BVwG
26.06.2017
L509 2140976-1
L509 2140976-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Pakistan, vertreten durch ARGE-Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.11.2016, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins,, Paragraph 8, Absatz eins,, Paragraph 57 und Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 idgF in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG sowie Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2 und Absatz 9,, Paragraph 46 und Paragraph 55, FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gem. Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am nächsten Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung führte der BF zu seinem Fluchtgrund befragt aus, dass er seine Heimat wegen der Taliban und der instabilen Sicherheitslage verlassen habe. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe.
2. Am 20.10.2016 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend BFA) niederschriftlich einvernommen.
Dabei gab der BF eingangs an, dass er Schiit sei und dem Stamm der Turi angehöre. Er habe in Pakistan als Automechaniker gearbeitet und seien unter seinen Kunden auch Sunniten gewesen. Er sei im November oder Dezember 2011 zwei oder dreimal telefonisch bedroht worden. Dabei habe man ihm gesagt, dass er weder die Autos von Sunniten, noch von Regierungsbeamten reparieren solle. Der BF wisse nicht, ob es sich bei den Anrufern um Taliban oder Schiiten gehandelt habe. Er sei auch zur Polizei gegangen und habe Anzeige erstattet. Man habe ihm allerdings gesagt, dass man gegen unbekannte Täter nichts machen könne. Aus Angst um sein Leben habe der BF dann sein Geschäft verkauft. Er habe fortan viel Zeit zuhause verbracht und habe in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Dort habe der BF keine Angst gehabt und sei auch nicht bedroht worden. Wenn der BF nach Pakistan zurückkehre, fürchte er, umgebracht zu werden.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 14.11.2016, Zl. römisch 40 , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gem. Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Dem BF wurde weiters gem. Paragraphen 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gem. Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, Fremdenpolizeigesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, NR. 100 aus 2005, (FPG) idgF, erlassen. Gem. Paragraph 52, Absatz 9, FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Pakistan gem. Paragraph 46, FPG zulässig ist (Spruchpunkt römisch III.). Schließlich wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise des BF gem. Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch IV.).
Beweiswürdigend wurde vom BFA zusammengefasst ausgeführt, dass die Angaben des BF nicht glaubhaft gewesen seien, weswegen daraus auch eine individuelle, konkret gegen den BF gerichtete Gefahr einer Verfolgung in Pakistan nicht abgeleitet werden könne. Es liege somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Grund für eine individuelle Bedrohung bzw. Gefährdung seiner Person im Herkunftsstaat vor.
4. Mit Verfahrensanordnung vom 14.11.2016 wurde dem BF gem. Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
5. Gegen diesen Bescheid des BFA wurde vom BF mit Schriftsatz vom 28.11.2016 innerhalb offener Frist vollumfänglich Beschwerde eingebracht.
Darin wird das Ermittlungsverfahren des BFA als mangelhaft bezeichnet. So seien die Länderberichte im angefochtenen Bescheid viel zu allgemein gehalten, unsubstantiiert und hätten in der Mehrheit der Punkte nichts mit dem Vorbringen des BF zu tun. Das zeige, dass sich das BFA nicht ausreichend mit dem Vorbingen des BF befasst habe. Der Kern der Fluchtgründe drehe sich um die Gruppenverfolgung der schiitischen Minderheit durch die Taliban. Die einzigen Feststellungen der Länderberichte über die konkrete Situation des BF würden dessen Vorbringen jedenfalls eindeutig bestätigen. Obwohl der BF vorgebracht habe, dass er der Volksgruppe der Turi angehöre, habe das BFA keinerlei Ermittlungen dazu angestellt. Dieser Umstand zeige, wie oberflächlich sich die Behörde mit dem Vorbringen des BF beschäftigt habe. Hätte das BFA diese Länderberichte herangezogen und die eigenen Länderberichte korrekt ausgewertet, hätte es zu der Feststellung kommen müssen, dass das Vorbringen des BF Deckung in den Länderberichten findet. Die angeführten Länderberichte seien frei zugänglich und einfach zu recherchieren, was zeige, wie ungenau sich das BFA der ihm zugänglichen Quellen bedient habe. Die Behörde habe ihre Ermittlungspflicht somit nicht voll wahrgenommen und das Verfahren dadurch mit groben Mängeln belastet.
Weiters sei der BF in seinem Recht auf Parteiengehör insofern verletzt worden, als dass das BFA seine Angaben plötzlich für pauschal unglaubwürdig befunden habe und der BF somit nicht die Möglichkeit gehabt habe, der Beweiswürdigung entgegenzutreten.
Zusammenfassend sei die Beweiswürdigung des BFA oberflächlich und mangelhaft und könne nicht als Grundlage für die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz dienen. Wären die Beweise gesetzmäßig gewürdigt worden, so wäre das BFA zu dem Ergebnis gekommen, dass der BF in Pakistan verfolgt wird und ihm die Behörden keinen Schutz geben wollen bzw. können.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter besonderer Berücksichtigung der Angaben des BF vor dem BFA und den Beschwerdeausführungen bzw. den vorgelegten Unterlagen sowie durch Erhebung der aktuellen Lage in der Herkunftsregion des BF anhand des Länderinformationsblattes Pakistan der Staatendokumentation vom 22.03.2017 und einer ACCORD-Anfragebeantwortung zur Lage der Turi in Pakistan vom 09.01.2015. Diese wurden dem BF zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.
2. Feststellungen (Sachverhalt):
2.1. Zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:
Der BF gibt an, den im Spruch angeführten Namen zu führen und am 01.01.1990 geboren zu sein. Er ist Staatsangehöriger von Pakistan, gehört der schiitischen Glaubensgemeinschaft und dem Stamm der Turi an.
Seine Identität steht nicht fest.
Der BF ist verheiratet und hat ein Kind. Seine Ehegattin und sein Kind leben nach wie vor, ebenso wie seine Eltern und Geschwister, in Pakistan. In Pakistan verdiente sich der BF seinen Lebensunterhalt als Automechaniker.
In Österreich verfügt der BF über keine familiären oder sonstigen Bindungen.
2.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Pakistan einer aktuellen und unmittelbaren persönlichen, sowie konkreten Gefährdung, Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen ausgesetzt sein wird. Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Pakistan festzustellen ist.
2.3. Zum Herkunftsland Pakistan:
Regionale Problemzone Khyber Pakhtunkhwa
Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa ist in 25 Distrikte unterteilt (GovKP o. D.).
Im Jahr 2009 führte das pakistanische Militär einen Großeinsatz gegen die TPP in Khyber Pakhtunkhwa durch. In den darauffolgenden Jahren hielt das pakistanische Militär eine starke Präsenz, jedoch nahm die Intensität der militärischen Operationen ab. Die regional aktiven Taliban gingen in den Untergrund, aber übten ihre terroristischen Tätigkeiten, wie Anschläge und gezielte Tötungen weiter aus (EASO 8.2015). In fast allen größeren Städten der Khyber Pakhtunkhwa können militante Schläfer-Zellen gefunden werden (BFA 9.2015). Die Provinz profitierte von den militärischen Operationen in der FATA, insbesondere, die in der Khyber Agency durchgeführt wurden. Die Sicherheitslage hat sich wesentlich verbessert (Dawn 20.4.2015).
Im Jahr 2015 sanken die Terrorvorfälle in Khyber Pakhtunkhwa weiter, es gehörte allerdings weiterhin zu den stark betroffenen Regionen. [ ] Peschawar war am meisten von den Anschlägen und Opfern betroffen mit 85 Todesopfern in 38 Anschlägen, gefolgt von Dera Ismail Khan mit 14 Anschlägen und 19 Toten sowie Charsadda mit 10 Anschlägen und 9 Toten, die zweithöchste Todesopferzahl musste Mardan mit 30 Toten in 4 Anschlägen berichten, zusätzlich zu diesen 4 Distrikten waren von den 25 Distrikten Khyber Pakhtunkhwas 14 weitere von Anschlägen betroffen, die pro Distrikt zwischen keinem und sieben Todesopfern im Jahr 2015 forderten (PIPS 3.1.2016).
Auch im Jahr 2016 war Khyber Pakhtunkhwa die Region Pakistans, die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffen war. [ .] (PIPS 1.2017).
Die Hauptziele der Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa im Jahr 2016 waren Angehörige der Sicherheitskräfte und der Rechtsdurchsetzung sowie deren Kontroll-Posten, 70 Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa zielten auf diese. Weitere Hauptziele waren politisch Arbeitende oder politische Führer und Staatsbedienstete, sowie sporadisch auch Mitglieder von Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste. Allerdings richteten sich 23 Anschläge ganz allgemein gegen Zivilisten (PIPS 1.2017).
Von den insgesamt 127 Anschlägen in Khyber Pakhtunkhwa waren 8 sektiererisch motiviert, die 10 Todesopfer forderten – zumeist gezielte Tötungen zwischen Schiiten und Sunniten sowie ein Granatenanschlag auf eine Moschee. Die restlichen 119 Anschläge wurden durch die TTP oder lokale Taliban Gruppen bzw. Gruppierungen mit ähnlichen Zielen durchgeführt, wie der Jamaatul Ahrar und der Lashkar-e-Islam. Diesen Anschlägen fielen 179 Menschen zum Opfer (PIPS 1.2017).
Insgesamt fanden 2016 154 für die Sicherheitslage relevante Vorfälle von Gewalt statt, neben den Anschlägen waren dies 3 Ereignisse ethnopolitischer Gewalt, 5 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 15 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, eine Auseinandersetzung zwischen Militanten und Stammesangehörigen sowie 3 Vorfälle an der Grenze mit Afghanistan. Alle Gewaltvorfälle zusammen forderten 242 Menschenleben – 122 Zivilisten, 68 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzung sowie 52 Militante (PIPS 1.2017).
Quellen:
BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
Dawn (20.4.2015): ‘Security operations have suppressed militancy’, http://www.dawn.com/news/1177060, Zugriff 9.11.2015
EASO - European Asylum Support Office (8.2015): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1440743353_easo-coi-report-pakistan-country-overview-final.pdf, Zugriff 18.3.2017
GovKP - Government Khyber Pakhtunkhwa (o.D.): Government, http://kp.gov.pk/page/government, Zugriff 18.3.2017
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
Rechtsschutz/Justizwesen
Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Artikel 227, der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology – abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen – dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2016).
[ ]
Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).
Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, in der Praxis ist die Justiz oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus oder Blasphemie, beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 3.3.2017). Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016 einige Anschläge auf Gerichte: im März und im September jeweils einen Anschlag auf jeweils ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, bei denen 17 bzw. 14 Menschen starben, und in Quetta auf ein Krankenhaus, in dem sich Anwälte nach Schüssen auf den Präsidenten der Belutschistan Anwaltsvereinigung versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017).
Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin (AA 12.2016a). Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, kostenintensive Verfahren, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln sowie eine faire und effektive Anhörung (USDOS 3.3.2017). Der Director General der Federal Judicial Academy, schätzt die Zahl der Richter auf 4.200 für eine Bevölkerung von 180 Millionen, ein Richter auf 42.857, weit unter den internationalen Standards. Hinsichtlich der Überlastung der Gerichte ist anzumerken, dass in der Provinz Punjab im Jahr 2015 knapp 700 neue Richter (judges und magistrates) eingestellt wurden, die sich derzeit (zum Teil) noch in Ausbildung befinden. Auch heuer soll es zu Neuaufnahmen in ähnlicher Zahl kommen (ÖB 10.2016).
Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist somit bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit konkreten Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem "Verschwindenlassen" von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 12.2016a).
Die im Rahmen des Nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich (AA 30.5.2016).
[ .]
Im Zivil-, Kriminal- und Familiengerichtssystem gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 3.3.2017).
Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen, und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 3.3.2017).
Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtssprechungssysteme und Rechtsordnungen, die etwa auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der (in Unrechtsfällen) vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden, wobei nicht zuletzt Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Jirgas sind in Pakistan generell auch über paschtunische Gebiete hinaus nach wie vor weit verbreitet (neben FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab) und wenden neben Stammes- auch Schariarecht an (ÖB 10.2016).
In den Stammesgebieten FATA, die nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion unterliegen und in denen das staatliche pakistanische Recht gemäß der Verfassung nur dann Anwendung findet, wenn dies durch ein Präsidialdekret angeordnet wird, hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit den im übrigen Staatsgebiet verbotenen "Jirga"-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte durch Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 30.5.2016).
In Sindh und Punjab hielten feudale Landherren und lokale Führer, in paschtunischen und belutschischen Gebieten und Stammesführer manchmal Panchayats oder Jirgas – lokale Ratsversammlungen – in Missachtung des etablierten Rechtssystems ab. Diese informellen Rechtsysteme bieten keinen institutionalisierten Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge (USDOS 3.3.2017).
Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil aus 2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hingabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings nicht verhindern konnte. Darüber hinaus ist selbst in städtischen Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von "Sharia Courts" zu beobachten; so wurde etwa im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore High Court eingeleitet (ÖB 10.2016).
Als weitere Besonderheiten sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung), die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden, sowie die in FATA und PATA weiterhin auf Basis der Frontier Crimes Regulation (FCR) praktizierte Form der kollektiven Bestrafung zu nennen. Des Weiteren besteht in Fällen sogenannter honour killings oft die Möglichkeit für die Familie des Opfers, dem Täter zu vergeben und diesen so der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen (ÖB 10.2016).
Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen (AA 12.2016a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.
AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.3.2017
AI - Amnesty International (20.4.2015): Dämpfer für die Todesstrafe in Pakistan, http://www.amnesty-todesstrafe.de/index.php?id=732, Zugriff 18.3.2017
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/336589/479266_de.html, Zugriff 20.3.2017
HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/335171/477023_de.html, Zugriff 20.3.2017
ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2016):
Asylländerbericht – 2016
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2015): Pakistani Military Courts Approved By Supreme Court, http://www.ecoi.net/local_link/309434/447325_de.html, Zugriff 18.3.2017
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/322459/461936_de.html, Zugriff Zugriff 20.3.2017
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html, Zugriff 20.3.2017
Justizwesen FATA
Die Federal Administered Tribal Areas (FATA) liegen strategisch bedeutend an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan. Sie gliedern sich in sieben sogenannte Agencies - Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan - denen jeweils ein Political Agent vorsteht (FRC 24.1.2017) - sowie in Frontier Regions, die von den Bezirken Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank in Khyber Pakhtunkhwa aus verwaltet werden (BFA 9.2015).
Die FATA unterliegen nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion. Pakistanische Gesetze haben nur dann Geltung, wenn sie durch ein Dekret des Präsidenten für die FATA in Kraft gesetzt werden (AA 30.5.2016). In den FATA gelten die bereits von den Briten eingeführten Frontier Crimes Regulations, die gewisse paschtunische Rechtsvorstellungen mit dem Versuch einer externen Kontrolle kombinieren. Die Zentralregierung verfügt mit Hilfe des Political Agent über indirekte Einflussmöglichkeiten, während die Stämme über eine gewisse Autonomie verfügen (FRC 24.1.2017). Durch die Ausdehnung der Anordnung zu politischen Parteien auf die Stammesgebiete von 2011, können politische Parteien auch in der FATA aktiv sein (USDOS 3.3.2017).
Der administrative Vorstand jeder "Agency" (Bezirk) der FATA ist ein "Political Agent", der weitreichende administrative und juristische Macht hat. Jede Agency hat je nach Größe zwei bis drei Assistant Political Agents. Unter der pakistanischen Verfassung fällt die FATA ausschließlich in die Zuständigkeit des Präsidenten von Pakistan. Administrativ ist der Gouverneur von Khyber Pakhtunkhwa die oberste exekutive Führungsperson (chief executive) der FATA, als Repräsentant des Präsidenten von Pakistan. Es gibt drei administrative Einrichtungen, das Ministry of States and Frontier Regions, das FATA Sekretariat und die FATA Development Authority, welche das Gebiet unter der Leitung des Gouverneurs von Khyber Pakhtunkhwa verwalten und unterstützen. Die FATA wird rechtlich durch den Frontier Crimes Regulation Act (FCR) von 1901, novelliert 2011, geregelt (FRC 24.1.2017).
In den FATA hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes Rechtssystem mit Jirga-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte im Wege von Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 30.5.2016).
Alle Zivil- und Kriminalfälle in der FATA werden unter der FRC durch eine Jirga (Rat von Älteren) entschieden. Die Bewohner können allerdings den Supreme Court und den Peschawar High Court anrufen bei Fällen, die die Verfassung oder die FCR betreffen. Administrativ finden sich in den FATA zwei regionale Kategorien: "geschützte" Gebiete sind Gebiete unter direkter Kontrolle der Regierung, "nicht-geschützte" Gebiete sind solche, welche indirekt – über lokale Stämme – administriert werden (Gov FATA o.D.).
In den "geschützten" Gebieten der FATA werden Zivil- und Kriminalfälle durch politische Angestellte entschieden, die mit juristischen Vollmachten ausgestattet sind (Gov FATA o.D.).
Nach der FRC sind die Assistant Politcal Agents verantwortlich für die Rechtsprechung in der FATA und werden dabei durch Stammesältere ihrer Wahl unterstützt. Sie halten Anhörungen nach ihrer Interpretation des islamischen Gesetzes und der Stammesbräuche ab (USDOS 3.3.2017). Die Jirga aus Stammesälteren wird nach den Ermittlungen mit Zustimmung der Konfliktparteien eingerichtet. Sie fällt das Urteil, das durch den Political Agent geprüft wird. Für die Umsetzung des Urteils ist die politische Administration zuständig. In den "nicht geschützten" Gebieten der FATA werden die Entscheidungen durch lokale Jirgas, die nach Beratungen durch Vermittler aus der Gemeinschaft zusammengesetzt werden, gefällt (Gov FATA o.D.).
Unter der FCR werden Kollektivstrafen angewandt. Eine rechtliche Vertretung des Angeklagten ist nicht vorgesehen. Die FCR wird seit langem für ihre harten und inhumanen Regelungen kritisiert, einige davon wurden durch die Novellierung von 2011 gemildert. So wurde die Kollektivverantwortung des Stammes und die übermäßige Macht der politischen Repräsentanten eingeschränkt, Frauen und Unter-16jährige aus der Kollektivbestrafung ausgenommen, sowie den Bürgern das Recht eingeräumt, gegen die Entscheidungen der politischen Repräsentanten in einem kodifizierten Gerichtssystem zu berufen (USDOS 3.3.2017).
Im März 2017 genehmigte das pakistanische Kabinett einen Reformplan für die FATA. Der Fünfjahresplan sieht die Eingliederung in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) vor. Die Einwohner der FATA sollen damit das Recht erhalten, ihre Stimme bei Provinzratswahlen von KP abzugeben, dies bereits erstmals bei den Provinzwahlen 2018 (Dawn 2.3.2017). Der FRC soll ersetzt, Kollektivstrafen abgeschafft und die Rechtsprechung der Höchstgerichte auf die FATA ausgedehnt werden. Das Jirga System wird beibehalten, allerdings werden diese von einem Gericht eingesetzt und in Übereinstimmung mit dem vorherrschenden Recht Angelegenheiten entschieden (Dawn 1.6.2016).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.
BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
Dawn (1.6.2016): Reforms proposed for Fata’s merger into KP, https://www.dawn.com/news/1264492, Zugriff 20.3.2017
Dawn (2.3.2017): Federal cabinet approves recommendations to 'mainstream' Fata,
https://www.dawn.com/news/1317961/cabinet-approves-recommendations-to-mainstream-fata, Zugriff 20.3.2017
FRC - FATA Research Centre (24.1.2017): FATA Annual Report 2016, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2017/01/security-report-2-2.pdf, Zugriff 20.03.2017
Gov FATA - Government of FATA (o.D.): Administrative System, https://fata.gov.pk/Global.php?iId=29&fId=2&pId=25&mId=13, Zugriff 20.3.2017
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2015– Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/466923_en.html, Zugriff 23.3.2017
Sicherheitsbehörden
[ ]
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 3.3.2017). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein Ansehen. Dazu trägt die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen, sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen durch die Polizei gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die inhaftierte Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen. Die Polizeikräfte sind oftmals in lokale Machtstrukturen eingebunden und daher nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 30.5.2016).
Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise der Ahmadiyya-Muslimen, den Christen, den schiitischen Moslems und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu gewährleisten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei und Fälle, wo lokale Behörden Minderheiten vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützen (USDOS 3.3.2017).
[ .]
Das Vereinigte Königreich arbeitet mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und Justizbehörde zusammen, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und Rechtstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015).
Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte in Rawalpindi, Lahore, Mianwali, Karachi, Peshawar, Haripur und Buner durchgeführt, bei denen 206 Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) in Karachi und Lahore, Rawalpindi und Mianwali ausgebildet wurden. SHARP-Pakistan pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der FIA, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht illegal inhaftiert werden und sie auch keiner unangemessenen Behandlung ausgesetzt werden. Es sind bei diesen Schulungen 195 männliche und elf weibliche Polizeibeamte unterschiedlichster Dienstgrade in den Bereichen Menschenrechte und Rechte von Flüchtlingen fortgebildet worden (SHARP 2016).
Die Regionalregierung des Punjab führt regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 3.3.2017).
Im Jänner 2015 verabschiedete das Parlament als Reaktion auf einen Terroranschlag auf die öffentliche Armeeschule in Peshawar eine Verfassungsänderung, um militärischen Gerichten eine Aburteilung von unter Terrorverdacht stehenden Zivilisten zu ermöglichen, welche im Zusammenhang mit Terrorismus, Militanz, religiös motivierter Gewalt und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden sollen. Dies trifft rückwirkend auch auf bis zu 6.000 zivile Häftlinge zu, welche landesweit in verschiedensten militärischen Operationen seit 2009 festgenommen wurden (Dawn 24.8.2015). Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt darüber, dass dieses Gesetz universelle Rechte und Freiheiten der Bürger untergraben würde (USDOS 13.4.2016). Das Anti-Terrorgesetz erlaubt der Regierung, auf spezielle Anti-Terrorismusgerichte zurückzugreifen, um Personen die u.a. terroristische Aktivitäten bezichtigt werden, vor Gericht zu stellen. Die Regierung verwendet weiterhin Militärgerichte um Zivilisten wegen Terrorismus und anderen Verbrechen vor Gericht zu stellen (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
ABC News Point (15.12.2016): Top 10 Best Intelligence Agencies in The World 2015,
http://www.abcnewspoint.com/top-10-best-intelligence-agencies-in-the-world-2015/, Zugriff 16.1.2017
AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016
AI - Amnesty International (23.2.2016): Amnesty Report 2015/16, The State of the World’s human Rights, Pakistan, https://www.amnesty.org/download/Documents/POL1025522016ENGLISH.PDF, Zugriff 15.11.2016
FCO - Foreign Commonwealth Office (12.3.2015): Corporate report, Pakistan - Country of Concern,
https://www.gov.uk/government/publications/pakistan-country-of-concern/pakistan-country-of-concern#access-to-justice-and-the-rule-of-law, Zugriff 15.11.2016
Globalsecurity.org (15.12.2016): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI]
http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 16.1.2017
SHARP - Society for Human Rights and Prisoners' Aid (2016):
Pakistan-initiatives-for-capacity-building, http://sharp-pakistan.org/publications/reports/2016-Jan-Apr-SHARP-Pakistan-initiatives-for-capacity-building.pdf, Zugriff, 9.12.2016
USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Pakistan, https://www.ecoi.net/local_link/324735/464433_de.html, Zugriff 16.1.2017
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html, Zugriff 8.3.2017
Religionsfreiheit
Laut CIA World Factbook sind 96,4 Prozent der geschätzt rund 202 Millionen Pakistanis offiziell Muslime, davon 85-90 Prozent Sunniten und 10-15 Prozent Schiiten (CIA 12.1.2017). USDOS geht anhand der jüngsten Volkszählung aus dem Jahr 1998 davon aus, dass 95 Prozent der Bevölkerung Muslime sind. 75 Prozent dieser muslimischen Bevölkerung werden offiziell als Sunniten und 25 Prozent als Schiiten angeführt. Die restlichen 5 Prozent machen Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und weitere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten aus. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen Minderheiten auf 6-9 Millionen Anhänger (USDOS 10.8.2016).
[ .]
Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973, 2016). Die Verfassung weist den Staat an, die Rechte der Minderheiten zu schützen und verbietet Diskriminierung in verschiedenen Bereichen (USDOS 10.8.2016). Die Praktiken der Regierung und einige Gesetze schränken jedoch die Religionsfreiheit ein, besonders für Religiöse Minderheiten (USDOS 3.3.2017).
Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung inkonsequent war bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten und es gibt weiterhin Diskriminierung der Minderheiten (USDOS 10.8.2016).
Die Lage der religiösen Minderheiten (vor allem Christen und Hindus) sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat als Nicht-Muslime klassifiziert werden, ist weiterhin schwierig. Viele leben in Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten aus (AA 12.2016a). Religiöse Minderheiten und sunnitische Muslime, die sich gegen die Terrorgruppen oder deren Ansichten stellen, stehen neben Sicherheitskräften besonders im Fokus terroristischer Gruppen, insbesondere der pakistanischen Taliban. 2015 waren die Minderheiten von zahlreichen Anschlägen betroffen (USCIRF 4.2016). Gezielte Tötungen von Minderheitenangehörigen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben, oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 9.2015).
Im Zeitraum 2012-2015 wurden in Pakistan laut Jinnah Institut mindestens 543 Fälle von Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichtet. Es kam zu 288 Angriffen auf Schiiten, 91 Attacken auf Hindus, 88 auf Christen und 76 auf Ahmadiyas (SATP 5.3.2017). Laut PIPS wurden 2016 in fünf Terroranschlägen insgesamt 82 Angehörige von Minderheiten getötet. Verwundet wurden bei diesen Anschlägen 236 Personen [Anmerkung: Diese Zahlen beziehen sich nur auf Nicht-Muslimische Minderheiten; die Zahlen inkludieren allerdings Ahmadis] (PIPS 1.2017). Besonderes Angriffsziel radikalsunnitischer Gruppen waren in den vergangenen Jahren die schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan (AA 12.2016a).
Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei aufgehalten werden können (USDOS 10.8.2016).
Die Polizei versagt oft dabei, Mitglieder der religiösen Minderheiten, u.a. Christen, Ahmadiyya, Schiiten und Hindus vor Angriffen zu schützen (USDOS 3.3.2017). Die begrenzte Kapazität und der eingeschränkte Willen der Regierung, Täter, die für Übergriffe gegen religiöse Minderheiten verantwortlich sind, zu verfolgen und verhaften, lässt ein Klima von Straflosigkeit zu (USDOS 14.10.2015). Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten (USDOS 3.3.2017).
Die umstrittene Blasphemiegesetzgebung, die ursprünglich unter der britischen Kolonialherrschaft zum Schutz der Religionsfreiheit eingeführt wurde, aber seit der Regierungszeit von General Zia-ul Haq in den achtziger Jahren strenger ausgelegt wird, sieht u.a. für Gotteslästerung die Todesstrafe vor. Außerdem richten sich einige ihrer Paragraphen spezifisch gegen die Ahmadis (AA 12.2016a). Vertreter der Ahmadis sind besorgt über das Vorgehen der Behörden gegen Ahmadis aufgrund der Blasphemie- und "Anit-Ahmadi" Gesetze (USDOS 10.8.2016). Auch die Gerichte versagen oft darin, die Rechte der Minderheiten zu schützen. Gerichte wenden die Blasphemiegesetze diskriminierend gegen Christen, Ahmadis Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten an (USDOS 3.3.2017).
Rechtsbeobachter meinen allerdings auch, dass die Behörden einige Schritte unternommen hätten, um einige Individuen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, jedoch versagen die unteren Gerichte noch dabei, grundlegende Beweismittelstandards in Blasphemieklagen einzuhalten (USDOS 10.8.2016).
Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Um diese Aktivitäten zu reduzieren wurde vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden registrieren lassen müssen und keine Finanzierung aus dem Ausland annehmen dürfen (USDOS 10.8.2016). In der Praxis gibt es allerdings Kleriker, die Intoleranz predigen. Außerdem gibt es – wenige, aber einflussreiche – Madrassen, an welchen Gewalt oder Extremismus gepredigt werden (USDOS 14.10.2015). Bei der FFM 2013 führte ein Minderheitenvertreter aus, es gäbe eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessensgruppen, die sich einen ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten (BAA 6.2013). Der Nationale Aktionsplan gegen Terror sieht auch explizit die Bekämpfung von Hassreden vor und einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die sowie die Bewegungsfreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird Vorstellungen und Ideen zu verbreiten, welche nicht im Einklang mit der herrschenden Gesetzeslage stehen, zu verbreiten (USDOS 10.8.2016).
Im Juni 2014 hat der Oberste Gerichtshof ein wichtiges Urteil als Reaktion auf den Anschlag auf die Allerheiligenkirche in der pakistanischen Großstadt Peschawar gefällt. Dieses Urteil forderte nicht nur von der Regierung, die Opfer des Anschlags zu entschädigen, sondern ordnete auch an, dass die Bundes- und Provinzregierungen Institutionen schaffen müssen, um die Implementierung von Gesetzen zum Schutz der Minderheiten zu überwachen, und ferner, dass ein Nationalrat für Minderheiten gegründet werden muss. Als Antwort auf die zunehmende Gewalt gegen Hindus im Sindh, unternahm die Provinzregierung Initiativen, um die Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten zu fördern. Der Fortschritt ist allerdings langsam und eine effektive Reaktion fehlt (MRGI 2.7.2015).
[ ..]
Die meisten Minderheitengruppen berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der Regierung. Im staatlichen Bereich, sowohl auf nationaler als auch auf Provinzebene, gilt eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht umgesetzt (USDOS 10.8.2016). Auch der Karrieremöglichkeiten von Minderheitenangehörigen im Staatsdienst ist Berichten zufolge begrenzt (USDOS 14.10.2015). Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung. Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigten alle Interviewpartner bei der FFM 2013. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Das Land hat außerdem auch positive Veränderungen im Bereich religiöse Toleranz gesehen. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen finden Minderheitenangelegenheiten Gehör (BAA 6.2013).
Mit Juli 2013 ist das frühere eigenständige Nationale Ministerium für Interreligiöse Harmonie ein Teil des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten geworden (USDOS 28.7.2014). Das Budget des Ministeriums dient als finanzielle Assistenz zur Förderung ärmerer Minderheiten, zur Renovierung von Glaubensstätten, für Entwicklungsprojekte für Minderheiten, Stipendien für Angehörige der Minderheiten und der Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 10.8.2016). Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 30.5.2016).
Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige der religiösen Minderheiten reserviert. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert – je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen, drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. Diese Sitze werden von den gewählten Parteien an Minderheitenangehörige vergeben (USDOS 10.8.2016). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016
AA - Auswärtiges Amt (12.2016): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 14.3.2017
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,
http://www.bfa.bmi.intra.gv.at/board/staatendokumentation/Freigegebene%20Dokumente/Pakistan/FFM-Berichte/PAKI_FFM%20Report_2015_09.pdf, Zugriff 17.11.2016
BFA - Bundesamt für Fredenwesen und Asyl, Staatendokumentation (10.2014): Pakistan – Challenges & Perspectives
CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 17.11.2016
MRGI - Minority Rights Group Internation (2.7.2015): State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2015 – Pakistan, http://www.refworld.org/docid/55a4fa494.html, Zugriff 18.11.2016
Pakistan Constitution (1973, amend. 2016): Constitution of the Islamic Republic of Pakistan (1973) As Amended by The Constitution Twenty Second Amendment Act, 2016 Article: 227 Provisions relating to the Holy Quran and Sunnah,
https://pakistanconstitutionlaw.com/article-227-provisions-relating-to-the-holy-quran-and-sunnah/, Zugriff 14.2.2017
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
SATP – South Asian Terrorism Portal (5.3.2017): Sectarian Violence in Pakistan,
http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/database/sect-killing.htm, Zugriff 9.12.2016
USDOS - US Department of State (14.10.2015): 2014 International Religious Freedom Report – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/313360/451624_de.html, Zugriff 18.11.2016
USDOS - US Department of State: (10.8.2016):2015 Report on International Religious Freedom – Pakistan, https://www.ecoi.net/local_link/328432/469211_de.html, Zugriff 21.11.2016
USDOS US Department of State (28.7.2014): 2013 International Religious Freedom Report– Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/281968/412326_de.html, Zugriff 18.11.2016
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/479927_de.html, Zugriff 8.3.2017
Muslimische Denominationen, insbesondere Schiiten [zu einer regionalen Aufteilung der Anschläge gegen muslimische Sekten vergleiche regionale Sicherheitslage]
[ ]
Spezielle Maßnahmen werden während des schiitischen Muharram für die Sicherheit der Shia unternommen (HRCP 3.2015). Klerikern, denen vorgeworfen wird Vorstellungen und Ideen zu verbreiten, welche nicht im Einklang mit der herrschenden Gesetzeslage stehen, wird die Einreise in bestimmte Städte während des Muharram verboten, um sektiererische Gewalt zu vermeiden. Hunderttausende Sicherheitskräfte werden im ganzen Land während des Ashuras zum Schutz der schiitischen Zeremonien eingesetzt (USDOS 10.8.2016; vergleiche HRCP 3.2016). Dennoch ist die Reaktion der Regierung unzureichend und die Polizei war oft nicht in der Lage, die Mitglieder der religiösen Minderheiten, einschließlich der Schiiten, vor Angriffen zu beschützen (USDOS 10.8.2016).
Für Human Rights Watch stellt sich die Lage im Jahr 2015 so dar, dass es der Regierung nicht gelang, ausreichende Schritte zur Verhinderung von tödlichen Angriffen auf Schiiten und anderer religiöse Minderheiten zu unternehmen (HRW 1.1.2016). USCIRF schätzt, dass durch die Taliban in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 1.000 Schiiten getötet worden sind (USCIRF 4.2016).
Das Jahr 2016 verzeichnete zum dritten Mal in Folge einen Abwärtstrend bei sektiererisch motivierter Gewalt in Pakistan. Dies stellt eine positive Entwicklung dar, doch sind Schwankungen ein bekanntes Phänomen in Pakistan. Nach PIPS sank die Anzahl jener Menschen, welche im Jahr 2016 bei konfessionsbedingten [Anm.:
zwischen den verschiedenen muslimischen Konfessionen] Terroranschlägen ums Leben gekommen sind um rund 62 Prozent, d.h. von 272 Toten im Jahr 2015 auf 104 Tote im Jahr 2016. Mehr als 162 Personen wurden 2016 bei Anschlägen verletzt. Dies bedeutet einen Rückgang von 43 Prozent zum Jahr 2015. Die Anzahl der Angriffe mit einem Zusammenhang zu sektiererischer Gewalt sank im Jahr 2016 nach PIPS im Vergleich zu 2015 um 41 Prozent von 58 auf 34. 17 Angriffe galten Mitgliedern der Schiitischen Glaubensgemeinschaft, und zwölf Angriffe wurden gegen Sunniten durchgeführt. Drei Angriffe wurden gegen Gebetsstätten verübt und jeweils ein Angriff zielte auf Mitglieder der Bohra Gemeinschaft bzw. auf einen Polizeibeamten aufgrund seiner Konfession (PIPS 1.2017)
Konfessionsbedingte Gewalt wird eine Bedrohung darstellen, solange religiös motivierte terroristische Gruppen in Pakistan aktiv bleiben können und ein Diskurs des Hasses im Land herrscht. Auch stellen in diesem Zusammenhang die sektiererischen Ströme aus den Koranschulen eine Bedrohung dar (PIPS 1. 2017).
Khuzdar in Belutschistan und Karatschi in Sindh waren die Hotspots der sektiererischen Gewalt in Pakistian im Jahr 2016. Rund 81 Prozent der Gesamtzahl der Getöteten und 84 Prozent der Verletzten im Zusammenhang mit sektiererischer Gewalt entfielen auf diese Regionen. Während in Karatschi die meisten der durchgeführten Angriffe gezielte Tötungen waren, forderte ein einziger in Khuzdar durchgeführter Selbstmordanschlag auf den Schah Noorani Schrein 54 Menschenleben (PIPS 1.2017). Zum Zeitpunkt dieses Anschlags feierten hunderte Gläubige eine Sufi-Zeremonie (SN 13.11.2016). Zu dem Anschlag bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (RP 14.11.2016). Weitere Hotspots sektiererischer Anschläge waren 2016 in D.I. Khan, in Peshawar und Quetta (PIPS 1. 2017).
Quellen:
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (10.2014): Pakistan – Challenges & Perspectives
HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (3.2015): State of Human Rights in 2014,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/data/HRCP%20Annual%20Report%202014%20-%20English.pdf, Zugriff 14. 2. 2017
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/freedom-of-thought.pdf, Zugriff 14. 2. 2017
HRW - Human Rights Watch (1.1.2016): World Report 2016 – Pakistan, https://www.hrw.org/world-report/2016/country-chapters/pakistan, Zugriff 18.11.2016
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
RP - Rheinische Post (14.11.2016): 52 Menschen sterben bei Bombenanschlag auf Schrein, http://www.rp-online.de/, Zugriff 14.11.2016, 10:47 Uhr
SN - Salzburger Nachrichten (13.11.2016): Zahl der Toten nach Anschlag in Pakistan auf 52 gestiegen http://www.salzburg.com/nachrichten/welt/politik/sn/artikel/zahl-der-toten-nach-anschlag-in-pakistan-auf-52-gestiegen-221955/, Zugriff 14.11.2016
UKHO - UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance, Pakistan: Shia Muslims,
https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/566240/cig_pakistan_shias.pdf, Zugriff 3.11.2015
USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (28.4.2016): 2016 Annual Report, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF_AR_2016_Tier1_2_Pakistan.pdf, Zugriff 21.11.2016
USDOS - US Department of State (14.10.2015): 2014 International Religious Freedom Report – Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/313360/451624_de.html, Zugriff 18.11.2016
USDOS - US Department of State: (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom – Pakistan, https://www.ecoi.net/local_link/328432/469211_de.html, Zugriff 21.11.2016)
Regionale Problemzone Federal Administered Tribal Areas - FATA
Die Federal Administered Tribal Areas (FATA) liegen strategisch bedeutend an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan. Sie gliedern sich in sieben sogenannte Agencies - Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan - denen jeweils ein Political Agent vorsteht (FRC 24.1.2017) - sowie in Frontier Regions, die von den Bezirken Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank in Khyber Pakhtunkhwa aus verwaltet werden (BFA 9.2015).
Die FATA sind charakterisiert durch eine überwiegend paschtunische Bevölkerung und eine stark tribale Struktur. Es finden sich über 24 Hauptstämme. Die Bevölkerung wird ausgehend von der letzten Volkszählung von 1998 auf 4,45 Millionen geschätzt mit einer Wachstumsrate von 3,76 Prozent (FRC 24.1.2017). Die FATA umfassen ca. 3 Prozent der Fläche Pakistans (AA 30.5.2016).
Die Sicherheitslage hat sich in der FATA aufgrund diverser militärischer Operationen verbessert. Viele Gebiete wurden von Aufständischen befreit und auch die Angriffszahlen sind gesunken. In einigen abgelegenen Gebieten, besonders in der Nähe der afghanischen Grenze gibt es noch sogenannte "Pockets" von Aufständischen. Jedoch sind die meisten dieser von dem pakistanischen Militär umzingelt (BFA 9.2015).
Die Lage in jeder Agency variiert und ist abhängig davon, ob es laufende militärische Operationen gibt:
In der Bajaur Agency gab es im Jahr 2008 eine militärische Operation mit dem Ziel die Gegend von Aufständischen zu befreien. Diese Operation gilt als Erfolg, die Sicherheitslage hat sich in dieser Agency stark verbessert. Die meisten Bewohner sind zurückgekehrt, Unternehmen in Bajaur haben wieder geöffnet und die Menschen sind dabei ihr Leben wiederaufzubauen. Angriffe durch Aufständische treten noch sporadisch auf. In manchen Gebieten fanden die Aufständischen Unterschlupf. Die Situation in Mohmand Agency ist ähnlich wie Bajaur Agency. Hier wurden in den Jahren 2011 und 2012 militärische Operationen zur Vertreibung der Aufständischen durchgeführt. Dadurch hat sich auch hier die Sicherheitslage stark verbessert. Die meisten geflohenen Menschen sind wieder zurückgekehrt, der Wiederaufbau hat begonnen. Auch hier gibt es Gebiete, die als Verstecke für die Aufständischen dienen (BFA 9.2015).
[ ..]
In der Kurram Agency sind die Schiiten in der Mehrheit und diese Agency ist geprägt von sektiererisch motivierter Gewalt. In den Jahren 2007 bis 2012 gab es besonders viele Kämpfe, jedoch hat sich die Lage in der letzten Zeit auf Grund von Friedensgesprächen entspannt (BFA 9.2015).
[ .]
Im Jahr 2015 wurden, laut PIPS, 149 Terroranschläge aus der FATA berichtet, ein Rückgang um 36 Prozent im Vergleich zu den 234 aus dem Jahr 2014. 268 Menschen wurden dabei getötet, darunter 100 Zivilisten, 70 Militante und 98 Sicherheitskräfte (PIPS 3.1.2016).
Die Khyber Agency war 2015 mit 36 Anschlägen am stärksten betroffen, doch auch hier gab es einen Rückgang um 60 Prozent in Bezug auf Anschläge und 40 Prozent weniger Todesopfer. Nach der Khyber Agency waren die Agencies Süd-Wasiristan und Bajaur mit jeweils 25 am meisten von Anschlägen im Jahr 2015 betroffen, Süd-Wasiristan erlitt dabei 68 Todesopfer - für Süd-Wasiristan stellt das eine hohe Steigerung von 210 Prozent dar – Bajaur verzeichnete dabei 20 Todesopfer. Mohmand Agency war von 23 Anschlägen mit 20 Toten, die Kurram Agency von 17 Anschlägen mit 46 Toten, Nord-Wasiristan von 11 Anschlägen mit 41 Toten und Orakzai von 7 Anschlägen mit 9 Toten betroffen. Ein bedeutender Einzelanschlag betraf Parachinar in der Kurram Agency mit 25 Toten bei einem Anschlag auf einen Markt, der sich gegen Schiiten richtete. Es konnten 8 Anschläge vereitelt werden (PIPS 3.1.2016).
Hauptziel der Anschläge in der FATA und in Khyber Pakhtunkhwa waren Sicherheitskräfte und deren Infrastruktur, allerdings zielten 34 Anschläge mit 53 Todesopfern in der FATA und in Khyber Pakhtunkhwa auch gegen Stammesältere und Stammesmitglieder, die sich für die Regierung engagierten. Mit 10 solchen Anschlägen war die Bajaur Agency am meisten betroffen, gefolgt von Khyber und Mohmand Agency. Auch in einigen Gebieten Khyber Pakhtunkhwas, wie Swat, Malakand, Dir, Peshawar, Tank und Bannu gab es derartige gezielte Tötungen (PIPS 3.1.2016).
Abgesehen von den Anschlägen gab es in der FATA im Jahr 2015 27 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 75 operative Militärschläge, die meisten davon in Nord-Wasiristan, dem Gebiet der Militäroperation "Zarb-e-Azb" und in der Khyber Agency dem Gebiet der Operationen Khyber-I und Khyber-II. In den 75 operativen Militärschlägen wurden 1.265 Menschen getötet. Außerdem wurden 14 Auseinandersetzungen an der afghanischen Grenze und 12 Drohnenangriffe, 9 davon in Nord-Wasiristan, verzeichnet (PIPS 3.1.2016).
Auch im Jahr 2016 ging die Zahl der Gewaltvorfälle in den FATA signifikant zurück, obwohl diese weiterhin in allen Agencies vorkamen. Die pakistanische Armee spielte eine wichtige Rolle durch die konsequente Zerstörung von Unterschlüpfen der Terroristen. Militärschläge und Operationen zielen weiterhin auf die bestehenden militanten "Pockets". In Nord-Waziristan ist die Operation "Zarb-e-Azb" in ihrer Abschlussphase, in der Khyber Agency ist die Offensive Khyber 3 auf ihrem Höhepunkt, zerstört Infrastruktur der Terroristen, hält die Kontrolle über Gebiete und gewinnt weiter an Kontrolle über Terrain. Das FATA Research Center (FRC) zählt für 2016 219 Vorfälle von militanter Gewalt oder Gegenoffensiven mit 521 Toten im Vergleich zu 293 solchen Vorfällen mit 1.679 Toten im Jahr 2015 (FRC 24.1.2017)
Es wurden, laut PIPS, im Jahr 2016 99 Anschläge aus der FATA berichtet, die 163 Menschenleben kosteten. Im Vergleich zum Vorjahr sank somit die Zahl der Anschläge um 32 Prozent und die Zahl der Todesopfer um 38 Prozent. Unter den Todesopfern waren 91 Zivilisten, 43 Sicherheitskräfte und 29 Militante. Alle 99 Anschläge wurden durch verschiedene Talibangruppen, hauptsächlich der TTP und Jamaatul Ahrar oder Militante mit ähnlichen Zielen durchgeführt (FRC 24.1.2017).
Am stärksten von Anschlägen betroffen war die Mohmand Agency mit 36 Anschlägen und 79 Todesopfern, gefolgt von der Khyber Agency mit 19 Anschlägen und 37 Toten. Bajaur erlitt 15 Anschläge mit 9 Toten, Kurram 6 Anschläge mit 15 Toten, Nord-Wasiristan 8 Anschläge mit 11 Toten, Süd-Wasiristan 12 Anschläge mit 10 Toten und Orakzai 3 Anschläge mit 2 Toten (PIPS 1.2017).
Insgesamt sind 147 für die Sicherheitslage relevante Gewaltvorfälle im Jahr 2016 zu verzeichnen mit 439 Toten (98 Zivilisten, 52 Angehörige der Sicherheitskräfte und 289 Militante). Neben den Anschlägen waren dies 5 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 14 grenzüberschreitende Attacken aus Afghanistan, 24 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 2 Drohnenangriffe, 2 Auseinandersetzungen zwischen militanten Gruppierungen und eine zwischen Militanten und Stammesmitgliedern (PIPS 1.2017).
Die Hauptziele der Anschläge in der FATA im Jahr 2016 waren Angehörige der Sicherheitskräfte sowie deren Kontroll-Posten (42 Anschläge). Weiters waren Mitglieder von Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste (18 Anschläge) sowie politisch Arbeitende oder politische Führer sowie Staatsbedienstete dezidierte Ziele. Allerdings waren 22 Anschläge allgemein gegen Zivilisten gerichtet (PIPS 1.2017).
Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene. Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).
Im März 2017 wurde ein umfassender Reformplan für die FATA genehmigt (Dawn 2.3.2017). Im sozio-ökonomischen Bereich sieht er den Abschluss der bestehenden Wiederaufbaumaßnahmen für 2017 und weitere extensive Rekonstruktionsmaßnahmen im Rahmen eines 10 Jahres FATA Entwicklungsplan vor (Dawn 1.6.2016).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.
BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
Dawn (1.6.2016) Reforms proposed for Fata’s merger into KP, https://www.dawn.com/news/1264492, Zugriff 20.3.2017
Dawn (2.3.2017). Federal cabinet approves recommendations to 'mainstream' Fata,
https://www.dawn.com/news/1317961/cabinet-approves-recommendations-to-mainstream-fata, Zugriff 20.3.2017
FRC - FATA Research Centre (24.1.2017): FATA Annual Report 2016, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2017/01/security-report-2-2.pdf, Zugriff 20.03.2017
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung, doch die Regierung beschränkt diese Rechte in der Praxis. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 3.3.2017).
Die Bewegungsfreiheit in Pakistan wurde im Jahr 2015 häufig aufgrund einer Reihe von Faktoren wie bewaffneten Konflikten, militärischen Operationen in der FATA, gezielte Angriffe, Ausgangssperren und interne Vertreibung sowie Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen eingeschränkt. Auch blieben Reisebewegungen von bestimmten religiösen Minderheiten im Laufe des Jahres gefährlich. 2015 kehrten immer mehr Menschen – welche im letzten Jahrzehnt wegen des bewaffneten Konflikts zwischen den Sicherheitskräften und militanten Extremisten gezwungen waren, aus den staatlich verwalteten Stammes-Bereichen der FATA zu fliehen - wieder zurück. Viele andere konnten aufgrund der prekären Situation in der konfliktbeladenen Gegend noch nicht wieder zurückkehren (HRCP 3.2016).
Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Lebensgrundlage mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. Sie sind dort weitgehend unter sich, doch für ihre Gegner sehr sichtbar (AA 30.5.2016).
Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen. Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan. Hazaras würden durch ihr Aussehen und ihre Sprache überall in Pakistan auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazaras (ca. 3 Mio.), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazaras nicht verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazaras aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 30.5.2016).
Allein schon aufgrund der Größe des Landes bestehen – wie oben dargestellt – innerstaatliche Fluchtalternativen (neben den vergleichsweise sicheren Provinzen Punjab und Sindh etwa auch IDP-Camps in Jalozai, KP, und New Durrani, FATA), allerdings stellt sich die humanitäre Lage in Bezug auf IDPs gemäß Berichten der in diesem Bereich tätigen Hilfsorganisation als besorgniserregend dar. Wiewohl die Rückkehr sowohl afghanischer Flüchtlinge, als auch intern vertriebener Pakistani in diesem Jahr stark zugenommen hat, erscheinen die diesbezüglichen Zielvorgaben der Regierung zumindest optimistisch, zumal die Sicherheitslage im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet – trotz deutlicher Verbesserungen in den vergangenen Jahren – zuletzt wieder heikler geworden ist (ÖB 10.2016).
Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 15.12.2016
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/Highlights.pdf, Zugriff 9.1.2017
ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2016):
Asylländerbericht – 2016
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/337163/466923_en.html, Zugriff 6.3.2017
Grundversorgung und Wirtschaft
Pakistan gehört zu den sieben bevölkerungsreichsten Staaten der Erde. Zwei Drittel der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt und das Durchschnittsalter der Pakistani wird mit 23 Jahre angenommen (CIA 12.1.2017).
Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, niedrige Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten die teils fragile Sicherheitslage, Korruption und die unzureichende Energieversorgung. (AA 12.2016c).
Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 Prozent; der Sektor umfasst u.a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen, der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 Prozent). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 Prozent) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 Prozent der arbeitenden Bevölkerung tätig sind. Etwa 60 Prozent der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (unter Anderem Getreideanbau und Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit (AA 12.2016c).
Neben der fortlaufenden komplexen Notsituation in den FATA und KP, sieht sich Pakistan Dürren, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen ausgesetzt (USAID 6.1.2017).
Wiederkehrende Katastrophen in Kombination mit der chronischen Armut begrenzen die Möglichkeiten für bedürftige Haushalte sich adäquat zu versorgen und führen zudem zu Vertreibung und humanitären Bedürfnissen (USAID 30.6.2016).
[ ..]
Pakistan steht in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vor zahlreichen Herausforderungen. Die meisten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis Ende 2015 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2014) belegt Pakistan Platz 147 von 188 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich schlecht ab. Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung deutlich gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Das Bildungssystem hat sich seit 2013 verbessert, insbesondere das Berufsbildungswesen. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule zu früh ab oder erhalten gar keine Schulbildung. Jährlich streben sechs Millionen Jugendliche auf den Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige zertifizierte Ausbildungsplätze. Pakistan hat eine schnell wachsende Bevölkerung. Etwa 35 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt – viele junge Menschen haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen und des Wassers (BMZ o.D.).
[ .] Im Country Fact Sheet Pakistan vom Jänner 2016 berichtet IOM über Möglichkeiten von Beschäftigung in Pakistan. Demnach waren von rund 63,03 Millionen Pakistani im Jahr 2014-2015 etwa 59,1 Millionen erwerbstätig und 3,93 Millionen arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent. Unterstützt werden die Arbeitssuchenden vom Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme, welche das Ziel verfolgt, Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen, sowie der Small and Medium Enterprise (SME). Auch diese soll Arbeitsplätze im Land schaffen (IOM 7.1.2016).
Pakistanis sind in unterschiedlichem Ausmaß von Armut betroffen. Zwar sank die nationale Armutsquote seit 2004 von 55 Prozent auf 39 Prozent, doch leben somit 39 Prozent der Pakistani in Armut. Die höchsten Quoten mit Bezug auf Armut fallen dabei auf die vom Bund verwalteten Tribal Areas (Fata) mit 73 Prozent und Belutschistan mit 71 Prozent. Auch gibt es massive Unterschiede zwischen den städtischen Bereichen mit 9,3 Prozent und den ländlichen Bereichen mit 54,6 Prozent (Dawn 21.6.2016). Die Gehaltsstruktur ist sehr unterschiedlich verteilt. In größeren Städten ist eine ausgeprägte Mittelschicht vorhanden, in den ländlichen Gebieten allerdings weniger. 47,7 Prozent bis 80 Prozent der Haushaltsausgaben werden für Lebensmittel aufgewendet (TET 4.8.2015).
Nur rund 1.59 Millionen der 59 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2013 Zugang zum Sozialversicherungssystem (HRCP 3.2014). Rund zwei Millionen Pakistani sind in verschiedenen Formen moderner Sklaverei tätig (HRCP 3.2015).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (12.2016c): Pakistan, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Wirtschaft_node.html, Zugriff 29. 1.2017
BMZ - Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o.D.): Pakistan Situation und Zusammenarbeit https://www.bmz.de/de/laender_regionen/asien/pakistan/zusammenarbeit/index.html , Zugriff 25.1.2017
Dawn (1.4.2016): Pakistan losing $133 million daily to corruption, https://www.dawn.com/news/1249119, Zugriff 9.1.2017
Dawn (21.6.2016): 39pc of Pakistanis live in poverty; Fata, Balochistan worst hit, https://www.dawn.com/news/1266171, Zugriff 9.1.2017
Dawn (11.1.2016): Institutions and development, https://www.dawn.com/news/1295551, Zugriff 9.1.2017
CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, Pakistan
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 12.1.2017
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2015): State of Human Rights in 2014
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2014): State of Human Rights in 2013, http://www.hrcp-web.org/hrcpweb/report14/AR2013.pdf, Zugriff 28.11.2016
IOM - International Organization of Migration (7.1.2016):
Länderinformationsblatt Pakistan, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/18363841/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927797&vernum=-2, Zugriff 25.1.2017
Statista (2017): Pakistan: Arbeitslosenquote von 2007 bis 2017, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/323110/umfrage/arbeitslosenquote-in-pakistan/, Zugriff 24.1.2017
TET - The Express Tribune (4.8.2014): Pakistanis spend nearly half of their income on food: Report, http://tribune.com.pk/story/744223/pakistanis-spend-nearly-half-of-their-income-on-food-report/, Zugriff 28.11.2016
USAID - US Agency for International Development (6.1.2017): Pakistan – Complex Emergency; Fact sheet #1, Fiscal Year (FY) 2017 , http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1488979775_pak.pdf, Zugriff 9.3.2017
USAID - US Agency for International Development (30.6.2017):
Pakistan – Complex Emergency; FACT Sheet #3, FIiscal Year (FY) 2016, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1488979775_pak.pdf, Zugriff 9.3.2017
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (23.1.2017): Länderprofil Pakistan, http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-pakistan.pdf, Zugriff 24.1.2017
Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme
Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5 Prozent des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige (EASO 8.2015; vergleiche BFA 7.2016). Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6.2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (IOM 8.2014; vergleiche PBM o.D.a; PBM o. D.b). Der Finanzminister hat das Budget von PBM von 2 Milliarden Rupien auf 4 Milliarden Rupien (ca. 34.379.503 €) erhöht (Dawn 6.6.2015). Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gab mit Stand 2013 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogrammes betrug 2013 ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6.2013).
Die Finanzierungsunterstützung richtet sich an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige mit einer Fokussierung auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung für bedürftige Waisen, Stipendien für hervorragende, bedürftige Studenten für höhere Berufsausbildung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D.a; vergleiche PBM o.D.b).
Quellen:
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (7.2016):Dossier zu Stammes- & Clanstrukturen in Afghanistan und Pakistan (ethnische Gruppen; Paschtunwali; Hazaras; religiös-basierte Wohlfahrtsstrukturen am Beispiel Afghanistans, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf, Zugriff 25.11.2016
Dawn (6.6.2015): Budget's aim not to burden ordinary citizens: Ishaq Dar, http://www.dawn.com/news/1186570, Zugriff 28.11.2016
EASO - European Asylum Support Office (8.2015): EASO Country of Origin Information Report Pakistan Country Overview, https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/EASO_COI_Report_Pakistan-Country-Overview_final.pdf, Zugriff 29.11.2016
IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2014):
Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 28.11.2016
Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.-2.10.2012):
Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg
PBM - Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.b): Pakistan Bait-ul-Mal, http://www.pbm.gov.pk/pbm.html, Zugriff 28.11.2016
PBM - Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.a): Pakistan Bait-ul-Mal, http://www.pbm.gov.pk/pbm.html, Zugriff 28.11.2016
Rückkehrhilfe und -projekte
Staatliche – oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. ERIN, sollen hier Unterstützung leisten, aber diese Projekte laufen erst langsam an (AA 30.5.2016).
Von 1.7.2015 bis 31.12.2016 implementierte die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt RESTART – eine Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten. Das Projekt wird durch den Asyl, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert. Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr von Österreich nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt sieht die Teilnahme von 330 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen. Die Reintegrationsunterstützung beinhaltet Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich, Beratung der Rückkehrer nach der Ankunft im Herkunftsland bezüglich ihrer Chancen und Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation. Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld wird auch angeboten, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken. Des Weitern gibt es Reintegrationsunterstützung in Form von Sachleistungen wie Unterstützung bei einkommensgenerierenden Aktivitäten wie der Gründung eines Kleinunternehmens, dem Eingehen einer Geschäftspartnerschaft (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren), oder einer Berufsausbildung, Unterstützung für vulnerable Personen:
Verbesserung der Lebensumstände, Unterkunft, Aus- und Weiterbildung, Kinderbetreuung und Medizinische Unterstützung. IOM und lokale Partnerorganisationen führen in den Herkunftsländern Monitorings in Form von Interviews und Besuchen bei den Projektteilnehmer durch (IOM o.D.). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch – das Tameer-e-Pakistan Programm – einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen erfahren können (IOM 7.1.2016).
Auch die pakistanische NGO WELDO betreut Rückkehrprogramme. Es gibt unterschiedliche Programme für die freiwillige Rückkehr. Mit Programmen in 113 Bezirken hat WELDO eine große Reichweite. Es werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen dazu dienen, die Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und vermitteln Arbeitsplätze. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der die nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr aus den Partnerländern. Meist sind jene Migranten nur schlecht ausgebildet. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird geboten. Die meisten Programme enthalten auch finanzielle Leistungen für die Betroffenen. Es gibt verschiedene Programme z.B. für vulnerable Personengruppen, unbegleitete Minderjährige und Menschen, die psychische Hilfe benötigen. WELDO kümmert sich ebenfalls und im gleichen Umfang um zwangsweise Abgeschobene (WELDO 2016).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 28.11.2016
IOM - International Organization of Migration (24.1.2017): RESTART römisch II, http://www.iomvienna.at/de/restart-ii, Zugriff 14.3.2017
IOM - International Organization of Migration (7.1.2016):
Länderinformationsblatt Pakistan, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191/18363841/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927797&vernum=-2 , Zugriff 25.1.2017
WELDO (2016): Weldo – Rebuilding Lives, http://www.weldo.org/about-us.php, Zugriff 13.3.2017
Rückkehr
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden (AA 30.5.2016).
Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance, 1979 , namentlich wenn sie über keinen "letter of appointment of a work permit from a foreign employer or an employment visa or an emigration visa from foreign Government" verfügen (Artikel 8, Absatz 2, leg. cit.), oder auch gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt (außer es besteht ein Zusammenhang mit Menschenhandel) (ÖB 10.2016).
Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Griechenland, Spanien und Großbritannien, werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt.
Abgesehen von der geschilderten Rechtslage sind vereinzelte Fälle bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder verlangt wurden (entsprechende Vorfälle sind an den Flughäfen Islamabad, Karachi und Lahore bekannt). Außerdem berichtete IOM von der folgenden Prozedur bei der Rückkehr: Die ohne gültigen Reisepass nach Pakistan Zurückkehrenden werden von der Anti-Human Trafficking Cell der Federal Investigation Agency (FIA) über mehrere Stunden verhört, wobei die Behandlung der Betroffenen zu wünschen übrig lasse und auch eine mehrtätige Festhaltung vorkomme (im Einzelfall hänge dies u.a. auch vom Auftreten der Rückkehrenden ab) (ÖB 10.2016).
Anfragebeantwortung zu Pakistan: Lage der Turi (allg. Informationen und aktuelle Lage) [a-8967-1]:
Ludwig W. Adamec, emeritierter Professor der University of Arizona, schreibt in seinem historischen Wörterbuch zu Afghanistan von 2012 (vierte Auflage), dass es sich bei den Turi um einen paschtunischen Stamm des Ghurgusht-Zweigs handle. Die Turi würden im Kurram-Tal leben und seien Schiiten. Während des Konflikts zwischen den Mudschaheddin und der Regierung in Kabul sei das Kurram-Tal eine wichtige Versorgungsroute der im Gebiet Kabul operierenden Mudschaheddin gewesen. Dies habe zu Spannungen zwischen ihnen und den lokalen Turi geführt.
Das Center for Strategic and International Studies (CSIS), ein in Washington, D.C. ansässiger und nach eigenen Angaben überparteilicher Think Tank mit außenpolitischer Ausrichtung, schreibt in einem älteren Bericht vom September 2011, dass die Schiiten in Kurram dem Stamm der Turi angehören würden, die in der Vergangenheit Kämpfe mit den sunnitischen Stämmen Mangal und Bangasch ausgetragen hätten. Die Mangal und Bangasch hätten durch den Zustrom von Aufständischen aus anderen Provinzen in den letzten Jahren an Macht dazugewonnen. Wie der Bericht anführt, hätten die Turi die Wahrnehmung der Taliban, sie seien Apostaten, durch ihre historischen Entscheidungen noch verstärkt. So hätten sich die Turi geweigert, in den 1980-er Jahren am Dschihad gegen die sowjetischen Truppen teilzunehmen und nach der US-Invasion im Jahr 2001 fliehende Taliban-Kämpfer aufzunehmen. Darüber hinaus lebe der Stamm in einem strategisch wichtigen Gebiet, zu dem insbesondere der Grenzübergang Bodki-Kharlachi, der nur 50 Kilometer von Kabul entfernt liege, zähle.
Es werde davon ausgegangen, so der Bericht, dass das Haqqani-Netzwerk einen Waffenstillstand zwischen Sunniten und Schiiten ausgehandelt habe, um eine Durchreise durch Turi-Territorium zu erleichtern. Das Netzwerk sei den Schiiten nie sonderlich zugetan gewesen, doch sei das Gebiet der Turi eine strategisch wichtige Verbindung zwischen Loya Paktia (einer historisch-kulturellen Region im Osten Afghanistans, Anmerkung ACCORD) und Nord-Wasiristan sowie eine Alternative zu den traditionellen Routen des Haqqani-Netzwerks.
BBC News führt in einem älteren Artikel vom Oktober 2010 an, dass der Turi-Stamm, dessen Mitglieder Schiiten seien, die Taliban verabscheue. Die Taliban würden einer kompromisslosen Form des Sunnismus anhängen und viele ihrer Mitglieder sähen Schiiten als Nicht-Muslime an. Zwei Jahre vor Erscheinen des Artikels sei es in der Umgebung von Alizai zu schweren Kampfhandlungen zwischen den Turi und den Taliban gekommen.
Das australische Außen- und Handelsministerium (Department of Foreign Affairs and Trade, DFAT) schreibt in einem im Dezember 2013 veröffentlichten Bericht zur Lage der Schiiten in Pakistan (nicht behandelt wird die Lage schiitischer Hazara), dass Schiiten in den meisten ethnischen, linguistischen und Stammes-Gruppen Pakistans zu finden seien. Neben den Hazara gebe es eine Reihe weiterer schiitischer Gemeinschaften mit ethnischer bzw. Stammes-Identität. Dazu zählten unter anderem auch die Turi.
Die meisten Schiiten würden in den Agencies Kurram und Orakzai leben. Es werde geschätzt, dass von den etwa 935.000 EinwohnerInnen Kurrams rund 40 Prozent schiitisch seien, wobei die meisten Schiiten in Upper Kurram, nahe der Grenze zu Afghanistan, angesiedelt seien.
Wie der Bericht anführt, hätten sich neun der zehn Angriffe, die sich im Jahr 2012 in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung ereignet hätten, in Kurram ereignet. Im Juli 2013 seien bei zwei großen Selbstmordanschlägen in Parachinar (einer Stadt mit einer großen schiitischen Bevölkerung) 60 Personen getötet und 200 weitere verletzt worden.
Der aktuelle Konflikt in Kurram könne auf die 1980er-Jahre zurückgeführt werden, als die Turi (der einzige paschtunisch-schiitische Stamm) sich geweigert hätten, die Mudschaheddin, und später die aus Afghanistan fliehenden Kämpfer von al-Qaida und der Taliban, zu unterstützen. Die Turi würden noch immer einen strategisch wichtigen Teil im Norden der Kurram Agency besetzen, den die pakistanischen Taliban (Tehrik-i-Taliban Pakistan, TTP) und andere gerne kontrollieren würden. Laut dem DFAT habe es ein hohes Maß an Gewalt zwischen Gemeinschaften und an Angriffen von militanten schiitischen und sunnitischen Gruppen gegeben, wodurch bereits bestehende konfessionelle bzw. Spannungen zwischen verschiedenen Stämmen verschärft worden seien. Es werde davon ausgegangen, dass auf sunnitischer Seite die TTP und das Haqqani-Netzwerk aktiv seien. Die schiitischen Gruppen Hizbollah, Mehdi Milita und Hydri Taliban würden allerdings auch in der Region operieren. Die schiitischen Turi, so das DFAT, könnten aufgrund ihrer geographischen Konzentration in Upper Kurram ein leichteres Ziel konfessionell motivierter Gewalt sein als andere Schiiten in der Region.
Der Bericht erwähnt weiters, dass Anti-Terror-Operationen und konfessionell motivierte Konflikte in Kurram zu weitreichender Vertreibung (aller konfessioneller Gruppen) geführt hätten. Allerdings habe es laut glaubwürdigen Sicherheitsexperten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts eine "sehr zerbrechliche" Waffenruhe zwischen schiitischen und sunnitischen Gruppen in Kurram gegeben. Reisen in die Region, und insbesondere nach Parachinar, die zuvor eingeschränkt gewesen seien, seien durchführbar, außerdem hätten Binnenvertriebene, darunter auch eine kleine Anzahl an Schiiten, damit begonnen, zurückzukehren.
Insgesamt gehe das DFAT davon aus, dass die Lage in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung weiterhin sehr unbeständig sei und es ein hohes Maß generalisierter Gewalt gebe. Friedensvereinbarungen zu verschiedenen Zeiten hätten die Konflikte zwischen den konfessionellen und Stammes-Gruppen reduziert. Militante konfessionelle Gruppen seien in der Region allerdings weiterhin sehr aktiv und hätten häufig ("at a high rate of frequency") rivalisierende konfessionelle bzw. Stammes-Gruppen, darunter auch die schiitischen Turi, angegriffen.
In einem im Juni 2014 veröffentlichten Bericht für das Remote Control project, einem Projekt des Network for Social Change, das sich für sozialen Wandel, insbesondere in den Bereichen Gerechtigkeit, Frieden und Umwelt, einsetzt, schreibt Dr. Wali Alsam, Dozent für Internationale Beziehungen an der Universität Bath, dass die Stabilität von Kurram in den vergangenen sechs Jahren unter konfessionell motivierten Auseinandersetzungen gelitten habe. Kurram sei die einzige Agency in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung, die über eine beträchtliche schiitische Bevölkerung verfüge. So seien rund 40 Prozent der EinwohnerInnen Kurrams schiitisch. Die meisten dieser Schiiten seien Mitglieder des Turi-Stammes und würden in Upper Kurram leben. Dort liege auch die Hauptstadt Kurrams, Parachinar, wo sich der Großteil der konfessionell motivierten Gewalt ereigne. Ende Juli 2013 hätten sich in Parachinar mehrere Bombenanschläge ereignet, bei denen 50 Personen getötet und 122 weitere verletzt worden seien. Dabei habe es sich um nur einen von mehreren Angriffen in letzter Zeit gehandelt. Laut Aslam habe die Zahl der gewaltsamen Angriffe in Kurram mit dem Anstieg der Zahl der Drohnenangriffe in Nord-Wasiristan und der Operationen der pakistanischen Armee im Nordwesten des Landes zugenommen.
Wie der Berichts weiters anführt, sei Kurram Agency eines der bevorzugten Ziele von Aufständischen, die aus Nord-Wasiristan fliehen würden. Die Aufständischen würden dort Zuflucht suchen, da die US-Drohnenangriffe diese Agency aufgrund des beträchtlichen schiitischen Bevölkerungsanteils nicht ins Visier nehmen würden. Lokale BewohnerInnen würden sich diesen Versuchen der Aufständischen, sich in Kurram anzusiedeln, allerdings widersetzen. Infolgedessen seien EinwohnerInnen Kurrams aufgrund ihres Widerstands in zunehmendem Maße von diesen Neuankömmlingen ins Visier genommen worden. Die Haqqani-Fraktion der afghanischen Taliban habe schiitische Stammesälteste in Kurram aufgefordert, die Ansiedlung ihrer Kämpfer zuzulassen, jedoch habe das Problem weiterhin Bestand.
Afghanische Taliban-Kämpfer, die sich in Pakistan verstecken würden, seien wegen der strategischen Lage der Agency auch an Kurram interessiert. Aufständische, die vor US-Drohnenangriffen aus Nord-Wasiristan fliehen würden, würden versuchen, durch Kurram nach Afghanistan zu gelangen. Allerdings hätten lokale BewohnerInnen angekündigt, ihr Gebiet weder als Zufluchtsort noch als Transitroute bereitzustellen. Die Spannungen hätten mehrfach zugenommen, da die lokalen BewohnerInnen den Taliban, die von Kurram aus Anschläge in den Gebieten um Kabul verüben hätten wollen, die Durchreise verweigert hätten. Auch die pakistanische Armee habe den Turi-Stamm dazu gedrängt, von der Armee unterstützten Taliban die Durchreise nach Afghanistan zu gewähren. Schiitische Stammesälteste in Kurram hätten behauptet, dass sie angegriffen würden, da sie die Taliban an der Durchreise nach Afghanistan hindern würden. Laut den Stammesältesten würden mit dem pakistanischen Militär verbundene Personen einige Taliban-Gruppen aufgrund der strategischen Bedeutung der Region unterstützen. Als Vergeltung für die verweigerte Kooperation hätten die Taliban wiederholt das Territorium südöstlich von Kurram blockiert und die Agency damit vom Rest Pakistans abgeschnitten.
Kurram sei auch zum Schauplatz verschiedener militärischer Operationen geworden, die von der pakistanischen Armee zwischen 2008 und 2011 durchgeführt worden seien, um gegen Aufständische, die der Armee den Dschihad erklärt hätten, vorzugehen. Die lokalen Turi hätten solche Operationen begrüßt, in der Hoffnung, diese würden sie von den sunnitischen Aufständischen befreien, die versuchen würden, ihr Gebiet zu erobern. Dies habe wiederum die Aufständischen verärgert, die seit 2010 verschiedene Gebiete Kurrams angegriffen hätten. Laut Mariam Abou Zahab, die sich in den vergangenen zehn Jahren intensiv mit konfessioneller Gewalt in Pakistan beschäftigt habe, sei der Konflikt in Kurram nicht per se tribal oder konfessionell motiviert, sondern durch die Taliban initiiert, die einen Zugang nach Afghanistan wollten und von lokalen Kriminellen unterstützt würden. Sie würden tribale und konfessionelle Unterschiede nützen, um den Konflikt anzuheizen und die Regierung fernzuhalten.
Wie der Bericht anführt, werde geschätzt, dass seit 2007 rund 2.000 Mitglieder des schiitischen Stammes der Turi in Kurram bei Gewalt ums Leben gekommen seien. Zwar habe es mehrere Versuche zur Aushandlung eines Friedensabkommens zwischen den Turi und den Taliban in Kurram gegeben, doch hänge jedes Abkommen von zwei von den Taliban gestellten Bedingungen ab: Gewährung eines Zugangs nach Afghanistan und eines Zufluchtsort vor US-Drohnenangriffen. Da die lokalen BewohnerInnen nur wenig von einem solchen Abkommen hätten, seien sie allerdings dahingehend zunehmend zögerlich. Das bedeute, dass die unruhige und abgelegene Kurram Agency in der nahen Zukunft wahrscheinlich weiterhin mit Gewalt konfrontiert sein werde.
Die pakistanische Tageszeitung Express Tribune berichtet im Oktober 2014, dass im Zuständigkeitsbereich der Polizeidienststelle Badhaber (am Rande von Peschawar, Anmerkung ACCORD) mindestens sieben Personen bei einem Bombenanschlag auf einen Bus, der sich auf dem Weg nach Parachinar befunden habe, getötet worden seien. Die meisten der Getöteten seien BewohnerInnen der Hauptstadt der Kurram Agency gewesen.
Laut Express Tribune setze sich die Bevölkerung Parachinars mehrheitlich aus schiitischen Turi zusammen, die im zunehmenden Maße Opfer konfessioneller Gewalt würden. Es werde davon ausgegangen, dass der Angriff der schiitischen Gemeinschaft gegolten habe.
Das pakistanische Nachrichtenmagazin Newsweek Pakistan führt in einem Artikel vom Juni 2014 an, dass bei einem Selbstmordanschlag im Distrikt Taftan, Provinz Belutschistan, mindestens 24 Personen, darunter mehrere schiitischer PilgerInnen, getötet worden seien. Zu dem Angriff habe sich die verbotene Gruppe Jaish-ul-Islam bekannt. Laut Angaben eines hochrangigen Polizeibeamten hätten die meisten der Getöteten dem Stamm der Turi aus der Kurram Agency angehört.
In einem Artikel vom Juli 2013 berichtet die Zeitung Express Tribune über die zwei bereits im DFAT-Bericht vom Dezember 2013 erwähnten Selbstmordanschläge in Parachinar, der Hauptstadt der Kurram Agency. Bei den Anschlägen seien mindestens 48 Personen getötet und fast 200 weitere verletzt worden. Die meisten der Opfer seien Mitglieder der schiitischen Stämme Turi oder Bangasch gewesen. Zu den Anschlägen in Parachinar, einem Ort, den der Artikel als Hort der konfessionell motivierten Gewalt bezeichnet, habe sich die wenig bekannte Gruppe Ansarul Mudschaheddin bekannt.
Der private pakistanische Nachrichtensender AVT Khyber News erwähnt im Dezember 2012, dass es Berichte über Spannungen zwischen den Stämmen Turi und Bangasch in der Kurram Agency gebe. Der weitgehend schiitische Stamm der Bangasch werfe den Turi vor, die religiösen Werte des Stammes nicht respektiert zu haben. Entlang des Tal-Parachinar-Highways in Kurram seien verschiedene Gewalttaten, darunter Schießereien, Angriffe mit Säure und Entführungen, gemeldet worden. Die Sicherheitskräfte in Kurram hätten angekündigt, zwischen den beiden Stämmen vermitteln zu wollen.
In einem Artikel vom September 2014 schreibt die pakistanische Tageszeitung The Nation, dass sich Personen aus der Kurram Agency, die ihre Geburtsorte verlassen und nun in Islamabad leben würden, darüber beschwert hätten, dass sie noch immer von Aufständischen bedrängt würden. Laut Schiiten, die wegen konfessionell motivierter Gewalt in Parachinar aus der Kurram Agency geflohen seien und sich in der pakistanischen Hauptstadt niedergelassen hätten, sei ihr Leben immer noch bedroht, da ihre Familienangehörige Drohanrufe von Unbekannten erhalten würden.
Wie der Artikel weiters anführt, hätten in Islamabad lebende Personen aus der Kurram Agency private Sicherheitsleute angeheuert, um ihre Familien zu schützen, wenn die männlichen Familienmitglieder zur Arbeit gingen. Waheed Ali Turi, ein aus der Kurram Agency stammender Mann, der in Islamabad ein Geschäft betreibe, habe angegeben, dass es mehrere Vorfälle gegeben habe, bei denen Terroristen Drohbriefe verteilt hätten. Diese Briefe seien nur an Häuser verteilt worden, die sich im Besitz von Angehörigen des Turi-Stammes befinden würden. Daraufhin habe man begonnen, private Sicherheitsleute zu beschäftigen.
Eine ältere Anfragebeantwortung des Australian Refugee Review Tribunal (RRT) vom Mai 2011 geht unter anderem auf die Frage ein, ob es in Pakistan Landesteile mit einer relativ großen schiitischen Bevölkerung gibt, und bezieht sich dabei auf die Angaben mehrerer Quellen. Einer großen Anzahl an Quellen zufolge sei es wahrscheinlich, dass es sich bei Parachinar, einer kleinen Stadt im Stammesgebiet Kurram, um das einzige Stammesgebiet bzw. die einzige Provinz mit einer schiitischen Mehrheit handle. Angesichts anhaltender konfessionell motivierter Konflikte zwischen dem schiitischen Turi-Stamm und sunnitischen Angehörigen des Bangasch-Stammes könnten derzeit allerdings weder Parachinar noch Kurram als sichere Zufluchtsorte bezeichnet werden. In den vergangenen zehn Jahren seien sunnitische Angehörige des Bangasch-Stammes Bündnisse sowohl mit dem Haqqani-Netzwerk als auch mit der Tehrik i-Taliban Pakistan (TTP) eingegangen.
Im Punjab und Sindh, den zwei bevölkerungsreichsten Provinzen Pakistans, würden Berichten zufolge die meisten SchiitInnen leben. Darüber hinaus gebe es in den Bezirken Kohat und Hangu der Provinz Khyber Pahktunkhwa große schiitische Minderheiten, die sich im Wesentlichen aus schiitischen Angehörigen der Stämme Bangasch und Turi zusammensetzen würden. Allerdings seien die schiitischen Gemeinschaften in diesen zwei Bezirken, ebenso wie im benachbarten Kurram, in den vergangenen zehn Jahren Ziel zahlreicher Massenangriffe und gezielter Tötungen geworden.
Rahimullah Yusufzai, ein in Pakistan ansässiger Journalist und Experte für die Stammesgebiete unter Bundesverwaltung, schreibt in einer E-Mail-Auskunft vom 8. Jänner 2015, dass er von keinem dokumentierten Vorfall wisse, bei dem Angehörige des schiitischen Turi-Stammes in einer großen pakistanischen Stadt diskriminiert worden seien. Es könne eine generelle Diskriminierung von Stammesangehörigen – ob Turi, Bangasch, Wazir, Mehsud, Afridi, Schinwari, Daur oder andere paschtunische Stämme – geben, da die Stammesgebiete unter Bundesverwaltung als Zufluchtsstätte und Hochburg der pakistanischen Taliban bekannt seien und Menschen in den pakistanischen Ebenen und urbanen Zentren den Stammesangehörigen, und insbesondere denen aus Süd- und Nordwasiristan, im Allgemeinen misstrauisch gegenüber stünden. Die schiitischen Turi würden allerdings keinen großen Verdacht erregen, weil sie gegen die Taliban und gegen al-Qaida seien. Angehörige der schiitischen Turi seien nicht mit Diskriminierung aus religiösen, konfessionellen oder tribalen Gründen konfrontiert. Allerdings würden extremistische Sunniten und einige militante sunnitische Gruppen wie Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP), al-Qaida, Laschkar-e-Jhangvi (LeT) und Sepah-i-Sahaba Pakistan (SSP) alle Schiiten, ob Angehörige des Turi-Stammes oder Schiiten aus städtischen Gebieten, ablehnen. Es habe viele Angriffe durch diese militanten Gruppen auf Schiiten, darunter Angehörige der Turi, in verschiedenen Landesteilen, insbesondere in Quetta, der Hauptstadt Belutschistans, gegeben. Die schiitischen Turi seien auch in ihrer Heimat, der Kurram Agency, zum Ziel von Angriffen geworden. Jedoch seien sie in der Lage gewesen, gegen die Sunniten zurückzuschlagen und oftmals Rache zu nehmen.
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 9. Jänner 2015)
•Adamec, Ludwig W.: Historical Dictionary of Afghanistan, Fourth Edition, 2012
•AVT Khyber News: [Programme summary of Pakistan's AVT Khyber News 1200 gmt 19 Dec 12], 14. Dezember 2012 (zitiert nach BBC Monitoring)
•BBC News: The Pakistani tribe that is taking on the Taliban, 21. Oktober 2010
http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-11486528
•CSIS - Center for Strategic and International Studies: Violence vs. Stability; A National Net Assessment, September 2011
http://csis.org/files/publication/110907_Cordesman_Pakistan_Web.pdf
•Dawn: Jirga calls for early return of IDPs, 23. November 2014
http://www.dawn.com/news/1146355
•DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade (Australia): DFAT Thematic Report: Shias in Pakistan, 18. Dezember 2013
http://www.immi-gv-au.net/media/publications/pdf/dfat-tir-pakistan.pdf
•Express Tribune: Little-known militant group claims responsibility for Pakistan twin blasts, 27. Juli 2013 (zitiert nach BBC Monitoring)
•Express Tribune: Targeted attack: Bomb on van kills 7 in Peshawar outskirts, 3. Oktober 2014
http://tribune.com.pk/story/770674/targeted-attack-bomb-on-van-kills-7-in-peshawar-outskirts/
•Newsweek Pakistan: Jaish-ul-Islam claims attack on Shia pilgrims, 9. Juni 2014
http://newsweekpakistan.com/jaish-ul-islam-claims-attack-on-shia-pilgrims/
•Remote Control project: Terrorist Relocation and the Societal Consequences of US Drone Strikes in Pakistan (Autor: Wali Aslam), Juni 2014
http://remotecontrolproject.org/wp-content/uploads/2014/06/Wali-Aslam-Report.pdf
•RRT - Australian Refugee Review Tribunal - Country Advice: Country Advice Pakistan – PAK38764 – Hazaras – Shi?ites – Quetta – Targeted Harm – Sipah-e-Sahaba Pakistan – Jamaat Ahle Sunnat – Lashkar-e-Jhangvi – Nasabi-Wahabi – Ahle Hadith – Police Impartiality – Judiciary – Law – State Protection – Relocation, 27. Mai 2011 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1336922290_pak38764.pdf
•The Nation: Spectre of sectarianism still chasing Kurram residents, 28. September 2104
http://nation.com.pk/islamabad/28-Sep-2014/spectre-of-sectarianism-still-chasing-kurram-residents
•Yusufzai, Rahimullah: E-Mail-Auskunft, 8. Jänner 2015
3. Beweiswürdigung
3.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes steht die Identität des BF nicht fest. Soweit der BF namentlich genannt wird, dient dies nicht zur Feststellung seiner Identität, sondern lediglich zur Individualisierung seiner Person.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF ergeben sich aus seinen diesbezüglich plausiblen Angaben sowie aus dem Umstand, dass er vor allem über entsprechende Sprach- und Ortskenntnisse verfügt. Auch die Angaben zu seinen Familienverhältnissen sind plausibel.
3.2. Der angefochtene Bescheid des BFA basiert auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und fasst in seiner Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Das BFA hat sich mit dem individuellen Vorbringen des BF auseinandergesetzt und dieses in zutreffenden Zusammenhang mit seiner Situation gebracht.
Wie bereits das BFA geht auch das Bundesverwaltungsgericht von der mangelnden Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens aus und schließt sich diesbezüglich der Beweiswürdigung des BFA an.
3.3. Die seitens des BFA vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen kann, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gelichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erschienen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängen, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erschienen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhaltes, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zl. 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, Paragraph 45, AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zl. 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem BFA nicht entgegenzutreten.
Wie in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, hat der BF ein unstimmiges Vorbringen erstattet, indem er zunächst die allgemeine Bedrohung durch die Taliban in seiner Heimatregion als Grund für die Ausreise und später jedoch in einer sehr oberflächlichen und kurzen Beschreibung Bedrohungen aus der Gruppe seiner eigenen Religionsgemeinschaft der Schiiten anführte. Aus Angst vor den eigenen Leuten habe er alles zurückgelassen und sei er geflüchtet. Im weiteren Verlauf der Einvernahme gab er an, dass er sein Geschäft verkauft habe und nach Hause zur Landwirtschaft seiner Eltern gefahren sei. In der Landwirtschaft seiner Eltern sei er der Arbeit nachgegangen und nicht bedroht worden. Auf konkretes Nachfragen nannte der BF lediglich ungenaue Eckdaten über zwei bis drei telefonische Drohungen von ihm unbekannten Personen. Nach dem Zeitpunkt dieser Ereignisse musste extra gefragt werden. Demnach hätten sich diese mehrere Jahre vor seiner Ausreise zugetragen. Von einer detaillierten und nachvollziehbaren Schilderung kann – wie in der Beschwerde behauptet wird – in diesem Fall nicht gesprochen werden. Im Übrigen geht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichthofes die normierte amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde nicht so weit, dass sie Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, ermitteln müsste. Der BF wurde explizit dazu befragt, warum er in Österreich um Asyl ansucht und aufgefordert, dies möglichst ausführlich und konkret zu beschreiben. Darauf antwortete der BF lediglich, er sei zwei, drei Mal telefonisch bedroht worden ("unsere Schiiten haben mich gefragt, warum ich für Sunniten arbeite. Ich habe Angst vor unseren eigenen Leuten, deshalb habe ich alles zurückgelassen und bin geflüchtet"); darüber hinaus gäbe es keine anderen Gründe für die Antragstellung. In der Folge antwortete der BF nur mehr auf konkrete Fragen sehr knapp und oberflächlich, ohne von sich aus eine zusammenhängende Darstellung seiner Lage zu schildern. Es ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie daraus den Schluss zieht, dass ein fluchtartiges Verlassen seines Heimatlandes und seiner Familie wenig nachvollziehbar ist. Eine relevante aktuelle Verfolgungshandlung wurde damit jedenfalls nicht glaubhaft gemacht.
Gegen eine aktuelle Verfolgungsgefahr spricht insbesondere der Umstand, dass der BF erst 3 Jahre nach den angeblichen Drohungen das Heimatland verlassen hat und er sich (die Drohungen hätte im November oder Dezember 2011 stattgefunden) bis zur Ausreise zu Hause aufgehalten und dort in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet hat. Diese Darstellung lässt keine wohlbegründete Furcht vor unmittelbar gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen annehmen. Überdies lässt der BF durch die Angabe, während seines Aufenthaltes in der elterlichen Landwirtschaft keine Angst gehabt zu haben, erkennen, dass er sich dort sicher gefühlt hat. Eine wohlbegründete Furcht vor asylrelevanter Bedrohung kann daher nicht nachvollziehbar erkannt werden.
Insofern in der Beschwerde behauptet wird, der BF sei den Drohungen dadurch begegnet, indem er sich versteckt gehalten hätte, entspricht dies nicht der Darstellung des BF, da er in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet hat, sohin nicht versteckt war und er während dieser Zeit auch explizit keine Verfolgungshandlungen erdulden musste. Er habe dort auch keine Angst gehabt, weil sich das Dorf weit weg von der Stadt befinde und er sei dort auch nicht bedroht worden (vergl. Akt S 36 und angefochtener Bescheid S 7).
Die Beschwerde führt an, dass der BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Turi besonders gefährdet sei, ohne allerdings
einen konkreten Bezug zum BF und seiner Lage herzustellen. . Es ist
daher auch eine daraus resultierende asylrelevante Bedrohungslage nicht abzuleiten. Der Hinweis auf die allgemeine Lage genügt nicht, um eine ausreichend reale Gefahr ("real risk") zu begründen, die dem Beschwerdeführer konkret droht. Die Behauptung in der Beschwerde, der Beschwerdeführer hätte "seine Fluchtgeschichte umfassend und detailliert vorgebracht, entspricht keineswegs – wie schon oben ausgeführt - den Tatsachen.
Der Beschwerdeführer hat sich in seiner Aussage bei der asylbehördlichen Vernehmung mit sehr knappen und oberflächlichen Erklärungen begnügt. Dies geht aus der Niederschrift eindeutig hervor. Dennoch hat es der einvernehmende Beamte nicht dabei belassen und konkrete Nachfragen getätigt, um die Hintergründe näher zu beleuchten. Der Beschwerdeführer hat diese Fragen aber nur mit kurzen Bemerkungen beantwortet. Wenn in der Beschwerde nun angeführt wird, der Beschwerdeführer hätte nicht genügend Gelegenheit gehabt, seine Lage genauer zu beschreiben und auch darauf hinzuweisen, dass er nur deshalb nicht früher ausgereist sei, weil er über einen Schlepper die Ausreise nach Australien bereits geplant und organisiert gehabt hätte, der Schlepper aber das Geld zwar genommen aber keine Leistung erbracht hätte, so mag dies dahingestellt bleiben. Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich angegeben, dass er bei seinem Aufenthalt und der Tätigkeit bei der elterlichen Landwirtschaft keine Angst gehabt hätte, er also dort durchaus sicher war. Dass er einige Jahre später doch nach Europa (Österreich) ausgereist ist, widerspricht jedenfalls der Annahme einer für die Ausreise noch ausreichend aktuellen, individuell den Beschwerdeführer treffenden und Flucht auslösenden Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit.
Auch das Bundesverwaltungsgericht gelangt zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer unverfolgt ausgereist ist. Selbst wenn man als wahr unterstellt, dass der Beschwerdeführer 3 Jahre vor seiner Ausreise sein Geschäft aufgeben und wieder zu seinen Eltern zurückkehren musste, so ist dieser Sachverhalt nicht als schutzbegründend zu werten, da es am erforderlichen zeitlichen Konnex zur Ausreise mangelt.
4. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 i.d.F. BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
4.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
4.1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins,, Abschnitt A, Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).
Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse vergleiche VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein vergleiche VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).
4.1.2. Im gegenständlichen Fall
Wie oben in der Beweiswürdigung angeführt, hat der Beschwerdeführer keine wohlbegründete Frucht vor einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht. Der Beschwerdeführer war nicht offenkundig bemüht, seinen Antrag zu substantiieren und seine Aussagen waren auch nicht kohärent und plausibel.
Der Beschwerdeführer hat 3 Jahre vor seiner Ausreise bei seinen Eltern gelebt und in der elterlichen Landwirtschaft mitgearbeitet. Er war dort keinen Bedrohungen ausgesetzt. Die von ihm beschriebene Bedrohungslage – sofern man sie für glaubhaft erachten würde - lag bereits ca. 3 Jahre zurück und mangelte es ihr an der erforderlichen Aktualität. Aktuelle konkrete Verfolgungshandlungen hat der Beschwerdeführer nicht ausgeführt. Sohin lag zum Zeitpunkt der Ausreise keine aktuelle Verfolgungsgefahr vor. Relevant kann aber nur eine zum Zeitpunkt der Ausreise aktuelle Verfolgungsgefahr sein bzw. wenn zwischen den Umständen, die als Ausreisegrund angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (VwGH 17.03.2009, 2007/19/04590 bzw. 19.10.2000, 98/20/0233). Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer nicht wieder in seine Heimat zurückkehren könnte, zumal auch seine Familie nach wie vor dort lebt.
Eine allgemein gefährliche Lage, von der immer wieder alle oder zumindest ein großer Teil der Bewohner betroffen ist (Selbstmordanschläge, Drohnenangriffe, Angriffe durch Aufständische etc.) führt nicht zur Annahme einer den Beschwerdeführer individuell treffenden, asylrelevanten Verfolgungsgefahr. Selbst eine Bürgerkriegslage und daraus resultierende Verfolgung, von denen die gesamte oder Teile der Bevölkerung betroffen ist, begründet ohne das Hinzutreten von individuell gegen die Person des Beschwerdeführers aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichteten Verfolgungshandlungen keine Verfolgungsgefahr iS der Genfer Flüchtlingskonvention (VwG 08.07.2000, 99/20/0203, VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Die Beschwerde war daher im Spruchpunkt römisch eins. abzuweisen.
4.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan
4.2.1. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z1), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine "reale Gefahr" einer Verletzung von Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung nach Paragraph 7, zu verbinden (Absatz 2, leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen vergleiche VwGH 99/20/0573 v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR)
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).
4.2.2. Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Artikel 2, oder Artikel 3, EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird vergleiche etwa VwGH vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479, und vom 23. September 2009, 2007/01/0515, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Artikel 3, EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Riskio iSd Artikel 3, EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt vergleiche etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen vergleiche etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).
Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung2 [2012] 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases") wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.
Auch im jüngst ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der EGMR mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte u.a. aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (v.a. RNr. 91 und 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide vergleiche RNr. 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (RNr. 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (RNr. 98).
Zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt:
Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer 2, Asyl 2005 orientiert sich an Artikel 15, Litera c, der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist vergleiche EuGH vom 17. Februar 2009, C-465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).
Schlussfolgerungen für die Annahme eines realen Risikos bzw. einer ernsthaften Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt:
Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Artikel 2, oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen.
[Es ist zu prüfen], ob der Abschiebung des Asylwerbers ein über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes "real risk" einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Artikel 3, EMRK entgegensteht.
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:
Mit einer bloßen Behauptung wird nicht ausreichend substantiiert dargetan, dass bzw. aus welchem Grund dem Fremden ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" im Sinne des Artikel 3, EMRK drohe (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479). In jedem Fall setzt eine durch die Lebensumstände im Zielstaat bedingte Verletzung des Artikel 3, EMRK aber eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr voraus. Die bloße Möglichkeit eines dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Nachteils reicht hingegen nicht aus, um Abschiebungsschutz zu rechtfertigen vergleiche etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2004, 99/20/0573, u. a.).
Weder auf Grundlage der im gegenständlichen Verfahren herangezogenen Länderinformationen, noch vor dem Hintergrund des persönlichen Vorbringens des BF ist ersichtlich, dass er bei einer Rückführung in sein Heimatland in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Gefährdung im Sinne des Artikel 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre. In Pakistan ist nicht von einer völligen behördlichen Willkür auszugehen, weshalb auch kein "real Risk" (dazu jüngst VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582) einer unmenschlichen Behandlung festzustellen ist. Besondere Umstände (zB schwere Krankheit, entsprechend der Judikatur des EGMR), die ausnahmsweise gegen eine Rückkehr sprechen würden, sind im vorliegenden Verfahren nicht hervorgekommen.
Ebenso wenig ist ersichtlich, dass dem BF im Fall seiner Abschiebung nach Pakistan dort die notdürftigste Lebensgrundlage fehlen würde. Den getroffenen Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und ist diesbezüglich zum Entscheidungszeitpunkt auch keine Verschlechterung bekannt.
Der BF ist ein junger Mann, der gesund ist und seinen Angaben zufolge als KFZ-Mechaniker und in der Landwirtschaft seiner Eltern tätig war. Somit ist kein Grund ersichtlich, wieso er nicht auch nach seiner Rückkehr arbeitsfähig sein sollte.
Schließlich ist darauf zu verweisen, dass der BF nach allgemeiner Lebenserfahrung bei einer Rückkehr auch mit der Unterstützung von Angehörigen rechnen könnte, die nach wie vor im Herkunftsstaat leben.
Es ist daher nicht ersichtlich, warum dem BF eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, wie es ihm auch vor der Ausreise (allenfalls mit der Unterstützung seiner Angehörigen) möglich war.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass sich die wirtschaftliche Situation in Pakistan u. U. schlechter darstellt als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet ist.
Letztlich war auch zu berücksichtigen, dass der BF in der Beschwerde den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen länderkundlichen Feststellungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr nicht substantiiert entgegengetreten ist.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in seinen Rechten nach Artikel 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958, idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Nr. 138 aus 1985, idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Teil 3, Nr. 22 aus 2005, idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Auch aus einer eventuell illegalen Ausreise ergibt sich keine Gefährdung für den Beschwerdeführer.
Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des Bescheides des BFA abzuweisen.
4.3. Zur Rückkehrentscheidung 4.3.1. Dem Beschwerdeführer war weder den Status eines Asylberechtigten noch den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und der Antrag auf internationalen Schutz in beiden Punkten abzuweisen. Somit erweist sich der weitere Aufenthalt des BF in Österreich als nicht rechtmäßig (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) und sind aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach dem 8. Hauptstück des FPG 2005 zu setzen. Im gegebenen Fall kommt als solche eine Rückkehrentscheidung (Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG 2005) in Betracht. Dabei hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob dem Fremden ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, zu erteilen ist und über das Ergebnis dieser Prüfung gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG 2005 mit verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Wird einem Fremden aber, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt, so ist gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
4.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich Folgendes:
Der BF hat nach illegaler Einreise vor etwa zwei Jahren einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, aufgrund dessen er sich gegenwärtig in Österreich aufhält. Er fällt somit nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG, welches von der Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung von Fremden handelt. Der ca. 2 Jahre dauernde Aufenthalt des BF ist ausschließlich darauf zurückzuführen, dass sein Asylverfahren in zwei Instanzen abzuwickeln war. Er verfügt über keinerlei Aufenthaltstitel, hat aber auch keine Verwandten in Österreich. Diesbezüglich wurden vom BF auch keine Umstände behauptet, aufgrund derer vom Vorliegen eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses bzw. einer besonderen Beziehungsintensität auszugehen wäre. Im Wesentlichen lebt der BF in Österreich von Unterstützungsleistungen durch die öffentliche Hand.
Es ist kein Sachverhalt hervorgekommen, aufgrund dessen vom Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens des BF in Österreich ausgegangen werden konnte.
Daher bleibt zu prüfen, ob mit der Ausweisung des BF ein Eingriff in dessen Privatleben einhergeht.
Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar.
Aufgrund der erst vor etwa zwei Jahren stattgefundenen Ausreise des BF kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine Entwurzelung von seinem Herkunftsland stattgefunden hat und bestehen somit nach wie vor Bindungen zu Pakistan, zumal dort die Eltern, mehrere Geschwister bzw. seine Ehegattin und sein Sohn leben. Es ist daher vom Bestehen eines sozialen Netzes auszugehen.
Es liegen darüber hinaus erhebliche öffentliche Interessen vor, die darauf abzielen, eine unkontrollierte Zuwanderung von Fremden und ein Unterlaufen der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen zu unterbinden. Der BF ist illegal nach Österreich eingereist und hat sich sein Antrag auf internationalen Schutz als nicht begründet erwiesen. Er hat durch seine Angaben erkennen lassen, dass er die den internationalen Schutz regelnden Bestimmungen der GFK und des Asylrechts missbräuchlich benutzen wollte, um auf diese Weise ein Aufenthaltsrecht zu erwirken. Das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremden- und Asylwesen ist daher im gegebenen Fall besonders schwer zu gewichten und müssen seine privaten Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich und dem verständlichen Wunsch, seine Lebensumstände zu verbessern, zurücktreten.
Eine durch die Rückkehrentscheidung ausgelöste Verletzung des Artikel 8, EMRK ist nicht anzunehmen. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden.
Umstände, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, liegen nicht vor.
Schließlich sind keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde in der gegenständlichen Beschwerde zwar behauptet, konnte jedoch nicht schlüssig dargelegt werden.
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde gegen den 3. Spruchteil des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraphen 52, Absatz 2, Ziffer 2, in Verbindung mit Absatz 9 und 55 Absatz eins, FPG idgF sowie Paragraph 57, AsylG 2005 idgF als unbegründet abzuweisen.
4.4. Die festgesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise ist gesetzlich begründet, zumal keine besonderen Umstände behauptet wurden oder hervorgekommen sind, die bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen wären und die die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
5. Zur Frage des Erfordernisses einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt Paragraph 24, VwGVG.
Paragraph 21, Absatz 7, erster Satz BFA-VG entspricht zur Gänze dem Wortlaut der Bestimmung des durch das Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG) Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, aufgehobenen Paragraph 41, Absatz 7, erster Satz AsylG 2005. In der Regierungsvorlage (2144 BlgNR römisch 24 . GP, Sitzung 14) wurde zu
Paragraph 21, BFA-VG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 64 aus 2013, ausgeführt: "§ 21 entspricht dem geltenden Paragraph 41, AsylG 2005 und legt Sondernomen für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen des Bundesamtes fest." Zu Paragraph 21, Absatz 7, hält die Regierungsvorlage fest: "Abs. 7 stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung auch dann unterbleiben kann, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen des BF nicht den Tatsachen entspricht. Neben dieser Bestimmung ist Paragraph 24, VwGVG anzuwenden."
Gemäß Paragraph 24, Absatz eins, VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Paragraph 24, Absatz 2, VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Ziffer eins,) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Ziffer 2,) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6, Absatz eins, der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, noch Artikel 47, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 Sitzung 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß Paragraph 24, Absatz 5, VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der VfGH äußerte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Paragraph 41, Absatz 7, AsylG 2005 und stellte dazu klar: "Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Artikel 47, Absatz 2, GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde" (VfGH 14.03.2012, Zl. U 466/11).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. römisch II Absatz 2, lit. D Ziffer 43 a, EGVG ist der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 02.03.2006, 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533; 12.06.2003, 2002/20/0336, zur Anwendbarkeit auf das AsylG 2005 vergleiche VwGH 11.06.2008, Zl. 2008/19/0126; VwGH 28.06.2011, Zl. 2008/01/0456).
In Anlehnung an diese Rechtsprechung wurden vom VwGH im Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung des Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG folgende Kriterien als maßgeblich erachtet:
* der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und
* bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen
* die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und
* das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen
* in der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in Paragraph 20, BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe. Auch tritt der BF in der Beschwerde den seitens der belangten Behörde getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen.
So wurde in der Beschwerde lediglich auf das bisherige Vorbringen sowie pauschal darauf hingewiesen, dass die Entscheidung mangelhaft sei, ohne diesbezüglich konkrete Ausführungen dahingehend zu treffen, was - ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers - noch Relevantes zur Erhellung des Sachverhaltes zu ermitteln gewesen wäre.
Sohin ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen vergleiche dazu auch Paragraph 27, VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG in Verbindung mit Paragraph 24, VwGVG unterbleiben.
Zu den in der Beschwerde gestellten Anträgen an das Bundesverwaltungsgericht ist - soweit sie nicht bereits oben behandelt worden sind - zunächst festzuhalten, dass für eine Zurückverweisung des Verfahrens an die erste Instanz ebenso wenig ein Anlass besteht wie für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Notwendigkeit der Ergänzung des Verfahrens durch die Behörde konnte vom Beschwerdeführer auch nicht schlüssig dargelegt werden.
Zu B)
Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Richters auf die inhaltlich grundsätzlich gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertrag- respektive anwendbar.
ECLI:AT:BVWG:2017:L509.2140976.1.00