BVwG
21.06.2017
I410 2161732-1
I410 2161732-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Eva LECHNER, LL.M. als Einzelrichterin in der Verwaltungssache von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA Marokko, über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2017, Zl. IFA: 1104290109 VZ: 170647516, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes, den Beschluss gefasst:
A)
Die gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, Asylgesetz 2005 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist nicht rechtswidrig.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Fremde stellte am 03.02.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. In der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er zu seinen Fluchtgründen befragt Folgendes an:
"Mein Bruder wollte die Tochter unsers Nachbarn heiraten. Als ihre Familie sich weigerte beging das Mädchen Selbstmord. Mein Bruder tötete dann aus Rache Ihren Bruder und wurde daraufhin verhaftet. Ich wurde dann von den Geschwistern angegriffen und mit dem Tode bedroht. Aus Angst um mein Leben bin ich dann geflohen."
Im Anschluss hat der Beschwerdeführer die Änderung seiner in der Erstbefragung bekanntgegebenen Abgabestelle dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht mitgeteilt und sich seinem Verfahren entzogen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2016, Zahl: IFA 1104290109, Verf. Zl. 160173665, wurde der Antrag vom 03.02.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß "§ 3 Absatz 1 in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG) idgF" (Spruchpunkt römisch eins) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko gemäß "§ 8 Absatz 1 in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt römisch II) abgewiesen. Gleichzeitig wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG" nicht erteilt, gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, (BFA-VG) idgF" eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (FPG) idgF" erlassen und gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" des Fremden nach Marokko festgestellt (Spruchpunkt römisch III). Weiters wurde gemäß "§ 55 Absatz 1 bis 3 FPG" eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen festgelegt (Spruchpunkt römisch IV). Dieser Bescheid wurde dem Fremden am 13.04.2016 gem. Paragraph 8, Absatz 3, in Verbindung mit Paragraph 23, ZustG durch Hinterlegung im Akt zugestellt und erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
2. Am 31.05.2017 stellte der Fremde neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. In der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er nach Vorhalt, dass sein erster Antrag auf internationalen Schutz bereits rechtskräftig entschieden worden sei, und auf die konkreten Fragen, warum er jetzt einen (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz stelle und was sich seit der Rechtskraft der negativen Entscheidung über seinen Erstantrag auf internationalen Schutz am 17.05.2016 konkret in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat geändert habe, das Folgende vor:
"Es gibt keine neuen Gründe. Nur als ich im Gefängnis war (vor ca. 6 Monaten) ist mein Vater von einem unbekannten umgebracht worden. Deswegen habe ich Angst wieder nach Marokko zurückzugehen."
Am 12.06.2017 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Fremden gemäß Paragraph 29, Absatz 3, Ziffer 4, AsylG 2005 mit Verfahrensanordnung mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon ausgehe, dass entschiedene Sache im Sinne des Paragraph 68, AVG vorliege. Zugleich wurde der Fremde gemäß Paragraph 52 a, Absatz 2, BFA-VG verpflichtet, innerhalb einer Woche an einem Rückkehrberatungsgespräch teilzunehmen.
Am 14.06.2017 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Fremden durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein des Rechtsberaters zu seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise wie folgt:
"LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland Probleme mit der Polizei, Militär oder anderen Behörden?
VP: Nein.
LA: Wer lebt von Ihrer Familie lebt noch im Heimatland?
VP: Meine ganze Familie. Nachgefragt gebe ich an, dass ich auch immer wieder Kontakt zu meiner Familie habe.
LA: Warum haben Sie neuerlich einen Asylantrag gestellt?
VP: Nach einigen zögern. ich habe Probleme in Marokko.
LA: Welche?
VP: Ich habe Probleme mit unseren Nachbarn. Sie haben mich geschlagen.
LA: Warum?
VP: Es sind alte Probleme. Es ist eine Sache, welche eigentlich sehr lächerlich ist.
LA: Was für eine Sache?
VP: . Sie haben mich beschuldigt, dass ich vergewaltigt habe.
LA: Das haben Sie bis jetzt zu keinem Zeitpunkt angegeben!
VP: Das ist die Erste Befragung die ich hatte.
V: Sie hatten in Ihrem ersten Verfahren am 03.02.2016 eine Einvernahme und im gegenständlichen Verfahren am 31.05.2017 eine Einvernahme!
VP: Schweigt dazu .. . Ich hatte bis jetzt keine Einvernahme
Die EB vom 31.05.2017 wird vorgelegt!
VP: Doch da habe ich es erzählt ja eh, dass bezieht sich ja auf die Gründe, welche ich habe.
EB vom 03.02.2016 wird vorgelegt!
VP: Das war ein ägyptischer Dolmetscher.
V: Der Dolmetscher stammt nachweislich nicht aus Ägypten!
VP: Was dann, ein Marokkaner.
LA: Nein, auch nicht."
Mit dem verfahrensgegenständlichen, mündlich verkündeten Bescheid vom 14.06.2017 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG auf.
Mit Schreiben vom 16.06.2017, eingelangt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts I410 am 20.06.2017, informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht über die erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und übermittelte zugleich den Akt zur Beurteilung der Aufhebung.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt römisch eins getroffenen Ausführungen zum Verfahrensgang werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
Der Fremde ist Staatsangehöriger von Marokko. Er besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft.
In Bezug auf den Fremden besteht kein schützenswertes Privatund/oder Familienleben im Bundesgebiet. Er befindet sich aktuell in Schubhaft. Er ist jung, gesund und arbeitsfähig.
Die gesamte Familie des Fremden lebt in Marokko.
Seinen Erstantrag auf internationalen Schutz vom 03.02.2016 begründete der Beschwerdeführer mit Angst vor Verfolgung durch Privatpersonen vergleiche im Einzelnen oben unter Punkt römisch eins.1.). Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2016, Zahl: IFA 1104290109, Verf. Zl. 160173665, wurde dieser Antrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass das Vorbringen des Fremden nicht asylrelevant sei, zumal eine grundsätzliche Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der marokkanischen Behörden gegen Verfolgung durch Private vorläge. Gleichzeitig wurde mit diesem Bescheid auch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung des Fremden nach Marokko festgestellt. Dieser Bescheid wurde dem Fremden laut im Akt erliegender Beurkundung am 13.04.2016 gem. Paragraph 8, Absatz 3, in Verbindung mit Paragraph 23, ZustG durch Hinterlegung im Akt zugestellt und erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Im Bescheid vom 02.07.2016 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf den Seiten 4 bis 31 Feststellungen zur Lage in Marokko auf der Grundlage des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Marokko, Stand: Februar 2016, getroffen.
Der Fremde stellte am 31.05.2017 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Die Stellung eines neuerlichen Antrags begründete der Fremde im Wesentlichen wiederum mit Problemen mit den Nachbarn. Das zusätzliche Vorbringen in der Erstbefragung, sein Vater sei vor ca. sechs Monaten von Unbekannten umgebracht worden und daher habe er Angst vor einer Rückkehr nach Marokko, ist nicht glaubhaft.
In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Fremden in seinem nunmehr zweiten Asylverfahren und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Fremde im Fall seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
Der Fremde verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.
Zur aktuellen Lage in Marokko werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
KI vom 19.10.2016: Parlamentswahlen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 2/politische Lage)
Zum zweiten Mal seit dem "Arabischen Frühling" im Jahr 2011 haben die Marokkaner am 7.10.2016 ein neues Parlament gewählt (STERN 7.10.2016). Die gemäßigte islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) von Ministerpräsident Abdelilah Benkirane hat die Wahl erneut gewonnen und bleibt damit stärkste Kraft. Die PJD hat 125 der 395 Sitze im Abgeordnetenhaus errungen. Ihr größter Konkurrent, die dem Königshaus nahestehende Partei der Authentizität und Modernität (PAM), kam auf 102 Sitze (NZZ 8.10.2016; vergleiche JA 8.10.2016). Somit haben beiden Parteien zusammen mehr als 57% der Sitze gewonnen (JA 8.10.2016). Die übrigen Sitze teilen sich weitere Parteien (NZZ 8.10.2016).
Die PJD hatte im Wahlkampf mit der Fortsetzung der Sozial- und Wirtschaftsreformen geworben. Die PAM präsentierte sich dagegen als liberale Partei und stellte die Themen Freiheit und Frauenrechte in den Vordergrund (FAZ 8.10.2016).
Nach Angaben von politischen Analysten trifft der König aber weiter in allen wichtigen strategischen Fragen die Entscheidungen (STERN 7.10.2016).
Die Wahlbeteiligung lag bei 43 Prozent (JA 8.10.2016; vergleiche FAZ 8.10.2016).
Quellen:
2. Politische Lage
Marokko ist gemäß Verfassung eine konstitutionelle und demokratische Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 1.2016a). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Die in Marokko überwiegend auf ökonomisch-soziale Verbesserungen, aber nicht auf "Regimewechsel" gerichteten Proteste wurden so aufgefangen (AA 11.2015a). Die am 1.7.2011 in Kraft getretene Verfassung bringt im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land. Die neue Verfassung belässt jedoch maßgebliche exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte beim König; er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks and balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 9.2015).
Regierungschef Benkirane von der Partei Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) amtiert seit den letzten Parlamentswahlen am 25.11.2011. Er ist der erste Regierungschef Marokkos, der einer Partei des politischen Islam angehört (AA 11.2015a). Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern. Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt. Die Zusammensetzung des Oberhauses folgt einem komplexen Schema: Zwei Fünftel der Mitglieder werden von Wahlversammlungen gewählt, in denen Vertreter von Berufsverbänden, Unternehmerverbänden und Arbeitnehmervertretungen sitzen. Drei Fünftel der Mitglieder werden von Gremien gewählt, in denen Vertreter aus den 16 Regionen (17 Wilayas) sitzen. Das Parlament hat folgende Aufgaben: Verabschiedung von Gesetzen; Ratifizierung von Dekreten des Königs (Dahir) (GIZ 1.2016a).
Im Parlament sind zurzeit achtzehn Parteien vertreten, von denen acht über Fraktionsstatus verfügen. Zehn weitere Parteien stellen zwischen ein und vier Abgeordneten. Die vier Regierungsparteien sind die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung ("Parti de la Justice et du Développement", PJD), die Nationale Versammlung der Unabhängigen ("Rassemblement National des Indépendants", RNI – seit 2013), die Volksbewegung ("Mouvement Populaire") und die Partei für Fortschritt und Sozialismus, PPS (AA 11.2015a).
Quellen:
3. Sicherheitslage
Marokko ist ein politisch stabiles Land mit guter sicherheitspolitischer Infrastruktur (AA 20.1.2016). Das französische Außenministerium rät zu normaler Aufmerksamkeit im Land (einzigartig in Nordafrika!), lediglich in den Grenzregionen zu Algerien und in der Westsahara zu erhöhter Aufmerksamkeit bzw. besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (FD 20.1.2016).
Es gibt aber auch in Marokko Gefahrenelemente. So besteht ein Risiko terroristischer Anschläge mit islamistischem Hintergrund, die insbesondere auf ausländische Staatsangehörige abzielen können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die instabile Sicherheitslage in den Regionen Nordafrika, Sahel und Nah-/Mittelost auf Marokko auswirkt. Es muss mit Anschlägen durch Kämpfer aus diesen Regionen gerechnet werden sowie mit Aktionen von Personen oder Gruppierungen, die innerhalb Marokkos agieren und sich von der Propaganda terroristischer Gruppierungen beeinflussen lassen (AA 20.1.2016).
Marokko steht im Kampf gegen den Terrorismus im Lager des Westens. Die marokkanischen Dienste gelten als gut unterrichtet und operationell fähig; die laufende Aushebung von Terrorzellen spricht für deren Effizienz. Allerdings konnte z.B. das spektakuläre Attentat auf des Innenstadt-Cafe "Arganá" in Marrakesch (April 2011) mit 17 Toten nicht verhindert werden. AQIM und andere islamisch-fundamentalistische Gruppierungen, Salafisten und IS-Kämpfer werden als Staatsfeinde Nummer eins betrachtet. Besondere Sorge gilt seit Ausbruch der Mali-Krise einer vermuteten Verbindung der Polisario mit fundamentalistischen Elementen aus dem Sahel (AQIM, Ansareddine, Mujao) sowie aus Syrien und dem Irak. Die marokkanischen Behörden befürchten einen Rückfluss von Kämpfern nach Marokko aus Syrien und dem Irak und das Entstehen von grenzüberschreitenden Terrornetzwerken. Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten - Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation (ÖB 9.2015).
Marokkanische Spezialkräfte haben am 24.3.2015 mehrere geplante Anschläge eines örtlichen Ablegers des IS verhindert. In diesem Zusammenhang gab es laut Geheimdienst gemeinsame Zugriffe in mehreren Städten. Dabei seien insgesamt 13 Mitglieder der Terrorzelle festgenommen worden. Die Gruppe habe mehrere Entführungen in Marokko geplant. Es kämpfen gemäß Inlandsgeheimdienst mehr als 1.300 Marokkaner in Syrien und im Irak für den IS, darunter auch Frauen und Kinder (SO 24.3.2015). Zähle man Marokkaner aus europäischen Ländern hinzu, komme man auf 1.500 bis 2.000 (SO 19.12.2014).
Quellen:
3.1. West-Sahara
Der Konflikt in und um die Westsahara schwelt seit Jahrzehnten. Als sich nach dem Tod des Diktators Franco die Spanier 1975 aus ihrer damaligen Kolonie zurückzogen, marschierte Marokko in das Nachbarland ein. Seitdem hält Marokko große Teile des Territoriums besetzt und betrachtet das Gebiet als Bestandteil seines Landes. Dagegen wehrt sich die Bewegung Frente Polisario, die die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt. Ein rund 2.500 Kilometer langer Sandwall spaltet heute die Region Westsahara in Nordwestafrika. Auf der einen Seite liegt der von Marokko kontrollierte, größere Teil; er umfasst rund 80 Prozent des Territoriums. Auf der anderen Seite befinden sich die restlichen 20 Prozent in der Hand der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario (DW 7.3.2013). Seit 1991 herrscht ein Waffenstillstand, den die UN-Mission MINURSO bis heute überwacht. Die Frente Polisario hatte den Waffenstillstand mit der Bedingung verknüpft, per Referendum über die Unabhängigkeit abstimmen zu dürfen. Dieses Referendum ist aber bis heute nicht abgehalten worden (DW 7.3.2013; vergleiche DRK 17.12.2014). Der Status des Territoriums und die Frage der Unabhängigkeit sind somit weiterhin ungeklärt (CIA 5.1.2016; vergleiche VB 25.3.2014a); das Territorium wird von Marokko sowie der Frente Polisario beansprucht. Letztere bildete im Februar 1976 eine Exilregierung in Algerien, in der Nähe von Tindouf, die von Präsident Mohamed Abdelaziz geführt wird (CIA 5.1.2016). Der Status "ungeklärt" wird solange anhalten, bis eine Einigung im Rahmen der Verhandlungen unter Federführung der UN erzielt wird (VB 25.3.2014).
Auch junge Sahrauis fügen sich in das neue System: Sie wollen lieber ein friedliches Leben unter marokkanischer Herrschaft als einen Krieg für die Unabhängigkeit (DRK 17.12.2014).
Quellen:
4. Rechtsschutz/Justizwesen
Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 25.6.2015). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 25.6.2015; vergleiche ÖB 9.2015) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden respektieren Anordnungen der Gerichte fallweise nicht (USDOS 25.6.2015).
Die Staatsführung bezeichnet die Reform des Justizwesens als eine der Hauptbaustellen der Regierungsagenda. Eine Hohe Kommission zur Ausarbeitung einer Justizreform wurde 2012 unter Vorsitz des Justizministers einberufen, die 2013 ein breitangelegtes Konzept für den Neuaufbau des Justizsektors vorgelegt hat, das seitdem in Diskussion steht. Eine methodische Schwäche ist darin zu ersehen, dass die Rechtsberufe in die Reformarbeiten nicht auf gleicher Augenhöhe eingebunden sind, was zu einem mitunter polemisch geführten Diskurs des federführenden Justizministers mit den Standesvertretern von Richterschaft, Rechtspflegern und Gerichtsbeamten und dem Barreau führt. Im Zentrum steht die richterliche Unabhängigkeit: Hauptverhandlungsgegenstand bilden das Verfassungs- Durchführungsgesetz über den Obersten Justizrat, als zentrales Organ richterlicher Selbstverwaltung, und das Richter- und Staatsanwaltsdienstgesetz. Parallel werden Novellierungen von Prozessrecht, Strafvollzugsrecht und Materiegesetzen wie dem Presserecht vorangetrieben (ÖB 9.2015).
Es gilt die Unschuldsvermutung. Gesetzlich ist ein faires Verfahren mit dem Recht auf Berufung für alle Bürger vorgesehen. Dieses Recht wird vor allem bei Fällen mit Westsahara-Bezug nicht immer respektiert. Angeklagte haben das Recht bei ihrer Verhandlung anwesend zu sein und rechtzeitig einen Anwalt zu konsultieren, obwohl diese Rechte nicht immer gewährleistet sind (USDOS 25.6.2015). Im Juli 2015 wurde ein Gesetz verabschiedet, wonach Zivilisten nicht mehr von Militärgerichten verurteilt werden können. In politischen sowie den Staatsschutz betreffenden Verfahren sind Gerichtsverhandlungen nicht fair (HRW 27.1.2016).
Verwaltungsentscheidungen können vor Verwaltungsgerichten appelliert werden, der Instanzenzug führt zum Kassations-Gerichtshof. Die Verfassung sieht eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (Oberster Justizrat, Gleichstellungs-Rat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 9.2015).
Quellen:
5. Sicherheitsbehörden
Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die Nationalpolizei (DGSN) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den "Forces auxiliaires" handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Autobahnen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium und ist als Bestandteil der militärischen Struktur dem König als oberstem militärischen Befehlshaber zugeordnet. Die Justizpolizei untersteht ebenfalls in letzter Instanz dem König. Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist abgesehen von Einzelfällen effektiv. Es besteht jedoch kein systematischer Mechanismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption wirksam zu untersuchen und zu bestrafen, was Straffreiheit bei Vergehen durch die Sicherheitskräfte begünstigt (USDOS 26.5.2015). Es existieren zwei Nachrichtendienste, der Auslandsdienst DGED ("Direction Générale d'Etudes et de Documentation") und der Inlandsdienst DGST ("Direction Générale de la Surveillance du Territoire"). Die Streitkräfte einschließlich der Gendarmerie Royale verfügen über eigene Nachrichtenabteilungen (ÖB 9.2015).
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6. Folter und unmenschliche Behandlung
Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt. Trotzdem gibt es immer wieder Berichte über Folterungen und Gewaltanwendung gegenüber Gefangenen durch Sicherheitskräfte (USDOS 25.6.2015; vergleiche AI 25.2.2015; vergleiche AA 28.11.2014), vor allem in Fällen mit Bezug zum Staatsschutz (USDOS 25.6.2015). Gerichte akzeptieren weiterhin angeblich unter Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel (AI 25.2.2015).
Nach Einschätzung der marokkanischen Menschenrechtsorganisation OMDH ("Organisation Marocaine des Droits de l’Homme") handelt es sich bei den bekannt gewordenen Fällen von Folter nicht um staatlich angeordnete und somit systematische Folter, sondern um Fehlverhalten einzelner Personen (AA 28.11.2014). Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweise nicht anzunehmen ist, werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert. Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte), UN Sonderbeauftragter für Folter Juan Mendez, Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, die frühere UN-HCHR Navi Pillay. Justizminister Ramid hat die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen. Marokko hat das Fakultativprotokoll zur Antifolter-Konvention Ende 2014 ratifiziert, eine Durchführungsgesetzgebung (nationaler Mechanismus) muss aber erst erfolgen (ÖB 9.2015).
Quellen:
7. Korruption
Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung das Gesetz nicht effektiv um. Staatsbedienstete sind häufig in Korruptionsfälle verwickelt und gehen straffrei aus. Korruption stellt bei der Exekutive, inklusive der Polizei, bei der Legislative und in der Justiz ein ernstes Problem dar. Es gibt Berichte von Korruption im Bereich der Regierung und auch von deren Untersuchung aber mangelnder strafrechtlicher Verfolgung (USDOS 25.6.2015). Die für den Kampf gegen die Korruption zuständige Behörde Instance centrale de prévention de la corruption (ICPC) soll durch die Instance nationale de la probité et de la lutte contre la corruption (INPLC) ersetzt werden. An der neuen Behörde wird kritisiert, dass sie nur beratende, untersuchende und sensibilisierende Funktionen ausüben soll. Des Weiteren ist die Anonymität der Beschwerdeführer nicht gewährleistet (EC 25.3.2015). Die Einrichtung der neuen Behörde ist noch nicht erfolgt. Am 5.1.2016 war Abdessalam Aboudrar noch immer Präsident der ICPC (LM 5.1.2016).
Marokko belegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2014 den 80. von insgesamt 174 Plätzen (TI 2015).
Quellen:
8. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Alles, was den Themenbereich Westsahara betrifft, wird mit besonderem Argwohn betrachtet. Die Regierung trifft sich gelegentlich mit Vertretern der beiden größten Menschenrechtsorganisationen (Organisation Marocaine des Droits Humains/OMDH und Association Marocaine des Droits Humains/AMDH) aber auch mit Vertretern der Dachorganisation im Bereich Haftbedingungen (USDOS 25.6.2015).
Der Bereich NGOs/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechts-Verteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH und die AMDH. Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen des von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen (ÖB 9.2015).
Quellen:
9. Ombudsmann
Menschenrechtsangelegenheiten werden durch den Nationalen Rat für Menschenrechte (Conseil National de Droits de l’Homme - CNDH), die interministerielle Abordnung über Menschenrechte (DIDH), und die Institution des Médiateur (Ombudsmann) wahrgenommen (USDOS 25.6.2015).
Der CNDH wurde – nach den Pariser Kriterien – als nationale Grundrechtsinstitution eingerichtet (ÖB 9.2015; vergleiche USDOS 25.6.2015) und ist in der Verfassung direkt verankert. Seine Aufgabe liegt in der Beobachtung und Aufzeigung menschenrechtsrelevanter Entwicklungen und Sachverhalte, er kann Wahrnehmungen durch Vorort-Inspektionen machen, ohne dass ihm der Zugang verwehrt werden darf. Eigene Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten stehen allerdings nicht offen. 2014 sprach der Präsident des CNDH, Driss EL Yazami, erstmals vor dem Parlament und übte präzise Kritik an Defiziten im Bereich Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. 14.000 – ein Drittel – der an den CNDH gerichteten Beschwerden betreffen Justiz, Strafvollzug und behauptete Menschenrechtsverletzungen. Der CNDH ist sichtbar, aktiv und produktiv (Berichte über psychiatrische Anstalten, Strafvollzug, Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Situation von Asylsuchenden und Migranten). Er legt jährlich einen Bericht vor, der dem König und dem Parlament zur Kenntnis gebracht wird und nimmt auch zu Individualfällen Stellung, bis hin zur Intervention. Im Wege von Begutachtungsverfahren und durch Stellungnahmen zu einzelnen Gesetzesvorhaben übt der CNDH kraft seines moralischen Gewichts nicht selten Einfluss auf Gesetzesinhalte aus, die Menschenrechtsinteressen betreffen. 13 Außenstellen des CNDH wurden in Provinzstädten eingerichtet, sodass eine stärkere räumliche Nähe zu potentiellen Beschwerdeführern angeboten wird (ÖB 9.2015).
Quellen:
10. Allgemeine Menschenrechtslage
Der Grundrechtskatalog (Kapitel römisch eins und römisch II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Allerdings sind Vorbehalte angebracht:
* Die Verfassung selbst stellt den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen "roten Linien" (Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) quasi als "Baugesetze" des Rechtsgebäudes.
* In der Verfassung sind 19 Verfassungsdurchführungsgesetze (lois organiques) - sowie weitere einfachgesetzliche Durchführungsgesetze - vorgesehen, die erst etwa zu Hälfte erlassen wurden und die aber bis Ende der laufenden Legislaturperiode (Ende 2016) der parlamentarischen Behandlung zugeführt sein müssen. Die schon verabschiedeten Gesetze und anliegenden Gesetzesentwürfe werden von Beobachtern vielfach als eher wenig ambitioniert bewertet.
* Die Fortgeltung des vorhandenen Rechtsbestandes, der mit der neuen Verfassungslage, v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht, teilweise nicht mehr konform ist (Juristen sprechen von einer Million zu novellierender Paragraphen!) (ÖB 9.2015).
Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme sind die mangelnde Möglichkeit der Bürger, die konstitutionellen Vorgaben bezüglich der Regierungsform des Landes (Monarchie) zu ändern, Korruption auf allen Ebenen der Regierung und weitverbreitete Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipen durch die Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind die Anwendung von Folter v.a. während der Untersuchungshaft seitens der Sicherheitskräfte und schlechte Haftbedingungen. Die Regierung beschränkt die Meinungs- und Pressefreiheit sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die Religionsfreiheit (USDOS 25.6.2015).
Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen, sofern die Tabuthemen "König", "Islam" und "territoriale Integrität" nicht berührt werden. Die marokkanische Regierung begründet Strafverfolgungsmaßnahmen stets mit Verstößen gegen marokkanische Strafgesetze. Marokkanische NGOs behaupten, dass Strafverfahren oftmals nur als Deckmantel zur Verfolgung politisch Andersdenkender dienen (AA 28.11.2014).
Quellen:
11. Meinungs- und Pressefreiheit
Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken die Meinungsfreiheit, vor allem im Bereich der Presse und den sozialen Medien, ein. Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie, staatliche Institutionen, Staatsangestellte wie etwa militärische Führungskräfte und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität und den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 25.6.2015). Die unabhängige marokkanische Presse untersucht und kritisiert weiterhin Regierungsbeamte und Vorhaben der Regierung. Kritisieren Journalisten den König oder seine Berater, sind sie Verfolgung und Belästigung ausgesetzt. Die Pressegesetze enthalten Bestimmungen, die bei Verbreitung von Falschinformationen, die die öffentliche Ordnung gefährden, oder bei herabwürdigenden Äußerungen zu Gefängnisstrafen führen können (HRW 27.1.2016).
Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen. Durch Fokussierung auf Einzelfälle, deren Publizierung gar nicht behindert wird, entsteht eine generalpräventive Grundstimmung: die Marokkaner wissen sehr gut abzuschätzen, wann sie mit Äußerungen in tiefes Wasser geraten könnten. Dies hindert aber nicht, dass Jugend, Menschenrechtsaktivisten, Interessensvertreter dennoch laufend ihre Stimme erheben, wobei nicht jede kritische oder freiherzige Äußerung unbedingt Konsequenzen haben muss; insbesondere Medien und Persönlichkeiten mit großer Visibilität wird ein gewisser Freiraum zugestanden. Gegenüber Regierung, Ministern und Parlament etwa kann ganz freimütig Kritik geübt werden. Die "kritische Masse" für das Eingreifen der Obrigkeit scheint erst beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande zu kommen: Etwa Infragestellen des Autoritätsgefüges (Königshaus, Sicherheitskräfte) oder Kritik am Günstlingsumfeld des Hofes ("Makhzen") verbunden mit publizitärer Reichweite des Autors (ÖB 9.2015).
Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 9.2015).
Quellen:
12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition
12.1. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Die Verfassung gewährleistet Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Diese Rechte sind jedoch gesetzlichen Einschränkungen unterworfen. Sie verwendet administrative Verzögerungen und andere Methoden, um ungewünschte friedliche Versammlungen zu unterbinden und wendet exzessive Gewalt an, um Demonstrationen aufzulösen. Die Regierung verbietet politische Oppositionsgruppen indem sie ihnen den NGO-Status nicht zuerkennt (USDOS 25.6.2016). Die Behörden tolerieren zahlreiche Demonstrationen und Versammlungen, die politische Reform fordern oder dem Protest gegen Regierungsmaßnahmen dienen. Einige Versammlungen werden allerdings gewaltsam aufgelöst und Teilnehmer dabei angegriffen, v.a. in der Westsahara, sofern diese die Herrschaft Marokkos über das Territorium in Frage stellen (HRW 27.1.2016).
Die von der islamisch-wertkonservativen PJD (Parti de la Justice et du Développement) dominierte Regierung agiert im Kontext der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Demonstrationen) nach einem law-and-order-Muster; ein diesbezüglicher Paradigmenwechsel aufgrund der neuen Verfassung in Haltung, Zugang und Kontrolle zu obrigkeitsstaatlichem Handeln ist nicht zu erkennen. Ein robustes Durchgreifen der Ordnungskräfte ist v.a. bei Demonstrationen und Kundgebungen zu beobachten, wobei Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften rasch als "Widerstand gegen die Staatsgewalt" interpretiert werden, um dann als Rechtfertigung für Festnahmen, Anzeigen und Verurteilungen herangezogen zu werden. Derartiges Vorgehen wird laufend kolportiert, wobei auf der Demonstrantenseite zumeist die Bewegung des 20. Februar, arbeitslose Akademiker ("chômeurs diplomés"), islamistische Sympathisanten aber z.B. auch die Vereinigung der Berufsrichter stehen. Die Behörden legen das Versammlungsgesetz engherzig aus; es kommt laufend zu nichtgenehmigten Kundgebungen mit entsprechendem Eingreifen des Sicherheitsapparats. Neu ist jedoch, dass die Zivilgesellschaft die in der Verfassung zugestanden Rechte zunehmend einfordert und dabei rechtliche Argumente auf ihrer Seite weiß (ÖB 9.2015).
Quellen:
12.2. Opposition
Die Bewegung 20. Februar, die Auslöser bzw. Anführer der Protestbewegung im Jahr 2011 war, hat seit der Verfassungsreform und der Parlamentswahl an Bedeutung verloren. Die Organisation Al Adl Wal Ihsane (Gerechtigkeit und Wohlfahrt) stellt die wichtigste islamistische Massenbewegung im Land dar und ist somit der bedeutendste Gegenspieler der regierenden PJD im islamistischen Lager. Trotz Verbots 1990 wird sie von staatlicher Seite geduldet. Die Bewegung "Islah wa Tawhid" ("Reform und Einheit") ist die politische Heimat der Regierungspartei PJD, hat Vorbehalte gegenüber westlichen Demokratie-Modellen und ist gesellschaftspolitisch radikaler als die Partei. Es sind keine Bezüge zum Terrorismus bekannt. Daneben gibt es eine Vielzahl von kleineren gewaltbereiten islamistischen Gruppen, unter denen die "Salafija Jihadia" die prominenteste Stellung einnimmt. Dieser Gruppierung wird von offizieller Seite eine Vielzahl von Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Bestrebungen vorgeworfen, unter anderem Tötungen von marokkanischen Staatsbediensteten sowie die Federführung bei den Terroranschlägen in Casablanca im Jahr 2003 (AA 28.11.2014).
Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die schon zitierten "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen (ÖB 9.2015). Soweit die politische Opposition sich gewaltlos verhält und die Tabuthemen "König", "Islam" und "territoriale Integrität" nicht berührt, kann sie sich weitgehend frei betätigen. Festnahmen von gewaltlosen politischen Oppositionellen oder politisch motivierte Verfahren sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 28.11.2014).
Quellen:
13. Haftbedingungen
Die Zustände in den Gefängnissen sind schlecht und entsprechen generell nicht internationalen Standards (USDOS 25.6.2015). Sie sind durch Überbelegung (USDOS 25.6.2015; vergleiche HRW 27.1.2016; vergleiche AI 25.2.2015), schlechte hygienische Zustände (USDOS 25.6.2015; vergleiche AI 25.2.2015) sowie mangelnde sanitäre Einrichtungen (AI 25.2.2015) und mangelnde Grundversorgung von Insassen geprägt. Gemäß Angaben des CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) ist die angemessene medizinische Versorgung von Häftlingen in Gefängnissen nicht gewährleistet (USDOS 25.6.2015; vergleiche AI 25.2.2015). Besuchsrechte durch Angehörige sind eingeschränkt (AI 25.2.2015). Die Zustände in den marokkanischen Gefängnissen waren zu Jahresende 2012 Gegenstand von Berichten des UN Sonderbeauftragten für Folter, Juan Mendez, und des CNDH. Beide Berichte konstatierten zum Teil unhaltbare Zustände im marokkanischen Strafvollzug und im Polizeigewahrsam sowie punktuell die Anwendung folterähnlicher Praktiken. Diese niederschmetternde Kritik traf die für den Strafvollzug verantwortliche Administration, die de facto außerhalb der Regierungshierarchie steht. Die Gefängnispopulation beträgt 2015 rund 77.000, davon knapp 42 Prozent Untersuchungshäftlinge. Ein Grund für die Misere ist die Überbelegung (bis zu 100 Prozent). Seit den kritischen Berichten ist es allerdings zum Bau neuer Haftanstalten gekommen und die Führung der Strafvollzugsverwaltung unter Mohamed Saleh Tamek, einstmals selbst politischer Häftling, bemüht sich um offenere Kommunikation und mehr Transparenz (ÖB 9.2015).
Die Regierung gestattet NGOs aus dem sozialen, religiösen oder Bildungsbereich den Zutritt zu Gefängnissen. Unabhängigen Menschenrechtsbeobachtern und nationalen Menschenrechts-NGOs wird der unbegleitete Zutritt zu Gefängnissen nicht gewährt (USDOS 25.6.2015).
Quellen:
14. Todesstrafe
Die Todesstrafe wird in Marokko zwar weiter verhängt, aber seit 1993 nicht mehr vollstreckt (AA 7.2015a; vergleiche HRW 27.1.2016). Die Anzahl der mit Todesstrafe bedrohten Delikte wurde reduziert, aber das Institut derselben aus der Rechtsordnung bis dato nicht eliminiert (ÖB 9.2015).
Quellen:
15. Religionsfreiheit
Der Islam ist die Staatsreligion in Marokko. Eine der fundamentalen Säulen Marokkos ist auch der – weitgehend akzeptierte – Anspruch des Königs, neben seiner weltlichen Position gleichzeitig Führer der Gläubigen zu sein (AA 28.11.2014; vergleiche USDOS 14.10.2015).
Artikel 3, der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 28.11.2014; vergleiche USDOS 14.10.2015). Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch andere Religionen wie Christentum und Judentum. Für weitere Religionsgemeinschaften wie z. B. die Baha'i besteht dieser Schutz nicht. Gleichwohl ist dem Auswärtigen Amt keine Bestrafung eines Angehörigen nicht geschützter Religionsgemeinschaften bekannt. Mit Strafe bewehrt sind allerdings – zumindest in der Praxis für Marokkaner – die Aufgabe des islamischen Glaubens und Atheismus. Religionsregeln wie das Verbot des Alkoholkonsums und die Fastenregeln des Ramadan werden nur auf Marokkaner angewandt. Da der Islam Staatsreligion und der Atheismus unter Strafe gestellt ist, besteht ein großer Druck, den Islam zumindest zum Schein zu praktizieren. Da Laizismus und Säkularismus gesellschaftlich negativ besetzt sind und der Abfall vom Islam als Todsünde gilt, hat ein solches Verhalten die soziale Ausgrenzung der Betroffenen zur Folge. In diesem Bereich besteht kein staatlicher Schutz (AA 28.11.2014). Missionierung durch Nicht-Muslime ist strafgesetzlich verboten, ebenso wie Konversion vom Islam zu einer anderen Religion (USDOS 14.10.2015).
Es gibt Berichte von gesellschaftlicher Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung. Christen berichten über sozialen Druck seitens nicht-christlicher Familienangehöriger und Freunde, zum Islam zu konvertieren. Juden leben vorwiegend unbehelligt im Land, es gibt jedoch vereinzelte Fälle von Antisemitismus (USDOS 14.10.2015).
Quellen:
15.1. Religiöse Gruppen
Mehr als 99 Prozent der Bevölkerung sind sunnitische Moslems. Die restlichen religiösen Gruppen (Christen, Juden, schiitische Moslems und Baha’is) machen weniger als 1 Prozent der Bevölkerung aus. Es gibt im Land etwa 5.000 katholische und protestantische Christen und 3.000-4.000 Juden (USDOS 28.7.2014).
Quellen:
16. Ethnische Minderheiten
Diskriminierende Gesetzgebung gegenüber Minderheiten ist nicht ersichtlich (AA 28.11.2014).
Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geographischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Ob Berber in Marokko eine ethnische Minderheit darstellen, ist umstritten. Immerhin reklamieren 40 Prozent (ÖB 9.2015) oder gar über 50 Prozent der Bevölkerung eine berberische Abstammung. Im Hinblick auf Sprache und Kultur der Berber ist Marokko mittlerweile zu einer aktiven Förderung übergegangen (AA 28.11.2014). Die Sprache der Berber, Amazight, wurde durch die Verfassungsreform 2011 in den Rang einer (weiteren) offiziellen Amtsspracheerhoben. Die gesetzliche Umsetzung steht noch aus (AA 28.11.2014). Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus (d.h. keine höhere Bildung in berberischer Sprache möglich). Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 9.2015).
Quellen:
17. Bewegungsfreiheit
Gesetzlich ist innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit gewährleistet. Die Behörden respektieren dieses Recht üblicherweise, obwohl die Regierung Reisebewegungen in als militärisch heikel angesehenen Regionen, wie den entmilitarisierten Gebieten der Westsahara, einschränkt (USDOS 25.6.2015).
Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Sie können Pässe erhalten und das Land verlassen (AA 28.11.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015) – mit Ausnahme von Polisario-Angehörigen und Personen, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzen (AA 28.11.2014). Auch Kontakte zu westlichen politischen Beobachtern und Botschaftsvertretern sind ihnen möglich (AA 28.11.2014).
Quellen:
18. Grundversorgung/Wirtschaft
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, Brot und Zucker, wie auch Treibstoffe werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Das Sozialversicherungssystem ist unzureichend (AA 28.11.2014). Eine entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger hat nach wie vor die Großfamilie (AA 28.11.2014; vergleiche ÖB 9.2015).
König Mohammed römisch VI. und die Regierung streben eine durchgreifende Modernisierung des Landes an. Marokko soll zu einem Schwellenland mit diversifizierter Industrie und wettbewerbsfähigem Dienstleistungssektor werden, das seine Chancen neben dem Hauptpartner EU verstärkt im Maghreb und im französischsprachigen Afrika sucht. Marokko ist wirtschaftlich stabil, der langjährige Aufschwung hält an (AA 12.2015b). Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed römisch VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 1.2016c).
Die Arbeitslosigkeit bewegt sich laut offiziellen Zahlen bei zehn Prozent, allerdings bei sehr viel höherer Jugendarbeitslosigkeit (25 Prozent) (ÖB 9.2015). Gemäß Weltbank leben acht Millionen Marokkaner oder einer von vier in absoluter Armut oder sind von dieser bedroht. Soziökonomische Probleme führen zu Emigration und sozialen Unruhen und können zur Radikalisierung beitragen. Der Staat versucht durch Sozialprogramme, Initiativen zur Vergabe von zusätzlichen Stellen im öffentlichen Dienst und Gehaltserhöhungen sowie Subventionen für Güter des täglichen Bedarfs gegenzusteuern (CRS 18.10.2013).
Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an dritter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens werden einige Grundnahrungsmittel und Grundgüter des täglichen Bedarfs über die Caisse de Compensation subventioniert. Das jährliche Budget allein dieser Institution liegt bei rund fünf Milliarden Euro, d.h. knapp ein Viertel des Staatshaushaltes. Die Staatsverschuldung hat in den vergangenen Jahren zugenommen (GIZ 1.2016c).
Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC
zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.570 Dirham (ca. EUR 234). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger als das (ÖB 9.2015).
Quellen:
19. Medizinische Versorgung
Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Medizinische Dienste sind kostenpflichtig, die Kosten werden bei Mittellosigkeit aber erlassen (AA 28.11.2014). Das marokkanische Gesundheitssystem ist in den Städten im Allgemeinen gut entwickelt, während die ländlichen Gebiete schlechter ausgestattet sind. In der Stadt und am Land kann die Notfallversorgung oder psychologische Betreuung mangelhaft sein. Der Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern ist kostenfrei möglich. In privat geführten Krankenhäusern müssen die Leistungen bezahlt werden, und können später über die Versicherung abgerechnet werden (IOM 8.2015). In größeren Städten ist die medizinische Versorgung bei Notfällen (Unfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc.) möglich. Dagegen ist die Notfallversorgung auf dem Land, insbesondere in den abgelegenen Bergregionen, unzureichend (AA 28.11.2014).
Private Spitäler, Ambulanzen und Ordinationen bieten medizinische Leistungen in ähnlicher Qualität wie in Europa an, wenn auch nicht in allen fachmedizinischen Bereichen gleich und örtlich auf die Städte beschränkt (Casablanca, Rabat, Tanger und andere größere Städte). Diese Dienstleistungen sind freilich mit entsprechenden Honoraren verbunden. Eine Konsultation beim Wahlarzt (Allgemeinmedizin) kostet ab 150 Dirham (13 €), beim Facharzt ab 200 Dirham (17 €) bis 500 Dirham (45 €) und mehr bei Spezialisten (zum Vergleich der Mindestlohn: 2.570 Dirham/234 €) (ÖB 9.2014). Der Regionalarzt des Auswärtigen Amtes hat bei seinem Besuch im Oktober 2012 festgehalten, dass die medizinische Versorgung in Rabat, soweit sie durch private Institutionen/Krankenhäuser erfolgt, "größtenteils mitteleuropäischen Standard" hat. Selbst modern gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren allerdings nicht, dass im Krankheitsfalle Versorgung und Management des Patienten angemessen funktionieren. Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet (AA 28.11.2014).
Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 28.11.2015).
Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3 Prozent der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis ("Carte RAMED"), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 9.2015).
Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 141 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 27.000 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.200 Einwohner); daneben bestehen 2.689 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei ansprechen. Freilich ist anzumerken, dass dieser öffentliche Gesundheitssektor in seiner Ausstattung und Qualität und Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen ist. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 9.2015).
Quellen:
20. Behandlung nach Rückkehr
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Den Behörden ist bekannt, dass Asylanträge auch dazu dienen, eine längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit im Ausland zu erlangen. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (AA 28.11.2014).
Eine Rückkehrhilfe für aus dem Ausland nach Marokko Heimkehrende durch staatliche Institutionen ist nicht bekannt. Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 9.2015).
Quellen:
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt römisch eins. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zur Person des Fremden, seiner Herkunft sowie zu den Lebensumständen gründen sich auf seine Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen aufkommen lässt.
Das Vorbringen des Fremden in der Erstbefragung, wonach sein Vater vor ca. sechs Monaten von Unbekannten umgebracht worden und er deshalb Angst vor einer Rückkehr nach Marokko habe, ist nicht glaubhaft, da der Fremde in der Einvernahme durch die belangte Behörde auf die Frage zu den Gründen für seine neuerliche Asylantragstellung lediglich ausführte, dass er Probleme in Marokko habe, und dabei die in der Erstbefragung als neuen Fluchtgrund angegebene Ermordung seines Vaters durch Unbekannte gänzlich unerwähnt ließ. Auf Nachfrage, welche Probleme er habe, antwortete er lediglich, dass er Probleme mit den Nachbarn habe, diese hätten ihn geschlagen. Auf die Frage warum er Probleme mit den Nachbarn gehabt habe, gab der Fremde Folgendes an: "Es sind alte Probleme. Es ist eine Sache, welche eigentlich lächerlich ist", und ließ dabei die vormals behauptete Ermordung seines Vaters wiederum unerwähnt. Selbst auf Vorhalt seines Vorbringens in der Erstbefragung unterließ er es, näher darauf einzugehen. Wäre die behauptete Ermordung des Vaters tatsächlich der Grund für seine neuerliche Antragstellung, wäre zu erwarten gewesen, dass der Fremde dies auch in der Einvernahme angegeben und dazu konkrete Aussagen getätigt hätte.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Fremden wurden dem "Länderinformationsblatt" zu Marokko mit Stand Jänner 2016 (letzte Kurzinformation eingefügt am 19.10.2016) entnommen. Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Weder das Asylgesetz 2005 noch das BFA-Verfahrensgesetz sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass das Bundesverwaltungsgericht vorliegend durch Einzelrichter zu entscheiden hat.
Zu A)
Paragraph 12 a, Absatz eins und 2 und Paragraph 22, Absatz 10, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005,, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 24 aus 2016,, lauten:
"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
Paragraph 12 a, (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraphen 4 a, oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraphen 4 a, oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1.-gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG oder eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG erlassen wurde,
2.-kein Fall des Paragraph 19, Absatz 2, BFA-VG vorliegt,
3.-im Fall des Paragraph 5, eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß Paragraph 5, die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Artikel 3, EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4.-eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Artikel 8, EMRK (Paragraph 9, Absatz eins bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) gestellt und liegt kein Fall des Absatz eins, vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1.-gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG besteht,
2.-der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3.-die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2,, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) (6) Rückkehrentscheidungen gemäß Paragraph 52, FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß Paragraph 53, Absatz 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, Ausweisungen gemäß Paragraph 66, FPG und Aufenthaltsverbote gemäß Paragraph 67, FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß Paragraph 67, FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.
Entscheidungen
Paragraph 22, (10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß Paragraph 62, Absatz 2, AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß Paragraph 62, Absatz 3, AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß Paragraph 22, BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß Paragraph 22, BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
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Paragraph 22, BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012,, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2016,, lautet:
"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
Paragraph 22, (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Paragraph 20, gilt sinngemäß. Paragraph 28, Absatz 3, 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG oder eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß Paragraph 22, Absatz 10, AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Absatz eins, getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Absatz eins, hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
3.2. Zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:
Der Fremde hat mit seinem am 31.05.2017 gestellten Antrag auf internationalen Schutz einen Folgeantrag iSd Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23, AsylG 2005 gestellt, da sein Antrag auf internationalen Schutz vom 03.02.2016 mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2016, Zl. IFA 1104290109, Verf. Zl. 160173665, nach Zustellung am 13.04.2016 durch Hinterlegung im Akt und ungenütztem Verstreichen der Rechtsmittelfrist, bereits vollinhaltlich rechtskräftig erledigt worden ist.
Es liegt kein Fall des Paragraph 12 a, Absatz eins, AsylG 2005 vor und die übrigen Voraussetzungen des Paragraph 12 a, Absatz 2, Ziffer eins bis 3 AsylG 2005 sind gegeben:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2016, Zl. IFA 1104290109, Verf. Zl. 160173665, wurde gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG erlassen. Gegen den Fremden besteht damit eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG im Sinne von Paragraph 12 a, Abs. Ziffer eins, AsylG 2005.
Zugleich wurde mit dem eben erwähnten Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl der Erstantrag des Fremden auf internationalen Schutz vollinhaltlich und abschließend negativ entschieden. Dem Fremden drohen demzufolge in Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine asylrelevante Verfolgung und keine reale Gefahr einer sonstigen existentiellen Bedrohung.
Der Folgeantrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 31.05.2017 wird voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Aus dem Vorbringen des Fremden zu seinem Folgeantrag ergibt sich nämlich kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt, der voraussichtlich eine in der Hauptsache anders lautende Entscheidung ergeben würde:
Im Wesentlichen begründet der Beschwerdeführer seinen nunmehrigen Folgeantrag mit alten Problemen mit den Nachbarn und stützt sich damit im Kern auf denselben Fluchtgrund, den er bei seinem ersten Asylantrag vorgebracht hat. Er selbst gab darüber hinaus in der Erstbefragung an, dass "es ( ) keine neuen Gründe (gibt)" vergleiche AS 7). Das zusätzliche Vorbringen in der Erstbefragung, sein Vater sei vor ca. sechs Monaten von Unbekannten umgebracht worden und daher habe er Angst vor einer Rückkehr nach Marokko, ist – wie in der Beweiswürdigung dargelegt – nicht glaubhaft. Es wäre auch nicht asylrelevant, da daraus nicht abzuleiten ist, dass ihm selbst eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht. Darüber hinaus existieren keine Hinweise darauf, dass die marokkanischen Behörden bei einer Verfolgung durch Private nicht grundsätzlich schutzwillig und schutzfähig wären. Im Übrigen könnte der Fremde auch in einem anderen Teil Marokkos seinen Aufenthalt nehmen und sich dadurch einer allfälligen privaten Verfolgung durch Nachbarn entziehen.
Dem Vorbringen des Fremden zu seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz mangelt es daher an einem "glaubhaften Kern" vergleiche etwa VwGH 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344, mwN), dh die behauptete Sachverhaltsänderung ist in Wahrheit nicht eingetreten bzw. mangelt es ihr an Asylrelevanz, bzw. bezieht sich das Vorbringen auf dieseleben Gründe, die bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens waren.
Die Lage im Herkunftsstaat hat sich seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht entscheidungswesentlich geändert, und wurde eine solche Änderung vom Fremden auch nicht vorgebracht.
Auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Artikel 3, EMRK vergleiche VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt, zumal der Fremde jung, gesund und daher erwerbsfähig ist. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte, zumal er dort auch über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Außerdem besteht ganz allgemein in Marokko derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.
Zudem gilt Marokko gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, der Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Herkunftsstaat.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremden ein "reales Risiko" einer gegen Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Der Fremde führt in Österreich kein iSd Artikel 8, EMRK geschütztes Familienleben und verfügt in Österreich über keine privaten Anknüpfungspunkte. Sein Privatleben in Österreich weist bereits aufgrund der Kürze seines Aufenthalts in Österreich keine besondere Schutzwürdigkeit auf. Eine Abschiebung des Fremden bedeutet demnach keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 8, EMRK.
Somit sind die Voraussetzungen des Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Da Paragraph 22, Absatz 10, AsylG 2005 dies ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu treffen.
4. Gemäß Paragraph 22, Absatz eins, zweiter Satz BFA-VG war ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
ECLI:AT:BVWG:2017:I410.2161732.1.00