitt der Quartale Q3 2012 – Q2 2015 bei 20 Vorfällen pro Quartal. Wie für Afgooye stellen auch für Merka neben terroristischer Gewalt Clankonflikte eine Quelle gewalttätiger Vorfälle dar (BFA 10.2015).

Größere Garnisonen der AMISOM befinden sich in Bali Doogle, Afgooye, Merka, Shalambood und Baraawe (Lower Shabelle); sowie in Balcad, Jowhar, Warsheikh und Cadale (Middle Shabelle). AMISOM verfügt auch über weitere Stellungen und Positionen entlang der Versorgungsrouten. Entlang der Routen gibt es auch zahlreiche Straßensperren, viele davon illegal. Die somalischen Sicherheitskräfte gehen gegen derartige Sperren vor (EASO 2.2016). Aufgrund einer Neuaufstellung hat AMISOM den Ort Fidow (Middle Shabelle) geräumt, al Shabaab hat den Ort unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016).

In Middle Shabelle kam es wiederholt zu Clankämpfen, z.B. in Jowhar (8.2014), Rage Ceele (6.2015) und Warsheikh (6.2015 und 7.2015). Konflikte um Ressourcen beschäftigen Milizen der Abgal und der Shiidle; es kommt auch zu intra-Abgal-Kämpfen (EASO 2.2016).

Die Hauptstadt der Region Middle Shabelle, Jowhar, wurde Ende 2012 von Truppen der AMISOM und Somalias befreit. Die Zahl an Gewaltvorfällen wuchs stetig und hat in den Quartalen Q2 2013 – Q2 2014 (11 Vorfällen pro Quartal) vorläufig ihren Höhepunkt gefunden. Seither hat sich die Situation wesentlich gebessert, in den Quartalen Q3 2014 – Q2 2015 kam es durchschnittlich zu 3 Vorfällen pro Quartal (BFA 10.2015).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

2.1.2. Mogadischu

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 24.2.2016). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014, EASO 2.2016). Der Rückzug der formalen Präsenz der al Shabaab aus Mogadischu ist dauerhaft. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Es gibt in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt (UKUT 3.10.2014; vergleiche EGMR 10.9.2015), auch wenn einzelne Clans angeblich noch in der Lage sein sollen, Angriffe führen zu können (EASO 2.2016).

In Mogadischu gibt es eine Präsenz von AMISOM, somalischer Armee und Polizei, sowie des Geheimdienstes NISA. Die Stadt ist generell sicher, auch wenn sie von al Shabaab bedroht wird (EASO 2.2016; vergleiche DIS 9.2015). Es besteht keine Angst mehr, dass in Mogadischu wieder Bürgerkrieg herrschen könnte. Seit 2011 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt sehr verbessert. Die größte Gefahr geht heute von terroristischen Aktivitäten der al Shabaab aus. Die Hauptziele dafür sind die Regierung und die internationale Gemeinde (LI 1.4.2016). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014). Die Stadtbewohner sind normalerweise nur dann betroffen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind (LI 1.4.2016). Jeder Stadtbürger kann sein eigenes Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der al Shabaab erkennbar sind (UKUT 3.10.2014). EASO listet als angegriffene Ziel von Sprengstoffanschlägen der al Shabaab vor allem Hotels (YSL Hotel, Central Hotel, Maka al-Mukarama Hotel, Jazeera Palace Hotel, Sahafi Hotel), Restaurants, Regierungseinrichtungen und -Konvois, Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM (EASO 2.2016).

Die Halbjahre 2/2014 und 1/2015 lassen bei sicherheitsrelevanten Zwischenfällen einen Abwärtstrend erkennen, trotzdem gibt es noch wöchentlich Angriffe (BFA 10.2015; vergleiche EASO 2.2016).

Der vor einigen Jahren noch gefürchtete Artillerie- und Mörserbeschuss ist drastisch zurückgegangen. In den ersten drei Quartalen 2015 kam es zu vier Feuerüberfällen auf Wardhiigleey, Xamar Weyne, Hodan, Dayniile, und das Küstengebiet von Wadajir. Lediglich letzterer war von mehr als zwei Granaten begleitet. Insgesamt scheint es für AS einerseits sehr schwierig geworden zu sein, Artillerie entsprechend einzusetzen. Andererseits scheint die Strategie von AS derzeit auch das Geringhalten von Kollateralschäden zu beinhalten (BFA 10.2015).

Handgranatenanschläge sind fast gänzlich aus der Strategie der al Shabaab ausgeschieden. Im Zeitraum Q1 2013 – Q1 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an Handgranatenanschlägen pro Quartal noch 86; in den Quartalen Q2 2014 – Q3 2015 ist diese Zahl auf unter 15 eingebrochen. Auch die Zahlen an gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen sind – vor allem im Jahr 2015 – rückläufig. Im Zeitraum Q1 2013 – Q4 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an gezielten Attentaten 52; an Sprengstoffanschlägen 27. Vergleichsweise fallen die Zahlen in den ersten drei Quartalen 2015 geringer aus (46 und 19) – und dies, obwohl der Ramadan schon stattgefunden hat (BFA 10.2015).

Insgesamt sind die Zahlen terroristischer Aktivitäten seit einer Spitze im Q3 2013 nachhaltig eingebrochen und liegen im Jahr 2015 bei nur noch einem Drittel der Zahl. Hingegen scheint die Strategie der al Shabaab zunehmend bewaffnete Zusammenstöße als bevorzugtes Mittel zu umfassen. Betrug die Zahl der Scharmützel in den Quartalen des Jahres 2013 noch durchschnittlich 22, so stieg die Zahl im Jahr 2014 auf 36, im Jahr 2015 sogar weiter auf 44 (BFA 10.2015).

Bei der Zusammenfassung terroristischer Aktivitäten (Artillerie- und Mörserbeschuss; gezielte Attentate; Sprengstoff- und Handgranatenanschläge) im ersten Halbjahr 2015 zeigt sich, dass mehrere Bezirke massiv betroffen sind. Dies gilt für Yaqshiid, Wardhiigleey, Hawl Wadaag, Hodan, Dharkenley und Wadajir. Mäßig betroffen sind Heliwaa, Dayniile, Xamar Jabjab und Waaberi; kaum betroffen sind Karaan, Shibis, Boondheere, Xamar Weyne und die Peripherie. Aus Cabdulcasiis und Shangaani wurden keinerlei Aktivitäten vermerkt (BFA 10.2015).

In Mogadischu sind die Zahlen an terroristischen Aktivitäten und auch die Gesamtzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen innerhalb der vergangenen vier Quartale zurückgegangen. Gleichzeitig bleibt aber die Zahl bewaffneter Auseinandersetzungen mit al Shabaab konstant hoch. Während terroristische Aktivitäten relativ flächendeckend über das Stadtgebiet verstreut vorkommen, konzentrieren sich bewaffnete Zusammenstöße in einer kleinen, übersichtlichen Anzahl an Bezirken (BFA 10.2015).

Im Vergleich zu den Zahlen anderer Städte in Süd/Zentralsomalia kann festgestellt werden, dass die Situation in den o.g. mäßig, kaum oder gar nicht betroffenen Bezirken von Mogadischu wesentlich besser ist, als beispielsweise in Afgooye, Merka, Baidoa oder Kismayo. Dahingegen liegen etwa Yaqshiid, Hodan und Hawl Wadaag durchaus an der Spitze der landesweiten Skala terroristischer Gewalt. Werden noch die Zahlen bewaffneter Zusammenstöße hinzugezählt, müssen Yaqshiid, Hodan und Heliwaa vermutlich als gewaltsamste Orte Somalias bezeichnet werden. Insgesamt wird jedenfalls deutlich, dass al Shabaab in der Lage ist, fast im gesamten Stadtgebiet von Mogadischu terroristische Taten zu begehen (BFA 10.2015). Die Zahl der Angriffe ging insgesamt also zurück und diese richten sich vor allem gegen Repräsentanten der somalischen Regierung und ihre Unterstützer (LI 1.4.2016).

(BFA 10.2015; vergleiche EASO 2.2016)

Es ist zu erkennen, dass al Shabaab nach wie vor in der Lage ist, über die Peripherie in Randbezirke von Mogadischu einzudringen. In militärischer Hinsicht betrifft dies Dayniile, Heliwaa, sowie Teile von Karaan, Yaqshiid und Dharkenley. Außerdem kann der Einfluss von al Shabaab in der Nacht in den schraffierten Gebieten größer werden. Die restlichen Teile von Mogadischu sind für al Shabaab vor allem auf zwei Arten erreichbar: Erstens in Form verdeckter Akteure; und zweitens in Form von großangelegten Operationen von Spezialeinheiten – sogenannte komplexe Anschläge (welche sowohl Selbstmordattentäter und ferngezündete Sprengsätze als auch eine größere Zahl an nachstoßenden Kämpfern beinhalten). Insgesamt ist jedenfalls feststellbar, dass al Shabaab in den oben blau markierten Teilen der somalischen Hauptstadt mangels permanent anwesender, sichtbarer Kampfeinheiten nur geringer Einfluss zugesprochen werden, wiewohl die Anwesenheit verdeckter Elemente und die Durchführung terroristischer Aktivitäten das Leben der Bewohner beeinflussen (BFA 10.2015).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

R.H. v. Sweden, Application no. 4601/14, Council of Europe: European Court of Human Rights, http://www.refworld.org/docid/55f66ef04.html, Zugriff 7.4.2015

3. Minderheiten und Clans

3.1. Bevölkerungsstruktur und Clanschutz

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 13.4.2016). Die somalische Bevölkerung ist aber nur auf den ersten Blick homogen (EASO 8.2014). In ganz Somalia gibt es eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Sub-Clans und Sub-Sub-Clans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015). Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014).

Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014).

Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem – wie erwähnt – keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen – auch geographische – sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).

Das Clansystem ist dynamisch und komplex. Aufgrund des Bürgerkrieges und damit verbundener Wanderbewegungen aber auch aufgrund des Bevölkerungswachstums waren nach 1991 zunehmende Fluktuationen zu verzeichnen. Aufzeichnungen von Genealogien sind umstritten (EASO 8.2014).

* Die Darod unterteilen sich in die großen Gruppen Ogadeni (Äthiopien und Jubba-Regionen), Marehan (Süd-/Zentralsomalia) und Harti. Letztere sind eine Föderation aus Majerteen (Hauptclan in Puntland), Dulbahante und Warsangeli (Regionen Sool und Sanaag).

* Die Hawiye leben vor allem in Süd-/Zentralsomalia, die wichtigsten Subclans sind Abgaal und Habr Gedir.

* Die Dir finden sich im westlichen Somaliland und in einigen Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Ihre Hauptclans sind Issa und Gadabursi (beide Somaliland) und Biyomaal (Südsomalia).

* Die Isaaq sind der Hauptclan Somalilands.

* Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben in den fruchtbaren Tälern von Shabelle und Jubba und im Gebiet zwischen beiden Flüssen (v.a. Bay und Bakool) (EASO 8.2014).

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014). Minderheitengruppen sind u.a. die Bantu (größte Gruppe), Benadiri, Reer Xamar, Bravanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub und Gabooye (USDOS 13.4.2016). Minderheitenclans oder Berufskasten können mit großen Clans in eine Abhängigkeitsbeziehung (shegaat) treten und werden danach – in externen Belangen – als Teil des großen Clans erachtet. Langfristige Allianzen zwischen kleineren und größeren Clans werden gemäß dem traditionellen Recht (xeer) geschlossen. Beide Konstruktionen beinhalten auch den Schutz des kleineren Partners durch den größeren (EASO 8.2014).

Die größte ethnische Minderheit stellen die Bantu (Jareer). Die Bantu leben traditionell als Bauern in und zwischen den fruchtbaren Flusstälern von Shabelle und Jubba. Gosha, Makane, Kabole, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli und Gobaweyne sind Namen, die den unterschiedlichen Bantu-Gruppen zugeschrieben werden. Manche der Gosha wurden in den Clan der Digil/Mirifle assimiliert. Viele Bantu sprechen Somali (Maay-tiri), manche – etwa Gosha und Mushunguli – pflegen eigene Bantusprachen (EASO 8.2014).

Der Begriff Benadiri umfasst mehrere miteinander nicht verwandte Minderheiten in Küstenstädten wie Merka, Baraawe und Mogadischu. Sie sind ethnisch gemischt und haben neben Somali auch Araber, Inder, Perser oder Portugiesen als Vorfahren. Die großen Untergruppen der Benadiri sind die Reer Xamar, Shangaani, Reer Merka und Barawani. Teile der Barawani erachten sich als Angehörige der Digil/Mirifle Tunni. Die Benadiri sprechen Somali und eigene somalische Dialekte; die Barawani einen Suaheli-Dialekt namens Chimini. Aufgrund ihres Status‘ als Händler waren die Benadiri vor 1991 privilegiert, danach waren sie schutzlos dem Bürgerkrieg ausgeliefert. Viele flohen nach Kenia (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Die Berufskasten unterscheiden sich kulturell und linguistisch nicht von den Hauptclans, werden aber aufgrund von z.B. Berufen, die als unislamisch bezeichnet werden, als unrein erachtet. Sie werden unter den Oberbegriffen Waable, Sab, Midgaan oder Madhibaan zusammengefasst. Sie bilden die niedrigste Ebene der somalischen Gesellschaft; ihr Anteil wird auf rund ein Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt. Die Berufskasten sind in unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Namen in ganz Somalia zu finden. Klassische Berufe sind: Friseur, Schmied, Metallverarbeitung, Gerber, Schuster, Töpfer und Tischler; außerdem betätigen sich die Waable in der Jägerei, Viehzucht und Landwirtschaft sowie als Beschneiderinnen und als Hebammen. Im Zuge der Urbanisierung nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Waable in den Städten auch neue Arbeitszweige für sich erschließen (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010).

Die wichtigsten Gruppen sind:

* Midgaan (Madhibaan, Gabooye; dieser Name wird tw. auch für alle Waable als Oberbegriff verwendet): Jäger, Gerber, Lederverarbeitung, Schuster und andere Berufe; Verbreitung: ganz Somalia (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010)

* Tumaal: ursprünglich Schmiede, jetzt auch in anderen Berufen zu finden. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010)

* Yibir: Ihnen werden jüdischer Hintergrund und magische Kräfte nachgesagt. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010)

Kleinere Gruppen der Waable sind die Galgale, Gaheyle, Yahhar, Jaaji, Musa Dheryo, Guuleed Hadde, Hawr Warsame, Habar Yaqub, Madgal und Warabeeye. Auch die Boni und Eyle werden manchmal den Waable zugerechnet. Einige der Berufskasten haben ein ähnliches Clansystem wie die somalischen Hauptclans (EASO 8.2014).

Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell – aber nicht überall – funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014).

Inwiefern Clanschutz heute noch funktioniert ist umstritten. Faktoren wie AMISOM, die Restauration staatlicher Sicherheitsbehörden oder al Shabaab haben den Schutz erodiert. Andererseits hat der Rückzug von al Shabaab sowie der Mangel an staatlicher Verwaltung in den ländlichen Gebieten den Clanschutz verstärkt. Das Ausmaß an Clanschutz variiert also regional und ist im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen. In Somaliland und Puntland, wo relative Stabilität herrscht, ist der Clanschutz weniger relevant als in Süd-/Zentralsomalia. In Mogadischu hingegen sind Älteste zwar noch bei der Konfliktvermittlung involviert, jedoch gibt es kein Risiko mehr, aufgrund der Clanzugehörigkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Nicht mehr die Clans, sondern AMISOM, Armee und Polizei sind für die Sicherheit verantwortlich. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Teile von Armee und Polizei nach wie vor großen Bezug zu ihren Herkunftsclans haben (EASO 8.2014).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016

Ständische Berufskasten als Basis sozialer Diskriminierung, http://www.integrationsfonds.at/fileadmin/content/AT/Downloads/Publikationen/n8_Laenderinfo_Somalia.pdf, Zugriff 21.4.2016

3.2. Aktuelle Situation

Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.12.2015). Grundsätzlich wurde bei der Bildung der föderalen Regierung Ende 2012 sowie beim letzten umfassenden Regierungsumbau auf eine möglichst breite Zusammensetzung aller Clans und Sub-Clans geachtet. Sowohl Regierung als auch Parlament sind entlang der sogenannten "4.5 Lösung" organisiert, das bedeutet, dass für jeden Sitz, den ein Vertreter der großen Clans in Regierung bzw. Parlament innehat, ein halber Sitz einem Vertreter der kleineren Clans (ÖB 10.2015) bzw. Minderheitenclans zufällt (USDOS 13.4.2016). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir und Digil-Mirifle) dominieren Verwaltung, Politik, und Gesellschaft mit jeweils 61 Sitzen im Parlament. Dementsprechend sind die lokalen Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert (ÖB 10.2015). Die 4.5-Formel wurde aber auch schon zugunsten der Minderheiten gebrochen (USDOS 13.4.2016).

In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 13.4.2016). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung im Lichte der jeweiligen Clan- bzw. Sub-Clan-Zugehörigkeit auszugehen (AA 1.12.2015).

Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung beispielsweise im Rahmen staatlicher Vergabeverfahren, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 1.12.2015) oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 13.4.2016). Angehörige eines (Sub-)Clans können in Gebieten, die von einem anderen (Sub-)Clan dominiert werden, aber auch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 1.12.2015). Es kann davon ausgegangen werden, dass der staatliche Schutz im Falle von Clan-Konflikten nicht zur Anwendung kommt, sondern die "Regelung" dieser Konflikte grundsätzlich den Clans selbst überlassen wird. Die staatlichen Sicherheitskräfte sind in der Regel zu schwach, um in Clankonflikte effektiv eingreifen zu können; zudem ist die föderale Regierung wohl auch nicht willens, sich in Konflikte dieser Art einzumischen und so den Unwillen einzelner Clans auf sich zu ziehen (ÖB 10.2015).

Viele Minderheitengemeinden leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.4.2016). Bantu werden aufgrund ihrer Ethnie diskriminiert (UNHRC 28.10.2015). Auch einzelne andere Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Midgan, Gabooye), leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich, da sie nicht in die Clan-Strukturen eingebunden sind, in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut. Sie sind auch überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 13.4.2016). Allerdings datieren die letzten – unbestätigten – Berichte von Repressionen im engeren Sinn mit November 2013, als staatliche Sicherheitskräfte des Hawiye-Clans angeblich sesshafte Bantu-Landwirte von ihren Grundstücken vertrieben haben sollen (AA 1.12.2015). In den hier verwendeten Berichten werden keine aktuellen Beispiele gewaltsamer Repression oder der Verfolgung von Minderheiten genannt.

Das Ausmaß an Diskriminierung hängt von der Minderheit ab:

Berufskasten sind generell stärkerer Diskriminierung ausgesetzt als ethnische Minderheiten. Sie leben meist in Ghetto-ähnlichen Vierteln oder Stadtteilen (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010). Mischehen – vor allem zwischen Berufskasten und den Hauptclans – sind traditionell beschränkt (USDOS 13.4.2016; vergleiche EASO 8.2014, ÖB 10.2015). Dieses Tabu scheint aber in den vergangenen Jahren etwas aufgeweicht worden zu sein (EASO 8.2014). So kommen Beziehungen, die nicht den klassischen Strukturen entsprechen, häufiger vor. Ehen, in welchen die Frau einem Hauptclan angehört und der Ehemann einer Minderheit, sind aber sehr selten (C 18.6.2014).

Auch in anderen Bereichen gibt es regionale Unterschiede: Während etwa Mogadischu durch seine Durchmischung eher tolerant ist, gibt es in Puntland eine klare Trennung und in einigen Gebieten dürfen Angehörige von Minderheiten nicht in den Städten wohnen (B 14.10.2014).

Die Existenz einer dynamischen Wirtschaftsgemeinde der Benadiri ist erwiesen (UKUT 5.11.2015). Ihnen ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen. Außerdem sind die meisten in Mogadischu verbliebenen Benadiri-Kaufleute verhältnismäßig wohlhabend und können sich Schutz zukaufen (EASO 8.2014). Trotzdem gilt, dass sich die Benadiri lediglich durch die ökonomische Besserstellung von den anderen Minderheiten abheben (B 10.2014). Benadiri können sich auf der Suche nach einem Lebensunterhalt an diese Gemeinde wenden (UKUT 5.11.2015).

In Mogadischu gibt es heute keine Clankämpfe oder -Konflikte mehr. Es gibt dort auch kein Risiko einer schweren Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit. Da es in der Stadt keine Clanmilizen mehr gibt, ist der Clan heute weniger eine Schutzstruktur als vielmehr eine soziale Struktur. Minderheitenangehörige werden nicht mehr aufgrund ihrer Zugehörigkeit marginalisiert oder belästigt. Die Sicherheitslage für Angehörige kleiner, schwacher Clans oder ethnischer Minderheiten hat sich wesentlich verbessert. Auch die Andeutung von UNHCR, dass für eine Rückkehr nach Mogadischu die Anwesenheit der Kernfamilie relevant ist, weist auf die nunmehr geringe Bedeutung des Clans hin (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015). Zusätzlich gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016).

Manche Minderheiten haben von al Shabaab profitiert und die Gruppe unterstützt. Mit dem Machtverlust für al Shabaab kommt es auch zu Fällen, wo diese vorherige Unterstützung nun negative Auswirkungen hat (EASO 8.2014). So waren bzw. sind überproportional viele Angehörige von Minderheiten bei der Ausführung von Körperstrafen und Exekutionen sowie bei der Verübung gezielter Attentate beteiligt. Das Risiko von Racheaktionen besteht (B 10.2014). Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben – sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

4. Frauen/Kinder

Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe, insbesondere in den Lagern der Binnenvertriebenen, ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.12.2015).

Die somalische Regierung hat mit Unterstützung der EU-Delegation für Somalia einen Aktionsplan zur Bekämpfung der sexuellen Übergriffe verabschiedet, die Implementierung geschieht jedoch sehr langsam (ÖB 10.2015).

Auch wenn Gewalt gegen Frauen in der Verfassung verboten ist (USDOS 13.4.2016), bleibt häusliche Gewalt gegen Frauen ein großes Problem (USDOS 13.4.2016; vergleiche AA 1.12.2015).

Gewalt gegen Frauen – insbesondere sexuelle Gewalt – ist laut Berichten der UNO und internationaler NGOs in der gesamten Region weit verbreitet (ÖB 10.2015; vergleiche UNHRC 28.10.2015). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern, insbesondere in Mogadischu (ÖB 10.2015; vergleiche UNHRC 28.10.2015; USDOS 13.4.2016). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (UNHRC 28.10.2015; vergleiche UKHO 3.2.2015; USDOS 13.4.2016). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten, Milizionäre (HRW 27.1.2016; vergleiche UNHRC 28.10.2015; USDOS 13.4.2016), Polizisten und Mitglieder der al Shabaab (UNHRC 28.10.2015).

Es gibt Berichte, die nahelegen, dass sexualisierte Gewalt von der al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 1.12.2015).

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 13.4.2016). Hinsichtlich geschlechtsspezifischer Gewalt herrscht aber weitgehend Straflosigkeit. Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia rar (UKHO 3.2.2015; vergleiche AA 1.12.2015; ÖB 10.2015; USDOS 13.4.2016). Bei der Strafjustiz herrscht Unfähigkeit (UNHRC 28.10.2015). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen selbst zu tätigen (Suche nach Zeugen, Lokalisierung von Schuldigen) (USDOS 13.4.2016; vergleiche UKHO 3.2.2015).

Andererseits hat die Militärjustiz bereits einige Soldaten der Armee wegen Vergewaltigungen zu langen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt (UNHRC 28.10.2015). Meist werden Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe aber vor traditionellen Gerichten abgehandelt, welche entweder eine Kompensationszahlung vereinbaren oder aber eine Ehe zwischen Opfer und Täter erzwingen (UNHRC 28.10.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Von staatlichem Schutz kann nicht ausgegangen werden (ÖB 10.2015; vergleiche UKHO 3.2.2015), für die am meisten vulnerablen Fälle ist er nicht existent (HRW 27.1.2016).

In Puntland wird an einem Gesetz über sexuelle Vergehen gearbeitet. Das Frauenministerium unterstützt Opfer von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt – auch durch das Vorantreiben einer Strafverfolgung der Täter (UNHRC 28.10.2015). In Puntland gehen die Behörden gegen der Vergewaltigung Beschuldigte vor (UKHO 3.2.2015).

Grundlage für eine Eheschließung ist die Scharia, Polygamie und Ehescheidung sind somit erlaubt (ÖB 10.2015). Die Übergangsverfassung legt kein Mindestalter für eine Eheschließung fest. Die Kinderehe ist verbreitet. In ländlichen Gebieten verheiraten Eltern ihre Töchter manchmal schon im Alter von zwölf Jahren. Insgesamt wurden 45 Prozent der Frauen im Alter von 20-24 Jahren bereits mit 18 Jahren, 8 Prozent bereits im Alter von 15 Jahren verheiratet. In ländlichen Gebieten werden auch 12jährige Mädchen verheiratet (USDOS 13.4.2016).

Zwangsehen sind weit verbreitet (ÖB 10.2015). Zwangsehen durch al Shabaab kommen in der Regel nur dort vor, wo die Gruppe die Kontrolle hat (C 18.6.2014; vergleiche USDOS 13.4.2016; UKHO 3.2.2015; DIS 9.2015). Dort sind Frauen und Mädchen einem ernsten Risiko ausgesetzt, von al Shabaab entführt, vergewaltigt und zu einer Ehe gezwungen zu werden (UKHO 3.2.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Eine Verweigerung kann für das Mädchen oder ihre Familie den Tod bedeuten (DIS 9.2015; vergleiche NOAS 4.2014). Aus Städten unter Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee gibt es keine Berichte hinsichtlich Zwangsehen mit Kämpfern der al Shabaab; wohl aber gibt es Berichte über diesbezügliche Drohungen via SMS (DIS 9.2015). Hingegen zwingen auch Angehörige bewaffneter Milizen und Clanmilizen Mädchen zur Eheschließung (UNHRC 28.10.2015).

Manchmal müssen entführte Frauen und Mädchen für al Shabaab auch als Putzkräfte, Köchinnen oder Trägerinnen arbeiten. In einigen Fällen wurden Mädchen als Selbstmordattentäterinnen verwendet (UKHO 3.2.2015).

Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden (USDOS 13.4.2016). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivilrechts und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen bzw. einem (übersteigerten) paternalistischen Ansatz folgen. Für Frauen gelten entsprechend andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer. So erhalten beispielsweise Frauen nur 50% der männlichen Erbquote (AA 1.12.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Bei der Tötung einer Frau ist im Vergleich zur Tötung eines Mannes nur die Hälfte des an die Familie des Opfers zu zahlenden "Blutgeldes" vorgesehen. Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 1.12.2015). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts gelten auch in Puntland und Somaliland. Gleichwohl gibt es politische Ansätze, die mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau anstreben. In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt – mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.12.2015).

In den kleiner werdenden Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, herrscht eine strenge und harte Interpretation der Scharia. Viele Regeln betreffen Frauen: Vollverschleierung; Arbeitsverbot; Verbot der Reise mit nicht-verwandten Männern etc. Bei Nicht-Einhaltung der Regeln drohen schwere Bestrafungen (UKHO 3.2.2015).

In politische Entscheidungsprozesse sind Frauen nicht adäquat eingebunden (UNHRC 28.10.2015). Eigentlich wären für das Parlament 30% Sitze für Frauen vorgesehen. Diese stellen aber nur 14 von 275 Abgeordneten. In der 26köpfigen Regierung finden sich drei Frauen (USDOS 13.4.2016). In der Regionalversammlung der Galmudug Interim Administration (GIA) sind 8 von 64 Abgeordneten Frauen (UNSC 11.9.2015). Im Ältestenrat von Puntland war noch nie eine Frau vertreten, im 66sitzigen Repräsentantenhaus sind es zwei, es gibt auch zwei Ministerinnen (USDOS 13.4.2016).

Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch nachrangig behandelt (USDOS 13.4.2016). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in vielen Bereichen, vor allem; Gesundheit, Beschäftigung und Arbeitsmarktbeteiligung (ÖB 10.2015), Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung (USDOS 13.4.2016). Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

http://www.noas.no/wp-content/uploads/2014/04/Somalia_web.pdf, Zugriff 14.4.2016

Asylländerbericht Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

4.1. Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)

Die Übergangsverfassung verbietet zwar weibliche Genitalverstümmelung (FGM) (USDOS 25.6.2015), diese ist in Somalia aber weit verbreitet (USDOS 13.4.2016; vergleiche LI 11.6.2015; AA 1.12.2015). Betroffen sind mehr als 90% aller Mädchen (LI 11.6.2015; vergleiche UNHRC 28.10.2015). In der Regel erleiden FGM dabei Mädchen im Alter von zehn bis 13 Jahren (AA 1.12.2015); nach anderen Angaben findet die Verstümmelung bei mehr als 80% im Alter zwischen fünf und neun Jahren statt; bei 10% zwischen neun und vierzehn Jahren; und bei 7% zwischen null und vier Jahren (EASO 8.2014). Nach wieder anderen Angaben wurde die Verstümmelung bei 80% der Mädchen im Alter zwischen fünf und 14 Jahren vorgenommen (USDOS 13.4.2016). Quellen im jüngsten Bericht des Danish Immigration Service (DIS) erklären wiederum, dass die große Mehrheit vor dem achten Geburtstag einer Verstümmelung unterzogen wird. Eine Quelle des DIS gab an, dass Mädchen, welche die Pubertät erreicht haben, nicht mehr beschnitten werden. Dies wäre gesundheitlich zu riskant. Hat ein Mädchen die Pubertät erreicht, fällt auch der Druck durch die Verwandtschaft weg (DIS 1.2016).

63% der Beschnittenen erlitten die weitreichendsten Form (pharaonische Beschneidung/Infibulation/WHO Typ römisch III) (EASO 8.2014). Eine andere Quelle schätzt die Zahl von Infibulationen auf 80% (DIS 1.2016). Verbreitet sind die hieraus resultierenden Gesundheitsprobleme der Betroffenen. Viele überleben die Verstümmelung nicht (AA 1.12.2015).

Bei den Bendiri und den arabischen Gemeinden in Somalia ist nicht die Infibulation sondern die Sunna (WHO Typen römisch eins und römisch II) verbreitet. Bei diesen Gruppen scheint die Beschneidung bei der Geburt stattzufinden, möglicherweise auch nur als symbolischer Schnitt. Auch in anderen Teilen Somalias wird zunehmend die Sunna verwendet (DIS 1.2016).

Landesweit bemühen sich die Regierungen, diese Praxis einzuschränken (AA 1.12.2015). UNICEF arbeitet mit der somalischen Regierung, mit Puntland und anderen Akteuren zusammen, um die Menschen gegen FGM zu mobilisieren und die Praktik auszurotten (UNHRC 28.10.2015). In Puntland ist FGM verboten und es gibt Zeichen einer Reduzierung. Laut einer Untersuchung von UNICEF in Zusammenarbeit mit den Regierungen von Somaliland und Puntland sind in Nordsomalia 25% der Mädchen zwischen 1-14 Jahren von FGM betroffen. Im Gegensatz dazu sind es bei den über 15jährigen 99% (UKHO 3.2.2015).

In den Gebieten der al Shabaab ist FGM verboten (LIFOS 24.1.2014). Auch die Gruppe al Islah und andere Islamisten setzen sich gegen FGM ein (C 18.6.2014). Es gibt allerdings keine Behörden oder Organisationen für Mütter, die hinsichtlich der Verhinderung einer FGM Unterstützung oder Schutz bieten (DIS 1.2016).

Um eine Verstümmelung zu vermeiden, kommt es auf die Standhaftigkeit der Mutter an. Auch der Bildungshintergrund, der soziale Status sowie die kulturelle und geographische Zugehörigkeit spielen eine Rolle. Es gibt sowohl in urbanen als auch in ländlichen Gebieten Eltern, die ihre Töchter nicht verstümmeln lassen. Leichter ist es aber in den Städten, wo die Anonymität eher gegeben bzw. die enge soziale Interaktion geringer ist (DIS 1.2016).

Generell stößt eine Mutter, die ihre Tochter nicht beschneiden lassen will, in ländlichen Gebieten auf erhebliche Probleme. Auch in urbanen Gebieten kann es zu großem sozialen (LIFOS 24.1.2014) und psychischem Druck kommen, damit die Tochter beschnitten wird. Der psychische Druck kann auch extreme Formen annehmen, derartige Fälle sind aber außergewöhnlich. Spricht sich auch der Kindesvater gegen eine Verstümmelung aus, und bleibt dieser standhaft, dann ist es leichter, dem psychischen Druck standzuhalten (DIS 1.2016).

Dass Mädchen ohne Einwilligung der Mutter von Verwandten einer FGM unterzogen werden, ist zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Keine Quelle des Danish Immigration Service konnte einen derartigen Fall berichten. Ohne das Wissen der Mutter kann eine FGM aufgrund der gesundheitlichen Folgen nicht von statten gehen (DIS 1.2016).

Unbeschnittene Frauen sind in der somalischen Gesellschaft sozial stigmatisiert (EASO 8.2014). Allerdings kommt es zu keinen körperlichen Untersuchungen, um den Status hinsichtlich einer vollzogenen Verstümmelung bei einem Mädchen festzustellen. Dies gilt auch für Rückkehrer aus dem Westen. In ländlichen Gebieten wird wahrscheinlich schneller herausgefunden, dass ein Mädchen nicht verstümmelt ist. Eine Möglichkeit ist, dass eine Mutter vorgibt, dass ihre Tochter einer Sunna unterzogen worden ist (DIS 1.2016).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

5. Grundversorgung/Wirtschaft

Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia seit Jahrzehnten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe (AA 1.12.2015).

Die Versorgungslage ist anhaltend schlecht und hat sich im Jahr 2015 aufgrund der Nahrungsmittelknappheit zusätzlich verschlechtert (ÖB 10.2015). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht gewährleistet (AA 1.12.2015).

Im Dezember 2015 galten eine Million Menschen in Somalia als im humanitären Notstand befindlich; 3,9 Millionen befanden sich in "food security stress" (EASO 2.2016). Im Februar 2016 waren rund 305.000 Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt, davon mehr als 58.000 schwer (UNOCHA 19.2.2016). Im Zeitraum Jänner bis Oktober 2015 wurden fast 22.000 akut unterernährte Kinder unter fünf Jahren mit lebensrettender Ernährung versorgt (UNSC 8.1.2016). Die Situation hatte sich durch saisonale Überschwemmungen in Hiiraan, Lower und Middle Juba und Middle Shabelle verschärft. Außerdem können manche Städte nicht ordentlich versorgt werden, weil al Shabaab die Warenzufuhr blockiert – z.B. Diinsoor (Bay) (EASO 2.2016), Buulo Barde (Hiiraan), Xudur und Waajid (Bakool) (UNOCHA 19.2.2016). Al Shabaab verbietet auch weiterhin den meisten humanitären Organisationen, auf eigenem Gebiet aktiv zu werden; vulnerable Bevölkerungsgruppen können dort nicht erreicht werden (UNHRC 28.10.2015).

Gleichzeitig befinden sich viele der in Notstand befindlichen Personen, die auf Nahrungsmittel und Ernährungshilfe angewiesen sind, in den Regionen Awdal und Sanaag (Somaliland), Bari (Puntland) und Benadir. Auch die armen und vulnerablen städtischen Populationen sind betroffen, vor allem in den vom Handel abgeschnittenen Städten (UNOCHA 19.2.2016).

Die Behörden in Somaliland und Puntland haben den Katastrophenzustand (Dürre) ausgerufen. In Somaliland sind fast 75.000 Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt, in Puntland sind es 23.000. Am meisten betroffen sind Bari und Nugaal in Puntland sowie Awdal, Togdheer, Sool, Sanaag und Woqooyi Galbeed in Somaliland (UNOCHA 19.2.2016).

Im Zeitraum Jänner bis Oktober 2015 erhielten 1,5 Millionen Menschen grundlegende medizinische Leistungen. Schutzleistungen erreichten 303.000 Personen, Haushalts- und Unterkunftsunterstützung 145.000 Personen. Rund 100.000 Personen erhielten Geldmittel als Unterstützung. Im Oktober 2015 erhielten 406.000 Personen Nahrungsmittelhilfe, 393.000 Personen Unterstützung für den Lebensunterhalt und weitere 621.000 saisonale Unterstützung für den Lebensunterhalt (UNSC 8.1.2016). Trotzdem erreichen Hilfsprojekte von UN oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen in der Regel nicht die gesamte Bevölkerung. Dies gilt im Großen und Ganzen auch für Puntland, allerdings erreichen dort Hilfsorganisationen im Falle einer Dürrekatastrophe aufgrund der besseren Sicherheitslage mehr Menschen (AA 1.12.2015).

Es gibt unterschiedliche Zahlen darüber, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Somalia ist. UNDP gab die Zahl im Jahr 2012 mit 67% an (IOM 2.2016; vergleiche ÖB 10.2015). Bei der aktuellen Studie aus dem Jahr 2016 gaben aber nur 14,3% der befragten Jugendlichen in Mogadischu (6%), Kismayo (13%) und Baidoa (24%) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist, als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat;

c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von "arbeitslos" unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016). All dies bedeutet jedenfalls, dass man die Arbeitslosigkeit in Somalia und in Mogadischu nicht beziffern kann (LI 1.4.2016). Insgesamt sind zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren, u.a. aufgrund der Tatsache, dass die Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor aus Nomaden besteht (ÖB 10.2015). Außerdem haben sich bisherige Studien darüber, wie Menschen in Mogadischu ihren Lebensunterhalt bestreiten, auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel – v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LI 1.4.2016).

Hinsichtlich jugendlicher Arbeitsloser in Mogadischu gibt es außerdem die Vermutung, dass viele von ihnen gar nicht nach Arbeit suchen, u.a. deswegen, weil sie auf Rimessen aus dem Ausland, auf Nahrungs- und andere Hilfe und manchmal auch auf Pachterträge zurückgreifen können (UKUT 5.11.2015). Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose jedenfalls keinerlei Unterstützung (LI 1.4.2016). In einer Studie von IOM gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60%) und von Verwandten im Ausland (27%) versorgt zu werden (IOM 2.2016).

Dabei kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung (LI 1.4.2016). Neben den Bauaktivitäten gibt es auch vermehrt Taxiunternehmen, Busunternehmen, Reinigungen, Elektronikhändler etc. und die damit verbundenen Arbeitsmöglichkeiten (z.B. Bauarbeiter, Kellner, Fahrer, Verkäufer) (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015).

In der Stadt gibt es eine steigende Nachfrage an Hilfsarbeitern. Früher hatten die nicht-Ausgebildeten größere Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt aber auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit. Mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu sind auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen (IOM 2.2016; vergleiche LI 1.4.2016). Dementsprechend sind unqualifizierte Arbeitskräfte, bei denen es nur um physische Kraft geht (Bauwirtschaft, Hafenarbeiter etc.) in Mogadischu zahlreich verfügbar. Junge Kandidaten werden bevorzugt (IOM 2.2016).

Einen großen Bedarf gibt es an folgenden ausgebildeten Kräften und Fähigkeiten – bzw. womöglich auch an Ausbildungswilligen: Handwerker (Tischler, Maurer, Schweißer etc.); im Gastgewerbe (Köche, Kellner etc.); Schneider; Ingenieure; medizinisches Personal;

fortgeschrittene IT- und Computerkenntnisse; Agrarfachwissen;

Lehrkräfte auf allen Ebenen. Einen Bedarf gibt es auch an folgenden Arbeitskräften und Fähigkeiten: Mechaniker, Elektriker, Installateure, Fahrer von Spezialfahrzeugen; Betriebswirte und Buchhalter; Verkauf und Marketing; Englisch-Sprechern; IT- und Computerkenntnisse (IOM 2.2016). Der Mangel an Fachkräften ist so groß, dass in manchen Bereichen auf Gastarbeiter zurückgegriffen wird (z.B. im Gastgewerbe auf Kenianer und Somaliländer; oder im Baugewerbe auf Handwerker aus Bangladesch) (LI 1.4.2016; vergleiche IOM 2.2016).

Fast alle in der Studie von IOM befragten Arbeitgeber haben angegeben, dass sie mittelfristig mehr Personal einstellen wollen (IOM 2.2016). Weil freie Arbeitsplätze oft nicht breit beworben werden und die Arbeitgeber den Clan und die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne richtige Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen (IOM 2.2016; vergleiche DIS 9.2015), Witwen und Migranten ohne Familien schlechtere Chancen (DIS 9.2015). Arbeitssuchende greifen also auf ihre privaten Netzwerke zurück. Größere Firmen platzieren Jobangebote auch an Hauswänden oder in lokalen Medien. Öffentliche Stellen greifen auch auf Onlinemedien zurück (z.B. baidoanews.net oder somalijobs.net). Männliche Hilfsarbeiter stellen ihre Arbeitskraft frühmorgens an bestimmten Plätzen zur Verfügung (Mogadischu: Bakara; Baidoa: Kilo 7; Kismayo: Golol Place) (IOM 2.2016).

Der militärische Erfolg gegen al Shabaab in Mogadischu hat dazu geführt, dass viele Somali aus der Diaspora zurückgekehrt sind (BS 2016; vergleiche LI 1.4.2016). Die Rückkehrer haben investiert und gleichzeitig eine wachsende Nachfrage geschaffen (LI 1.4.2016). Außerdem traten neue Investoren in den Vordergrund, z.B. die Türkei (BS 2016; vergleiche LI 1.4.2016), China und die Golf-Staaten (LI 1.4.2016). Die Wirtschaft von Mogadischu hat begonnen zu wachsen. Dies wird angesichts des Baubooms am offensichtlichsten (BS 2016). Heute ist Mogadischu vom Wiederaufbau, ökonomischer Wiedererholung und Optimismus gekennzeichnet (LI 1.4.2016). Supermärkte, Restaurants und Hotels wurden neu geöffnet (BS 2016). Auch in anderen, der al Shabaab abgerungenen Städten steigt die Zahl wirtschaftlicher Aktivitäten (BS 2016).

Viele UN-Agenturen (bspw. UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen (ÖB 10.2015). So haben z.B. UN für Somalia ein Programm entworfen, das auf die Beschäftigung Jugendlicher abzielt. Mit dem Programm soll das Wachstum arbeitsintensiver Wirtschaftssektoren angekurbelt werden. Jugendliche sollen jene Fähigkeiten erhalten, die auf wachsenden Märkten am meisten gebraucht werden. Außerdem sind Initiativen der Weltbank auf den Weg gebracht, welche auf die Stromversorgung und auf den Finanzsektor abzielen. Privates Investment und die Schaffung von Arbeitsplätzen sollen gefördert werden. Die FAO unterstützt die Vieh-, Land- und Fischereiwirtschaft. Außerdem hat sie mehr als 30.000 Haushalte über cash-for-work-Programme finanziell beim Wiederaufbau von Infrastruktur unterstützt. Die ILO hat für 11.000 Haushalte (Rückkehrer aus Kenia, IDPs und Gastgemeinden) Arbeitsmöglichkeiten geschaffen (UNSC 11.9.2015).

Das meiste Einkommen lukriert Somalia mit Viehexport, Häuten, Fisch, Holzkohle und Bananen. Ein Schlüsselelement der Wirtschaft ist der Telekommunikationsbereich. Außerdem sind seit dem Rückzug der al Shabaab aus Mogadischu einige Bereiche stark gewachsen: Die öffentliche Verwaltung; internationale Organisationen; Botschaften; der Bausektor; und der Dienstleistungsbereich (Hotels, Restaurants, Transportsektor, Schulen, Spitäler etc.) (LI 1.4.2016). Viele Bereiche liegen in den Händen privater Anbieter (LI 1.4.2016; vergleiche BS 2016). Neben Schulen und Spitälern wird beispielsweise auch die Steuer von einer Privatfirma eingehoben. Berechnungen zufolge ist die somalische Wirtschaft ständig gewachsen; für 2014 schätzt der IWF das Wachstum auf 3,7% (LI 1.4.2016).

Aufgrund der Tatsache, dass bereits eine Anzahl von somalischen Flüchtlingen bereit sind, freiwillig zurückzukehren bzw. viele schon zurückgekehrt sind, besteht eine berechtigte Hoffnung, in absehbarer Zeit das Land als zunehmend sicherer und bewohnbarer zu qualifizieren (ÖB 10.2015).

Quellen:

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

Asylländerbericht Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

5.1. Rückkehrspezifische Grundversorgung

Als allgemeine Regel gilt, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Allerdings wurde das Konzept der Clan-Solidarität in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen (DIS 9.2015).

Beide – Familie (auch die erweiterten und entfernt verwandten Teile) und Clan – bleiben einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung) geht. Eine Person, die an einen neuen Wohnort zieht, erwartet sich die Akzeptanz des Clans in der lokalen Gemeinschaft. Diese Akzeptanz bedeutet, dass die Menschen über den Neuankömmling und seine Verbindungen Bescheid wissen; damit steht auch der Schutz in Verbindung, den diese Person vom Clan erlangen kann. Dies gilt auch für Rückkehrer, doch können diese ja nach Fähigkeiten und Kapazitäten auch autark leben, ohne einer Clan-Belästigung ausgesetzt zu sein. Auf der anderen Seite ist eine schwache Person mit wenigen Ressourcen auf die Unterstützung von Angehörigen, Verwandten oder einem engen Netzwerk angewiesen, um Unterkunft und Einkünfte zu erlangen. Grundsätzlich wird dabei nicht zuerst der Clan um Unterstützung angefragt (DIS 9.2015). Hier wendet man sich zuerst an die Familienebene. Wenn aber eine Person in einem Gebiet weder über Kernfamilie noch über Verwandte verfügt, dann kann der Clan Ressourcen zur Verfügung stellen (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014), wobei dies im Falle von Mogadischu eher bei großen Clans Erfolg haben wird (UKUT 3.10.2014). Eine übersiedelnde Person, wird sich in einem IDP-Lager wiederfinden und sich keinen Lebensunterhalt sichern können, wenn sie in einer Stadt weder über Kern- oder erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügt (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 5.11.2015) noch auf Rimessen zurückgreifen kann. Diese Person ist auf humanitären Schutz angewiesen (UKUT 5.11.2015). Auch für alleinstehende Frauen oder Alleinerzieherinnen hängt der zu erwartende Lebensunterhalt vom Status und von den Ressourcen der Familienangehörigen im Aufnahmegebiet ab (DIS 9.2015).

Rückkehrer haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015).

Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Rimessen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015).

Quellen:

2. Beweiswürdigung:

Die Identität der BF konnte mangels entsprechender somalischer Personaldokumente nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der BF ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen der Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.09.2017.

Das Vorbringen zur Minderheitengruppe (Midgaan bzw. Madhibaan) und zu den vorgebrachten Fluchtgründen war den Feststellungen aus folgenden Erwägungen nicht zugrunde zu legen:

Die BF konnte die Zugehörigkeit zur Minderheitengruppe der Midgaan nicht glaubhaft machen, zumal diese offenbar nicht wusste, dass die Minderheitengruppe der Midgaan auch als Madhibaan bezeichnet wird. So gab sie im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt an, der Volksgruppe der Midgaan anzugehören. Auf die Frage, welchem Sub-Clan sie angehöre, erklärte sie den Madhibaan (siehe As 77 und 79). Schon allein diese Unwissenheit zeigt, dass die BF falsche Angaben über ihre Minderheitenzugehörigkeit macht. Offenbar hat die BF versucht durch unwahre Angaben über ihre Minderheitenzugehörigkeit ihre Aussichten auf eine Asylgewährung zu erhöhen. Da das erkennende Gericht davon ausgeht, dass die BF nicht der von ihr angegebenen Minderheitengruppe angehört, können auch die damit vorgebrachten Diskriminierungen nicht den Tatsachen entsprechen. Verdeutlicht wird dies auch dadurch, dass die Schilderungen der BF extrem vage geblieben sind. So gab sie in allgemeiner Weise an, von Nachbarn beleidigt bzw. beschimpft worden zu sein, man sie (Anmerkung: gemeint die Midgaan) zwangsverheiratet habe, sie ihre Ausbildung nicht habe weiter machen können und sie vor ca. 7 Jahren mit einem Stein an der Stirn verletzt worden sei (siehe Sitzung 5 und 11 Verhandlungsprotokoll, vergleiche dazu auch As 85, 87 und 97). Die BF hat keinen Vorfall näher geschildert und berichtete auch von keinen aktuellen Vorkommnissen. Selbst die Frage der Richterin, ob sie Näheres über ihren Clan erzählen könne bzw. was typisch für ihren Clan sei, konnte die BF nur allgemein beantworten und dazu lediglich angeben, dass es eine Minderheit in Somalia sei, sie von anderen Somaliern diskriminiert bzw. als "Schande" gesehen werden würden und die anderen sie vernichten wollen würden vergleiche Sitzung 5 Verhandlungsprotokoll). Zudem fällt diesbezüglich auch auf, dass die BF in ihrer Erstbefragung und in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt noch angab, keine Schule besucht zu haben vergleiche As 9), bzw. sie zu Hause habe bleiben müssen und nicht zur Schule gegangen sei vergleiche As 87), während sie dann in der mündlichen Beschwerdeverhandlung im Widerspruch dazu ausführte, dass sie bis zur 6. Klasse die Schule besucht habe und dort beleidigt und mit Steinen beworfen worden wäre vergleiche Sitzung 3 und 11 Verhandlungsprotokoll). Die Narbe auf der Stirn kann jedenfalls nicht im Zusammenhang mit ihrem als unglaubwürdig zu qualifizierendem Vorbringen den Midgaan anzugehören, entstanden sein.

Auch ihrem weiteren Vorbringen zu den Fluchtgründen muss die Glaubwürdigkeit versagt werden. So ist zunächst hervorzuheben, dass die BF unbestimmte Angaben gemacht hat. So konnte sie weder in der niederschriftlichen Einvernahme, noch in der Beschwerdeverhandlung ein genaues Datum bezüglich des Todes ihrer Schwester nennen. In der niederschriftlichen Einvernahme und auch in der Beschwerdeverhandlung konnte sie dazu lediglich angeben, dass ihre Schwester im August 2015 gestorben sei vergleiche As 79, Sitzung 6 Verhandlungsprotokoll). Auch konnte die BF in der Beschwerdeverhandlung kein genaues Datum zur Hochzeit ihrer Schwester nennen und führte diesbezüglich nur aus, dass dies im Jahr 2012 gewesen sei. Als Erklärung dafür gab sie lediglich an, dass sie sich nicht daran erinnern könne, sie damals keine Schule besucht habe und sich das Datum nicht gemerkt habe vergleiche Sitzung 6 Verhandlungsprotokoll). Zudem konnte die BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung kein genaues Ausreisedatum nennen und gab dazu befragt lediglich an, dass sie dies nicht mehr genau wisse und sie Ende November, oder Anfang Dezember 2015 ausgereist sei vergleiche Sitzung 4 Verhandlungsprotokoll). Weiters konnte die BF in der Beschwerdeverhandlung weder den Namen der Fluglinie mit der sie geflogen ist angeben, noch ein genaues Abflugdatum nennen vergleiche Sitzung 5 Verhandlungsprotokoll).

Auffällig war zudem, dass die BF in der niederschriftlichen Einvernahme ausführte, dass ihre Schwester im Krankenhaus verstorben wäre und sie dies von ihrer Mutter erfahren hätte vergleiche As 91), während in der Beschwerdeschrift ausgeführt wurde, dass die Schwester bereits auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben wäre vergleiche As 223). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung führte die BF dann anfangs aus, dass ihre Schwester vor ihren Augen verstorben wäre vergleiche Sitzung 7 Verhandlungsprotokoll), während sie kurz darauf, auf die Frage der Richterin, ob die Schwester im Spital verstorben sei, dann angab, dass sie dies nicht sagen könne. Ihre Mutter wäre im Krankenhaus gewesen und hätte ihr dann gesagt, dass die Schwester bereits tot wäre vergleiche Sitzung 8 Verhandlungsprotokoll).

Hinzu kommt, dass die BF in der niederschriftlichen Einvernahme einen Vorfall schilderte, bei dem der Onkel väterlicherseits die BF und ihre Mutter geschlagen und darüber hinaus die BF mit einer Schnur an Händen und Füßen gefesselt hätte vergleiche As 89 und As 93). In der Beschwerdeverhandlung war dann von Schlägen durch den Onkel väterlicherseits bzw. einer Fesselung durch diesen gar keine Rede mehr. Dies ist sehr auffällig, da es sich hierbei um den einzigen (geschilderten) Vorfall gehandelt hätte, bei dem die BF einem unmittelbaren Angriff seitens ihres Onkels ausgesetzt gewesen wäre, weshalb diesem Vorfall per se eine zentrale und erhebliche Bedeutung zukommt.

Ein weiterer Widerspruch findet sich darin, dass die BF in der niederschriftlichen Einvernahme noch ausführte, dass der große Stein, auf welchen ihre Schwester gestürzt wäre, am Boden des Vorzimmers gelegen wäre vergleiche As 91), während sie dann in der Beschwerdeverhandlung abweichend ausführte, dass ihre Schwester auf einen großen Stein im Hof gefallen wäre vergleiche Sitzung 7 Verhandlungsprotokoll).

Zusammengefasst wird festgehalten, dass das Vorbringen der BF auf Grund der Widersprüche, Ungereimtheiten und Abänderungen in zentralen Vorbringungsteilen und wegen des anlässlich der Beschwerdeverhandlung vom 13.09.2017 vermittelten persönlichen Eindruckes der BF, nicht glaubhaft gemacht werden konnte.

Die Feststellungen zur Situation in Somalia, beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.06.2017 und den dort angeführten Quellen, welches in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht besprochen wurde. Bei den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Somalia ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Quellen nach wie vor aktuell bzw. mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

Die Beschwerdeführerin konnte aus den in der Beweiswürdigung ausgeführten Gründen keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen, und diese ist auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Es ist folglich davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht besteht. Auch aus den Feststellungen zur allgemeinen Lage in Somalia kann nicht abgeleitet werden, dass gleichsam jede in Somalia aufhältige Person, oder jene, die nach Somalia zurückkehrt, dort in asylrechtlich relevanter Weise Verfolgung zu gewärtigen hätte.

Es wird nicht verkannt, dass laut aktuellen Länderberichten Gewalt gegen Frauen in Somalia weit verbreitet ist, doch bestehen im konkreten Fall keine Hinweise dafür, dass die Beschwerdeführerin schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zur Gruppe der Frauen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe.

Auch aus der allgemeinen Lage in Somalia lässt sich konkret für die Beschwerdeführerin kein Status einer Asylberechtigten ableiten. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann wie bereits angemerkt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden vergleiche etwa VwGH vom 14.03.1995, Zl. 94/20/0798 sowie VwGH vom 17.06.1993, Zl. 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen vergleiche z.B. VwGH vom 09.05.1996, Zl. 95/20/0161; vom 30.04.1997, Zl. 95/01/0529, sowie vom 08.09.1999, Zl. 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der Beschwerdeführerin, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

Der Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war daher der Erfolg zu versagen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2017:W142.2156053.1.00