Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

25.10.2017

Geschäftszahl

W211 2123797-1

Spruch

W211 2123797-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , StA. Somalia, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG stattgegeben und XXXX

gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am römisch XXXX .2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am römisch XXXX .2015 gab die beschwerdeführende Partei an, aus dem Ort römisch XXXX -Marka zu kommen und den Dir anzugehören. Sie habe ihr Land aufgrund einer persönlichen Bedrohung durch die Terrororganisation Al Shabaab verlassen. Diese habe ihren Vater 2013 getötet und ihren Bruder entführt. Sie selbst habe daher Angst gehabt, ebenfalls von der Gruppe entführt zu werden.

3. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am römisch XXXX .2016 gab die beschwerdeführende Partei zusammengefasst und ergänzend an, dass sie verheiratet sei und zwei Kinder habe. Ihre Frau, ihre Kinder, drei Geschwister und eine Tante würden noch im Dorf römisch XXXX -Marka leben. Ihr Vater sei 2013 getötet worden, und ihre Mutter sei zuvor schon verstorben. Die beschwerdeführende Partei habe dann das Lokal des Vaters gemeinsam mit ihrer Tante weitergeführt. 2013 sei ihr Bruder von Al Shabaab entführt worden. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die beschwerdeführende Partei an, sie habe in römisch XXXX -Marka Probleme mit Al Shabaab gehabt. Sie sei gemeinsam mit vier weiteren Männern von Mitgliedern der Al Shabaab in eines ihrer Quartiere gebracht und aufgefordert worden, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Die beschwerdeführende Partei habe diesen jedoch mitgeteilt, sie sei nicht bereit sich ihnen anzuschließen. Sie habe ihnen gesagt, dass ihr Vater getötet und ihr Bruder entführt worden sei, woraufhin Al Shabaab versucht hätte, sie zu bestechen, die beschwerdeführende Partei sich aber standhaft geweigert habe, sich Al Shabaab anzuschließen. Ihr sei daraufhin eine zweiwöchige Bedenkfrist gewährt worden. Nach Ablauf der Frist sei die beschwerdeführende Partei von Al Shabaab kontaktiert worden, sie habe ihnen jedoch abgesagt. Daraufhin sei ihr eine Woche später per Anruf mitgeteilt worden, sie bekomme noch eine Chance zum Überlegen. Die beschwerdeführende Partei habe sich dann mehrere Tage versteckt und sei zu einer Tante nach Mogadischu gefahren. Nachdem sie auch dort von Mitgliedern der Al Shabaab angerufen worden sei, habe sie Somalia verlassen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.), ihr gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges und der Einvernahme stellte die belangte Behörde fest, dass die von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachte Bedrohung, Mitnahme sowie Suche nach ihrer Person seitens der Al Shabaab unglaubwürdig sei. Es sei zudem nicht glaubhaft, dass die Al Shabaab die beschwerdeführende Partei zwangsrekrutieren habe wollen. Die beschwerdeführende Partei habe in ihrer Erstbefragung eine Entführung durch die Miliz nicht erwähnt, sondern habe nur von einer Bedrohung bzw. Zwangsrekrutierung gesprochen. Auch die Einräumung einer Bedenkzeit ohne jegliche weitere Maßnahmen könne ausgeschlossen werden. Zudem sei aus dem Vorbringen nicht ersichtlich, inwiefern die behauptete Ermordung des Vaters und die Entführung des Bruders mit der Flucht der beschwerdeführenden Partei im Zusammenhang stünden. Auch eine gezielte Suche nach der beschwerdeführenden Partei durch Al Shabaab in Mogadischu stehe mit den Länderberichten nicht im Einklang.

5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht, in der vorgebracht wurde, dass junge Erwachsene, wie die beschwerdeführende Partei, und Kinder die Hauptzielgruppe von Zwangsrekrutierungen durch die Al Shabaab selbst in von AMISOM kontrolliertem Gebiet seien. Eine Weigerung habe den eigenen Tod bzw. den von Familienmitgliedern zur Folge. Zudem sei die gesamte Beweiswürdigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl unlogisch und nicht nachvollziehbar. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die Erstbefragung der Ermittlung der Identität und Reiseroute des Fremden diene, und sich nicht auf die Fluchtgründe beziehe. Auch habe die beschwerdeführende Partei nie behauptet, dass zwischen der Ermordung des Vaters bzw. der Entführung des Bruders durch Al Shabaab und ihrer Flucht ein Zusammenhang bestehe. Ziehe die belangte Behörde weiters in Zweifel, dass die beschwerdeführende Partei in Mogadischu ins Visier der Al Shabaab geraten sei, stimme das nicht mit den Angaben in der Einvernahme überein, wonach sie dargelegt habe, aufgrund der Ereignisse schon in römisch XXXX -Marka ins Fadenkreuz der Al Shabaab gekommen zu sein. Selbst die eigene Familie habe Angst gehabt, dass, wenn die beschwerdeführende Partei bei ihnen bleiben würde, sie Al Shabaab erneut aufsuchen würde, weshalb sie dieser geraten habe, das Land zu verlassen. Da durch die Weigerung, sich Al Shabaab anzuschließen, die politische und religiöse Überzeugung der beschwerdeführenden Partei hervortrete und damit eine Verfolgung iSd GFK einhergehe, seien die Voraussetzungen zur Gewährung von Asyl gegeben.

6. Das Beschwerdeverfahren wurde am römisch XXXX .2016 eingestellt und am

römisch XXXX .2016 fortgesetzt.

7. Am römisch XXXX .2017 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen sie nach ihren Fluchtgründen befragt wurde. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

8. Am römisch XXXX .2017 stellte das Bundesverwaltungsgericht eine Anfrage bei der Staatendokumentation über die Kontrolllage im Heimatort der beschwerdeführenden Partei, römisch XXXX -Marka und das Auftreten der Al Shabaab dort, deren Beantwortung am römisch XXXX .2017 einlangte.

9. Mit Schreiben vom römisch XXXX .2017 wurde der beschwerdeführenden Partei und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anfragebeantwortung vom römisch XXXX .2017 sowie Auszüge aus dem Bericht der Fact Finding Mission in Somalia aus August 2017 zur Stellungnahme zugeschickt. Eine schriftliche Stellungnahme langte innerhalb der gesetzten Frist nicht ein.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, die am römisch XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

1.1.2. Sie stammt aus dem Dorf römisch XXXX -Marka in der Region Lower Shabelle, wo ihre Ehefrau, drei Kinder, sowie mehrere Geschwister leben.

Das Dorf römisch XXXX -Marka steht unter wechselnder Kontrolle, derzeit aller Wahrscheinlichkeit nach unter der Kontrolle der Al Shabaab.

1.1.3. Die beschwerdeführende Partei gehört dem Clan der Dir, römisch XXXX an.

1.1.4. Die beschwerdeführende Partei ist strafgerichtlich unbescholten und gesund.

1.2. Es wird festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei in ihrem Heimatdorf römisch XXXX -Marka im Jänner 2015 gemeinsam mit einer Gruppe weiterer junger Männer von Mitgliedern der Al Shabaab angesprochen, in deren Lager mitgenommen und aufgefordert wurde, die Miliz zu unterstützen bzw. sich ihnen anzuschließen, bei Bedrohung mit dem Tod im Falle einer Weigerung. Die beschwerdeführende Partei wurde sodann unter Setzung einer Überlegungsfrist freigelassen. Nach Verstreichen der Frist wurde die beschwerdeführende Partei von Al Shabaab telefonisch kontaktiert, woraufhin diese eine Unterstützung bzw. eine sonstige Mitarbeit bei der Miliz verweigerte. Sie versteckte sich anschließend bei ihrer Tante, begab sich sodann nach Mogadischu, wo sie abermals von Mitgliedern der Al Shabaab angerufen und bedroht wurde.

Im Falle einer Rückkehr droht der beschwerdeführenden Partei die Gefahr, von Mitgliedern der Al Shabaab aus ihrem Dorf, die die beschwerdeführende Partei persönlich kennen, erneut aufgefordert zu werden, der Miliz beizutreten bzw. diese zu unterstützen. Festgestellt wird weiter, dass sich ihre ursprüngliche Weigerung sowie eine allfällig weitere Weigerung der Zusammenarbeit im Falle einer Rückkehr zu einer Gefahr für Leib und Leben für die beschwerdeführende Partei entwickeln können, da eben genannte Al Shabaab Mitglieder diese Weigerung als ausdrückliche Gegnerschaft auffassen können, die gerächt oder bestraft werden könnte.

Von einer Schutzfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden im Gebiet römisch XXXX -Marca wird nicht ausgegangen.

1.3. Es werden die folgenden Feststellungen zur Situation in Somalia getroffen:

1.3.1. Zur Sicherheitssituation in Lower und Middle Shabelle:

Länderinformationsblatt Staatendokumentation

Lower Shabelle ist von Aktivitäten der al Shabaab stark betroffen (EASO 2.2016; A 4.2016). Al Shabaab verfügt dort über ausreichende Kapazitäten, um Angriffe auf ihre Feinde zu verüben (A 4.2016). In zahlreichen Orten und Städten mit Garnisonen von AMISOM und/oder Armee kommt es zu Anschlägen, gezielten Attentaten, hit-and-run-Angriffen und auch zu größeren Operationen der al Shabaab. Al Shabaab konnte temporär die Kontrolle über Ortschaften wie Aw Dheegle, Mubarak, Janaale (EASO 2.2016) und Leego, aber auch über die Stadt Qoryooley erlangen. Qoryooley und Leego wurden nach kurzer Frist wieder von AMISOM besetzt (UNSC 11.9.2015). Nach einer Neuaufstellung der AMISOM im Bereich wurden die Orte Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley sowie die Bezirkshauptstadt Kurtunwarey von AMISOM geräumt. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch die Bezirkshauptstadt Wanla Weyn blieb über Tage ohne Besatzung der AMISOM (allerdings mit einer solchen der somalischen Armee) (BFA 10.2015).

Al Shabaab verfügt in der ganzen Region über eine verdeckte Präsenz (EASO 2.2016).

Zusätzlich kam es in Lower Shabelle zu Clan-Kämpfen um Land und Ressourcen (EASO 2.2016). Der Konflikt zwischen Biyomaal und Habr Gedir bleibt ungelöst, auch wenn die Zahl an Berichten hinsichtlich Entführungen und Tötungen abnehmen (USDOS 13.4.2016). Die Milizen der Biyomaal und der Tunni sind angeblich mit al Shabaab alliiert. Besonders von Clan-Konflikten betroffen sind die Städte Merka und Afgooye (EASO 2.2016).

Auch Merka, Hauptstadt der Region Lower Shabelle, ist seit der Befreiung im Jahr 2012 massiv von Gewaltvorfällen betroffen. Zwar sind die Zahlen in den Quartalen Q4 2014 – Q2 2015 rückläufig, allerdings liegt der – relativ konstante – Durchschnitt der Quartale Q3 2012 – Q2 2015 bei 20 Vorfällen pro Quartal. Wie für Afgooye stellen auch für Merka neben terroristischer Gewalt Clankonflikte eine Quelle gewalttätiger Vorfälle dar (BFA 10.2015).

Größere Garnisonen der AMISOM befinden sich in Bali Doogle, Afgooye, Merka, Shalambood und Baraawe (Lower Shabelle); sowie in Balcad, Jowhar, Warsheikh und Cadale (Middle Shabelle). AMISOM verfügt auch über weitere Stellungen und Positionen entlang der Versorgungsrouten. Entlang der Routen gibt es auch zahlreiche Straßensperren, viele davon illegal. Die somalischen Sicherheitskräfte gehen gegen derartige Sperren vor (EASO 2.2016). Aufgrund einer Neuaufstellung hat AMISOM den Ort Fidow (Middle Shabelle) geräumt, al Shabaab hat den Ort unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

Al Shabaab: Rekrutierung: Länderinformationsblatt Staatendokumentation

Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia. Die Rekrutierung als solche wird von UNHCR nicht als Fluchtgrund gesehen. Somalische Flüchtlinge – v.a. jene, die das Land nach 2011 verlassen haben – seien nicht vor al Shabaab geflohen sondern vor der Hungersnot (ÖB 10.2015). Es ist zwar weniger wahrscheinlich, aber auch in Städten unter der Kontrolle der Regierung und von AMISOM wird durch al Shabaab rekrutiert (DIS 9.2015).

Die wichtigste Personengruppe für Rekrutierungen ist für al Shabaab jene der 12-16jährigen Buben. Als wichtige Werkzeuge bei der Rekrutierung gelten Propaganda; die Rekrutierung über Clanführer und Koranschulen; Gehirnwäsche und Indoktrinierung; wie Deserteure berichten, stehen letztere zwei Methoden im Vordergrund. Gleichzeitig wird manchmal Zwang angewendet, meist aber erfolgt die Rekrutierung durch Überzeugungsarbeit – und durch die Aussicht auf Sold. Denn al Shabaab ist für junge Männer attraktiv, die keine Bildung haben oder arbeitslos sind. Gleichzeitig ist es für Familien attraktiv, ein bis zwei Angehörige bei al Shabaab unterzubringen, um so Einkommen zu generieren (LI 10.9.2015) bzw. um die Familie abzusichern (DIS 9.2015). Am leichtesten kann al Shabaab folglich in IDP-Lagern rekrutieren (LI 10.9.2015). Al Shabaab rekrutiert normalerweise in Moscheen oder bei religiösen Veranstaltungen (EASO 2.2016; vergleiche ÖB 10.2015).

Die Weigerung, der al Shabaab beizutreten, kann für die Person selbst, aber auch für Familienangehörige tödlich sein. Eine andere Konsequenz, um einer Rekrutierung zu entgehen, wäre die Übersiedlung in ein anderes Gebiet (DIS 9.2015).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

Asylländerbericht Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

Sicherheitsbehörden: Länderinformationsblatt Staatendokumentation

Das Verhalten der Sicherheitskräfte entspricht nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 1.12.2015). AMISOM und nationale Sicherheitskräfte geben ihr Bestes, um die Gefahr durch al Shabaab in Mogadischu einzudämmen. Auch wenn die Arbeit der Polizei Defizite aufweist, so trägt sie doch ihren Teil bei (UKUT 3.10.2014). In Mogadischu und anderen urbanen Gebieten unter Kontrolle der Regierung und ihrer Alliierten können die Behörden schutzwillig sein; jedoch sind sie meist nicht in der Lage, einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Dies kann der strukturellen Schwäche der Sicherheitskräfte, dem Mangel an Ressourcen, Ausbildung und Ausrüstung, schwachen Kommandostrukturen, der Korruption und der Straflosigkeit für schwerste Verbrechen angelastet werden (UKHO 15.3.2016).

Quellen:

1.3.2. Bericht der Fact Finding Mission zur Sicherheitslage in Somalia August 2017 (Auszüge):

Lagekarte – Areas of Influence

Die folgende Lagekarte wurde unter Heranziehen von Informationen unterschiedlicher Quellen der FFM Somalia 2017, nicht-öffentlicher Quellen und unter Einbezug eines militärstrategischen Experten erstellt. Alle verwendeten Quellen finden sich auch im Quellenverzeichnis dieses Berichtes wieder.

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Al Shabaab:

Die Stärke der al Shabaab wird unterschiedlich angegeben. Eine Quelle schätzt sie auf 7.000-

9.000 in ganz Somalia.112 Eine weitere Quelle auf 4.000-5.000.113

Eine andere Quelle gibt an, dass sich die Masse der AS im Kernraum Südost-Bakool, Hiiraan, Lower Shabelle, Bay (4.000-5.000 inkl. Mogadischu) sowie im Juba-Tal (2.000-2.500) konzentriert.114 Von AS gemachte, rezente Angaben zur Truppenstärke sind nicht bekannt.

Die Einheiten der al Shabaab "tend to be fairly professional, well organized and equipped." Rekruten der AS erhalten eine umfassendere Ausbildung als ein durchschnittlicher Soldat der

SNA. Zudem ist die Truppe gut organisiert, es existiert eine militärische Hierarchie – und diese wird auch eingehalten. Das Oberkommando liegt beim Emir, die Regionalkommanden bei den Gouverneuren (walis) der al Shabaab. Zudem führt der Kommandeur der Jaysh al Usra das Kommando über Schwergewichtsverbände, die überregional eingesetzt werden können. Diese arbeiten mit regionalen Truppen zusammen. Schließlich ist al Shabaab auch technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen AMISOM manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen.

Außerdem verfügt die al Shabaab mit dem Amniyad über gute Aufklärungsfähigkeiten. Der ‚Geheimdienst‘ der Gruppe gliedert sich in zwei Bereiche: Sicherheit und Informationsbeschaffung. Die Informanten des Amniyad sind in der Regel gut gedeckt. Dabei

gibt es eine effektive, zentrale Steuerung, wie z.B. die vom Emir veranlasste Eliminierung der

IS-Zellen in Südsomalia vor Augen geführt hat.

Al Shabaab wird wohl noch lange aktiv bleiben. Eine Quelle erklärt dazu: "Al Shabaab and the

Islamic State are like a bit of water – you stamp on it and it goes somewhere else. You cannot destroy terrorist organizations only with hard military solutions.” Allerdings sind die Einkünfte von al Shabaab aufgrund der Gebietsverluste zurückgegangen.130 Und je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al Shabaab wird bei der Anwendung dieser Taktik immer besser und stärker. Der vermehrte Druck auf al Shabaab – etwa auch durch Drohnen- und andere Luftschläge – führt außerdem dazu, dass das Misstrauen wächst. Dies würde freilich noch weiter wachsen, falls die USA ihre Ankündigung wahr machen und künftig in Somalia eine aktivere Rolle einnehmen.

Reichweite: Die al Shabaab verfügt über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk mit Informanten in allen Landesteilen. Dabei funktioniert der Amniyad besser als die NISA. Es darf nicht vergessen werden, dass die Mitglieder der al Shabaab Familie haben, deren einzelne Angehörige nicht der al Shabaab angehören. Viele Personen sind auf irgendeine Art – z.B. eben über die Familie oder über den Clan – mit al Shabaab verknüpft. Es ist nicht möglich, klare Trennlinien zu zeichnen.160 Dies trägt zur guten Informationsbasis der al Shabaab bei. Während Mitglieder der al Shabaab in den von ihr kontrollierten Gebieten relativ leicht zu erkennen sind, ist dies in manchen anderen Landesteilen schwierig. Hier kann eine Person, die tagsüber nicht als Mitglied der al Shabaab aufgefallen wäre, in der Nacht eine andere Rolle einnehmen. Da al Shabaab auch mit Wirtschaftstreibenden zusammenarbeitet, gelingt es ihr, selbst nominell sichere Teile Mogadischus zu infiltrieren. Eine Quelle erklärt, dass dies sogar für den Flughafenbereich gilt, wo manche am Flughafen tätige Firma Steuern an AS abführt.

Gemäß den Angaben einer anderen Quelle ist die al Shabaab z.B. auch über die Vorgänge im

base camp der AMISOM informiert.

In diesem Kapitel zitierte Quellen:

International Crisis Group, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Internationale Organisation (A), Nairobi und Mogadischu (Skype). Gespräch im März 2017.

Internationale Organisation (C), Nairobi. Gespräch im März 2017.

Vertreter einer internationalen NGO, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Somalische Mitarbeiterin einer internationalen NGO, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Somalische Quelle im Sicherheitsbereich, Addis Abeba. Gespräch im April 2017.

Mark Bradbury, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Internationale Organisation (B), Nairobi. Gespräch im März 2017.

Westliche diplomatische Quelle, Nairobi. Gespräch im März 2017.

International Crisis Group, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Internationale NGO (A), Nairobi. Gespräch im März 2017.

Zivile Zielpersonen und Deserteure:

Für al Shabaab gilt: "Only if you are al Shabaab, you are a Muslim."

Auch weiterhin wird al Shabaab Regierungsbedienstete, mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten, AMISOM, und Sicherheitskräfte gezielt angreifen. Betroffen sind auch Wirtschaftstreibende, Älteste, Angestellte von NGOs, internationale Organisationen oder Kollaborateure. Sie alle gelten als Abtrünnige, und sie alle missachten die Regeln der al Shabaab – insbesondere, wenn sie keine Steuern abführen.

Die Intensität der Umsetzung gezielter Attentate variiert. Während des Ramadan stiegen die

Zahlen von Attentaten in der Vergangenheit meist signifikant. Im Durchschnitt werden der al Shabaab in Mogadischu pro Monat ca. 20 Morde zugerechnet. Allerdings wird oft nur angegeben, dass al Shabaab für ein Attentat die Verantwortung trägt. Dabei gibt es auch andere Akteure, die hier aktiv werden. Selbst manche Angriffe mit Mörsergranaten sind vermutlich nicht der al Shabaab zuzurechnen. Die UN erwähnt in einem Bericht vom Mai

2017, dass alleine 14 Personen ermordet worden waren, die in den Wahlprozess eingebunden waren. Allerdings hat sich al Shabaab nur zu drei Morden bekannt.

Al Shabaab verfügt über die Kapazitäten, menschliche Ziele – auch in Mogadischu – aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Person al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. So kann es z.B. für einen von al Shabaab gesuchten VIP ein erhebliches Risiko darstellen, von Luuq nach Hargeysa zu reisen. Für einen Deserteur der untersten Ebene wieder, der nach Kenia entkommen möchte, wird al Shabaab in der Regel wohl keine Ressourcen aufwenden.

Die Gesamtsituation in Somalia ist aber reichlich komplex.

Zahlreiche Akteure sind aktiv: Die Regierung, die internationale Gemeinschaft, die Armee, unterschiedliche Clanmilizen, al Shabaab etc. Und es ist nahezu unmöglich, zwischen diesen Akteuren klare Trennlinien zu ziehen – sie überschneiden sich in unterschiedlichsten Bereichen. Es gibt Überschneidungen bei den wirtschaftlichen Interessen; bei den Clan-Dynamiken. Folglich sind auch der al Shabaab bei der Zielauswahl gewisse Grenzen gesetzt. Immerhin hat die Gruppe Verbindungen – z.B. zu Ältesten – aufgebaut; dadurch ergeben sich automatisch Beschränkungen. Denn al Shabaab wird eine Person nicht angreifen, wenn damit gewisse negative Nachwirkungen verbunden sind. Es hängt also auch davon ab, wie sehr eine Person lokal eingebunden ist oder wieviel (Clan-)Unterstützung sie genießt, um ein reales Risiko einschätzen zu können. Dies gilt im Fall einer Bedrohung durch al Shabaab, aber auch im Fall einer Bedrohung durch andere Akteure. Dementsprechend kann eine Person aber auch doppelt betroffen sein: Einerseits stammt sie aus einem ‚falschen‘ Clan, der nicht mit al Shabaab affiliiert ist; andererseits ist die Person in einem Bereich tätig, die sie für al Shabaab

zur Zielperson macht.

Drohungen kommen meist über das Mobiltelefon – als Anruf oder via SMS. Dabei werden (bei kleineren Vergehen) üblicherweise mehrere Warnungen ausgesprochen, bevor eine Drohung umgesetzt wird. Eine Ausnahme dazu wäre es, wenn sich eine Person explizit gegen al Shabaab stellt oder etwas gegen al Shabaab unternimmt.

Die al Shabaab ist hinsichtlich ihrer eigenen operativen Sicherheit paranoid; dementsprechend möchte sie Exempel statuieren. Dies führt dazu, dass sie verdächtige Personen einfach exekutiert.

Wie schon erwähnt, verfügt al Shabaab mit dem Amniyad über eine gute Aufklärungskapazität. "AS has some kind of hit list." Befindet sich eine Person auf dieser Liste, dann wird auch versucht werden, diese zu töten. Dabei spielen der Zeitpunkt der Tötung oder die gesellschaftliche Position des Opfers keine Rolle. Eine Quelle stellt hierzu klar: "Es steht aber nicht jeder, der nicht bei al Shabaab ist, auf einer Todesliste." Außerdem ist bei der Umsetzung des Willens bzw. bei den Chancen von AS, einer Person habhaft zu werden, etwa die aus unterschiedlichen Gründen eingeschränkte geographische Reichweite zu berücksichtigen (siehe etwa 5.1, 7.3 und 8.5). Die Liste wird auf einer lokalen Ebene von einem Wali geführt. Dieser lokale Kommandant entscheidet meist darüber, welches Zielaufgeklärt, bedroht und/oder angegriffen wird. Der Amniyad übernimmt – speziell bei hochrangigen Zielen – die Aufklärung. Und über den Amniyad werden die Informationen über Zielpersonen auf die Regionen verteilt. Damit sind Zielpersonen auch bei einer innerstaatlichen Flucht gefährdet.

Sippenhaft:

Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde die al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. So stellt etwa die Witwe eines bereits von al Shabaab getöteten UNMitarbeiters kein Ziel dar. Es hat Fälle gegeben, bei welchen Familienangehörige von Zielpersonen der al Shabaab bedroht worden sind. Als Beispiel wurde genannt, dass es zu Erpressungen kommen kann: Einem Angestellten der Regierung würde zum Beispiel gesagt, er soll seine Tätigkeit einstellen. Gleichzeitig könnte auch dessen Ehefrau bedroht werden, dass sie ihren Mann dazu bringen soll, die Tätigkeit einzustellen.

Oder aber es kommt zu indirekten Bedrohungen: Einem Angestellten der UN könnte offenbart werden, dass seine Familie getötet werden würde, wenn er einen Auftrag (z.B. Spionage oder auch das Platzieren eines Sprengsatzes) der al Shabaab nicht ausführt. Sobald der Auftrag aber ausgeführt worden ist, würde die al Shabaab die Bedrohungen einstellen.

Allerdings werden Drohungen gegen Familienangehörige von Zielpersonen nur in seltenen Fällen verwirklicht.

Zwangsrekrutierung:

Generell ist bekannt, dass al Shabaab in der Vergangenheit Zwangsrekrutierungen betrieben

hat – speziell von Minderjährigen. Noch im Jahr 2015 gab es Berichte, dass al Shabaab in Dörfern in der Region Middle Shabelle Menschen mit Waffengewalt zwangsrekrutiert hatte.

Aus dem Jahr 2016 ist bekannt, dass die Führung der al Shabaab die Bezirke römisch XXXX , Saakow und Xaradheere sowie Teile der Region Bakool angewiesen hat, Rekruten zu stellen.

Insgesamt wurden 1.500 neue Kämpfer aufgenommen. Hier kam es auch zu Zwangsrekrutierungen: Während die meisten neuen Rekruten aus der Region Middle Juba Freiwillige waren, kam es in Xaradheere auch zu Zwangsrekrutierungen. Ende Juni 2017 verhaftete al Shabaab in Xaradheere Älteste, weil sie entgegen den Anweisungen keine (Kinder-)Rekruten an al Shabaab abgeführt haben. Dabei geht al Shabaab manchmal auch direkt zu Familien und erklärt entweder, welchen Sohn man rekrutieren möchte oder dass man generell einen Sohn rekrutieren möchte. Dies betrifft effektiv von al Shabaab kontrollierte Gebiete.

Wenn al Shabaab einen Ort übernimmt, kann es vorkommen, dass Menschen dazu gezwungen werden, der Gruppe beizutreten. Damit soll der Ort Loyalität zu den Terroristen bekunden. Insgesamt gibt es in jüngerer Vergangenheit weniger Berichte über die diesbezügliche Einschüchterung oder Drangsalierung Einzelner. Vielmehr wendet sich al Shabaab an ganze Gemeinden. Dabei gibt es aber keine Berichte, wonach al Shabaab einem Dorf alle jungen Männer wegnehmen würde. Wenn die Gruppe zu brutal gegen die Bevölkerung agierte, dann würde al Shabaab die lokalen Milizen gegen sich aufbringen. Und dies ist nicht im Interesse der al Shabaab.

Aus jüngster Vergangenheit sind laut einer Quelle keine Beispiele für Zwangsrekrutierungen

bekannt. Eine andere Quelle betont jedoch, dass Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab in den von ihr kontrollierten Gebieten nach wie vor ein Thema sind. Zwei weitere Quellen erklären, dass es in einigen bzw. in seltenen Fällen zu Zwangsrekrutierungen kommt. Eine

letzte Quelle erklärt, dass Zwangsrekrutierungen nunmehr nur noch sporadisch und punktuell vorkommen, und es etwa im ersten Halbjahr 2017 kaum diesbezügliche Meldungen gegeben hat. Insgesamt stellen die tatsächlich gewaltsam Zwangsrekrutierten in den Reihen der al Shabaab nur einen geringen Prozentsatz.

Die al Shabaab agiert insgesamt einigermaßen professionell und ist gut organisiert und ausgerüstet. Um eine derartige Organisation aufrecht zu erhalten, kann man sich nicht nur auf Zwangsrekrutierte verlassen.339 Zwangsrekrutierungen entsprechen daher nicht dem modus operandi von al Shabaab. Eine zu hohe Zahl an Kämpfern, die gegen ihren Willen eingesetzt werden, schwächt die Organisation.

Zwangsrekruten passen auch nicht ins System: Rekruten werden üblicherweise für vier Monate in einem Lager ausgebildet. Jeder, der sich im Verlauf der Ausbildung als untauglich erweist, wird von der al Shabaab nach Hause geschickt. In diesem Sinne passen massenhafte, flächendeckende Zwangsrekrutierungen kaum ins Bild.

Nur wenn es die Umstände oder taktische Gründe erforderlich machen, werden Rekruten zwangsweise ausgehoben, z.B. wenn an einem Ort aus taktischem Kalkül rasch und dringend einige Rekruten gebraucht werden.

Druck wird hingegen oft ausgeübt – und der Druck den al Shabaab ausübt, ist viel stärker als jeder Zwang. Die Botschaft ist einfach:

Alle Menschen in Süd-/Zentralsomalia leben in einer

Konfliktzone; und sie sind auf die eine oder andere Art unterschiedlichen bewaffneten Gruppen ausgeliefert. Und diese Nachricht wendet sich speziell an schwache Clans. Dass die Terroristen vor der Rekrutierung von Minderjährigen nicht zurückschrecken, wurde bei einem Beispiel besonders deutlich. Im März 2016 landete al Shabaab größere Truppen an der puntländischen Küste. Der Brückenkopf wurde von lokalen Milizen und puntländischen Truppen vernichtend geschlagen, es wurden auch zahlreiche Gefangene gemacht. Unter diesen Gefangenen befanden sich viele Kinder in Uniform. Diese gaben in Gefangenschaft an, dass sie von al Shabaab einfach gefragt worden seien, ob sie mitkommen wollten. Die Kinder folgten den AS-Rekrutierern und fanden sich in einem Ausbildungslager wieder. Allerdings war der Grad der Ausbildung dieser Kinder erschreckend niedrig; möglicherweise befand sich al Shabaab in einer Zwangslage und musste schnell Rekruten anschaffen.

In diesem Kapitel zitierte Quellen:

Internationale NGO (A), Nairobi. Gespräch im März 2017.

Somalische Mitarbeiterin einer internationalen NGO, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Internationale Organisation (A), Nairobi und Mogadischu (Skype). Gespräch im März 2017.

Internationale Organisation (C), Nairobi. Gespräch im März 2017.

Forscher am Institute for Security Studies, Addis Abeba. Gespräch im April 2017.

Vertreter einer in Somalia tätigen internationalen NGO, Hargeysa. Gespräch im April 2017.

International Crisis Group, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Mark Bradbury, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Westliche diplomatische Quelle, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Vertreter einer internationalen NGO, Nairobi. Gespräch im März 2017.

Somalische Quelle im Sicherheitsbereich, Addis Abeba. Gespräch im April 2017.

1.3.3. Anfragebeantwortung bei der Staatendokumentation über die Kontrolllage in römisch XXXX -Marka und das dortige Auftreten der Al Shabaab vom 09.08.2017:

1. Wie ist aktuell die Kontrolllage in römisch XXXX Marka: wer kontrolliert die Stadt (Al Shabaab, Clanmilizen, AMISOM, Regierungskräfte?)

2. Ist es möglich herauszufinden, wer Anfang 2015 die Stadt kontrolliert hat?

Zusammenfassung: Es gibt nur vereinzelte Meldungen über Ereignisse in römisch XXXX -Marca. Insgesamt scheint der Ort in den vergangenen Jahren wechselnder "Herrschaft" unterworfen gewesen zu sein; eine permanente Präsenz von anti-al-Shabaab-Kräften scheint nie eingerichtet worden zu sein. Ein militärstrategischer Experte gibt an, dass der Ort derzeit vermutlich von al Shabaab kontrolliert wird.

In der detailreichen Datenbank des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) der University of Sussex finden sich im Zeitraum 1997-5.8.2017 folgende Einträge zu römisch XXXX Marka und zum nächstgelegenen Ort Gendershe:

7.5.2017: AM, Gendershe, Lower Shabelle: unverified media reports suggested al Shabaab occupied Gendershe after security forces vacated the area.

2.5.2017: On Tuesday [2 May], clashes left at least four combatants and civilians [armed pastoralists] in Lower Shabelle Region dead. The clashes, which occurred in KM50, El Waregow, Gandershe and römisch XXXX Marka, as well as villages near the town of Marka, were between al-Shabab fighters and pastoralists.

3.1.2017: Two dead bodies (male and female) suspected to be a couple, were found washed ashore between Gendershe and römisch XXXX -marka villages.

Reports indicate that the bodies were white foreigners believed to be tourists and the cause of their death and nationality remained unknown.

The area where the dead bodies were found is under AS control and AS mentioned that they buried the dead bodies.

ACLED (2017): 2017 Realtime Complete All Africa File (updated 5th August 2017), Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/realtime-data, Zugriff 9.8.2017

20.10.2016: Anti-al Shabaab clan militia gain control of Gendershe and römisch XXXX -Marka settlements without resistance, freeing many of al Shabaabs prisoner they abandoned after fleeing. The militia left the areas shortly thereafter.

15.10.2016: Al Shabaab kidnapped and later beheaded a Biyomal clan member in Gendershe.

13.10.2016: AS fighters carjacked a Toyota Carib vehicle and abducted the two passengers who were on board of it in Ceel Saliini village (30km SW of Afgooye) in the afternoon of 13/10. Reportedly the two individuals were taken to Gendershe village which is an AS stronghold. The two were later killed.

14.10.2015: Local media reported that AMISOM forces shot and killed a local elder in Gendershe village (20km NE of Marka) in the morning of 14/10. The victims wife was also injured by the AMISOM forces. The motive behind the murder is currently unclear.

13.10.2015: AMISOM/SNG forces launched a new offensive against al Shabaab hideouts along the coast line between Mogadishu and Marka in the morning of 13/10. The allied forces briefly clashed with al Shabaab fighters and managed to take-over Gandarshe, römisch XXXX -Marka and Dhanaane. Casualties could not be established.

29.3.2014: Al Shabaab fighters conducted an attack against a Somali base in Gandarshe village 26km NE of Marka) in the afternoon of 29/03. Al Shabaab fighters took control of the village after one hour of fighting and stayed in the location until the middle of the night. Casualties are unknown.

15.2.2014: Al Shabaab forces clash with security forces in Dhabaane and Gendershe, outside Marka. Ten killed among the two towns.

15.2.2014: Al Shabaab forces clash with security forces in Dhabaane and Gendershe, outside Marka. Ten killed between the two towns. Following the fighting al Shabaab forces capture Gandarshe.

13.2.2014: Al-Shabab said they have captured the southern coastal town of Gendershe following fierce clashes with African Union-backed government forces. Causalities not known. The battle has not been confirmed by independent sources.

ACLED (2017): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 9.8.2017

Ein militärstrategischer Experte wurde ebenfalls angefragt, da aufgrund des Ortsnamens (neben römisch XXXX -Marka gibt es in Somalia größere Städte mit den Namen Marka und römisch XXXX ) eine Suche – etwa im internen Archiv – sehr erschwert wird.

Frage: Wer kontrolliert römisch XXXX -Marca (Küstenort zwischen Merka römisch XXXX)? Und wer kontrollierte es Anfang 2015?

Antwort: Nach meinen Aufzeichnungen wurde römisch XXXX -Merca erstmals im Oktober 2015 von AMISOM eingenommen aber nicht ständig besetzt. Noch im Mai 2017 waren AS-Kämpfer in römisch XXXX -Merca, so wurde z.B. der AS-Richter für den Merca-District am 25 05 17 in römisch XXXX -Merca von AS-Kämpfern festgenommen, nachdem er sich gegen die AS-Angriffe auf Biyomaal ausgesprochen hatte. Derzeit gehe ich davon aus, dass römisch XXXX -Merca unter AS-Kontrolle steht.

Militärstrategischer Experte (9.8.2017): Antwort per e-Mail

3. Gibt es Informationen darüber, dass ein " römisch XXXX " (Schreibweise vom BF vorgegeben) ein (ranghohes) Al Shabaab Mitglied ist und eine AS-Gruppe in der Region Marka leitet?

Unter dieser Schreibweise finden sich keine Treffer auf google.com und bing.com. Es wurden auch unterschiedliche Varianten ergebnislos versucht (" römisch XXXX " shabaab; römisch XXXX ). In der Folge wurde auch bezüglich dieser Frage der militärstrategische Experte angefragt.

Frage: Gibt es Informationen darüber, dass ein " römisch XXXX " (Schreibweise vorgegeben) ein (ranghohes) Al Shabaab Mitglied ist und eine AS-Gruppe in der Region Merka leitet?

Antwort: Der Name dieses AS-Kommandanten ist mir nicht geläufig. Allerdings wurde in Lower Shabelle im Juli [2017] ein AS-Kommandant mit Namen römisch XXXX .

2. Beweiswürdigung:

2.1. Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Eine Herkunft der beschwerdeführenden Partei aus römisch XXXX -Marka in der Region Lower Shabelle, und dass diese traditionell verheiratet ist, wurde bereits durch die Behörde festgestellt.

Die Feststellung, dass mehrere Verwandte der beschwerdeführenden Partei, darunter ihre Ehefrau und ihre Kinder sowie mehrere Geschwister, in römisch XXXX -Marka leben, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Seite 5 des Protokolls).

Die Feststellungen zur Clanzugehörigkeit und zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister vom römisch XXXX 2017.

Die Feststellung, dass sich das Dorf römisch XXXX -Marka derzeit unter Kontrolle der Al Shabaab befindet, ergibt sich aus der Anfragebeantwortung bei der Staatendokumentation über die dortige Kontrolllage vom römisch XXXX .2017, wenngleich aufgrund wechselnder Fronten keine dauerhafte Präsenz der Miliz angenommen werden kann.

2.3. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zu ihrem eigentlichen Fluchtgrund, nämlich die Aufforderung durch Mitglieder der Al Shabaab, sich ihnen anzuschließen, und die an eine Weigerung geknüpften Drohungen, ist in den Einvernahmen bei der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung ausführlich und weitgehend widerspruchsfrei dargestellt und findet Deckung in den Länderberichten zur Situation in Regionen mit hoher Al Shabaab Präsenz bzw. Kontrolle durch die Miliz. Daher gründen sich auch die positiven Feststellungen oben unter 1.2. auf diese Angaben.

Die belangte Behörde schätzte das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei als nicht glaubhaft ein, weshalb die in ihrer Beweiswürdigung vorgebrachten Argumente untersucht werden sollen:

Zunächst gilt es festzuhalten, dass, wenn das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Ansicht vertritt, das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei sei oberflächlich und substanzlos, diese von der erkennenden Richterin nicht geteilt werden kann. Dass das Vorbringen in den unterschiedlichen Einvernahmen weitgehend widerspruchsfrei und ausführlich dargestellt wurde, konnte das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung feststellen – Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll:

" [ ] R: Erzählen Sie mir über Ihre Mitnahme von Al Shabaab?

P: Ich war mit anderen jungen Männern in der Nähe vom Restaurant. Wir waren fünf Personen. Sie haben uns mit dem Auto mitgenommen und zu ihrem Lager gebracht. Dort waren vier Al Shabaab Männer. Einer dieser Männer hat mich erkannt. Er sagte zum Al Shabaab Kommandanten, das ist der Sohn vom Ungläubigen, der nicht wollte, dass sein Sohn am Jihad teilnimmt. Wir waren alle dabei. Sie sagten, sie wollen, dass ich mitarbeite und dass ich so die Mujaheddin unterstütze. Ich sagte, dass ich das nicht machen kann, weil ich arbeite und meine Familie versorgte. Sie haben meinen Bruder mitgenommen und mein Vater ist auch nicht mehr da. Sie sagten, es ist wichtig, dass ich mitarbeite und die Mujaheddin unterstütze, sonst wird mir das gleiche passieren wie meinem Vater und meinem Bruder. Ich werde getötet oder ins Gefängnis kommen. Sie sagten mir, wenn es so ist, geben sie mir eine zweiwöchige Frist, ich soll danach kommen. Ich sagte, ich arbeite und kann nicht mitmachen. Sie sagten, sie zahlen mir mehr als mein Gehalt im Restaurant. Sie haben mich dann freigelassen, nachdem sie diese Frist gesetzt haben. Ich bin nach Hause zurückgekommen und dann habe ich normal weiter gearbeitet, die zwei Wochen im Restaurant. Nach dem Dienst bin ich nach Hause zurückgekommen, aber ich hatte Sorgen. Nach diesen zwei Wochen haben sie erwartet, dass ich zurückkomme. Ich bin nicht zurückgegangen. Sie haben mich dann angerufen und fragten, wo ich bin, denn die zwei Wochen seien vorbei. Ich sagte, dass ich nicht kommen und nicht mitarbeiten kann. Sie sagten, ich bekomme noch eine Woche Zeit. Ich habe meiner Tante davon erzählt und sie sagte mir, ich solle weggehen, diese Leute würden mich nicht in Ruhe lassen. Ein Tag vor dem Ende dieser Woche bin ich zu einer Verwandten gegangen. Dort habe ich mich versteckt, ich habe mein Handy ausgeschaltet. Dort habe ich mich 10 Tage lang versteckt. Nach 10 Tagen, als die Männer mich nicht mehr gefunden haben, sind sie zu meiner Tante gekommen. Sie haben meiner Tante gesagt, ich darf nicht weiter im Versteck bleiben, ich muss kommen. Sie haben meiner Tante gedroht und dann sind sie gegangen. [ ]"

Meint die belangte Behörde nun, es sei unlogisch, dass Mitglieder der Al Shabaab die beschwerdeführende Partei derart oft kontaktiert hätten, obwohl es sich bei dieser um keine Person von besonderer Wichtigkeit handle, weshalb ein gesteigertes Interesse an dieser seitens der Miliz nicht anzunehmen sei, so muss diesem entgegengetreten werden. Ein wie von der beschwerdeführenden Partei beschriebenes Vorgehen der Al Shabaab findet durchaus Deckung in den relevanten Länderberichten und auch im Bericht der Fact Finding Mission zur Sicherheitslage in Somalia August 2017, wonach die Miliz besonders in Süd- und Zentralsomalia präsent ist, wo auch das Heimatdorf der beschwerdeführenden Partei liegt. Generell ist die Gesamtsituation in Somalia komplex, und eine Bedrohung durch Al Shabaab hängt von zahlreichen Faktoren wie der familiären Anbindung sowie, wieviel Clanunterstützung man erhält, ab. Auch ergibt sich aus dem Bericht der Fact Finding Mission, dass Al Shabaab gezielt mit Drohanrufen arbeitet. Bei kleineren Vergehen, wie der Weigerung der beschwerdeführenden Partei, sich anzuschließen, werden mehrere Warnungen ausgesprochen, bevor diese tatsächlich in die Tat umgesetzt werden. Weiters darf nicht übersehen werden, dass die beschwerdeführende Partei ihren Verfolgern persönlich bekannt sein dürfte, da diese vom Tod des Vaters, sowie, dass dieser Al Shabaab ablehnend gegenüber stand, wussten, wie aus der zitierten Passage des Verhandlungsprotokolls hervorgeht. Eine der beschwerdeführenden Partei von Al Shabaab unterstellte Gegnerschaft kann somit ebenfalls angenommen werden. Wird von der belangten Behörde außerdem eingewendet, es sei nicht realistisch, dass die beschwerdeführende Partei auch in Mogadischu Drohanrufe erhalten habe, obwohl es sich dabei um "Feindesland" für die Miliz handle, muss darauf hingewiesen werden, dass die Miliz sehr wohl auch in der Hauptstadt über die Kapazitäten verfügt, eine Zielperson aufzuspüren. Auch die von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachte Befürchtung von Verwandten, selbst wegen ihr ins Fadenkreuz von Al Shabaab zu geraten (AS 43), findet sich in den Länderberichten wieder, wonach durchaus Familienmitglied von Zielpersonen ins Visier genommen werden können.

Das grundsätzlich gleichbleibende, inhaltlich konsistente Vorbringen erscheint somit durchaus plausibel und findet unter dem Gesichtspunkt Deckung, dass Al Shabaab in der Herkunftsregion bzw. im Herkunftsort starke Präsenz zeigte und zeigt und sogar die Kontrolle inne hatte und hat.

2.4. Im Lichte dessen muss nicht mehr geprüft werden, ob der beschwerdeführenden Partei eine Gefahr seitens Al Shabaab aufgrund der angeblichen ranghohen Mitgliedschaft ihres Bruders drohen würde. Dies konnte auch nicht durch die Anfragebeantwortung bei der Staatendokumentation vom römisch XXXX .2017 bestätigt werden.

2.5 Die Feststellungen zur Schutzunfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden ergeben sich aus den diesbezüglichen Länderinformationen insbesondere in Hinblick darauf, dass die Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei aller Wahrscheinlichkeit nach unter der Kontrolle der Al Shabaab befindet.

2.6. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die in Auszügen unter Punkt 1.3. in diesem Erkenntnis wiedergegeben sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Spruchpunkt römisch eins.:

3.1. Rechtsgrundlagen

3.1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind vergleiche VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse vergleiche VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein vergleiche VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. Wie in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung ausgeführt geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach römisch XXXX -Marka eine Verfolgung wegen einer Weigerung, der Miliz beizutreten, und einer damit verbundenen Unterstellung einer der Miliz oppositionellen politischen und religiösen Gesinnung, befürchten muss. Eine solche Verfolgung kann nach den relevanten Länderinformationen auch maßgeblich intensiv sein.

Es wird nicht übersehen, dass römisch XXXX –Marka aufgrund wechselnder Fronten zwar keine dauerhafte Präsenz von Al Shabaab aufweist, jedoch von dieser zumindest teilweise und aktuell kontrolliert wird. Von einer Schutzfähigkeit und –willigkeit der somalischen (und ausländischen) Sicherheitsbehörden in diesem Gebiet kann nicht ausgegangen werden.

3.2.2. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem weiteren Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien (Verfolgung wegen angeblicher ranghoher Mitgliedschaft des Bruders bei Al Shabaab) kann letztlich unterbleiben, da die eben aufgezeigte Gefährdung für sich alleine ausreichend ist, die Flüchtlingseigenschaft der beschwerdeführenden Partei zu begründen.

3.2.3. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil Paragraph 11, AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind vergleiche VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

3.2.4. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des Paragraph 6, AsylG ergeben haben, ist der beschwerdeführenden Partei nach dem oben Gesagten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die Paragraphen 2, Absatz eins, Ziffer 15 und 3 Absatz 4, AsylG 2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. römisch eins 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß Paragraph 75, Absatz 24, leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2017:W211.2123797.1.00