Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

04.09.2017

Geschäftszahl

W103 2112420-2

Spruch

W103 2112420-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Russische Föderation, vertreten durch den römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2017, Zl. 1046766007-161307457, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 51 aus 1991, idgF, in Verbindung mit Paragraph 28, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 2, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, idgF, sowie gemäß Paragraph 57, AsylG 2005, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 idgF in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG, Paragraphen 52, Absatz 2, Ziffer 2 und Absatz 9,, 46 und 55 Absatz eins a, FPG 2005, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, Bundes-Verfassungsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 1 aus 1930, (B-VG) idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren auf internationalen Schutz:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der awarischen Volksgruppe, brachte am 29.11.2014 ihren ersten Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes ein, nachdem sie zuvor irregulär ins Bundesgebiet gelangt war.

Anlässlich ihrer am 01.12.2014 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgehaltenen Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin auf die Frage nach dem Grund für das Verlassen ihrer Heimat zusammenfassend an, im Jänner 2014 erfahren zu haben, dass ihr Mann, zu welchem sie bereits seit 2010 keinen Kontakt mehr gehabt hätte, im Zuge einer Spezialoperation als Widerstandskämpfer getötet worden sei. Folglich sei die Beschwerdeführerin für drei Tage seitens der Polizei festgehalten worden, doch habe man diese wieder frei gelassen, als klar geworden wäre, dass sie mit den Tätigkeiten ihres Mannes nichts zu tun gehabt hätte. Anfang November seien zwei Männer auf die Beschwerdeführerin zugekommen und hätten dieser Geld angeboten, da sie ihren Mann verloren hätte; die Beschwerdeführerin habe dieses Geld jedoch nicht angenommen; zwei Wochen später seien die Männer wieder gekommen und hätten die Beschwerdeführerin gefragt, ob sie Rache am Tode ihres Mannes üben wolle, was diese ebenfalls abgelehnt habe. Am 22.11.2014 seien die erwähnten Personen neuerlich zur Beschwerdeführerin gekommen und hätten dieser gesagt, dass sie Rache ausüben müsse und man ihr dabei helfen würde. Die Beschwerdeführerin habe sich daraufhin an die Polizei gewandt, wo ihr mitgeteilt worden sei, sie solle am Montag wiederkommen und alles dem örtlichen Polizisten erzählen; bis dahin solle sie sich nicht zu Hause aufhalten, da man ihr keinen Schutz gewähren könne. Auf Rat ihres Onkels sei die Beschwerdeführerin daraufhin aus ihrer Heimat geflüchtet.

Am 25.03.2015 wurde die Beschwerdeführerin im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die russische Sprache und eines Rechtsberaters niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und ausführlich zu ihren Fluchtgründen sowie zu ihren Lebensumständen in Dagestan und in Österreich befragt vergleiche Seiten 41 ff des Verwaltungsaktes). Anlässlich ihrer Einvernahme legte die Beschwerdeführerin ein Schreiben

der römisch 40 vom 17.03.2015, eine Deutschkursteilnahmebestätigung vom 23.03.2015, eine psychologische Bestätigung der römisch 40 vom 16.03.2015 sowie einen russischsprachigen Internetartikel vor.

Mit Eingabe vom 31.03.2015 wurde die Vollmacht eines Rechtsanwaltes bekannt gegeben. Mit Eingabe vom 22.04.2015 brachte dieser eine schriftliche Stellungnahme zu den im Rahmen der Einvernahme vom 25.03.2015 ausgehändigten Länderberichten ein. Verwiesen wurde insbesondere auf den vorgelegten Internetbericht vom 25.01.2014, welcher über jene Antiterror-Operation berichten würde, im Zuge derer der Mann der Beschwerdeführerin getötet worden sei vergleiche Verwaltungsakt, Seiten 183 ff).

Am 23.06.2015 fand im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine ergänzende Einvernahme der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde statt vergleiche Verwaltungsakt, Seiten 193 ff).

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2015, Zl. 1046766007-140228856, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 29.11.2014 gemäß Paragraph 3, Absatz 1 in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 8, Absatz 1 in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß Paragraphen 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz 1 Ziffer 3 AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, (BFA-VG) idgF, wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation gemäß Paragraph 46, FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin wurde gemäß Paragraph 55, Absatz 1 bis 3 mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt römisch III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging in seiner Entscheidungsbegründung von einer Unglaubwürdigkeit des seitens der Beschwerdeführerin vorgebrachten Sachverhaltes aus. Insbesondere habe mangels Vorlage dahingehender Dokumente nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich die Witwe des von ihr genannten Mannes sei. Auch darüber hinaus würde das Vorbringen der Beschwerdeführerin näher dargestellte Ungereimtheiten aufweisen und stünde dieser auch im Falle des tatsächlichen Erlebens dieses Sachverhaltes die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes offen vergleiche Verwaltungsakt, Seiten 272 ff).

1.3. Gegen den angeführten Bescheid wurde mit am 13.08.2015 eingelangten Schriftsatz fristgerecht das Rechtsmittel einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht im vollen Umfang erhoben vergleiche Verwaltungsakt, Seiten 323 ff). Geltend gemacht wurden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin bereits am 24.07.2015 ein Originalkuvert, in dem sich ihre Heiratsurkunde befunden hätte, bei der Behörde abgegeben hätte, dies sei jedoch im angefochtenen Bescheid vollends unberücksichtigt geblieben. Andernfalls hätte die Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich mit der von ihr genannten Person verheiratet gewesen sei und sich die von ihr dargelegte Bedrohungssituation als glaubhaft darstelle.

1.4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 17.08.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Im Rahmen einer Urkundenvorlage vom 11.09.2015 wurde die Heiratsurkunde der Beschwerdeführerin in beglaubigter Übersetzung (Kopie) übermittelt.

1.5. Am 16.12.2015 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführerin, ihr damaliger rechtsfreundlicher Vertreter sowie eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, hatte aber bereits zuvor mit Eingabe vom 26.11.2015 schriftlich mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:

"( )

RI: Möchten Sie dem bisherigen Verfahren etwas hinzufügen bzw. etwas korrigieren?

BF: Ja, ich möchte etwas hinzufügen. Nach meinem zweiten Interview am zweiten August mussten meine Mutter und mein Sohn die Stadt römisch 40 verlassen. Sie waren gezwungen, in ein Dorf zu ziehen und ich habe keinen Kontakt mit ihnen. Aber mein Sohn ruft in der Stadt die Verwandten an und ich erfahre über die Verwandte wie es ihnen geht.

RI: Wieso mussten Ihre Mutter und Ihr Sohn die Stadt verlassen?

BF: Ich weiß es nicht, was passiert ist. Ich kann sie nicht konkret danach fragen, weil ich keinen direkten Kontakt zu ihnen hatte. Davor hatten wir wenigstens Kontakt per Skype.

RI: Wäre es nicht naheliegend gewesen, die Verwandten zu fragen, weshalb Ihre Mutter und Ihr Sohn die Stadt verlassen mussten?

BF: Mein Bruder, mit dem ich Kontakt habe, sagt, dass es ihnen gut geht, aber über den Grund redet er nicht. Nachgefragt gebe ich an, er sagt nur, es ist alles normal, es ist alles in Ordnung. Sie wohnen dort bei den Verwandten. Vielleicht will er nicht, dass ich mir Sorgen mache.

RI: Sie haben angegeben, dass Ihr Sohn bei den Verwandten anruft. Daraus schließe ich, dass er eine Telefonnummer hat.

BF: Ja, hat er.

RI: Warum haben Sie dann niemals probiert, Ihren Sohn anzurufen?

BF: Das ist sehr teuer. Ich habe schon mit ihnen gesprochen, aber sie sagen auch zu mir am Telefon es ist alles in Ordnung. Nachgefragt gebe ich an, ich habe lediglich mit den Verwandten gesprochen. Die Mobiltelefone haben dort keinen Empfang, wo mein Sohn sich aufhält. Ich kann mit ihnen nicht reden, nur über die Verwandte. Über Festnetz telefonieren sie miteinander und ich kann ihn nicht erreichen.

RI: Das heißt, es gibt auch einen Festnetzanschluss bei Ihrem Sohn?

BF: Von der Post.

RI: Wenn die eigene Mutter und der eigene Sohn die Ortschaft, in der sie leben, verlassen müssen, würde es doch der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen, dass man als Tochter bzw. Mutter alles unternimmt, um die wahren Hintergründe einer solchen Übersiedlung zu erfahren.

BF: Ich frage Verwandte danach und sie sagen, dass meine Mutter und mein Sohn sich so sicherer fühlen und ruhiger sind. Sie fühlen sich sicherer im Dorf, dort wo sie sich jetzt aufhalten bei den Verwandten, als Zuhause in der Stadt.

RI: Haben Ihre Verwandten von irgendeiner Form von Verfolgung gesprochen, die sich auf Ihr Kind bzw. Ihre Mutter bezieht.

BF: Mir hat man so etwas nicht gesagt, vielleicht, aber ich weiß nichts davon. Sie sagen nur, dass es ihnen dort besser geht und sie sich dort sicherer fühlen.

RI: Bitte nennen Sie mir die Daten Ihrer Eltern und Ihres Sohnes.

BF: römisch 40 heißt mein Vater, er ist am römisch 40 geboren und er ist am römisch 40 gestorben. Er hatte Lungenkrebs. Die Jahre vor seinem Tod lebte er in römisch 40 und dort lebte er mit meiner Mutter zusammen. Meine Mutter heißt römisch 40 ist am römisch 40 geboren und lebt noch immer. Mein Sohn heißt römisch 40 und ist am römisch 40 geboren.

RI: Sind oder waren Sie verheiratet?

BF: Ja, ich war verheiratet nach unserer moslemischen Tradition als Zweitfrau.

RI: Das heißt, die erste Frau hat noch gelebt?

BF: Ja, sie lebt noch.

RI: Wie heißt die erste Frau?

BF: Ich kenne sie nicht. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Mann mit zwei Ehefrauen gleichzeitig verheiratet war. Offiziell (staatlicher Seite) war er nur mit der ersten Frau verheiratet.

RI: Haben Sie Ihren Mann nie nach dem Namen der Erstfrau gefragt?

BF: Ich weiß, dass sie römisch 40 heißt, aber ich habe sie nie gesehen.

RI: Hat Ihr Mann mit dieser Frau zusammengelebt?

BF: Mit ihr und auch mit mir.

RI: Wie kann ich mir das vorstellen, ein Wochenende da und ein Wochenende woanders?

BF: Er rief und sagte, ich komme heute nicht nach Hause. Ich bleibe dort. Er war manchmal da und manchmal dort.

RI: Wo hatte Ihr Mann seinen Hauptwohnsitz?

BF: In BXXXX.

RI: Wo verbrachte Ihr Mann die meiste Zeit seines Lebens?

BF: Dort und bei mir, gleich viel.

RI: Das heißt, Ihr Mann verbrachte die meiste Zeit seines Lebens im Nordkaukasus?

BF: Er hat sich die ganze Zeit in Dagestan aufgehalten. Nachdem unser Sohn auf die Welt kam, war er mehrheitlich bei uns.

RI: Hat Ihr Mann längere Zeit außerhalb des Nordkaukasus gelebt?

BF: Nachdem unser Sohn geboren ist, 2005, und seine Organisation zugesperrt hat, wo er gearbeitet hat, ist er nach Moskau gefahren, um dort Geld zu verdienen.

RI: Wie lange hatten Sie Kontakt mit Ihrem Mann?

BF: Bis 2010, er ist auch einige Male nach Hause gekommen. Jeden Monat schickte er das Geld und rief uns regelmäßig an.

RI: Hatten Sie ab 2010 in irgendeiner Form Kontakt?

BF: Nein, ich hatte keinen Kontakt mehr. Er hatte kein Geld geschickt und nicht mehr angerufen, gar nichts.

RI: Wie ging Ihre Eheschließung von statten? Wie hat sich das abgespielt? Wie wurde die Ehe geschlossen?

BF: Er kam zu meinem Vater und hat um meine Hand angehalten. Ich habe auf dem Markt gearbeitet, und ich habe ihn dort kennengelernt.

RI: Wie haben Sie dann geheiratet, nur im Beisein des Vaters?

BF: Mein Vater hat der Ehe zugestimmt und dann hat mein Vater, so ist das bei uns üblich, diese Rechte, die Familie zu vertreten an meinen Onkel gegeben und mein Onkel ging mit dem Bräutigam und mit seinen Verwandten und Familienmitgliedern in eine Moschee und dort haben sie die Ehe ohne meine Anwesenheit geschlossen. Der Imam ist dann alleine zu mir gekommen, zu uns nach Hause und hat mich dann alleine gefragt, ob ich damit einverstanden bin. So läuft das bei uns ab.

RI: Gab es darüber eine Urkunde?

BF: Ja, von der Moschee. Ich habe auch eine Kopie hier, wenn Sie diese brauchen.

RI: Laut Beschwerde vom 13.08.2015 hätten Sie eine Heiratsurkunde persönlich bei der belangten Behörde am 24.07.2015 abgegeben. Ein solches Schriftstück befindet sich aber nicht im Akt.

BF: Über den Anwalt habe ich das gemacht.

RI: Laut Beschwerde hätten Sie es persönlich abgegeben.

Regierungsvorlage, Richtig ist, dass das die Kanzlei abgegeben hat.

Der Regierungsvorlage legt eine Kopie des Schreibens vom 24.07.2015 vor.

RI: Ihr Bruder römisch 40 hat angegeben, dass der gemeinsame Vater seit 2005 vermisst wäre sowie dass die Mutter am 18.08.1999 bei einem Raketenbeschuss durch Splitterverletzung gestorben wäre. Was sagen Sie dazu?

BF: Er ist mein Bruder. Er sagt mir nicht, was er warum macht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich die Wahrheit sage. Er ist mein leiblicher Bruder. Wir haben die gleichen Eltern.

RI: Schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf, bis zu dem Zeitpunkt, wo Ihre Probleme begonnen haben.

BF: Ich bin am römisch 40 geboren. Von 1989 bis 1995 habe ich nach dem Schulabschluss an der pädagogischen Hochschule studiert. Ich habe die Ausbildung als Vorschullehrerin gemacht. Nach dem Abschluss der Ausbildung habe ich leider keinen Tag in meinem Beruf gearbeitet, es gab keine Arbeit. Ich habe als Verkäuferin gearbeitet und Frauentücher verkauft. Im Jahr 2000 habe ich geheiratet und 2005 ist mein Sohn geboren. Auch danach, nach dem der Kontakt zu meinem Mann abgebrochen ist, habe ich weiter auf dem Markt gearbeitet.

RI: Haben Sie in dieser Zeit alleine gelebt?

BF: Ja, mit meinem Sohn alleine, und nachdem wir keinen Kontakt mehr hatten, habe ich meinen Sohn in den Kindergarten gegeben und manchmal war er bei meiner Mutter und ich habe gearbeitet. Und genau an meinem Geburtstag, am römisch 40 , hat man gezeigt, dass auf der römisch 40 eine Spezialoperation stattgefunden hat und mein Mann mit zwei anderen umgebracht wurde.

RI: Was war das für eine Operation?

BF: Man hat gesagt, dass es eine Spezialoperation wegen Wahabiten gewesen ist.

RI: Die Behörden haben einen terroristischen Hintergrund vermutet, aber keinen einfach kriminellen.

BF: Ja, das stimmt.

RI: Wie ging es dann weiter?

BF: Am nächsten Tag ist die Polizei zu mir gekommen. Ich wurde mitgenommen und drei Tage lang festgehalten und immer wieder befragt. Mein Sohn wurde sogar gefragt. Er war aber bei meiner Mutter. Er hat sich natürlich sehr geschreckt und hat geweint und die Nachbarin hat ihn dann zu meiner Mutter gebracht. Drei Tage, nachdem sie verstanden haben, dass ich nichts weiß, haben sie mich freigelassen. Danach habe ich meine Wohnung gewechselt. Ich habe weiter am Markt gearbeitet, bis November. Anfang November kamen zwei

Männer zu mir nach Hause und haben gefragt: "Ja, wie lebst du jetzt. Du bist alleine jetzt und hast einen Sohn und wir haben beschlossen, dir zu helfen." Sie haben Geld gebracht. Ich habe natürlich nein gesagt. Ich kannte sie nicht. Ich habe sie zuvor nie gesehen, deshalb habe ich mich bedankt, aber habe das Geld nicht angenommen. Ich habe abgelehnt. Ungefähr nach zwei Wochen kamen sie wieder. Dann haben sie schon nach meinem Mann gefragt, mein Mann wurde umgebracht "Was glaubst du warum, weshalb?": Ich kannte ihn aber ganz anders. Ich wusste nicht, dass er etwas mit den radikalen Islamisten zu tun hatte. Ich ging immer ohne Kopftuch und auch mit kurzen Ärmeln angezogen, ganz normal. Deshalb sagte ich, dass ich nichts vorhabe und dass ich überhaupt nicht darüber reden will. Nach drei Tagen kamen sie untertags und dann sagten sie, "Du musst dich rächen für ihn. Du musst nur überlegen, wie Du das machst und wir werden Dir helfen." Da habe ich mich natürlich sehr erschreckt. Dann nahm ich meinen Sohn und ging zu meiner Mutter. Dort überlegten wir gemeinsam, was wir machen, was wir tun konnten. Meine Mutter hat vorgeschlagen, dass wir zur Polizei gehen, dass sie uns vielleicht helfen können. Wir gingen zur Polizei, aber das war am Samstag und es war nur ein Polizist, der Dienst hatte. Er hat gesagt, er kann jetzt nichts tun, er hat keine Leute und sie können mir keinen Schutz geben, deshalb sollte ich schauen, dass ich nicht alleine bleibe. Er hat mir empfohlen, am Montag zum Bezirkspolizisten, der für uns zuständig ist, zu gehen und ihm von meinem Problem zu berichten. Dann hat meine Mutter den Bruder angerufen. Er ist gekommen. Wir haben ihm alles erzählt und am nächsten Tag, das war schon der 23. ist er wiedergekommen und hat gesagt, dass es keinen Sinn hat, mit diesen Leuten, den Unbekannten, die zu mir kamen, zu reden und dass es für mich das Beste wäre, so weit wie möglich wegzugehen. Er ist der Älteste bei uns in der Familie, sozusagen das Familienoberhaupt und wir gehorchen ihm. Nachgefragt gebe ich an, wir sind dann nicht zur Polizei gegangen, nur am Samstag. Sie hätten sowieso nichts machen können.

RI: Wieso hätten die nichts machen können?

BF: Weil sie könnten sie auch nicht einfach so verhaften. Erstens einmal haben sie überall ihre Leute und wie könnten sie sie einfach so verhaften. Das wäre gar nicht möglich gewesen.

RI: Gesetzt den Fall, Ihre Geschichte ist glaubhaft, ist es dann richtig, wenn ich sie wie folgt zusammenfasse: Sie waren mit einem vermeintlichen Islamisten in Zweitehe verheiratet, haben mit ihm seit 2010 keinen Kontakt mehr. 2014 wurde dieser Mann erschossen. Es erfolgten Rekrutierungsversuche durch mutmaßliche andere Islamisten. Von Drohungen seitens dieser Islamisten haben Sie bisher nichts gesagt. Es erfolgten Verhöre von Seiten der Polizei bzw. Miliz Ihren Mann betreffend. Im Zuge dieser Verhöre wurde Ihrerseits von Gewaltanwendung nichts berichtet. Nachdem sie die Rekrutierungsversuche durch die Islamisten den Behörden gemeldet haben, hat man Ihnen gesagt, Sie sollen sich nach dem Wochenende wieder melden, zwischenzeitlich sollten Sie vorsichtig sei, man könne Ihnen aber ad hoc keinen Personenschutz zuteilen. Stimmt das, was ich gesagt habe?

BF: Ja, das stimmt.

R an Regierungsvorlage, Sehen Sie das als asylrelevant?

Regierungsvorlage, So wie es die BF schildert, natürlich nicht.

BF: Wenn sie erfahren hätten, dass ich zur Polizei ging, hätte das schlimme Folgen für mich gehabt.

RI: Haben Sie der Polizei Namen genannt?

BF: Ich kenne sie doch nicht, wie soll ich Namen sagen. Ich habe sie doch nur einmal gesehen. Ich kannte ihre Namen nicht.

RI: Es ist allgemein bekannt, dass die russischen Sicherheitsbehörden rigoros gegen Islamisten vorgehen. Daher ist davon auszugehen, dass sie Rekrutierungsversuchen wohl nachgehen werden und nicht untätig geblieben wären.

BF: Ja, aber ich sollte an mich denken und an mein Kind denken, weil wenn sie erfahren hätten, dass ich zur Polizei ging, hätte ich mich dafür verantworten müssen. Auch wenn sie verhaftet worden wären, haben sie ja noch andere Leute. Außerdem hätten sie dann gegen Bezahlung freikommen können. Ich habe nicht abgewartet, bis etwas passiert.

RI: Wurde die Erstfrau Ihres Mannes in irgendeiner Form kontaktiert oder bedroht?

BF: Ich weiß es nicht. Ich kenne sie doch nicht. Ich habe sie nie gesehen.

RI: Hat Sie das nie interessiert, wer das ist?

BF: Es war schon interessant, aber ich habe keine Nachforschungen mehr angestellt, weil ich nicht wollte, dass es irgendwelche Folgen hat.

RI: Ist Ihnen bekannt, dass Ihr Sohn bzw. irgendwelche andere Verwandte seitens der Islamisten bzw. von Seiten der Behörde kontaktiert oder bedroht wurden?

BF: Ich habe keine Information darüber. Mein Sohn ist doch nur 10 Jahre alt. Dem Onkel, der mich hergeschickt hat, hat man Ende Jänner sein Auto angezündet.

RI: Kennen Sie die Hintergründe dieser Tat?

BF: Das waren sicher diese Leute, aber man keine Bestätigungen oder Beweise dafür kriegen. Er hat sein Auto abgestellt und man hat es in der Nacht angezündet. Man kann es nicht genau sagen. Wer den sonst?

RI: Warum sollten die Islamisten so etwas tun? Man wollte doch Ihr Vertrauen gewinnen.

BF: Vielleicht weil er mich weggeschickt hat.

RI: Wie würden Sie die finanzielle Situation Ihrer Mutter bzw. Ihres Onkels einstufen?

BF: Er ist alleine. Er kann sich selbst versorgen. Für das Kind bekommt meine Mutter eine Sozialhilfe und sie selbst hat auch eine Pension.

RI: Was passierte mit Ihrer Wohnung?

BF: Es war eine Mietwohnung.

RI: Und die Wohnung Ihrer Mutter?

BF: Sie ist zugesperrt. Es handelt sich um eine Eigentumswohnung.

RI: Wo lebt Ihre Mutter jetzt?

BF: Sie wohnt im Dorf bei den Verwandten.

RI: Sind Sie arbeitsfähig?

BF: Ja, ich verteile hier auch die Zeitungen. Mein Bruder hat mir geholfen, diesen Job zu finden und ich könnte mich auch selber hier versorgen. (Auf Deutsch): Am 10. Dezember hatte ich eine Prüfung. Die Noten hat man noch nicht gesagt, aber die Frau hat gesagt, dass die Prüfung positiv ist.

RI: Welche privaten oder familiären Bindungen haben Sie in Österreich?

BF: Mein Bruder lebt hier seit 11 Jahren schon. Er ist verheiratet. Seine Frau arbeitet und ist Krankenschwester. Mein Bruder arbeitet bei römisch 40 als Kontrollor. Er kontrolliert, ob Zeitungen richtig ausgetragen wurden.

RI: Welche Bindungen haben Sie in Österreich? Schildern Sie mir Ihr Privat- und Familienleben.

BF: Bis jetzt habe ich mich hauptsächlich mit der deutschen Sprache beschäftigt. Ich habe Deutsch gelernt. Mein Bruder hat eine dreijährige Tochter und ich bin sehr oft bei ihnen. Die Eltern von der Frau sind auch da. Ich habe viel mit ihnen zu tun. Ich brauche natürlich Praxis, um besser Deutsch zu reden und Zuhause mache ich den Haushalt. Ich habe ein Zimmer von der römisch 40 . Bis jetzt wohnte ich alleine, aber jetzt wurde eine Frau bei mir einquartiert. Ich gehe dort spazieren, ich erforsche dort ein wenig die Gegend. Dort gibt es ein Schloss und viele historische Gebäude.

RI: Leiden Sie unter schweren oder chronischen Krankheiten?

BF: Nein, ich habe keine Krankheiten.

RI an Regierungsvorlage, Haben Sie noch weitere Fragen?

Regierungsvorlage Keine Fragen, danke.

Ein Exemplar eines Ländervorhaltes der Russischen Föderation mit Schwerpunkt Dagestan wird der beschwerdeführenden Partei übergeben und gleichzeitig eine Frist zur Stellungnahme von 14 Tagen gewährt. Ein Exemplar wird zum Akt genommen.

In Kopie zum Akt genommen werden folgende Unterlagen: Schriftsatz der Kanzlei römisch 40 vom 24.07.2015, Heiratsurkunde in russischer Sprache samt beglaubigter Übersetzung, Bestätigung über den Besuch des Kurses "Deutsch als Fremdsprache (A2.1)".

RI an BF und Regierungsvorlage, Möchten Sie noch etwas ergänzen?

Regierungsvorlage, Nein, danke.

BF: Nein. Danke, dass Sie mir zugehört haben.

( )"

Mit am 28.12.2015 eingelangten Schriftsatz brachte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin eine schriftliche Stellungnahme zu den im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgehändigten Länderberichten ein, in welcher nochmals darauf hingewiesen wurde, dass die Beschwerdeführerin unter wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung leide und im Falle einer Rückkehr jedenfalls Folter oder menschenunwürdiger Behandlung ausgesetzt wäre. Mit Eingabe vom 26.01.2016 wurde ein Zertifikat über die Absolvierung einer Deutschprüfung Stufe A2 vorgelegt.

1.6. Mit – in Rechtskraft erwachsener – Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.04.2016, Zl. W111 2112420-1/10E, wurde die Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß Paragraph 3, Absatz eins,, Paragraph 8, Absatz eins,, Paragraphen 57 und 55, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 idgF in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG sowie Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2 und Absatz 9,, Paragraph 46,, Paragraph 55, FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Dem angeführten Erkenntnis wurden – neben umfassenden Länderberichten zur entscheidungswesentlichen Situation in der Russischen Föderation – im Wesentlichen die folgenden Feststellungen zu Grunde gelegt:

"( ) Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation respektive Dagestan festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Zudem besteht in der Russischen Föderation respektive Dagestan eine ausreichende medizinische Grundversorgung, weswegen die Beschwerdeführerin hinsichtlich allfälliger psychischer und physischer Leiden ausreichend behandelt werden könnte.

Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Die unbescholtene Beschwerdeführerin lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ein Bruder der Beschwerdeführerin lebt aufgrund eines Aufenthaltstitels nach dem NAG gemeinsam mit seiner Familie in Österreich. Ein gemeinsamer Haushalt oder ein persönliches oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Angehörigen liegt nicht vor. Die Beschwerdeführerin zeigte sich bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen und zur eigenständigen Bestreitung ihres Lebensunterhaltes durch Arbeit als Zeitungsausträgerin beizutragen, doch konnte aufgrund ihrer erst kurzen Aufenthaltsdauer keine nachhaltige Integrationsverfestigung der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet erkannt werden. In der Russischen Föderation leben nach wie vor der zehnjährige Sohn der Beschwerdeführerin, ihre Mutter sowie weitere Verwandte. ( )"

Beweiswürdigend wurden im Wesentlichen die folgenden Erwägungen getroffen:

"( ) Der Einschätzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, wonach der Ausreise der Beschwerdeführerin kein asylrelevanter Sachverhalt zugrunde liegt, muss sich nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung im Ergebnis auch das Bundesverwaltungsgericht anschließen, zumal auch aus den Angaben der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Befragung vor dem Bundesverwaltungsgericht keine dieser im Falle einer Rückkehr drohende Verfolgung erheblicher Intensität ableitbar ist:

Die Beschwerdeführerin machte als ihren Fluchtgrund zusammenfassend geltend, Zweitfrau eines Mannes gewesen zu sein, welcher – als vermeintlicher Widerstandskämpfer – im Jänner 2014 im Zuge einer Antiterroroperation durch staatliche Behörden getötet worden sei. Die Beschwerdeführerin hätte seit dem Jahr 2010 keinerlei Kontakt mehr zu ihrem Mann gehabt. Sie wäre infolge seines Todes seitens der Polizei verhört und für drei Tage festgalten worden, doch habe man sie freigelassen, als klar geworden wäre, dass sie nicht in die Geschehnisse involviert gewesen sei. Zu Gewaltanwendung anlässlich der Verhöre sei es nicht gekommen, auch berichtete die Beschwerdeführerin von keinen weitergehenden Problemen mit staatlichen Behörden. Einige Monate später sei es zu Anwerbungsversuchen seitens zweier Islamisten gekommen, welche die Beschwerdeführerin aufgefordert hätten, für den Tod ihres Mannes Rache zu üben. Von konkret erfolgten Drohungen gegenüber ihrer Person in diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin nichts berichtet. Nachdem die Beschwerdeführerin sich unmittelbar nach dem zweiten – an einem Wochenende erfolgten – Anwerbungsversuch der unbekannten Männer an die Polizei gewandt hätte, habe ihr der diensthabende Beamte mitgeteilt, am Montag, dem folgenden Werktag, nochmals vorstellig zu werden und bis dahin Vorsicht walten zu lassen. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin ihre Heimat auf Anraten ihres Onkels noch am gleichen Wochenende verlassen.

Die Beschwerdeführerin machte mit diesem Vorbringen – selbst im Falle seiner Wahrunterstellung – keine ihr im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Motiven glaubhaft.

Vorweg bleibt festzuhalten, dass im Gegensatz der Erwägungen der belangten Behörde aufgrund der in Kopie vorgelegten Heiratsurkunde in Zusammenschau mit den dahingehenden Angaben der Beschwerdeführerin, als glaubwürdig erachtet wird, dass diese mit dem von ihr genannten Mann als dessen Zweitfrau verheiratet gewesen ist.

Weiters ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ausdrücklich festhielt, infolge des Todes ihres Mannes keinen nachhaltigen Problemen mit staatlichen Behörden ausgesetzt gewesen zu sein. Zwar sei es – bereits mehrere Monate vor ihrer Ausreise – zu einer dreitägigen behördlichen Anhaltung und Befragung ihrer Person gekommen, doch sei es im Zuge dessen zu keiner Gewaltanwendung gekommen, man habe die Beschwerdeführerin freigelassen, als klar geworden wäre, dass sie in die Geschehnisse rund um ihren Mann nicht eingeweiht gewesen sei. In weiterer Folge sei es zu keinen Behördenkontakten mehr in diesem Zusammenhang gekommen. Vor diesem Hintergrund kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr allenfalls Probleme mit staatlichen Behörden aufgrund ihrer Angehörigeneigenschaft zu dem Anfang 2014 getöteten Mann drohen würden und machte auch die Beschwerdeführerin selbst im Verfahrensverlauf keine derartigen Befürchtungen geltend.

Ihren Ausreiseentschluss stützte sie vielmehr auf eine ihr seitens dem Kreis der Islamisten angehöriger Privatpersonen drohende Verfolgung aufgrund ihrer Weigerung, für den Tod ihres Mannes Rache üben zu wollen.

Hierzu ist zunächst anzumerken, dass die Beschwerdeführerin die Kontakte zu den betreffenden Personen lediglich in vager Weise beschrieb und sich aus den geschilderten Situationen – auch wenn sie sich tatsächlich in der von der Beschwerdeführerin dargelegten Form zugetragen hätten – keine dieser mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung ableiten lässt. Die Beschwerdeführerin gab nicht an, dass es seitens der betreffenden Personen tatsächlich zu konkreten Drohungen gegen ihre Person gekommen sei, weshalb ihre Befürchtungen in diesem Zusammenhang als vage und überwiegend spekulativ einzustufen sind.

Anzumerken bleibt in diesem Kontext, dass aus dem seitens der Beschwerdeführerin geschilderten zuletzt erfolgten Umzug ihrer Mutter und ihres Sohnes in ein Dorf zu deren Verwandten kein Zusammenhang zu einer der Beschwerdeführerin allenfalls drohenden Verfolgungsgefahr erkannt werden kann. Die Angaben der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu diesem Themenkreis blieben durchwegs vage und konnte diese auf entsprechende Nachfrage hin keinerlei nähere Angaben zu den Gründen des Umzuges machen, auch seitens ihrer Verwandten sei ihr nichts mitgeteilt worden, was auf eine allenfalls erfolge Bedrohung ihrer Angehörigen, geschweige denn einen Konnex zu den seitens der Beschwerdeführerin geschilderten Ereignissen, schließen ließe. Insofern die Beschwerdeführerin annimmt, dass ihre Verwandten ihr die wahren Gründe des Umzuges möglicherweise nicht mitteilen würden, um sie nicht zu beunruhigen, so handelt es sich hierbei um eine rein spekulative Vermutung der Beschwerdeführerin.

In gleicher Weise vage wurde auch der Umstand des Anzünden des Autos ihres Onkels geschildert. Die Beschwerdeführerin konnte auch diesbezüglich keinerlei nähere Angaben machen, noch ergaben sich Hinweise darauf, dass dieser Vorfall – sollte er sich tatsächlich ereignet haben – im Zusammenhang mit den seitens der Beschwerdeführerin vorgebrachten Fluchtgründen gestanden hätte.

Im Falle einer tatsächlichen Furcht vor Übergriffen seitens der Islamisten stünde der Beschwerdeführerin jedenfalls auch die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes offen, aus der Schilderung der ihrer Ausreise vorangegangenen Ereignisse ergibt sich in keiner Weise ein gegenteiliges Bild. So brachte die Beschwerdeführerin vor, sich unmittelbar infolge der zweiten Kontaktaufnahme seitens der Männer, an einem Wochenende, an die Polizeidienststelle gewandt zu haben. Dort habe ihr der diensthabende Beamte des Journaldienstes mitgeteilt, dass sie am folgenden Montag zwecks Erstattung einer Anzeige vor dem örtlich zuständigen Polizisten vorsprechen solle. Man habe ihr geraten, sich vorerst nicht zuhause aufzuhalten, da man ihr aufgrund der personellen Situation keinen unmittelbaren Personenschutz gewähren könne. Aus diesem Vorbringen ergibt sich keineswegs, dass die Behörden im Falle der Beschwerdeführerin nicht schutzwillig oder schutzfähig gewesen wären vergleiche auch unter Punkt 3.2.). Vielmehr ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass die russischen Behörden gezielt gegen mögliche Islamisten vorgehen würden, weshalb keinesfalls davon ausgegangen werden kann, dass die Anzeige der Beschwerdeführerin unbeachtet bliebe und ihr staatlicher Schutz verwehrt würde. Der Beschwerdeführerin wäre es auch jedenfalls zumutbar gewesen, bis zum folgenden Werktag mit der Erstattung einer Anzeige zuzuwarten.

Im gesamten Verfahrensverlauf ergaben sich überdies keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher die Gewährung subsidiären Schutzes erforderlich machen würde. Die Beschwerdeführerin gab anlässlich der zuletzt vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehaltenen mündlichen Verhandlung an, an keinen schwerwiegenden oder chronischen Krankheiten zu leiden, im Herkunftsstaat eine Ausbildung absolviert zu haben, am Erwerbsleben teilnehmen zu können und über ein verwandtschaftliches Netzwerk zu verfügen. ( )"

2. Zweites Verfahren auf internationalen Schutz:

2.1. Am 29.09.2016 stellte die Beschwerdeführerin einen zweiten, den nunmehr verfahrensgegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem sie am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Nach den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung befragt, gab die Beschwerdeführerin zusammenfassend an, Österreich seit der rechtskräftigen Entscheidung über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht verlassen zu haben; sie hätte erst vergangenen Dienstag erfahren, dass ihr Antrag negativ beschieden worden sei. Zwischenzeitlich sei ihr Onkel in Dagestan angegriffen worden, indem ihm ein Sack über den Kopf gezogen worden sei und er mit einem Messer dahingehend bedroht worden wäre, dass die Beschwerdeführerin zurückkommen solle. Dies habe sich im März sowie Anfang dieses Monats zugetragen. Auch die Mutter der Beschwerdeführer sei gefährdet gewesen, bedroht zu werden, weshalb sie mit ihrem Sohn in ein etwas entfernteres Dorf gezogen wäre. Auch würden immer wieder Leute nach dem Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin fragen, da man sie seit längerem nicht mehr gesehen hätte. Die Beschwerdeführerin befürchte, im Falle einer Rückkehr neuerlich verfolgt zu werden und einen Racheakt ausüben zu müssen. Die radikalen Islamisten könnten sie quälen oder sogar töten. Befragt, seit wann ihr die Änderung ihrer Fluchtgründe bekannt wäre, gab die Beschwerdeführerin an, die radikalen Islamisten seien Anfang September bei ihrem Onkel gewesen und hätten verlangt, dass die Beschwerdeführerin zurückkomme und die am 22. oder 23. November 2014 bei der Polizei in römisch 40 erstattete Anzeige zurückziehe.

Am 27.06.2017 wurde die Beschwerdeführerin im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache im Rahmen des Parteiengehörs niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Die Befragung der Beschwerdeführerin nahm in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

"( )

F: Haben Sie irgendwelche gesundheitlichen Beschwerden? Sind Sie in ärztlicher Behandlung oder nehmen Sie derzeit Medikamente ein?

A: Ich habe eine Herzarrhythmie, ich nehme täglich Medikamente, ich bin bei römisch 40 in römisch 40 .

F: Haben Sie da Unterlagen darüber?

A: Ich habe keine Unterlagen. Mein Arzt war nicht da und die Sprechstundenhilfe hat gesagt, sie können mir keine Unterlagen geben.

F: Wenn Sie tatsächlich Herzprobleme haben, benöte ich ein Attest darüber.

Anmerkung: Der VP wird eine Frist von 2 Wochen bis zum 11.07.2016 erteilt, um die Unterlagen über die ärztlichen Behandlungen und die Medikamente nachzureichen.

A: Ich werde das nachreichen.

F: Wie lange haben Sie diese Herzarrhythmie schon?

A: Seit mehr als 2 Jahren, aber man konnte lange nicht feststellen, warum ich die Beschwerden habe, seit einem Jahr habe ich die Diagnose. Zu Hause in Russland hatte ich noch keine Beschwerden.

F: Seit wann nehmen Sie Medikamente?

A: Seit einem Jahr.

( )

F: Sind alle Angaben, die Sie bisher vor Behörden und Dienststellen in Österreich gemacht haben, richtig und wahrheitsgetreu?

A: Ja.

( )

F: Wurden alle Ihre Angaben richtig und vollständig protokolliert und rückübersetzt?

A: Ja.

F: Halten Sie die Angaben aufrecht?

A: Ja, es sind bis dato immer noch die gleichen Probleme.

( )

F: Aus welchen Mitteln haben Sie den Lebensunterhalt in Russland bestritten?

A: Ich habe als Verkäuferin gearbeitet.

F: Was haben Sie sonst noch immer gearbeitet und wann?

A: Ich habe immer als Verkäuferin gearbeitet. Ungefähr von 1993 – 2014 habe ich gearbeitet, aber ich bin ca. 3 Jahre zu Hause geblieben, als mein Sohn noch klein war.

Leben in Österreich / Integration

F: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf?

A: Seit 29. November 2014.

F: Haben Sie Österreich seither jemals verlassen?

A: Nein.

F: Was haben Sie seither in Österreich gemacht? Wie verbringen Sie Ihren Tag?

A: Ich habe manchmal über die römisch 40 Nachbarschaftshilfe Arbeit bekommen und ich habe meinen Bruder geholfen. Er arbeitet bei der Firma römisch 40 , er überwacht die Zusteller, ich habe als Zeitungsausstellerin ausgeholfen, wenn einer der Zusteller nicht da war. Sonst habe ich noch Deutsch gelernt.

F: Wo wohnen Sie? Schildern Sie Ihre Wohnverhältnisse (Wo, mit wem, wer zahlt das?).

A: Ich wohne in einer XXXXunterkunft.

F: Aus welchen Mitteln bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich?

A: Ich lebe von der Grundversorgung.

F: Erhalten Sie sonst von jemandem Unterstützung?

A: Mein Bruder hilft mir.

F: Verfügen Sie selbst über Mittel zur Bestreitung Ihres Lebensunterhaltes?

A: Nein.

Familie in EU / Österreich

F: Haben Sie Angehörige, Verwandte oder Ihnen nahe stehende Personen in Österreich oder einem anderen Land der EU?

A: Mein Bruder römisch 40 und seine Familie, sonst niemanden.

F: Stehen in Kontakt mit ihnen?

A: Ja.

Familie im Herkunftsstaat

F: Welche Angehörige, Verwandte und Ihnen nahe stehende Personen besitzen Sie noch in Ihrem Heimatland (und wo wohnen diese)?

A:

( )

Meine Mutter wohnt zusammen mit meinem Sohn im Dorf römisch 40 , Dagestan, Russland.

Mein Onkel wohnt in römisch 40 , Dagestan, Russland.

F: Wer hat das Sorgerecht für Ihren Sohn?

A: Meine Mutter in Russland.

F: Was machen Ihre Angehörigen, aus welchen Mitteln bestreiten Sie den Lebensunterhalt?

A: Meine Mutter und mein Onkel sind beide in Pension. Mein Onkel ist 69 Jahre.

F: Stehen Sie mit Ihren Angehörigen oder sonstigen Personen in Ihrem Heimatland in Kontakt? Wie?

A: Ich habe zurzeit mit meinem Onkel Kontakt, weil es im Dorf keine privaten Telefon- oder Internetverbindungen gibt. Wenn meine Mutter und mein Sohn in der Stadt sind, dann können wir auch skypen.

F: Wie geht es Ihren Angehörigen?

A: Sie sind aus der Stadt gezogen, weil sie Angst hatten. Meine Mutter hat eine Wohnung in römisch 40 , die sie jetzt vermietet. Sie bekommt auch noch die Pension und den Unterhalt für meinen Sohn und das reicht, dass Sie über die Runden kommen.

Neuer Asylantrag

F: Wann haben Sie erstmals gedanklich den Entschluss gefasst, einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen?

A: Ich habe im September letzten Jahres diesen Entschluss gefasst, ich habe erst zu diesem Zeitpunkt erfahren, dass ich einen negativen Bescheid bekommen hatte. Mein Anwalt hat mir diesen Bescheid nicht zugestellt und so hatte ich keine Ahnung, dass mein Antrag abgewiesen wurde. Wenn ich früher davon erfahren hätte, dann wäre es nicht so weit gekommen.

F: Was meinen Sie damit, es wäre nicht so weit gekommen?

A: Dann hätte ich Beschwerde einlegen können, das meine ich.

F: Was erwarten Sie sich von Ihrem neuerlichen Asylantrag?

A: Ich kann nicht nach Hause zurück, mein Onkel wird auch bedroht. Ich erhoffe mir Verständnis für meine Situation.

F: Entsprechen alle Angaben, welche Sie bis dato vor Behörden oder Dienststellen in Österreich gemacht haben, der Wahrheit?

A: Ja.

F: Halten Sie die Angaben aufrecht?

A: Ja.

F: Wiederholen Sie Ihre Angaben, welche Sie über Ihre Gründe für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz Sie bei der zweiten Erstbefragung vor der Polizei gemacht haben. Erzählen Sie so, wie Sie es bei der Erstbefragung gesagt haben.

A: Sie sind im März und September letzten Jahres zu meinem Onkel gekommen und haben in bedroht. Sie haben gesagt, dass ich meine Anzeige zurücknehmen soll und dann würden sie mit mir abrechnen. Zuerst haben sie ihm nur mit Worten gedroht und im September haben sie ihn auch noch mit einem Messer bedroht. Sie sagten, ob es ihm nicht reiche, dass sie sein Auto angezündet haben, das nächste Mal würde sein Haus brennen. Mein Sohn will nicht herkommen und ich kann nicht hinüber, das ist sehr schwer für mich. Ich weiß nicht warum mein Sohn nicht herkommen will, er meint, er will lieber bei seiner Großmutter bleiben. Ich habe schon mehrfach versucht zu überreden. Wahrscheinlich hat ihn die Situation verängstigt, er will halt nicht herkommen.

F: Wer ist "sie"?

A: Das sind Radikale, sie sind mit meinem verstorbenen Mann verbunden. Sie wollten mich in ihr Netzwerk heineziehen, als ich noch in der Heimat war. Das sind die gleichen Leute, also von der selben Gruppe, vor denen ich schon das erste Mal geflohen bin.

Nachgefragt: Das sind Radikale, man liest und hört ganz viel über sie, sie sind Syrien-Heimkehrer und handeln gegen die Regierung und die Gesellschaft. Sie schüchtern die ganze Bevölkerung ein.

F: Haben Sie sonst noch etwas über die Gründe, weshalb Sie den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, gesagt?

A: Nein, das war alles.

F: Möchten Sie Ihren Angaben über die Gründe und Vorfälle, weshalb Sie den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, sonst noch etwas hinzufügen?

A: Sie bedrohen mein Leben und missbrauchen meinen Onkel um mich unter Druck zu setzen, sie könnten mich unter Drogen setzen und Gott weiß was mit mir machen, ihnen ist nichts heilig. Ich kann nicht nach Hause zurückkehren, da man mich dort umbringen wird.

F: Möchten Sie Ihren Angaben über die Gründe und Vorfälle, weshalb Sie den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, sonst noch etwas hinzufügen?

A: Nein.

F: Seit wann sind Ihnen die Gründe für Ihren neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz bekannt?

A: Mein Onkel hat mir immer gleich im März und September letzten Jahres davon erzählt. Ich habe das auch meinem Anwalt gesagt, er hat versprochen einen Brief zu schreiben, aber offensichtlich hat er nichts unternommen. Eigentlich hat die Kanzlei römisch 40 einen guten Ruf, aber trotzdem hat man nichts unternommen.

F: Ihre neuen Gründe haben aber mit Ihrem bisherigen Vorbringen zu tun, hängen davon ab, verstehe ich das richtig?

A: Ja genau, das ist sozusagen eine Weiterführung meines ersten Grundes.

F: Gab es seither noch weitere Vorfälle, die Sie veranlasst haben, den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen?

A: Meine Mutter ist ja auch ins Dorf gezogen, weil da Verwandte von uns wohnen, damit sie nicht alleine ist, weil sie Angst hat.

F: Gab es seither noch weitere Vorfälle, die Sie veranlasst haben, den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen?

A: Nein, sonst nichts.

F: Haben Sie noch weitere Gründe, weshalb Sie den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben?

A: Nein.

F: Haben Sie sämtliche Gründe und Vorfälle, welche Sie veranlasst haben, einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, angeführt?

A:Ja.

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, ihre Probleme vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu schildern?

A: Ja.

F: Hat sich an Ihrer persönlichen Situation in Russland etwas geändert, seit Sie das Land verlassen haben?

A: Das was meine Verwandten betrifft, betrifft ja auch mich. Die wirtschaftliche Situation ist schlechter geworden.

F: Hat sich an der allgemeinen Situation in etwas geändert, seit Sie das Land verlassen haben?

A: Nein, es gibt ständig Spezialeinsätze gegen diese Leute, sie werden umgebracht, ins Gefängnis gebracht. Aber es kommen immer wieder welche nach.

F: Hat sich an Ihrem Familienleben in etwas geändert, seit Sie Russland verlassen haben?

A: Nein.

F: Sind Ihre Angaben, die Sie in Ihrem ersten Asylverfahren gemacht haben, richtig und wahrheitsgetreu?

A: Ja, alles.

F: Welche Gründe haben Sie bei Ihrem ersten Asylantrag angegeben?

A: Mich haben die selben Leute verfolgt, die jetzt auch meinen Onkel bedrohen.

F: Was haben Sie nun weiter vor?

A: Ich lebe mich hier gut ein, die Sprachbarriere wird auch kleiner, ich habe vor die B1-Deutschprüfung abzulegen und ich habe das Gefühl, dass ich mich selbst versorgen kann.

F: Wie haben Sie in Zukunft vor, Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten?

A: Ich möchte natürlich arbeiten, ich gluabe, dass ich als Putzfrau sehr wohl Arbeit finden kann und somit sehr wohl meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Vielleicht finde ich auch bei römisch 40 eine Arbeit.

Rückkehr

F: Was erwartet Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Russland ?

A: Ich habe Angst, dass diese Leute mich umbringen oder für ihre Ziele benutzen könnten. Ich erwarte jedenfalls nichts Gutes. Ich habe vor einer physischen Zerstörung meines Lebens Angst. Sie werden von der Polizei sehr verfolgt und fühlen sich darum bedrängt. Ihr

Taktik ist Einschüchterung. Nachgefragt: Ich meine damit auch wieder die radikalen Islamisten.

F: Haben Sie sonst noch Befürchtungen?

A: Nein.

F: Wären Sie abgesehen von der behaupteten Bedrohung wirtschaftlich in der Lage, sich wieder in Russland niederzulassen und selbständig Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten?

A: Ich war ja früher auch in der Lage mich zu versorgen, ich könnte das auch jetzt. Es gibt keine wirtschaftlichen Gründe dafür, dass ich hier bin.

F: Was haben Sie bisher zur Lösung Ihrer Probleme unternommen?

A: Ich habe ja diese Anzeige bei der Polizei erstattet, sonst hätte ich ja nichts tun können.

F. Sie hätten laut Ihrer ersten Einvernahme vor dem Bundesamt die Anzeige am nächsten machen können und an diesem Tag keine gemacht, was sagen Sie dazu?

A: Es war ein Feiertag als ich die Anzeige gemacht habe, der Beamte hat aber gesagt, er kann mir momentan nicht helfen und ich sollte am Montag wieder kommen und das machen.

Vorhalt: Sie haben aber die Anzeige dann nicht gemacht, sondern sind ausgereist, so haben Sie es bei der ersten Einvernahme vor dem Bundesamt angegeben, das hätten Sie aber können.

A: Mein Onkel hat gesagt, die Anzeige würde nichts bringen, es wäre besser, wenn ich das Land verlasse.

F: Wie kann Ihre Familie nach wie vor in Russland leben?

A: Meine Mutter ist ins Dorf gezogen, weil sie sich von den Verwandten dort Schutz vor diesen Leuten erhofft. Mein Onkel überlegt auch schon, wo er hinziehen kann, weil das Leben in der Stadt unmöglich geworden ist.

( )

F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

A: Nein.

[ ]

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstehen können?

A: Ja.

F: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her?

A: Ja.

F: Wollen Sie abschließend noch etwas anführen?

A: Nein.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

Nach erfolgter Rückübersetzung:

F: Wurde Ihnen vom Dolmetscher / von der Dolmetscherin alles korrekt rückübersetzt und Ihre Einvernahme richtig protokolliert?

A: Ja, es passt alles.

F: Möchten Sie etwas berichtigen oder ergänzen? Haben Sie Einwendungen gegen die Niederschrift selbst?

A: Seite 9: Ich möchte noch sagen, dass mein Onkel mir nicht gesagt hat, dass ich das Land verlassen werde, sondern nur, dass ich wegfahre. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich meinen Sohn nicht zurückgelassen. Sonst habe ich keine Einwendungen und möchte auch nichts ergänzen oder berichtigen.

( )"

2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26.07.2017 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom 29.09.2016 in Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 68, Absatz eins, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), Bundesgesetzblatt Nr. 51 aus 1991, idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchpunkt römisch II. wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz 1 Ziffer 3 AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt römisch eins. Nr. 87 aus 2012, (BFA-VG) idgF, wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (FPG) idgF, erlassen. Gemäß Paragraph 52, Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei. In Spruchpunkt römisch III. wurde festgehalten, dass gemäß Paragraph 55, Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde.

Dem angeführten Bescheid wurden Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation respektive Dagestan zugrunde gelegt, aus denen sich auszugsweise Folgendes ergibt:

( )

Sicherheitslage

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Nordkaukasus allgemein

Die patriotische Begeisterung, mit der in Russland die Annexion der Krim einherging, rückte die Sicherheitslage im Nordkaukasus in ein trügerisch positives Licht. Dieser Landesteil ragt in der nachsowjetischen Periode aus dem regionalen Gefüge der Russischen Föderation wie kein anderer hervor, bedingt durch die zwei Kriege in Tschetschenien, anhaltende Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und einem bewaffneten islamistischen Untergrund in weiteren Teilen der Region sowie mannigfache sozial-ökonomische Probleme. Bis vor kurzem rangierte der Nordkaukasus in der Gewaltbilanz des gesamten post-sowjetischen Raumes an oberster Stelle, fielen den bewaffneten Auseinandersetzungen doch jährlich mehrere Hundert Menschen zum Opfer – Zivilisten, Sicherheitskräfte und Untergrundkämpfer. 2014 wurde der Nordkaukasus in dieser Hinsicht von der Ostukraine überholt. Zugleich stufen auswärtige Analysen die Sicherheitslage im Nordkaukasus aber weiterhin mit ‚permanent low level insurgency‘ ein. Im Unterschied zum Südkaukasus mit seinen drei unabhängigen Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) haben externe Akteure und internationale Organisationen kaum Zugang zum Nordkaukasus, dessen Entwicklung als innere Angelegenheit Russlands gilt (SWP 4.2015).

2015 wurden aus dem Nordkaukasus weniger Angriffe bewaffneter Gruppen gemeldet als in den Vorjahren. Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen (AI 24.2.2016).

Während sich die Situation im westlichen Nordkaukasus in den letzten Jahren stabilisiert hat, gibt es immer wieder Meldungen über gewaltsame Vorfälle mit Toten und Verletzten in der Region. Besonders betroffen ist weiterhin die Republik Dagestan. Aber auch in Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Inguschetien kommt es regelmäßig zu gewaltsamen Zwischenfällen, so dass von einer Normalisierung nicht gesprochen werden kann. Anschlagsziele der Aufständischen sind vor allem Vertreter der Sicherheitskräfte und anderer staatlicher Einrichtungen sowie den Extremisten nicht genehme muslimische Geistliche. Auf Gewalt durch islamistische Aufständische oder im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans reagieren die regionalen und föderalen Behörden weiterhin mit Repression. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich dadurch weiter, wobei manche Repressalien - etwa gegen Angehörige angeblicher Islamisten, wie z.B. die Zerstörung ihrer Wohnhäuser - zu einer Radikalisierung der Bevölkerung beitragen und damit die Sicherheitslage weiter eskalieren lassen könnten.

Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass im Nordkaukasus Recht und Gesetz auf beiden Seiten missachtet werden und für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte ein Klima der Straflosigkeit herrsche (AA 5.1.2016).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt. Insbesondere in Dagestan, wo es immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften kommt, ist die Lage weiterhin kritisch. In Tschetschenien hat Ramzan Kadyrov die Rebellen mit Gewalt und Amnestieangeboten dezimiert bzw. zum Ausweichen auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan gezwungen. Anschläge auf den Expresszug nach St. Petersburg im November 2009, die Moskauer Metro im April 2010, den Moskauer Flughafen Domodedovo im Jänner 2011 (mit zwei österr. Staatsbürgern unter den Opfern) sowie im Oktober und Dezember 2013 in Wolgograd zeigten, dass die Gefahr des Terrorismus auch Zentralrussland betrifft (ÖB Moskau 10.2015).

Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar, sowie die Extremisten im Nordkaukasus, die ihre Loyalität gegenüber dem IS bekundet haben. Der Generalsekretär des russischen Nationalen Sicherheitsrats Nikolai Patrushev sprach von rund 1.000 russischen Staatsangehörigen, die an der Seite des IS kämpfen würden, der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB Alexander Bortnikov hingegen sprach von mehreren Tausend Kämpfern). Laut einem rezenten Bericht der regierungskritischen Zeitschrift "Novaya Gazeta" nehmen die russischen Sicherheitsdienste diese Abwanderung nicht nur stillschweigend zur Kenntnis, sondern unterstützen sie teilweise auch aktiv, in der Hoffnung, die Chance auf eine Rückkehr der Extremisten aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak zu reduzieren. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresbeginn 2015 liefen rund 60 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf Artikel 58, StGB (Teilnahme an einer terroristischen Handlung), Artikel 205 Punkt 3, StGB (Absolvierung einer Terror-Ausbildung) und Artikel 208, StGB (Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme in ihr). Im nordkaukasischen Kreismilitärgericht wurde Ende August 2015 ein 26-jähriger Mann aus Dagestan wegen Absolvierung einer Terror-Ausbildung, Teilnahme an einer illegalen bewaffneten Gruppierung und illegalen Waffenbesitzes zu 14 Jahren Straflager verurteilt. Der Nordkaukasus ist und bleibt trotz anhaltender politischer wie wirtschaftlicher Stabilisierungsversuche ein potentieller Unruheherd innerhalb der Russischen Föderation. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Extremisten, teils ohne Rücksicht auf Verluste innerhalb der Zivilbevölkerung, trägt zur Bildung neuer Konflikte und Radikalisierung der Bevölkerung bei. Das Risiko einer Destabilisierung steigt darüber hinaus aufgrund der allfälligen Rückkehr von Kämpfern aus Syrien und dem Irak bzw. aufgrund des steigenden Einflusses des IS im Nordkaukasus selbst (ÖB Moskau 10.2015).

Im Jahr 2015 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 258 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 525 Opfer). 209 davon wurden getötet (2014: 341), 49 verwundet (2014: 184) (Caucasian Knot 8.2.2016). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).

Quellen:

http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/35530/, Zugriff 1.6.2016

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 25.5.2016

Dagestan

Die Sicherheitslage in Dagestan bleibt instabil. Den russischen Sicherheitskräften werden schwere Menschrechtsverletzungen bei der Durchführung der Anti-Terror-Operationen in Dagestan vorgeworfen. Diese reichen von der internen Vertreibung von Personen, der Zerstörung von Häusern von Zivilisten, über exzessive Gewaltanwendung bis hin zu Folter und dem Verschwindenlassen von Personen. Das teils brutale Vorgehen der Sicherheitsdienste gekoppelt mit der noch immer instabilen sozialwirtschaftlichen Lage in Dagestan schafft wiederum weiteren Nährboden für die Radikalisierung innerhalb der Bevölkerung. Fast täglich kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Extremisten. Letztere gehörten bis vor kurzem primär zum 2007 gegründeten sogenannten Kaukasus-Emirat, bekunden jedoch vermehrt ihre Loyalität gegenüber dem IS. Die Anhänger des Emirats beanspruchen, den "wahren Islam" in der Region zu vertreten. Die Vertreter des sog. "traditionellen" Islam werden als korrupt angesehen und stehen im Verdacht, der Regierung in Moskau bzw. ihren Repräsentanten in der Region untertan zu sein. Die Erfolge des IS in Syrien und im Irak haben eine starke Anziehungskraft auf die Anhänger des Kaukasus-Emirats – einerseits wandern sie vermehrt in den Nahen Osten ab, um an der Seite des IS zu kämpfen, andererseits haben seit Jahresbeginn 2015 mehrere Kommandeure des Emirats ihre Loyalität gegenüber dem IS in Videos proklamiert. Im Juni 2015 gab der IS die Gründung des sog. Vilayat Kavkaz bekannt. Operativ ist der IS im Nordkaukasus zwar noch nicht in Erscheinung getreten, eine Intensivierung der Propaganda ist jedoch feststellbar. Es bleibt abzuwarten, ob der IS tatsächlich militärische und finanzielle Ressourcen verschieben wird, um im Nordkaukasus operativ tätig zu werden, oder ob der IS das "Vilayat Kavkaz" v.a. zu Propagandazwecken nutzen wird, um seinen globalen Einfluss zu unterstreichen. Die russischen Behörden zeigen sich jedenfalls alarmiert aufgrund dieser Entwicklung (ÖB Moskau 10.2015).

Angesteckt durch die Konflikte in Tschetschenien, hat sich die Sicherheitslage im multiethnischen Dagestan in den letzten Jahren deutlich verschlechtert und bleibt sehr angespannt. Islamistischer Extremismus, Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans, Korruption und organisierte Kriminalität führen zu anhaltender Gewalt und Gegengewalt. Die beinahe täglichen Anschläge von Rebellen richten sich gezielt gegen Sicherheits- und Verwaltungsstrukturen, politische Führungskader, Polizeipatrouillen, Bahnlinien, Gas- und Stromleitungen und öffentliche Gebäude. Die Behörden gehen mit harter Repression gegen Rebellen und deren vermeintliche Anhänger in der Bevölkerung vor (AA 5.1.2016).

Gemäß verschiedenen Quellen ist Dagestan aktuell das Zentrum der Gewalt im Nordkaukasus. Sicherheitskräfte werden für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter illegale Inhaftierungen, gewaltsame Entführungen, außergerichtliche Tötungen, manipulierte Strafprozesse und Folter (SFH 25.7.2014).

2015 gab es in Dagestan 153 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 293), davon 126 Tote und 27 Verwundete (Caucasian Knot 8.2.2016).

Quellen:

http://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/europa/russland/russland-verfolgung-von-verwandten-dagestanischer-terrorverdaechtiger-ausserhalb-dagestans.pdf, Zugriff 1.6.2016

Rechtsschutz/Justizwesen

Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten (rund 1 %) zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen. 2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte. Im Juli stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass wenn der EGMR von einer Konventionsauslegung ausgeht, die der Verfassung der Russischen Föderation widerspricht, Russland in dieser Situation aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Seit Ausbruch der Ukraine-Krise und der daraus resultierenden Konfrontation mit dem Westen laufen in Russland mehrere politisch motivierte Prozesse gegen ausländische Staatsangehörige (z.B. die ukrainische Pilotin Nadja Savchenko), die in einigen Fällen (z.B. ukrainischer Regisseur Oleg Sentsov oder estnischer Sicherheitsbeamter Eston Kohver) bereits zu Verurteilungen geführt haben und an der Unabhängigkeit der russischen Justiz von der Politik zweifeln lassen. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Anklagen wegen Hochverrats gegen russische Staatsangehörige zu beobachten. Diese Prozesse finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und nur wenige Informationen geraten in die Medien (ÖB Moskau 10.2015, vergleiche AA 5.1.2016).

Mehrere aufsehenerregende Prozesse machten 2015 die gravierenden und weit verbreiteten Mängel der russischen Strafjustiz deutlich. Dazu zählten Verstöße gegen den Grundsatz der "Waffengleichheit" und der Einsatz von Folter und anderen Misshandlungen in der Ermittlungsphase. Außerdem wurden unter Folter erpresste "Geständnisse", Aussagen geheimer Zeugen und andere geheime Beweise, die die Verteidigung nicht anfechten konnte, vor Gericht zugelassen und Angeklagten das Recht auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert. Weniger als 0,5% der Verfahren endeten mit einem Freispruch (AI 24.2.2016).

Im November 2013 ist in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit denen man die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreichen wolle und die darauf abzielen würden, die "harte Form" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet (CACI 11.12.2013, vergleiche US DOS 13.4.2016).

Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis unterscheidet nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Die Strafen in der Russischen Föderation sind generell erheblich höher als für vergleichbare Delikte in Deutschland, besonders im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Im März 2011 wurde aber bei 68 eher geringfügigen Delikten Freiheitsentzug als höchste Strafandrohung durch Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeiten ersetzt. Auch wurde das Strafprozessrecht seit April 2010 dahingehend geändert, dass Angeklagte für Wirtschaftsdelikte bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr in Untersuchungshaft genommen werden sollen. In der Praxis werden die neuen Regeln jedoch bisher nur begrenzt angewendet. Bemerkenswert ist die unverändert extrem hohe Verurteilungsquote im Strafprozess. Für zu lebenslange Haft Verurteilte bzw. bei entsprechend umgewandelter Todesstrafe besteht bei guter Führung die Möglichkeit einer Freilassung frühestens nach 25 Jahren. Auch eine Begnadigung durch den Präsidenten ist möglich. Immer wieder legen einzelne Strafprozesse in Russland den Schluss nahe, dass politische Gründe hinter der Verfolgung stehen. Trotz der Entlassung von Michail Chodorkowski und den Mitgliedern der Punk-Aktionsgruppe Pussy Riot aus der Haft – bezeichnenderweise nicht durch die Justiz selbst, sondern durch Amnestie bzw. Begnadigung – bleiben deren Haftstrafen Beispiele für politisch motivierte Urteile. Auch unabhängig von politisch oder ökonomisch motivierten Strafprozessen begünstigt ein Wetteifern zwischen Strafverfolgungsbehörden um hohe Verurteilungsquoten die Anwendung illegaler Methoden zum Erhalt von "Geständnissen". Auffällig bleibt die geringe Zahl aufgeklärter Straftaten gegen Journalisten oder Kritiker bzw. der sehr schleppende Verlauf von Ermittlungen in solchen Fällen. Auch die Morde an Oppositionspolitiker Boris Nemzow (27.02.2015) und Journalistin Politkowskaja können als Beispiel dafür dienen, dass sich Ausführende gegebenenfalls vor Gericht verantworten müssen, die eigentlichen Drahtzieher der Verbrechen häufig jedoch nicht ermittelt werden. Insgesamt sind die Unabhängigkeit von Ermittlungen und Rechtsprechung sowie die Gewaltenteilung in Russland nicht gewährleistet. Weiterhin mangelhaft ist der Vollzug von Gerichtsurteilen. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden in Russland in der Sache häufig nicht vollständig umgesetzt, sondern nur in Bezug auf verhängte Entschädigungszahlungen (AA 5.1.2016).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und der Terrorismusbekämpfung betraut, aber auch mit Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt. Nach dem Gesetz können Personen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Zustimmung inhaftiert werden, wenn sie am Schauplatz eines Verbrechens verhaftet werden, vorausgesetzt es gibt Beweise oder Zeugen. Ansonsten ist ein Haftbefehl notwendig. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme dokumentieren. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden einvernommen werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus. Die Regierung verabsäumte es angemessene Schritte zu setzen, um die meisten Behördenvertreter, welche Missbräuche begingen, zu verfolgen oder zu bestrafen, wodurch ein Klima der Straffreiheit entstand. Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungstruppen, Aufständischen, islamischen Militanten und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führt, einschließlich Morde, Folter, körperliche Misshandlung und politisch motivierte Entführungen. Die Regierung untersucht und verfolgt Missbräuche nicht adäquat, besonders wenn regionale Behörden involviert waren. Tschetschenische Sicherheitsbehörden unter direkter Kontrolle von Ramzan Kadyrow können mit Straffreiheit rechnen, sogar bei Drohungen gegen russische Sicherheitsbehörden, die versuchen in Tschetschenien tätig zu werden (US DOS 13.4.2016).

Russland wird die bisherigen Truppen des Innenministeriums in eine Nationalgarde umwandeln. Neben den 170.000 Soldaten der Innentruppen sollen auch 40.000 Mann der Sonderpolizeitruppe Omon und andere Spezialkräfte in die Nationalgarde eingegliedert werden. Die Garde solle im Kampf gegen Terror, Drogen und organisiertes Verbrechen eingesetzt werden. Putin stärkte das Innenministerium auch, indem er ihm die bisher eigenständigen Behörden für Drogenbekämpfung und Migration wieder unterstellte. Damit sollten doppelte Zuständigkeiten vermieden werden, sagte ein Vertreter des Sicherheitsapparates der Agentur Interfax. Der Föderale Migrationsdienst ist unter anderem für Passangelegenheiten, Flüchtlinge und Arbeitsmigration zuständig (Standard 6.4.2016). Leiter der künftigen Elitetruppe im Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität wird sein Ex-Leibwächter Wiktor Solotow sein – der Mann also, der Putin jahrelang am nächsten stand. Interessant ist, dass Solotow zugleich als das Bindeglied im Kreml zu Tschetschenenoberhaupt Ramsan Kadyrow gilt (Standard 7.4.2016).

Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens Opfer von Misshandlungen durch die Polizei und Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Die im Februar 2011 in Kraft getretene Polizeireform hat bislang nicht zu spürbaren Verbesserungen in diesem Bereich geführt (AA 5.1.2016).

Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (BAMF 10.2013). Von russischer Seite werden die meisten Operationen im Nordkaukasus gegen Terroristen heute nicht mehr vom Militär, sondern von Einheiten des Innenministeriums und des Geheimdienstes durchgeführt. Diese sind zwar nicht weniger schwer bewaffnet, nur soll so der Eindruck eines Krieges vermieden werden (Zenithonline 10.2.2014). Der Großteil der Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus wird Sicherheitskräften zugeschrieben. In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden bezeichnender Weise oft Kadyrowzy genannt, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen dürften (Rüdisser 11.2012).

Quellen:

http://www.integrationsfonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche_foederationtschetschenische_republik/, Zugriff 31.5.2016

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Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 orientiert sich an westeuropäischen Vorbildern. Sie postuliert, dass die Russische Föderation ein "demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform" ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Artikel 19, Absatz 2,). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Artikel 15, Absatz 4, der russischen Verfassung aufgeführt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und die internationalen Verträge der Russischen Föderation Bestandteil ihres Rechtssystems." Russland ist an folgende VN-Übereinkommen gebunden:

Rassendiskriminierung (1969)

Zusatzprotokoll (1991)

Zusatzprotokoll (2004)

Behandlung oder Strafe (1987)

Der Europarat äußerte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) waren, so der Jahresbericht 2014, 14,3% der anhängigen Fälle (10.000 Einzelfälle) Russland zuzurechnen. 2014 hat der EGMR 129 Urteile in Klagen gegen Russland gesprochen. Damit führt Russland die Liste der gesprochenen Urteile an (gefolgt von 101 Urteilen 2014 gegen die Türkei). Ein großer Teil der EGMR-Entscheidungen fällt dabei zugunsten der Kläger aus und konstatiert mehr oder weniger gravierende Menschenrechtsverletzungen. Die Umsetzung der Entscheidungen erfolgt vielfach nur mangelhaft: Zwar erbringt Russland in der Regel die Kompensationszahlungen an die Kläger bzw. Opfer; in der Sache selbst wird aber wenig unternommen. Ein russischer Gesetzentwurf, der die Urteile des EGMR unter einen Prüfvorbehalt stellen würde, ist nach deutlicher Kritik aus dem Ausland im Sommer 2011 gestoppt worden. In einem Urteil des russischen Verfassungsgerichts hat sich dieses am 6. Dezember 2013 jedoch die Entscheidung vorbehalten, wie EGMR-Urteile bei einem Widerspruch zur eigenen Auslegung der Grundrechte umgesetzt werden können. Am 14.7.2015 hat das Verfassungsgericht zudem eine grundlegende Entscheidung zum Verhältnis der russischen Verfassung zur EMRK getroffen: Die Umsetzung von Urteilen des EGMR kann danach im Falle eines vermeintlichen Konflikts mit der russischen Verfassung einer weiteren Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterzogen werden. Neu ist dabei, dass künftig auch Präsident und Regierung das Verfassungsgericht mit dem Ziel anrufen können, die Nichtanwendung eines EGMR-Urteils in Russland aufgrund des Vorrangs der russischen Verfassung festzustellen (AA 5.1.2016).

Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Am 14.01.2014 urteilte der EGMR zugunsten der Familien von 36 zwischen 2000 und 2006 verschwundenen Tschetschenen und sprach ihnen 1,9 Mio. Euro Entschädigung zu (AA 5.1.2016).

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit waren 2015 weiterhin stark beschnitten. Staatliche Stellen herrschten über Presse, Rundfunk und Fernsehen und weiteten die Kontrolle über das Internet aus. NGOs waren aufgrund des sogenannten Agentengesetzes nach wie vor Schikanen und Repressalien ausgesetzt. Ihre Möglichkeiten, finanzielle Mittel aus dem Ausland zu erhalten, wurden durch ein neues Gesetz zum Verbot "unerwünschter" Organisationen drastisch eingeschränkt. Eine steigende Anzahl von Bürgern wurde inhaftiert und angeklagt, weil man ihnen vorwarf, die offizielle Politik kritisiert oder Materialien besessen bzw. in der Öffentlichkeit verbreitet zu haben, die gemäß vage formulierter Sicherheitsgesetze als extremistisch eingestuft wurden oder aus anderen Gründen als rechtswidrig galten. Auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 2014, das wiederholte Verstöße gegen das Gesetz über öffentliche Versammlungen als Straftat definiert, sahen sich 2015 vier Personen mit Strafverfolgungsmaßnahmen konfrontiert. In mehreren aufsehenerregenden Prozessen traten einmal mehr die gravierenden Mängel des Justizwesens zutage. Flüchtlinge mussten zahlreiche Hürden überwinden, um anerkannt zu werden (AI 24.2.2016).

Menschenrechtsverteidiger beklagen Defizite bei der Umsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte. Beklagt werden vor allem die mangelhafte Unabhängigkeit von Justiz und Gerichten, zunehmende Einschränkungen von Presse- und Versammlungsfreiheit, die weiterhin verbreitete Korruption sowie der stetig schwindende Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen werden aus dem Nordkaukasus gemeldet (AA 3.2016a).

Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemühungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann die im fünfstelligen Bereich liegenden ausständigen Verfahren gegen Russland kaum bewältigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstärkung des Gerichtshofs. Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten (GIZ 4.2016a).

Der Freiraum für die russische Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren schrittweise eingeschränkt worden. Sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch in der Pressefreiheit wurden restriktive Gesetze verabschiedet, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung einer freien und unabhängigen Zivilgesellschaft ausübten. Inländische wie ausländische NGOs werden zunehmend unter Druck gesetzt. Rechte von Minderheiten werden nach wie vor nicht in vollem Umfang garantiert. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden durch administrative Hürden in ihrer Arbeit eingeschränkt und erleben in manchen Fällen sogar reale Bedrohungen für Leib und Leben. Im Zuge der illegalen Annexion der Krim im März 2014 und der Krise in der Ostukraine wurde die Gesellschaft v.a. durch staatliche Propaganda nicht nur gegen den Westen mobilisiert, sondern auch gegen die sog. "fünfte Kolonne" innerhalb Russlands. Der Menschenrechtsdialog der EU mit Russland findet derzeit aufgrund prozeduraler Unstimmigkeiten nicht statt (ÖB Moskau 10.2015).

Quellen:

Dagestan

Berichten zufolge werden den russischen Sicherheitskräften schwere Menschrechtsverletzungen bei der Durchführung der Anti-Terror-Operationen in Dagestan vorgeworfen. Diese reichen von der internen Vertreibung von Personen, der Zerstörung von Häusern von Zivilisten, über exzessive Gewaltanwendung bis hin zu Folter und dem Verschwindenlassen von Personen. Das teils brutale Vorgehen der Sicherheitsdienste gekoppelt mit der noch immer instabilen sozialwirtschaftlichen Lage in Dagestan schafft wiederum weiteren Nährboden für die Radikalisierung innerhalb der Bevölkerung. Fast täglich kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Extremisten (ÖB Moskau 10.2015).

Vollzugs- und Sicherheitsbehörden führten einige erfolgreiche Operationen gegen Untergrundkämpfer aus. Gleichzeitig verließen Hunderte Nordkaukasier Russland, um sich bewaffneten Gruppierungen wie dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen. Als Teil der Aufstandsbekämpfung werden Anhänger des Salafismus mit Aufständischen gleichgesetzt, bzw. als Kollaborateure angesehen. Die Polizei stellt Salafisten auf spezielle Beobachtungslisten, sperrt sie wiederholt ein, befragt sie, fotografiert sie und nimmt Fingerabdrücke und manchmal auch DNA-Proben. Auch salafistische Moscheen wurden gestürmt und Verdächtige verhaftet. Gegen Aktivisten und Journalisten, die über die Behandlung von Salafisten berichten, wird intensiv vorgegangen (HRW 27.1.2016).

Quellen:

Rebellentätigkeit / Unterstützung von Rebellen

Im August 2014 meldete der Inlandsgeheimdienst FSB Erfolge bei der Bekämpfung von Terrorismus im Nordkaukasus, was in Expertenkreisen jedoch auf Zweifel stieß. Die Rede war von 328 potentiellen Terroristen, die im ersten Halbjahr 2014 verhaftet wurden. Da die Sicherheitskräfte im Nordkaukasus aber nach dem Prinzip kollektiver Bestrafung vorgehen, handelte es sich hierbei möglicherweise weniger um aktive Untergrundkämpfer als um Personen aus deren sozialem und verwandtschaftlichem Umfeld. Im Januar 2015 berichtete das russische Innenministerium, 2014 sind 259 Rebellen, darunter 36 Kommandeure, von Sicherheitskräften getötet und 421 Untergrundkämpfer verhaftet worden (SWP 4.2015).

Die Anzahl der Rebellen in Tschetschenien ist schwer zu konkretisieren, Schätzungen gehen von einem Dutzend bis ca. 120 Personen aus. Die Anzahl der tschetschenischen Rebellen ist sicherlich geringer, als jene z.B. in Dagestan, wo der islamistische Widerstand seinen Hotspot hat. Sie verstecken sich in den bergigen und bewaldeten Gebieten Tschetscheniens. Sie bewegen sich hauptsächlich zwischen Tschetschenien und Dagestan, weniger oft auch zwischen Tschetschenien und Inguschetien. Kidnappings werden von tschetschenischen Sicherheitskräften begangen. In Tschetschenien selbst ist also der Widerstand nicht sehr aktiv, sondern hauptsächlich in Dagestan und auch in Inguschetien. Die Kämpfer würden auch nie einen Fremden um Vorräte, Nahrung, Medizin oder Unterstützung im Allgemeinen bitten, sondern immer nur Personen fragen, denen sie auch wirklich vertrauen, so beispielsweise Verwandte, Freunde oder Bekannte (DIS 1.2015).

Im November 2013 wurden in Russland neue Gesetze verabschiedet, welche die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen vorsehen. Sie legalisieren Kollektivbestrafungen, welche bereits in mehreren Republiken des Nordkaukasus als Form des Kampfs gegen den Aufstand praktiziert werden. Die Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, welche durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Das Gesetz sieht vor, dass Familienangehörige und Verwandte von Terrorverdächtigen belegen müssen, dass ihre Vermögenswerte, Immobilien und weitere Besitztümer nicht durch "terroristische Aktivitäten" erworben wurden. Wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte legal erworben wurden, kann der Staat sie beschlagnahmen. Auch Personen, welche Terrorverdächtigen nahestehen, können mit dem Gesetz belangt werden. Nach Einschätzung von Experten wird das Gesetz weitgehend zur Diskriminierung der Angehörigen Terrorismusverdächtiger führen. Weiter kritisieren Experten, dass das Gesetz durch die unklare Verwendung der Begriffe "Verwandte" und "nahestehende Personen" sich gegen ganze Familienclans in den muslimischen Republiken des Nordkaukasus richten könne. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina werden Familienangehörige von Terrorverdächtigen oft beschuldigt, sie unterstützten auch illegale bewaffnete Gruppierungen auf verschiedenste Art und Weise. Insbesondere kritisiert die Menschenrechtsaktivistin, dass bereits der bloße Verdacht für eine Anschuldigung reiche und kein Beweis notwendig sei. Die Verfolgung von Verwandten und Freunden von Aufständischen ist seit 2008 im Nordkaukasus weit verbreitet und geht oft mit der Zerstörung des Besitzes und Hauses einher. Nach übereinstimmenden Angaben verschiedener Quellen kommt es zu Übergriffen und Kollektivstrafen durch Sicherheitskräfte, die gegen Familien von vermuteten Terroristen gerichtet sind (SFH 25.7.2014).

Kollektivstrafen wie das Niederbrennen von Häusern von Personen, die man verdächtigt, Kontakte zum terroristischen Widerstand zu haben, werden weitergeführt (Caucasian Knot 9.12.2014). Nach der Terrorattacke auf Grosny am 4.12.2014, hat Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow die Verwandten der Attentäter in Sippenhaft genommen. Kadyrow verlautbarte auf Instagram kurz nach der Tat, dass wenn ein Kämpfer in Tschetschenien einen Mitarbeiter der Polizei oder einen anderen Menschen töte, die Familie des Kämpfers sofort ohne Rückkehrrecht aus Tschetschenien ausgewiesen werde. Ihr Haus werde zugleich bis auf das Fundament abgerissen. Tatsächlich beklagte einige Tage später der Leiter der tschetschenischen Filiale des "Komitees gegen Folter" Igor Kaljapin, dass den Angehörigen der mutmaßlichen Täter die Häuser niedergebrannt worden seien (Standard 14.12.2014).

Quellen:

http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/30180/, Zugriff 30.5.2016

Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger außerhalb Dagestans,
http://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/europa/russland/russland-verfolgung-von-verwandten-dagestanischer-terrorverdaechtiger-ausserhalb-dagestans.pdf, Zugriff 30.5.2016

http://derstandard.at/2000009372041/Tschetschenien-NGO-Buero-in-Grosny-abgefackelt, Zugriff 30.5.2016

Religionsfreiheit

Die Russische Föderation ist ein multinationaler und multikonfessioneller Staat. Artikel 28, der Verfassung garantiert Gewissens- und Glaubensfreiheit. Orthodoxie, Islam, Buddhismus und Judentum haben dabei eine herausgehobene Stellung. Artikel 14, der Verfassung schreibt die Trennung von Staat und Kirche fest (AA 5.1.2016, vergleiche GIZ 3.2016c). Auch andere Religionsgemeinschaften können in Russland legal bestehen, müssen sich aber registrieren lassen. Seit Ende der Achtziger Jahre hat der Anteil der Gläubigen im Zuge einer "religiösen Renaissance" bedeutend zugenommen. Allerdings bezeichnen sich laut Meinungsumfragen rund 50% der Bevölkerung als ungläubig. Zwar gibt es in Russland einen hohen Grad der Wertschätzung der Kirche und von Religiosität, dies bedeutet aber nicht, dass die Menschen ihr Leben nach kirchlichen Vorschriften führen. Offizielle Statistiken zur Zahl der Gläubigen verschiedener Konfessionen gibt es nicht und die Zahlen in den meisten Quellen unterscheiden sich erheblich. Die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) ist heute die mit Abstand größte und einflussreichste Religionsgemeinschaft in Russland. Seit der Unabhängigkeit der Russischen Föderation ist sie zu einer äußerst gewichtigen gesellschaftlichen Einrichtung geworden. Die Verluste an Gläubigen und Einrichtungen, die sie in der Sowjetzeit erlitt, konnte sie zu einem großen Teil wieder ausgleichen. Die ROK hat ein besonderes Verhältnis zum russischen Staat, z.B. ist der Patriarch bei wichtigen staatlichen Anlässen stets anwesend. Die ROK versteht sich als multinationale Kirche, die über ein "kanonisches Territorium" verfügt. Es erstreckt sich über die GUS-Staaten mit der Ausnahme von Armenien, wo es eine eigene orthodoxe Kirche gibt. Bei den traditionell religiös orientierten ethnischen Minderheiten Russlands findet man Anhänger des Islam und des Buddhismus, des Schamanismus und Judaismus, des protestantischen und katholischen Glaubens. Der Islam ist die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in Russland. Die Muslime sind in der Regel Baschkiren, Tataren, Tschuwaschen, Tschetschenen und Angehörige anderer Kaukasusvölker. Sie werden durch die Geistliche Verwaltung der Muslime (Muftirat) des Europäischen Teils Russlands und Sibiriens sowie die Geistliche Verwaltung der Muslime (Muftirat) des Nordkaukasus vertreten. Die Zahl der russischen Muslime wird offiziell mit 14,5 Millionen angegeben. Die Vertreter der islamischen Gemeinde sprechen von mehr als 20 Millionen Mitgliedern. Alle anderen Religionen, wie Buddhismus (ca. 600.000 Gläubige) - zu dem sich Burjaten, Kalmyken, Tuwa und andere Bevölkerungsgruppen in den Gebieten Irkutsk und Tschita bekennen - und Judentum (ca. 200.000 Gläubige), haben nur geringe Bedeutung. Von den christlichen Kirchen sind die katholische Kirche, die evangelisch-lutherische Kirche sowie eine Reihe von Freikirchen (vor allem Baptisten) in Russland vertreten. Sie sind im europäischen Russland und in Sibirien präsent (GIZ 3.2016c, vergleiche SWP 4.2013).

Nicht als traditionelle Religionen anerkannte Glaubensrichtungen, wie insbesondere die Zeugen Jehovas oder islamische Strömungen im Nordkaukasus und im Wolgagebiet, denen der Vorwurf gemacht wird, in Bezug zu Terrorgruppen zu stehen, stoßen auf Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden. Gegen solche Religionsgemeinschaften erheben die Behörden häufig nicht plausibel belegte Extremismus-Vorwürfe und leiten auf dieser Grundlage auch Strafverfahren wegen der Ausübung der Religion ein (AA 5.1.2016).

Die Verfassung sieht die Religionsfreiheit vor, jedoch können Beamte laut Gesetz Aktivitäten von religiösen Gruppierungen wegen Verletzung der öffentlichen Ordnung oder Teilnahme an extremistischen Aktivitäten, verbieten. Es gibt Einschränkungen für religiöse Minderheitsgruppen und es wurden auch Mitglieder solcher Gruppierungen verhaftet. Die Polizei führte Razzien in privaten Wohnungen und Andachtsstätten durch und konfiszierte religiöse Publikationen und Eigentum. Das Anti-Extremismus-Gesetz wurde angewendet, um die Registrierung von religiösen Minderheitsgruppen abzuerkennen, um die Registrierung bestimmter Gruppen zu verhindern und den Kauf von Land, den Bau von Andachtsstätten oder den Erhalt von Restitutionen einzuschränken (USDOS 14.10.2015).

Quellen:

http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2013A24_hlb.pdf, Zugriff 1.6.2016

Dagestan

In Dagestan ist der "extremistische islamische Wahabismus" durch lokale Gesetze verboten (USDOS 14.10.2015). Unter Abdulatipow ist der unter seinem Vorgänger Magomedsalam Magomedow erfolgreich installierte Dialog zwischen traditionellen Sunniten und einem gemäßigten Flügel der Salafisten zum Erliegen gekommen. Stattdessen nimmt die staatliche Repression zu (AI 10.2013, vergleiche Gannuschkina 3.12.2014).

Als Teil der Aufstandsbekämpfung werden Anhänger des Salafismus mit Aufständischen gleichgesetzt, bzw. als Kollaborateure angesehen. Die Polizei stellt Salafisten auf spezielle Beobachtungslisten, sperrt sie wiederholt ein, befragt sie, fotografiert sie und nimmt Fingerabdrücke und manchmal auch DNA-Proben. Auch salafistische Moscheen wurden gestürmt und Verdächtige verhaftet. Gegen Aktivisten und Journalisten, die über die Behandlung von Salafisten berichten, wird intensiv vorgegangen (HRW 27.1.2016). Die Aktivitäten von Salafisten in Dagestan wurden in den Untergrund gedrängt. Es kam zur Schikanierung moderater Anführer der Salafisten, woraufhin einige von ihnen Dagestan verließen und man die von ihnen initiierten Projekte beendete. Die salafistische Menschenrechtsgruppe Prawosaschtschita (Rechtsschutz) wurde zum Ziel von Angriffen, ihre Führungspersonen wurden inhaftiert oder unter Überwachung gestellt und die Wohnungen von AktivistInnen durchsucht. Seit Ende des Jahres 2013 wurde eine große Anzahl SalafistInnen in Cafés, Moscheen und ihren eigenen Wohnungen festgenommen. Festnahmen von Männern mit Bärten und Frauen, die einen Hidschab tragen, sind inzwischen zu etwas Alltäglichem geworden. Diese Personen werden üblicherweise befragt und nach Überprüfung der Ausweispapiere und Abnahme von Fingerabdrücken wieder freigelassen. Ramasan Abdulatipow, das dagestanische Oberhaupt, hat die Bildung von Bürgerwehren zur Bekämpfung des Extremismus angeregt. In manchen Fällen bestanden diese aus Sufis, die Berichten zufolge an Vorfällen interkonfessioneller Gewalt beteiligt waren (ICG 30.1.2014).

Quellen:

http://www.amnesty.de/journal/2013/oktober/hinter-den-bergen?, Zugriff 1.6.2016

Sochi, Tourism and Conflict in the Caucasus, http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1391196745_228-too-far-too-fast-sochi-tourism-and-conflict-in-the-caucasus.pdf, zitiert nach ACCORD (11.5.2016): Themendossier Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen, http://www.ecoi.net/news/190001::russische-foederation/120.sicherheitslage-in-dagestan-zeitachse-von-angriffen.htm, Zugriff 1.6.2016

Ethnische Minderheiten

Russland ist ein multinationaler Staat, in dem Vertreter von mehr als hundert Völkern leben. Neben den Russen, die mit 79,8 % die Mehrheit der Bevölkerung stellen, leben noch mehr als hundert andere Völker auf dem Gebiet des Landes. Größere Minderheiten sind die Tataren (4,0 %), die Ukrainer (2,2 %), die Armenier (1,9 %), die Tschuwaschen (1,5 %), die Baschkiren (1,4 %), die Tschetschenen (0,9 %), die Deutschen (0,8 %), die Weißrussen und Mordwinen (je 0,6 %), Burjaten (0,3 %) und andere. Vielfach ist die Verflechtung zwischen den nichtrussischen und russischen Bevölkerungsteilen durch Mischehen und interethnische Kommunikation recht hoch, ebenso der Russifizierungsgrad der nichtrussischen Bevölkerungsteile. Nur wenige nationale Gebietseinheiten, wie Tschetschenien, Dagestan, Tschuwaschien und Tuwa, sind stärker vom namensgebenden Ethnos geprägt (GIZ 3.2016c).

Die Verfassung garantiert gleiche Rechte und Freiheiten unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache und Herkunft. Entsprechend bemüht sich die Zentralregierung zumindest in programmatischen Äußerungen um eine ausgleichende Nationalitäten- und Minderheitenpolitik, inklusive der Förderung von Minderheitensprachen im Bildungssystem. Fremdenfeindliche und rassistische Ressentiments sind in der Bevölkerung und in den Behörden weit verbreitet. Sie richten sich insbesondere gegen Kaukasier und Zentralasiaten. Wiederkehrende Medienberichte zu Übergriffen zeigen, dass Ressentiments in Gewalt umschlagen können. Die Menschenrechtsorganisation SOVA verzeichnete für das Jahr 2014 einen Rückgang der offiziell bekannt gewordenen Gewaltverbrechen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Waren 2013 noch 235 Verbrechen unter Anwendung von Gewalt gegen Minderheiten gemeldet worden, wurden 2014 164 solche Taten verzeichnet. Über 20% der Anzeigen auf dem Moskauer Wohnungsmarkt richten sich explizit nur an "Russen" oder "Slawen" (AA 5.1.2016).

Im Nordkaukasus ist die ethnische, kulturelle und sprachliche Vielfalt beeindruckend groß. Deshalb, sowie hinsichtlich der räumlichen Gliederung und der politischen, kulturellen und religiösen Geschichte seiner Volksgruppen stellt der Nordkaukasus die ethnisch am stärksten differenzierte Region der Russischen Föderation dar. Gerne wird sie als "ethnischer Flickenteppich" bezeichnet (Rüdisser 11.2012).

Quellen:

Frauen

Artikel 19 der russischen Verfassung garantiert die Gleichstellung von Mann und Frau. Zudem hat die Russische Föderation mehrere internationale und regionale Konventionen ratifiziert, die diese Gleichstellung festschreiben, darunter die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und ihr Zusatzprotokoll. Grundsätzlich gibt es in der Russischen Föderation keine systematische Diskriminierung von Frauen. Laut einer rezenten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts VZiOM glaubt eine Mehrheit der Bevölkerung, dass Männer und Frauen in der Gesellschaft gleich gestellt sind, insbesondere im Bildungsbereich (90%), in der Arbeit (76%), beim Gehalt (75%) und bei der Möglichkeit, am öffentlichen und politischen Leben teilzunehmen (74%). Einem rezenten Bericht der Weltbank zufolge steht Russland jedoch an vorderer Stelle, was die Verhinderung des Zugangs von Frauen zu gewissen Berufsgruppen betrifft; 456 Berufe dürfen von Frauen nicht ausgeübt werden. Ein ernstes Problem, das von Politik und Gesellschaft weitgehend ausgeblendet wird, stellt häusliche Gewalt dar. Ein Großteil der Unterstützung und Betreuung von Opfern häuslicher Gewalt wird durch gesellschaftliche Organisationen und Privatinitiativen übernommen. Im Nationalen Netzwerk gegen Gewalt sind über 150 regionale und lokale NGOs aktiv. Laut Dem Nationalen Zentrum zur Vorbeugung von Gewalt ANNA wird jede dritte russische Frau im Laufe ihres Lebens Opfer von physischen Übergriffen von Seiten eines Mannes. Jährlich sterben in Russland ca. 14.000 Frauen aufgrund von Gewaltanwendung von Seiten ihrer Ehemänner oder Lebenspartner, fast zwei Drittel aller Morde sind auf häusliche Motive zurückzuführen. Laut Statistiken der Organisation ANNA wenden sich 60% der Frauen, die die Nationale Hotline für Opfer von häuslicher Gewalt anrufen, nicht an die Polizei. 76% jener Frauen, die bei der Polizei um Unterstützung suchen, sind damit unzufrieden. Trotz der weiten Verbreitung des Problems gibt es grobe Mängel bei der Bewusstseinsbildung darüber, auch innerhalb der politischen Elite. So betonte der Ombudsmann für Kinderrechte Pawel Astakhov im Mai 2015, dass ein Großteil der Gewalt im öffentlichen Raum stattfindet und dass die Familie der sicherste Ort in der Gesellschaft sei. Er verwehrte sich gegen "die konstante Benützung des Begriffs ‚häusliche Gewalt‘, die lediglich dafür sorgen würde, dass Familien und Eltern eingeschüchtert werden". Positiv zu vermerken ist, dass bis Jahresende ein vom Arbeits- und Sozialministerium ausgearbeiteter Gesetzesentwurf zur Vorbeugung häuslicher Gewalt in die Staatsduma eingebracht werden soll, der insbesondere der Polizei mehr Verpflichtungen zum Kampf gegen häusliche Gewalt auferlegt und einen besseren Opferschutz vorschreibt (ÖB Moskau 10.2015).

Frauen stellen in Russland traditionell die Mehrheit der Bevölkerung. Der weibliche Bevölkerungsanteil beträgt seit den 1920er Jahren zwischen 53% und 55% der Gesamtbevölkerung. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in der Verfassung garantiert. Durch die Transformationsprozesse und den Übergang zur Marktwirtschaft sind die Frauen in besonderer Weise betroffen. Davon zeugt der erhebliche Rückgang der Geburtenrate. Die Veränderungen in den Lebensverhältnissen von Frauen betreffen auch den Arbeitsmarkt, denn das Risiko von Ausfallzeiten durch Schwangerschaft, Erziehungsurlaub und Pflege von Angehörigen führt oft dazu, dass Frauen trotz besserer Ausbildung seltener als Männer eingestellt werden. Das im Durchschnitt deutlich geringere Einkommen von Frauen bedeutet niedrigere Pensionen für ältere Frauen, die damit ein hohes Risiko der Altersarmut tragen. Die politische Sphäre in Russland ist von Männern dominiert (GIZ 3.2016c). Frauen sind in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert. Sie halten weniger als 14% der Sitze in der Duma und ca. 17% der Sitze im Föderationsrat. Nur zwei von 31 Kabinettsmitgliedern sind Frauen (FH 27.1.2016). Rund 40% der Frauen arbeiten in allgemeinen Bereichen im Management und weitere 20% auf der Führungsebene. Überwiegend arbeiten sie in diesen Berufen in Medienunternehmen und PR-Agenturen, aber auch in Banken, Börsen, Bauindustrien etc. (GIZ 3.2016c).

Ein Gesetzentwurf des Menschenrechtsrats, der Opfer häuslicher Gewalt schützen soll, stieß auf heftigen Widerstand in "konservativen" Kreisen, die darin einen Versuch der Einmischung des Staates in familiäre Angelegenheiten sehen. Es gibt in Russland lediglich 21 Krisenzentren für Frauen. Beim Menschenhandel gehören russische Frauen zu den Haupt-Opfergruppen. Russland gilt zugleich als Ursprungs-, Transit- und Empfangsland im Menschenhandel. Sexuelle Ausbeutung bzw. Prostitution betrifft vor allem Frauen aus dem Nordkaukasus, die in anderen Landesteilen als Zwangsprostituierte arbeiten. Durch internationale Zusammenarbeit wird versucht, die Rotlicht-Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Trotz der Verankerung des Straftatbestandes Menschenhandel im russischen Strafgesetzbuch bleiben die Strafverfolgungszahlen niedrig. Nur in seltenen Fällen wird berichtet, dass Strafverfolgungsbehörden gegen Menschenhandel vorgehen. Die Reaktion des russischen Staates wird im "World Slavery Report" der "Walk Free Foundation" als "sehr schwach" beschrieben. Insbesondere fehle es an einem wirksamen Schutz der Opfer. Die Strukturen des Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft werden durch Korruption und Verbindungen von Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden mit der organisierten Kriminalität begünstigt (AA 5.1.2016).

Häusliche Gewalt bleibt für Frauen weiterhin ein Problem und die Polizei ist oft zögerlich beim Einschreiten, da dies als familiäre Angelegenheit gesehen wird (FH 27.1.2016).

Vergewaltigung ist illegal und das Gesetz sieht dieselbe Strafe für einen Täter vor, egal ob er aus der Familie stammt oder nicht. Während medizinische Angestellte Opfer von Übergriffen unterstützen und gelegentlich helfen, Fälle von Körperverletzung oder Vergewaltigung zu identifizieren, sind Ärzte oft nachlässig, als Zeugen vor Gericht aufzutreten. Laut NGOs würden Exekutivbeamte und Staatsanwälte Vergewaltigung keine Priorität einräumen. NGOs berichten außerdem, dass lokale Polizisten sich weigern würden, auf Anrufe in Bezug auf Vergewaltigung und häusliche Gewalt zu reagieren, solange das Opfer nicht unter Lebensbedrohung steht. Weiters würden viele Frauen Vergewaltigungen und andere Gewaltvorfälle aufgrund der sozialen Stigmata und der mangelhaften staatlichen Unterstützung nicht melden. Das Strafmaß für Vergewaltigung sind drei bis sechs Jahre Haft für einen Einzeltäter und vier bis zehn Jahre bei einer Gruppenvergewaltigung. Wenn das Opfer zwischen 14 und 18 Jahre alt ist bekommt der Täter eine Strafe zwischen acht und 15 Jahre und zwölf bis 20 Jahre, wenn das Opfer verstorben ist oder unter 14 Jahre alt ist (US DOS 13.4.2016).

Quellen:

Nordkaukasus insbesondere Tschetschenien

Die Situation von Frauen im Nordkaukasus unterscheidet sich zum Teil von der in anderen Regionen Russlands. Berichte von Ehrenmorden, Brautentführungen und "Sittenwächtern" haben im Vergleich zu den Vorjahren jedoch abgenommen. Aus NGO-Kreisen war zu erfahren, dass sich die Situation von alleinstehenden Frauen bzw. Frauen mit Kindern bei ihrer Rückkehr nach Tschetschenien nach und nach verbessert. Die zugrunde liegende Problematik existiert jedoch nach wie vor. Im Frühjahr 2015 hatte ein Fall in Tschetschenien für Aufregung gesorgt, bei dem ein 17jähriges Mädchen vermutlich gegen ihren Willen und dem ihrer Familie mit einem weitaus älteren lokalen Polizeichef verheiratet wurde. Einerseits ist das Mindestalter für Hochzeiten in Russland 18 Jahre (abgesehen von wenigen Ausnahmen), andererseits war der betroffene Polizeichef zu dem Zeitpunkt bereits verheiratet. Die Heirat wurde von dem Republikoberhaupt Ramzan Kadyrov ausdrücklich unterstützt (ÖB Moskau 10.2015, vergleiche HRW 27.1.2016). Eine prominente investigative Journalistin erhielt Todesdrohungen nachdem sie über diese Story geschrieben hat. Behörden versagten bei einer effektiven Untersuchung wegen ihrer Beschwerde (HRW 27.1.2016).

Unter sowjetischer Herrschaft waren tschetschenische Frauen durch die russische Gesetzgebung geschützt. Polygamie, Brautentführungen und Ehrenmorde wurden bestraft. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion löste sich der Schutz durch russisches Recht für Frauen allmählich auf und gleichzeitig kam es zu einem stärkeren Einfluss von Adat und Scharia. Unter Kadyrow ist die tschetschenische Gesellschaft traditioneller geworden. Swetlana Gannuschkina (Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation "Zivile Unterstützung" (auch "Bürgerbeteiligung") und Leiterin des "Netzwerks juristischer Beratungsstellen für Flüchtlinge und Vertriebene") ist der Meinung, dass die Behandlung von Frauen, wie sie heute existiert, nie eine Tradition in Tschetschenien war. Ein tschetschenischer Anwalt berichtet, dass Frauen sowohl unter islamischem Recht, als auch Adat hoch geschätzt sind. Allerdings ist die Realität in Tschetschenien, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und die Situation im Allgemeinen für Frauen schwierig ist. Andere Quellen berichten auch, dass die Religion ein Rückschlag für die Frauen ist und sie in eine den Männern untergeordnete Position stellt. Diese Entwicklungen erfolgten in den letzten Jahren (EASO 9.2014b, Sitzung 9f). Für die Quellen des EASO Berichtes ist nicht klar, ob Scharia oder Adat wichtiger für die tschetschenische Gesellschaft ist. Jedoch könne nur das Russische Recht Frauen effektiv schützen. Es wird auch berichtet, dass die Scharia immer wichtiger wird und auch Kadyrow selbst – obwohl er sowohl Adat, als auch Scharia betont – sich in letzter Zeit eher auf die Scharia bezieht. Adat dürfte aber besonders bei Hochzeitstraditionen eine dominante Rolle spielen (EASO 9.2014b, Sitzung 9f). Tschetschenische Behörden verlangen weiterhin, dass Frauen auf öffentlichen Plätzen Kopftücher tragen (HRW 27.1.2016).

Vergewaltigung:

Vergewaltigung ist laut Artikel 131 des russischen Strafgesetzbuches ein Straftatbestand. Das Ausmaß von Vergewaltigungen in Tschetschenien und anderen Teilen der Region ist unklar, da es im Allgemeinen so gut wie keine Anzeigen gibt. Vergewaltigung in der Ehe wird nicht einmal als Vergewaltigung angesehen. Laut Swetlana Gannuschkina ist Vergewaltigung in Tschetschenien und im gesamten Nordkaukasus weit verbreitet. Vergewaltigungen würden auch in Polizeistationen passieren. Vergewaltigung ist ein Tabuthema in Tschetschenien. Einer vergewaltigten Frau haftet ein Stigma an und sie wird an den Rand der Gesellschaft gedrängt, wenn die Vergewaltigung publik wird. Auch die Familie würde isoliert und stigmatisiert werden und es ist nicht unüblich, dass die Familie eine vergewaltigte Frau wegschickt. Die vorherrschende Einstellung ist, dass eine Frau selbst schuld an einer Vergewaltigung sei. Bei Vergewaltigung von Minderjährigen gestaltet sich die Situation etwas anders. Hier wird die Minderjährige eher nicht als schuldig an der Vergewaltigung gesehen, wie es einer erwachsenen Frau passieren würde. Insofern ist die Schande für die Familie auch nicht so groß (EASO 9.2014b, Sitzung 21).

Muslimische Hochzeit:

Es ist in Tschetschenien üblich, auf muslimische Art – durch einen Imam – die Ehe zu schließen. Solch eine Hochzeit ist jedoch nach russischem Recht nicht legal, da sie weder vor einem Staatsbeamten geschlossen, noch registriert ist (EASO 9.2014b, Sitzung 25). Nach russischem Recht wird sie erst nach der Registrierung bei der Behörde ZAGS legal, die nicht nur Eheschließungen registriert, sondern auch Geburten, Todesfälle, Adoptionen usw. (EASO 9.2014b, Sitzung 24). Da die Registrierung mühsam ist und auch eine Scheidung verkompliziert, sind viele Ehen im Nordkaukasus nicht registriert. Eine Registrierung wird oft nur aus praktischen Gründen vorgenommen, beispielsweise in Verbindung mit dem ersten Kind. Der Imam kann eine muslimische Hochzeit auch ohne Anwesenheit des Bräutigams schließen, jedoch ist laut Scharia die Anwesenheit der Frau nötig (EASO 9.2014b, Sitzung 25).

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Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1830_1421055069_bz0414843den-pdf-web.pdf, Zugriff 25.5.2016

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Grundversorgung/Wirtschaft

Im August 2015 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in Russland 75,9 Millionen, somit ungefähr 53 % der Gesamtbevölkerung. Die Arbeitslosenrate liegt bei 5,3%. Der Durchschnittslohn im Juni 2015 lag bei 31.100 RUB (EUR 425) (IOM 8.2015).

Die hohen internationalen Energiepreise sorgten 2012 für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Die Industrieproduktion stieg, allerdings lag der Zuwachs unter den Vorjahreswerten. Die Arbeitslosenrate sank zwischen 2010 und 2012 von 7,2% auf 5,4% und die Durchschnittslöhne lagen 2011 und 2012 deutlich höher als vor der Finanzkrise 2008/9. Während 2012 für Russland insgesamt also zufriedenstellend verlief, war 2013 wegen der Konjunkturschwäche im Euro-Raum und der weltweit gesunkenen Rohstoffpreise schwach. Nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2012, kam es für 2013 nur noch zu einem leichten Wachstum von 1,3%. Das Land ist in eine Phase anhaltender wirtschaftlicher Stagnation getreten. Gleichzeitig stieg Russland im Ranking von "Doing Business" von Platz 112 in 2012 über Platz 92 in 2013 und Platz 64 in 2014 auf Platz 51 in 2016. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund zehn Prozent des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsten das Wirtschaftswachstum. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an. Im Index of Economic Freedom nimmt Russland 2016 den 153. Platz unter 178 Ländern ein. Das schlechte Investitionsklima schlägt sich in einer niedrigen Rate ausländischer Investitionen nieder. Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit bremsen die wirtschaftliche Entwicklung aus. Seit Anfang 2014 hat die Landeswährung mehr als ein Drittel ihres Wertes im Vergleich zum Euro verloren, was unter anderem an den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und dem fallenden Ölpreis liegt. Durch den Währungsverfall sind die Preise für Verbraucher erheblich gestiegen, die Inflationsrate betrug Ende 2015 ca 15%. 2015 gerät die russische Wirtschaft in eine schwere Rezession. Nach dem BIP-Rückgang um 3,7% 2015 prognostiziert die russische Zentralbank für 2016 einen weiteren BIP-Rückgang um 1,0%. (GIZ 4.2016b).

Quellen:

Nordkaukasus

Die nordkaukasischen Republiken ragen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ 4.2016a).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt (ÖB Moskau 10.2015).

Der Kreml verfolgt seit einigen Jahren einen Ansatz, der auf regionale wirtschaftliche Entwicklung setzt und viele der Republiken im Nordkaukasus – allen voran Tschetschenien – haben durch zahlreiche Verwaltungs- und Finanzreformen heute mehr Unabhängigkeit als Anfang der 1990er Jahre jemals anzunehmen gewesen wäre. Auch der Tourismus soll in der landschaftlich attraktiven Region helfen, die Spirale aus Armut und Gewalt zu durchbrechen, wie insbesondere in der Entscheidung, die olympischen Winterspiele 2014 im unweit der Krisenregion gelegenen Sotschi auszutragen, deutlich wird. Zudem profitieren einige Teilrepubliken von Rohstoffvorkommen und so lassen sich auch einige sichtbare Zeichen von wirtschaftlichem Aufschwung und Wiederaufbau im Nordkaukasus ausmachen. Als beispielhaft dafür steht unter anderem die tschetschenische Hauptstadt Grosny, die nach ihrer fast völligen Zerstörung heute durchaus auflebt. Die schlechte Sicherheitslage und ein weit gestricktes Netzwerk aus Korruption, die zu einem wesentlichen Teil von den Geldern des russischen Zentralstaats lebt, blockieren aber eine umfassende und nachhaltige Entwicklung des Nordkaukasus. Das grundlegende Problem liegt in der russischen Strategie, den Konflikt durch die Übertragung der Verantwortung an lokale Machtpersonen mit zweifelhaftem Ruf zu entmilitarisieren. Deren Loyalität zu Moskau aber basiert fast ausschließlich auf erheblichen finanziellen Zuwendungen und dem Versprechen der russischen Behörden, angesichts massiver Verstrickungen in Strukturen organisierter Kriminalität beide Augen zuzudrücken. Ein wirksames Aufbrechen dieses Bereicherungssystems jedoch würde wiederum die relative Stabilität gefährden. Nachhaltige Entwicklungsfortschritte bleiben deshalb bislang weitgehend aus und insbesondere die hohe regionale Arbeitslosigkeit bildet einen Nährboden für neue Radikalisierung. Um dem zu begegnen und den islamistischen Militanten den ideologischen Nährboden zu entziehen, hat die russische Regierung Initiativen in Medien gestartet und in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden Programme zur De-Radikalisierung und zum interkulturellen Dialog entwickelt. Der langfristige Erfolg solcher Maßnahmen bleibt dabei abzuwarten, in jedem Fall aber wird seitens Moskau versucht dem Nordkaukasus eine Perspektive zu schaffen (Zenithonline 10.2.2014).

Quellen:

Sozialbeihilfen

Russland hat ein grundlegendes Sozialsystem, welches Renten verwaltet und Hilfe für gefährdete Bürger gewährt (IOM 8.2015). Das soziale Sicherungssystem wird von vier Institutionen getragen: dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem Staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Die Rentenreform sieht die Gründung der nichtstaatlichen Rentenfonds vor, die neben der Grundversicherung einen zusätzlichen privaten Teil der Rente ermöglichen. Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder- und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau (GIZ 3.2016c).

Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in der Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden. Personen, die soziale Unterstützung erhalten können:

Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich:

Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen. Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen (IOM 6.2014).

MedCOI erwähnt weitere Kategorien von Bürgern, denen unterschiedliche Arten von sozialer Unterstützung gewährt wird:

Renten

Familienhilfe:

Die Regierung will die Bevölkerungszahl erhöhen. Daher erhalten

Familien mit drei oder mehr Kindern folgende Begünstigungen:

Behinderung

Wohnungswesen

Bürger ohne Unterkunft oder mit unzumutbarer Unterkunft und sehr geringem Einkommen können kostenfreie Apartments beantragen

Arbeitslosenhilfe

Im Nordkaukasus besteht die höchste Arbeitslosenquote des Landes. Arbeitslose (mit Ausnahme von Schülern, Studenten und Rentnern) können sich bei den Arbeitsagenturen arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Die Arbeitsagentur wird innerhalb von zehn Tagen einen Arbeitsplatz anbieten. Lehnt der Bewerber die Stellen ab, wird er als arbeitslos eingetragen. Die Arbeitslosenhilfe basiert auf Durchschnittslohn der letzten Arbeit und ist auf ein Minimum und Maximum von der russischen Gesetzgebung begrenzt. Seit 2009 ist das Minimum RUB 850 (USD 15) pro Monat und das Maximum RUB 4.900 (USD 82). Die Förderung wird monatlich ausgezahlt, sofern der Begünstigte die notwendigen Verfahren der Neubewerbung (gewöhnlich zweimal im Monat) nach den Bedingungen der Arbeitsagentur durchläuft. Notwendige Unterlagen und Dokumente sind ein Reisepass oder ein gleichwertiges Dokument und ein Arbeitsbuch oder eine Kopie, die Lohnbescheinigung des letzten Jahres, die Steueridentifikationsnummer (INN certificate), der Rentenversicherungsausweis und Dokumente zum Nachweis der Ausbildung und Berufserfahrung (IOM 8.2015).

Unterbrechung der Arbeitslosenhilfe in folgenden Fällen:

Quellen:

Krankenversicherung

Seit dem 1. Januar 2011 gibt es ein neues Gesetz über die Krankenpflichtversicherung. Vor dem 1. Mai 2011 gab es in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Krankenversicherungen, danach traten neue Regeln für den Abschluss einer universellen Krankenversicherung in Kraft. Die Änderung der Krankenversicherungen tritt nach und nach in den einzelnen Regionen in Kraft. Die versicherten Personen sollen medizinische Versorgung in Gesundheitszentren kostenfrei erhalten mit sowohl den alten als auch den neuen Krankenversicherungen. Die alten Krankenversicherungen bleiben so lange in Kraft, bis sie durch die neue Versicherung ersetzt werden, egal welche Gültigkeitsdauer auf der alten Krankenversicherung angegeben ist. Es gibt keine Richtlinie, die die Dauer des Austausches der Krankenversicherungen festlegt. Wenn jetzt ein Versicherungsnehmer seinen Job wechselt oder verlässt, bleibt die Versicherung gültig und es ist nicht notwendig, eine neue Versicherung abzuschließen. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird (IOM 6.2014).

Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes:

* Notfallbehandlung

* Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken

* Stationäre Behandlung

* Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Jede OMS-registrierte Person hat eine Krankenversicherung mit einer individuellen Nummer, wodurch ihnen der Zugang zur kostenfreien medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation garantiert wird; unabhängig von ihrem Wohnort. Bei der Anmeldung in einer Klinik muss zunächst die Versicherungsbescheinigung vorgelegt werden, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Die Notfallbehandlung kann von allen russischen Staatsbürgern kostenlos in Anspruch genommen werden, unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht. Um eine Krankenversicherung zu erhalten, müssen die Bürger an eine der Krankenversicherungen einen Antrag stellen und die folgenden Dokumente vorlegen: Antrag, Identifikationsdokument (für Erwachsene über 14 Jahre ein Reisepass oder vorläufiger Ausweis, für Kinder die Geburtsurkunde und den Pass bzw. vorläufigen Ausweis des Erziehungsberechtigten) und u.U. die Versicherungspolice der Rentenpflichtversicherung. Die Aufnahme in die Krankenversicherung sowie die Erneuerung sind kostenfrei. Für Kinder bis einschließlich 14 Jahren existiert ein gesondertes System der kostenlosen medizinischen Versorgung, sofern eine Registrierung in der Krankenpflichtversicherung (OMS) vorliegt. Kinder, die älter als 14 sind werden in der Regel in medizinischen Einrichtungen für Erwachsene behandelt. Einige Kliniken (staatliche und private) bieten kostenlose medizinische Konsultationen über das Internet an. Ausländische Staatsbürger haben in Russland nur Zugang zur medizinischen Grundversorgung, d.h. zur notfallmedizinischen Behandlung. Darüber hinausgehende Behandlungen werden in Rechnung gestellt und sind entweder durch direkte Zahlung an die jeweilige Klinik oder gegebenenfalls über die Krankenversicherung des Ausländers zu begleichen. Medizinische Versorgung gegen Bezahlung wird von privaten Gesundheitseinrichtungen unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit angeboten. Umfragen zufolge haben 35% der Bevölkerung eine medizinische Serviceleistung gegen Bezahlung bereits in Anspruch genommen. Aufgrund der hohen Kosten kann der Großteil der Bevölkerung von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch machen. Neben der geschilderten Krankenpflichtversicherung können sowohl russische Staatsbürger als auch Ausländer gegen Bezahlung eine Freiwillige Krankenversicherung (DMS) abschließen, die immer weiter verbreitet ist. Ein Netz von Versicherungsgesellschaften bietet die entsprechenden Dienstleistungen an, wobei die Kosten für eine Versicherung - je nach Ruf der Versicherung und des gebotenen Servicepakets - zwischen 400 und mehreren tausend USD liegen können. Die meisten Versicherungsgesellschaften bevorzugen die Zusammenarbeit mit juristischen Personen. In den vergangenen zehn Jahren sind jedoch zunehmend Versicherungsprogramme für Privatpersonen aufgelegt worden (IOM 6.2014).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert. Russland weist zwar im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl der Ärzte und der Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung auf, das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt aber ineffektiv (GIZ 3.2016c). Die Einkommen des medizinischen Personals sind noch immer vergleichsweise niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und insbesondere HIV/AIDS, breiten sich weiter aus. In den letzten Jahren wurden in die Modernisierung des Gesundheitswesens erhebliche Geldmittel investiert. Der aktuelle Kostendruck im Gesundheitswesen führt aber dazu, dass viele Krankenhäuser geschlossen werden (AA 3.2016a, vergleiche GIZ 3.2016c). In Moskau, St. Petersburg und einigen anderen Großstädten gibt es einige meist private Krankenhäuser, die hinsichtlich der Unterbringung und der technischen und fachlichen Ausstattung auch höheren Ansprüchen gerecht werden. Notfallbehandlungen in staatlichen Kliniken sind laut Gesetz grundsätzlich kostenlos. Die Apotheken in den großen Städten der Russischen Föderation haben ein gutes Sortiment, wichtige Standardmedikamente sind vorhanden. Medikamentenfälschungen mit unsicherem Inhalt kommen allerdings vor (AA 25.5.2016b).

Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326-FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft und seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Serviceleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist. Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Das territoriale Prinzip sieht vor, dass die Zuordnung zu einer medizinischen Anstalt anhand des Wohn-, Arbeits-, oder Ausbildungsorts erfolgt. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen, als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen, als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. Selbstbehalte sind nicht vorgesehen. Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung, sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise durchaus erwartet wird (ÖB Moskau 10.2015).

Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert (GIZ 3.2016c).

Medizinische Versorgung gibt es bei staatlichen und privaten Einrichtungen. Staatsbürger haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu kostenfreier medizinischer Versorgung. Vorausgesetzt für OMS (OMS-Karte) sind gültiger Pass, Geburtsurkunde für Kinder unter 14 Jahren; einzureichen bei der nächstliegenden Krankenversicherungsfirma. Sowohl an staatlichen, wie auch privaten Kliniken bezahlte medizinische Dienstleistungen verfügbar; direkte Zahlung an Klinik oder im Rahmen von freiwilliger Krankenversicherung (Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 8.2015).

Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes:

* Notfallbehandlung

* Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken

* Stationäre Behandlung

* Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Quellen:

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 25.5.2016

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 25.5.2016

Länderinformationsblatt Russische Föderation

Dagestan

In Dagestan stehen der Bevölkerung 36 zentrale Bezirkskrankenhäuser (3979 Betten), drei Bezirkskrankenhäuser (215 Betten), 102 Lokalkrankenhäuser (1970 Betten), vier Dorfkrankenhäuser (180 Betten), fünf zentrale Bezirkspolykliniken, 175 ärztliche Ambulanzen und 1076 ambulante Versorgungspunkte zur Verfügung. Spezialisierte medizinische Hilfe erhält man in zehn städtischen und 48 republikanischen Prophylaxe- und Heileinrichtungen. Es gibt fünf Sanatorien für Kinder, zwei Kinderheime, drei Bluttransfusionseinrichtungen, sowie sieben selbstständige Notdienste und 50 Notdienste, die in andere medizinische Einrichtungen eingegliedert sind (IOM 6.2014).

Quellen:

Medikamente

Ambulante Patienten und zu Hause Behandelte müssen Medikamente bezahlen; ausgenommen sind solche, die vom Staat gedeckt sind. In 24-Stunden- und Tageskliniken gibt es kostenfreie Medikamente für Bürger, die von der OMS profitieren. Bei Notfällen sind Medikamente kostenfrei. Gewöhnlich kaufen Russen ihre Medikamente auf eigene Kosten. Bürger mit gewissen Krankheiten wird Unterstützung gewährt, u. a. kostenfreie Medikamente, Sanatorium Behandlung und Transport. Kosten für Medikamente variieren, feste Preise bestehen nicht (IOM 8.2015).

Im Allgemeinen gilt, dass alle russischen Staatsbürger - sowohl im Rahmen einer Krankenpflichtversicherung als auch anderweitig versicherte - für etwaige Medikamentenkosten selbst aufkommen. Ausnahmen von dieser Regelung gelten nur für besondere Personengruppen, die an bestimmten Erkrankungen leiden und denen staatliche Unterstützung zuerkannt worden ist (einschließlich kostenloser Medikation, Sanatoriumsbehandlung und Transport (Nahverkehr und regionale Züge). Die Behandlung und die Medikamente für einige Krankheiten werden auch aus regionalen Budgets bestritten. Die Liste von Erkrankungen, die Patienten berechtigen, Medikamente kostenlos zu erhalten, wird vom Ministerium für Gesundheit erstellt. Sie umfasst: Makrogenitosomie, multiple Sklerose, Myasthenie, Myopathie, zerebrale Ataxie, Parkinson, Glaukom, geistige Erkrankungen, adrenokortikale Insuffizienz, AIDS/HIV, Schizophrenie und Epilepsie, systemisch chronische Hauterkrankungen, Bronchialasthma, Rheumatismus, rheumatische Gicht, Lupus Erythematosus, Morbus Bechterew, Diabetes, Hypophysen-Syndrom, zerebral-spastische Kinderlähmung, fortschreitende zerebrale Pseudosklerose, Phenylketonurie, intermittierende Porphyrie, hämatologische Erkrankungen, Strahlenkrankheit, Lepra, Tuberkulose, akute Brucellose, chronisch-urologische Erkrankungen, Syphillis, Herzinfarktnachsorge (6 Monate nach dem Infarkt), Aorten- und Mitralklappenersatz, Organtransplantationen, Mukoviszidose bei Kindern, Kinder unter drei Jahren, Kinder unter sechs Jahren aus sehr kinderreichen Familien, im Falle bettlägeriger Patienten erhält ein Angehöriger oder Sozialarbeiter die Medikamente gegen Verschreibung. Die Medikamentenpreise sind von Region zu Region und, teilweise auch in Abhängigkeit von der Lage einer Apotheke unterschiedlich, da es in der Russischen Föderation keine Fixpreise für Medikamente gibt (IOM 6.2014).

Quellen:

Behandlung nach Rückkehr

Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (im Folgenden: Rückübernahmeabkommen). Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation müssen sich alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden. Im November 2012 wurde etwa ein per Sammelflug aus Österreich rücküberstellter Tschetschene auf Grundlage eines Haftbefehls wegen KFZ-Diebstahls unmittelbar nach seiner Ankunft am Flughafen in Moskau verhaftet. Wenige Tage später wurde ein weiterer, mit demselben Flug rücküberstellte Tschetschene in Grozny in Haft genommen und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Über beide Fälle wurde in den österreichischen Medien intensiv berichtet. Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands hohe Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus, die landesweit hohe Inflation sowie das durch die Wirtschaftskrise ausgelöste Sinken der Realeinkommen. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können (ÖB Moskau 10.2015).

Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 5.1.2016).

Zahlreiche russische Staatsbürger, die sich im Ausland aufhalten, stehen in Opposition zur russischen Führung. Im Jahr 2013 hat etwa der ehemalige Schachweltmeister und Regimekritiker Garri Kasparow Russland vorerst verlassen. Der Ende 2013 nach zehnjähriger Haft amnestierte ehemalige Jukos-Eigner Michail Chodorkowskij lebt ebenfalls außerhalb Russlands. Auslieferungsersuchen der russischen Regierung in Bezug auf asylberechtigte Tschetschenen, wie z.B. den "Exilaußenminister" Achmed Sakajew, sind von der britischen Justiz abgelehnt worden. Apti Bisultanow, der ehemalige "Sozialminister" der tschetschenischen Separatistenregierung, sowie der ehemalige "Präsidentenberater" der Separatistenregierung Said-Hassan Abumuslimow leben in Deutschland. Russische Behörden werfen ihnen vor, Terrorismus zu propagieren oder zu verharmlosen. Es ist jedoch nach Kenntnis des Auswärtigen Amts zu keiner Anklageerhebung gegen diese Personen gekommen (AA 5.1.2016).

Quellen:

Zu Spruchpunkt römisch eins. wurde seitens der belangten Behörde begründend im Wesentlichen festgehalten, dass seit rechtskräftig negativer Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin keine maßgebliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts eingetreten sei.

Der nunmehr ergänzend vorgebrachte Sachverhalt stützte sich zur Gänze auf das bereits als unglaubwürdig festgestellte Vorbringen aus dem Vorverfahren. Aus der Einvernahme zur nunmehrigen zweiten Antragstellung ergebe sich zweifelsfrei, dass keine neuen Gründe vorgebracht worden wären und sohin keine glaubhafte oder maßgebliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eingetreten sei. Die Beschwerdeführerin habe sich abermals auf die bereits im Erstverfahren vorgebrachte Bedrohung durch eine Gruppe radikaler Islamisten gestützt, welche nunmehr ihren Onkel dahingehend bedroht hätten, dass die Beschwerdeführerin aus Europa zurückkommen solle. Bereits im Vorverfahren seien jene Gründe als unglaubwürdig befunden worden und stütze sich die angebliche Bedrohung des Onkels der Beschwerdeführerin auf dieses als unglaubwürdig befundene Vorbringen. Verfolgungsgründe, welche eine neuerliche inhaltliche Prüfung rechtfertigen würden, seien hingegen nicht vorgebracht worden und stehe gesamtbetrachtend zweifelsfrei fest, dass die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag lediglich zum Zweck der Verhinderung einer Abschiebung gestellt habe. Das nunmehr erstattete Vorbringen weise keinen glaubhaften Kern auf.

Eine Rückkehr nach Russland und nach Dagestan sei der Beschwerdeführerin zumutbar und möglich. Diese verfüge über ausreichend familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in ihrem Heimatland, wo nach wie vor enge Familienangehörige leben würden, darunter deren minderjähriger Sohn und ihre Mutter. Die Beschwerdeführerin leide an keiner schwerwiegenden Erkrankung, welche in ihrem Herkunftsstaat keiner Behandlung zugänglich wäre und sei ihr eine Teilnahme am Erwerbsleben möglich.

Zu Spruchpunkt römisch II. wurde begründend insbesondere festgehalten, dass auch hinsichtlich des Familien- und Privatlebens der Beschwerdeführerin seit der rechtskräftigen Entscheidung in deren Erstverfahren keine Änderung eingetreten sei. Ihr Aufenthalt gründe sich auf ungerechtfertigte Anträge auf internationalen Schutz und habe sich diese zu jedem Zeitpunkt der Unsicherheit ihres Aufenthalts bewusst sein müssen. Die Beschwerdeführerin verfüge über ein sehr begrenztes Privatleben in Österreich, ihre Familie lebe nach wie vor in der Russischen Föderation.

Mit Verfahrensanordnung vom 26.07.2017 wurde der Beschwerdeführerin eine Rechtsberatungsorganisation in Hinblick auf eine allfällige Beschwerdeerhebung zugewiesen.

2.3. Gegen den angeführten Bescheid wurde unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch bezeichneten Vollmachtsverhältnisses mit Eingabe vom 09.08.2017 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurden. Begründend wurde nach zusammenfassender Wiedergabe des Verfahrensverlaufs im Wesentlichen festgehalten, dass die im Verfahren erster Instanz getätigten Aussagen hinsichtlich der Gründe der neuerlichen Antragstellung der Beschwerdeführerin der Wahrheit entsprechen würden. Die gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Bedrohung ginge auf die Weigerung einer Kooperation mit jener radikal islamistischen Gruppierung, welcher ihr verstorbener Ehemann angehört hätte, zurück. Der Beschwerdeführerin sei zuletzt durch ihre Familie mitgeteilt worden, dass sich die Situation in ihrer Heimat nicht verbessert hätte und sich eine Rückkehr nach wie vor als gefährlich darstellen würde, da die Familienangehörigen nach wie vor von unbekannten Personen aufgesucht würden, welche sich nach dem Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin erkundigen würden. Da sich die Beschwerdeführerin durch ihre Flucht den Angehörigen der islamistischen Gruppierung entzogen hätte, sei ihr Onkel von jenen Personen zunächst im März 2016 verbal und im September 2016 mit einem Messer bedroht worden, da sie Informationen über die Beschwerdeführerin erhalten wollten. Aufgrund der ständigen Bedrohung und aus Angst um ihr Leben habe die Familie der Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz gewechselt. In dieser Hinsicht habe sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt im Vergleich zum Erstverfahren geändert und wäre eine neue inhaltliche Überprüfung des Antrags der Beschwerdeführerin durchzuführen gewesen, zumal die massive Bedrohung ihres Onkels durch Anhänger der radikal-islamistischen Gruppierung ein wesentliches Indiz für eine der Beschwerdeführerin weiterhin drohende Verfolgungsgefahr darstelle. Jedenfalls aber wäre durch die Behörde eine eigehende Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes durchzuführen gewesen, da im Falle einer Abschiebung in die Russische Föderation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen wäre, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat mit einer Verletzung ihrer Rechte gemäß Artikel 2 und 3 EMRK zu rechnen hätte. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweise sich auch insofern als mangelhaft, als der im Hinblick auf den Erlass einer Rückkehrentscheidung entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht erhoben worden wäre. Die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin hätten sich nicht geändert und ergebe sich aus den im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen keine Verbesserung der Sicherheitslage in Dagestan. Die Behörde habe eine entsprechende Prüfung der Sicherheitslage unterlassen. Außerdem stehe der Beschwerdeführerin staatlicher Schutz deshalb nicht zu, da diese aufgrund der Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes, welcher Anhänger der rebellischen Gruppierung gewesen wäre, von den staatlichen Sicherheitsbehörden gesucht werde. Aufgrund der im November 2013 verabschiedeten Gesetze, welche die Bestrafung von Familie und Verwandten von Terrorverdächtigen vorsehen würden, könne auch die Ehefrau eines Terrorverdächtigen mit einer Bestrafung rechnen. Insbesondere sei damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführerin ihre Flucht als Geständnis angelastet werde und sie eventuell in einem systematisch unfairen Prozess zu einer langjährigen, unverhältnismäßigen Haftstrafe verurteilt würde, wobei die Haftbedingungen in der Russischen Föderation einer unmenschlichen Behandlung iSd Artikel 3, EMRK gleichkämen. Zudem würde die Beschwerdeführerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit landesweit von Anhängern der radikalen Gruppierung gesucht und verfolgt, was ihre Relokation innerhalb des Landes zur Gänze ausschließe. Im Falle ihrer Rückkehr nach Dagestan werde die Beschwerdeführerin somit der größten Gefahr ausgesetzt und ihre grundlegenden Menschenrechte beeinträchtigt. Insofern die Behörde der Beschwerdeführerin vorwerfe, den gegenständlichen Antrag lediglich zur Verhinderung einer Abschiebung gestellt zu haben und davon ausgehe, dass sich ihr Lebensmittelpunkt ob der Tatsache, dass sie dort ihr gesamtes bisheriges Leben verbracht hätte und sich ihr Sohn und ihre Mutter nach wie vor dort aufhielten, in Dagestan befände, sei dem entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ihre Heimat bereits im Jahr 2014 verlassen habe. Außerdem habe die Beschwerdeführerin in Österreich ihren Bruder, mit dem sie in engem Kontakt stehe und welcher sie stets familiär, seelisch oder finanziell unterstütze. Hätte sich die belangte Behörde unter Abgleich mit den Länderfeststellungen ordnungsgemäß mit dem individuellen Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, hätte sie eine anderslautende, mit der ständigen Judikatur übereinstimmende, Entscheidung getroffen. Insbesondere sei die Behörde nicht näher auf die Tatsache eingegangen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemanns, welcher als Anhänger einer radikalen Gruppierung aktiv gewesen wäre, ins Visier jener Gruppierung geraten sei. Beantragt wurden die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

2.4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte mitsamt des bezughabenden Verwaltungsakts am 14.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg. cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A)

2. Gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der Paragraphen 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß Paragraph 68, Absatz 2 bis 4 AVG findet.

Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des Paragraph 68, Absatz eins, AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid (für das Vorerkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Vorerkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein vergleiche etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus Paragraph 69, Absatz eins, Ziffer 2, AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht vergleiche VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100, mwN).

Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde vergleiche in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die – falls feststellbar – zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann vergleiche das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vergleiche auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vergleiche VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt vergleiche VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen vergleiche VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG zurückgewiesen hat.

Die Rechtsmittelbehörde darf nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung (wegen entschiedener Sache) durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist und hat dementsprechend entweder – im Falle des Vorliegens entschiedener Sache – das Rechtsmittel abzuweisen oder – im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung – den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (VwSlg. 2066A/1951, VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, 1433 mwH).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76). Die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht werden (VwGH 23.05.1995, 94/04/0081).

Die Beschwerdeführerin begründete ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen mit einer Gefährdung durch Anhänger einer radikal-islamistische Gruppierung, welche die Beschwerdeführerin dazu verhalten hätten wollen, Rache für den Tod ihres im Jahr 2014 im Zuge einer Antiterroroperation getöteten Mannes zu üben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem rechtskräftigen Erkenntnis vom 22.04.2016, Zl. W111 2112420-1/10E, umfassend mit dem vom der Beschwerdeführerin als ihren Ausreisegrund vorgebrachten Sachverhalt auseinandergesetzt und im Ergebnis den seitens der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Fluchtgründen nach Sichtung der vorgelegten Beweismittel und Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgrund näher dargestellter Ungereimtheiten, der generellen Vagheit ihrer Angaben sowie insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser selbst im Falle einer Wahrunterstellung die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes offen gestanden hätte, insgesamt die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Ebensowenig konnten im vorangegangenen Verfahren Umstände glaubhaft gemacht oder von Amts wegen festgestellt werden, welche die Gewährung subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Im Zuge des nunmehrigen, zweiten, Verfahrens brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihre alten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien und seitens der islamistischen Gruppierung noch immer nach ihr gesucht werde. In diesem Zusammenhang sei es zu Drohungen gegen ihren Onkel gekommen, welche sich im März und September 2016 zugetragen hätten. Man habe eine Rückkehr der Beschwerdeführerin zwecks Zurückziehung der erstatteten polizeilichen Anzeige verlangt.

Soweit sich die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren damit neuerlich auf ihre Fluchtgründe aus dem rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahren bezieht, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese bereits im ersten Verfahrensgang als nicht glaubhaft respektive als nicht asylrelevant beurteilt wurden. Somit liegt – wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid richtig ausgeführt hat – hinsichtlich dieser bereits im Erstverfahren vorgebrachten Verfolgung – entschiedene Sache iSd Paragraph 68, Absatz eins, AVG vor, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keinerlei Grund, von der Einschätzung im rechtskräftigen hg. Erkenntnis vom 22.04.2016, Zl. W111 2112420-1/10E, abzuweichen, dass nämlich die Beschwerdeführerin die Russische Föderation nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat.

Die Beschwerdeführerin stützt ihren gegenständlichen, zweiten Antrag auf ihren ursprünglichen Fluchtgrund, wonach in Dagestan durch eine islamistische Gruppierung nach ihr gesucht werde. Auch das Vorbringen, dass es zwischenzeitlich zu weiteren Drohungen der Islamisten gegen den Onkel der Beschwerdeführerin gekommen sei, um die Rückkehr der Beschwerdeführerin zu erzwingen, steht mit dem rechtskräftig negativ beschiedenen Vorbringen aus dem ersten Verfahren im untrennbaren Zusammenhang und es liegt daher nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird jener Sachverhalt bekräftigt, über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist.

Nochmals festzuhalten bleibt, dass die Beschwerdeführerin fallgegenständlich – mit Ausnahme der im September 2016 erfolgten neuerlichen Bedrohung ihres Onkels – keinerlei Sachverhaltsaspekte ins Treffen geführt hat, welche nach rechtskräftigem Abschluss ihres vorangegangenen Verfahrens im April 2016 entstanden wären. Bereits im Erstverfahren wurden die gegen den Onkel der Beschwerdeführerin gerichteten Drohungen – welche sich insbesondere im Anzünden seines Autos manifestiert hätten – seitens der Beschwerdeführerin ins Treffen geführt und wurde dieser Sachverhaltsaspekt sohin dem Grunde nach bereits in die Entscheidung im vorangegangenen Verfahren miteinbezogen. Auch die im März 2016 behauptetermaßen erfolgte Bedrohung ihres Onkels trug sich vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens zu und ist sohin von dessen Rechtskraft umfasst. Der Umstand des Umzugs der Mutter und des Sohnes der Beschwerdeführerin zu deren Verwandten wurde ebenfalls bereits im vorangegangen Verfahren erwähnt, wobei die Beschwerdeführerin bereits damals durch ihre vagen Ausführungen nicht darzulegen vermochte, inwieweit aus jenem Umstand auf eine ihr drohende Gefährdungslage rückzuschließen wäre. Ein darüber hinausgehender (neu entstandener) Sachverhalt wurde auch im Rahmen der Beschwerdeschrift nicht ins Treffen geführt, und lässt sich aus dieser zudem nicht ableiten, aus welchen Gründen die Einschätzung der Behörde hinsichtlich des Vorliegens entschiedener Sache bestritten werde.

Dem Vorbringen bezüglich der neuerlichen, nach rechtkräftigem Anschluss des Vorverfahrens erfolgten Bedrohung ihres Onkels, ist auch insofern ein glaubhafter Kern abzusprechen, als die Beschwerdeführerin ausführte, jene Drohung habe ihren Grund darin gehabt, dass man die Beschwerdeführerin zu einer Rückkehr in den Herkunftsstaat zwecks Zurückziehung ihrer vor Ausreise bei der Polizei in römisch 40 erstatteten Anzeige gegen die Bedroher der Beschwerdeführerin verhalten hätte wollen. Diebsbezüglich ist hervorzuheben, dass die Beschwerdeführerin im Zuge ihres vorangegangenen Verfahrens noch ausdrücklich davon gesprochen hatte, keine polizeiliche Anzeige erstattet zu haben, da sie die Polizeidienstelle an einem Wochenende aufgesucht hätte und man diese infolgedessen aufgefordert hätte, am darauffolgenden Montag nochmals vorstellig zu werden, zumal erst dann der zuständige Bezirkspolizist im Haus wäre, welcher die Anzeige der Beschwerdeführerin entgegennehmen würde. Die Beschwerdeführerin sei jedoch noch am gleichen Wochenende aus ihrem Herkunftsstaat ausgereist. Dem Vorbringen, wonach die Islamisten nunmehr eine Rückkehr der Beschwerdeführerin zwecks Zurückziehung einer polizeilichen Anzeige erwirken wollen, muss daher auch vor dem Hintergrund jener gravierend widersprüchlichen Angaben ein glaubwürdiger Kern versagt werden.

Insofern im Rahmen der Beschwerdeschrift – erstmals und im Widerspruch zu den bis zu diesem Zeitpunkt erstatteten Angaben der Beschwerdeführerin – von einer der Beschwerdeführerin drohenden Verfolgung auch von staatlicher Seite gesprochen wird, bleibt festzuhalten, dass dieses Vorbringen dem Neuerungsverbot des Paragraph 20, BFA-VG unterliegt. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, vor welchem Hintergrund die Beschwerdeführerin entgegen ihrer früheren Angaben nunmehr eine Verfolgung von staatlicher Seite zu befürchten hätte. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei ihren Angaben zufolge im Jahr 2014 im Zuge einer Antiterroroperation ums Leben gekommen und sei es in der Folge zu einer Anhaltung und einem Verhör der Beschwerdeführerin gekommen, doch sei diese komplikationslos wieder freigelassen worden, als die Behörden erkannt hätten, dass die Beschwerdeführerin in die Aktivitäten ihres Mannes nicht involviert gewesen wäre; weitere Probleme mit staatlichen Behörden wurden nicht ins Treffen geführt, vielmehr gab die Beschwerdeführerin an, sich unmittelbar vor ihrer Ausreise bezüglich der Problemlage die islamistische Gruppierung betreffend an die Polizei gewandt zu haben, welche ihr eine Entgegennahme ihrer Anzeige in Aussicht gestellt hätte, was der Annahme einer staatlichen Verfolgung respektive der Furcht vor einer solchen entgegensteht. Auch darüber hinaus erscheint es keinesfalls nachvollziehbar, weshalb die Islamisten ein derart hohes Interesse gerade an der Person der Beschwerdeführerin haben sollten, als dass sie noch mehrere Jahre nach deren Ausreise versuchen würden, deren Rückkehr zu erzwingen.

Gesamtbetrachtend drängt sich fallgegenständlich sohin der Eindruck auf, dass die Beschwerdeführerin mit der Stellung des Folgeantrages das Ziel verfolgte, die Durchsetzung der rechtskräftigen Entscheidung vom 22.04.2016 zu verhindern.

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich aber auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen vergleiche VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Auch im Hinblick auf Artikel 3, EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation respektive Dagestan zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und sie bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Artikel 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder dieser jedwede Lebensgrundlage fehlen würde.

Es ergibt sich aus den Länderfeststellungen zur Russischen Föderation respektive Dagestan auch, dass kein Grund besteht, davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Artikel 3, EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Artikel 2 und 3 EMRK auszugehen ist.

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Artikel 3, EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung in die Russische Föderation dann nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte.

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat auch – aus dem Blickwinkel des Artikel 3, EMRK – im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist – vergleiche dazu etwa die Erkenntnisse vom 10.12.2009, 2008/19/0809 bis 0812, und vom 28.04.2010, 2008/19/0139 bis 0143).

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Artikel 3, EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia; EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy).

Was die im nunmehrigen Verfahren vorgebrachten gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin (Herzarrhythmie) anbelangt, ist festzuhalten, dass damit keine schwerwiegenden Krankheiten vorgebracht wurden, die in der Russischen Föderation nicht behandelbar wären. Auch wurden keinerlei ärztliche Befunde vorgelegt, aus welchen sich eine konkrete Diagnose ergebe, und ergibt sich aus den herangezogenen Herkunftslandinformationen – übereinstimmend mit den Erwägungen im Erstverfahren – dass der Beschwerdeführerin auch in Dagestan Behandlungsmöglichkeiten offen stünden. Für eine zwischenzeitliche maßgebliche Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin, welche angab bereits seit rund zwei Jahren an jenem Beschwerdebild zu leiden, bestehen sohin keinerlei Anhaltspunkte.

Eine akute lebensbedrohende Krankheit der Beschwerdeführerin, welche eine Überstellung in die Russische Föderation gemäß der dargestellten Judikatur des EGMR verbieten würde, liegt im konkreten Fall nicht vor. Auch wurde nicht konkret dargelegt, dass sich ihr Gesundheitszustand im Falle einer Überstellung verschlechtern würde. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich die Beschwerdeführerin in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

Durch eine Abschiebung der Beschwerdeführerin wird Artikel 3, EMRK nicht verletzt und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind, was im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin jedenfalls der Fall ist. Dass die Behandlung im Herkunftsstaat nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant.

Auch in Hinblick auf die allgemeine (Sicherheits-)Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin kann keine entscheidungsmaßgebliche Verschlechterung erkannt werden. Die Behörde ging unter Berücksichtigung aktuellen Länderberichtsmaterials in zutreffender Weise davon aus, dass die entscheidungsrelevante Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin – verglichen mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft des erst kürzlich ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts im vorangegangenen inhaltlichen Verfahren – keine maßgebliche Veränderung erfahren hat.

Die Beschwerdeführerin brachte im Verfahren durchwegs vor, in ihrer Heimat ihren Lebensunterhalt stets durch eigene Arbeit bestritten zu haben und dort nach wie vor über enge Angehörige zu verfügen. Weshalb der Beschwerdeführerin in ihrer Heimat eine neuerliche Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw eine Unterstützung durch Angehörige nicht (mehr) möglich sein sollte und sie aus diesem Grund der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, wurde in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der Beschwerdeführerin gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte. Die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war sohin rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 68, AVG abzuweisen ist.

3. Rückkehrentscheidung:

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Ziffer eins bis 5 kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegt.

Mit Erkenntnis vom 19.11.2015, Zln. Ra 2015/20/0082 bis 0087, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG dahingehend zu interpretieren sei, dass dieser Tatbestand auch Entscheidungen nach Paragraph 68, AVG mitumfasse.

Paragraph 55, AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit Ende November 2014 im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Ferner erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status der subsidiär Schutzberechtigten im gegenständlichen Verfahren nicht gemäß Paragraph 8, Absatz 3 a, AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß Paragraph 46, Absatz eins, FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht vergleiche EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

In Österreich lebt ein Bruder der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dessen Familie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG, zu welchem die Beschwerdeführerin in gelegentlichem Kontakt steht. Der Bruder der Beschwerdeführerin hält sich bereits seit über 10 Jahren in Österreich auf, ein gemeinsamer Haushalt oder ein persönliches oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Geschwistern liegt – auch in Anbetracht der vorgebrachten fallweisen finanziellen und seelischen Unterstützung durch den Bruder – nicht vor. Die diesbezügliche Sachlage hat sich nach Rechtskraft der im vorangegangenen Verfahren erlassenen Rückkehrentscheidung auch nicht geändert. Eine Rückkehrentscheidung stellt demnach keinen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens dar.

Es ist weiters zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben der Beschwerdeführerin eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist

(Artikel 8, Absatz 2, EMRK).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen vergleiche EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Im Erkenntnis vom 26. Juni 2007, Zl. 2007/01/0479, hat der Verwaltungsgerichtshof – unter Hinweis auf das Erkenntnis des VfGH vom 17. März 2005, VfSlg. 17.516, und die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Fremdensachen – darauf hingewiesen, dass auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen ist, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (VwGH 17. 2. 2007. 2006/01/0216). Eine lange Dauer des Asylverfahrens macht für sich allein keinesfalls von vornherein eine Ausweisung unzulässig (VwGH 2010/22/0094).

Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8, Absatz 2, EMRK) ein hoher Stellenwert zu vergleiche VwGH 17. 12.2007, 2006/01/0216; siehe die weitere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum hohen Stellenwert der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften: VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/0479; VwGH 16. 1. 2007, 2006/18/0453; jeweils VwGH 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; VwGH 22. 6. 2006, 2006/21/0109; VwGH 20. 9. 2006, 2005/01/0699).

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen vergleiche VfGH 29. 9. 2007, B 1150/07; 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423;

17. 12. 2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194;

Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht K15 ff zu Paragraph 9, BFA-VG).

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen; das Ausmaß der Integration im Aufenthaltsstaat, die sich in intensiven Bindungen zu Dritten, in der Selbsterhaltungsfähigkeit, Schul- und Berufsausbildung, in der Teilnahme am sozialen Leben und der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung; Bindung zum Heimatstaat; die strafrechtliche Unbescholtenheit bzw. bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw. die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht.

Geht man im vorliegenden Fall von einem bestehenden Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich aus, fällt die gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das die Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen hat, zu Lasten der Beschwerdeführerin aus und stellt eine Rückkehrentscheidung jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK dar.

Die Beschwerdeführerin stellte am 29.11.2014 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, über welchen mit hg. Erkenntnis vom 22.04.2016 rechtskräftig negativ beschieden wurde. Die Beschwerdeführerin verblieb im Bundesgebiet und stellte wenige Zeit später den gegenständlichen Folgeantrag. Ihr bisheriger Aufenthalt im Bundesgebiet war ihr bis jetzt nur durch diese beiden – letztlich unbegründeten – Anträge auf internationalen Schutz möglich und musste ihr bekannt sein, dass die damit verbundene sogenannte vorübergehende Aufenthaltsberechtigung lediglich ein Aufenthaltsrecht nur für die Dauer des Asylverfahrens darstellt. Es war demnach vorhersehbar, dass es im Falle einer negativen Entscheidung zu einer Aufenthaltsbeendigung kommt.

Das Gewicht eines zwischenzeitig entstandenen Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich die Beschwerdeführerin nicht darauf verlassen konnte, ihr Leben auch nach Beendigung des Asylverfahrens in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen.

Die unbescholtene Beschwerdeführerin bestritt ihren Lebensunterhalt weitgehend aus staatlichen Mitteln und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Die Beschwerdeführerin absolvierte eine Deutschprüfung der Stufe A2 und arbeitete fallweise als Zeitungsausträgerin, wodurch sie sich bemüht zeigte, zur eigenständigen Bestreitung ihres Lebensunterhaltes beizutragen. Im Bundesgebiet leben, wie erwähnt, der Bruder der Beschwerdeführerin sowie dessen Frau und deren dreijähriges Kind, zu welchen die Beschwerdeführerin regelmäßigen Kontakt pflegt. Ein besonderes Maß einer Integration hat die Beschwerdeführerin gesamtbetrachtend vor dem Hintergrund ihrer erst kurzen Aufenthaltsdauer jedoch nicht dargetan. Die Beschwerdeführerin hält sich seit weniger als drei Jahren im Bundesgebiet auf, wobei ihr Aufenthalt zuletzt auf der Stellung eines unbegründeten Folgeantrags beruhte. Im gegenständlichen verfahren wurde keine wesentliche Änderung der privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin dargetan, welche eine gegenüber dem im April 2016 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren anderslautende Entscheidung als geboten erscheinen ließen. Vielmehr stellt sich die private und familiäre Situation der Beschwerdeführerin verglichen mit der Sachlage im damaligen Entscheidungszeitpunkt im Wesentlichen unverändert dar. Darüber hinaus muss auch berücksichtigt werden, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat, in welchem sie den überwiegenden und prägenden Teil ihres Lebens verbracht hat, über enge Familienangehörige, insbesondere ihren minderjährigen Sohn, verfügt, sie russische und awarische Sprachkenntnisse aufweist und es ihr daher auch problemlos möglich sein wird, wieder im Herkunftsstaat Fuß zu fassen. Ein Vergleich der Lebensverhältnisse führt sohin jedenfalls zu einem Überwiegen der nach wie vor bestehenden Bindungen zur Russischen Föderation respektive Dagestan, weshalb die verfügte Rückkehrentscheidung auch vor diesem Hintergrund keine unzumutbaren Härten aufweist. Vor diesem Hintergrund ist ein eindeutiges Überwiegen der nach wie vor bestehenden Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat deutlich, auch in der Beschwerdeschrift wurde nicht konkret dargelegt, aufgrund welcher Sachverhaltsaspekte die vorzunehmende Interessensabwägung zu Gunsten eines Verbleibs in Österreich hätte ausgehen müssen.

Die Interessen der Republik Österreich an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes durch Vermeidung unkontrollierter Zuwanderung wiegen im gegenständlichen Fall insgesamt höher als die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Artikel 8, EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12. 6. 2010, U 613/10-10, vergleiche idS VwGH 11. 12. 2003, 2003/07/0007).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 19. 2. 2009, 2008/18/0721, VwGH 4. 6. 2009, 2009/18/0138) wäre die Beschwerdeführerin nur dann unter dem Blickwinkel des Artikel 8, EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung des Aufenthaltes vom Inland aus berechtigt, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffes in ein durch Artikel 8, EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben erforderlich wäre. Die angeführten persönlichen Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich stellen jedoch nach den oben dargestellten Kriterien in der Judikatur des EGMR keine besonderen Umstände im Sinne des Artikel 8, EMRK dar, die es ihr unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen.

Aufgrund obiger Erwägungen sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach Paragraphen 55 und 57 AsylG 2005 nicht gegeben.

Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach Paragraph 50, Absatz eins, FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).

Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den getroffenen Länderfeststellungen keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des Paragraph 50, FPG ergeben würde.

Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß Paragraph 55, Absatz eins a, FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat daher zu Recht von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgesehen.

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch II. und römisch III. der angefochtenen Entscheidung war daher als unbegründet abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Nach Paragraph 21, Absatz 6 a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die zuletzt mit dem FRÄG 2015 eingeführte Regelung des Absatz 6 a, leg.cit. indiziert, dass im Zulassungsverfahren grundsätzlich weitergehende Möglichkeiten der zulässigen Inabstandnahme von der Durchführung von Verhandlungen bestehen:

Aus einer systematischen Betrachtung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen (Paragraphen 21, Absatz 3,, 6a und 7 BFA-VG, 28 Absatz 3, VwGVG) und dazu ergangener höchstgerichtlicher Judikatur ist abzuleiten, dass der gesetzlichen Intention zufolge eine gerichtliche Beschwerdeverhandlung in Verfahren über zurückweisende Bescheide im Zulassungsverfahren prinzipiell nicht bzw lediglich in Ausnahmekonstellationen vorgesehen ist vergleiche VwGH 28.4.2015, Ra 2014/19/0172; 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159; 15.12.2015, Ra 2015/19/0212 sowie zuletzt 30.6.2016, Ra 2016/19/0072-8) und ist davon auszugehen, dass in jenen Verfahren – im Sinne eines entsprechenden Ausgleichs – in der Spezialbestimmung des Paragraph 21, Absatz 3, BFA-VG weitergehende Möglichkeiten hinsichtlich einer behebenden Entscheidung zwecks Vornahme ergänzender Ermittlungstätigkeiten seitens der Behörde bestehen, als dies zufolge der allgemein für kassatorische Entscheidungen bestehenden Rechtsgrundlage des Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche insb VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063-4) der Fall ist.

Im vorliegenden Verfahren erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Die Beschwerde enthält lediglich eine Wiederholung des im Verfahren vor der Behörde erstatteten Vorbringens. Das darüber hinaus im Rahmen der Beschwerdeschrift erstmals erstattete Vorbringen hinsichtlich einer Furcht vor Verfolgung durch staatliche Behörden unterliegt dem Neuerungsverbot des Paragraph 20, BFA-VG. Wie zuvor bereits dargelegt, trat die Beschwerdeführerin den im angefochtenen Bescheid getroffenen Erwägungen im Rahmen der Beschwerdeerhebung auch darüber hinaus nicht in substantiierter Weise entgegen. Die Beschwerdeführerin hat auch sonst nicht dargelegt, welche Ausführungen sie in einer mündlichen Verhandlung hätte treffen wollen, die ein anderes Verfahrensergebnis bewirken hätten können. In Hinblick auf Spruchpunkt römisch II. ergab sich ebenfalls keine Notwendigkeit zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Insbesondere fand sich in der Beschwerdeschrift keinerlei substantiiertes Vorbringen zu diesem Punkt bzw eine Bestreitung der seitens der Behörde getroffenen Erwägungen und ist der seitens der Behörde festgestellte Sachverhalt nach wie vor als aktuell und vollständig anzusehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2017:W103.2112420.2.00