BVwG
29.11.2017
W259 2146929-1
W259 2146929-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Afghanistan, vertreten durch den römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , ZI. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.05.2017 zu Recht:
A)
römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 29.11.2018 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihren fünf Kindern illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 17.09.2015 fand eine Erstbefragung der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie zusammengefasst an, dass ihre Nachbarn Mitglieder der Taliban gewesen seien. Ihre Familie sei schiitischen Glaubens und sie seien von den Taliban unter Druck gesetzt worden. Sie hätten ihnen gedroht, die Familie zu vernichten, wenn sie nicht das Land verlassen würden.
3. Im Rahmen ihrer Einvernahme am 14.12.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kur "BFA") führte die Beschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund im Wesentlichen näher aus, dass sie und ihre Familie aus der Provinz römisch 40 in Afghanistan stammen würden. Sie gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischen Glaubens. Die Hazara seien als Schiiten in Afghanistan nirgendwo sicher. Die Sunniten würden nämlich glauben, dass wenn sie zwei Hazara umbringen würden, sie ins Paradies kämen. In Afghanistan habe sie in ständiger Angst um ihr eigenes Leben und das ihrer Töchter gelebt. Sie sei mit ihrem Ehegatten, ihrem Sohn und vier Töchtern über die Grenze zum Iran aus Afghanistan ausgereist. Ihre Mutter und mehrere Neffen würden in Kabul leben. Weiters hoffe sie, dass ihre Kinder aus ihrem Leben etwas machen könnten. Ihr Mann habe als Landwirt gearbeitet und so die Familie ernährt. In ihrem Heimatland habe sie an starken Blutungen gelitten, jedoch seien diese durch eine Behandlung in Österreich gestoppt worden.
4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch II.) ab. Weiters wurde der Beschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 55 und Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt, gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Afghanistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch IV.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass den Angaben ihres Ehemannes keine Gefahr einer Verfolgung in ihrem Heimatland zu entnehmen sei, weshalb das Bestehen eines Asylgrundes von vornhinein ausgeschlossen werden könne. Da in ihrem Fall der Antrag ihres Ehegatten auf internationalen Schutz, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen worden sei, komme auch für sie eine Zuerkennung aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens nicht in Betracht. Zu Spruchpunkt römisch II. führte das BFA u.a. aus, dass im Falle der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft dargelegt worden sei, dass sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könne. Da eine Verfolgung weder von der Beschwerdeführerin noch von ihrem Ehegatten vorgebracht worden sei, sei davon auszugehen, dass sie gemeinsam mit ihm und ihrer gesamten Familie im Herkunftsland jedenfalls einen verfolgungssicheren Ort aufsuchen könne. Es sei daher festzustellen, dass bei der Beschwerdeführerin keine individuellen Umstände vorlägen, die dafür sprechen würden, dass sie bei einer Rückkehr in ihr Heimatland in eine extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung iSd Artikel 3, EMRK darstellen würde. Schließlich führte der angefochtene Bescheid aus, dass die öffentlichen Interessen an der Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin gegenüber ihren privaten Interessen am Verbleib in Österreich überwiegen würden und ein Eingriff in ihre durch Artikel 8, EMRK geschützten Rechte daher als gerechtfertigt anzusehen sei (AS 82 f).
5. Mit Verfahrensanordnung vom 23.01.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
6. Gegen den oben genannten Bescheid richtete sich die gegenständliche am 02.02.2017 fristgerecht erhobene Beschwerde, mit der der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten wurde.
Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, dass die gesamte Familie der Beschwerdeführerin aus der afghanischen Provinz römisch 40 komme, eine der volatilen Gebiete im Südosten Afghanistans, wo regierungsfeindliche Kräfte sehr aktiv seien. Dazu würden die Taliban gehören, die die Hazara als angebliche Ungläubige landesweit töten und verfolgen würden. Wegen der gravierenden Verschlechterung der Sicherheitslage in der Region sei der Ehemann der Beschwerdeführerin unter enormen Druck seitens der Taliban als auch der paschtunischen Mehrheitsbevölkerung geraten und öfters bedroht und verfolgt worden. Die Familie sei einer derart unerträglichen Lage ausgesetzt gewesen, dass die Töchter monatelang das Haus nicht verlassen hätten können. Auch ihr Sohn und ihr Ehegatte hätten sich nur deswegen auf die Felder getraut, da davon die Existenz der Familie abgehängt habe. Bei einem Arbeitstag auf dem Feld seien diese von Männern paschtunischer Abstammung aufgefordert worden das Grundstück zu verlassen, da dieses den Paschtunen gehöre. Auch sei dem Ehegatten der Beschwerdeführerin ein kleiner Finger abgeschnitten worden. Zusätzlich würden sich in letzter Zeit die Fälle von Entführungen junger Mädchen aus hazarischen Familien seitens der Taliban häufen, welche diese zwangsverheiraten würden. Unter Verweis auf verschiedene Länderberichte werde daher im Wesentlichen ausgeführt, dass entgegen der Annahme des BFA eine Verfolgung der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat Afghanistan aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. ihres schiitischen Glaubens vorliege. Des Weiteren wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
7. Vor dem Bundesverwaltungsgericht fand am 24.05.2017 in den zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Beschwerdeverfahren betreffend die Beschwerdeführerin, ihren Ehegatten römisch 40 (Zl. W259 2146933-1) sowie ihre Kinder römisch 40 (Zl. W259 2146937-1), römisch 40 (Zl. W259 2146934-1), römisch 40 (Zl. W259 2146939-1), römisch 40 (Zl. W259 2147032-1) sowie römisch 40 (Zl. W259 2147033-1) in Anwesenheit einer für die Sprache Dari bestellten und beeideten Dolmetscherin und im Beisein der rechtskundigen Vertretung der Beschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Im Zuge welcher Beweis aufgenommen wurde durch Vernehmung der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten sowie ihres volljährigen Sohnes und Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie durch Einsicht in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Beschwerdeführerin wurde ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt. Dabei führte sie auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass sie Afghanistan im Jahr 2015 verlassen habe. In diesem Jahr hätten die Taliban ihrem Ehegatten die Fingerkuppe des kleinen Fingers der linken Hand abgeschnitten. Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA habe dieser dies nicht erwähnt, da er an Gedächtnisschwäche leide. Zuvor hätten die Taliban ihren Ehegatten schon mehrmals bedroht, indem sie ihn aufgesucht und ihm erklärt hätten, dessen Grundstücke würden eigentlich ihnen gehören. Besonders für ihre Töchter sei die Situation bedrohlich gewesen, da sie die Taliban zwangsheiraten hätten wollen. Dabei müssten 14 und 15-jährige Mädchen 40 oder 50-jährige Männer heiraten. Konkret sei ihre älteste Tochter von einem Taliban angesprochen worden eine "Ehe auf Zeit" abzuschließen. Generell hätten die Frauen der Familie aus Angst vor derartigen Vorfällen das Haus nicht verlassen können. Dies sei zuvor nicht der Fall gewesen, die Mädchen seien zur Schule gegangen, da die Beschwerdeführerin nicht gewollt habe, dass diese Analphabetinnen blieben. Es habe zahlreiche Entführungen gegeben und Fahrzeuge seien angehalten worden, um den Insassen etwas anzutun. Von diesen Vorfällen habe sie gehört. In Österreich wolle die Beschwerdeführerin zunächst die deutsche Sprache erlernen und dann selbständig arbeiten. Bei einer Rückkehr könnte sie nicht mehr so frei leben wie in Österreich, sondern müsste sich den strengen afghanischen Bräuchen anpassen. Sie wäre gezwungen, eine Burka sowie lange Kleidung zu tragen und sich vor fremden Männern zu verstecken. Sie hätte aber kein Problem damit wieder diese Kleidung in Afghanistan zu tragen, weil dies dort so üblich sei. Sie wünsche sich, dass ihre Töchter in Freiheit aufwachsen, etwas lernen und in Zukunft gute Berufe haben würden.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde der rechtskundigen Vertreterin der Beschwerdeführerin ein Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 zugesandt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde ihr eine Analyse der Staatendokumentation zu Frauen in Afghanistan vom 02.07.2014 ein Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, der Befund und das Gutachten von römisch 40 zur Versorgungslage in den afghanischen Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat vom 05.03.2017 zu römisch 40 , sowie ein die Kurzinformation der Staatendokumentation, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan vom 11.05.2017 zur Kenntnis gebracht.
8. Mit Schreiben vom 01.06.2017 gab die rechtskundige Vertreterin der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zu den in der mündlichen Verhandlung eingebrachten Länderberichten ab. Inhaltlich wurden die Länderberichte nicht bestritten.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin sowie des Ehegatten, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin trägt den Namen römisch 40 , besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitische Muslimin. Ihre Muttersprache ist Dari. Sie leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Das Geburtsjahr der Beschwerdeführerin ist römisch 40 .
Die Beschwerdeführerin ist mit römisch 40 (geb. römisch 40 ) traditionell verheiratet und hat mit ihm fünf Kinder, wovon drei Kinder minderjährig sind. Die Ehe wurde in Afghanistan geschlossen. Die gemeinsamen Kinder heißen römisch 40 (geb. römisch 40 ), römisch 40 (geb. römisch 40 ), römisch 40 (geb. römisch 40 ), römisch 40 (geb. römisch 40 ) sowie römisch 40 (geb. römisch 40 ). Sie lebte gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern bis zu ihrer Ausreise aus Afghanistan in der Provinz römisch 40 , im Distrikt römisch 40 , im Dorf römisch 40 . Ihr Ehegatte hat als Landwirt für die Familie in Afghanistan gesorgt. Die Beschwerdeführerin sowie ihr Ehegatte verfügen über keine Berufsausbildung. Die Beschwerdeführerin ist Analphabetin. Die Beschwerdeführerin hat keinen Kontakt zu in Afghanistan lebenden Verwandten.
Die Beschwerdeführerin kann im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht von ihren Verwandten unterstützt werden.
Der Ehegatte und die Kinder sind ebenfalls afghanische Staatsangehörige, deren Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind. Die Verfahren der Beschwerdeführerin, ihres Ehegatten und ihrer minderjährigen Kinder sowie ihres volljährigen Sohnes wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Nach eigenen Angaben ist sie in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft.
1.2. Zum Fluchtgrund:
Die Beschwerdeführerin trug in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ein Kopftuch, wobei der Haaransatz leicht sichtbar war. Sie war nicht geschminkt. Sie trug eine langärmlige Bluse, die über die Knie reichte, eine schwarze Hose, eine langärmelige Strickweste sowie schwarze Schuhe ohne Absatz. Sie trug keinen Nagellack, aber einen Ring an der rechten Hand sowie eine Armbanduhr auf der linken Hand.
Die Beschwerdeführerin hat einen Deutschkurs besucht und will einen Alphabetisierungskurs machen. Sie verlässt in Österreich manchmal ohne Begleitung ihres Mannes das Haus und geht einkaufen. In Afghanistan hat sich die Beschwerdeführerin um den Haushalt gekümmert.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin von ihrer persönlichen Wertehaltung her überwiegend an den in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist.
Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass sie in Österreich eine selbstbestimmte Lebensführung verinnerlicht hat, deren Ablegung ihr nicht mehr zugemutet werden kann.
Dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen und mit physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht werden würde, kann nicht festgestellt werden.
Die Beschwerdeführerin war in Afghanistan nie einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere in ihre Herkunftsprovinz römisch 40 , einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung durch die Taliban oder durch eine andere regierungsfeindliche Gruppierung oder durch eine andere Volksgruppe ausgesetzt wäre.
Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass konkret die Beschwerdeführerin als Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie schiitische Muslimin bzw. dass jede Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie schiitische Muslimin in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt bzw. einer Verfolgung ausgesetzt wäre.
Die Beschwerdeführerin war nie politisch tätig und gehörte keiner politischen Partei an.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführerin würde bei einer Rückkehr in ihre Herkunftsprovinz römisch 40 in Afghanistan, ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Wiederansiedelung außerhalb ihrer Herkunftsprovinz, insbesondere in einer Großstadt wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif liefe die Beschwerdeführerin Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
1.4. Das BVwG trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
1.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 11.05.2017:
Aktualisierung der Sicherheitslage – Q1.2017
Den Vereinten Nationen zufolge hat sich im Jahr 2016 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert; dieser Trend zieht sich bis ins Jahr 2017. Gefechte fanden vorwiegend in den folgenden fünf Provinzen im Süden und Osten statt: Helmand, Nangarhar, Kandahar, Kunar und Ghazni; 50% aller Vorfälle wurden in diesen Regionen verzeichnet (für das Jahr 2016 wurden 23.712 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert). Doch der Konflikt hat sich geographisch ausgeweitet, da die Taliban ihre Aktivitäten in Nord- und Nordostafghanistan, sowie in der westlichen Provinz Farah, verstärkt haben. In den Provinzhauptstädten von Farah, Kunduz, Helmand und Uruzgan übten die Taliban Druck auf die Regierung aus. Wesentlich für die Machterhaltung der Regierung in diesen Provinzhauptstädten war die Entsendung afghanischer Spezialeinheiten und die Luftunterstützung durch internationale und afghanische Kräfte (UN GASC 3.3.2017).
Im Jahr 2016 hat sich die Zahl der Gefechte zwischen Taliban und Regierungskräften (meist Angriffe der Taliban) um 22% erhöht und machen damit 63% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die Anzahl der IED-Vorfälle war 2016 um 25% niedriger als im Jahr davor und ist damit weiterhin rückläufig (UN GASC 3.3.2017).
ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Die afghanischen Sicherheitskräfte sind auch weiterhin signifikanten Herausforderungen ausgesetzt – speziell was ihre operative Leistungsfähigkeit betrifft: Schwächen in den Bereichen Führung und Kontrolle, Leitung und Logistik, sowie hohe Ausfallsraten, haben maßgebliche Auswirkungen auf Moral, Rekrutierung und Leistungsfähigkeit (UN GASC 3.3.2017). Dennoch haben die afghanischen Sicherheitskräfte hart gegen den Talibanaufstand und terroristische Gruppierungen gekämpft und mussten dabei hohe Verluste hinnehmen. Gleichzeitig wurden qualitativ hochwertige Spezialeinheiten entwickelt und Aufständische davon abgehalten Bevölkerungszentren einzunehmen oder zu halten (SIGAR 30.4.2017).
Der sich intensivierende Konflikt hat zunehmend Opfer bei Sicherheitskräften und Taliban gefordert. Die Rate der Neu- bzw. Weiterverpflichtungen ist zu niedrig, um die zunehmenden Desertionen und Ausfälle zu kompensieren. Bis Februar 2016 war die Truppenstärke des afghanischen Heeres bei 86% und die der afghanischen Nationalpolizei auf 94% ihres geplanten Mannschaftsstandes (UN GASC 3.3.2017).
Berichtszeitraum 18.11.2016 bis 14.2.2017
Im Berichtszeitraum wurden von den Vereinten Nationen 5.160 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert; dies bedeutet eine Erhöhung von 10% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (UN GASC 3.3.2017).
Im Jänner 2017 wurden 1.877 bewaffnete Zusammenstöße registriert; die Anzahl hatte sich gegenüber dem vorigen Vergleichszeitraum um 30 erhöht. Im Berichtszeitraum haben sich IED-Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 11% verstärkt (UN GASC 3.3.2017).
High-profile Angriffe
Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vergleiche auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).
Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vergleiche auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Angaben, welche Gebiete von den Aufständischen in Afghanistan kontrolliert werden, sind unterschiedlich: Schätzungen der BBC zufolge, wird bis zu ein Drittel des Landes von den Taliban kontrolliert (BBC 9.5.2017). Einer US-amerikanischen Quelle zufolge stehen 59,7% der Distrikte unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Sicherkräfte (Stand: 20.2.2017); was eine Steigerung von 2,5% gegenüber dem letzten Quartal wäre; jedoch einen Rückgang von 11% gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2016. Die Anzahl der Distrikte, die unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen sind, hat sich in diesem Quartal um 4 Distrikte vermehrt: es sind dies 45 Distrikte in 15 Provinzen (SIGAR 30.4.2017). Die ANDSF konnten die Taliban davon abhalten Provinzhauptstädte einzunehmen oder zu halten; die Aufständischen haben die Kontrolle über gewisse ländliche Gebiete behalten. (SIGAR 30.4.2017).
Taliban
Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive Ende April 2017 eröffnet; seitdem kommt es zu verstärkten Gefechtshandlungen in Nordafghanistan (BBC 7.5.2017). Bisher haben die Taliban ihre alljährliche Kampfsaison durch die Frühjahrsoffensive eingeläutet; allerdings haben dieses Jahr die Taliban-Aufständischen auch in den Wintermonaten weitergekämpft (BBC 28.4.2017).
Helmand
Die Taliban haben den Druck auf die Provinz Helmand erhöht; heftige Gefechte fanden Ende Jänner und Anfang Februar im Distrikt Sangin statt (UN GASC 3.3.2017): 10 der 14 Distrikte in Helmand werden entweder von den Taliban kontrolliert oder sind umstritten. In die Provinz Helmand wurde bereits eine Anzahl US-amerikanischer Soldaten entsendet (al-Jazeera 29.4.2017; vergleiche auch: Khaama Press 11.4.2017). Auch das afghanische Verteidigungsministerium hat Befreiungsoperationen gestartet, die sogenannten Khalid-Operationen in Helmand aus den beiden Distrikten, Garamser und Nad-e Ali heraus (Khaama Press 11.4.2017). Militärischen Quellen zufolge, wurde im Mai eine riesige Kommandozentrale der Taliban im Distrikt Nad-e Ali zerstört (Sputnik News 10.5.2017).
Kunduz
Seit zwei Jahren ist Kunduz Zentrum intensiver Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LWJ 9.5.2017); die Stadt Kunduz fiel zweimal bevor die ANDSF und die Koalitionskräfte sie wieder unter ihre Kontrolle bringen konnten (SIGAR 30.4.2017; vergleiche auch: LWJ 9.5.2017).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie auch gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017). Der IS verliert weiterhin Gebiete, die zuvor von ihm kontrolliert wurden; Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Aktivitäten der afghanischen Luftstreitkräfte mit Unterstützung der Luftangriffe der NATO (SCR 28.2.2017).
Abdul Hasib, der IS-Anführer in Afghanistan, wurde im Rahmen einer militärischen Operation in Nangarhar getötet (BBC 8.5.2017; vergleiche auch: NYT 7.5.2017); von Hasib wird angenommen für viele high-profile Angriffe verantwortlich zu sein – so auch für den Angriff gegen das Militärkrankenhaus in Kabul (Dawn 7.5.2017; vergleiche auch: BBC 8.5.2017).
In diesem Jahr wurden hunderte IS-Aufständische entweder getötet oder gefangen genommen (BBC 8.5.2017). Im April 2017 wurde die größte nicht-nukleare Bombe, in einer Region in Ostafghanistan eingesetzt, die dafür bekannt ist von IS-Aufständischen bewohnt zu sein (Independent 13.4.2017). Netzwerke bestehend aus Höhlen und Tunnels wurden zerstört und 94 IS-Kämpfer, sowie vier Kommandanten, getötet (Dawn 7.5.2017). Quellen zufolge waren keine Zivilisten von dieser Explosion betroffen (BBC 14.4.2017; vergleiche auch: The Guardian 13.4.2017, al-Jazeera 14.4.2017).
Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).
INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017
Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vergleiche auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Kontrolle von Distrikten und Regionen
Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).
Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).
Rebellengruppen
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).
Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).
Taliban und ihre Offensive
Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).
Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).
Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).
Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vergleiche auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vergleiche auch:
The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).
Haqqani-Netzwerk
Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).
Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).
Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus – wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).
Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).
Al-Qaida
Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vergleiche auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).
IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh – Islamischer Staat
Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vergleiche auch:
MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).
Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vergleiche auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).
Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).
Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).
Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).
Zivile Opfer
Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).
UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) – eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).
Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).
Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).
Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)
Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Im Zeitraum 1.9.2015. – 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vergleiche auch: UNAMA 6.2.2017).
Provinz Balkh:
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:
Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).
Im Zeitraum 1.1. – 31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).
Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vergleiche auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vergleiche auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vergleiche auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).
Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)
High-profile Angriff:
Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).
Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).
Ghazni
Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktika und Logar im Osten liegen; Zabul grenzt gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist sie die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.249.376 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 2016).
Ghazni ist in folgende Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Ghazni wird aufgrund ihrer strategischen Position, als Schlüsselprovinz gewertet – die Provinz verbindet durch die Autobahn, die Hauptstadt Kabul mit den bevölkerungsreichen südlichen und westlichen Provinzen (HoA 15.3.2016).
Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden in der Provinz Ghazni 1.292 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in Ghazni festgehalten; gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Im Dezember 2016 verlautbarte der CEO Afghanistans den baldigen Beginn militärischer Spezialoperationen in den Provinzen Ghazni und Zabul, um Sympathisanten des Islamischen Staates und Talibanaufständische zu vertreiben (Khaama Press 23.1.2017).
Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen in Südostafghanistan, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Operationen durchführen (Khaama Press 15.10.2016; Khaama Press 8.7.2016; vergleiche auch: Truthdig 23.1.2017). Die Bevölkerung der Provinz kooperiere bereits mit den Sicherheitskräften. Ein Mitglied des Provinzrates verlautbarte, dass sich die Sicherheitslage verbessern könnte, wenn die Polizei mit notwendiger Ausrüstung versorgt werden würde (Pajhwok 8.1.2017). Im Gegensatz zum Jahr 2015 registrierte die UNAMA 2016 keine Entführungsfälle der Hazara-Bevölkerung in Ghazni. In vormals betroffenen Gegenden wurden Checkpoints der afghanischen Sicherheitskräfte errichtet; dies wird als Abschreckung gewertet (UNMA 6.2.2017).
In der Provinz werden regelmäßig Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 15.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 8.1.2017; Tolonews 26.12.2016; Pajhwok 21.11.2016; Afghanistan Times 25.8.2016; Afghanistan Times 21.8.2016), auch in Form von Luftangriffen (Pajhwok 18.6.2017; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 8.6.2016). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Sputnik News 30.11.2016). Unter anderem wurden Taliban Kommandanten getötet (Khaama Press 9.1.2017; Sputnik News 26.12.2016; Khaama Press 17.10.2016; Afghanistan Spirit 18.7.2016; Pajhwok 18.6.2016; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 7.6.2016).
Im Februar 2017 bestätigte der afghanische Geheimdienst (NDS) den Tod eines hochrangigen al-Qaida Führers: Qari Saifullah Akhtar, war vom NDS in einer Razzia im Jänner 2017 getötet worden. Berichten zufolge, war Qari Saifullah Akhtar jahrzehntelang am Aufstand beteiligt; ihm werden direkte Verbindung zu Osama bin Laden und dem pakistanischen Geheimdienst nachgesagt (LWJ 19.2.2017; vergleiche auch:
ATN News 19.2.2017).
Frauen:
Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).
Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).
Bildung
Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung – auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).
Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004).
Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).
Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 – 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren
63.911 Frauen (CSO 2016).
Frauenuniversität in Kabul
Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vergleiche auch:
MORAA 31.5.2016).
Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vergleiche auch:
University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).
Berufstätigkeit
Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016).
Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vergleiche auch: AF 7.12.2016).
Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vergleiche auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).
Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).
Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).
Frauen im öffentlichen Dienst
Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9.2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).
Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women‘s Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9.2016).
Frauen in den afghanischen Sicherheitskräften
Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u.a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti-Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden. Dieses ist allerdings bisher noch nicht geschehen (AA 9.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: Sputnik News 14.6.2016). Laut Verteidigungsministerium werden derzeit 400 Frauen in unterschiedlichen Bereichen des Verteidigungsministeriums ausgebildet: 30 sind in der nationalen Militärakademie, 62 in der Offiziersakademie der ANA, 143 in der Malalai Militärschule und 109 Rekrutinnen absolvieren ein Training in der Türkei (Tolonews 28.1.2017).
Im Allgemeinen verbessert sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte, bleibt aber weiterhin fragil. Der Schutz von Frauenrechten hat in größeren städtischen Gegenden, wie Kabul, Mazar-e Sharif und in der Provinz Herat, moderate Fortschritte gemacht; viele ländliche Gegenden sind extrem konservativ und sind aktiv gegen Initiativen, die den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern könnte (USDOD 6.2016).
Auch wenn die Regierung Fortschritte machte, indem sie zusätzliche Polizistinnen rekrutierte, erschweren kulturelle Normen und Diskriminierung die Rekrutierung und den Verbleib in der Polizei (USDOS 13.4.2016).
Teilnahmeprogramme für Frauen in den Sicherheitskräften
Initiiert wurde ein umfassendes Programm zur Popularisierung des Polizeidienstes für Frauen (SIGAR 30.7.2016; vergleiche auch: Sputnik News 5.12.2016). Dies Programm fördert in verschiedenster Weise Möglichkeiten zur Steigerung der Frauenrate innerhalb der ANDSF (SIGAR 30.7.2016). Das afghanische Innenministerium gewährte im Vorjahr 5.000 Stellen für Frauen bei der Polizei, diese Stellen sind fast alle noch immer vakant (Sputnik News 5.12.2016; vergleiche auch:
SIGAR 30.7.2016). Eines der größten Probleme ist, dass sowohl junge Mädchen als auch Ehefrauen in ihren Familien nichts selbständig entscheiden dürften (Sputnik News 5.12.2016). Die afghanische Nationalpolizei schuf zusätzlich neue Posten für Frauen – womit sich deren Zahl auf 5.969 erhöhte; 5.024 dieser Posten sind innerhalb der afghanischen Nationalpolizei, 175 in Gefängnissen und Haftanstalten, sowie 770 zivile Positionen (SIGAR 30.7.2016). Im Juni 2016 verlautbarten die Behörden in Kabul, bis März 2017 die Polizei mit 10.000 neuen Stellen für weibliche Polizeikräfte aufzustocken. Die Behörden möchten der steigenden Gewalt gegen Frauen in Afghanistan entgegentreten und effektiver gegen die Terrorbedrohung und den Drogenhandel im Land vorgehen (Sputnik News 14.6.2016).
Seit fast einem Jahrzehnt schaffen afghanische Behörden massiv Arbeitsstellen für Frauen bei der Polizei und versuchen alljährlich den Frauenanteil zu erhöhen. Das dient vor allem dazu, den Afghaninnen Schutz zu gewähren. Wenn Verdächtigte und mutmaßliche Verbrecher Frauen seien, werden Polizistinnen bevorzugt. Allerdings haben Beamtinnen wegen ihres Polizeidienstes öfter Probleme mit ihren konservativen Verwandten (Sputnik News 14.6.2016). Im Arbeitskontext sind Frauen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen: so sind z. B. Polizistinnen massiven Belästigungen und auch Gewalttaten durch Arbeitskollegen oder im direkten Umfeld ausgesetzt (AA 9.2016; vergleiche auch: Sputnik News 14.6.2016).
Strafverfolgung und Unterstützung
Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9.2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9.2016; vergleiche USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016)
Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9.2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).
Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9.2016).
Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: AA 9.2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen – inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9.2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9.2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW–Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).
Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul (USDOS 13.4.2016). Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurde Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren (USDOS 13.4.2016). Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: UNAMA 4.2015).
Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation (USDOS 13.4.2016).
Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission – AIHRC), veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 – März 2015), was eine Reduzierung von 13% gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67% der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60% wurden verurteilt und bestraft (USDOS 13.4.2016).
Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).
Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9.2016; vergleiche auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).
Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9.2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt – in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).
Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9.2016).
Ehrenmorde
Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).
Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).
Legales Heiratsalter:
Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich (USDOS 13.4.2016). Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70% (USDOS 13.4.2016; vergleiche auch: AA 9.2016).
In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst (USDOS 13.4.2016). Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (AA 9.2016).
Frauenhäuser
USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab (USDOS 13.4.2016).
Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden (AA 9.2016).
Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 13.4.2016).
Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).
Medizinische Versorgung – Gynäkologie
Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 9.2016).
Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 9.2016).
Religionsfreiheit
Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vergleiche USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vergleiche auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3, der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vergleiche auch:
CSR 8.11.2016).
Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).
Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).
Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9.2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).
Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).
Blasphemie – welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).
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Schiiten
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9.2016; vergleiche auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9.2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).
Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).
Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).
Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vergleiche auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9.2016).
Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein – dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane‘ wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."
(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vergleiche auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).
[...]
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (az?raj?t) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vergleiche auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vergleiche auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).
Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.
Rückkehrer:
Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).
IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).
Afghanische Rückkehrer/innen, afghanische Flüchtlinge und nicht registrierte Afghan/innen
Iran
Seit 1. Jänner 2016 sind insgesamt 461.112 nicht-registrierte Afghan/innen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. In der zweiten Jännerwoche 2017 sind insgesamt 9.378 nicht registrierte Afghan/innennach Afghanistan durch Herat oder Nimroz zurückgekehrt; von diesen sind 3.531 freiwillig und 5.847 im Zuge von Abschiebungen zurückgekehrt - 2% der nicht registrierten Afghan/innen, die in den Transitzentren in Herat oder Nimroz ankamen, wurden von IOM unterstützt. Dazu zählten 101 UMF (Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge), denen IOM eine besondere Unterstützung zukommen ließ, inklusive medizinischer Behandlung, sichere Unterkünfte und die Suche nach Familienangehörigen (IOM 15.1.2017).
Ein UNHCR-Vertreter berichtete, dass afghanische Flüchtlinge in Gegenden zurückkehrten, in denen der Friede wieder hergestellt wurde. Dennoch sei es schwierig, alle afghanischen Flüchtlinge eines Jahres zu verteilen, da der Iran afghanische Migrant/innen zurückschickt und Afghanistan eine Anzahl wohnungsloser Menschen hat, die zusätzlich die Situation verkomplizieren (Pakistan Observer 2.1.2017). Die IOM-Transitzentren in Grenznähe bieten elementare Unterkünfte, Schutz für unbegleitete Minderjährige, Haushaltsgegenstände (Töpfe und Pfannen), sowie Transportmöglichkeiten für Familien, um sich in ihren Wunschgebieten ansiedeln zu können (DAWN 12.1.2017).
Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort
Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:
Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt – um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).
Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9.2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).
Staatliches Pensionssystem
Es ist nur ein öffentliches Rentensystem etabliert. Das übliche Rentenalter liegt zwischen 63 und 65 Jahren, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Personen, die in Afghanistan gearbeitet haben, haben Zugang zu Rentenzahlungen. Es gibt keine Einschränkungen, die einzige Voraussetzung ist, dass die Person mehr als 32 Jahre gearbeitet hat und zwischen 63-65 Jahren alte ist. Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen werden als vulnerabel/schutzbedürftig eingestuft. Sie können Sozialhilfe beziehen und zumindest körperlich benachteiligte Menschen werden in der Gesellschaft respektvoll behandelt. Schwierig ist es allerdings mit mental erkrankten Menschen, diese können beim Roten Halbmond und in entsprechenden Krankenhäusern (Ali Abad Mental Hospital, siehe Kontakte) behandelt werden (IOM 2016).
Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org) angeboten (IOM 2016).
Erhaltungskosten in Kabul
Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).
Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan
Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016).
Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:
Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016).
Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vergleiche auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).
Memorandum of Understanding (MoU)
Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2002 mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen (MoU – Memorandum of Understanding) zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u. a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien schieben abgelehnte Asylbewerber/innen afghanischer Herkunft nach Afghanistan ab. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Der afghanische Flüchtlingsminister Balkhi (seit Ende Januar 2015 im Amt) lehnt die Rücknahme von afghanischen Flüchtlingen ab und ignoriert die MoUs, wurde jedoch von Präsident Ghani in seinem Einfluss beschnitten. Ein deutsch-afghanisches Rücknahme-MoU wurde am 2. Oktober 2016 in Kabul unterzeichnet (AA 9.2016).
1.4.2. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016:
"[ ] Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:
(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und
(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.
[ ] Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte [ ] in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte [ ] befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte [ ] im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen. UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.
[ ]
Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.
Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig. [ ]
[ ]
Frauen mit bestimmten Profilen oder unter bestimmten Bedingungen lebende Frauen
Die Regierung hat seit 2001 einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung, insbesondere durch Verabschiedung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz), den Erlass von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe von Frauen und die Einrichtung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten. Die Verbesserungen der Situation von Frauen und Mädchen blieben jedoch Berichten zufolge marginal und Afghanistan wird weiterhin als "sehr gefährliches" Land für Frauen und Mädchen betrachtet. Fortschritte, die in der Vergangenheit in Hinblick auf die Menschenrechte von Frauen erzielt wurden, wurden teilweise durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in einigen Teilen des Landes zunichte gemacht. Die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleibt endemisch. Berichten zufolge ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor weit verbreitet und nimmt weiter zu. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte üblicherweise straflos bleiben. Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen. Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz von Frauenrechten weiterhin nur langsam umgesetzt werden, dies betrifft insbesondere die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz). Das im August 2009 verabschiedete Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge der politische Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend wird es Berichten zufolge nicht vollständig durchgesetzt, insbesondere nicht in ländlichen Gebieten. Die überwiegende Mehrheit der Fälle der gegen Frauen gerichteten Gewaltakte, einschließlich schwerer Straftaten gegen Frauen, wird immer noch nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen statt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt. UNAMA berichtet, dass sowohl die afghanische nationale Polizei (ANP) als auch die Staatsanwaltschaften zahlreiche Fälle, einschließlich schwerwiegender Straftaten, an jirgas und shuras zum Zweck der Beratung oder Entscheidung weiterleiten und dadurch die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) unterminieren und die Praktizierung schädlicher traditioneller Bräuche fördern.370 Durch Entscheidungen gemäß diesen Mechanismen sind Frauen und Mädchen der Gefahr weiterer Schikanierung und Ausgrenzung ausgesetzt. Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere diskriminierende Bestimmungen für Frauen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.
Während die in diesem Abschnitt beschriebenen Menschenrechtsprobleme Frauen und Mädchen im gesamten Land betreffen, gibt die Situation in Gebieten, die tatsächlich von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden, Anlass zu besonderer Sorge.
Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge in diesen Gebieten die Rechte von Mädchen und Frauen in schwerwiegender Weise beschnitten, darunter ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und politische Partizipation. Außerdem besteht in von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrollierten Gebieten eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz ausgesetzt sind und ihnen keine wirksamen Rechtsmittel gegen die Verletzung ihrer Rechte zur Verfügung stehen. Die von den regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten betriebene Paralleljustiz verletzt Berichten zufolge tatsächlich regelmäßig die Rechte von Frauen.
a) Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt
Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Afghanistan ist Berichten zufolge nach wie vor weit verbreitet. Dazu gehören Ehrenmorde, Entführung, Vergewaltigung, erzwungene Abtreibung und häusliche Gewalt. Da sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe von weiten Teilen der afghanischen Gesellschaft als Schande für die Familie betrachtet werden, besteht für Opfer von Vergewaltigungen außerhalb der Ehe die Gefahr, geächtet, zu Abtreibungen gezwungen, inhaftiert oder sogar getötet zu werden. Gesellschaftliche Tabus und die Angst vor Stigmatisierung und Vergeltungsmaßnahmen einschließlich durch die eigene Gemeinschaft oder Familie sind häufige Gründe dafür, dass Überlebende sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt nicht anzeigen.
Gleichzeitig werden weiterhin Fälle von Selbstverbrennung aufgrund von häuslicher Gewalt
gemeldet. Behörden leiten nach wie vor die meisten Anzeigen wegen häuslicher Gewalt zur Entscheidung an traditionelle Institutionen zur Streitbeilegung weiter. Frauen und Mädchen, die vor Misshandlung oder drohender Zwangsheirat von zu Hause weglaufen, werden oftmals vager oder gar nicht definierter "moralischer Vergehen" bezichtigt, einschließlich des Ehebruchs ("zina") oder des "von zu Hause Weglaufens". Während Frauen in diesen Situationen oftmals verurteilt und inhaftiert werden, was eine Verletzung internationaler Menschenrechtsstandards und –rechtsprechung darstellt, bleiben die für die häusliche Gewalt oder Zwangsheirat verantwortlichen Männer nahezu grundsätzlich straflos. Da Frauen außerdem in der Regel wirtschaftlich von den Gewalttätern abhängig sind, werden viele von ihnen faktisch davon abgehalten, Klage zu erheben und haben wenig andere Möglichkeiten, als weiterhin in von Missbrauch geprägten Situationen zu leben.
Der Zugang zur Justiz wird für Frauen, die Gewalttaten anzeigen möchten, zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass der Anteil der Frauen unter den Polizeikräften im Land nur bei etwas unter zwei Prozent liegt. Polizistinnen sind Berichten zufolge selbst der Gefahr sexueller Belästigungen und Übergriffe am Arbeitsplatz einschließlich Vergewaltigungen durch männliche Kollegen ausgesetzt. Sie sind außerdem durch gewaltsame Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) gefährdet.
Berichten zufolge besteht Straflosigkeit bei Handlungen von sexueller Gewalt auch deswegen weiter fort, weil es sich bei den mutmaßlichen Vergewaltigern in einigen Gebieten um mächtige Befehlshaber oder Mitglieder bewaffneter Truppen oder krimineller Banden handelt oder um Personen, die zu solchen Gruppen oder einflussreichen Personen Kontakt haben und von ihnen vor Inhaftierung und Strafverfolgung geschützt werden.
b) Schädliche traditionelle Bräuche
Schädliche traditionelle Bräuche sind in Afghanistan weiterhin weit verbreitet und kommen in unterschiedlichem Ausmaß landesweit sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gemeinschaften und in allen ethnischen Gruppen vor. Die schädlichen traditionellen Bräuche, die in diskriminierenden Ansichten zur Rolle und Position der Frauen in der afghanischen Gesellschaft wurzeln, betreffen in unverhältnismäßig hohem Maße Frauen und Mädchen. Zu diesen Bräuchen gehören unterschiedliche Formen der Zwangsheirat, einschließlich Kinderheirat, Hausarrest und Ehrenmorde. Zu den Formen der Zwangsheirat in Afghanistan gehören:
(i) "Verkaufsheirat", bei der Frauen und Mädchen gegen eine bestimmte Summe an Geld oder
Waren oder zur Begleichung von Schulden der Familieeiner Familienschuld verkauft werden;
(ii) baad dadan, eine Methode der Streitbeilegung gemäß Stammestraditionen, bei der die Familie der "Angreifer" der Familie, der Unrecht getan wurde, ein Mädchen anbietet, zum Beispiel zur Begleichung einer Blutschuld;
(iii) baadal, ein Brauch, bei dem zwei Familien ihre Töchter austauschen, um Hochzeitskosten zu sparen;
(iv) Zwangsverheiratung von Witwen mit einem Mann aus der Familie des verstorbenen Ehemanns.
Wirtschaftliche Unsicherheit und der andauernde Konflikt sowie damit verbundene Vertreibung, Verlust von Eigentum und Verarmung der Familien sind Gründe, warum das Problem der Kinderheirat fortbesteht, da diese oftmals als die einzige Überlebensmöglichkeit für das Mädchen und seine Familie angesehen wird.
Nach dem Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) stellen einige schädliche traditionelle Bräuche einschließlich des Kaufs und Verkaufs von Frauen zu Heiratszwecken, die Benutzung von Frauen als Mittel zur Streitbeilegung nach dem "baad"-Brauch sowie Kinder- und Zwangsheirat Straftatbestände dar. Die Umsetzung des Gesetzes erfolgt jedoch, wie oben festgestellt, langsam und inkonsistent.
Zusammenfassung:
Je nach den Umständen des Einzelfalls ist UNHCR der Auffassung, dass bei Frauen, die den folgenden Kategorien unterfallen, wahrscheinlich ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht:
a) Überlebende von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt sowie Personen, die entsprechend gefährdet sind;
b) Überlebende schädlicher traditioneller Bräuche sowie Personen, die entsprechend gefährdet sind; und
c) Frauen, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen (siehe Abschnitt römisch III.A.8).
Je nach den Umständen des Einzelfalls kann bei dieser Personengruppe ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (die als "Frauen in Afghanistan" definiert ist), aufgrund ihrer Religion, ihrer (zugeschriebenen) politischen Überzeugung oder aufgrund anderer relevanter Gründe bestehen.
Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen
Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer wie etwa Witwen sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Erwerbsmöglichkeiten, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Inhaftierungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia betreffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, einschließlich Inhaftierung aufgrund "moralischer Vergehen" wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung, Ablehnung einer Heirat, außereheliche sexuelle Beziehungen (die als Ehebruch angesehen werden) und "Weglaufen von zu Hause" (einschließlich in Situationen von häuslicher Gewalt). Mehr als der Hälfte der in Afghanistan inhaftierten Mädchen und Frauen wurden "moralische Vergehen" zur Last gelegt. Da Anklagen aufgrund von Ehebruch und anderen "moralischen Vergehen" Anlass zu Ehrenmorden geben können, versuchen die Behörden Berichten zufolge in einigen Fällen, die Inhaftierung von Frauen als Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.
Männer, die vermeintlich gegen vorherrschende Gebräuche verstoßen, können ebenfalls einem Misshandlungsrisiko ausgesetzt sein, insbesondere in Fällen von mutmaßlichem Ehebruch und außerehelichen sexuellen Beziehungen.
In Gebieten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, besteht für Frauen und Männer, die unmoralischer Verhaltensweisen bezichtigt werden, das Risiko, über die parallelen Justizstrukturen dieser regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) zu harten Strafen, einschließlich zu Auspeitschung und zum Tod, verurteilt zu werden."
1.4.3. Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme zur Lage der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan von Dr. RASULY vom 17.02.2016 im Verfahren betreffend einen anderen Asylwerber vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Zl. W119 2102332-1 (Schreibfehler teilweise korrigiert):
"[ ]
Die Lage der Hazara seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde Ende 2001 in einer Konferenz in Bonn festgelegt, dass alle Ethnien Afghanistans, einschließlich der Hazara, an der staatlichen Macht beteiligt werden müssen. So haben die Hazara und andere schiitische Gruppen seit Ende 2001 im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits-, Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Hazara namens General Morad Ali Morad. General Morad hat weitgehende Befehlsbefugnisse und befehligt derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban. Die Hazara-Parteien, allen voran die Hezb-e Wahdat, kontrollieren derzeit die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara im Rahmen der staatlichen Authorität.
Diese Gebiete sind: Bamiyan, Daykundi, die Distrikte Jaghuri, Malistan, Nawur, Jaghatu, Teile von Qarabagh usw. in der Provinz Ghazni, die Hazara-Wohnbezirke in Mazar-e Sharif und einige Distrikte der Provinzen Samangan, wie Dara-e Suf, Hazara-Siedlungsgebiete in der Provinz Sara-e Pul und in der Provinz Balkh, sowie die von Hazara bewohnten Distrikte und Dörfer in der Provinz Maidan Wardak, v.a. Hessa-i-Awal-i Behsud, Behsud-i Markazi und Daymirdad. Die Hazara sind in Kabul im politisch-kulturellen Leben und im Bildungs- und Wirtschaftsbereich maßgebend vertreten. Sie betreiben mehrere Fernsehsendungen und haben dutzende Privatuniversitäten und Institute im Land. Sie stellen in den staatlichen Universitäten im Verhältnis zu ihrer Anzahl mehr Studenten als jede andere Ethnie des Landes, weil sie durch ihre leidgeprüfte Geschichte die derzeitigen Möglichkeiten besser wahrnehmen.
Die Hazara und andere Schiiten haben in Großstädten wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eigene islamische Bildungseinrichtungen für die schiitische Islam-Lehre. Diese werden vom Iran finanziert und mit Lehrkräften unterstützt. Die Hazara als Schiiten dürfen zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans seit dem Sturz des Taliban-Regimes ungestört und in vollem Umfang schiitische Rituale, wie den wichtigsten Feiertag Ashura, den Gedenktag an den Märtyrertod Imam Husain, mit Prozessionen auch in den nicht schiitischen Bezirken in Kabul und Mazar-e Sharif und in anderen Städten zelebrieren, ohne von den Sunniten gestört und lächerlich gemacht zu werden. Früher haben sie nur in ihren Moscheen unter sich gefeiert. Ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten in Kabul sind Hazara bzw. Schiiten und sind mit den sunnitischen Abgeordneten gleichberechtigt am politischen Prozess beteiligt. Somit sind die Hazara an der Staatsgewalt maßgebend beteiligt. Sie waren bis zum Sturz des Taliban-Regimes im Jahre 2001 in diesem Ausmaß in Afghanistan nie an der staatlichen Macht beteiligt.
Sie sind nicht nur an der Zentralgewalt beteiligt, sondern sie stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad, von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Mit ihrer neuen Stellung, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihren Möglichkeiten befinden sich die Hazara in Afghanistan seit Ende 2001 nicht mehr in einer Opferrolle. Sie sind im Stande, sich kollektiv mit ihren Möglichkeiten im Rahmen des Staates zu verteidigen. Allerdings kommt es vor, dass immer wieder Taliban auf den Hauptstraßen zwischen den Provinzen im Süden, Westen und auf dem Weg nach Maidan Wardak und Bamiyan Reisebusse anhalten und bestimmte Reisende mitnehmen. Die meisten dieser Geiseln auf diesen Strecken sind Hazara. In den Jahren 2013 bis 2015 ist es mehrere Male vorgekommen, dass auf dieser Strecke Hazara aus den Reisebussen gezerrt und mitgenommen worden sind. Einige von ihnen wurden freigelassen, Dutzende wurden getötet. Diese Aktionen der Taliban richten sich nicht nur gegen die Hazara, sondern die Taliban töten und entführen auch Paschtunen, Usbeken und Tadschiken. Bei jeder dieser Aktionen erwecken die Taliban den Anschein, als wäre sie nur gegen die jeweilige Volksgruppe, deren Mitglieder sie gerade entführt und getötet haben, gerichtet. Die Hauptroute von Kabul über den Salang-Pass nach Norden, Baghlan – Mazar-e Sharif – Kunduz, wird hauptsächlich von Paschtunen, Tadschiken und Usbeken befahren. Die Strecke zwischen Baghlan und Kunduz ist sehr gefährlich und die Reisenden versuchen, bis 14 Uhr die Strecke Baghlan nach Kunduz zu passieren, weil nachmittags die Taliban die Route immer wieder kurzfristig unter ihre Kontrolle bringen. Sie zerren willkürlich Personen aus Reisebussen und Taxis und nehmen sie als Geiseln mit. Einige dieser Personen werden von den Taliban später getötet. Dies sind großteils Tadschiken und Usbeken. Die meisten von den Taliban kontrollierten Gebiete in Afghanistan werden von Usbeken, Paschtunen und Tadschiken bewohnt. In diesen Gebieten werden die Menschen willkürlich bestraft und Personen, die einmal für die Regierung gearbeitet haben, geraten unter die Verfolgung und Unterdrückung der Taliban. Die Provinzen und Distrikte, wo hauptsächlich die Hazara wohnen, werden von diesen kontrolliert. Sie haben bis jetzt ihre Siedlungsgebiete soweit geschützt, dass die Taliban dort nicht eindringen konnten. Aber Distrikte wie Gisab in Uruzgan und Nirkh in Maidan Wardak, die auch von Paschtunen bewohnt werden, sowie einige Dörfer, die in den mehrheitlich von Paschtunen oder Usbeken bewohnten Gebieten liegen, werden nicht von den Hazara-Parteien kontrolliert. Manche dieser Gebiete werden immer wieder von den Taliban kurzfristig kontrolliert.
Die Taliban sind Anhänger der arabischen Fundamentalisten, allen voran Saudis, die gegen den Iran und damit gegen die Schiiten eingestellt sind. Daher kommt es immer wieder vor, dass die Taliban ihre Opfer, wenn sie Schiiten sind, zur Schau stellen. Aber sie bringen mehr Paschtunen und Usbeken um, deren Gebiete sie leicht unter ihre Kontrolle bringen können. In diesen Gebieten kommt es häufig vor, dass die Taliban willkürlich Menschen verfolgen, töten und die Jugendlichen, wenn sie benötigt werden, rekrutieren. Eine Zwangsrekrutierung seitens der Taliban ist dort möglich, wo sie vorherrschen.
Diese Gebiete liegen in den von Paschtunen und Usbeken bewohnten Provinzen, wie Nangarhar, Kandahar, Kunar, Kunduz, Faryab, Helmand usw. Wenn die Jugendlichen sich nicht dort befinden oder sich der Zwangsrekrutierung der Taliban entziehen und in Großstädte oder ins Ausland flüchten, werden sie von den Taliban nicht weiter gesucht. Allerdings können diese Jugendlichen nicht mehr in ihre Heimatregion zurückkehren, wenn die Taliban weiterhin dort vorherrschend sind. Zwangsrekrutierung ist nicht weit verbreitet, weil viele Jugendliche aus Gründen der Arbeitslosigkeit und ethnischer Solidarität sich den Taliban anschließen. Auch gibt es Regionen, deren Bevölkerung aus Gründen des Paschtunwali – dem Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen – es in "Krisenzeiten" für notwendig erachtet, den Taliban freiwillig Soldaten bereitzustellen. Die meisten Opfer der Taliban sind von 2013 bis Februar 2016 in den von Paschtunen bewohnten Provinzen Kandahar, Nangarhar, Kunar, Helmand, Logar, Wardak und in den Provinzen Kunduz, Faryab, Baghlan und Badakhshan zu verzeichnen, wo hauptsächlich Usbeken, Tadschiken und Paschtunen wohnen. Die Taliban haben im Oktober 2015 die Stadt Kunduz eingenommen und in wenigen Tagen den UNO-Berichten zufolge mehr als 800 Menschen getötet. Die getöteten Zivilisten waren Tadschiken und Usbeken. Derzeit werden die meisten Distrikte von Nangarhar von den Taliban kontrolliert und von ihnen werden immer wieder Massaker an der Zivilbevölkerung verübt.
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1.4.4. Auszug aus dem Gutachten von Mag. Mahringer zu BVwG 160.000/0001-Kammer A/2017:
Zusammenfassend wird festgestellt, dass sich aus den Fragen römisch eins bis römisch VIII keine Gründe ergeben welche die Rückkehr nach Afghanistan von männlichen Einzelpersonen unmöglich machen, ein besonderes Erschwernis darstellen oder eine Gefährdung der Rückkehrer bedeuten würden. Die Rückreise nach Kabul und Mazar-e Sharif aus Europa ist direkt möglich (über Dubai oder Istanbul) sowie nach Herat über Kabul. Tickets kosten zwischen 380 bis 500€.
Der Drang der afghanischen Flüchtlinge nach Europa war und ist sehr stark beeinflusst von den falschen Vorstellungen und Erwartung der Flüchtlinge sowie den geschäftigen Versprechungen der Schlepper. Aber ebenso ist die Erwartung in Europa über Afghanistan durch falsche, einseitige Berichterstattung der Medien bzw. einen Teil der Meinungsmacher und Unkenntnis geprägt.
Kabul hat ähnlich Probleme wie jede schnellwachsende Mega City eines Entwicklungslandes. Herat und Mazar e Sharif sind zwei aufstrebende, unter den gegebenen Umständen, gut verwaltete Städte.
Der Integrationserfolg eines Rückkehrers in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat hängt ausschließlich vom Willen des Rückkehrers ab. Eine Rückkehrberatung und Hilfe bei der Ankunft in der Zielstadt würden die Integration beschleunigen. Je länger der Rückkehrer in Europa war desto schwieriger die Integration in Afghanistan
Die Rückkehrer aus Europa stellen für die afghanischen Behörden und die internationalen Organisationen keine Priorität dar (80.000 Asylwerber ohne Aufenthaltsberechtigung gegen ca. 5.000.0000 Binnenflüchtlinge oder Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan)
römisch eins.a) Wie stellt sich die allgemeine Versorgungslage in den Städten Kabul, Mazare- e Sharif und Herat dar (etwa: Möglichkeit der Beschaffung von Wohnraum und Lebensmittel, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur dar)?
Die allgemeine Versorgungslage und allgemeine Infrastruktur ist in Summe als befriedigend zu bewerten. Alle notwendigen Infrastrukturen sind im ausreichenden Umfang vorhanden und es gibt keine gravierenden Engpässe und Mängel in der allgemeinen Versorgungslage.
b) Gibt es diesbezüglich merkbare Unterschiede zwischen den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat?
Zwischen den Städten Kabul, Mazar e Sharif und Herat gibt es keine wesentlichen Unterschiede. Durch die geringere Bevölkerung in Herat und Mazar e Sharif ist die Infrastruktur in weiten Teilen etwas besser als in Kabul.
römisch II) Wie stellen sich die Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte in diesen Städten, differenziert anhand folgender Kriterien, dar?
a) erwerbsfähige Rückkehrer ohne relevante Schul- und/ oder Berufsausbildung
b) erwerbsfähige Rückkehrer mit grundlegender Schul- und/ oder Berufsausbildung
c) erwerbsfähige Rückkehrer mit fundierter Schul- und/ oder Berufsausbildung
Eine differenzierte Beantwortung von a) bis c) ist nicht möglich und hat keine Auswirkung auf die Möglichkeiten. Die Verdienstmöglichkeiten für männliche Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte sind ohne Einschränkung in den Punkten a) bis c) gegeben.
d) Fragestellung a) bis c), wenn bereits Arbeitserfahrung (in oder außerhalb Afghanistans) gesammelt wurde (etwa: Landwirtschaft, handwerkliche Tätigkeit, Fabrikarbeit, Verkaufstätigkeit, Gelegenheitsarbeit)?
Arbeitserfahrung ist auch in Afghanistan von Vorteil (für Auslandserfahrung ist Anzumerken, dass Berufsbilder nicht immer nach Afghanistan übertragen werden können).
e) Besteht die Möglichkeit der Verrichtung allenfalls minderqualifizierter Tätigkeit auch für jene Rückkehrer, die über keine hinreichende Schul- und/oder Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung verfügen?
In der Regel wird kein Unterschied gemacht ob es sich um einen Rückkehrer handelt oder nicht, solange der Rückkehrer bereit ist unter afghanischen Bedingungen zu arbeiten, dies gilt auch für Rückkehrer ohne entsprechender schulischen oder beruflichen Qualifikation. Die Verrichtung allenfalls minderqualifizierter Tätigkeit ist auch für Rückkehrer, die über keine hinreichende Schul- und/oder Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung verfügen, uneingeschränkt möglich.
römisch III. a) Wie hoch sind die Lebenshaltungskosten in den Großstädten für die Sicherung existenzieller Bedürfnisse (Nahrung, Behausung)?
Hiezu gibt es keine zeitnahen, offiziellen Statistiken, auf Grund der langjährigen Erfahrung des SV im Nahrungsbereich in Afghanistan, erscheint das Ergebnis der Befragung realistisch.
Die Frage nach den Kosten/Monat in US $ wurde wie folgt beantwortet:
Kabul Herat Mazar e Sharif
b) ist die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit (differenziert nach den Gruppen römisch II.a) bis c)) realistisch?
Die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit ist in den Gruppen römisch II.a) bis c) als realistisch anzusehen. Für alle Stufen der schulischen und oder beruflichen Qualifizierung gibt es Arbeitsmöglichkeiten. Der Rückkehrer wird allerdings eine Zeit von 3 bis 6 Monate benötigen um sich zu orientieren und Arbeit zu finden.
römisch IV. Gibt es Belege für
a) andauernde schwerste körperliche Beeinträchtigung oder
b) Todesfälle
von an sich erwerbsfähigen und gesunden Rückkehrern (etwa durch: Hungersnöte, Obdachlosigkeit bei Kälte) aufgrund nur mangelnder Deckung der grundlegenden Existenzbedürfnisse?
Wenn ja: Handelt es sich dabei um Ausnahmefälle bzw. sind nähere Umstände hiezu eruierbar?
Wenn nein: ist eruierbar, wodurch a) und b) vermieden werden konnten?
Zu dieser Frage wurden hinsichtlich der Rückkehrer aus Europa keine Anhaltspunkte gefunden, weder positive noch negative. Eine Ursache warum keine Beispiele gefunden werden konnte dürfte im Umstand liegen, dass es noch nicht so viele Rückkehrer aus Europa gibt und das familiäre Netzwerk besser funktioniert als in Europa dargestellt.
Betrachtet man den Befund der Fragen römisch eins bis römisch VIII gibt es auch keinen Grund warum solche Ereignisse in einer der drei Städte auftreten sollten.
römisch fünf. a) Gibt es staatliche oder nichtstaatliche Einrichtungen/Organisationen/Strukturen, die existenzbedrohten alleinstehenden Personen zumindest vorübergehend grundlegendste Unterstützung bieten können (etwa: Notquartiere, Nahrung, Mikrokredite)?
Die offiziell bereitgestellten Finanzmittel für die Flüchtlingsbetreuung durch die internationale Gemeinschaft sind umfangreich, jedoch könnten bei effizienter, zielgerichteter Mittelverwendung wesentlich bessere Ergebnisse erzielt werden.
Für Rückkehrer aus Europa gibt es keine Hilfe, Programme oder Unterstützung in Afghanistan bei der Existenzgründung, die den Rückkehrern bekannt sind. Wohl gibt es ein Angebote vom MoRR, den internationalen Hilfsorganisationen und NGOs, die meisten Rückkehrer kennen diese allerdings nicht. Hilfsorganisationen verteilen Essenspakete, für Mikrokredite gibt es aber kein Programm für Rückkehrer.
Der Schwerpunkt der Hilfe liegt auf Binnenflüchtlingen und Rückkehrern aus dem Iran und Pakistan. Es wäre dringend ein Existenzgründungsprogramm für Rückkehrer aus Europa notwendig - als Hilfe zur Selbsthilfe.
b) Inwieweit können unzureichende staatliche Versorgungsstrukturen für Bedürftige durch Leistungen Privater, etwa Almosenabgabe, substituiert werden? Gibt es Belege für derartige Unterstützungsleistungen bzw. ist die Erlangung solcher realistisch?
In Afghanistan gibt es keine Spendenkultur, abgesehen vom Ramadan und einigen religiösen Feiertage gibt es keine Almosen.
c) Bestehen funktionierende Unterstützungsmöglichkeiten für Rückkehrer durch Familienangehörige, die sich in anderen Teilen Afghanistans aufhalten (etwa: Bankverbindungen, Übermittlung von Sachleistungen/Geld, Hawala)?
Der Familienzusammenhalt in Afghanistan ist noch sehr stark und daher gibt es immer Unterstützung für die Rückkehrer. Geldzuwendungen sind unwahrscheinlich, Sachleistungen herrschen vor. Übermittlung von Sachleistungen innerhalb von Afghanistan ist problemlos möglich.
d) Erscheint es realistisch, auch von Verwandten Unterstützung zu bekommen, zu denen seit langem oder bisher noch gar kein Kontakt bestand?
Auch diese Unterstützung, allerdings in der Regel nur Sachleistungen, gibt es.
römisch VI. a) Inwiefern unterscheidet sich die Lebenssituation aus dem Ausland zurückkehrender Afghanen von der in Kabul ansässigen Bevölkerung?
Nach einer kurzen Orientierungsphase (2 bis 4 Wochen) gibt es keinen erkennbaren Unterschied zwischen der Lebenssituation der Rückkehrer und der in Kabul ansässigen Bevölkerung. Selbiges ist auch für Mazar-e Sharif und Herat feststellbar.
b) Verunmöglicht die Unkenntnis der örtlichen/infrastrukturellen Gegebenheiten (etwa Rückkehrer, die sich noch nie zuvor in afghanischen Großstädten aufgehalten haben; lange Abwesenheit aus Afghanistan) eine Existenzsicherung?
Die Integration von Rückkehrern die noch nie in einer afghanischen Großstadt gelebt hatten behindert die Existenzsicherung nicht. Nach einer 2 bis 4 wöchigen Orientierungsphasen kennen die Rückkehrer die Situation in der jeweiligen Stadt.
römisch VII. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Rückkehrsituation je nach Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen (Paschtunen/Hazara/Tadschiken/Usbeken/Aimaken/ Turkmenen/Belutschen) variiert bzw. die Existenzsicherung für Angehörige einer bestimmten Volksgruppe ungleich schwieriger ist?
Abgesehen von dem Bestreben der Minister, im öffentlichen Bereich in ihren Ministerien und politischen Einflussbereich, jeweils bevorzugt Angehörige der eigenen Ethnie einzustellen, gibt es keine Benachteiligungen einer bestimmten Ethnie.
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2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin getroffen wurden, gelten diese ausschließlich zur Identifizierung ihrer Person im Asylverfahren, da ihre Identität – mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel – nicht abschließend geklärt werden konnte.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären Lebensumständen und Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf ihre Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari. Die Feststellungen zum Ehegatten und den Kindern der Beschwerdeführerin beruhen darüber hinaus auch auf den diesbezüglich übereinstimmenden Inhalten der Verwaltungs- und Gerichtsakten der genannten Familienangehörigen der Beschwerdeführerin.
Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin in Österreich ergibt sich aus dem aktuellen Strafregisterauszug. Zudem gab sie im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens widerspruchsfrei an, dass sie auch im Herkunftsstaat nicht strafrechtlich verurteilt worden sei und auch kein Mitglied einer politischen Partei gewesen sei (Seite 12f des Verhandlungsprotokolls).
2.2. Zum Fluchtgrund:
Die Feststellungen zum Auftreten der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergeben sich aus der persönlichen Wahrnehmung der erkennenden Richterin.
Die Beschwerdeführerin konnte sich in der mündlichen Verhandlung noch nicht in Deutsch verständigen und gab in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar an, dass sie erst alphabetisiert werden müsse. Sie führte zudem glaubhaft aus, dass sie manchmal alleine einkaufen gehe und das Haus ohne Begleitung verlasse. Meistens jedoch gehe sie mit ihrer älteren Tochter oder ihrem Ehemann einkaufen, da sie nicht rechnen könne (Seite 17 und 21 des Verhandlungsprotokolls).
Eine maßgebliche westliche Orientierung konnte vor dem Hintergrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer ihr drohenden Unterdrückung in Afghanistan als westlich orientierte Frau in ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auch im Hinblick auf die vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, nicht festgestellt werden. Ihre diesbezüglichen Angaben während der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht blieben oberflächlich und detaillos.
Dieser Eindruck verstärkte sich im Laufe der Befragung der Beschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht. In diesem Zusammenhang wurde sie ausdrücklich gefragt, was sie bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan befürchte. Darauf führte sie lediglich an, dass dieselben Gefahren weiterbestünden wegen denen sie geflohen seien, und dass es sehr schwierig sei. Zwar gab sie glaubhaft an, sie müsste sich den konservativen afghanischen Bräuchen anpassen, beispielsweise wieder Burka tragen und ihren Kleidungsstil generell ändern (Seite 20f des Verhandlungsprotokolls)jedoch nachgefragt, ob sie mit diesem Kleidungsstil in Afghanistan Probleme gehabt habe, verneinte die Beschwerdeführerin dies und meinte dies sei dort so üblich gewesen. Weiters führte sie ausdrücklich an, dass sie kein Problem damit habe, sich wieder so anzuziehen (Seite 18f des Verhandlungsprotokolls).
Eine konkrete Angst vor einer Verfolgung- oder Bedrohung aufgrund ihrer aktuellen Verhaltensweise bzw. Lebensführung wurde von der Beschwerdeführerin von sich aus in der mündlichen Verhandlung zu keinem Zeitpunkt angeführt. Auch auf explizite Fragen zu ihrer Lebens- und ihrer Verhaltensweise in Österreich machte die Beschwerdeführerin nur sehr oberflächliche Angaben. So führte sie zwar an, dass sie manchmal alleine einkaufen gehe, im Zusammenhang mit der Frage, welche Gewohnheiten sie in Österreich übernommen habe brachte sie jedoch nur vor, dass sie sich bemühe etwas zu lernen, ohne darauf näher einzugehen (Seite 16 und 20 des Verhandlungsprotokolls).
Im Zusammenhang mit einer allfälligen Zukunft in Österreich und der Frage, wie sie sich eine solche vorstelle, vermochte die Beschwerdeführerin lediglich anzuführen, dass sie die Sprache erlernen und selbständig, wenn möglich als Verkäuferin, Geld verdienen wolle. Diese Aussage wurde jedoch dadurch abgeschwächt, dass sie selbst angab, nicht zu wissen, ob sie in der Lage sei, einen Beruf zu erlernen (Seite 20f des Verhandlungsprotokolls).
Mit der Aussage der Beschwerdeführerin, dass sie es bevorzugen würde, in Österreich Selbstmord zu begehen als nach Afghanistan zurückzukehren, konnte sie lediglich ihrem Unmut für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan Ausdruck verleihen. Konkrete Gründe konnte sie jedoch im Zusammenhang mit ihrer Lebensweise nicht darstellen. Letztendlich brachte Sie noch zu Beginn ausdrücklich vor, dass sie kein Problem damit habe, den afghanischen Kleidungsstil wieder anzunehmen Auch die Angaben der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Gestaltung ihres Alltags in Österreich waren nicht dazu geeignet das Bild eines selbstbestimmten Lebens zu untermauern. Die Beschwerdeführerin gab dazu befragt an, dass sie sich nach dem Besuch ihres Deutschkurses um das Frühstück und den Haushalt kümmere, selbständiges Schreiben übe, das Mittagessen zubereite und spazieren gehe. Danach widme sie sich abermals der Haushaltsführung (Seite 19 und 20f des Verhandlungsprotokolls).
Der Wille, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und das damit verbundene Ausleben einer westlichen Wertehaltung konnte von der Beschwerdeführerin durch diese Aussagen nicht nachvollziehbar dargestellt werden.
Auch ihr Auftreten – insbesondere ihr Verhalten und ihre Kleidung – lassen nicht erkennen, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führt und westliche Werte verinnerlicht hat.
Darüber hinaus sind die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin, auch aufgrund ihrer fehlenden Alphabetisierung, noch sehr beschränkt. Die Beschwerdeführer konnte auch auf einfache Fragen nicht in Deutsch antworten.
Wesentlich ist, dass die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten und ihre Aussagen eine Identität mit den "westlichen" Gesellschaftswerten und der damit verbundenen Stellung der Frau nicht glaubhaft vermitteln konnte.
Zusammenfassend konnte die Beschwerdeführerin im Gesamtschau Ihrer Aussagen und Ihrem Verhalten somit nicht glaubhaft darstellen, dass sie "westliche" Werte verinnerlicht hat. Die Beschwerdeführerin konnte auch durch ihre Darstellung der wenigen westlichen Elemente (u.a. einkaufen bzw. alleine außer Haus gehen sowie ein anderer Kleidungsstil) nicht den Eindruck vermitteln, dass diese zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden sind. Darüber hinaus brachte die Beschwerdeführerin eine konkrete Befürchtung aufgrund einer westlichen Lebensweise in Afghanistan verfolgt zu werden im Rahmen der mündlichen Verhandlung von sich aus nicht vor, vielmehr verweist sie auf eine allfällige Verfolgung ihres Ehegatten. Auch ihre Aussage, dass ihr als junges Mädchen in Afghanistan Angst gemacht worden sei, dass ihr etwas zustoßen könne, wenn sie das Haus verlassen sollte, und sie sich nun in Österreich frei fühle und sie sich wünsche, dass ihre Töchter in dieser Freiheit aufwachsen, vermag eine individuelle Verfolgung der Beschwerdeführerin in Zusammenschau ihrer Aussagen jedenfalls nicht zu begründen, nachdem sich die Beschwerdeführerin auf eine Zeit in ihrem Leben bezieht, die Jahrzehnte zurückliegt und spezifische Bedrohungssituationen zudem nicht dargestellt wurden. (Seite 22 der Verhandlungsschrift).
Aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrer Furcht vor Verfolgung in Afghanistan wegen ihrer westlichen Einstellung als nicht glaubhaft, weshalb entsprechende Feststellungen zu treffen waren.
Eine individuelle konkrete Verfolgung in Afghanistan durch die Taliban oder eine andere regierungsfeindliche Gruppierung oder durch eine andere Volksgruppe konnte auch nicht glaubhaft vorgebracht werden. Die Beschwerdeführerin war nicht in der Lage nachvollziehbar darzustellen, einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt zu sein. Vielmehr bezog sie sich auf allfällige Bedrohungen, die ihren Ehegatten bzw. ihre älteste Tochter betreffen würden, und verneinte ausdrücklich, jemals von den Taliban bedroht worden zu sein (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem Hintergrund, dass auch ihr Ehegatte (W259 2146933-1) keine glaubhafte Verfolgung in Afghanistan darstellen konnte, waren insgesamt entsprechende Negativfeststellungen zu treffen.
2.3. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zu den Folgen bei einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihre Herkunftsprovinz römisch 40 ergeben sich aus den festgestellten Länderberichten, die im Kern mit dem in der Beschwerde dargelegten Berichtsmaterial übereinstimmen. Auf das Wesentliche zusammengefasst, geht daraus hervor, dass römisch 40 zu den volatilen Provinzen in Südostafghanistan zählt. Regierungsfeindliche aufständische Gruppen sind in verschiedenen Distrikten römisch 40 aktiv und führen regelmäßig Aktionen durch.
Die Feststellungen zu den Folgen einer Wiederansiedlung der Beschwerdeführerin außerhalb ihrer Herkunftsprovinz gelegene Landesteile und insbesondere in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif ergeben sich unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan, den festgestellten Länderberichten zu Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif sowie dem Gutachten von Mag. Mahringer in Zusammenschau mit den – von der Beschwerdeführerin glaubhaft dargelegten - persönlichen Umständen.
Hier ist insbesondere festzuhalten, dass aus den Länderberichten zwar hervorgeht, dass sich die Zahl der erwerbstätigen afghanischen Frauen seit 2001 stetig erhöhte, sie jedoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt sind, wozu Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt zählen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin bereits römisch 40 Jahre alt ist und weder lesen noch schreiben kann. Eine erfolgreiche Eingliederung in den afghanischen Arbeitsmarkt erscheint daher äußerst unwahrscheinlich. Selbiges trifft auf den Ehmann der Beschwerdeführerin zu, der zwar als Landwirt in römisch 40 den Unterhalt der Familie sicherstellen konnte, jedoch aufgrund seines ebenfalls fortgeschrittenen Alters, seines geringen Ausbildungsstands und der fehlenden Erwerbsmöglichkeiten außerhalb seiner Heimatprovinz in Großstädten wie Kabul keine Anstellung finden würde, die geeignet wäre eine fünfköpfige Familie (Mutter, drei minderjährige Kinder) zu versorgen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin Mutter dreier minderjähriger Kinder ist und eine finanzielle Unterstützung durch in Afghanistan lebende Verwandte nicht zu erwarten ist. Wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nämlich glaubhaft angab, seien ihre beiden Eltern sowie allfällige Tanten bzw. Onkel bereits verstorben. Zwar gab die Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem BFA an, sie stehe noch mit mehreren Cousins in Kontakt, jedoch sei dieser durch den Tod ihrer Mutter abgebrochen (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Seitens ihres Ehemannes lebt eine Schwester in Kabul, die jedoch selbst hilfsbedürftig (gelähmt) sei (Seite 24 des Verhandlungsprotokolls) weshalb auch von dieser keine Unterstützung im Falle einer Rückkehr der Beschwerdeführerin mit ihrer Familie nach Afghanistan zu erwarten ist.
Es war daher von einer existenzbedrohenden Situation im Falle einer Rückkehr der Beschwerdeführerin – auch in eine Großstadt – nach Afghanistan auszugehen, nachdem weder die Beschwerdeführerin noch ihr Ehemann über eine ausreichende familiäre Unterstützung verfügen, und beide bereits ein Alter erreicht haben, in dem die erfolgreiche Eingliederung in den Arbeitsmarkt äußerst schwierig erscheint. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin keine Schul- und keine Berufsausbildung genoss, Analphabetin ist und sich bisher ausschließlich der Haushaltsführung gewidmet hat. Somit hat die Beschwerdeführerin auch keine Erfahrungen in der Arbeitssuche bzw. in der selbstständigen Arbeit gesammelt. Darüber hinaus finden sich weitere Ausführungen in Punkt 3.2. der rechtlichen Beurteilung. Insoweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang von einer allgemeinen Verfolgung der Angehörigen der Volksgruppe der Hazara ausgeht, wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen. Zusammengefasst waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
2.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Insoweit in der Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertreterin vom 01.06.2017 erstmals vorgebracht wurde, dass bei einer Rückkehr nach Afghanistan Gefahr bestünde, dass vermutet werde, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Aufenthaltes im "Westen" gegen islamische Grundsätze, Werte und Normen gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen habe, ist festzuhalten, dass sich dieses Vorbringen lediglich auf Vermutungen und Spekulationen stützt und eine konkrete Verfolgung der Beschwerdeführerin nicht dargestellt werden konnte. Insgesamt war die Stellungnahme nicht geeignet, die festgestellten Länderberichte substantiiert zu bestreiten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt A.I.) Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Bei dem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Asylgrund der "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der sich in weiten Bereichen mit den Gründen "Rasse, Religion und Nationalität" überschneidet, jedoch weiter gefasst ist als diese. Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine - nicht sachlich gerechtfertigte - Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist vergleiche VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).
Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, Ziffer eins und Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann vergleiche zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist wie der Verwaltungsgerichtshof zur Genfer Flüchtlingskonvention judiziert -nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.11.2007, 2006/19/0341, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, Paragraph 45,, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
3.1.1. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der Beschwerdeführerin, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt.
Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass die Beschwerdeführerin keine persönliche Verfolgungshandlung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Grund glaubhaft gemacht hat. Es wurde auch keine Verfolgung durch die Taliban oder eine andere regierungsfeindliche Gruppierung oder durch eine andere Volksgruppe festgestellt. Ebenso wenig wurde eine asylrelevante an das "westliche" Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Lebensweise festgestellt.
Im Zusammenhang mit der Stellung zur Lage von Frauen in Afghanistan ist ferner festzuhalten, dass bloß die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin eine afghanische Frau ist, für sich alleine genommen ohne Berücksichtigung ihrer konkreten und individuellen Lebensumstände im Herkunftsstaat, ihrer persönlichen Einstellung und Wertehaltung, ihrem bisherigen Verhalten, sowie ohne gesamtheitliche Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihres individuellen Fluchtvorbringens nicht ausreicht, um jedenfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung der Beschwerdeführerin ausschließlich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgehen zu können (siehe dazu u.a. AsylGH 13.11.2009, C9 317335-1/2008; AsylGH 15.02.2013, C1 422494-1/2011; BVwG 09.12.2014, W123 2007531-1/8E, W123 2012039-1/5E).
Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan haben sich jedenfalls keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass sich – laut jüngsten Länderberichten – die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft verbessert hat vergleiche Pkt. 1.4.1.).
3.1.2. Soweit die Beschwerdeführerin ausführt, dass ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara Verfolgung von Seiten bestimmter Gruppierungen, insbesondere den Taliban oder der pastunischen Bevölkerung, drohe, ist zunächst festzuhalten, dass eine - dahingehende - konkrete individuelle Verfolgung ihrer Person von der Beschwerdeführerin - wie bereits in der Beweiswürdigung angeführt - nicht substantiiert ausgeführt wurde. In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt vor dem Hintergrund des getätigten Fluchtvorbringens im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin als Angehörige der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung im Sinne der GFK ausgesetzt zu sein:
Den oben zitierten Länderberichten ist unter anderem zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass zwar auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Judikatur auf die schlechte Situation für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan verwies, jedoch eine automatisch vorliegende Gefahr einer Verletzung des Artikel 3, EMRK bei einer Rückkehr allein auf Grund der Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe verneinte (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung eine Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan mit der Begründung nicht ausgeschlossen, weil das Bundesverwaltungsgericht im betreffenden Fall zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen hatte (VwGH 13.10.2015, Ra 2015/19/0106); dies ist jedoch in der vorliegenden Entscheidung nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).
Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara im Zusammenhang mit dem schiitischen Glauben in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.
Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.
Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste vergleiche etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.).
Eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführerin im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in ihrem Herkunftsstaat, Afghanistan, wurde somit nicht festgestellt. Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt A.II. und A.III.): Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung:
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, leg.cit. zu verbinden.
Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, leg.cit.) offen steht.
Nach Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Paragraph 8, Absatz eins, Asylgesetz 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003,, verwies auf Paragraph 57, Fremdengesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 75 aus 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 126 aus 2002,, (im Folgenden: FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Paragraph 57, FrG - welche in wesentlichen Teilen auf Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 übertragen werden kann - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205, mwH). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).
Unter Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen vergleiche etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3, EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat vergleiche VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Wie bereits angeführt, reicht die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 25.05.2016, 2016/19/0036, mwH).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 17.07.2008, 2007/21/0366). Diese Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).
Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiärem Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie auf Grund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein vergleiche EuGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07, Rn 45).
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Artikel 3, EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (Paragraph 11, AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden vergleiche Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 11, AsylG 2005, K15). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht vergleiche hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).
Auch der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Beschwerdeführer konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Vor diesem Hintergrund ging der Verwaltungsgerichtshof jüngst mitunter auch davon aus, dass betreffend die Beschwerdeführer in den konkreten Verfahren - auf Basis der darin getroffenen Feststellungen - keine Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul dargetan worden sei vergleiche VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert nämlich im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0157; 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).
3.2.1. Für den vorliegenden Fall ist Folgendes festzuhalten:
Die Beschwerdeführerin stammt ursprünglich aus der Provinz römisch 40 , welche eine volatile Provinz in Afghanistan darstellt. Das Bundesverwaltungsgericht geht – wie im Rahmen der Beweiswürdigung näher ausgeführt – davon aus, dass der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in ihre Herkunftsprovinz die reale Gefahr einer Verletzung des Artikel 3, EMRK drohen würde.
Die Beschwerdeführerin kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aus folgenden Gründen auch nicht in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, insbesondere nach Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif, verwiesen werden:
Aus den in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen geht hervor, dass sich die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum insbesondere für Rückkehrer ohne familiären Rückhalt sowie finanzielle Unterstützung in Kabul, Mazar-e-Sharif oder Herat mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Das BFA führt diesbezüglich zwar aus, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat im Familienverband gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Kindern erfolgen würde, übersieht jedoch, dass im Falle der Beschwerdeführerin noch weitere maßgebliche Kriterien vorliegen, die bei einer Ansiedelung der Beschwerdeführerin in Afghanistan (Kabul, Mazar-e-Sharif oder Herat) eine Verletzung des Artikel 3, EMRK bewirken könnten. Die Beschwerdeführerin hat drei minderjährige Kinder und ist Analphabetin. Zusätzlich verfügen weder sie noch ihr Ehemann über eine Berufsausbildung. Die Großstädte Kabul und Herat ziehen nach den oben angeführten Länderfeststellungen weiterhin eine signifikante Zahl an Binnenvertriebenen an, wobei mehrere tausend Familien Hilfe benötigen. Angesichts der aus den oben angeführten Länderberichten sowie dem notorischen Amtswissen ersichtlichen aktuellen politischen Lage in Afghanistan ist zudem ausreichende staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich; aus den oben angeführten Länderberichten zum Herkunftsstaat geht auch nicht hervor, dass Rückkehrern automatisch z.B. eine Wohngelegenheit zur Verfügung gestellt wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin keine Verwandten in Afghanistan hat, die sie in den ersten Wochen ihrer Wiederansiedelung unterstützen könnten. Zu berücksichtigen ist ebenso, dass die Beschwerdeführerin der Volksgruppe der Hazara angehört, die Diskriminierungen ausgesetzt ist (Pkt. 1.4.1. sowie 1.4.3.). Kumuliert gesehen liegen im konkreten Fall mehrere Gründe vor, wodurch aus derzeitiger Sicht anzunehmen ist, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in ernste Versorgungsschwierigkeiten und damit in eine existenzbedrohende Situation geraten könnte.
Laut den Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien s.u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).
3.2.2. Zusammengefasst kann der Beschwerdeführerin als römisch 40 -jährige Mutter dreier minderjähriger Kinder, die außerdem Analphabetin ist und über keine Berufsausbildung verfügt sowie noch nie einen Beruf selbstständig gefunden oder ausgeübt hat, eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zugemutet werden. Dies in Anbetracht der ohnehin schon erschwerten Zugangsbedingungen von Frauen zum afghanischen Arbeitsmarkt und der Tatsache, dass auch nicht zu erwarten ist, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin in der Lage sein würde das Existenzminimum für die gesamte Familie sicherzustellen. Weiters verfügen weder die Beschwerdeführerin noch ihr Ehemann über soziale oder familiäre Unterstützungsmöglichkeiten in Afghanistan.
Ein wie von UNHCR in den gegenständlichen Richtlinien für die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechender gesicherter Zugang zu Unterkunft, wesentlichen Grundleistungen (z.B. sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsversorgung) und Erwerbsmöglichkeiten ist daher nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund vermag das Bundesverwaltungsgericht keine Möglichkeit zu erkennen, die Beschwerdeführerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan zu verweisen.
Die Beschwerdeführerin würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der - im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, ihrer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und in ihrer Beschwerde vorgebrachten - sie betreffenden individuellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht in Betracht kommt. Es ist damit dargetan, dass ihre Abschiebung eine Verletzung in ihren Rechten nach Artikel 3, EMRK darstellen würde.
Ausschlussgründe nach Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins und 2 leg.cit.) und die Beschwerdeführerin andererseits unbescholten ist (Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 3, leg.cit.).
Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 stattzugeben.
Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Der Beschwerdeführerin war somit gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und ihr gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A wiedergegeben.
ECLI:AT:BVWG:2017:W259.2146929.1.00