BVwG
12.06.2017
W117 1437954-1
W117 1437954-1/65E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2013, Zl. 13 01.524-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am römisch 40 zu Recht erkannt:
römisch eins. Die Beschwerde wird gemäß den Paragraphen 3, Absatz eins,, 8 Absatz eins, AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch III. stattgegeben. Gemäß Paragraph 75, Absatz 20, Zi. 1 und erster Satz AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2 und 3 BFA-VG idgF ist eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig.
römisch III. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
1. Erstes (nunmehr verfahrensgegenständliches) Asylverfahren:
Der Beschwerdeführer reiste unter Verwendung eines für die Zeit vom 10.01.2013 bis 03.02.2013 gültigen österreichischen Visums per Flugzeug in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.02.2013 beim Bundesasylamt einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich seiner Erstbefragung am 04.02.2013 brachte er vor, nach legaler Ausreise schlepperunterstützt auf dem Landweg erst am 04.02.2013 nach Österreich gelangt zu sein und dass sich sein Reisepass beim Schlepper namens römisch 40 befinde. Seine Eltern und zwei Schwestern seien römisch 40 während des Krieges in Tschetschenien und ein Bruder im Jahr 2004 in der Haft getötet worden. Als Wohnort nannte er eine Adresse in römisch 40 . Als Fluchtgrund gab er an, in seiner Heimat von der tschetschenischen Polizei gesucht zu werden, weil er verdächtigt werde, Widerstandskämpfer zu unterstützen. Im Jahr 2010 habe er einem Freund, welcher als Widerstandskämpfer tätig gewesen sei, geholfen, worauf er im selben Jahr brutal von der Polizei zusammengeschlagen worden sei. Im Jänner 2013 habe er demselben Freund noch einmal geholfen und Medikamente gekauft und transportiert. Auf dem Weg dorthin sei es zu einer Schießerei gekommen und er habe das Fahrzeug verlassen und flüchten müssen. Vom Onkel habe er erfahren, dass die Polizei den Beschwerdeführer kurz darauf bei diesem zu Hause gesucht habe, weshalb er beschlossen habe, Tschetschenien zu verlassen. Im Fall der Rückkehr befürchte er getötet zu werden.
Am 25.04.2013 suchte der Beschwerdeführer den Psychosozialen Dienst auf und legte eine Bestätigung darüber vor.
Im Zuge seiner Einvernahme beim Bundesasylamt am 14.05.2013 brachte der Beschwerdeführer vor, er habe von 1996 bis 2007 die Grundschule in römisch 40 und von 2009 bis 2012 in römisch 40 die Universität besucht; einen Militärdienst habe er nicht geleistet. Als letzten Wohnort gab er römisch 40 an, wo sie ein Haus hätten, und dass er dort seit 2009 bis zur Ausreise ständig gewohnt habe, zuletzt seltener. Sonst habe er sich vor der Ausreise noch in römisch 40 und römisch 40 aufgehalten. Sein Onkel lebe in römisch 40 , wo er eine Zahnarztklinik habe, in welcher auch der Beschwerdeführer praktiziert habe, dessen Frau lebe in römisch 40 . Der Beschwerdeführer sei von seinem Onkel nach dem Tod seiner Eltern adoptiert worden. Er sei immer gesund gewesen. 2010 sei er nach einer Misshandlung wegen einer Kieferoperation in römisch 40 im Krankenhaus gewesen. In Österreich sei er beim PSD gewesen und habe Medikamente bekommen; er habe sein Gedächtnis verloren und nehme die Medikamente nicht mehr. Sein Onkel habe dem Beschwerdeführer das Leben und Studium in Tschetschenien finanziert, dieser sei begütert. Das Haus in römisch 40 gehöre dem Onkel, welcher es dem Beschwerdeführer übergeben habe. Der Beschwerdeführer habe keine Eltern und Geschwister mehr. Vor seiner Ausreise habe sich der Beschwerdeführer bei einem Onkel in römisch 40 aufgehalten. Der Beschwerdeführer habe ein Fernstudium bis Sommer 2012 betrieben, weil er keinen Studienplatz erhalten habe. Identitätsbezeugende Dokumente könne er weder vorlegen noch beschaffen. Der Sohn seines Onkels sei auch mitgenommen worden und sie würden ihn nicht freilassen, wenn der Beschwerdeführer sich nicht stelle. Der Beschwerdeführer sei nie aktiv in einem Kampfeinsatz und selbst auch nie an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen, er habe nur einem Freund geholfen. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass er 2010 von den Kadirov-Leuten mitgenommen und geschlagen worden sei, weil sein Freund in den Wald gegangen sei, und sie hätten ihm vorgeworfen, dass der Beschwerdeführer dessen Helfer sei. Er sei gezwungen worden irgendwelche Dokumente zu unterschreiben, mit Strom "behandelt" und nach seinem Freund gefragt worden. Sein Freund habe ihm über jene im Wald erzählt, dessen zwei Brüder seien auch bei den Terroristen gewesen; sein Freund habe ihm auch über einen Emir, welcher einer seiner Brüder sein sollte, erzählt. Nach zwei Tagen sei der Beschwerdeführer nach Bezahlung von 10.000.- Dollar von seinem Onkel abgeholt und ins Krankenhaus gebracht worden. Im Dezember 2012 sei sein Freund namens römisch 40 nachts zum Beschwerdeführer gekommen, habe diesen ersucht, Medikamente und Nahrungsmittel zu besorgen und ihm eine Liste und 3.000.- Dollar gegeben. Dann hätten sie einander am 31.(12.2012) in der Neujahrsnacht im Dorf römisch 40 treffen sollen. Dann habe der Beschwerdeführer im Dorf gewartet und in der Nähe einen Schuss gehört, habe alles fallen lassen und sei weggelaufen. Er sei einige Male hingefallen, habe Kugeln gehört, sei aber nicht getroffen worden. Er meine es seien Militärangehörige gewesen. Der Beschwerdeführer sei zu einem entfernten Verwandten geflüchtet, welcher den Beschwerdeführer mit seinem Auto nach römisch 40 zum Onkel gebracht habe, worauf er mit diesem von dort nach römisch 40 gefahren sei. Auf Nachfrage gab er an, er habe seinem Freund 2012 geholfen, weil die Russen die Eltern des Beschwerdeführers getötet hätten und er das habe rächen wollen. Damals (2010) sei er nicht aus Tschetschenien weggegangen, weil er gedacht habe, dass sie ihn in Ruhe lassen würden, weil sein Onkel bezahlt habe. Die Brüder seines Freundes würden römisch 40 und der Emir römisch 40 heißen. Auf die mehrmalige Frage, ob es einen Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer gebe, brachte er vor, dass sein Onkel ihm geschrieben habe, dass der Beschwerdeführer verfolgt werde. Dieser habe ihm gesagt, dass sein Cousin mitgenommen worden sei und solange nicht freigelassen würde, solange der Beschwerdeführer nicht komme. Sein 2004 getöteter Bruder habe mit römisch 40 gekämpft, es seien alle verurteilt worden. Sein Freund römisch 40 sei ein Jähr älter als der Beschwerdeführer und sie seien in römisch 40 gemeinsam in die Schule gegangen.
In der Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters des BF vom 06.06.2013 wurde dargelegt, dass nach den beigelegten Internetrecherchen der Bruder des BF im Jahr 2004 auf Grund seiner Widerstandstätigkeit gefangen genommen und in der "Sache XXXX" zu fünf Jahren Haft verurteilt worden sei. An seiner Leiche seien Folterspuren zu erkennen gewesen. Auch sei diesem Bericht zu entnehmen, dass bereits 8 Mitglieder der Familie römisch 40 umgebracht worden seien. Weiters führe der Beschwerdeführer zwei Internetlinks an, auf welchen die Widerstandsgruppe zu sehen sei, welche er mit Medikamenten versorgt habe. Das Video stamme vom 25.01.2013 und Mitglieder dieser Gruppe hätten mittlerweile Selbstmord begangen, weil kein Nachschub an Waffen erfolgt sei. Auch befinde sich in dem vorgelegten Bericht ein Link, woraus sich das Studium des Beschwerdeführers auf der erdöltechnischen Universität in römisch 40 ergebe. Weiters wurde ausgeführt, dass ein beiliegendes Röntgenbild betreffend seinen Kieferbruch nicht aussagekräftig sei und werde bei Zweifeln am Vorbringen des Beschwerdeführers seine neuerliche Einvernahme bzw. eine CT-Untersuchung des Kiefers beantragt. Beigelegt waren der erwähnte sechsseitige Bericht in russischer Sprache, Bestätigungen über die psychotherapeutische Behandlung des Beschwerdeführers seit 05.03.2013 und über eine Kontrolle der laufenden Behandlung des Beschwerdeführers am sozialpsychiatrischen Ambulatorium vom 25.04.2013 samt Verordnung, eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs vom 17.04.2013, Bestätigung eines Zahnarztes vom 09.05.2013, wonach der BF eine Befunderstellung über einen erlittenen Kieferbruch erbeten hatte, sowie ein Röntgenbefund vom 15.03.2013 wodurch ua. traumatische oder posttraumatische Knochenveränderungen beim Beschwerdeführer nicht nachweisbar sind.
Der Übersetzung des vorgelegten Internetausdruckes (Email-Nachricht ?) vom 27.12.2009 über einen Artikel vom 02.03.2004 mit dem Titel "Geheime Hinrichtungen von Tschetschenen in den Gefängnissen Russlands" ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass römisch 40 , geb.XXXX, in der Causa römisch 40 zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und im Jänner 2004 begraben worden sei. Sieben Mitglieder der Familie römisch 40 seien am römisch 40 von russischen Soldaten in einem Bus mit Flüchtlingen beschossen worden, welcher über den humanitären Korridor auf dem Heimweg nach römisch 40 gewesen sei, und ums Leben gekommen.
Aus weiteren Internetberichten vom 29.10.2010 ergibt sich, welche Mitglieder der Familie römisch 40 am römisch 40 durch Beschuss des humanitären Korridors ums Leben gekommen sein sollen.
Im Zuge der Einvernahme beim Bundesasylamt am 22.07.2013 wiederholte der Beschwerdeführer seine bisher angegebene Identität und dass seine Eltern und weitere Geschwister römisch 40 gestorben seien, weil man diese für Terroristen gehalten habe. Zu den ihm vorgehaltenen Rechercheergebnissen, wonach die römisch 40 verstorbenen und von ihm als Eltern bezeichneten Personen aus biologischer Sicht rein rechnerisch nicht seine Eltern sein könnten, gab der Beschwerdeführer an, sich nicht an diese erinnern zu können und dies nur von seinem Onkel zu wissen. Seitens seiner Vertreterin wurde hiezu darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer damals knappe neun Jahre alt gewesen sei. Auch zum Vorhalt weiterer Rechercheergebnisse, wonach davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer eine falsche Identität benutze und sein darauf aufgebautes Vorbringen daher nicht glaubhaft sei, wurde seitens seiner Vertreterin eine Recherche vor Ort beantragt.
In der Stellungnahme vom 02.08.2013 zu den seitens der Behörde übermittelten Länderberichten führte die Vertreterin des Beschwerdeführers aus, dass sich der Beschwerdeführer nur schwach an seine leiblichen Eltern erinnern könne, sei sich aber sicher, dass seine Mutter 10-15 Jahre jünger als sein Vater gewesen sei. Die von der Behörde eruierten namensidenten Personen seien vermutlich nicht die Eltern des Beschwerdeführers sondern dürften früher gelebt haben. Es sei dazu zu sagen, dass es sich um einen literarischen Text handle und dies kein reiner Tatsachenbericht sei.
Dem eingeholten Visumsakt der österreichischen Botschaft in Moskau ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer unter den von ihm im Asylverfahren angegebenen Personalien am 18.12.2012 unter Vorlage eines bis zum 12.12.2013 gültigen russischen Reisepasses und eines Inlandsreisepasses im Original ein Visum beantragt hat, welches ihm für die Zeit vom 10.01.2013 bis zum 03.02.2013 erteilt wurde, nachdem er ua. entsprechende Einkünfte aus einer Angestelltentätigkeit bei einer Firma, eine Hotelbuchung in Österreich und einen für 10.01.2013 gebuchten Flug von Moskau nach Wien und einen Rückflug für 19.01.2013 von Wien nach Moskau belegt hatte.
Am 30.08.2013 wurde seitens der Vertreterin des Beschwerdeführers eine fachärztliche Bestätigung vom 19.08.2013 für den Beschwerdeführer übermittelt, wonach bei diesem neben einer "PTSD auch Spannungskopfschmerzen und tendenziell auch eine Somatisierungsstörung bzw. eine chronische Depressivität und PTSD" bestehen und eine medikamentöse Behandlung empfohlen wurde.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.09.2013, Zahl 13 01.524-BAE, wurde den Antrag auf internationalen Schutz vom 04.02.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.) und der Beschwerdeführer gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt römisch III.). Einer Beschwerde wurde gemäß Paragraph 38, Absatz eins, AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt römisch IV.). Darin wurde begründend ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe, jedoch sein Vorbringen offensichtlich tatsachenwidrig sei, er legal per Flugzeug am 10.01.2013 mit einem österreichischen Touristenvisum nach Wien gereist sei, seit April bei einer Firma in römisch 40 gearbeitet und regelmäßige Gehaltszahlungen von dieser erhalten zu haben und der Beschwerdeführer über einen russischen Inlands- und Auslandspass verfüge. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität oder zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung glaubhaft gemacht. Es sei ihm möglich, in jeden Teil des Gesamtstaates einzureisen und in seinen Herkunftsstaat zu reisen und eine Existenz zu gründen. Er verfüge über eine qualifizierte Schulbildung, sei gesund und arbeitsfähig und habe soziale und familiäre Anknüpfungspunkte. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihm im Falle einer Rückkehr im Herkunftsstaat die notwendige Lebensgrundlage entzogen wäre. Sodann folgten Feststellungen zu seinem Privat- und Familienleben und zum Herkunftsland (betreffend Rückkehrfragen). Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den Eindruck erweckt habe, er sei ob der Tötung seiner Eltern und seines Bruders durch die russischen bzw. tschetschenischen Behörden verbittert und deshalb mitgenommen. Sein Vorbringen darüber, dass er im Asylverfahren keine identitätsbezeugenden Dokumente könne, sei durch die Vorlage des österreichischen Viumsaktes relativiert worden und gehe die Behörde davon aus, dass er gerade diese Dokumente und seine legale Ausreise samt Ausreisestempel habe verdunkeln wollen. Aus den recherchierten Unterlagen ergebe sich, dass tatsächlich mehrere Mitglieder der Familie römisch 40 am römisch 40 bei einem, Angriff des russischen Militärs auf eine Flüchtlingskolonne unter besonders tragischen Umständen erschossen worden seien, darunter der von ihm als Vater bezeichnete römisch 40 , dessen Ehefrau, geb. höchstwahrscheinlich römisch 40 , welche in den ermittelten Berichten darüber erzähle und demnach nicht dabei ums Leben gekommen und auch rein rechnerisch nicht seine Mutter sein könne, sodass nicht glaubhaft sei, dass es sich dabei um seine Eltern handle und er dementsprechend auch nicht adoptiert worden sei. Auch ergebe sich durch die Vorlage des Visumsaktes, dass der Beschwerdeführer entgegen seinen Behauptungen nie Probleme mit der Polizei gehabt haben könne, da er legal per Flugzeug über Moskau ausgereist sei, wodurch sein Vorbringen tatsachenwidrig sei. Er habe ungehindert arbeiten können und regelmäßige Gehaltszahlungen erhalten und angegeben, als Wintertourist nach Österreich reisen zu wollen, wobei er keine Probleme erwähnt und die Reise schon länger geplant habe und erst danach einen Asylgrund konstruiert habe. Deshalb sei auch sein Vorbringen dass sein Bruder und er selbst der Unterstützung von Rebellen verdächtigt würden, nicht glaubhaft. Es sei davon auszugehen, dass ihm sein Visumsantrag und die Angaben darin bekannt seien. Zu den von ihm beantragten Recherchen vor Ort wurde angemerkt, dass bereits auf Grund der bisherigen Ermittlungsergebnisse erwiesen sei, dass seine Asylgründe tatsachenwidrig seien. Es seien weder eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK genannten Gründen noch ein sonstiges Abschiebungshindernis gegeben: Der Beschwerdeführer sei weder persönlich glaubwürdig, noch habe er ein glaubhaftes Vorbringen erstattet, wonach er im Herkunftsstaat asylrelevant verfolgt werde oder im Fall der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre, und sei derartiges auch sonst nicht hervorgekommen. Es sei davon auszugehen, dass die Familie römisch 40 mit dem Beschwerdeführer nicht in Zusammenhang stehe. Eine allenfalls behandlungsbedürftige psychische Erkrankung sei in allen Landesteilen seines Herkunftsstaates behandelbar, sämtliche Medikamente seien erhältlich. Der Beschwerdeführer sei gesund und bis zur Ausreise arbeitsfähig gewesen und daher auch im Fall der Rückkehr wieder dazu in der Lage. Rechtlich begründend wurde unter Hinweis auf entsprechende Judikatur des VwGH ausgeführt, dass auf Grund der Nichtvorlage von reell beibringbaren Beweismitteln auch auf die Unglaubwürdigkeit (seines Vorbringens zur Verfolgungssituation) geschlossen werde. Es werde auch als wenig wahrscheinlich angesehen, dass er sich dem Risiko einer Passkontrolle am Flughafen ausgesetzt hätte, wenn er behördliche Verfolgungshandlungen seitens seines Herkunftsstaates tatsächlich ernsthaft befürchtet hätte. Der Beschwerdeführer sei weder persönlich glaubwürdig, noch seien seine Angaben konsistent, das Vorbringen plausibel nachvollziehbar und widerspruchsfrei oder hinreichend wahrscheinlich gewesen (zu Spruchpunkt römisch eins.). Auch für den subsidiären Schutz sei die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Artikel 3, EMRK gefordert, die bloße Möglichkeit genüge nicht, im die Abschiebung unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 50, FPG als unzulässig erscheinen zu lassen. Es könne nicht festgestellt werden, dass in Russland eine nicht sanktionierte ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, etc). herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhalte, schon alleine auf Grund seines Aufenthaltes auf Grund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, von einem unter Paragraph 8, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Unter Hinweis auf VwGH vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zu Schwelle des Artikel 3, EMRK habe der Beschwerdeführer derartiges nicht behauptet und sei unter Berücksichtigung seiner engen Anbindungen und seiner Arbeitstätigkeit in Russland davon auszugehen, dass er allfälligen schwierigen wirtschaftlichen Situationen durch den familiären Zusammenhalt begegnen könne. Er leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und habe er weder einen außergewöhnlichen Umstand behauptet oder bescheinigt, welcher ein Abschiebungshindernis im Sinne des Artikel 3, EMRK darstellen könne. In Russland sei grundsätzlich jegliche medizinische Versorgung gesichert und würden die Kosten in nahezu allen Fällen von der Sozialversicherung getragen, wozu auf das Erkenntnis des VfGH B 2400/07 verwiesen wurde. Sodann folgten Ausführungen zur Ausweisungsentscheidung (unter Spruchpunkt römisch III.) sowie zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (unter Spruchpunkt römisch IV.).
Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.09.2013, Zahl 13 01.524-BAE, wurde fristgerecht vollumfänglich Beschwerde erhoben und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beweiswürdigung sich als mangelhaft erweise, weil darin wesentliche Teile des Vorbringens außer Acht gelassen und die Stellungnahmen, Beweismittel und Beweismittelanträgen keine adäquate Berücksichtigung gefunden hätten. Obwohl der Beschwerdeführer im Asylverfahren seinen richtigen Namen von Beginn an genannt hätte, habe die Behörde keine fundierte Aussage darüber getroffen, ob römisch 40 mit dem Beschwerdeführer verwandt sei und wären dahingehende Ermittlungen notwendig gewesen. Durch den Visumsakt seien die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität betätigt worden. Dass dem Beschwerdeführer seine Einreise mit Visum nicht vorgehalten worden sei, stelle einen wesentlichen Verfahrensfehler dar. Dadurch werde das Recht auf Parteiengehör verletzt. Der Beschwerdeführer hätte nämlich bei Vorhalt darlegen können, warum er falsche Angaben zu seinem Fluchtweg gemacht habe. Angemerkt wurde, dass sich das fluchtauslösende Ereignis im November und nicht Ende Dezember ereignet habe. Aus panischer Angst vor einer Abschiebung habe der Beschwerdeführer nach entsprechender Instruktion durch den Schlepper seine Einreise mittels Visum niemandem anvertraut. Der Schlepper habe Buchungen fingiert, um die Einreise über ein Touristenvisum zu arrangieren um die tatsächlichen Einreisegründe zu verschleiern. Der Beschwerdeführer habe die Behörde über seine wahre Identität nicht getäuscht. Dass Nebenumstände in zeitlicher Hinsicht und der Fluchtweg nicht richtig angegeben worden seien, ändere nichts daran, dass die Behörde das gesamte Vorbringen einer sorgfältigen Überprüfung hätte unterziehen müssen. Hätte die Behörde dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt, wäre er in der Lage gewesen, seine Angaben entsprechend zu erklären. Das Parteiengehör betreffe auch offenkundige Tatsachen. Auch hätten die eingebrachten Beweisanträge mit entsprechender Sorgfalt gewürdigt und Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt werden müssen, etwa Erhebungen über einen österreichischen Exekutivbeamten über die Verwandtschaft zu römisch 40 , zumal die Identität des Beschwerdeführers zweifelsfrei erwiesen sei. Der Beschwerdeführer sei über die offenen Fragen einzuvernehmen und seien ihm aktuelle Länderberichte über Tschetschenien vorzuhalten. Auch sei seine psychische Situation völlig unberücksichtigt geblieben, insbesondere ob eine adäquate Behandlungsmöglichkeit bestehe und nicht die Gefahr einer Retraumatisierung gegeben sei. Der Beschwerdeführer leide sichtbar unter enormen Angstzuständen, daher werde bei Zweifeln am Vorliegen einer PTSD die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens beantragt. Zum Vorhalt, dass die Mutter des Beschwerdeführers römisch 40 geboren und daher sein Vorbringen nicht glaubwürdig sei, werde auf die Stellungnahme vom 02.08.2013 verwiesen. Die Argumente in dieser Stellungnahme seien völlig ignoriert worden und halte die Behörde an ihren Recherchen fest, obwohl vieles dagegen spreche. Es erscheine unrealistisch, dass es sich bei den von der Behörde angegebenen Personen um die Eltern von römisch 40 und des Beschwerdeführers handle. Zu den Fluchtgründen sei noch gesagt, dass dem Beschwerdeführer die Unterstützung von Widerstandskämpfern zur Last gelegt werde und er als Bruder eines Widerstandskämpfers zu einer sozialen Gruppe zähle, die in Tschetschenien an sich willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen, Diskriminierungen ausgesetzt sei, wozu der Beschwerdeführer zwei Artikel vorlege. Daraus gehe her vor, dass die Bestrafungen für Hilfestellung massiv verschärft worden seien; insbesondere Familienangehörige würden kollektiv als Verdächtige eingestuft und hätten mit Repressionen, willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und der Unterstellung von Delikten zu rechnen. Zum Beweis der dem Beschwerdeführer zugefügten Misshandlungen werde ein Foto beigelegt, aus dem sein Kieferbruch ersichtlich sei. Die Annahme wohlbegründeter Furcht beziehe sich nicht allein auf bereits vergangene Ereignisse, sondern erfordere eine Prognose. Beantragt wurde ua. bei Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, aktuelle Feststellungen zur Lage von Angehörigen bzw. Unterstützern von Widerstandskämpfern sowie Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung, Nachforschungen zum Verwandtschaftsverhältnis zu römisch 40 und zum Vorbringen des Beschwerdeführers vor Ort, die Durchführung einer CT-Untersuchung zum Beweis seines durch Misshandlung erlittenen Kieferbruchs sowie die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.10.2013, Zahl D10 437954-1/2013/3E, wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch IV. gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG stattgegeben und Spruchpunkt römisch IV. des Bescheides des Bundesasylamtes ersatzlos behoben.
Die Beschwerde wurde im Übrigen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.09.2014, Zahl W218 1437954-1/11E, hinsichtlich der Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, Absatz eins und Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG als unbegründet abgewiesen, bezüglich Spruchpunkt römisch III. des Bescheides gemäß Paragraph 75, Absatz 20, AsylG das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen und die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG für nicht zulässig erklärt.
Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.09.2014, Zahl W218 1437954-1/11E, wurde fristgerecht Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, welcher aufschiebende Wirkung jedoch nicht zuerkannt wurde.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2014, AZ. 830152408-1615062, wurde im Anschluss an das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.09.2014 gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei sowie einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
2. Asylverfahren
Der Beschwerdeführer stellte bereits am 01.12.2014 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, wozu er vorbrachte, dass seine bisherigen Gründe aufrecht bleiben würden. Im Oktober 2014 habe er von einem Freund Papiere erhalten, wonach der Beschwerdeführer zum Militärdienst einberufen werde; diese werde er nachreichen.
In der Stellungnahme vom 14.01.2015 teilte die Vertreterin des Beschwerdeführers im Wesentlichen mit, dass der Beschwerdeführer zum Militär einberufen worden sei, während er nicht im Land gewesen sei und hätte er dieser Aufforderung auch aus Gewissensgründen nicht folgen wollen. Es lägen neue Gründe vor, welche eine asylrelevante Verfolgung indizieren würden. Hiezu wurde auf ACCORD-Anfragen vom 12.11.2014 verwiesen.
Der Beschwerdeführer gab im Zuge seiner Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.01.2015 zusammengefasst an, er habe drei Einberufungsladungen zum Militärdienst bekommen und verfüge über Arztbriefe über seinen psychischen Zustand, weiters einen Internetartikel zu seinem Bruder römisch 40 und eine Anfragebeantwortung zu seiner Heimat, in welcher er persönlich jedoch nicht genannt werde. Im Herkunftsstaat lebten sein Onkel und seine Frau, bei welchen er aufgewachsen sei, und er habe über einen Studienfreund Kontakt zu diesen. Er sei am 04.02.2013 erstmals in Österreich eingereist und sei seither durchgehend hier aufhältig. Wegen der Ladungen zur Einberufung zum Militärdienst stelle er einen neuen Antrag. Er müsse deswegen zu den Behörden der Einberufungsstelle, was er nicht gemacht habe. Bei einer Rückkehr nach Tschetschenien würden die tschetschenischen Behörden herausfinden, dass er in Österreich gewesen sei. Sie seien auf Grund seines Bruders als Terroristen eingestuft und deswegen sei es eine Gefahr für ihn, nach Tschetschenien zurückzukehren. Er habe die Ladungen im Oktober 2014 bekommen, am 17.10.2014, diese seien von August, September und Oktober. Wenn man drei Mal nicht erscheine, bekomme man eine Anzeige und es komme zu Gericht. Ungefähr am 27.09.2014 habe er von seinem namentlich genannten Freund über Internet erfahren, dass der Beschwerdeführer Ladungen zum Militär habe. Dieser habe es vom Onkel des Beschwerdeführers erfahren, der ihm gesagt habe, dass er es an den Beschwerdeführer weiterleiten solle. Die Ladungen habe der Beschwerdeführer von seinem Freund am 17.10.2014 per Post bekommen. Diese seien per Brief zu seinem Onkel zugestellt worden. Er habe erst am 01.12.2014 den zweiten Asylantrag gestellt, weil seine Vertreterin eine Anfrage über das rote Kreuz über die Einberufungsvorgangsweise in Tschetschenien gemacht habe, welche sie abwarten hätten müssen. Im Fall der Rückkehr nach Tschetschenien würden dem Beschwerdeführer bis zu fünf Jahre Haft drohen, weil er den Militärdienst verweigert habe. Tschetschenen würden in russischen Gefängnissen mit Gewalt behandelt und er würde wie sein Bruder dort getötet werden, nachdem er seinetwegen als Terrorist eingestuft worden wäre. Er habe bereits im ersten Verfahren angegeben, dass er tschetschenische Kämpfer unterstützt habe, das sei natürlich auch noch aktuell. Vorgelegt wurde ua. ein ösd-Sprachdiplom des Beschwerdeführers vom 18.12.2013 über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A2 sowie ein Schreiben des psychosozialen Dienstes vom 16.10.2014, wonach der Beschwerdeführer wegen "PTSD mit schwerer depressiver Symptomatik" in psychiatrischer Behandlung stehe und medikamentös behandelt werde.
Nach der Übersetzung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ladungen wurde dieser an einer Anschrift in römisch 40 für den 10.09.2014 zum Militärkommissariat in römisch 40 wegen auszuübender Tätigkeiten in Verbindung mit der Wehrpflicht zur Untersuchung geladen. Idente an den Beschwerdeführer per Anschrift inXXXX adressierte Ladungen wurden für den 01.10.2014 und den 20.08.2014 vorgelegt.
In der Stellungnahme vom 06.03.2015 wurden seitens der Vertreterin des Beschwerdeführers ACCORD Anfragebeantwortungen vorgelegt (vom 12.11.2014 bezüglich Strafen bei Wehrdienstverweigerung und willkürliche sowie härtere Bestrafung von Tschetschenen, zur Situation von tschetschenischen Strafgefangenen vom 12.11.2015 und zur Behandlungsmöglichkeit von posttraumatischer Belastungsstörung). Der Beschwerdeführer habe den Ladungen keine Folge geleistet, weil er infolge seines Auslandsaufenthaltes nichts davon gewusst habe, und hätte er ihnen auch aus Gewissensgründen nicht folgen können.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2015, Zahl 830152408-140235402, gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Gegen den des Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2015, Zahl 830152408-140235402, wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.04.2014, Zahl W196 1437954-2/3Z, wurde der Beschwerde gegen den des Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2015, Zahl 830152408-140235402, zunächst gemäß Paragraph 17, Absatz eins, BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt und eine Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG für nicht zulässig erklärt.
Die Beschwerde gegen den des Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2015, Zahl 830152408-140235402, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.06.2015, Zahl W196 1437954-2/4E, gemäß Paragraph 28, Absatz 2, Ziffer eins, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 68, Absatz eins, AVG als unbegründet abgewiesen und die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG für nicht zulässig erklärt. Darin wurde ausgeführt, dass nicht glaubwürdig sei, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr auf Grund der Wehrdienstverweigerung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werde, und außerdem aus den vom Beschwerdeführer übermittelten ACCORD-Anfragebeantwortungen hervorgehe, dass eine strafrechtliche Verfolgung in der Praxis nicht sehr wahrscheinlich sei und diese falls doch verhängt, "sehr gering" ausfallen würden. Eine wegen der Verweigerung des Militärdienstes drohende, auch strenge Bestrafung werde nach der Judikatur des VwGH grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der GFK angesehen und habe sich eine härtere Bestrafung des Beschwerdeführers im Vergleich zu anderen Staatsbürgern nicht ergeben. Die posttraumatische Belastungsstörung sei bereits im Erstverfahren berücksichtigt worden, Dass der Beschwerdeführer unter einer schweren, akut lebensbedrohlichen und im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankung leide, die zur Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Artikel 3, EMRK führen könnte, habe sich nicht ergeben. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig und verfüge nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er bei einer Rückkehr in die Russische Föderation in eine aussichtslose Situation geraten würde.
3. Asylverfahren
Der Beschwerdeführer stellte sodann am 24.08.2015 einen dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Am 24.08.2015 und 25.09.2015 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich, jeweils in Gegenwart von Dolmetschern, zu den Gründen für seine dritte Asylantragstellung in Österreich befragt.
Als Fluchtgrund brachte er am 24.08.2015 vor, dass seine bisher geltend gemachten Gründe aufrecht seien. Er habe von August bis Oktober 2014 Ladungen vom russischen Militär wegen seiner Einberufung zum Wehrdienst erhalten. Die betreffenden Dokumente habe er bereits im Dezember 2014 dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.
Anlässlich der Befragung am 25.09.2015 brachte der Beschwerdeführer zur beabsichtigten Zurückweisung seines dritten Antrages wegen entschiedener Sache vor, er habe neue Asylgründe: Am 17.08.2015 seien in Tschetschenien Militärpersonen ins Haus gekommen und hätten den Beschwerdeführer einberufen wollen. Drei früheren Ladungen habe er nicht Folge geleistet, deswegen seien sie ins Haus gekommen und hätten auch wissen wollen, wo er sich aufhalte und ob er sich Separatisten angeschlossen hätte. Sie hätten seinem Vater auch gedroht, das Haus anzuzünden und den Beschwerdeführer zu töten. Neu sei die Bedrohung seines Vaters. Er habe davon über einen Freund per Internet erfahren, dies aber gelöscht. Im Fall der Rückkehr befürchte er, umgebracht zu werden und verstehe nicht, warum ihm nicht geglaubt werde. Er befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Zur Frage, warum er in Österreich immer wieder Asylanträge stelle, gab er an, er sehe keinen anderen Weg. Zu den ihm schriftlich zur Kenntnis gebrachten Länderberichten legte er eine schriftliche Stellungnahme in russischer Sprache vor. Der Beschwerdeführer brachte vor, er wolle klarstellen, dass er gefährdet sei. Sodann wurde dem Beschwerdeführer ein Bescheid mündlich verkündet, wonach der faktische Abschiebeschutz "gemäß Paragraph 12, AsylG gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG" (Anmerkung: wörtliches Zitat) aufgehoben werde. Begründend wurde zusammengefasst in der Niederschrift ausgeführt, dass die Behörde zu dem zwingenden Schluss komme, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt seit dem letzten inhaltlichen, rechtskräftigen ersten Asylverfahren unverändert sei und sohin entschiedene Sache gemäß Paragraph 68, AVG vorliege. Das neue Vorbringen des Beschwerdeführers im dritten Asylverfahren weise keinen glaubhaften Kern auf und werde voraussichtlich zu einer Zurückweisung des Folgeantrages führen.
Bezüglich des mündlich verkündeten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2015, Zahl 830152408-151001504, langte eine Beschwerdevorlage vom 25.09.2015 am 01.10.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 05.10.2015 langte beim Bundesverwaltungsgericht das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.09.2015, Ra 2014/20/0142-10, ein, wonach das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.09.2014, Zahl W218 1437954-1/11E, im ersten Asylverfahren wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.
Am 06.10.2015 wurde dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Beschwerde vom 02.10.2015 übermittelt. Mit Beschluss vom 30.10.2015, Zahl W215 1437954-3/6E, wurde der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen vom 25.09.2015 gemäß Paragraph 12 a, Absatz , AsylG 2005 und Paragraph 22, BFA-VG ersatzlos behoben.
Beim BVwG infolge des Erkenntnisses des VwGH vom 10.09.2015, Ra 2014/20/0142-10, fortgesetzten ersten Asylverfahren fand am 10.02.2016 beim BVwG eine mündliche Verhandlung statt, zu der der Beschwerdeführer (BF) in Begleitung einer Vertreterin, nicht jedoch das Bundesamt erschienen sind. Diese Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:
"R: Bitte geben Sie Ihre Personaldaten bekannt.
P: Ich heiße römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, Volksgruppe Tschetschene, Religion Moslem.
R: Legen Sie jetzt bitte Ihren russisches Auslandsreisepass, in dem das Visum für Ihre Reise nach Österreich ist, vor.
P: Nein.
R: Warum nicht?
P: Weil ich ihn nicht habe.
R: Sie sind doch mit Ihrem Reisepass nach Österreich gereist. Warum haben Sie diesen nicht mehr?
P: Ja. Derjenige, der mich hierhergebracht hat, hat mir den Pass und das Geld abgenommen. Ich weiß nicht warum. Er hat gesagt, dass ich das nicht mehr brauche, es ist besser, wenn er das hat. Es war schon mein Originalreisepass. Er hat alles in meinem Namen gemacht. Visum und so. Der Reisepass war mein eigener Reisepass.
R: Sind Sie gesund?
P: Körperlich habe ich eigentlich keine Beschwerden, aber psychisch. Manchmal bin ich verstört. Ich habe Alpträume. Ich träume, dass ich ergriffen und umgebracht werde.
R: Sind Sie aktuell in Behandlung?
P: Ja. Ich glaube, dass sich mein Zustand gebessert hat. Ich habe zwar Unterlagen, aber das sind nicht die neuesten Unterlagen. Die Psychologin ist auch zweimal in der Woche zu mir in die Unterkunft gekommen. Ich bin auch zu einer anderen Psychologin gefahren. Es ging darum, dass man mir Tabletten verschreibt. Zuerst ist es mir schlecht gegangen, wegen der Tabletten, dann ist es besser geworden. Derzeit nehme ich keine Tabletten, weil sich mein Zustand gebessert hat. Wenn es mir wieder schlechter geht, werde ich die Tabletten einnehmen. römisch 40 ist zu mir gekommen. Sie kommt jetzt nicht mehr zu mir. Das letzte Mal war sie im Sommer in der Unterkunft.
R: Sind Sie bei einem anderen Psychologen?
P: Ich bin auch woanders in Betreuung gewesen. Dort habe ich meine Arzneimittel bekommen. Man hat dort gesagt, dass ich weiter kommen soll, wenn es mir weiter schlecht gehen würde. Ich glaube, dass ich auch im Sommer das letzte Mal dort war.
R: Gibt es aktuellere Unterlagen vom Sommer?
P: Die Person, die zu mir gekommen ist, hat mir keine Bestätigung ausgestellt.
R: Sie haben angegeben, Sie leiden an einer Posttraumatischen Belastungsstörung?
P: Ja. Das hat man mir so gesagt.
R: Ich würde Sie gerne zu Herrn UniversitätsprofessorXXXX, Oberarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie römisch 40 , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, ÖAK Diplom Psychosomatische Medizin, ÖÄK Diplom Psychotherapeutische Medizin, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, schicken, damit dieser ein ärztliches Gutachten bezüglich Ihrer psychischen Verfassung erstellt. Sind Sie damit einverstanden, oder haben Sie dagegen einen begründeten Einwand?
P: Ich habe keinen Einwand.
PV: Ich lege ein Konvolut für die ausgezeichnete, außergewöhnliche Integration von P vor. Die Prüfung für B1 wird im Februar 2016 stattfinden. Ich lege die Kopie eines Vereinsregisterauszugs über Integration durch Sport vor, wo P Kassier ist.
R: Ich hatte vor einigen Wochen jemanden, der war genau in diesem Verein. Es handelt sich von Asylwerbern gegründeten Sportverein.
P: Es gibt einen Direktor, einen Stellvertreter und einen Kassier. Ich war immer schon Kassier.
R: Seit wann sind Sie Kassier? Seit der Gründung?
P: Seit Sommer.
Anmerkung: Eine Bestätigung vom 03. November 2015 und ein Bescheid der med. Uni römisch 40 vom 25.06.2015 werden in Kopie zum Akt genommen. Eine Kopie eines österreichischen Studentenausweises, Kopie einer Studienzeitbestätigung vom 14.09.2015, die Kopie eines Studienblattes, die Kopie eines Bescheides der BH römisch 40 , ein Vereinsregisterauszug in Kopie vom 18.09.2015 wird vorgelegt.
Weiters werden vorgelegt:
Die Kopie eines Bescheides des AMS vom 10.09.2015, die Kopie einer Strafregisterbescheinigung. Ein undatiertes handschriftliches Schreiben in Kopie. Ein Empfehlungsschreiben vom Juni 2015 und eine Meldebestätigung vom 21.09.2015 in Kopie. Die Kopie eines Diploms Deutsch 2 – A2 Grundstufe vom 18.12.2013.
R: Ich werde die heutige Verhandlung zwecks Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Gutachtens vertagen.
P: Ich habe ab 24. Februar 2016 Deutschprüfung.
R: Die Dolmetscherin wird die Verhandlungsniederschrift rückübersetzen. Bitte passen Sie gut auf, ob alle Ihre Angaben korrekt protokolliert wurden. Sollten Sie einen Fehler bemerken oder sonst einen Einwand haben, sagen Sie das bitte.
P: Ja.
R: Haben Sie das Gefühl, dass heute alle Ihre Angaben aufgenommen und übersetzt wurden?
P. Ja.
R: Wurden alle Ihre Angaben korrekt protokolliert, oder wollen Sie etwas ändern?
P: Es ist alles korrekt. Ich möchte nichts ändern.
Die Verhandlung wird zwecks Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Gutachtens auf unbestimmte Zeit vertagt."
Nach dem zusammengefassten Ergebnis des vom BVwG eingeholten psychiatrisch-neurologischen Gutachtens vom 08.04.2016 fand sich beim Beschwerdeführer eine "leichtgradige Anpassungsstörung mit längerdauernder depressiver Reaktion", wobei die aktuelle Migrationssituation und Sorge hinsichtlich der weiteren Zukunft als Belastungsfaktoren zu sehen seien. Anamnestisch sei das Auftreten von Anpassungsstörungen seit 2014 durch Befunde dokumentiert. Eine in den Vorbefunden angeführte "posttraumatische Belastungsstörung" sei zum nunmehrigen Zeitpunkt der Untersuchung nicht fassbar gewesen, auch wenn eine solche während eines früheren Zeitraumes nicht mit völliger Sicherheit ausschließbar sei. Die aktuell noch fassbare leichtgradige Anpassungsstörung sei behandelbar. Bei Abbruch bzw. Nichtbehandlung könne vom Weiterbestehen einer zweitweisen Schlafstörung ausgegangen werden, solange die Belastungsfaktoren wirksam seien. Bei einer Anpassungsstörung handle es sich um eine reaktive und vorübergehende psychische Beeinträchtigung in belastenden Lebenssituationen. Im Fall einer Abschiebung des BF nach Russland sei eine psychische Irritation nicht auszuschließen und eine zumindest vorübergehende Verschlechterung der Anpassungsstörung als möglich zu erachten. Beim BF sei keine die Geschäftsfähigkeit beeinträchtigende psychische Erkrankung fassbar und keine, die ihn daran hindern würde, seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteiles selbständig zu regeln oder ihn außer Lage versetzen würde, an Beschwerdeverhandlungen teilzunehmen bzw. seine Einvernahmefähigkeit beeinträchtigen würde. Der BF sei auch in der Lage, das Erlebte wiederzugeben, und sei keine psychische Erkrankung fassbar, die ihn außer Lage versetzen würde, gleichbleibende Angaben zu machen oder seine Reisefähigkeit einschränken würde bzw. in seiner Heimat den Geschäften des täglichen Lebens nachzukommen. Eine aktuelle Eigen- oder Fremdgefährdung sei ebenfalls nicht fassbar.
Mit Schriftsatz des BVwG vom 06.05.2016 wurde dem BF dieses Gutachten gemäß Paragraph 45, Absatz 3, AVG zur Kenntnis gebracht und ihm eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme eingeräumt.
Zu der für 27.06.2016 anberaumten Fortsetzung der Verhandlung beim BVwG erschien der Beschwerdeführer (BF) in Begleitung seiner Vertreterin (PV); das Bundesamt blieb entschuldigter Weise fern.
Diese Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:
"Fortführung der am 10.02.2016 vertagten Verhandlung
[ ]
R fragt P: Haben Sie das Gefühl, dass Sie die Dolmetscherin gut verstehen?
P: Ja.
[ ]
R fragt P ob P physisch und psychisch der Lage ist der heute stattfindenden mündlichen Beschwerdeverhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hinderungsgründe vorliegen.
P: Es geht mir gut, ich kann das.
[ ]
R:. Sind Sie damit einverstanden damit oder haben Sie einen begründeten Einwand dagegen, dass ich auf die Verlesung der Aktenteile (die Aktenteile beziehen sich insbesondere auf alle Niederschriften in Ihren drei erstinstanzlichen Verfahren, den Bescheid im ersten erstinstanzlichen Verfahren, auf alle Schriftsätze der Partei in den erstinstanzlichen Verfahren und in Beschwerdeverfahren, auf alle vorliegenden Bescheinigungsmittel, sowie sonstige Ermittlungsergebnisse aller drei Asylverfahren) verzichten und diese zum Inhalt der heutigen Verhandlungsschrift erklären.
P: Ja, ich verzichte.
[ ]
R: Sie haben in der letzten Verhandlung angegeben, sie heißen römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehörigkeit Russische Föderation.
P: Diese Angaben stimmen.
R: Können Sie Ihre Identität mit einem russischen Identitätsdokument mit Lichtbild in diesem Verfahren nachweisen?
P: Nein.
R: Sind Sie geistig und körperlich in der Lage der heutigen Verhandlung zu folgen?
P: Ja.
R: Ihnen wurde zusammen mit der Ladung für die heutige Verhandlung ein Gutachten vom 08.04.2016 von Herrn Universitätsprofessor römisch 40 , Oberarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie römisch 40 , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, ÖAK Diplom Psychosomatische Medizin, ÖÄK Diplom Psychotherapeutische Medizin, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, übermittelt. Kennen Sie den Inhalt dieses Gutachtens oder soll Ihnen dieses die Dolmetscherin jetzt übersetzen?
P: Nicht nötig, ich kenne das Gutachten.
R: Ich entnehme dem Akt des Bundesasylamtes, dass Sie in der Russischen Föderation ab 2009 bis Sommer 2012 studiert haben (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 04.02.2013, Seite 01 bzw. Akt BAA Seite 03 und am 14.05.2013, Seite 06 bzw. Akt BAA Seite 55). Haben Sie das Studium abgeschlossen und falls ja, mit welchem Titel oder Abschluss?
P: Ja, ich habe studiert, aber nicht abgeschlossen, weil ich flüchten musste. Ich hätte noch zwei Jahre studieren müssen. Ich habe Verbindungen studiert. Das war an der Erdöluniversität. Es war ein technisches Studium, ich hätte vorwiegend bei Telefonanbietern oder Internetanbietern arbeiten können. Ich könnte zum Bespiel Computer aufrüsten und verkaufen, auch Physik und Chemie war dabei. Ich hätte sehr viele Möglichkeiten gehabt.
R: Gibt es Beweismittel, die Sie heute vorlegen wollen?
P: Ja.
Anmerkung: Es werden drei Empfehlungsschreiben in Kopie, die Kopie einer medizinischen Karte, die Kopie einer Bestätigung eines Schreibens des Psychosozialen Dienstes und die Kopie einer Bestätigung einer ärztlichen Untersuchung, die Kopie der Bestätigung von ÖOG und die Kopie eines Feedbackbogens von ÖOG mit dem handschriftlichen Vermerk: Aufstieg in B2, vorgelegt.
Kopien der Kopien werden zu Akt genommen.
R: D wird jetzt nicht übersetzen. Bitte beantworten Sie meine Fragen in Deutsch. Es ist eine bewusste Mischung aus ganz leichten und schwereren Fragen, damit ich sehe, wie sie in Österreich sprachlich zurechtkommen. Danach werden alle Fragen noch einmal in Russisch gestellt und Sie können in Russisch antworten, damit keine Inhalte verloren gehen.
R an D: Bitte nicht übersetzen.
R: Wie ist ihr Familienstand?
P: Ledig.
R: Haben Sie Kinder?
P: Nein.
R: Wie lange haben Sie in Tschetschenien gelebt?
P: Bis 2012.
R: Seit wann sind Sie in Österreich?
P: Seit drei Jahre halb.
R: Sie haben in der letzten Verhandlung angegeben, dass Sie am 24. Februar eine Deutschprüfung ablegen werden. Welche Deutschprüfung haben Sie am 24.02.2016 abgelegt?
P: B1 war Prüfung.
R: Woher hatten Sie das Geld für Ihre Reise nach Österreich?
P: Sie helft mir Vater von Vater so.
R: Was haben Sie von Sommer 2012 bis Dezember 2012 den ganzen Tag lang gemacht. Wie haben Sie die Tage verbracht?
P: Also wenn ich erinnere mich, war Student in Uni Sommer auch. War bei Mutter auch in Dorf römisch 40 . War in römisch 40 auch beim Vater in römisch 40 . Ich erinnere mich nicht mehr.
R: Sie leben seit mehr als drei Jahren in Österreich. Wie verbringen Sie die Tage? Was machen Sie den ganzen Tag lang?
P: Ich verbringe meine Tage über Studium und lerne gerne Österreich unser Dorf römisch 40 . Ich bin den ganzen Tag in römisch 40 wegen Studium, ich lese und lerne in der Bibliothek, in der TU und in AKH.
R: Haben Sie Verwandte in Österreich?
P: Nein.
R: Welche Verwandten leben in Ihrem Herkunftsstaat?
P: In Russland? Mein Adoptivvater und Adoptivmutter.
Anmerkung: P spricht verständlich aber grammatikalisch noch nicht korrekt Deutsch.
R: Wie ist ihr Familienstand?
P: Ledig.
R: Haben Sie Kinder?
P: Nein.
R: Wie lange haben Sie in Tschetschenien gelebt?
P: Mein ganzes Leben bis zur Ausreise 2012.
R: Seit wann sind Sie in Österreich?
P: Wie oben bereits beantwortet.
R: Sie haben in der letzten Verhandlung angegeben, dass Sie am 24. Februar eine Deutschprüfung ablegen werden. Welche Deutschprüfung haben Sie am 24.02.2016 abgelegt?
P: B1.
R: Woher hatten Sie das Geld für Ihre Reise nach Österreich?
P: Von meinem Vater.
R: Was haben Sie von Sommer 2012 bis Ende 2012 den ganzen Tag lang gemacht. Wie haben Sie die Tage verbracht?
P: Ich war immer unterwegs. Ich bin nach römisch 40 , römisch 40 und römisch 40 gefahren. Ich bin an diese Orte gefahren. Im Sommer bin ich nach römisch 40 gefahren, weil das Sommersemester meines Studiums begonnen hat. Das war ungefähr von Juli bis August.
R: Ich habe noch nie gehört, dass ein Semester zwei Monate dauert?
P: Das war ein Fernlehrgang, ich habe von Juni bis Juli gelernt. Die Prüfungen gab es im Juli und August.
R: Im Mai und April haben Sie nichts lernen müssen?
P: Es gab ein Wintersemester.
R: Wie viele Semester gibt es pro Jahr?
P: Wie gesagt, das Sommersemester von Juni bis Juli und im Juli und August Prüfungen. Das Wintersemester von Jänner bis Februar und im Februar und März gab es Prüfungen.
R: Das heißt, dass Sie im April und Mai nicht studiert haben?
P: Nein, ich habe nicht an der Uni gelernt, sondern zu Hause. Es hat viele Unterlagen gegeben. Ich habe das ganze Jahr gelernt.
R: Sie leben seit mehr als drei Jahren in Österreich. Wie verbringen Sie die Tage? Was machen Sie den ganzen Tag lang?
P: Ich wollte hier ebenfalls studieren. Ich lerne viel in der Bibliothek. Ich mache viel im Fernstudium. Am Vormittag lerne ich und Nachmittag habe ich Kurse. Ich wollte eine stomatologische Ausbildung machen, das heißt ich wollte eine Ausbildung zum Zahnarzt machen; das ist ein Studium. Wir haben eine Aufnahmeprüfung am 08. Juli.
R: Wie lange dauert das Studium und wer wird es bezahlen?
P: Ich weiß nicht, wer es bezahlt. Ich werde es selbst bezahlen und es wird sechs Jahre dauern.
R: Wer wird für Ihre Unterkunft und Verpflegung in diesen sechs Jahren aufkommen?
P: Ich selbst.
R: Warum haben Sie sich nicht ein Studium ausgesucht, das einen Bezug zu Ihrem bisherigen Studium in der Russischen Föderation hat?
P: Weil ich anderen Personen sehr gerne helfe und weil ich glaube, dass ich dazu besser geeignet bin und weil es mich mehr interessiert.
R: Warum haben Sie das nicht im Herkunftsstaat studiert?
P: Mein Vater war Zahnarzt. Als ich die Schule abgeschlossen habe, hat es keine Studienplätze gegeben bzw. gab es die Universität nicht. Es gab damals schon Collage und eine Technikum, aber ich habe keinen Platz bekommen. Es hat damals einen Aufnahmestopp für drei oder vier Jahre gegeben.
R: Haben Sie Verwandte in Österreich?
P: Nein.
R: Welche Verwandten leben in Ihrem Herkunftsstaat?
P: Meine Adoptiveltern und deren Sohn.
R: Konnten Sie den Lebensunterhalt im Herkunftsstaat finanzieren?
P: Ja. Mein Adoptivvater hat mich finanziert.
R: Haben Sie derzeit einen Aufenthaltstitel für Österreich und/oder einen anderen EU-Staat?
P: Nein.
R: Sie haben 22 Jahre mit Familie und Freunden in der Russischen Föderation gelebt und sind seit über drei Jahren in Österreich. Wie haben Sie diese Zeit für Ihre Integration in Österreich genützt?
P: Wie soll ich das sagen. Ich habe viele Bekannte. Ich habe im Burgenland in römisch 40 gelebt und gearbeitet. Ich habe Kurse besucht, Deutschkurse und habe hier Deutsch gelernt mit Hilfe von Lehrern der Diakonie und Caritas und habe so die A2-Prüfung bestanden. Ich habe viele Leute kennengelernt und ich helfe ihnen. Es gibt einen Mann namens römisch 40 . Er hilft mir und ich helfe ihm auch. Ich helfe in der Kirche, in dem ich dort Blumen gieße und Grasflächen reinige. Er arbeitet bei der Diakonie. Es gibt dort noch eine ältere Frau, namens römisch 40 , sie hat einen Hund, namens römisch 40 , ihr helfe ich auch. Ich helfe ihr im Haushalt. Sie kann viele Sachen nicht heben. Ich hebe Sachen auf und mähe ihr Gras und wenn sie wegfährt, füttere ich den Hund. Wenn sie etwas braucht, dann mache ich das.
R: Sind Sie in der Lage Ihren Lebensunterhalt durch Arbeit in Österreich zu bestreiten?
P: Nein. Ich habe nur eine Erlaubnis für Saisonarbeit. Ich habe zuletzt von September bis Oktober 2015 in Weingärten gearbeitet. Heuer hat man mir das auch schon vorgeschlagen.
R: Wer kommt in Österreich für Ihren Lebensunterhalt auf?
P: Der österreichische Staat.
R: Gibt es etwas Neues, also etwas bezüglich Ihrer Ausreisegründe das Sie bis jetzt im Asylverfahren noch nicht vorgebracht haben?
P: Nein. Ich kann mich sonst an nichts erinnern.
R: Was befürchten Sie im Fall Ihrer Rückkehr in die Russische Föderation?
P: Ich glaube, dass man mich ergreifen und festnehmen wird. Man wird mich ins Gefängnis bringen und das ist noch eine mildere Variante.
R: Wer konkret sollte Ihnen warum konkret im Herkunftsstaat etwas antun wolle?
P: Die Kadyrowleute, weil ich die Leute unterstützt habe, die gegen die Kadyrowleute kämpfen. Ich habe Ladungen bekommen. Man wird mich ins Gefängnis bringen und im Gefängnis werden die Tschetschenen umgebracht. Als die Leiche meines Bruders von den Eltern geholt wurde, hat er kein Hirn mehr gehabt, kein Herz und gar nichts mehr.
R: Sie sagen das so ruhig und keine Änderung im Tonfall in der Stimme. Sie wirken irgendwie unemotional?
P: Sicher ist es ein emotionales Thema, aber man fragt mich immer wieder danach.
R: Welchen Beruf haben Sie gelernt?
P: So wie ich bereits gesagt habe, habe ich studiert, aber keine fertige Berufsausbildung.
R: Wovon haben Sie in den letzten beiden Jahren vor Ihrer Ausreise gelebt?
P: Mein Adoptivvater hat mir immer geholfen.
R: Wo sind sie geboren und wo konkret haben Sie wann konkret in der Russischen Föderation seit Ihrer Geburt gelebt?
P: Ich wurde im Dorf römisch 40 geboren. Ich habe dort nicht ständig gelebt, weil es Krieg gegeben hat, deshalb habe ich die Aufenthaltsorte gewechselt. Wie ich mich erinnere, war das 1996, ich war damals sechs Jahre alt. Seitdem habe ich immer meine Aufenthaltsorte gewechselt. Als römisch 40 bombadiert wurde, sind wir nach römisch 40 gefahren oder nach römisch 40 .
R: Sie haben nie länger an einem Ort gelebt?
P: In römisch 40 aber ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern.
R: Bitte geben Sie die Adressen der drei genannten Orten an.
P: Ich habe die Adressen bereits genannt.
R: Aber heute noch nicht.
Anmerkung: P schreibt die Adressen auf einen Zettel.
Dolmetscherin schreibt deutsche Übersetzung:
römisch 40 ,
römisch 40 ,
XXXX: Die Straße wurde umbenannt. Sie heißt jetzt römisch 40 , aber die Straße wurde erst umbenannt, als ich schon in Österreich war. Ich nehme das an, weil auf den Ladungen die römisch 40 steht und nicht die römisch 40 .
R: Weil Ladungen andere Adresse anführen, vermuten Sie, dass man den Straßennamen geändert hat?
P: Ja.
R: Ich habe Ihren Geburtsort römisch 40 (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 14.05.2015, Akt BAA Seite 41) auf einer Karte nicht gefunden, aber einen Ort namens römisch 40 . Haben Sie diesen Ort gemeint?
P: Ja, ich habe römisch 40 gemeint.
R: Wie oft sind sie zwischen römisch 40 undXXXX hin- und hergereist, mit welchen Verkehrsmitteln und wie lange hat so eine Reise gedauert?
P: Mit dem Auto zirka eine Stunde 20 bis eine Stunde 30.
R: Ich habe das Dorf römisch 40 (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 14.05.2015, Seite 08 bzw. Akt BAA Seite 59), auf einer Karte zwar in dieser Schreibweise nicht gefunden, aber ein Dorf namens römisch 40 . Gehe ich Recht in der Annahme, dass es sich um dasselbe Dorf handelt?
P: Ja.
R: Ich habe den Ort römisch 40 (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 14.05.2015, Seite 07 bzw. Akt BAA Seite 57), den sie in Ihren Fluchtgründen genannt habe und an den Sie die Sachen vor Ihrer Ausreise liefern sollten, auf einer Karte nicht gefunden. Können Sie bitte den Namen des Ortes und die genau Lage angeben?
Anmerkung: P schreibt den Ort auf einen Zettel.
Dolmetscherin schreibt deutsche Übersetzung: römisch 40 .
R: Ich habe das dazu nächstgelegen Dorf römisch 40 (Anmerkung:
niederschriftliche Befragung am 14.05.2015, Seite 07 bzw. Akt BAA Seite 57), auf einer Karte ebenfalls nicht gefunden. Können Sie bitte den Namen des Ortes und die genau Lage angeben?
Anmerkung: P schreibt den Ort auf einen Zettel.
Dolmetscherin schreibt deutsche Übersetzung: XXXX
R: Ich habe das Dorf römisch 40 (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 14.05.2015, Seite 08 bzw. Akt BAA Seite 59), auf einer Karte ebenfalls nicht gefunden. Können Sie bitte den Namen des Ortes und die genau Lage angeben?
Anmerkung: P schreibt den Ort auf einen Zettel.
Dolmetscherin schreibt deutsche Übersetzung: XXXX
R: Was könne Sie über die letzten drei Orte sagen?
P: Es sind kleine Orte. Von römisch 40 kommt man nach römisch 40 , also in unser Dorf, also eine Nachbarortschaft. Links befindet sich ein anderes kleines Dorf und auf der rechten Seite befindet sich das Dorf römisch 40 , danach kommt römisch 40 und römisch 40 . Das sind alles Dörfer in der Umgebung.
R: Warum haben Sie nicht unmittelbar nach Ihrer legalen Einreise mit Touristenvisum nach Österreich einen Asylantrag gestellt, wenn Sie behaupten wegen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgereist zu sein?
P: Ich wusste nicht, wo ich mich befinde. Ich habe zuerst in der Moschee geschlafen. Erst dann hat man mir gesagt, wohin ich gehen soll.
R: Warum stellten Sie nicht sofort nach Ablauf des Visums in Österreich einen Asylantrag, wenn Sie angeblich im Herkunftsstaat verfolgt wurden, sondern blieben illegal im Bundesgebiet und stellten erst am 04.02.2013 Ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz?
P: Ich kannte mich nicht aus, ich wusste nicht, was ich tun soll. Ich wusste nicht, dass ich mich in Österreich befinde. Ich wusste nichts von Österreich nur von England und Deutschland.
R: Sie fliegen mit dem Flugzeug nach Österreich und wissen nicht, dass Sie sich in Österreich befinden?
P: Ja, weil ich nicht Deutsch konnte. Der Mann, der mir bei der Ausreise geholfen hat, hat über Frankreich gesprochen und ich habe geglaubt, dass ich in Frankreich bin.
R: So etwas wie Flugzeugdurchsagen, der Aufruf des Flugzeuges am Abflugsort oder die Aufschriften am internationalen Flughafen in Schwechat, sind Ihnen nicht aufgefallen?
P: Ich konnte weder Deutsch noch Englisch. Ich war das erste Mal in Europa, ich kannte mich nicht aus.
R: Sie bekommen ein Visum für Österreich und erst danach kommt es zum von Ihnen behaupteten fluchtauslösenden Ereignis. Wollen Sie sich dazu äußern?
P: Ich habe die Frage nicht verstanden.
R wiederholt die Frage.
P: Nein, das war nicht so. Das war schon vorher. Mein Vater hat mich nach römisch 40 gebracht und dort alles organisiert, ich weiß nicht, wie er das gemacht hat.
R: Sie sind legal aus der Russischen Föderation mit einem Flugzeug ausgereist und legal mit Touristenvisum in Österreich eingereist. Ist das korrekt?
P: Ja, ich habe ein Visum gehabt, ich weiß nicht, wie das rechtlich ist.
R: Sie haben jedoch vor den österreichischen Behörden verschwiegen, dass Sie ein Visum hatten und behauptet, Sie wären mit einem Schlepper gereist. Bitte erklären Sie mir warum ein Mann einen Schlepper braucht, wenn er legal reist?
P: Mein Vater hat sich Sorgen um mich gemacht. Er hat einen Mann beauftragt, mich dorthin zu bringen und zu begleiten. Ich kannte mich nicht aus. Damit meine ich, dass mein Vater gesagt hat, er solle mich soweit wie möglich von Russland wegbringen. Er hat mich hierher gebracht. Ich bin ja hier. Ich dachte, dass ich in Frankreich bin.
R: Sind Sie alleine mit Ihrem Reisepass durch die Passkontrolle in Schwechat gegangen?
P: Ja, er war hinter mir.
R: Ist er bei der Kontrolle neben Ihnen gestanden oder sind Sie alleine durch die Kontrolle gegangen?
P: Er hat mir den Pass gegeben und ich bin alleine durch die Passkontrolle. Ich musste meine Mütze absetzen und man hat sich das Foto in meinem Pass angeschaut.
R: Wie oft sind Sie umgestiegen und wie oft haben Sie die Fluglinie gewechselt?
P: Ich glaube, dass es ein Direktflug war.
R: Was heißt Sie glauben, Sie müssen doch wissen, ob Sie einen Direktflug hatten oder nicht?
P: Ich kann mich nicht mehr erinnern, wenn ich mich später erinnern kann, werde ich es Ihnen sagen.
R: Wir machen eine Pause, die Verhandlung wird für 10 Minuten unterbrochen.
[ ]
R: Laut Gutachten von römisch 40 sind Sie voll verhandlungsfähig. Sie behaupten, dass erste Mal im Ausland gewesen zu sein und behaupten sich nicht erinnern zu können?
P: Ich weiß es nicht mehr.
R: In der Moschee hat Ihnen auch niemand gesagt, dass Sie in Österreich sind?
P: Ich habe mit niemanden gesprochen. Ich habe dort keine Tschetschenen getroffen. Ich war in einer großen Moschee, es gibt nur eine so große in Österreich, glaube ich.
R: Wo war die Moschee?
P: Das weiß ich jetzt, an der römisch 40 , damals habe ich mich nicht ausgekannt. Zuerst hatte ich Angst, mit irgendjemandem zu sprechen. Ich bin spazieren gegangen. Ich bin dann zu einem Markt gekommen. Ich war zirka zehn Tage lang in der Moschee und habe dort geschlafen.
R: Sie schlafen in einer Moschee und reden mit keiner einzigen Person dort?
P: Tschetschenisch hat dort niemand gesprochen.
R: Ich werde bezüglich Ihrer heute neuen Behauptung, dass sich der Name Ihrer Meldeadresse geändert haben soll recherchieren lassen und die Verhandlung bis zum Ergebnis vertagen. In der nächsten Verhandlung werden wir uns darüber unterhalten. Wenn die Vertreterin heute keine unaufschiebbaren Fragen hat, würde ich Sie einladen Ihre Fragen in der nächsten Verhandlung zu stellen, zumal wir heute auch nicht näher auf die Ausreisegründe eingegangen sind.
PV: Ich ersuche um Ausfolgung der Kopie jenes Zettels den P heute verfasst hat und auf dem sämtliche Ortschaften bzw. Adressen stehen.
Anmerkung: Kopie wird ausgefolgt; P hat mit blauem Kugelschreiber geschrieben, D mit schwarzem Kugelschreiber, auf der Kopie sieht man den Unterschied nur in der Helligkeit.
Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird die heutige Verhandlungsniederschrift, nach Schluss der Verhandlung übermittelt.
R: Die Dolmetscherin wird die Verhandlungsniederschrift rückübersetzen. Bitte passen Sie gut auf, ob alle Ihre Angaben korrekt protokolliert wurden. Sollten Sie einen Fehler bemerken oder sonst einen Einwand haben, sagen Sie das bitte.
P: Ja.
R: Haben Sie das Gefühl, dass heute alle Ihre Angaben aufgenommen und übersetzt wurden?
P. Ja.
R: Wurden alle Ihre Angaben korrekt protokolliert, oder wollen Sie etwas ändern?
P: Es ist alles korrekt. Ich möchte nichts ändern.
PV: Nach Durchlesen scheint es mir so, als hätte P auf Seite 7 drei ein halb gesagt. Außerdem ist das Dorf im vorletzten Absatz phonetisch aufgeschrieben worden. Anmerken möchte ich weiters, dass der P auch zwischendurch immer wieder Deutsch geantwortet oder deutsche Anmerkungen gemacht hat.
R: Letzteres kann ich nicht bestätigen. Hätte P in Deutsch geantwortet, hätte ich das in der Verhandlungsschrift vermerkt.
PV: P hat aber als Beispiel das Wort Vorstudienlehrgang in Deutsch gesagt, daher bitte das Wort Fernstudium durch das Wort Vorstudienlehrgang auf Seite 9 ersetzen. So habe ich das auch bei anderen Antworten wahrgenommen. Weiters auf Seite 10 schreibt sich der Herr mit dem Nachnamen römisch 40 und nicht römisch 40 . Wenn P von Vater spricht, meint er immer den Adoptivvater ebenso bei der Mutter."
Mit Beschluss des BVwG vom 20.07.2016, Zahl W215 1437954-1/48E, wurde das verfahrensgegenständliche Asylverfahren des BF gemäß Paragraph 24, Absatz eins, Ziffer eins und Absatz 2, AsylG 2005 eingestellt, weil der BF seit 14.07.2016 nicht mehr an seiner bisherigen Unterkunft aufhältig war und eine neue Meldeadresse nicht eruiert werden konnte. Mit Schriftsatz vom 06.09.2016 wurde unter Vorlage eines Meldezettels mit der ab 23.08.2016 aufrechten Wohnadresse des BF in römisch 40 die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Sodann wurde das Verfahren mit Beschluss des BVwG vom 07.11.2016, Zahl W215 1437954-1/54Z, fortgesetzt.
Auf Grund der Neuzuweisung gegenständlicher Angelegenheit an den nunmehr zuständigen Richter wurde für den römisch 40 eine weitere Verhandlung beim BVwG anberaumt, zu welcher der Beschwerdeführer (BF) in Begleitung seiner Vertreterin Regierungsvorlage und einer Vertrauensperson erschienen ist, während das Bundesamt entschuldigter Weise fernblieb. Diese Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:
"VR weist die BF auf die Bedeutung dieser Verhandlung hin und ersucht ihn, die Wahrheit anzugeben und dass wahrheitswidrige Angaben im Rahmen der Beweiswürdigung entsprechend zu berücksichtigen sind.
VR: Sie wissen, warum Sie heute hier sind?
BF: Ja.
[ ]
Der BF verzichtet ausdrücklich auf die Zuziehung eines Rechtsberaters in der Verhandlung.
Festgehalten wird, dass es zwischenzeitlich einen Richterwechsel gab. Nunmehr ist die Gerichtsabteil W117 zuständig; aufgrund des Unmittelbarkeitsgrundsatzes sind daher die bisherigen Verhandlungen zu wiederholen.
Da keine Einwendungen vorliegen, wird der bisherige jeweilige Akteninhalt beider Verfahren verlesen und die aktuellen Verfahrensstände zusammengefasst dargestellt:
Festgehalten wird, dass von der vormals zuständigen Gerichtsabteilung W215 eine Verhandlung durchgeführt wurde. Diese wird hier ausdrücklich verlesen.
Festgehalten wird, dass das gegenständliche Verfahren mit Beschluss derselben Gerichtsabteilung vom 20.07.2016 wegen damals unbekannten Aufenthaltes des BF eingestellt wurde.
BF: Seit der Zeit als ich die Pension verlassen musste, habe ich mich bei einem Freund in römisch 40 aufgehalten.
RI: Sie waren nicht angemeldet.
BF: Zuerst habe ich keinen Freund gefunden, der mich bei sich anmelden konnte. Es dauerte 1 ¿ bis 2 Monate bis ich jemanden fand, bei dem ich mich anmelden konnte.
Festgehalten wird, dass im Sinne eines persönlichen Eindruckes vom BF der BF nochmals zu sämtlichen negativen Spruchpunkten der Erstinstanzlichen Entscheidung befragt wird.
Beginn der Befragung:
RI: Haben Sie im Herkunftsstaat noch Familienangehörige?
BF: Ich habe meinen Onkel und seine Frau und seine Kinder in Tschetschenien. Meine Eltern sind verstorben. Im Jahre römisch 40 habe ich zuerst meinen Vater verloren. Er wollte, wie andere Flüchtlinge unser Land verlassen. Zu dieser Zeit wurde Tschetschenien bombardiert. Bei der Flucht ist er ums Leben gekommen. Im Jahr 2004 habe ich meinen Bruder verloren, der im Gefängnis um Leben gekommen ist. Ihm wurden auch die inneren Organe entnommen und wir haben den leeren Leichnam frei gekauft. Ich kann mich nur an drei Geschwister erinnern, aber von meinem Onkel habe ich erfahren, dass ich sieben Geschwister habe. Aber ich weiß nicht, ob sie am Leben sind.
RI: Was haben Sie für eine Schulausbildung?
BF: Ich habe zuerst Matura gemacht. Man kann mit dieser studieren. Ich habe dann mehrere Berufe gelernt, z.B. Koch und Mechaniker und zwar in der Berufsschule. Die Berufe selbst habe ich aber nicht ausgeübt. Danach war ich an der staatlichen tschetschenischen "Erdöl/Schwarz Öl" Universität. Dort werden Experten für Erdöl ausgebildet. Da ich das Land verlassen hatte, konnte ich den Rest, 2 Jahre, nicht absolvieren.
R: Von was haben Sie, während Sie studiert haben, gelebt?
BF: Mein Vater und mein Onkel haben mich finanziert.
RI: Haben Sie jemals in Tschetschenien gearbeitet?
BF: Nein, ich habe aber meinem Vater in dieser Zeit geholfen.
Regierungsvorlage, Wann und wie haben Sie Informationen zu Ihrer leiblichen Familie erhalten?
BF: Als ich noch klein war, im Jahr 1999, hat mir mein Onkel gesagt, dass ich ihn nicht weiter nach meiner Familie fragen solle, da diese für Terroristen gehalten werden. Ich habe bei meinem Onkel gelebt und ich habe ihn immer für meinen leiblichen Vater gehalten. Ja, ich bezeichne meinen Onkel und meine Tante als Adoptiveltern. Die, die verstorben sind, sind meine leiblichen Eltern.
Regierungsvorlage bringt vor: Ich möchte klarstellen, dass die leiblichen Eltern, die verstorbenen Eltern sind. Wobei der BF erst jetzt nach Nachforschungen genaueres über den Tod der Mutter erfahren hat. Mein Mandant hat also keine genaueren Informationen zu den leiblichen Eltern, sondern zu Onkel und Tante, die er als Adoptiveltern bezeichnet.
RI: Wann haben Sie Tschetschenen/die Russische Föderation verlassen und wann sind Sie in Österreich eingereist?
BF: 2012 habe ich Tschetschenien verlassen. Einen Monat lang habe ich in römisch 40 gelebt. Dort haben wir einen weitschichtigen Verwandten meines Onkels gehabt. Mein Onkel hat mich zu diesem Verwandten gebracht. Mein Onkel ist dann zurückgegangen und ich wartete, bis meine Dokumente fertig waren, dann habe ich das Land verlassen. Im Jänner 2013 bin ich in Österreich eingereist.
RI: Halten Sie sich seit der Zeit in Österreich auf?
BF: Ich war seit dem durchgehend in Österreich.
RI: Wie haben Sie Tschetschenien/die Russische Föderation verlassen?
BF: Ich bin mit dem Reisepass und einem österreichischen Visum mit dem Flugzeug nach Österreich eingereist. Der Schlepper, der mich nach Österreich gebracht hat, hat diesen Pass wieder zurückgenommen. Dieser römisch 40 hat so viele Leute gekannt, er könnte sogar Ihnen eine Russische Staatsbürgerschaft verschaffen.
RI: Haben Sie den Pass selbst einsehen können?
BF: Ja ich habe den Pass in der Hand gehabt und habe ihn am Flughafen vorgelegt und dieser wurde abgestempelt. Das ist ein Pass mit meiner richtigen Identität.
RI: Warum haben Sie die Russische Föderation schließlich verlassen?
BF: Ich war dort in Lebensgefahr. Ich konnte dort einfach umgebracht werden. Im Jahr 2010 hat mein Schulkamerad, sein Name ist römisch 40 , dieser hatte sich den Widerstandskämpfern angeschlossen und im selben Jahr wurde ich wegen ihm festgenommen. Ich war mit ihm schon immer befreundet und aus diesem Grund wurde ich auch verhaftet.
RI: Wie lange waren Sie in Haft?
BF: Das war im Juli 2010. Ich war in römisch 40 . Ich habe dort ein paar Tage verbracht. Es war dort dunkel. Ich wurde dort befragt und zusammengeschlagen. Sie wollten wissen, wo mein Freund römisch 40 sich aufhält. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich eine gemeinsame Sache mit ihm mache. Dass ich mich auch dem Widerstand anschließen werde. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich Mithelfer bin nach Paragraph 208 und Paragraph 33,
RI: Man hat Sie trotzdem wieder laufen lassen.
BF: Sie haben mich sogar gefoltert, dabei wurde sogar mein Kiefer gebrochen. Ich möchte noch hinzufügen, dass der Grund, warum ich entlassen wurde, war, dass mein Onkel Schmiergeld bezahlt hat.
Rechtsvertreterin legt eine Akkordanfragebeantwortung vor, aus der hervorgeht, dass Personen, deren Freunde oder Familienmitglieder in illegalen Gruppierungen aktiv sind. Immer wieder verhaftet, geschlagen und zum Herausgeben von Informationen gedrängt werden und von einem hohen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind.
RI: Wie hat sich dann Ihr Leben weiterhin gestaltet?
BF: Zuerst hat mich mein Onkel ins Krankenahaus gebracht, da mein Kiefer gebrochen war. Während der Operation am Kiefer wurde mir eine Schiene aufgelegt. Mein Onkel selbst ist Zahnarzt und hat mich später auch selbst zu Hause behandelt. Ich habe weiterstudiert, das war ein Fernstudium, meine Prüfungen musste ich an der Uni ablegen. Nach einem Monat wurde mir eine Schiene von meinem Kiefer entfernt. Ich konnte meinen Mund nicht selbst aufmachen.
RI: Gab es bis zu Ihrer Ausreise irgendwelche Vorkommnisse?
BF: Im Jahr 2012 im Dorf römisch 40 , wo ich gelebt habe, hat mich mein Freund römisch 40 besucht. Er ist aus dem Wald heimlich zu mir gekommen. Er hat gesagt, dass es den Widerstandskämpfern, die mit ihm seien, nicht gut gehe. Er hat mich ersucht, diese mit Lebensmitteln und Medikamenten zu unterstützen. Das war im Oktober 2012. Mein Onkel hatte mehrere Häuser im Bezirk römisch 40 im Dorf römisch 40 , und in römisch 40 . Dort war ich auch angemeldet. Und ich habe oft den Wohnort gewechselt. Studiert habe ich mittels Fernstudium aber immer an derselben Uni. Er hat auch eine Liste mitgehabt und hat mich ersucht, alles was auf der Liste stand zu besorgen. Das waren viele Betäubungsmittel und Sachen, die man zur Ersten Hilfe benötigt. Auch natürliche Lebensmittel wie Fleisch usw.
Ich habe in der Folge alles besorgt und im November 2012 habe ich die geforderten Medikamente und Lebensmittel einmal in den Ort römisch 40 gebracht. Der Treffpunkt war irgendwo im Wald und habe gewartet. Plötzlich hat eine Schießerei begonnen und ich dachte, dass auch auf mich geschossen wird. Ich habe dort alles liegen und stehen gelassen und bin weggelaufen. Ich bin durch den Wald weggelaufen, ich hatte Angst, wenn ich die Straße benütze, dass ich erwischt werde. Nach diesem Vorfall bin ich zu Fuß in das Dorf römisch 40 zu unseren Verwandten gegangen. Ich hatte Angst, wenn ich nach Hause gehe, dass schon jemand auf mich wartet. Dieser Verwandte hat mich mit dem Auto zu meinem Adoptivvater nach römisch 40 gebracht. Ich habe meinem Adoptivvater schnell erklärt, was passiert war. Er hat gesagt, dass ich das Notwendigste zusammenpacken soll und er hat mich dann nach römisch 40 gebracht.
Dem Beschwerdeführer wird vorgehalten, dass die legale Ausreise mit einem gültigen Reisepass lautend auf die wahre Identität – unpräjudiziell ausgedrückt – nicht unbedingt für das Vorliegen von maßgeblicher Verfolgungsgefahr sprechen würde.
BF: Ich möchte noch einmal sagen, dass dieser römisch 40 Kontakte hatte und ich mir das nur so erklären kann, dass er alles mit Bezahlung bewerkstelligte, weil dieser Mann offensichtlich große Einflussmöglichkeiten hat, wie auch daraus zu ersehen ist, dass es eigentlich für einen Tschetschenen unmöglich ist ein Visum für Österreich zu erhalten.
Regierungsvorlage, Ich möchte auf die Erkenntnisse des BVWG zur Zahl W216 1435581 vom 22.10.2014 sowie W207 1438662 vom 26.11.2014 hinweisen in denen trotz der Ausstellung von Auslandsreisepässen Asyl gewährt wurde. Darin wird ebenfalls auf die Korruptionsmöglichkeiten hingewiesen. Außerdem möchte ich auf einen Report des Danish Imigration Service hinweisen, der sich ebenfalls damit auseinandersetzt, dass es in Russland ein effektives Schmuggelnetzwerkt gibt und durch entsprechende Vernetzung und Bestechung die Ausreise selbst von in Tschetschenien gesucht Personen bewerkstelligt werden kann.
RI: Der russische Staat wusste nicht, dass Sie mit einer Medikamentenlieferung im Wald unterwegs sind?
BF: Ich habe dann einen Monat in römisch 40 verbracht, bis meine Dokumente fertig waren. Mein Adoptivvater hat den Verwandten inXXXX ein SMS geschickt, in der stand, dass ich gesucht werde. Später, als ich schon in Österreich war habe ich die Nachricht gelesen über Algiriev Beslan auch "Krot" genannt, was auch Verräter bedeutet. Er hat auch Informationen den Kadirov-leuten geliefert. Dieser "Krot" lieferte also Informationen über die Widerstandskämpfer an Kadirov. Ich vermute dass dieser "Krot" gerade in der Widerstandsgruppe war, der ich geholfen habe. In dem Artikel, den ich vorlegt habe, werden nämlich zwei Bruder namens Gakaev genannt, die von "Krot" verpfiffen wurden. Ich weiß, dass diese zwei Brüder jener Widerstandsgruppe angehörten, in der römisch 40 auch war.
Regierungsvorlage, Woher kennen Sie die Namen der genannten Brüder?
BF: Mein Freund römisch 40 hat mir bei unserem Treffen erzählt, dass zu diesen Widerstandskämpfern, auch die angeführten bekannten Brüder gehörten. Weil ich wollte einfach wissen, wem ich tatsächlich helfe.
Eine vorläufige Beurteilung der politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat, basierend auf der einen integrierten Bestandteil des gegenständlichen Verhandlungsprotokolls bildenden Beilagen A – Staatendokumentation, aktueller Bericht, Beilage B Bericht des Auswärtigen Amtes und Beilage C – aktuellen Medienberichte wird der Beschwerde führenden Partei genannt und deren Inhalt erörtert:
Regierungsvorlage bringt zur Lage in Tschetschenien vor, dass Personen, die aus dem Ausland zurückkehren per se mit Misstrauen begegnet wird. Solche Personen regelmäßig verhaftet und unter menschenrechtswidrigen Umständen verhört werden und auf Grund des Generalverdachts gegen solche Menschen Gefahr laufen, Opfer von Folter, verschwinden lassen, Entführung und außergerichtlicher Tötung zu werden. Der BF wäre in einer solchen Situation schon wegen seines Familienhintergrundes, auf Grund der ignorierten Wehrdienstladungen, und natürlich wegen seiner eigenen Historie im Zusammenhang mit der Unterstützung seines Freundes in keinem Ausmaß der Verfolgung gefährdet.
Regierungsvorlage stützt sich dabei auf einen Bericht von Akkord vom März 2013 und legt den entsprechenden Bericht vor. Dieser wird zum Akt genommen.
RI: Haben Sie in der Russischen Föderation Wehrdienst abgeleistet?
BF: Nein.
RI: Wurden Sie zum Wehrdienst vorgeladen?
BF: Ja, im Jahr 2014 habe ich drei Ladungen bekommen. Sie haben gefragt, wo ich bin, aber ich war zu der Zeit schon in Österreich. Kann sein, dass sie das auch ans Gericht geschickt haben.
Regierungsvorlage, In jedem Fall würde das dem BF im Falle einer Rückkehr ins Blickfeld der Behörden rücken.
RI: Kommen Sie zu Ihrer Situation in Österreich. Haben Sie Verwandte, eine Ehefrau, eine Lebensgefährtin, leben Sie in einer Verpartnerung. Haben Sie Kinder?
BF: Ich wohne jetzt zusammen mit einem Freund. Aber wir sind nur Freunde. Ich habe keine feste Beziehung mit jemandem. Und heute ist die sogenannte "österreichische Mama" mitgekommen zu der ich eine sehr intensive Beziehung habe. Am Wochenende verbringen wir sehr viel Zeit miteinander.
RI: Besuchen Sie einen Deutschkurs?
BF: Ich habe A2 Deutschniveau und jetzt besuch ich den Deutschkurs B1 und habe die Prüfung im April.
RI: Gehen Sie einer Beschäftigung nach?
BF: Aktuell arbeite ich nicht. Ich verrichte aber immer wieder unbezahlte Tätigkeiten bei der Firma römisch 40 und habe auch eine entsprechende Einstellungszusage. Das ist eine sogenannte Räumungsfirma z.B. Auf- und Abbau von Wahllokalen, etc.
RI: Sie besuchen derzeit das Gymnasium?
BF: Ja.
RI: Wie schaut es mit Weiterbildung aus?
BF: Ich bin auch außerordentlicher Student der Medizinischen Fakultät in römisch 40 . Parallel dazu besuche ich ein Abendgymnasium mit dem Hauptziel noch schneller und besser Deutsch zu lernen, insbesondere im Sinne einer Fachsprache für das Studium. Die Matura habe ich ja schon, die muss ich eigentlich nicht mehr nachholen, aber dort lerne ich Biologie, etc. in deutscher Sprache, was mir später helfen wird. Ich möchte auch noch anführen, dass ich neben der Firma römisch 40 auch noch andere ehrenamtlich Tätigkeiten verrichte. Ich lege ein entsprechendes Konvolut Urkunden vor, die eine Vielzahl meiner ehrenamtlichen Tätigkeiten belegen.
In Bezug auf bezahlte Tätigkeiten möchte ich meinen Einsatz im Rahmen von Saisonarbeiten hervorheben. Von 2013 bis aktuell habe ich jede Saison zumindest im Burgenland bei der Weinlese geholfen.
Ich möchte auch hervorheben, dass ich auch einen großen österreichischen Bekanntenkreis habe, insbesondere auf Grund der heute anwesenden Vertrauensperson habe ich zahlreiche Bekanntschaften in Österreich gefunden.
Regierungsvorlage, Ich beantrage, die hier anwesende Vertrauensperson, als Zeugin für die Integration des BF zu befragen.
BF: Ich möchte auch noch hervorheben, dass ich hier in Österreich auch schon einen Führerschein gemacht habe und ich mich sehr unterstützend ausweise, wie mein Plasmaausweis belegt.
Verlesen wird der Strafregisterauszug. Der BF ist unbescholten.
Die Vertrauensperson gibt an, dass sie den BF besonders bei der Integration unterstützt. Ich habe als Krankenausseelsorgerin gearbeitet und bin dadurch zur Unterstützung von Asylwerbern gekommen. Dadurch kam ich in Kontakt mit römisch 40 , der auch Asylwerber unterstützt. Und als ich den BF kennenlernt habe, überlegte ich, ihn Herrn römisch 40 vorzustellen. Das tat ich und daraus hat sich eine intensive Beziehung entwickelt. Daraus folgt, dass wir sehr viel Zeit miteinander verbringen und ich ihn in meine persönliche Lebensgestaltung integriert habe. Ich kann nur bestätigen, dass der BF sich bemüht sich zu integrieren.
Festgehalten wird, dass auf den BF ein Psychiatrisch/Neurologisches Gutachten vorliegt.
Regierungsvorlage, Ich möchte betonen, dass das Gutachten das frühere Bestehen einer posttraumatischen Belastungsstörung ausdrücklich nicht ausschließt. Der BF hat nach den Vorkommnissen in Tschetschenien unter einer solchen in hohem Ausmaß gelitten. Dies wurde durch die zahlreichenden im Akt vorliegenden Befunde untermauert. Der BF hat sich erst in letzter Zeit durch die empfundene Sicherheit in Österreich und sein starkes soziales Unterstützungsnetz zunehmend erholt. Bei einer Rückkehr nach Tschetschenien würde alles wieder aufbrechen.
BF: Ich wollte nur sagen, dass ich zu Hause wirklich Probleme hatte und ich kann nicht zurückkehren.
Regierungsvorlage wird die Möglichkeit eingeräumt, zur Ländersituation und zur Person des BF schriftlich vorzubringen. Diesbezüglich wird eine Frist von 4 Wochen eingeräumt.
[ ]"
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation aus Tschetschenien sowie Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen moslemischen Glaubens. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer hat – nachdem er per Flugzeug mit einem für die Zeit vom 10.01.2013 bis 03.02.2013 gültigen Visum ins österreichische Bundesgebiet eingereist ist – am 04.02.2013 den verfahrensgegenständlichen ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Im Herkunftsstaat hat er seine Schulausbildung mit Matura erlangt und verschiedene Berufe (Koch, Mechaniker) in der Berufsschule erlernt. Von September 2009 Bis zum Sommer 2012 hat er an der Universität in römisch 40 ein Fernstudium betrieben, dieses aber nicht abgeschlossen. Ab Ende April 2012 bis Dezember 2012 war er Angestellter einer Firma im Herkunftsstaat mit bescheinigten Einkünften von 31.200 RUR monatlich. Er ist ledig, hat keine Kinder und lebt auch nicht in einer familienähnlichen Beziehung. Sein Onkel und dessen Familie leben noch in Tschetschenien, ein weiterer Verwandter lebt in römisch 40 .
Es kann nicht festgestellt werden, dass im Dezember römisch 40 bei einem Beschuss durch russische Behörden die Eltern des Beschwerdeführers ums Leben gekommen sind und im Jahr 2004 weiters ein zu einer Haftstrafe verurteilter Bruder des BF getötet wurde. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass die Eltern des BF infolge individueller Verfolgung von den russischen Behörden getötet wurden und der BF deswegen oder wegen eines im Jahr 2004 in Haft verstorbenen Bruders von den russischen bzw. tschetschenischen Behörden aktuell verfolgt wird.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF bereits 2010 wegen seinem Kindheitsfreund namens römisch 40 verhaftet und misshandelt wurde und diesen sowie Widerstandskämpfer um die Brüder Gakayev Ende 2012 mit Lebensmitteln und weiteren Bedarfsgütern unterstützt hat und deshalb von den Behörden in der russischen Föderation verfolgt wird.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Fall einer Rückkehr Verfolgung seitens der Russischen Behörden im Zusammenhang mit einem noch nicht geleisteten Wehrdienst droht.
Der Beschwerdeführer ist bis auf eine "leichtgradige Anpassungsstörung mit längerdauernder depressiver Reaktion" gesund und arbeitsfähig. Er nimmt aktuell keine Medikamente.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen oder wegen des Bestehens einer sonstigen Gefährdungslage verlassen hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in eine GFK-relevante Verfolgungssituation oder sonstige Gefährdungslage geraten würde.
Der Beschwerdeführer hält sich seit Jänner 2013 in Österreich auf und verrichtet ehrenamtliche Tätigkeiten (Nachbarschaftshilfe) sowie kurzfristige bezahlte Tätigkeiten als Saisonarbeitskraft (Erntehelfer); im Übrigen bezieht er die staatliche Grundversorgung. Er hat während seines nun rund vierjährigen Aufenthaltes als Asylwerber schon belegte Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 erworben und besuchte neben einer Abendschule zumindest bis Februar 2016 auch einen Vorstudienlehrgang zum Erwerb von entsprechenden Sprachkenntnissen in Deutsch an der medizinischen Universität in römisch 40 und strebt ein Medizinstudium zum Berufswunsch Zahnarzt an. Er gründete im Bundesgebiet im September 2015 im Burgenland einen tschetschenischen Sportverein und gehörte diesem als Kassier an und ist auch als Blutspender registriert. Seit August 2016 lebt er in römisch 40 mit einem Landsmann in einer Wohnung. Er hat während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet zahlreiche Kontakte mit österreichischen Staatsbürgern geknüpft. Er verfügt für den Fall der Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung auch bereits über eine Einstellungszusage vom 21.02.2017 als Hilfsarbeiter mit einem Einkommen von monatlich 1.468,77 Euro brutto sowie über einen österreichischen Führerschein.
Er ist unbescholten.
Zur Situation im Herkunftsstaat:
1. Politische Lage
Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 22.3.2016, vergleiche GIZ 3.2016c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12.6.1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12.12.1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7.5.2012 Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er wurde am 4.3.2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Mit 238 von 450 Sitzen verfügt die Partei 'Einiges Russland' über eine absolute Mehrheit in der Staatsduma. Bei der Wahl am 4. Dezember 2011 wurde die Staatsduma erstmals für eine verlängerte Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Alle Abgeordneten wurden ausnahmslos über Parteilisten nach dem Verhältniswahlrecht mit einer Sieben-Prozent-Hürde gewählt. Neben 'Einiges Russland' sind aktuell die Kommunisten mit 92 Sitzen, die formal linksorientierte Partei 'Gerechtes Russland' mit 64 Sitzen und die 'Liberaldemokraten' des Rechtspopulisten Schirinowski mit 56 Sitzen in der Staatsduma vertreten. Wahlfälschungsvorwürfe bei diesen Duma-Wahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste im Dezember 2011 und Anfang 2012. Ab der nächsten Wahl soll die Hälfte der Abgeordneten mittels relativer Mehrheitswahl in Einpersonen-Wahlkreisen (also in Wahlkreisen, in denen jeweils ein Kandidat/eine Kandidatin gewählt wird) bestimmt werden. Es soll wieder die Fünf-Prozent-Hürde gelten. Die nächste Duma-Wahl soll am 18. September 2016 stattfinden (AA 3.2016a, vergleiche GIZ 4.2016a).
Russland ist eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum. In zahlreichen russischen Regionen fanden am 13. September 2015 Gouverneurs- und Kommunalwahlen statt. In der Praxis kam es dabei wie schon im Vorjahr zur Bevorzugung regierungsnaher und Behinderung oppositioneller Kandidaten (AA 3.2016a).
Angesichts einer zunehmenden internationalen Isolierung des Landes und wachsender wirtschaftlicher Probleme war die russische Regierung 2015 bemüht, die Bevölkerung auf Begriffe wie Einheit und Patriotismus einzuschwören, "traditionelle Werte" zu betonen und Angst vor angeblichen inneren und äußeren Feinden des Landes zu schüren. Meinungsumfragen zufolge traf Präsident Wladimir Putin mit seiner Art, das Land zu führen, unverändert auf breite Zustimmung. Regierungskritiker wurden in den Massenmedien als "unpatriotisch" und "anti-russisch" verunglimpft und gelegentlich auch tätlich angegriffen. Am 27.2.2015 wurde Boris Nemzow, einer der bekanntesten Oppositionspolitiker des Landes, in Sichtweite des Kremls erschossen. Trauernde Menschen, die am Tatort an ihn erinnern wollten, wurden von den Moskauer Behörden und Regierungsanhängern schikaniert. Die Regierung stritt die immer zahlreicheren Beweise für eine militärische Beteiligung Russlands in der Ukraine weiterhin ab. Im Mai 2015 erklärte Präsident Putin per Erlass alle Verluste der russischen Armee bei "Spezialeinsätzen" in Friedenszeiten zum Staatsgeheimnis. Bis November 2015 hatten sich amtlichen Schätzungen zufolge 2700 russische Staatsbürger, die zum Großteil aus dem Nordkaukasus stammten, in Syrien und im Irak der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Unabhängige Experten nannten höhere Zahlen. Am 30.9.2015 begann Russland mit Luftangriffen in Syrien, die nach offiziellen Angaben den IS treffen sollten, sich häufig aber auch gegen andere Gruppen richteten, die den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad ablehnten. Meldungen über zahlreiche zivile Opfer der Luftangriffe wurden von der russischen Regierung bestritten. Am 24.11.2015 schoss die Türkei ein russisches Kampfflugzeug ab, das in den türkischen Luftraum eingedrungen sein soll. Der Vorfall löste gegenseitige Schuldzuweisungen aus und führte zu einer diplomatischen Eiszeit zwischen den beiden Ländern (AI 24.2.2016).
[ ]
1.1. Tschetschenien
Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl – 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) – ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russ/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).
Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vergleiche RFE/RL 19.1.2015).
In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrov als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. Insbesondere die tschetschenischen Sicherheitskräfte, die offiziell zwar dem russischen Innenministerium unterstellt sind, de facto jedoch von Kadyrov kontrolliert werden, agieren ohne föderale Aufsicht. So blockieren tschetschenische Sicherheitskräfte seit Monaten die Untersuchungen der föderalen Behörden im Fall des im Februar 2015 ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzov, dessen Drahtzieher in Tschetschenien vermutet werden. Im April 2015 – nachdem Polizisten aus der benachbarten Region Stawropol eine Operation in Grozny durchgeführt hatten – forderte Kadyrov seine Sicherheitsorgane auf, auf Polizisten anderer Regionen zu schießen, sollten diese ohne Genehmigung in Tschetschenien operieren. Gegen Extremisten, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen. Auch die Familien von Terrorverdächtigen werden häufig Repressionen ausgesetzt. Im Gegensatz zu Dagestan und Inguschetien wurden keine "soft power"-Ansätze wie die Gründung von Kommissionen zur Rehabilitierung ehemaliger Extremisten verfolgt. Das tschetschenische Parlament hat Anfang 2015 der Staatsduma vorgeschlagen, ein föderales Gesetz anzunehmen, das eine strafrechtliche Verantwortung für Angehörige von Terroristen vorsieht, wenn sie diese in ihren Aktivitäten unterstützten. Dass die von Kadyrov herbeigeführte Stabilität trügerisch ist, belegte der Terrorangriff auf Grosny im Dezember 2014, bei dem fast ein Dutzend Personen ums Leben kam (ÖB Moskau 10.2015). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung (AA 5.1.2016).
Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zur russischen Präsidentschaft im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen (Welt 5.3.2012, vergleiche Ria Novosti 5.12.2012, ICG 6.9.2013).
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2. Sicherheitslage
Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 1.6.2016b).
Russland hat den IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind – wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).
Das »Kaukasus-Emirat«, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz‘, eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen‘ Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat – also Teufelsstaat – übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen. Aus dem Pankisi-Tal in Georgien, das mehrheitlich von einer tschetschenischen Volksgruppe bewohnt wird, stammen einige Teilnehmer an den Kämpfen in Syrien – so Umar al-Shishani (eigentl. Tarkhan Batiraschwili), der dort prominenteste Milizen-Führer aus dem Kaukasus (SWP 10.2015).
Seit Ende 2014 mehren sich Meldungen über Risse im bewaffneten Untergrund und Streitigkeiten in der damaligen Führung des Emirats, die vor allem mit der Beteiligung nordkaukasischer Kämpfer am Jihad des IS in Syrien zu tun haben. Eine wachsende Zahl von Feldkommandeuren (Emiren) aus Dagestan, Tschetschenien und anderen Teilen des Nordkaukasus haben IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi den Treueid geschworen (SWP 4.2015). Nach Dokku Umarows Tod 2013 wurde Aliaschab Kebekow [aka Ali Abu Muhammad] zum Anführer des Kaukasus Emirates. Dieser ist im Nordkaukasus bei einem Einsatz russischer Spezialkräfte im Frühling 2015 getötet worden (Zeit Online 20.4.2015). Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) wurde zum Nachfolger (Open Democracy 29.6.2015). Im August 2015 erlitt der Rest des noch bestehenden Kaukasus Emirat einen erneuten harten Rückschlag. Drei der Top-Kommandanten wurden im Untsukul Distrikt in Dagestan von Regierungskräften getötet, darunter der neue Anführer des Emirates Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) (Jamestown 14.8.2015).
Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens‘, bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).
Der russische Generalstaatsanwalt erklärte im November 2015, dass 650 Strafverfahren aufgrund der Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet wurden. Laut Chef des FSB (Inlandsgeheimdienst) sind davon 1.000 Personen betroffen. Zusätzlich wurden 770 Aufständische und ihre Komplizen inhaftiert und 156 Kämpfer wurden im Nordkaukasus 2015 getötet, einschließlich 20 von 26 Anführern, die dem IS die Treue geschworen hatten. Mehr als 150 Rückkehrer aus Syrien und dem Irak wurden zu Haftstrafen verurteilt. 270 Fälle wurden eröffnet, um vermeintliche Terrorfinanzierung zu untersuchen; 40 Rekrutierer sollen allein in Dagestan verhaftet und verurteilt worden sein. Vermeintliche Rekrutierer wurden verhaftet, da sie Berichten zufolge junge Personen aus angesehenen Familien in Tschetschenien, aber auch aus Moskau, St. Petersburg, Jekaterinburg, der Stavropol Region und der Krasnodar Region für den IS gewinnen wollten (ICG 14.3.2016).
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2.1. Nordkaukasus allgemein
Die patriotische Begeisterung, mit der in Russland die Annexion der Krim einherging, rückte die Sicherheitslage im Nordkaukasus in ein trügerisch positives Licht. Dieser Landesteil ragt in der nachsowjetischen Periode aus dem regionalen Gefüge der Russischen Föderation wie kein anderer hervor, bedingt durch die zwei Kriege in Tschetschenien, anhaltende Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und einem bewaffneten islamistischen Untergrund in weiteren Teilen der Region sowie mannigfache sozial-ökonomische Probleme. Bis vor kurzem rangierte der Nordkaukasus in der Gewaltbilanz des gesamten post-sowjetischen Raumes an oberster Stelle, fielen den bewaffneten Auseinandersetzungen doch jährlich mehrere Hundert Menschen zum Opfer – Zivilisten, Sicherheitskräfte und Untergrundkämpfer. 2014 wurde der Nordkaukasus in dieser Hinsicht von der Ostukraine überholt. Zugleich stufen auswärtige Analysen die Sicherheitslage im Nordkaukasus aber weiterhin mit ‚permanent low level insurgency‘ ein. Im Unterschied zum Südkaukasus mit seinen drei unabhängigen Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) haben externe Akteure und internationale Organisationen kaum Zugang zum Nordkaukasus, dessen Entwicklung als innere Angelegenheit Russlands gilt (SWP 4.2015).
2015 wurden aus dem Nordkaukasus weniger Angriffe bewaffneter Gruppen gemeldet als in den Vorjahren. Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen (AI 24.2.2016).
Während sich die Situation im westlichen Nordkaukasus in den letzten Jahren stabilisiert hat, gibt es immer wieder Meldungen über gewaltsame Vorfälle mit Toten und Verletzten in der Region. Besonders betroffen ist weiterhin die Republik Dagestan. Aber auch in Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Inguschetien kommt es regelmäßig zu gewaltsamen Zwischenfällen, so dass von einer Normalisierung nicht gesprochen werden kann. Anschlagsziele der Aufständischen sind vor allem Vertreter der Sicherheitskräfte und anderer staatlicher Einrichtungen sowie den Extremisten nicht genehme muslimische Geistliche. Auf Gewalt durch islamistische Aufständische oder im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans reagieren die regionalen und föderalen Behörden weiterhin mit Repression. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich dadurch weiter, wobei manche Repressalien - etwa gegen Angehörige angeblicher Islamisten, wie z.B. die Zerstörung ihrer Wohnhäuser - zu einer Radikalisierung der Bevölkerung beitragen und damit die Sicherheitslage weiter eskalieren lassen könnten.
Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass im Nordkaukasus Recht und Gesetz auf beiden Seiten missachtet werden und für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte ein Klima der Straflosigkeit herrsche (AA 5.1.2016).
Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt. Insbesondere in Dagestan, wo es immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften kommt, ist die Lage weiterhin kritisch. In Tschetschenien hat Ramzan Kadyrov die Rebellen mit Gewalt und Amnestieangeboten dezimiert bzw. zum Ausweichen auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan gezwungen. Anschläge auf den Expresszug nach St. Petersburg im November 2009, die Moskauer Metro im April 2010, den Moskauer Flughafen Domodedovo im Jänner 2011 (mit zwei österr. Staatsbürgern unter den Opfern) sowie im Oktober und Dezember 2013 in Wolgograd zeigten, dass die Gefahr des Terrorismus auch Zentralrussland betrifft (ÖB Moskau 10.2015).
Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar, sowie die Extremisten im Nordkaukasus, die ihre Loyalität gegenüber dem IS bekundet haben. Der Generalsekretär des russischen Nationalen Sicherheitsrats Nikolai Patrushev sprach von rund 1.000 russischen Staatsangehörigen, die an der Seite des IS kämpfen würden, der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB Alexander Bortnikov hingegen sprach von mehreren Tausend Kämpfern). Laut einem rezenten Bericht der regierungskritischen Zeitschrift "Novaya Gazeta" nehmen die russischen Sicherheitsdienste diese Abwanderung nicht nur stillschweigend zur Kenntnis, sondern unterstützen sie teilweise auch aktiv, in der Hoffnung, die Chance auf eine Rückkehr der Extremisten aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak zu reduzieren. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresbeginn 2015 liefen rund 60 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf Artikel 58, StGB (Teilnahme an einer terroristischen Handlung), Artikel 205 Punkt 3, StGB (Absolvierung einer Terror-Ausbildung) und Artikel 208, StGB (Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme in ihr). Im nordkaukasischen Kreismilitärgericht wurde Ende August 2015 ein 26-jähriger Mann aus Dagestan wegen Absolvierung einer Terror-Ausbildung, Teilnahme an einer illegalen bewaffneten Gruppierung und illegalen Waffenbesitzes zu 14 Jahren Straflager verurteilt. Der Nordkaukasus ist und bleibt trotz anhaltender politischer wie wirtschaftlicher Stabilisierungsversuche ein potentieller Unruheherd innerhalb der Russischen Föderation. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Extremisten, teils ohne Rücksicht auf Verluste innerhalb der Zivilbevölkerung, trägt zur Bildung neuer Konflikte und Radikalisierung der Bevölkerung bei. Das Risiko einer Destabilisierung steigt darüber hinaus aufgrund der allfälligen Rückkehr von Kämpfern aus Syrien und dem Irak bzw. aufgrund des steigenden Einflusses des IS im Nordkaukasus selbst (ÖB Moskau 10.2015).
Im Jahr 2015 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 258 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 525 Opfer). 209 davon wurden getötet (2014: 341), 49 verwundet (2014: 184) (Caucasian Knot 8.2.2016). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).
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1.1. Tschetschenien
Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat – etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, vor allem jedoch an der derzeit prominentesten und brutalsten Jihad-Front in Syrien und im Irak (SWP 4.2015).
2015 gab es in Tschetschenien 30 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 117), davon 14 Tote und 16 Verwundete (Caucasian Knot 8.2.2016).
Im Dezember 2014 ist Tschetschenien von den schwersten Gefechten zwischen islamistischen Kämpfern und Sicherheitskräften seit Jahren erschüttert. Dabei wurden am Donnerstag, den 4.12.2014, in der Hauptstadt Grosny mindestens 10 Angreifer und 10 Beamte getötet sowie 20 weitere Personen verletzt (NZZ 4.12.2014).
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3. Rechtsschutz/Justizwesen
Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten (rund 1 %) zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen. 2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte. Im Juli stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass wenn der EGMR von einer Konventionsauslegung ausgeht, die der Verfassung der Russischen Föderation widerspricht, Russland in dieser Situation aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Seit Ausbruch der Ukraine-Krise und der daraus resultierenden Konfrontation mit dem Westen laufen in Russland mehrere politisch motivierte Prozesse gegen ausländische Staatsangehörige (z.B. die ukrainische Pilotin Nadja Savchenko), die in einigen Fällen (z.B. ukrainischer Regisseur Oleg Sentsov oder estnischer Sicherheitsbeamter Eston Kohver) bereits zu Verurteilungen geführt haben und an der Unabhängigkeit der russischen Justiz von der Politik zweifeln lassen. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Anklagen wegen Hochverrats gegen russische Staatsangehörige zu beobachten. Diese Prozesse finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und nur wenige Informationen geraten in die Medien (ÖB Moskau 10.2015, vergleiche AA 5.1.2016).
Mehrere aufsehenerregende Prozesse machten 2015 die gravierenden und weit verbreiteten Mängel der russischen Strafjustiz deutlich. Dazu zählten Verstöße gegen den Grundsatz der "Waffengleichheit" und der Einsatz von Folter und anderen Misshandlungen in der Ermittlungsphase. Außerdem wurden unter Folter erpresste "Geständnisse", Aussagen geheimer Zeugen und andere geheime Beweise, die die Verteidigung nicht anfechten konnte, vor Gericht zugelassen und Angeklagten das Recht auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert. Weniger als 0,5% der Verfahren endeten mit einem Freispruch (AI 24.2.2016).
Im November 2013 ist in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit denen man die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreichen wolle und die darauf abzielen würden, die "harte Form" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet (CACI 11.12.2013, vergleiche US DOS 13.4.2016).
Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis unterscheidet nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Die Strafen in der Russischen Föderation sind generell erheblich höher als für vergleichbare Delikte in Deutschland, besonders im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Im März 2011 wurde aber bei 68 eher geringfügigen Delikten Freiheitsentzug als höchste Strafandrohung durch Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeiten ersetzt. Auch wurde das Strafprozessrecht seit April 2010 dahingehend geändert, dass Angeklagte für Wirtschaftsdelikte bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr in Untersuchungshaft genommen werden sollen. In der Praxis werden die neuen Regeln jedoch bisher nur begrenzt angewendet. Bemerkenswert ist die unverändert extrem hohe Verurteilungsquote im Strafprozess. Für zu lebenslange Haft Verurteilte bzw. bei entsprechend umgewandelter Todesstrafe besteht bei guter Führung die Möglichkeit einer Freilassung frühestens nach 25 Jahren. Auch eine Begnadigung durch den Präsidenten ist möglich. Immer wieder legen einzelne Strafprozesse in Russland den Schluss nahe, dass politische Gründe hinter der Verfolgung stehen. Trotz der Entlassung von Michail Chodorkowski und den Mitgliedern der Punk-Aktionsgruppe Pussy Riot aus der Haft – bezeichnenderweise nicht durch die Justiz selbst, sondern durch Amnestie bzw. Begnadigung – bleiben deren Haftstrafen Beispiele für politisch motivierte Urteile. Auch unabhängig von politisch oder ökonomisch motivierten Strafprozessen begünstigt ein Wetteifern zwischen Strafverfolgungsbehörden um hohe Verurteilungsquoten die Anwendung illegaler Methoden zum Erhalt von "Geständnissen". Auffällig bleibt die geringe Zahl aufgeklärter Straftaten gegen Journalisten oder Kritiker bzw. der sehr schleppende Verlauf von Ermittlungen in solchen Fällen. Auch die Morde an Oppositionspolitiker Boris Nemzow (27.02.2015) und Journalistin Politkowskaja können als Beispiel dafür dienen, dass sich Ausführende gegebenenfalls vor Gericht verantworten müssen, die eigentlichen Drahtzieher der Verbrechen häufig jedoch nicht ermittelt werden. Insgesamt sind die Unabhängigkeit von Ermittlungen und Rechtsprechung sowie die Gewaltenteilung in Russland nicht gewährleistet. Weiterhin mangelhaft ist der Vollzug von Gerichtsurteilen. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden in Russland in der Sache häufig nicht vollständig umgesetzt, sondern nur in Bezug auf verhängte Entschädigungszahlungen (AA 5.1.2016).
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3.1. Tschetschenien
Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation einschließlich Tschetscheniens. Neben dem russischen föderalen Recht spielen sowohl Adat als auch Scharia eine wichtige Rolle in Tschetschenien. Präsident Ramsan Kadyrow unterstreicht die Bedeutung, die der Einhaltung des russischen Rechts zukommt, verweist zugleich aber auch auf den Stellenwert des Islam und der tschetschenischen Tradition. Das Adat ist eine Art Gewohnheitsrecht, das soziale Normen und Regeln festschreibt. Dem Adat-Recht kommt in Zusammenhang mit der tschetschenischen Lebensweise eine maßgebliche Rolle zu. Allgemein gilt, dass das Adat für alle Tschetschenen gilt, unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit. Das Adat deckt nahezu alle gesellschaftlichen Verhältnisse in Tschetschenien ab und regelt die Beziehungen zwischen den Menschen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese Alltagsregeln von einer Generation an die nächste weitergegeben. Adat ist in Tschetschenien in Ermangelung einer Zentralregierung bzw. einer funktionierenden Gesetzgebung erstarkt. Die Religion fasste in Tschetschenien aus den verschiedensten Gründen nicht Fuß. Daher dient das Adat als Rahmen für die gesellschaftlichen Beziehungen. In der tschetschenischen Gesellschaft ist jedoch auch die Scharia von Bedeutung. Die meisten Tschetschenen sind sunnitische Muslime und gehören der sufistischen Glaubensrichtung des sunnitischen Islams an [für Informationen bezüglich Sufismus vergleiche, ÖIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam]. Der Sufismus enthält u. a. auch Elemente der Mystik. Eine sehr kleine Minderheit der Tschetschenen sind Salafisten. Formal gesehen hat das russische föderale Recht Vorrang vor Adat und Scharia, doch sind sowohl das Adat als auch die Scharia in Tschetschenien genauso wichtig wie die russischen Rechtsvorschriften. Iwona Kaliszewska, Assistenzprofessorin am Institut für Ethnologie und Anthropologie der Universität Warschau, führt an, dass sich die Republik Tschetschenien in Wirklichkeit außerhalb der Gerichtsbarkeit des russischen Rechtssystems bewegt, auch wenn sie theoretisch darunter fällt. Dies legt den Schluss nahe, dass sowohl Scharia als auch Adat zur Anwendung kommen und es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Frage gibt, welches der beiden Rechte einen stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft ausübt (EASO 9.2014a). Scharia-Gerichtsbarkeit bildet am Südrand der Russischen Föderation eine Art ‚alternativer Justiz‘. Sie steht zwar in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands, wird aber, mit Einverständnis der involvierten Parteien, für Rechtsprechung auf lokaler Ebene eingesetzt (SWP 4.2015).
Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen ist weiterhin verbreitet, trotz der rund 200 diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR. Diese Verletzungen beziehen sich auf ungerechtfertigte Gewaltanwendung, rechtswidrige Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Folter und Misshandlungen, die Unterlassung effektiver Untersuchungen dieser Verbrechen und das Fehlen eines effektiven Rechtmittels, Versagen in der Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof und unrechtmäßige Durchsuchungen, Festnahmen und Zerstörung von Eigentum (CoE 12.11.2013). Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist in Tschetschenien völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen (AA 5.1.2016).
Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus, insbesondere Tschetschenen, die aufgrund von z.T. unter Folter erlangten Geständnissen oder gefälschten Beweisen zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien (AA 5.1.2016).
Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen – sei es mit Lebensmitteln, Kleidung oder Unterschlupf für Rebellen oder sei es durch Waffen – in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können, ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug (BAA/Staatendokumentation 20.4.2011).
In Bezug auf Vorladungen von der Polizei in Tschetschenien ist zu sagen, dass solche nicht an Personen verschickt werden, die man verdächtigt, Kontakt mit dem islamistischen Widerstand zu haben. Solche Verdächtige würden ohne Vorwarnung von der Polizei mitgenommen, ansonsten wären sie gewarnt und hätten Zeit zu verschwinden (DIS 1.2015).
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4. Sicherheitsbehörden
Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und der Terrorismusbekämpfung betraut, aber auch mit Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt. Nach dem Gesetz können Personen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Zustimmung inhaftiert werden, wenn sie am Schauplatz eines Verbrechens verhaftet werden, vorausgesetzt es gibt Beweise oder Zeugen. Ansonsten ist ein Haftbefehl notwendig. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme dokumentieren. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden einvernommen werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus. Die Regierung verabsäumte es angemessene Schritte zu setzen, um die meisten Behördenvertreter, welche Missbräuche begingen, zu verfolgen oder zu bestrafen, wodurch ein Klima der Straffreiheit entstand. Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungstruppen, Aufständischen, islamischen Militanten und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führt, einschließlich Morde, Folter, körperliche Misshandlung und politisch motivierte Entführungen. Die Regierung untersucht und verfolgt Missbräuche nicht adäquat, besonders wenn regionale Behörden involviert waren. Tschetschenische Sicherheitsbehörden unter direkter Kontrolle von Ramzan Kadyrow können mit Straffreiheit rechnen, sogar bei Drohungen gegen russische Sicherheitsbehörden, die versuchen in Tschetschenien tätig zu werden (US DOS 13.4.2016).
Russland wird die bisherigen Truppen des Innenministeriums in eine Nationalgarde umwandeln. Neben den 170.000 Soldaten der Innentruppen sollen auch 40.000 Mann der Sonderpolizeitruppe Omon und andere Spezialkräfte in die Nationalgarde eingegliedert werden. Die Garde solle im Kampf gegen Terror, Drogen und organisiertes Verbrechen eingesetzt werden. Putin stärkte das Innenministerium auch, indem er ihm die bisher eigenständigen Behörden für Drogenbekämpfung und Migration wieder unterstellte. Damit sollten doppelte Zuständigkeiten vermieden werden, sagte ein Vertreter des Sicherheitsapparates der Agentur Interfax. Der Föderale Migrationsdienst ist unter anderem für Passangelegenheiten, Flüchtlinge und Arbeitsmigration zuständig (Standard 6.4.2016). Leiter der künftigen Elitetruppe im Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität wird sein Ex-Leibwächter Wiktor Solotow sein – der Mann also, der Putin jahrelang am nächsten stand. Interessant ist, dass Solotow zugleich als das Bindeglied im Kreml zu Tschetschenenoberhaupt Ramsan Kadyrow gilt (Standard 7.4.2016).
Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens Opfer von Misshandlungen durch die Polizei und Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Die im Februar 2011 in Kraft getretene Polizeireform hat bislang nicht zu spürbaren Verbesserungen in diesem Bereich geführt (AA 5.1.2016).
Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (BAMF 10.2013). Von russischer Seite werden die meisten Operationen im Nordkaukasus gegen Terroristen heute nicht mehr vom Militär, sondern von Einheiten des Innenministeriums und des Geheimdienstes durchgeführt. Diese sind zwar nicht weniger schwer bewaffnet, nur soll so der Eindruck eines Krieges vermieden werden (Zenithonline 10.2.2014). Der Großteil der Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus wird Sicherheitskräften zugeschrieben. In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden bezeichnender Weise oft Kadyrowzy genannt, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen dürften (Rüdisser 11.2012).
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5. Folter und unmenschliche Behandlung
Im Einklang mit der EMRK sind Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafen in Russland gesetzlich verboten. Dennoch werden immer wieder Vorwürfe über polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen laut. Verlässliche öffentliche Statistiken über das Ausmaß der Übergriffe durch Polizeibeamten gibt es nicht. Innerhalb des Innenministeriums gibt es eine Generalverwaltung der internen Sicherheit, die eine interne und externe Hotline für Beschwerden bzw. Vorwürfe gegen Polizeibeamte betreibt. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen in Strafverfahren häufig nur auf Geständnisse der Beschuldigten basieren, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren oder in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Polizei- und Justizvollzugbeamte werden laut russischen NGO-Vertretern oft nicht untersucht (ÖB Moskau 10.2015).
Der Folter verdächtigte Polizisten werden meist nur aufgrund von Machtmissbrauch oder einfacher Körperverletzung angeklagt. Physische Misshandlung von Verdächtigen durch Polizisten geschieht für gewöhnlich in den ersten Stunden oder Tagen nach der Inhaftierung. Im Nordkaukasus wird von Folterungen sowohl durch lokale Sicherheitsorganisationen als auch durch Föderale Sicherheitsdienste berichtet. Das Gesetz verlangt von Verwandten von Terroristen, dass sie die Kosten, die durch einen Angriff entstehen übernehmen. Menschenrechtsverteidiger kritisieren dies als Kollektivbestrafung (USDOS 13.4.2016).
Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen (AI 24.2.2016).
Medien und NGOs berichten über Exekutivkräfte und Gefängnispersonal, die in Folter verwickelt sind. Missbrauch und exzessive Gewaltanwendung sind verbreitet und lassen darauf schließen, dass dies vor allem im Strafsystem regelmäßig vorkommt. Schlechte Ausbildung und eine Kultur der Straffreiheit tragen zu dieser Situation bei. Die russische NGO Committee Against Torture zeigt Folter durch Exekutivkräfte im Nordkaukasus auf und arbeitet daran, dass diese für ihre Vergehen bestraft werden (UK FCO 12.3.2015).
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6. Korruption
Korruption ist sowohl im öffentlichen Leben als auch in der Geschäftswelt weit verbreitet. Aufgrund der zunehmend mangelhaften Übernahme von Verantwortung in der Regierung können Bürokraten mit Straffreiheit rechnen. In einigen Fällen scheint der Kreml Signale an die Beamten auszusenden, dass die Korruption aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Probleme eingeschränkt werden muss (FH 27.1.2016). Das Gesetz sieht Strafen für behördliche Korruption vor, diese bleibt dennoch ein weitreichendes Problem. Die Regierung bestätigte, dass das Gesetz nicht effektiv umgesetzt wird, und viele Beamte sind in korrupte Praktiken involviert. Korruption ist sowohl in der Exekutive, als auch in der Legislative und Judikative und auf allen hierarchischen Ebenen weit verbreitet. Zu den Formen der Korruption zählen die Bestechung von Beamten, missbräuchliche Verwendung von Finanzmitteln, Diebstahl von öffentlichem Eigentum, Schmiergeldzahlungen im Beschaffungswesen, Erpressung, und die missbräuchliche Verwendung der offiziellen Position, um an persönliche Begünstigungen zu kommen. Obwohl es strafrechtliche Verfolgungen von Bestechung gibt, ist der Vollzug im Allgemeinen weiterhin mangelhaft. Behördliche Korruption ist zudem auch in anderen Bereichen weiterhin verbreitet: im Bildungswesen, beim Militärdienst, im Gesundheitswesen, im Handel, beim Wohnungswesen, bei Pensionen und Sozialhilfe, im Gesetzesvollzug und im Justizwesen. Hochrangige Beamte wurden 2015 wegen Korruption angeklagt, darunter zwei Gouverneure von Sachalin und Komi. Medien spekulierten, dass dies eine neue Anti-Korruptionskampagne sein könnte, jedoch Korruptionsvorwürfe auch häufig wegen politischen Gründen vorgebracht werden und es nicht unbedingt darum geht, die Korruption vollständig zu beseitigen (USDOS 13.4.2016).
Eines der zentralen Themen der Modernisierungsagenda ist die Bekämpfung der Korruption und des Rechtsnihilismus. Im Zeichen des Rechtsstaats durchgeführte Reformen, wie die Einsetzung eines Richterrats, um die Selbstverwaltung der Richter zu fördern, die Verabschiedung neuer Prozessordnungen und die deutliche Erhöhung der Gehälter hatten jedoch wenig Wirkung auf die Abhängigkeit der Justiz von Weisungen der Exekutive und die dort herrschende Korruption. Im Februar 2012 erfolgte der Beitritt Russlands zur OECD-Konvention zur Korruptionsbekämpfung (GIZ 4.2016a). Seit seinem Amtsantritt verspricht Wladimir Putin immer wieder aufs Neue konsequente Korruptionsbekämpfung, Jahr für Jahr werden neue Bekämpfungskonzepte vorgelegt, während sich die Eliten ungestört und vor aller Augen bereichern – Korruption gehört eben zum Leben dazu. Ein Drittel der Russen hält sie laut einer Umfrage des Lewada-Instituts generell für unausrottbar (Zeit Online 18.1.2016).
Korruption ist auch im Nordkaukasus ein alltägliches Problem (IAR 31.3.2014, AI 9.2013). Die auf Clans basierte Korruption hält die regionalen Regierungen zusammen und die Zuschüsse haben den Zweck, die Loyalität der lokalen Elite zu erkaufen. Putins System der zentralisierten Kontrolle bevorzugt Loyalität und lässt Bestechung und Gesetzlosigkeit gedeihen (IAR 31.3.2014).
Die Korruption ist in Tschetschenien sogar noch größer als in Russland. Vor allem geht in Tschetschenien die Korruption auch in einer ganz offenen Weise von statten. Während man in Russland noch versucht, dies zu verheimlichen, macht man es in Tschetschenien ganz offen (Gannuschkina 3.12.2014). In Tschetschenien hat die Korruption enorme Ausmaße angenommen (DIS 1.2015). Große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Es gibt glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrovs Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Charity-Projekte, Kritiker werfen ihm jedoch vor, als Vehikel zur persönlichen Bereicherung Kadyrovs und der ihm nahestehenden Gruppen zu dienen. Selbst die nicht als regierungskritisch geltende Tageszeitung "Kommersant" bezeichnete den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 10.2015)
Der Lebensstandard in der Republik Dagestan ist einer der niedrigsten in der gesamten Russischen Föderation und das Ausmaß der Korruption sogar für die Region Nord-Kaukasus beispiellos (IOM 6.2014).
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7. Wehrdienst
Alle männlichen russischen Staatsangehörigen zwischen 18 und 27 Jahre werden zum Pflichtdienst in der russischen Armee einberufen. Die Pflichtdienstzeit beträgt ein Jahr. Es gibt auch die Möglichkeit, freiwillig auf Basis eines Vertrags in der Armee zu dienen (dies steht auch weiblichen Staatsangehörigen offen). Staatsangehörige, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Wehrdienst geeignet sind, werden von der Dienstpflicht befreit. Darüber hinaus kann ein Antrag auf Aufschub des Wehrdienstes gestellt werden, etwa durch Personen, die ein Studium absolvieren, oder Väter, die mindestens zwei Kinder haben bzw. Personen, die einen nahen Verwandten pflegen müssen. Anstelle des Wehrdienstes kann ein alternativer Zivildienst abgeleistet werden, falls der Wehrdienst gegen die Überzeugung bzw. Glaubensvorschriften einer Person ist oder falls diese Person zu einem indigenen Volk gehört, dessen traditioneller Lebensweise der Wehrdienst widerspricht. Die Zivildienstzeit beträgt 18 Monate in den russischen Streitkräften bzw. 21 Monate in anderen staatlichen Einrichtungen. In der Regel soll der Zivildienst außerhalb der Region absolviert werden, in der der Staatsangehörige lebt. Nach Angaben des Föderalen Dienstes für Arbeit und Beschäftigung (Rostrud) haben 2014 397 Staatsangehörige einen Antrag auf den alternativen Zivildienst gestellt (2013: 314), wovon 388 Anträge genehmigt wurden (2013: 302). Im Vergleich dazu wurden 2014 insgesamt rund 154.000 Personen einberufen. Für Aufsehen erregte im Mai 2015 ein russischer Wehrpflichtiger, dem die Behörden sein Recht auf Zivildienst verweigert hatten. Der Betroffene hatte angegeben, aufgrund des russischen Vorgehens in der Ostukraine nicht in der russischen Armee dienen zu wollen, doch die zuständige Militärkommission hatte keine ausreichend pazifistischen Überzeugungen festgestellt, die die Ableistung eines Zivildiensts rechtfertigen würden. Der Fall "Kholkin vs. Russland" soll laut Informationen der NGO "Komitee der Soldatenmütter Sankt Petersburg" nun vor den EGMR gebracht werden (ÖB Moskau 10.2015).
Wehrpflichtige erhalten zurzeit ca. 40 Euro Monatssold plus Standort- und Gefahrenzulagen. Die im Jahr 2013 eingeleiteten Maßnahmen zur "Humanisierung" und Attraktivitätssteigerung des Wehrdienstes wurden im Berichtszeitraum weiter umgesetzt. Diese Maßnahmen umfassen u. a. die Möglichkeit der heimatnahen Einberufung für Verheiratete, Wehrpflichtige mit Kindern oder Eltern im Rentenalter. Verbesserungen bei der Verpflegung, längere Ruhezeiten sowie die Erlaubnis zur Benutzung privater Mobiltelefone wurden ebenfalls eingeführt. Im Berichtszeitraum gab es keine offiziellen Verlautbarungen zu Menschenrechtsverletzungen in den Streitkräften der Russischen Föderation. Die NGOs "Komitee der Soldatenmütter" und "Armee.Bürger.Recht" berichten jedoch von Soldaten, die sich aus ganz Russland mit der Bitte um Unterstützung beim Schutz ihrer Rechte an die NGOs wenden. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften weiterhin problematisch ist. Es ist zu vermuten, dass es nach wie vor zu Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige ("Dedowschtschina") kommt, jedoch nicht mehr in dem Ausmaß der Vergangenheit. Die Bildung einer Militärpolizeibehörde, die vor allem die "Dedowschtschina", aber auch Diebstahlsdelikte in den Streitkräften bekämpfen sollte, ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Eine Gesamtzahl von Todesfällen in den russischen Streitkräften wird nicht veröffentlicht. Mit einem Dekret des Präsidenten vom Mai 2015 wird die Zahl der in Friedenszeiten getöteten Angehörigen des Verteidigungsministeriums zum Staatsgeheimnis. Bei Verstößen drohen bis zu sieben Jahre Haft (AA 5.1.2016). Bis Dezember 2015 wurde niemand deswegen vor Gericht gestellt (US DOS 13.4.2016). Für Strafverfahren gegen Militärangehörige sind Militärgerichte zuständig, die seit 1999 formal in die zivile Gerichtsbarkeit eingegliedert sind. Freiheitsstrafen wegen Militärvergehen sind ebenso wie Freiheitsstrafen aufgrund anderer Delikte in Haftanstalten oder Arbeitskolonien zu verbüßen. Militärangehörige können jedoch auch zur Verbüßung von Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren in Strafbataillone, die in der Regel zu Schwerstarbeit eingesetzt werden, abkommandiert werden (AA 5.1.2016).
Es gibt in Russland verschiedene Möglichkeiten, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Ein Großteil der Wehrpflichtigen macht von den Regelungen zur Aufschiebung des Wehrdienstes Gebrauch, die in der Praxis oftmals zu einer Annullierung der Wehrpflicht führen. Wehrpflichtige machen häufig von illegalen Praktiken (meist in Form von Zahlung von Bestechungsgeldern an Ärzte) Gebrauch, um sich von der Wehrpflicht zu befreien. Es kommt auch vor, dass sich Wehrpflichtige auf ihr Hochschulstudium berufen, um eine Aufschiebung des Wehrdienstes zu erlangen. Es ist auch möglich, mittels Zahlung von Bestechungsgeldern an gefälschte Dokumente zu kommen, aus denen hervorgeht, dass der Wehrpflichtige die Voraussetzungen für einen Aufschub oder eine Befreiung vom Wehrdienst erfüllt. Laut Verfassung der Russischen Föderation hat jeder Bürger, bei dem Gewissensgründe gegen eine Ableistung des Wehrdienstes vorliegen würden, das Recht auf einen Ersatzdienst von 21 Monaten. Jeder, der für einen Zivildienst in Betracht gezogen werden wolle, müsse dies mindestens sechs Monate vor Dienstantrittsdatum der zuständigen örtlichen Einberufungskommission mitteilen. Diese trifft die Entscheidung darüber, ob dem Antrag auf einen Zivildienst stattgegeben wird. Ein solcher Antrag könne abgewiesen werden, wenn die Kommission zum Schluss kommt, dass keine angemessenen Gewissensgründe vorliegen würden. Weitere Gründe für eine Ablehnung eines Antrags sind die Nichtbeachtung der Frist für die Einreichung des Antrags auf einen Zivildienst, das Vorlegen falscher bzw. gefälschter Dokumente beim Antrag oder das zweimalige Ignorieren einer Aufforderung, bei der Einberufungskommission vorstellig zu werden. Gegen die Abweisung eines Antrags kann gerichtlich Berufung eingelegt werden. Weniger als ein Tausendstel aller Wehrpflichtigen würden von der Möglichkeit Gebrauch machen, um einen Zivildienst anzusuchen (BZ 7.2014).
Auch in der russischen Armee gibt es regelmäßig Vorwürfe wegen der Misshandlung oder Folter von Rekruten. Das Verteidigungsministerium kooperiert mit dem Menschenrechts-Ombudsmann und mit relevanten NGOs, um dies zu verbessern. In den vergangenen Jahren konnten gewisse Fortschritte erzielt werden. So sank laut einem Bericht der Generalstaatsanwaltschaft im Jahr 2014 die Anzahl der gemeldeten Übergriffe von Armeeangehörigen gegenüber Untergebenen um 15%. NGOs wie das "Komitee der Soldatenmütter" betonen, dass trotz gewisser Fortschritte mehr Anstrengungen, insbesondere bei der Verurteilung von Schuldigen sowie bei der Prävention, notwendig seien (ÖB Moskau 10.2015).
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7.1. Wehrdienstverweigerung
Das russische Strafgesetzbuch von 1996 (mit Novellierungen bis Juli 2014) regelt in Artikel 328, Absatz eins,, dass Wehrdienstverweigerung, sofern keine gesetzlichen Gründe für eine Befreiung vom Wehrdienst vorliegen, entweder mit einer Geldstrafe von bis zu 200.000 Rubel bzw. in Höhe des bis zu 18-fachen Monatsgehalts bzw. eines anderen Einkommens des Verurteilten oder mit drei- bis sechsmonatigem Arrest oder mit bis zu zweijährigem Freiheitsentzug bestraft werde. Weiters werden in Artikel 328, Absatz 2, die Strafen für Verweigerung des Zivildienstes genannt (Strafgesetzbuch, 13.6.1996, inklusive Novellen bis 21.7.2014, vergleiche ÖB Moskau 10.2015). Für die Weigerung, den alternativen Zivildienst zu absolvieren, ist eine Geldstrafe von bis zu 80.000 Rubel oder in der Höhe von 6 Monatslöhnen vorgesehen bzw. bis zu 6 Monate Haft (ÖB Moskau 10.2015).
In der Praxis werde nur eine kleine Anzahl an Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, bestraft. Außerdem würden derzeit die Strafen für Wehrdienstverweigerung in der Praxis "sehr gering" ausfallen, auch wenn laut Gesetz eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden könne. In der Praxis komme es nur bei einer "kleinen Anzahl" von Fällen zu Strafverfahren gegen Wehrdienstverweigerer (BZ 7.2014).
Im Jahr 2012 hätten landesweit mehr als 244.000 Männer die Einziehung in den Wehrdienst umgangen. Etwa 8.794 Russen hätten ihren Einberufungsbescheid erhalten, seien jedoch nicht ihrer Pflicht nachgekommen, bei der Rekrutierungsstelle zu erscheinen, was eine Straftat darstellt, die mit bis zu zwei Jahren bestraft werde. Rund 235.800 weitere Männer hätten sich dem Wehrdienst entzogen, indem sie verhindert hätten, über ihre Einberufung benachrichtigt zu werden. Dies stellt in Russland ein Verwaltungsdelikt dar (Ria Novosti 13.3.2013).
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1.1. Wehrdienst im Nordkaukasus
Keine Region der Russischen Föderation hat eine größere Anzahl an jungen Männern, die den Wehrdienst ableisten könnten, als der Nordkaukasus. Grund dafür sind das schnelle demographische Wachstum und die Tatsache, dass in den letzten zwanzig Jahren so gut wie keine Grundwehrdiener aus dem Nordkaukasus eingezogen wurden. Grund hierfür war, dass man während der Tschetschenienkriege keine Kämpfer ausbilden wollte, die das Erlernte gegen die eigenen Truppen einsetzen. Der Ausschluss von nordkaukasischen Wehrpflichtigen war kontraproduktiv: Erstens, die Ausschluss Richtlinie legte nahe, dass Moskau den Nordkaukasus als nicht gleichwertig, wie alle anderen russischen Regionen ansah, was die Integration erschwerte. Zweitens, erzürnte diese Richtlinie viele ethnische Russen, da ihre Söhne dienen müssen und die Nordkaukasier nicht. Gleichzeitig verärgerte die Richtlinie aber auch die Nordkaukasier, da sie durch den Ausschluss von der Wehrpflicht, von Jobs bei Sicherheitsdiensten ausgeschlossen waren, da diese einen militärischen Hintergrund als Voraussetzung haben. Drittens, für die Russische Föderation wurde es immer schwieriger, die Quoten für den Wehrdienst zu erfüllen, da die wehrdienstfähigen Kohorten bei den ethnischen Russen immer weniger werden. Laut tschetschenischen Beamten stehen 86.000 Tschetschenen zum Militärdienst bereit. Auch die Republiksoberhäupter von Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien sind überzeugt davon, dass der Militärdienst für die jungen Männer gut wäre. Einerseits könnte damit die Arbeitslosigkeit reduziert werden, andererseits würde der Militärdienst bei der Integration in die Russische Föderation helfen. Nicht zuletzt können die Oberhäupter mit der Befürwortung des Wehrdienstes ihre Loyalität zum Kreml beweisen. 2014 wurde wieder begonnen, Nordkaukasier (Tschetschenen und Dagestani) in den Wehrdienst einzuberufen. Jedoch gibt es mittlerweile Widerstand in der Bevölkerung gegen die Einberufung und viele junge Nordkaukasier verstecken sich, oder schließen sich dem Widerstand an, um nicht einberufen zu werden. Gerüchten zufolge könnte die Einberufung zum Wehrdienst in Tschetschenien wieder beendet werden. Momentan sollen 500 Tschetschenen den Wehrdienst ableisten. In Dagestan wurden im Frühling 2016 1.800 junge Männer eingezogen. Ein Drittel mehr als letztes Jahr. Trotzdem sind mehr als 2.000 junge Männer nicht auffindbar, die eingezogen werden sollen (Jamestown 19.4.2016).
Erstmals seit langer Zeit wurden rund 500 Personen aus ganz Tschetschenien in den aktiven Wehrdienst eingezogen. In die Truppenverbände traten die Rekruten erst im November 2014 ein. Bei der überwiegenden Mehrheit der Rekruten handelt es sich um Freiwillige, von denen viele eine militärische Karrierelaufbahn anstreben würden. Nach Angaben des Leiters für Einberufungsangelegenheiten des tschetschenischen Militärkommissariats habe es "sehr viele" Interessenten gegeben, weshalb die Freiwilligen nach den Kriterien Gesundheitszustand, hoher Bildungsgrad sowie danach ausgewählt worden seien, ob sie über Fachkenntnisse verfügten, die für den Dienst nützlich seien. Die derzeitige Zahl der Einberufenen sei weitaus niedriger als die Zahl derer, die in die Armee eintreten wollten. Aus Grosny seien 56 Personen ausgewählt worden, um direkt zum Dienst in der russischen Armee entsendet zu werden. Laut Aussage des Leiters der Einberufungskommission von Grosny hätten mehr als 200 Personen erklärt, aus eigenem Willen den aktiven Wehrdienst ableisten zu wollen. Wie er weiter ausführt, hätten insgesamt 1.000 junge Menschen aus Grosny das Auswahlverfahren bei der Einberufungskommission durchlaufen, obwohl (in Grosny) lediglich Bedarf an 56 Rekruten bestehe (Kavpolit.ru 20.10.2014). Die letzte größere Einberufungskampagne für Tschetschenen hat im Jahr 1992 stattgefunden. Danach habe man Tschetschenen faktisch nicht mehr zum Wehrdienst eingezogen. Nur eine kleine Zahl an Rekruten sei einberufen worden, um in Verbänden zu dienen, die in Tschetschenien stationiert und dem Verteidigungsministerium unterstellt waren bzw. der Inlandsarmee des russischen Innenministeriums angehörten (Caucasian Knot 1.11.2014).
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8. Allgemeine Menschenrechtslage
Die Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 orientiert sich an westeuropäischen Vorbildern. Sie postuliert, dass die Russische Föderation ein "demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform" ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Artikel 19, Absatz 2,). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Artikel 15, Absatz 4, der russischen Verfassung aufgeführt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und die internationalen Verträge der Russischen Föderation Bestandteil ihres Rechtssystems." Russland ist an folgende VN-Übereinkommen gebunden:
Rassendiskriminierung (1969)
Zusatzprotokoll (1991)
Zusatzprotokoll (2004)
Behandlung oder Strafe (1987)
Der Europarat äußerte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) waren, so der Jahresbericht 2014, 14,3% der anhängigen Fälle (10.000 Einzelfälle) Russland zuzurechnen. 2014 hat der EGMR 129 Urteile in Klagen gegen Russland gesprochen. Damit führt Russland die Liste der gesprochenen Urteile an (gefolgt von 101 Urteilen 2014 gegen die Türkei). Ein großer Teil der EGMR-Entscheidungen fällt dabei zugunsten der Kläger aus und konstatiert mehr oder weniger gravierende Menschenrechtsverletzungen. Die Umsetzung der Entscheidungen erfolgt vielfach nur mangelhaft: Zwar erbringt Russland in der Regel die Kompensationszahlungen an die Kläger bzw. Opfer; in der Sache selbst wird aber wenig unternommen. Ein russischer Gesetzentwurf, der die Urteile des EGMR unter einen Prüfvorbehalt stellen würde, ist nach deutlicher Kritik aus dem Ausland im Sommer 2011 gestoppt worden. In einem Urteil des russischen Verfassungsgerichts hat sich dieses am 6. Dezember 2013 jedoch die Entscheidung vorbehalten, wie EGMR-Urteile bei einem Widerspruch zur eigenen Auslegung der Grundrechte umgesetzt werden können. Am 14.7.2015 hat das Verfassungsgericht zudem eine grundlegende Entscheidung zum Verhältnis der russischen Verfassung zur EMRK getroffen: Die Umsetzung von Urteilen des EGMR kann danach im Falle eines vermeintlichen Konflikts mit der russischen Verfassung einer weiteren Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterzogen werden. Neu ist dabei, dass künftig auch Präsident und Regierung das Verfassungsgericht mit dem Ziel anrufen können, die Nichtanwendung eines EGMR-Urteils in Russland aufgrund des Vorrangs der russischen Verfassung festzustellen (AA 5.1.2016).
Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Am 14.01.2014 urteilte der EGMR zugunsten der Familien von 36 zwischen 2000 und 2006 verschwundenen Tschetschenen und sprach ihnen 1,9 Mio. Euro Entschädigung zu (AA 5.1.2016).
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit waren 2015 weiterhin stark beschnitten. Staatliche Stellen herrschten über Presse, Rundfunk und Fernsehen und weiteten die Kontrolle über das Internet aus. NGOs waren aufgrund des sogenannten Agentengesetzes nach wie vor Schikanen und Repressalien ausgesetzt. Ihre Möglichkeiten, finanzielle Mittel aus dem Ausland zu erhalten, wurden durch ein neues Gesetz zum Verbot "unerwünschter" Organisationen drastisch eingeschränkt. Eine steigende Anzahl von Bürgern wurde inhaftiert und angeklagt, weil man ihnen vorwarf, die offizielle Politik kritisiert oder Materialien besessen bzw. in der Öffentlichkeit verbreitet zu haben, die gemäß vage formulierter Sicherheitsgesetze als extremistisch eingestuft wurden oder aus anderen Gründen als rechtswidrig galten. Auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 2014, das wiederholte Verstöße gegen das Gesetz über öffentliche Versammlungen als Straftat definiert, sahen sich 2015 vier Personen mit Strafverfolgungsmaßnahmen konfrontiert. In mehreren aufsehenerregenden Prozessen traten einmal mehr die gravierenden Mängel des Justizwesens zutage. Flüchtlinge mussten zahlreiche Hürden überwinden, um anerkannt zu werden (AI 24.2.2016).
Menschenrechtsverteidiger beklagen Defizite bei der Umsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte. Beklagt werden vor allem die mangelhafte Unabhängigkeit von Justiz und Gerichten, zunehmende Einschränkungen von Presse- und Versammlungsfreiheit, die weiterhin verbreitete Korruption sowie der stetig schwindende Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen werden aus dem Nordkaukasus gemeldet (AA 3.2016a).
Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemühungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann die im fünfstelligen Bereich liegenden ausständigen Verfahren gegen Russland kaum bewältigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstärkung des Gerichtshofs. Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten (GIZ 4.2016a).
Der Freiraum für die russische Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren schrittweise eingeschränkt worden. Sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch in der Pressefreiheit wurden restriktive Gesetze verabschiedet, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung einer freien und unabhängigen Zivilgesellschaft ausübten. Inländische wie ausländische NGOs werden zunehmend unter Druck gesetzt. Rechte von Minderheiten werden nach wie vor nicht in vollem Umfang garantiert. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden durch administrative Hürden in ihrer Arbeit eingeschränkt und erleben in manchen Fällen sogar reale Bedrohungen für Leib und Leben. Im Zuge der illegalen Annexion der Krim im März 2014 und der Krise in der Ostukraine wurde die Gesellschaft v.a. durch staatliche Propaganda nicht nur gegen den Westen mobilisiert, sondern auch gegen die sog. "fünfte Kolonne" innerhalb Russlands. Der Menschenrechtsdialog der EU mit Russland findet derzeit aufgrund prozeduraler Unstimmigkeiten nicht statt (ÖB Moskau 10.2015).
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8.1. Tschetschenien
NGOs beklagen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen. Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen zumeist Straflosigkeit. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten. So geriet zum Beispiel die sog. "joint mobile defence group", die von der NGO "Komitee gegen Folter" koordiniert wird, in letzter Zeit vermehrt in die Zielscheibe von pro-Kadyrov-Anhängern. 2014 wurde das Büro der Gruppe in Grozny niedergebrannt und im Juni 2015 erneut von einer Gruppe maskierter Personen angegriffen. Der Leiter der NGO "Komitee gegen Folter" Igor Kalyapin wurde von Kadyrov der Zusammenarbeit mit amerikanischen Geheimdiensten und der Kollaboration mit Extremisten beschuldigt. Im Juli 2015 erklärte das Komitee nach Androhung der Eintragung in das Register der ausländischen Agenten durch das Justizministerium seine Auflösung; der Leiter des Komitees Kalyapin kündigte jedoch an, dass man die Arbeit in anderer Form fortsetzen werde (ÖB Moskau 10.2015, vergleiche AI 25.2.2015).
Nach dem Angriff auf Grosny im Dezember 2014 verfügte Ramzan Kadyrow, dass die Häuser der Familien von Terroristen niedergebrannt werden und die Angehörigen des Landes verwiesen werden (Tagesspiegel 19.12.2014, vergleiche HRW 28.1.2016).
2015 wurden aus dem Nordkaukasus weniger Angriffe bewaffneter Gruppen gemeldet als in den Vorjahren. Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen. Es gab deutlich weniger Informationen über die Menschenrechtslage in dem Gebiet, weil die Behörden mit aller Härte gegen Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Journalisten vorgingen. Die Betreffenden wurden ständig schikaniert, bedroht und tätlich angegriffen, zum Teil von Ordnungskräften und regierungstreuen Gruppen. In der tschetschenischen Hauptstadt Grosny wurde am 3. Juni 2015 das Gebäude, in dem die Menschenrechtsorganisation Joint Mobile Group ihren Sitz hat, von einer aggressiven Menschenmenge umstellt. Vermummte Männer drangen gewaltsam in die Büroräume ein, zerstörten das Mobiliar und zwangen die Mitarbeiter, das Gebäude zu verlassen. Bis zum Jahresende war noch kein Tatverdächtiger ermittelt worden (AI 24.2.2016, vergleiche HRW 27.1.2016).
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1.1. Rebellentätigkeit / Unterstützung von Rebellen
Im August 2014 meldete der Inlandsgeheimdienst FSB Erfolge bei der Bekämpfung von Terrorismus im Nordkaukasus, was in Expertenkreisen jedoch auf Zweifel stieß. Die Rede war von 328 potentiellen Terroristen, die im ersten Halbjahr 2014 verhaftet wurden. Da die Sicherheitskräfte im Nordkaukasus aber nach dem Prinzip kollektiver Bestrafung vorgehen, handelte es sich hierbei möglicherweise weniger um aktive Untergrundkämpfer als um Personen aus deren sozialem und verwandtschaftlichem Umfeld. Im Januar 2015 berichtete das russische Innenministerium, 2014 sind 259 Rebellen, darunter 36 Kommandeure, von Sicherheitskräften getötet und 421 Untergrundkämpfer verhaftet worden (SWP 4.2015).
Die Anzahl der Rebellen in Tschetschenien ist schwer zu konkretisieren, Schätzungen gehen von einem Dutzend bis ca. 120 Personen aus. Die Anzahl der tschetschenischen Rebellen ist sicherlich geringer, als jene z.B. in Dagestan, wo der islamistische Widerstand seinen Hotspot hat. Sie verstecken sich in den bergigen und bewaldeten Gebieten Tschetscheniens. Sie bewegen sich hauptsächlich zwischen Tschetschenien und Dagestan, weniger oft auch zwischen Tschetschenien und Inguschetien. Kidnappings werden von tschetschenischen Sicherheitskräften begangen. In Tschetschenien selbst ist also der Widerstand nicht sehr aktiv, sondern hauptsächlich in Dagestan und auch in Inguschetien. Die Kämpfer würden auch nie einen Fremden um Vorräte, Nahrung, Medizin oder Unterstützung im Allgemeinen bitten, sondern immer nur Personen fragen, denen sie auch wirklich vertrauen, so beispielsweise Verwandte, Freunde oder Bekannte (DIS 1.2015).
Im November 2013 wurden in Russland neue Gesetze verabschiedet, welche die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen vorsehen. Sie legalisieren Kollektivbestrafungen, welche bereits in mehreren Republiken des Nordkaukasus als Form des Kampfs gegen den Aufstand praktiziert werden. Die Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, welche durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Das Gesetz sieht vor, dass Familienangehörige und Verwandte von Terrorverdächtigen belegen müssen, dass ihre Vermögenswerte, Immobilien und weitere Besitztümer nicht durch "terroristische Aktivitäten" erworben wurden. Wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte legal erworben wurden, kann der Staat sie beschlagnahmen. Auch Personen, welche Terrorverdächtigen nahestehen, können mit dem Gesetz belangt werden. Nach Einschätzung von Experten wird das Gesetz weitgehend zur Diskriminierung der Angehörigen Terrorismusverdächtiger führen. Weiter kritisieren Experten, dass das Gesetz durch die unklare Verwendung der Begriffe "Verwandte" und "nahestehende Personen" sich gegen ganze Familienclans in den muslimischen Republiken des Nordkaukasus richten könne. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina werden Familienangehörige von Terrorverdächtigen oft beschuldigt, sie unterstützten auch illegale bewaffnete Gruppierungen auf verschiedenste Art und Weise. Insbesondere kritisiert die Menschenrechtsaktivistin, dass bereits der bloße Verdacht für eine Anschuldigung reiche und kein Beweis notwendig sei. Die Verfolgung von Verwandten und Freunden von Aufständischen ist seit 2008 im Nordkaukasus weit verbreitet und geht oft mit der Zerstörung des Besitzes und Hauses einher. Nach übereinstimmenden Angaben verschiedener Quellen kommt es zu Übergriffen und Kollektivstrafen durch Sicherheitskräfte, die gegen Familien von vermuteten Terroristen gerichtet sind (SFH 25.7.2014).
Kollektivstrafen wie das Niederbrennen von Häusern von Personen, die man verdächtigt, Kontakte zum terroristischen Widerstand zu haben, werden weitergeführt (Caucasian Knot 9.12.2014). Nach der Terrorattacke auf Grosny am 4.12.2014, hat Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow die Verwandten der Attentäter in Sippenhaft genommen. Kadyrow verlautbarte auf Instagram kurz nach der Tat, dass wenn ein Kämpfer in Tschetschenien einen Mitarbeiter der Polizei oder einen anderen Menschen töte, die Familie des Kämpfers sofort ohne Rückkehrrecht aus Tschetschenien ausgewiesen werde. Ihr Haus werde zugleich bis auf das Fundament abgerissen. Tatsächlich beklagte einige Tage später der Leiter der tschetschenischen Filiale des "Komitees gegen Folter" Igor Kaljapin, dass den Angehörigen der mutmaßlichen Täter die Häuser niedergebrannt worden seien (Standard 14.12.2014).
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9. Haftbedingungen
Die Bedingungen in den Haftanstalten haben sich seit Ende der 90er Jahre langsam aber kontinuierlich verbessert, die Haftbedingungen entsprechen aber zum Teil noch immer nicht den allgemein anerkannten Mindeststandards. In dem Piloturteil-Verfahren des EGMR zum Fall Ananyev und andere v. Russland hat das Gericht festgestellt, dass die Bedingungen in den Untersuchungsgefängnissen (russ. SIZO) einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung gemäß Artikel 3, EMRK entsprechen und das Problem systemischer Natur ist. 2012 legte Russland einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Probleme im Straffvollzug vor, der vom Ministerkomitee des EuR positiv aufgenommen wurde. Konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation, insbesondere in den Untersuchungsgefängnissen, werden jedoch nur schleppend umgesetzt. Allein im Jahr 2014 stellte der EGMR in fast 30 Urteilen gegen Russland fest, dass die Haftbedingungen noch immer gegen Artikel 3, EMRK verstoßen. Die häufigsten Vorwürfe betrafen die schlechten hygienischen Zustände (unzureichende Sanitäreinrichtungen, kein ausreichendes Ventilationssystem, Unterbringung mit Häftlingen mit Infektionskrankheiten), akuter Platzmangel (zu viele Häftlinge in zu kleinen Zellen) und Mangel an medizinischer Betreuung. Die russische Regierung versucht u.a. durch regelmäßige Amnestien gegen den Platzmangel in den Gefängnissen und Haftkolonien anzukämpfen. Von der letzten Amnestie anlässlich des Tags des Sieges am 9. Mai 2015 profitierten bislang rund 127.000 Menschen. Im August 2015 waren laut offiziellen Daten 649.500 Personen in Haft (über 22.000 weniger als zu Beginn des Jahres). Damit nimmt Russland weltweit Platz 3 der größten Häftlingspopulationen ein (nach den USA und China). Dies entspricht einer Rate von 450 pro 100.000 Einwohner (Platz 11 weltweit) (ÖB Moskau 10.2015).
Die Situation im Strafvollzug ist unbefriedigend. Die Lage in russischen Gefängnissen wurde auch in mehreren Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als "unmenschlich und entwürdigend" verurteilt (Verletzung von Artikel 3, EMRK). Die Regierung ist allerdings bestrebt, die Zahl der Gefängnisinsassen weiter zu verringern. So gibt es Ansätze, vermehrt alternative Sanktionen (wie beispielsweise im Bereich der Drogendelikte ein Gesetzentwurf zu freiwilliger Entziehungstherapie oder Arbeitseinsatz statt Freiheitsstrafe) zu verhängen, um die Anzahl der Strafgefangenen zu verringern. Die Lage in den Strafkolonien (in Russland Oberbegriff für Haftanstalten, in denen eine gerichtlich verhängte Freiheitsstrafe verbüßt wird) und die Bedingungen des Strafvollzugs bleiben sehr schwierig. Die meisten Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse sind veraltet und überbelegt. Bausubstanz und sanitäre Bedingungen in den russischen Haftanstalten entsprechen nicht westeuropäischen Standards. Die Unterbringung der Häftlinge erfolgt oft in Schlafsälen von über 40 Personen und ist häufig sehr schlecht. Duschen ist vielfach nur gelegentlich möglich. Das Essen ist einseitig und vitaminarm. Die medizinische Versorgung ist ebenfalls unbefriedigend. Ein Großteil der Häftlinge bedarf medizinischer Versorgung. Sowohl von TBC- als auch HIV-Infektionen in bemerkenswertem Umfang wird berichtet. Problematisch ist ebenso die Zahl der drogenabhängigen oder psychisch kranken Inhaftierten. Besonders schlecht ist die Lage in den Untersuchungshaftanstalten. Im Vergleich zu den Strafkolonien berichten Insassen von deutlich schlechteren Haftbedingungen (z.B. Überbelegungen) und viel geringerem Schutz gegenüber ungerechten Behandlungen. Die Untersuchungshaft wird in Einzelfällen über Jahre verlängert. Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Untersuchungshäftlinge jedoch rückläufig. Die unter Präsident Medwedew erfolgte Liberalisierung des Strafrechts für Wirtschaftsvergehen (u.a. teilweise Abschaffung der Untersuchungshaft) wird in vielen Fällen von Gerichten und Strafvollzugsbehörden nicht umgesetzt und dient manchmal korrupten Ermittlern als Mittel zur Erpressung von Geldzahlungen durch Unternehmer. In den Strafkolonien schützt die Unterbringung in Gruppen den einzelnen Häftling effektiver vor schikanöser Behandlung durch das Gefängnispersonal. Laut Menschenrechtsorganisationen kann jedoch in allen Strafkolonien gegen Häftlinge, denen Verstöße gegen die Anstaltsregeln vorgeworfen werden, sogenannte Strafisolierhaft (Schiso) angeordnet werden. Häftlinge seien dort oft besonders üblen Haftbedingungen und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. Nadeschda Tolokonnikowa von der Aktionsgruppe Pussy Riot beschrieb in einem offenen Brief zudem ein System der Zwangsarbeit, in dem auf die Häftlinge u.a. durch Mitgefangene psychischer und physischer Druck zur "Disziplinierung" ausgeübt werde (AA 5.1.2016).
Medien und NGOs berichten über Exekutivkräfte und Gefängnispersonal, die in Folter verwickelt sind. Missbrauch und exzessive Gewaltanwendung sind verbreitet und lassen darauf schließen, dass dies vor allem im Strafsystem regelmäßig vorkommt. Schlechte Ausbildung und eine Kultur der Straffreiheit tragen zu dieser Situation bei. Die russische NGO Committee Against Torture zeigt Folter durch Exekutivkräfte im Nordkaukasus auf und arbeitet daran, dass diese für ihre Vergehen bestraft werden (UK FCO 12.3.2015).
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10. Todesstrafe
Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist noch nicht ratifiziert. Das russische Verfassungsgericht hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe am 19.11.2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist (ÖB Moskau 10.2015, vergleiche GIZ 4.2016a).
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11. Religionsfreiheit
Die Russische Föderation ist ein multinationaler und multikonfessioneller Staat. Artikel 28, der Verfassung garantiert Gewissens- und Glaubensfreiheit. Orthodoxie, Islam, Buddhismus und Judentum haben dabei eine herausgehobene Stellung. Artikel 14, der Verfassung schreibt die Trennung von Staat und Kirche fest (AA 5.1.2016, vergleiche GIZ 3.2016c). Auch andere Religionsgemeinschaften können in Russland legal bestehen, müssen sich aber registrieren lassen. Seit Ende der Achtziger Jahre hat der Anteil der Gläubigen im Zuge einer "religiösen Renaissance" bedeutend zugenommen. Allerdings bezeichnen sich laut Meinungsumfragen rund 50% der Bevölkerung als ungläubig. Zwar gibt es in Russland einen hohen Grad der Wertschätzung der Kirche und von Religiosität, dies bedeutet aber nicht, dass die Menschen ihr Leben nach kirchlichen Vorschriften führen. Offizielle Statistiken zur Zahl der Gläubigen verschiedener Konfessionen gibt es nicht und die Zahlen in den meisten Quellen unterscheiden sich erheblich. Die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) ist heute die mit Abstand größte und einflussreichste Religionsgemeinschaft in Russland. Seit der Unabhängigkeit der Russischen Föderation ist sie zu einer äußerst gewichtigen gesellschaftlichen Einrichtung geworden. Die Verluste an Gläubigen und Einrichtungen, die sie in der Sowjetzeit erlitt, konnte sie zu einem großen Teil wieder ausgleichen. Die ROK hat ein besonderes Verhältnis zum russischen Staat, z.B. ist der Patriarch bei wichtigen staatlichen Anlässen stets anwesend. Die ROK versteht sich als multinationale Kirche, die über ein "kanonisches Territorium" verfügt. Es erstreckt sich über die GUS-Staaten mit der Ausnahme von Armenien, wo es eine eigene orthodoxe Kirche gibt. Bei den traditionell religiös orientierten ethnischen Minderheiten Russlands findet man Anhänger des Islam und des Buddhismus, des Schamanismus und Judaismus, des protestantischen und katholischen Glaubens. Der Islam ist die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in Russland. Die Muslime sind in der Regel Baschkiren, Tataren, Tschuwaschen, Tschetschenen und Angehörige anderer Kaukasusvölker. Sie werden durch die Geistliche Verwaltung der Muslime (Muftirat) des Europäischen Teils Russlands und Sibiriens sowie die Geistliche Verwaltung der Muslime (Muftirat) des Nordkaukasus vertreten. Die Zahl der russischen Muslime wird offiziell mit 14,5 Millionen angegeben. Die Vertreter der islamischen Gemeinde sprechen von mehr als 20 Millionen Mitgliedern. Alle anderen Religionen, wie Buddhismus (ca. 600.000 Gläubige) - zu dem sich Burjaten, Kalmyken, Tuwa und andere Bevölkerungsgruppen in den Gebieten Irkutsk und Tschita bekennen - und Judentum (ca. 200.000 Gläubige), haben nur geringe Bedeutung. Von den christlichen Kirchen sind die katholische Kirche, die evangelisch-lutherische Kirche sowie eine Reihe von Freikirchen (vor allem Baptisten) in Russland vertreten. Sie sind im europäischen Russland und in Sibirien präsent (GIZ 3.2016c, vergleiche SWP 4.2013).
Nicht als traditionelle Religionen anerkannte Glaubensrichtungen, wie insbesondere die Zeugen Jehovas oder islamische Strömungen im Nordkaukasus und im Wolgagebiet, denen der Vorwurf gemacht wird, in Bezug zu Terrorgruppen zu stehen, stoßen auf Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden. Gegen solche Religionsgemeinschaften erheben die Behörden häufig nicht plausibel belegte Extremismus-Vorwürfe und leiten auf dieser Grundlage auch Strafverfahren wegen der Ausübung der Religion ein (AA 5.1.2016).
Die Verfassung sieht die Religionsfreiheit vor, jedoch können Beamte laut Gesetz Aktivitäten von religiösen Gruppierungen wegen Verletzung der öffentlichen Ordnung oder Teilnahme an extremistischen Aktivitäten, verbieten. Es gibt Einschränkungen für religiöse Minderheitsgruppen und es wurden auch Mitglieder solcher Gruppierungen verhaftet. Die Polizei führte Razzien in privaten Wohnungen und Andachtsstätten durch und konfiszierte religiöse Publikationen und Eigentum. Das Anti-Extremismus-Gesetz wurde angewendet, um die Registrierung von religiösen Minderheitsgruppen abzuerkennen, um die Registrierung bestimmter Gruppen zu verhindern und den Kauf von Land, den Bau von Andachtsstätten oder den Erhalt von Restitutionen einzuschränken (USDOS 14.10.2015).
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11.1. Tschetschenien
Die Bevölkerung gehört der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an, wobei traditionell eine mystische Form des Islam, der Sufismus, vorherrschend ist (BAMF 10.2013). Beim Sufismus handelt es sich um eine weit verbreitete und zudem äußerst facettenreiche Glaubenspraxis innerhalb des Islam. Heutzutage sind Sufis sowohl innerhalb des Schiitentums als auch unter Sunniten verbreitet (ÖIF 2013). Gegenwärtig ist eine Zunahme der Anhänger des Salafismus/Wahabismus, eine strenge, radikale Form des Islam, zu verzeichnen (BAMF 10.2013).
Kadyrow billigt oder leitet Massenverstöße gegen die Menschenrechte, darunter gegen die Religionsfreiheit. Er verfälschte tschetschenische Sufi-Traditionen, errichtete auf Grundlage seiner religiösen Ansichten einen repressiven Staat und zwingt Frauen, islamische Kopftücher zu tragen (USCIRF 30.4.2015, vergleiche SWP 4.2013). Kadyrow nutzt den traditionellen Sufismus politisch und als Instrument seines Antiterrorkampfes, um mit dem "guten" sufistischen Islam dem von weiten Teilen der heute in der Republik aktiven Rebellen propagierten "schlechten" fundamentalistischen Islam, dem oft auch Wahhabismus genannten Salafismus, entgegenzuwirken. Diese Strategie hatte bereits sein Vater unter Maschadow – relativ erfolglos – anzuwenden versucht. Diese politische Nutzung der Religion führt aus mehreren Gründen zu heftiger Kritik: Durch die kadyrowsche Islamisierung werden zunehmend Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte, beschnitten. Innerhalb der tschetschenischen Bevölkerung empfinden viele die von Kadyrow angeordneten Verhaltensnormen als nicht gerechtfertigten (und schon gar nicht durch tschetschenische Tradition zu rechtfertigenden) Eingriff in ihr Privatleben. Einige der aufgrund der (Re-)Islamisierung erfolgten Erlässe und Aussagen des Republikoberhauptes, wie etwa die Kopftuchpflicht für Frauen in öffentlichen Gebäuden oder seine Aussprache für Polygamie, widersprechen zudem russischem Recht. Beobachter der Lage sind sich gemeinhin einig, dass all dies von föderaler Seite geduldet wird, weil und solange es Kadyrow gelingt, die relativ stabile Sicherheitslage zu erhalten (BAA Staatendokumentation 19.5.2011).
Als Salafisten werden unterschiedliche religiöse und politische Bewegungen bezeichnet, die sich etwa seit Beginn des letzten Jahrhunderts an einem idealisierten Bild der Frühzeit des Islam (arab. "Salaf" steht für "Ahnen", "Vorfahren") orientieren. Der Begriff Salafismus dagegen steht heute für eine Strömung des Islamismus. Ihre Anhänger werden als Salafisten bezeichnet. Sie behaupten, besonders eng dem Wortlaut des Korans und den Überlieferungen über das Leben des Propheten (sunna) zu folgen. Das gilt insbesondere auch für Äußerlichkeiten wie Bekleidungsvorschriften. Viele Salafisten tragen deshalb lange Bärte, weite Gewänder und Kopfbedeckungen. Frauen, die kein Kopftuch tragen, begehen nach Überzeugung von Salafisten eine schwere Sünde (GfbV o.D.). Das Tragen eines Bartes ohne Schnurrbart oder hochgekrempelte Hosen, würden einen Grund für die Festnahme oder Kontrolle einer Person darstellen (Kaliszewska 2010). Unterschiedliche Personengruppen können Opfer von Verschwindenlassen werden: Männer, die verdächtigt werden, dem bewaffneten Untergrund anzugehören oder ihn zu unterstützen, bzw. Salafisten zu sein. Auch Rückkehrer nach Tschetschenien, die von den Behörden verdächtigt werden, zurückgekehrt zu sein, um den bewaffneten Untergrund zu unterstützen, können entführt werden (GfbV o.D.). Entführungen werden heute hauptsächlich von regierungsnahen Personen verübt und treffen vor allem Personen, die als Salafisten angesehen werden. Dies führt jedoch dazu, dass die Salafisten noch anti-russischer werden und die Behörden selbst die Anzahl der Anhänger der radikalen Bewegungen in der Region und unter Muslimen in der ganzen Russischen Föderation erhöhen (Jamestown 19.6.2014).
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12. Ethnische Minderheiten
Russland ist ein multinationaler Staat, in dem Vertreter von mehr als hundert Völkern leben. Neben den Russen, die mit 79,8 % die Mehrheit der Bevölkerung stellen, leben noch mehr als hundert andere Völker auf dem Gebiet des Landes. Größere Minderheiten sind die Tataren (4,0 %), die Ukrainer (2,2 %), die Armenier (1,9 %), die Tschuwaschen (1,5 %), die Baschkiren (1,4 %), die Tschetschenen (0,9 %), die Deutschen (0,8 %), die Weißrussen und Mordwinen (je 0,6 %), Burjaten (0,3 %) und andere. Vielfach ist die Verflechtung zwischen den nichtrussischen und russischen Bevölkerungsteilen durch Mischehen und interethnische Kommunikation recht hoch, ebenso der Russifizierungsgrad der nichtrussischen Bevölkerungsteile. Nur wenige nationale Gebietseinheiten, wie Tschetschenien, Dagestan, Tschuwaschien und Tuwa, sind stärker vom namensgebenden Ethnos geprägt (GIZ 3.2016c).
Die Verfassung garantiert gleiche Rechte und Freiheiten unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache und Herkunft. Entsprechend bemüht sich die Zentralregierung zumindest in programmatischen Äußerungen um eine ausgleichende Nationalitäten- und Minderheitenpolitik, inklusive der Förderung von Minderheitensprachen im Bildungssystem. Fremdenfeindliche und rassistische Ressentiments sind in der Bevölkerung und in den Behörden weit verbreitet. Sie richten sich insbesondere gegen Kaukasier und Zentralasiaten. Wiederkehrende Medienberichte zu Übergriffen zeigen, dass Ressentiments in Gewalt umschlagen können. Die Menschenrechtsorganisation SOVA verzeichnete für das Jahr 2014 einen Rückgang der offiziell bekannt gewordenen Gewaltverbrechen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Waren 2013 noch 235 Verbrechen unter Anwendung von Gewalt gegen Minderheiten gemeldet worden, wurden 2014 164 solche Taten verzeichnet. Über 20% der Anzeigen auf dem Moskauer Wohnungsmarkt richten sich explizit nur an "Russen" oder "Slawen" (AA 5.1.2016).
Im Nordkaukasus ist die ethnische, kulturelle und sprachliche Vielfalt beeindruckend groß. Deshalb, sowie hinsichtlich der räumlichen Gliederung und der politischen, kulturellen und religiösen Geschichte seiner Volksgruppen stellt der Nordkaukasus die ethnisch am stärksten differenzierte Region der Russischen Föderation dar. Gerne wird sie als "ethnischer Flickenteppich" bezeichnet (Rüdisser 11.2012).
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13. Bewegungsfreiheit
Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort und ihren Wohnsitz melden müssen. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten, die gewöhnlich eine nicht staatlich festgelegte "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben (AA 5.1.2016, vergleiche US DOS 13.4.2016, FH 27.1.2016).
Personen, die innerhalb des Landes reisen, müssen ihre Inlandspässe zeigen, wenn sie Tickets kaufen wollen für Reisen via Luft, Schienen, Wasser und Straßen (US DOS 13.4.2016).
Bei der Einreise werden die international üblichen Pass- und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses wieder in die Russische Föderation einreisen. Russische Staatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine administrative Strafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen. Der Inlandspass ermöglicht die Abholung der Pension vom Postamt, die Arbeitsaufnahme, die Eröffnung eines Bankkontos, aber auch den Kauf von Bahn- und Flugtickets (AA 5.1.2016).
Nach Angaben des Leiters der Pass- und Visa-Abteilung im tschetschenischen Innenministerium haben alle 770.000 Bewohner Tschetscheniens, die noch die alten sowjetischen Inlandspässe hatten, neue russische Inlandspässe erhalten (AA 5.1.2016).
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13.1. Meldewesen
Eine dauerhafte Registrierung wird durch einen Stempel im Inlandspass vermerkt, eine temporäre Registrierung durch einen in den Inlandspass eingelegten Zettel. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tage ist keine Registrierung verpflichtend, jedoch kann es notwendig werden bei einer Dokumentenkontrolle nachzuweisen, dass man sich noch nicht länger als 90 Tage in dem Gebiet aufhält, beispielsweise durch Vorweisen der Busfahrkarte. Umgangssprachlich wird die Registrierung nach wie vor so genannt, wie das Meldesystem zu Sowjetzeiten: "Propiska" (Russisch: ?????????). Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und ein nachweisbarer Wohnraum (ggf. Bescheinigung des Vermieters). Eine Arbeitsstelle oder Einkommen müssen nicht nachgewiesen werden. Die Registrierung und damit einhergehende Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich des Föderalen Migrationsdienstes (FMS), seiner territorialen Behörden (UFMS) und weiterer Behörden für innere Angelegenheiten. Man muss nicht mehr persönlich beim UFMS erscheinen. Eine Registrierung ist wie ausgeführt für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar. Diese ermöglicht außerdem den Zugang zu Sozialhilfe und staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem, sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Beim FMS in Moskau wurde bestätigt, dass alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, am Aufenthaltsort registriert werden. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Registrierung ab Einlangen der Unterlagen bei der zuständigen Behörde drei Tage dauert. Staatsbürger können bei Verwandten unterkommen oder selbstständig einen Wohnraum organisieren. Die föderal-gesetzlichen Regeln für die Registrierung gelten in der gesamten Russischen Föderation einheitlich, werden jedoch regional unterschiedlich angewendet. Korruption soll auch im Bereich der Registrierung in nicht unbeträchtlichem Ausmaß vorkommen, insbesondere in der Hauptstadt Moskau (BAA 12.2011, vergleiche AA 5.1.2016).
Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen. In Mietanzeigen werden Zimmer oft nur für Slawen angeboten. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence ist es für Tschetschenen leichter, in kleineren Orten als Moskau und St. Petersburg zu leben, jedoch ist es in großen Städten leichter, unterzutauchen. Personen, die Kadyrow fürchten, würden ihren Aufenthalt nicht registrieren lassen. Auch in St. Petersburg werden in Mietanzeigen Wohnungen oft nur für Russen angeboten. Tschetschenen nutzen aber ihre Netzwerke, um Wohnungen zu finden. Einer internationalen Organisation zufolge ist es für jemanden, der einen Machtmissbrauch von lokalen Behörden in einem Föderationssubjekt fürchtet schwierig, einen sicheren Ort in einer anderen Region in Russland zu finden. Ist die Person registriert, ist es für die Behörden leichter, sie zu finden. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture sind tschetschenische Familien, die in andere Regionen Russlands kommen, nicht automatisch schweren Rechtsverletzungen ausgesetzt. Öffentlich Bedienstete haben kein Recht, einem Tschetschenen die Registrierung zu verweigern, weshalb im Endeffekt jeder registriert wird. Tschetschenen könnten Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt sein, nicht aber Gewalt. Laut einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence und einer westlichen Botschaft zufolge könnten aber temporäre Registrierungen nur für drei Monate anstatt für ein Jahr ausgestellt werden, weshalb dann die betroffene Person öfter zum Amt kommen muss. Memorial geht davon aus, dass der FMS die Polizei über die Registrierung eines Tschetschenen informieren muss. Zudem verheimlichen Tschetschenen oft ihre Volksgruppenzugehörigkeit, da Annoncen Zimmer oft nur für Russen und Slawen anbieten. Mehrere Quellen gaben an, dass im Zuge der Registrierung vermutlich Bestechungsgeld zu zahlen ist. Es kann vorkommen, dass Personen aus dem Nordkaukasus eine höhere Summe zu zahlen angehalten werden (DIS 8.2012). Im aktuellen FFM Bericht des Danish Immigration Service vom Jänner 2015 wird berichtet, dass es keine größeren Änderungen in Bezug auf die Registrierung gibt. Es gibt eine Neuheit, nämlich dass eine Person in dem Apartment wohnen muss, wo sie registriert ist. Wenn die Person woanders wohnt, könnte der/die Eigentümer/in bestraft werden. Aufgrund dessen könnte es schwieriger sein, den Wohnort zu registrieren. Einige Vermieter möchten auch keine Mieter registrieren, da sie Steuerabgaben vermeiden wollen (DIS 1.2015).
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14. Lage von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb der Republik Tschetschenien
Was die Anzahl von Tschetschenen im Rest des Landes anbelangt, ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen. Laut Volkszählung 2010 lebten etwa in Moskau ca. 14.500 Tschetschenen (von insgesamt 1.4 Mio landesweit). Es ist anzunehmen, dass die tatsächliche Zahl größer ist, insb. wenn man sie mit den Angaben über andere, kleinere Nationalitäten vergleicht (ca. 11.400 Osseten, über 17.000 Mordwinen). Dabei ist auch zu bedenken, dass laut der Statistik fast 700.000 Personen keine Angaben über ihre nationale Zugehörigkeit machten. In den meisten Regionen Russlands lag die Anzahl der Tschetschenen bei der Volkszählung 2010 bei einigen Hundert, größere Gemeinschaften gab es in Dagestan (ca. 93.600), in Inguschetien (ca. 18.700), sowie in den südlichen Regionen Astrachan (ca. 7.200), Wolgograd (fast 10.000), Rostow (ca. 11.500), Stawropol (ca. 12.000), Saratow (ca. 5.700) und im westsibirischen Tjumen (ca. 10.500) (ÖB Moskau 10.2015).
Gemäß Einschätzung verschiedener NGOs greifen Strafverfolgungsbehörden oft auf ein ethnisches "Profiling" zurück. Dieses richte sich besonders gegen Personen aus dem Kaukasus und Zentralasien. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina beschuldigen russische Behörden Personen aus dem Nordkaukasus oft willkürlich für Straftaten, die sie nicht begangen, die sich aber tatsächlich ereignet hätten. Die Ermittler würden eine Straftat so darstellen, dass die Mitschuld der betroffenen Person aus dem Nordkaukasus als erwiesen erscheine. Nach Angaben von Gannuschkina würden dabei auch Geständnisse mittels Folter (Schläge, Elektroschocks, Vergewaltigung oder die Androhung von Vergewaltigung) erpresst. Staatsanwälte unterstützten in der Regel diese Untersuchungen. Die Gerichte würden die Mängel der Untersuchung ignorieren und oft eine unbedingte Strafe verhängen. Laut Gannuschkina versuchen Polizeivertreter, die Zahl von aus dem Nordkaukasus stammenden Personen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsgebieten zu verringern. Die polizeilichen Führungskräfte würden diese Maßnahmen unterstützen. Nach Angaben einer westlichen Botschaft in Moskau aus dem Jahr 2012 kommen fingierte Strafverfahren vor, jedoch nicht in systematischer Weise. Es gebe Berichte, dass insbesondere junge muslimische Personen aus dem Nordkaukasus Opfer solcher Praktiken werden können. Auch die norwegische Landinfo kommt im März 2014 zum Schluss, dass es weiterhin fingierte Strafverfahren gegen Personen aus dem Nordkaukasus und Tschetschenien gebe (SFH 25.7.2014).
Menschenrechtsorganisationen berichten glaubhaft, dass Personen kaukasischer oder zentralasiatischer Herkunft von den Behörden häufig benachteiligt werden. Zu den in jüngerer Zeit bekannt gewordenen Schikanen gehören:
Die tschetschenische Diaspora in allen russischen Großstädten ist in den letzten Jahren stark angewachsen (200.000 Tschetschenen sollen allein in Moskau leben) (AA 5.1.2016).
Laut UNHCR in Moskau gibt es in der gesamten Russischen Föderation tschetschenische Communities. Die größten befinden sich in Moskau, der Region Moskau und in St. Petersburg. Hauptsächlich arbeiten Tschetschenen im Baugewerbe und im Taxibusiness. In der Region Wolgograd leben ca. 20.000 Tschetschenen. Einige von ihnen leben dort schon seit 30 Jahren. Viele flohen aus Tschetschenien während der beiden Kriege. Mittlerweile sind die Zahlen von ankommenden Tschetschenen geringer geworden. 2013 kamen weniger als 500 Tschetschenen in die Region. Die meisten Tschetschenen verlassen die Republik aufgrund der sehr bescheidenen sozio-ökonomischen Aussichten in ihrer Heimatrepublik. Laut Memorial Wolgograd gibt es keine Beschwerden von Tschetschenen in der Region aufgrund von Rassismus oder Diskriminierung. Tschetschenen haben denselben Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem wie alle anderen russischen Staatsbürger. Heutzutage kommen Tschetschenen hauptsächlich zum Zwecke eines Studiums nach Wolgograd. Mittlerweile sind die Lebensbedingungen in Wolgograd nicht so gut wie in Tschetschenien. Dies liegt an den föderalen Fördermittel, die Tschetschenien erhält. Die Bevölkerung in Wolgograd sinkt, während jene in Tschetschenien steigt (DIS 1.2015).
Beträchtliche tschetschenische Gemeinschaften gibt es auch in den Städten und Regionen im südlichen Russland, darunter in Wolgograd, Saratov, Samara und Astrachan. Von den rund 100.000 Tschetschenen, die 1996 nach Moskau flohen, halten sich heutzutage noch rund 25.000 in der Region Moskau auf. Diese haben dort eine dauerhafte Registrierung. Zusätzlich lebt eine große Gruppe von Tschetschenen in Moskau und der Region Moskau, die nicht registriert ist, oder nur vorübergehend registriert ist. Ein großer Anteil der außerhalb Tschetscheniens lebenden Tschetschenen hätte keine Registrierung und arbeitet im Handel, auf Märkten und in Cafes. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence umfasst die tschetschenische Gemeinde in der Region St. Petersburg 20.000 bis 30.000 Personen. Viele würden auch zu Besuchen oder um Schulen oder Universitäten zu besuchen nach St. Petersburg kommen. Obwohl Rassismus gegenüber Kaukasiern in St. Petersburg vorkomme, ist dieser "nicht unerträglich". Ein ethnischer Tschetschene in St. Petersburg schätzte die Anzahl der Tschetschenen in St. Petersburg selbst auf 13.000. Ein anderer Tschetschene in Moskau gab an, dass die sozioökonomische Lage in Moskau zwar besser sei als in Tschetschenien, aber dass viele Tschetschenen es dennoch schwer hätten, Arbeit zu finden. Einem Vertreter einer NGO zufolge könnte es für einen Tschetschenen schwer sein, in einen anderen Teil der Russischen Föderation zu ziehen, wenn man dort keinerlei Verwandte hat. Jedoch gibt es Tschetschenen in fast allen Regionen Russlands. Das Bestehen einer tschetschenischen Gemeinschaft in einer Region kann Neuankömmlingen zur Unterstützung oder zum Schutz gereichen, es sei denn, es handelt sich um einen Clan-Konflikt. Laut SOVA leben viele Tschetschenen in der Region Stavropol, es gibt viele tschetschenische Studenten an der Universität der Stadt Stavropol. Dies führte bereits zu kleineren Spannungen im Süden der Region. Betreffend rassistisch motivierter Gewalt gibt es keine allein Tschetschenen betreffenden Daten, Tschetschenen gehören hier zur Gruppe der Kaukasier. Es gibt keine Hinweise, dass Tschetschenen mehr als andere ethnische Gruppen aus dem Kaukasus Hassverbrechen zum Opfer fallen. Untererfassung von Hassverbrechen ist gemäß SOVA ein Thema und dürfte im Steigen begriffen sein. Im Verlauf der letzten 10 Jahre konzentrierten sich ultranationalistische Banden bei rassistisch motivierter Gewalt immer mehr auf Zentralasiaten, nicht zuletzt weil sich Kaukasier dieser Gewalt zunehmend widersetzten. IOM bestätigte, dass die Grenze zwischen Tschetschenien und dem restliche Russland völlig offen ist. Zudem gab IOM an, dass es in Russland einen politischen Willen zur Bekämpfung von Hassverbrechen, Diskriminierung und Korruption zu geben scheint. Einer westlichen Botschaft zufolge schenken Strafgerichte heutzutage Hassverbrechen mehr Aufmerksamkeit. Swetlana Gannuschkina und Oleg Orlov (Memorial) gehen davon aus, dass Tschetschenen in andere Regionen Russlands ziehen können, und einige tun dies auch. Ist eine Person nicht offenkundig kritisch gegenüber Kadyrow, so kann diese überall in der Russischen Föderation leben, ohne Angst haben zu müssen getötet oder in die Republik Tschetschenien zurückgeschickt zu werden. Wird eine Person aber tatsächlich von Kadyrow gesucht, so könnte jener die Person überall in der Welt, auch in Kopenhagen, Wien, Dubai oder Moskau finden. Laut einem Anwalt von Memorial könnten Personen in Verbindung mit Oppositionsführern mit hohem Bekanntheitsgrad, aktive Rebellenkämpfer oder bekannte und tatverdächtige Terroristen der Bedrohung einer Entführung oder Tötung durch tschetschenische Behörden ausgesetzt sein. Ein Vertreter der Chechen Social and Cultural Association betrachtet es als unmöglich für die tschetschenischen Behörden, einen low-profile-Unterstützer der Rebellen in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zu finden (DIS 11.10.2011).
Im Mai/Juni 2012 schätzte eine westliche Botschaft die Anzahl der Tschetschenen in Moskau auf Hunderttausende. Außerhalb Tschetscheniens leben die meisten Tschetschenen in Moskau und der Region Stawropol, eine größere Anzahl an Tschetschenen kann in St. Petersburg, Jaroslawl, Wolgograd und Astrachan gefunden werden. SK-Strategy schätzt die Zahl der in Moskau lebenden Tschetschenen auf 100.000 bis 200.000, rund 70.000 Tschetschenen seien in Moskau registriert, rund 50.000 in Jaroslawl. Die NGO Vainakh Congress schätzt die Zahl der Tschetschenen in der Region St. Petersburg auf 20.000 bis 30.000. Eine zunehmende Anzahl von jungen Kaukasiern studiert an Universitäten in Moskau, diese würden ihre ethnische Zugehörigkeit und Kultur offen zur Schau stellen; gelegentlich käme es zu (auch physischen) Auseinandersetzungen. Einer internationalen Organisation zufolge sind Moskau und St. Petersburg nicht mit anderen Städten Russlands vergleichbar, da dort die Menschen mehr Vorurteile gegenüber Migranten haben. Nicht nur Tschetschenen sind in den großen Städten Diskriminierung ausgesetzt. Die internationale Organisation geht jedoch nicht davon aus, dass im Allgemeinen diese Diskriminierung eine Verfolgung darstellt. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture ist Diskriminierung von Tschetschenen durch Behörden (etwa Polizisten) nicht auf einen Erlass oder Befehl der Regierung zurückzuführen, sondern auf persönliche Vorurteile und das Misstrauen einzelner (DIS 8.2012).
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann (BAA Staatendokumentation 20.4.2011).
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15. Gefälschte Dokumente
In Russland kann man jegliche Art von Dokumenten kaufen. Auslandsreisepässe sind schwieriger zu bekommen, aber man kann auch diese kaufen. Es handelt sich bei den Dokumenten oft um echte Dokumente mit echten Stempeln und Unterschriften, aber mit falschem Inhalt. Die Art der Dokumente hierbei können z.B. medizinische Protokolle (medical journals), Führerscheine, Geburtsurkunden oder Identitätsdokumente sein. Ebenso ist es möglich, echte Dokumente mit echtem Inhalt zu kaufen, bei der die Transaktion der illegale Teil ist. Für viele Menschen ist es einfacher, schneller und angenehmer, ein Dokument zu kaufen, um einem zeitaufwändigem Kontakt mit der russischen Bürokratie zu vermeiden. Es soll auch gefälschte "Vorladungen" zur Polizei geben (DIS 1.2015).
Die von den staatlichen Behörden ausgestellten Dokumente sind in der Regel echt und inhaltlich richtig. Dokumente russischer Staatsangehöriger aus den russischen Kaukasusrepubliken (insbesondere Reisedokumente) enthalten hingegen nicht selten unrichtige Angaben. In Russland ist es darüber hinaus auch möglich, Personenstands und andere Urkunden zu kaufen, wie z.B. Staatsangehörigkeitsausweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle, Gerichtsurteile. Häufig sind Fälschungen primitiv und leicht zu identifizieren. Es gibt aber auch Fälschungen, die mit chemischen Mitteln auf Originalvordrucken professionell hergestellt wurden und nur mit speziellen Untersuchungen erkennbar sind (AA 5.1.2016).
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16. Grundversorgung/Wirtschaft
Im August 2015 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in Russland 75,9 Millionen, somit ungefähr 53 % der Gesamtbevölkerung. Die Arbeitslosenrate liegt bei 5,3%. Der Durchschnittslohn im Juni 2015 lag bei 31.100 RUB (EUR 425) (IOM 8.2015).
Die hohen internationalen Energiepreise sorgten 2012 für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Die Industrieproduktion stieg, allerdings lag der Zuwachs unter den Vorjahreswerten. Die Arbeitslosenrate sank zwischen 2010 und 2012 von 7,2% auf 5,4% und die Durchschnittslöhne lagen 2011 und 2012 deutlich höher als vor der Finanzkrise 2008/9. Während 2012 für Russland insgesamt also zufriedenstellend verlief, war 2013 wegen der Konjunkturschwäche im Euro-Raum und der weltweit gesunkenen Rohstoffpreise schwach. Nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2012, kam es für 2013 nur noch zu einem leichten Wachstum von 1,3%. Das Land ist in eine Phase anhaltender wirtschaftlicher Stagnation getreten. Gleichzeitig stieg Russland im Ranking von "Doing Business" von Platz 112 in 2012 über Platz 92 in 2013 und Platz 64 in 2014 auf Platz 51 in 2016. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund zehn Prozent des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsten das Wirtschaftswachstum. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an. Im Index of Economic Freedom nimmt Russland 2016 den 153. Platz unter 178 Ländern ein. Das schlechte Investitionsklima schlägt sich in einer niedrigen Rate ausländischer Investitionen nieder. Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit bremsen die wirtschaftliche Entwicklung aus. Seit Anfang 2014 hat die Landeswährung mehr als ein Drittel ihres Wertes im Vergleich zum Euro verloren, was unter anderem an den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und dem fallenden Ölpreis liegt. Durch den Währungsverfall sind die Preise für Verbraucher erheblich gestiegen, die Inflationsrate betrug Ende 2015 ca 15%. 2015 gerät die russische Wirtschaft in eine schwere Rezession. Nach dem BIP-Rückgang um 3,7% 2015 prognostiziert die russische Zentralbank für 2016 einen weiteren BIP-Rückgang um 1,0%. (GIZ 4.2016b).
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16.1. Nordkaukasus
Die nordkaukasischen Republiken ragen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ 4.2016a).
Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt (ÖB Moskau 10.2015).
Der Kreml verfolgt seit einigen Jahren einen Ansatz, der auf regionale wirtschaftliche Entwicklung setzt und viele der Republiken im Nordkaukasus – allen voran Tschetschenien – haben durch zahlreiche Verwaltungs- und Finanzreformen heute mehr Unabhängigkeit als Anfang der 1990er Jahre jemals anzunehmen gewesen wäre. Auch der Tourismus soll in der landschaftlich attraktiven Region helfen, die Spirale aus Armut und Gewalt zu durchbrechen, wie insbesondere in der Entscheidung, die olympischen Winterspiele 2014 im unweit der Krisenregion gelegenen Sotschi auszutragen, deutlich wird. Zudem profitieren einige Teilrepubliken von Rohstoffvorkommen und so lassen sich auch einige sichtbare Zeichen von wirtschaftlichem Aufschwung und Wiederaufbau im Nordkaukasus ausmachen. Als beispielhaft dafür steht unter anderem die tschetschenische Hauptstadt Grosny, die nach ihrer fast völligen Zerstörung heute durchaus auflebt. Die schlechte Sicherheitslage und ein weit gestricktes Netzwerk aus Korruption, die zu einem wesentlichen Teil von den Geldern des russischen Zentralstaats lebt, blockieren aber eine umfassende und nachhaltige Entwicklung des Nordkaukasus. Das grundlegende Problem liegt in der russischen Strategie, den Konflikt durch die Übertragung der Verantwortung an lokale Machtpersonen mit zweifelhaftem Ruf zu entmilitarisieren. Deren Loyalität zu Moskau aber basiert fast ausschließlich auf erheblichen finanziellen Zuwendungen und dem Versprechen der russischen Behörden, angesichts massiver Verstrickungen in Strukturen organisierter Kriminalität beide Augen zuzudrücken. Ein wirksames Aufbrechen dieses Bereicherungssystems jedoch würde wiederum die relative Stabilität gefährden. Nachhaltige Entwicklungsfortschritte bleiben deshalb bislang weitgehend aus und insbesondere die hohe regionale Arbeitslosigkeit bildet einen Nährboden für neue Radikalisierung. Um dem zu begegnen und den islamistischen Militanten den ideologischen Nährboden zu entziehen, hat die russische Regierung Initiativen in Medien gestartet und in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden Programme zur De-Radikalisierung und zum interkulturellen Dialog entwickelt. Der langfristige Erfolg solcher Maßnahmen bleibt dabei abzuwarten, in jedem Fall aber wird seitens Moskau versucht dem Nordkaukasus eine Perspektive zu schaffen (Zenithonline 10.2.2014).
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16.2.Tschetschenien
Die wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich aufgrund massiver Transferzahlungen aus dem föderalen Budget in den letzten Jahren stabilisiert. Laut der Zeitung RBK Daily wurden seit 2001 rund 464 Mrd. Rubel (ca. 14 Mrd. USD) in den Wiederaufbau der Republik investiert. Obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind, bestehen noch immer über 85% des Budgets der Republik aus Direktzahlungen aus Moskau. Offiziell vermeldete Tschetschenien 2014 ein Wachstum von 7.8%, eine Steigerung von über 23% der Industrieproduktion sowie eine Erhöhung der Landwirtschaftsproduktion von 2.2%. Die Arbeitslosenquote betrug laut offiziellen Statistiken der Republik in der 1. Hälfte 2015 rund 15.2%, was von Experten jedoch als zu niedrig angezweifelt wird. Der monatliche Durchschnittslohn in Tschetschenien liegt bei 21.703 Rubel (landesweit: 31.200 Rubel), die durchschnittliche Rentenhöhe bei 10.460 Rubel (landesweit: 10.919 Rubel). Die Höhe des Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung ist mit 7.471 Rubel pro Monat festgelegt (landesweit: 8.900 Rubel), für Rentner mit 5.799 Rubel (landesweit: 6.800 Rubel) und für Kinder mit 5.949 Rubel (landesweit: 7.800 Rubel). Korruption ist nach wie vor weit verbreitet und große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Laut einem rezenten Bericht der International Crisis Group gibt es glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrovs Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Charity-Projekte, Kritiker werfen ihm jedoch vor, als Vehikel zur persönlichen Bereicherung Kadyrovs und der ihm nahestehenden Gruppen zu dienen. Selbst die nicht als regierungskritisch geltende Tageszeitung "Kommersant" bezeichnete den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 10.2015).
Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich dank großer Zuschüsse aus dem russischen Föderalen Budget nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen seit 2007 verbessert – ausgehend von sehr niedrigem Niveau. Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen dank föderaler Gelder fast vollständig wieder aufgebaut. Gleichwohl bleiben Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut der Bevölkerung das größte soziale Problem. Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich und findet unter zunehmend günstigen materiellen Bedingungen statt. Nach Angaben der Vereinten Nationen entspricht die Anzahl der Lehrer wieder dem Niveau vor den Tschetschenienkriegen, allerdings sei die Versorgung mit Lernmitteln häufig noch unzureichend. Wohnraum bleibt ein Problem. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden in den Tschetschenienkriegen seit Anfang der neunziger Jahre über 150.000 private Häuser sowie ca. 73.000 Wohnungen zerstört. Die Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum ist noch nicht abgeschlossen. Problematisch ist auch in diesem Zusammenhang die Korruption (es wird davon ausgegangen, dass 30-50% gewährter Kompensationssummen als Schmiergelder gezahlt werden müssen) (AA 5.1.2016).
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17. Sozialbeihilfen
Russland hat ein grundlegendes Sozialsystem, welches Renten verwaltet und Hilfe für gefährdete Bürger gewährt (IOM 8.2015). Das soziale Sicherungssystem wird von vier Institutionen getragen: dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem Staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Die Rentenreform sieht die Gründung der nichtstaatlichen Rentenfonds vor, die neben der Grundversicherung einen zusätzlichen privaten Teil der Rente ermöglichen. Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder- und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau (GIZ 3.2016c).
Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in der Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden. Personen, die soziale Unterstützung erhalten können:
Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich:
Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen. Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen (IOM 6.2014).
MedCOI erwähnt weitere Kategorien von Bürgern, denen unterschiedliche Arten von sozialer Unterstützung gewährt wird:
Renten
Familienhilfe:
Die Regierung will die Bevölkerungszahl erhöhen. Daher erhalten
Familien mit drei oder mehr Kindern folgende Begünstigungen:
Behinderung
Wohnungswesen
Bürger ohne Unterkunft oder mit unzumutbarer Unterkunft und sehr geringem Einkommen können kostenfreie Apartments beantragen
Arbeitslosenhilfe
Im Nordkaukasus besteht die höchste Arbeitslosenquote des Landes. Arbeitslose (mit Ausnahme von Schülern, Studenten und Rentnern) können sich bei den Arbeitsagenturen arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Die Arbeitsagentur wird innerhalb von zehn Tagen einen Arbeitsplatz anbieten. Lehnt der Bewerber die Stellen ab, wird er als arbeitslos eingetragen. Die Arbeitslosenhilfe basiert auf Durchschnittslohn der letzten Arbeit und ist auf ein Minimum und Maximum von der russischen Gesetzgebung begrenzt. Seit 2009 ist das Minimum RUB 850 (USD 15) pro Monat und das Maximum RUB 4.900 (USD 82). Die Förderung wird monatlich ausgezahlt, sofern der Begünstigte die notwendigen Verfahren der Neubewerbung (gewöhnlich zweimal im Monat) nach den Bedingungen der Arbeitsagentur durchläuft. Notwendige Unterlagen und Dokumente sind ein Reisepass oder ein gleichwertiges Dokument und ein Arbeitsbuch oder eine Kopie, die Lohnbescheinigung des letzten Jahres, die Steueridentifikationsnummer (INN certificate), der Rentenversicherungsausweis und Dokumente zum Nachweis der Ausbildung und Berufserfahrung (IOM 8.2015).
Unterbrechung der Arbeitslosenhilfe in folgenden Fällen:
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17.1. Krankenversicherung
Seit dem 1. Januar 2011 gibt es ein neues Gesetz über die Krankenpflichtversicherung. Vor dem 1. Mai 2011 gab es in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Krankenversicherungen, danach traten neue Regeln für den Abschluss einer universellen Krankenversicherung in Kraft. Die Änderung der Krankenversicherungen tritt nach und nach in den einzelnen Regionen in Kraft. Die versicherten Personen sollen medizinische Versorgung in Gesundheitszentren kostenfrei erhalten mit sowohl den alten als auch den neuen Krankenversicherungen. Die alten Krankenversicherungen bleiben so lange in Kraft, bis sie durch die neue Versicherung ersetzt werden, egal welche Gültigkeitsdauer auf der alten Krankenversicherung angegeben ist. Es gibt keine Richtlinie, die die Dauer des Austausches der Krankenversicherungen festlegt. Wenn jetzt ein Versicherungsnehmer seinen Job wechselt oder verlässt, bleibt die Versicherung gültig und es ist nicht notwendig, eine neue Versicherung abzuschließen. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird (IOM 6.2014).
Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes:
* Notfallbehandlung
* Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken
* Stationäre Behandlung
* Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)
Jede OMS-registrierte Person hat eine Krankenversicherung mit einer individuellen Nummer, wodurch ihnen der Zugang zur kostenfreien medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation garantiert wird; unabhängig von ihrem Wohnort. Bei der Anmeldung in einer Klinik muss zunächst die Versicherungsbescheinigung vorgelegt werden, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Die Notfallbehandlung kann von allen russischen Staatsbürgern kostenlos in Anspruch genommen werden, unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht. Um eine Krankenversicherung zu erhalten, müssen die Bürger an eine der Krankenversicherungen einen Antrag stellen und die folgenden Dokumente vorlegen: Antrag, Identifikationsdokument (für Erwachsene über 14 Jahre ein Reisepass oder vorläufiger Ausweis, für Kinder die Geburtsurkunde und den Pass bzw. vorläufigen Ausweis des Erziehungsberechtigten) und u.U. die Versicherungspolice der Rentenpflichtversicherung. Die Aufnahme in die Krankenversicherung sowie die Erneuerung sind kostenfrei. Für Kinder bis einschließlich 14 Jahren existiert ein gesondertes System der kostenlosen medizinischen Versorgung, sofern eine Registrierung in der Krankenpflichtversicherung (OMS) vorliegt. Kinder, die älter als 14 sind werden in der Regel in medizinischen Einrichtungen für Erwachsene behandelt. Einige Kliniken (staatliche und private) bieten kostenlose medizinische Konsultationen über das Internet an. Ausländische Staatsbürger haben in Russland nur Zugang zur medizinischen Grundversorgung, d.h. zur notfallmedizinischen Behandlung. Darüber hinausgehende Behandlungen werden in Rechnung gestellt und sind entweder durch direkte Zahlung an die jeweilige Klinik oder gegebenenfalls über die Krankenversicherung des Ausländers zu begleichen. Medizinische Versorgung gegen Bezahlung wird von privaten Gesundheitseinrichtungen unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit angeboten. Umfragen zufolge haben 35% der Bevölkerung eine medizinische Serviceleistung gegen Bezahlung bereits in Anspruch genommen. Aufgrund der hohen Kosten kann der Großteil der Bevölkerung von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch machen. Neben der geschilderten Krankenpflichtversicherung können sowohl russische Staatsbürger als auch Ausländer gegen Bezahlung eine Freiwillige Krankenversicherung (DMS) abschließen, die immer weiter verbreitet ist. Ein Netz von Versicherungsgesellschaften bietet die entsprechenden Dienstleistungen an, wobei die Kosten für eine Versicherung - je nach Ruf der Versicherung und des gebotenen Servicepakets - zwischen 400 und mehreren tausend USD liegen können. Die meisten Versicherungsgesellschaften bevorzugen die Zusammenarbeit mit juristischen Personen. In den vergangenen zehn Jahren sind jedoch zunehmend Versicherungsprogramme für Privatpersonen aufgelegt worden (IOM 6.2014).
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18. Medizinische Versorgung
Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert. Russland weist zwar im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl der Ärzte und der Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung auf, das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt aber ineffektiv (GIZ 3.2016c). Die Einkommen des medizinischen Personals sind noch immer vergleichsweise niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und insbesondere HIV/AIDS, breiten sich weiter aus. In den letzten Jahren wurden in die Modernisierung des Gesundheitswesens erhebliche Geldmittel investiert. Der aktuelle Kostendruck im Gesundheitswesen führt aber dazu, dass viele Krankenhäuser geschlossen werden (AA 3.2016a, vergleiche GIZ 3.2016c). In Moskau, St. Petersburg und einigen anderen Großstädten gibt es einige meist private Krankenhäuser, die hinsichtlich der Unterbringung und der technischen und fachlichen Ausstattung auch höheren Ansprüchen gerecht werden. Notfallbehandlungen in staatlichen Kliniken sind laut Gesetz grundsätzlich kostenlos. Die Apotheken in den großen Städten der Russischen Föderation haben ein gutes Sortiment, wichtige Standardmedikamente sind vorhanden. Medikamentenfälschungen mit unsicherem Inhalt kommen allerdings vor (AA 25.5.2016b).
Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326-FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft und seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Serviceleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist. Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Das territoriale Prinzip sieht vor, dass die Zuordnung zu einer medizinischen Anstalt anhand des Wohn-, Arbeits-, oder Ausbildungsorts erfolgt. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen, als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen, als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. Selbstbehalte sind nicht vorgesehen. Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung, sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise durchaus erwartet wird (ÖB Moskau 10.2015).
Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert (GIZ 3.2016c).
Medizinische Versorgung gibt es bei staatlichen und privaten Einrichtungen. Staatsbürger haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu kostenfreier medizinischer Versorgung. Vorausgesetzt für OMS (OMS-Karte) sind gültiger Pass, Geburtsurkunde für Kinder unter 14 Jahren; einzureichen bei der nächstliegenden Krankenversicherungsfirma. Sowohl an staatlichen, wie auch privaten Kliniken bezahlte medizinische Dienstleistungen verfügbar; direkte Zahlung an Klinik oder im Rahmen von freiwilliger Krankenversicherung (Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 8.2015).
Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes:
* Notfallbehandlung
* Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken
* Stationäre Behandlung
* Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)
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18.1. Tschetschenien
Zur aktuellen Lage der medizinischen Versorgung liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung inzwischen das durchschnittliche Niveau in der Russischen Föderation erreicht haben. Problematisch bleibt laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben (AA 5.1.2016).
Das Gesundheitssystem in Tschetschenien wurde seit den zwei Kriegen großteils wieder aufgebaut. Die Krankenhäuser sind neu und die Ausrüstung modern, jedoch ist die Qualität der Leistungen nicht sehr hoch aufgrund des Mangels an qualifiziertem Personal (Landinfo 26.6.2012).
Es ist sowohl primäre, als auch spezialisierte Gesundheitsversorgung verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand, als in den Nachbarrepubliken, da viele erst vor kurzem erbaut worden sind. Laut föderalem Gesetz werden bestimmte Medikamente kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes. Auch gibt es bestimmte Personengruppen, die bestimmte Medikamente kostenfrei erhalten. Dazu gehören Kinder unter drei Jahren, Kriegsveteranen, schwangere Frauen und Onkologie- und HIV-Patienten. Verschriebene Medikamente werden in staatlich lizensierten Apotheken kostenfrei gegen Vorlage des Rezeptes abgegeben (DIS 1.2015, vergleiche hierzu auch Kapitel 24.7 Medikamente).
Die Einkommen des medizinischen Personals liegen unter dem Durchschnitt. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (AA 3.2016a). Falls z.B. innerhalb der Familie nicht genügend Geld für eine teure Operation vorhanden ist, kann man sich an eine in der Clanstruktur höher stehende Person wenden. Aufgrund bestehender Clanstrukturen sind die Familien in Tschetschenien finanziell besser abgesichert als in anderen Teilen Russlands (BAMF 10.2013).
Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land, ist es – wie für alle Bürger der Russischen Föderation – auch für Tschetschenen möglich, bei Krankheiten, die in Tschetschenien nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) vergleiche dazu Kapitel 21. Bewegungsfreiheit/Meldewesen). Krebsbehandlung wurde zum größten Teil außerhalb der Republik Tschetschenien gemacht, jedoch wurde kürzlich ein onkologisches Krankenhaus fertiggestellt mit dem man bald Chemotherapie, Strahlentherapie und Operationen durchführen möchte. Im letzten Jahr wurden insgesamt ca. 3.000 Patienten zu unterschiedlichen Behandlungen in Krankenhäuser in anderen Republiken geschickt (DIS 1.2015).
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18.1.1. Gesundheitseinrichtungen in Tschetschenien
Gesundheitseinrichtungen, die die ländlichen Gebiete Tschetscheniens abdecken sind "Achkhoy-Martan RCH” (regional central hospital), "Vedenskaya RCH", "Grozny RCH", "Staro-Yurt RH” (regional hospital), "Gudermessky RCH", "Itum-Kalynskaya RCH", "Kurchaloevskaja RCH", "Nadterechnaye RCH", "Znamenskaya RH", "Goragorsky RH", "Naurskaya RCH", "Nozhai-Yurt RCH", "Sunzhensk RCH", Urus-Martan RCH", "Sharoy RH", "Shatoïski RCH", "Shali RCH", "Chiri-Yurt RCH", "Shelkovskaya RCH", "Argun municipal hospital N° 1" und "Gvardeyskaya RH" (BDA CFS 31.3.2015).
Gesundheitseinrichtungen, die alle Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind: "The Republican hospital of emergency care" (former Regional Central Clinic No. 9), "Republican Centre of prevention and fight against AIDS", "The National Centre of the Mother and Infant Aymani Kadyrova", "Republican Oncological Dispensary", "Republican Centre of blood transfusion", "National Centre for medical and psychological rehabilitation of children", "The Republican Hospital", "Republican Psychiatric Hospital", "National Drug Dispensary", "The Republican Hospital of War Veterans", "Republican TB Dispensary", "Clinic of pedodontics", "National Centre for Preventive Medicine", "Republican Centre for Infectious Diseases", "Republican Endocrinology Dispensary", "National Centre of purulent-septic surgery", "The Republican dental clinic", "Republican Dispensary of skin and venereal diseases", "Republican Association for medical diagnostics and rehabilitation", "Psychiatric Hospital ‘Samashki’, "Psychiatric Hospital ‘Darbanhi’", "Regional Paediatric Clinic", "National Centre for Emergency Medicine", "The Republican Scientific Medical Centre", "Republican Office for forensic examination", "National Rehabilitation Centre", "Medical Centre of Research and Information", "National Centre for Family Planning", "Medical Commission for driving licenses" und "National Paediatric Sanatorium ‘Chishki’" (BDA CFS 31.3.2015).
Städtische Gesundheitseinrichtungen in Grosny sind: "Clinical Hospital N° 1 Grozny", "Clinical Hospital for children N° 2 Grozny", "Clinical Hospital N° 3 Grozny", "Clinical Hospital N° 4 Grozny", "Hospital N° 5 Grozny", "Hospital N° 6 Grozny", "Hospital N° 7 Grozny", "Clinical Hospital N° 10 in Grozny", "Maternity N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 1 in Grozny", "Polyclinic N° 2 in Grozny",
"Polyclinic N° 3 in Grozny", "Polyclinic N° 4 in Grozny",
"Polyclinic N° 5 in Grozny", "Polyclinic N° 6 in Grozny",
"Polyclinic N° 7 in Grozny", "Polyclinic N° 8 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 1", "Paediatric polyclinic N° 3 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 4 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 5", "Dental complex in Grozny", "Dental Clinic N° 1 in Grozny", "Paediatric Psycho-Neurological Centre", "Dental Clinic N° 2 in Grozny" und "Paediatric Dental Clinic of Grozny" (BDA CFS 31.3.2015).
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1.1. Behandlungsmöglichkeiten von psychiatrischen Krankheiten (z.B. PTBS, Depressionen, akutes Stresssyndrom, Panische Störungen, Schizophrenie etc.)
Psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Behandlungen durch einen Psychologen/Psychiater sind in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Es gibt auch psychiatrische Krisenintervention bei Selbstmordgedanken z.B. im Psychiatric Clinical Hospital #1 in Moskau (BMA 7754).
Posttraumatische Belastungsstörung ist in der gesamten Russischen Föderation behandelbar. Z.B. im Alexeevskaya (Kacshenko) hospital, Zagorodnoye shosse 2, Moscow (BMA 6051). Dies gilt unter anderem auch für Tschetschenien z.B. im Republican Psychoneurological Dispenser, Verkhoyanskaya Str. 10, Grosny (BMA 6551, vergleiche BMA 7979).
Wie in anderen Teilen Russlands werden auch in Tschetschenien mentale Krankheiten hauptsächlich mit Medikamenten behandelt, und es gibt nur selten eine Therapie. Die Möglichkeiten für psychosoziale Therapie oder Psychotherapie sind aufgrund des Mangels an notwendiger Ausrüstung, Ressourcen und qualifiziertem Personal in Tschetschenien stark eingeschränkt. Es gibt keine spezialisierten Institutionen für PTBS, jedoch sindt follow-up und Psychotherapie möglich. Ambulante Konsultationen und Krankenhausaufenthalte sind im Republican Psychiatric Hospital of Grozny für alle in Tschetschenien lebende Personen kostenlos. Auf die informelle Zuzahlung wird hingewiesen. Üblicherweise zahlen Personen für einen Termin wegen psychischen Problemen zwischen 700-2000 Rubel. Bei diesem Krankenhaus ist die Medikation bei stationärer und ambulanter Behandlung kostenfrei (BDA 31.3.2015).
Während es in Moskau unterschiedliche Arten von Therapien gibt (kognitive Verhaltenstherapie, Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen (EMDR) und Narrative Expositionstherapie), um PTSD zu behandeln (BMA 7980), gibt es in Tschetschenien nur Psychotherapie und diese in eingeschränktem Maß (BMA 7979). Diverse Antidepressiva sind aber in der gesamten Russischen Föderation verfügbar (BMA 7754, BMA 7979).
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1.1. Medikamente
Ambulante Patienten und zu Hause Behandelte müssen Medikamente bezahlen; ausgenommen sind solche, die vom Staat gedeckt sind. In 24-Stunden- und Tageskliniken gibt es kostenfreie Medikamente für Bürger, die von der OMS profitieren. Bei Notfällen sind Medikamente kostenfrei. Gewöhnlich kaufen Russen ihre Medikamente auf eigene Kosten. Bürger mit gewissen Krankheiten wird Unterstützung gewährt, u. a. kostenfreie Medikamente, Sanatorium Behandlung und Transport. Kosten für Medikamente variieren, feste Preise bestehen nicht (IOM 8.2015).
Im Allgemeinen gilt, dass alle russischen Staatsbürger - sowohl im Rahmen einer Krankenpflichtversicherung als auch anderweitig versicherte - für etwaige Medikamentenkosten selbst aufkommen. Ausnahmen von dieser Regelung gelten nur für besondere Personengruppen, die an bestimmten Erkrankungen leiden und denen staatliche Unterstützung zuerkannt worden ist (einschließlich kostenloser Medikation, Sanatoriumsbehandlung und Transport (Nahverkehr und regionale Züge). Die Behandlung und die Medikamente für einige Krankheiten werden auch aus regionalen Budgets bestritten. Die Liste von Erkrankungen, die Patienten berechtigen, Medikamente kostenlos zu erhalten, wird vom Ministerium für Gesundheit erstellt. Sie umfasst: Makrogenitosomie, multiple Sklerose, Myasthenie, Myopathie, zerebrale Ataxie, Parkinson, Glaukom, geistige Erkrankungen, adrenokortikale Insuffizienz, AIDS/HIV, Schizophrenie und Epilepsie, systemisch chronische Hauterkrankungen, Bronchialasthma, Rheumatismus, rheumatische Gicht, Lupus Erythematosus, Morbus Bechterew, Diabetes, Hypophysen-Syndrom, zerebral-spastische Kinderlähmung, fortschreitende zerebrale Pseudosklerose, Phenylketonurie, intermittierende Porphyrie, hämatologische Erkrankungen, Strahlenkrankheit, Lepra, Tuberkulose, akute Brucellose, chronisch-urologische Erkrankungen, Syphillis, Herzinfarktnachsorge (6 Monate nach dem Infarkt), Aorten- und Mitralklappenersatz, Organtransplantationen, Mukoviszidose bei Kindern, Kinder unter drei Jahren, Kinder unter sechs Jahren aus sehr kinderreichen Familien, im Falle bettlägeriger Patienten erhält ein Angehöriger oder Sozialarbeiter die Medikamente gegen Verschreibung. Die Medikamentenpreise sind von Region zu Region und, teilweise auch in Abhängigkeit von der Lage einer Apotheke unterschiedlich, da es in der Russischen Föderation keine Fixpreise für Medikamente gibt (IOM 6.2014).
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19. Behandlung nach Rückkehr
Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (im Folgenden: Rückübernahmeabkommen). Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation müssen sich alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden. Im November 2012 wurde etwa ein per Sammelflug aus Österreich rücküberstellter Tschetschene auf Grundlage eines Haftbefehls wegen KFZ-Diebstahls unmittelbar nach seiner Ankunft am Flughafen in Moskau verhaftet. Wenige Tage später wurde ein weiterer, mit demselben Flug rücküberstellte Tschetschene in Grozny in Haft genommen und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Über beide Fälle wurde in den österreichischen Medien intensiv berichtet. Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands hohe Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus, die landesweit hohe Inflation sowie das durch die Wirtschaftskrise ausgelöste Sinken der Realeinkommen. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können (ÖB Moskau 10.2015).
Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 5.1.2016).
Zahlreiche russische Staatsbürger, die sich im Ausland aufhalten, stehen in Opposition zur russischen Führung. Im Jahr 2013 hat etwa der ehemalige Schachweltmeister und Regimekritiker Garri Kasparow Russland vorerst verlassen. Der Ende 2013 nach zehnjähriger Haft amnestierte ehemalige Jukos-Eigner Michail Chodorkowskij lebt ebenfalls außerhalb Russlands. Auslieferungsersuchen der russischen Regierung in Bezug auf asylberechtigte Tschetschenen, wie z.B. den "Exilaußenminister" Achmed Sakajew, sind von der britischen Justiz abgelehnt worden. Apti Bisultanow, der ehemalige "Sozialminister" der tschetschenischen Separatistenregierung, sowie der ehemalige "Präsidentenberater" der Separatistenregierung Said-Hassan Abumuslimow leben in Deutschland. Russische Behörden werfen ihnen vor, Terrorismus zu propagieren oder zu verharmlosen. Es ist jedoch nach Kenntnis des Auswärtigen Amts zu keiner Anklageerhebung gegen diese Personen gekommen (AA 5.1.2016).
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Quelle: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2016 betreffend die Russische Föderation.
Brüder Gakayev und Ereignisse vom 23.01.2013
In einer Operation von russischen und tschetschenischen Sicherheitskräften am 23.01.2013 wurden nach einem Schusswechsel im Rayon Vedeno mindestens 12 Aufständische getötet. Unter den Toten befanden sich auch der Kommandant Hussein Gakayev und sein Bruder Muslim. Gouverneur Ramsan Kadyrov bezeichnete die Aktion als bedeutendsten Schlag gegen den Widerstand seit dem Tod des Feldkommandanten Shamil Basayev im Juli 2006. Hussein spielte seit 2007 eine Schlüsselrolle im tschetschenischen Widerstand und war verantwortlich für einen Angriff auf Tsentoroi (Khosi-Yurt), das Heimatdorf von Kadyrov, sowie das tschetschenische Parlament in Grosny. (RFE 24.1.2013). Berichten zufolge wird vermutet, dass es der Polizei zuvor gelungen ist, ein Mitglied der Aufständischen-Gruppe zu rekrutieren und als Maulwurf gegen diese einzusetzen (RFE 25.7.2013).
Quelle: BVwG vom 01.04.2016, Zl. W 182 2100166-1 bzw. BVwG vom 03.06.2015, Zl. W112 1420241-2.
Entscheidungsgrundlagen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
* gegenständliche Aktenlage, insbesondere Einvernahmeprotokolle.
Zur Situation im Herkunftsstaat:
* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 01.06.2016 und darin enthaltene Quellen sowie im RIS veröffentlichte Entscheidungen des BVwG betreffend die Brüder Gakayev.
Würdigung der Entscheidungsgrundlagen:
Gemäß Paragraph 29, Absatz eins, VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den Paragraphen 58 und 60 AVG entwickelt wurden (VwGH14.09.2016, Ra 2015/08/0145).
Die von Paragraph 60, AVG verlangte Zusammenfassung wird in Bezug auf die Beweiswürdigung kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen allerdings zwischen den Behauptungen und den Angaben der Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Behörde auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann.
Eine dem Paragraph 60, AVG entsprechende Entscheidungsbegründung muss (auch) zu widersprechenden Beweisergebnissen im einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was die Behörde veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen; die dabei vorgenommenen Erwägungen müssen schlüssig sein, das heißt mit den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen (VwGH 20.05.2015, Ra 2014/09/0041).
Zur Person des Beschwerdeführers:
Auf Grund der Einsichtnahme in den Visumsakt der österreichischen Botschaft in der Russischen Föderation für den Beschwerdeführer und der darin befindlichen Kopie eines bis 12.12.2013 gültigen russischen Reisepasses des BF kann festgestellt werden, dass es sich bei der visumwerbenden Person um den Beschwerdeführer handelte. Seine Staatsangehörigkeit und Herkunft erscheinen auch auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.
Aus dem Inhalt des österreichischen Visumsaktes ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführer in seinem diesbezüglichen Antrag vom 18.12.2012 vorbrachte und belegte, laufend über Einkünfte als Managementangestellter einer Firma zu verfügen, als Tourist nach Österreich reisen zu wollen und bereits über eine Buchung in einem österreichischen Hotel sowie ein Flugticket der Aeroflot (Moskau-Wien am 10.01.2013 sowie Wien-Moskau am 19.01.2013) zu verfügen. Da diese Angaben nicht mit seinen Angaben in dem von ihm unmittelbar nach Ablauf des erteilten Visums, am 04.02.2013 gestellten Asylantrages im österreichischen Bundesgebiet in Einklang stehen, wonach er in seinem Herkunftsstaat noch nie berufstätig gewesen sei sondern die Matura abgelegt, Berufsausbildungen in der Berufsschule erworben, von 2009 bis Sommer 2012 ein Fernstudium betrieben habe und von seinem Vater bzw. Onkel finanziell unterstützt worden sei sowie dass er von den tschetschenischen bzw. russischen Behörden verfolgt werde, ist sein Vorbringen im Asylverfahren über eine Verfolgung im Herkunftsstaat nicht glaubhaft, da dies im Widerspruch zu seinen ursprünglich angegebenen Einreisegründen steht.
Das Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe aus panischer Angst vor einer Abschiebung seine Einreise mit Visum niemandem anvertraut bzw. dass der Schlepper Buchungen fingiert habe, steht im Widerspruch zu den im Visumsakt aufliegenden Nachweisen über eine Hotelbuchung und die dort vorgelegten Flugtickets bzw. hätte der Beschwerdeführer selbst bei einer illegalen Einreise auf dem Landweg dieselben Befürchtungen haben müssen, weshalb sein Vorbringen nicht nachvollziehbar und weiters nicht glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer aus diesen Gründen falsche Angaben zu seinem Fluchtweg gemacht hat.
Die Feststellungen zu seiner Schul- bzw. Berufsausbildung und Verwandten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gründen auf den glaubwürdigen - weil widerspruchsfrei und auch in persönlicher Hinsicht überzeugend - Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren und werden der Entscheidung zu Grunde gelegt. Die Feststellung über seine Erwerbstätigkeit ergibt sich aus seinen belegten Angaben in seinem Visumsverfahren. Die übrigen Feststellungen zu seinen Lebensumständen in Österreich und im Herkunftsstaat sowie zu seinen Deutschkenntnissen beruhen gleichfalls auf den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, insbesondere in der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht am römisch 40 , und der vorgelegten Bescheinigung über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 sowie den weiteren beigebrachten Integrationsunterlagen.
Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Angaben und dem vom BVwG dazu eingeholten fachärztlichen Gutachten vom 08.04.2016. Die zeitlich danach vorgelegten fachärztlichen Atteste nehmen Bezug auf den seit 2014 bescheinigten Gesundheitszustand des BF, auf welchen bereits in dem fachärztlichen Gutachten vom 08.04.2016 eingegangen wurde, weshalb das BVwG dem nachvollziehbaren und als schlüssig erachteten Gutachten folgt und dieses der Entscheidung zu Grunde legt. Der Beschwerdeführer hat keine Einwendungen dagegen erhoben. Der BF hat wiederholt und zuletzt beim BVwG am 10.02.2016 angegeben, aktuell keine Medikamente zu nehmen, weil es ihm besser gehe; bei Bedarf würde er sie wieder nehmen.
Dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation von den russischen Behörden infolge seiner Unterstützung von Widerstandskämpfern Ende 2012 gesucht würde, ergibt sich ferner aus seinen diesbezüglich nicht gleichbleibenden bzw. widersprüchlichen und auch nicht schlüssig erscheinenden Angaben zu den behaupteten Fluchtgründen:
So hat der Beschwerdeführer auch im zentralen Punkt seines Fluchtvorbringens widersprüchliche Angaben gemacht, indem er anlässlich der Antragstellung zunächst vorbrachte, er habe im Jänner 2013 seinen Kindheitsfreund namens römisch 40 bei den Widerstandskämpfern mit Lebensmitteln und medizinischen Produkten unterstützt. Am 14.05.2013 brachte er dazu vor, er hätte diesen am 31.12.2013 treffen sollen und sei dabei in eine Schießerei geraten. Danach sei er zu einem entfernten Verwandten gerannt, welcher ihn zum Onkel gebracht habe, der ihn von dort nach römisch 40 zu einem Verwandten gebracht habe. Allerdings hat eine Einsichtnahme in den österreichischen Visumsakt ergeben, dass der BF diesen Antrag bereits am 18.12.2012 bei der Botschaft gestellt hat und auch an diesem Tag bereits die oa. angeführten Buchungen (Hotel, Flüge) durchgeführt hatte. Da seine Angaben zu seinem Fluchtgrund offensichtlich im Widerspruch zu seinem Vorbringen im Visumsakt stehen und nicht miteinander in Einklang zu bringen sind, ist sein Vorbringen zu seinen Fluchtgründen schon aus diesem Grund nicht glaubhaft.
Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer -anders als bei seiner Antragstellung- in der Beschwerde und beim BVwG am römisch 40 behauptete, er habe die Widerstandskämpfer im November 2012 (und nicht im Dezember) mit Nachschub unterstützt, womit er sein ursprüngliches Vorbringen aber im entscheidenden Punkt (erneut) abändert, weil er nämlich nach dieser Version -so wie ursprünglich auch behaupteterst danach, nämlich so wie aus dem Visumsakt ersichtlich am 18.12.2012, das österreichische Visum beantragt hätte und sein Vorbringen damit plausibel erscheinen würde. Dadurch, dass der Beschwerdeführer sein ursprüngliches Vorbringen in diesem entscheidenden Punkt abänderte, geht das BVwG davon aus, dass das Vorbringen des BF über seine Verfolgung wegen der Unterstützung von Widerstandskämpfern in Tschetschenien nicht den Tatsachen entspricht. Außerdem entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Zeitangaben in unmittelbarer Nähe zum behaupteten Ereignis eher zutreffen müssten, als solche nach einem längeren Zeitablauf.
Anzumerken ist dazu weiters, dass der Beschwerdeführer am 14.05.2013 nur behauptete, sein Freund würde römisch 40 und dessen Brüder würden römisch 40 und (der Emir) römisch 40 heißen, diese seien auch bei den Terroristen gewesen. Dies brachte er beim BVwG am römisch 40 nicht mehr vor sondern steigerte sein Vorbringen dahingehend, dass sein Freund bei ihrem Treffen ihm auch erzählt hätte, dass die Brüder Hussein und Muslim Gakajev ebenfalls zu dieser Widerstandsgruppe gehört hätten. [Der Entscheidung des BVwG vom 01.04.2016, Zahl W182 2100166-1, ist zu entnehmen, dass in einer Operation von russischen und tschetschenischen Sicherheitskräften am 23.01.2013 nach einem Schusswechsel im Rayon Vedeno mindestens 12 Aufständische getötet wurden. Unter den Toten befanden sich auch der Kommandant Hussein Gakayev und sein Bruder Muslim. Gouverneur Ramsan Kadyrov bezeichnete die Aktion als bedeutendsten Schlag gegen den Widerstand seit dem Tod des Feldkommandanten Shamil Basayev im Juli 2006. Hussein spielte seit 2007 eine Schlüsselrolle im tschetschenischen Widerstand und war verantwortlich für einen Angriff auf Tsentoroi (Khosi-Yurt), das Heimatdorf von Kadyrov, sowie das tschetschenische Parlament in Grosny. (RFE 24.1.2013). Berichten zufolge wird vermutet, dass es der Polizei zuvor gelungen ist, ein Mitglied der Aufständischen-Gruppe zu rekrutieren und als Maulwurf gegen diese einzusetzen (RFE 25.7.2013).] Das diesbezügliche Vorbringen wurde vom Beschwerdeführer außerdem verspätet erstattet, weshalb dieses Vorbringen ebenfalls nicht glaubhaft ist.
Sein Vorbringen in seiner Stellungnahme vom 06.06.2013, dass auf zwei von ihm genannten Links die Widerstandsgruppe zu sehen sei, welche er unterstützt habe, stellt nach Auffassung des BVwG keinen geeigneten Beleg für seine Behauptung dar, weil solche Links im Internet allgemein verfügbar sind. Auch der Umstand, dass das erste Video vom 25.01.2013 stamme und Mitglieder dieser Gruppe mittlerweile Selbstmord begangen hätten, weil sie sich mangels Nachschub an Waffen in einer aussichtlosen Lage befunden hätten, stellt keinen nachvollziehbaren Bezug zum Beschwerdeführer her; außerdem hätte er nach seinem Vorbringen auch nicht Waffen sondern Medikamente und Lebensmittel liefern sollen. Zu bemerken ist außerdem, dass der Beschwerdeführer am römisch 40 beim BVwG erstmals behauptete, er habe die Widerstandskämpfer rund um die Brüder Gakajev unterstützt, welche Medienberichten zufolge am 23.01.2013 im Zuge einer Operation der russischen Behörden getötet wurden. Da auch diese Informationen in den Medien allgemein verfügbar waren bzw. sind, erblickt das BVwG aber auch darin keinen Beleg für das zudem verspätete Vorbringen des Beschwerdeführers.
Auch erscheint es nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer obwohl auf ihn vermutlich von den russischen Behörden geschossen worden sein soll, bei dem behaupteten Vorfall überhaupt nicht getroffen worden wäre. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wie die Behörden die Identität des entkommenen Beschwerdeführers im diesem Fall hätten feststellen sollen, um ihn in weiterer Folge bei seinem Onkel zu suchen. Festzuhalten ist dazu, dass der Beschwerdeführer am 04.02.2013 zwar behauptete, er habe das Fahrzeug verlassen und flüchten müssen, während er bereits am 14.05.2013 nur mehr angab, er habe einen Schuss gehört, habe alles fallen gelassen und sei weggelaufen. Auch am römisch 40 gab er an, dort alles liegen und stehen gelassen zu haben und weggelaufen zu sein, sodass schon infolge der nicht gleichbleibenden Angaben nicht glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer das Geschilderte tatsächlich erlebt hat.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer, welcher nach seinem Vorbringen bereits im Jahr 2010 wegen seines Kindheitsfreundes XXXXfestgenommen und derart misshandelt worden sein soll, dass er einen Kieferbruch erlitten hat, bis 2012 keine diesbezüglichen Probleme befürchtete und weiterhin offenbar unbehelligt im Herkunftsstaat verblieben ist und sich im Jahr 2012 über Ersuchen eben dieses Freundes sogar auf eine Unterstützung der Widerstandskämpfer eingelassen hätte. Anzumerken ist dazu ferner, dass der Beschwerdeführer am 04.02.2013 noch behauptet hatte, einem befreundeten Widerstandskämpfer geholfen zu haben, während er am 14.05.2013 nur mehr davon sprach, es sei ihm unterstellt worden, seinen Freund, welcher zu den Widerstandskämpfern gegangen sei, unterstützt zu haben. Das Vorbringen des Beschwerdeführers vom römisch 40 , dass er deswegen nach 2010 unbehelligt geblieben sei, weil sein Onkel damals für seine Entlassung bezahlt habe, erscheint nicht überzeugend, weil sodann vielmehr erneute Versuche der Behörden zur Erlangung von Lösegeld für den Beschwerdeführer zu erwarten gewesen wären bzw. der Beschwerdeführer im Fall einer tatsächlichen Verdächtigung vermutlich ebenfalls nicht bis 2012 unbehelligt geblieben wäre, wie sich im Übrigen auch aus der dazu am römisch 40 seitens der Vertreterin des Beschwerdeführers vorgelegten ACCORD-Anfragebeantwortung ergibt. Anzumerken ist weiters, dass beim Beschwerdeführer ein erlittener Kieferbruch nach den Ausführungen in seiner Stellungnahme vom 06.06.2013 ärztlicherseits nicht festgestellt werden konnte, aber auch der mit der Beschwerde vorgelegten sehr schlechten Kopie eines Fotos dazu nichts entnommen werden kann und selbst bei Zutreffen einer solchen Verletzung angesichts der oa. Ungereimtheiten im Vorbringen des Beschwerdeführers deren Ursachen ungeklärt bleiben.
Sein Vorbringen beim BVwG am römisch 40 , dass er im Jahr 2012 im Dorf römisch 40 gelebt habe und dort im Oktober von seinem Freund römisch 40 besucht worden sei, ist außerdem mit seinen Angaben vom 14.05.2013, dass er seit 2009 bis zur Ausreise ständig in römisch 40 im Haus seines Onkels gewohnt habe, nicht in Einklang zu bringen, auch wenn er damals vorbrachte, zuletzt seltener dort sondern auch noch in römisch 40 und römisch 40 beim Onkel bzw. dessen Frau gewesen zu sein. Sein verspätetes Vorbringen am römisch 40 darüber, dass sein Onkel mehrere Häuser besessen habe, der Beschwerdeführer dort auch gemeldet gewesen sei und den Wohnort oft gewechselt habe, vermag diesbezüglich nicht zu überzeugen. Es ist vielmehr auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Oktober 2012 von seinem Freund römisch 40 im Dorf römisch 40 aufgesucht worden ist; dies auch deshalb, weil er im Gegensatz dazu am 14.05.2013 angegeben hatte, sein Freund hätte ihn im Dezember 2012 nachts besucht und um Unterstützung ersucht bzw. sich dieser Vorfall nach seinem Vorbringen in der Beschwerde im November 2012 ereignet haben soll.
Es ist demzufolge aber auch nicht glaubhaft, dass der Cousin des Beschwerdeführers festgenommen worden ist, damit sich der Beschwerdeführer melde, wie er am 14.05.2013 behauptete. Derartiges hat er im weiteren Verfahren auch nicht mehr wiederholt. Da eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus den von ihm behaupteten Gründen nicht glaubhaft ist, ist aber auch sein Vorbringen vom 25.09.2015, dass auch seinem "Vater" mit dem Anzünden seines Hauses und der Tötung des Beschwerdeführers gedroht worden sei sowie die Bedrohung seines "Vaters" neu sei, als unglaubwürdige Steigerung seiner bereits als unglaubwürdig erachteten Fluchtgründe anzusehen.
Auf Grund der Widersprüche und Unschlüssigkeiten wird daher das Vorbringen des Beschwerdeführers über eine (ihm unterstellte) Unterstützung von Widerstandskämpfern seitens des BVwG nicht als glaubwürdig erachtet.
Was das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, er werde als Familienangehöriger seiner römisch 40 bei einem Bombardement ums Leben gekommenen Eltern und Geschwister von den russischen bzw. tschetschenischen Behörden verfolgt, so hat er zunächst bei der ersten Instanz keinen plausiblen Grund dafür vorgebracht. Auch sein später erstattetes Vorbringen, dass sein Vater auf der Flucht gewesen sei, beinhaltet aber noch keine nachvollziehbare individuelle Verfolgung der Familie des Beschwerdeführers, welche in der Folge eine Verfolgung des Beschwerdeführers als Angehöriger dieser sozialen Gruppe indizieren würde. Dazu kommt, dass infolge seiner Weigerung einen Reisepass vorzulegen, weder seine Identität noch das behauptete Verwandtschaftsverhältnis mit den im Dezember römisch 40 ums Leben gekommenen Personen der Familie römisch 40 feststeht. Darüber hinaus ist auch nicht ohne weiteres schlüssig nachvollziehbar, dass der angebliche Bruder des nach eigenen Angaben römisch 40 geborenen Beschwerdeführers bereits im Jahr römisch 40 geboren gewesen wäre, wie sich aus dem seiner Stellungnahme vom 06.06.2013 beigelegten Internetausdruck (Email ?) vom 27.12.2009 betreffend römisch 40 ergibt, welcher demnach rund 21 Jahre älter als der Beschwerdeführer gewesen wäre. Der Beschwerdeführer behauptete am römisch 40 , weitere Details zu seinen angeblich bereits ums Leben gekommenen Familienangehörigen nicht angeben zu können. Dies erscheint dem BVwG jedoch nicht plausibel, insbesondere in Bezug darauf dass der nach seinen Angaben damals neunjährige Beschwerdeführer sich nicht daran erinnern könnte, ob beide Elternteile gleichzeitig ums Leben gekommen sind oder nicht und wie viele Geschwister er insgesamt gehabt hat.
Es ist aber auch nicht nachvollziehbar, inwiefern der BF als Angehöriger eines 2004 in der Haft verstorbenen angeblichen Bruders, welchem seinerseits die Unterstützung von Widerstandskämpfern zur Last gelegt worden sein soll, im Fall der Rückkehr von den Behörden verfolgt würde, zumal der Beschwerdeführer offenbar weder in der Zeit von 2004 bis 2012 noch davor derartige Probleme hatte.
Die in der Beschwerde beantragten Nachforschungen zum Verwandtschaftsverhältnis vor Ort sind angesichts des bisher Ausgeführten nach Auffassung des BVwG nicht erforderlich im Sinne des Paragraph 18, Absatz eins, letzter Satz AsylG 2005 vergleiche VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
In Bezug auf seine Befürchtungen zum nicht abgeleisteten Wehrdienst ist darauf hinzuweisen, dass das diesbezügliche Vorbringen im seinem zweiten Verfahren auf internationalen Schutz bereits mit Erkenntnis des BVwG vom 08.06.2015, Zahl W 196 1437954-2/4E, behandelt wurde.
Außerdem ergibt sich aus den oa. Länderfeststellungen, dass in der Russischen Föderation Wehrdienst lediglich zwischen 18 und 27 Jahren zu leisten ist. Zudem werden Staatsangehörige, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Wehrdienst geeignet sind, von der Dienstpflicht befreit. Es gibt in Russland verschiedene Möglichkeiten, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Ein Großteil der Wehrpflichtigen macht von den Regelungen zur Aufschiebung des Wehrdienstes Gebrauch, die in der Praxis oftmals zu einer Annullierung der Wehrpflicht führen. Wehrpflichtige machen häufig von illegalen Praktiken (meist in Form von Zahlung von Bestechungsgeldern an Ärzte) Gebrauch, um sich von der Wehrpflicht zu befreien. Es kommt auch vor, dass sich Wehrpflichtige auf ihr Hochschulstudium berufen, um eine Aufschiebung des Wehrdienstes zu erlangen. Es ist auch möglich, mittels Zahlung von Bestechungsgeldern an gefälschte Dokumente zu kommen, aus denen hervorgeht, dass der Wehrpflichtige die Voraussetzungen für einen Aufschub oder eine Befreiung vom Wehrdienst erfüllt. Laut Verfassung der Russischen Föderation hat jeder Bürger, bei dem Gewissensgründe gegen eine Ableistung des Wehrdienstes vorliegen würden, das Recht auf einen Ersatzdienst von 21 Monaten. Jeder, der für einen Zivildienst in Betracht gezogen werden wolle, müsse dies mindestens sechs Monate vor Dienstantrittsdatum der zuständigen örtlichen Einberufungskommission mitteilen. Diese trifft die Entscheidung darüber, ob dem Antrag auf einen Zivildienst stattgegeben wird. Ein solcher Antrag könne abgewiesen werden, wenn die Kommission zum Schluss kommt, dass keine angemessenen Gewissensgründe vorliegen würden. Weitere Gründe für eine Ablehnung eines Antrags sind die Nichtbeachtung der Frist für die Einreichung des Antrags auf einen Zivildienst, das Vorlegen falscher bzw. gefälschter Dokumente beim Antrag oder das zweimalige Ignorieren einer Aufforderung, bei der Einberufungskommission vorstellig zu werden. Gegen die Abweisung eines Antrags kann gerichtlich Berufung eingelegt werden. Weniger als ein Tausendstel aller Wehrpflichtigen würden von der Möglichkeit Gebrauch machen, um einen Zivildienst anzusuchen (BZ 7.2014). Im Fall einer Wehrdienstverweigerung sieht das russische Strafgesetzbuch von 1996 (mit Novellierungen bis Juli 2014) in Artikel 328, Absatz eins, vor, dass Wehrdienstverweigerung, sofern keine gesetzlichen Gründe für eine Befreiung vom Wehrdienst vorliegen, entweder mit einer Geldstrafe von bis zu 200.000 Rubel bzw. in Höhe des bis zu 18-fachen Monatsgehalts bzw. eines anderen Einkommens des Verurteilten oder mit drei- bis sechsmonatigem Arrest oder mit bis zu zweijährigem Freiheitsentzug bestraft werde. Weiters werden in Artikel 328, Absatz 2, die Strafen für Verweigerung des Zivildienstes genannt (Strafgesetzbuch, 13.6.1996, inklusive Novellen bis 21.7.2014, vergleiche ÖB Moskau 10.2015). Für die Weigerung, den alternativen Zivildienst zu absolvieren, ist eine Geldstrafe von bis zu 80.000 Rubel oder in der Höhe von 6 Monatslöhnen vorgesehen bzw. bis zu 6 Monate Haft (ÖB Moskau 10.2015). In der Praxis werde nur eine kleine Anzahl an Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, bestraft. Außerdem würden derzeit die Strafen für Wehrdienstverweigerung in der Praxis "sehr gering" ausfallen, auch wenn laut Gesetz eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden könne. In der Praxis komme es nur bei einer "kleinen Anzahl" von Fällen zu Strafverfahren gegen Wehrdienstverweigerer (BZ 7.2014). Im Jahr 2012 hätten landesweit mehr als 244.000 Männer die Einziehung in den Wehrdienst umgangen. Etwa 8.794 Russen hätten ihren Einberufungsbescheid erhalten, seien jedoch nicht ihrer Pflicht nachgekommen, bei der Rekrutierungsstelle zu erscheinen, was eine Straftat darstellt, die mit bis zu zwei Jahren bestraft werde. Rund 235.800 weitere Männer hätten sich dem Wehrdienst entzogen, indem sie verhindert hätten, über ihre Einberufung benachrichtigt zu werden. Dies stellt in Russland ein Verwaltungsdelikt dar (Ria Novosti 13.3.2013).
2014 wurde wieder begonnen, Nordkaukasier (Tschetschenen und Dagestani) in den Wehrdienst einzuberufen. Jedoch gibt es mittlerweile Widerstand in der Bevölkerung gegen die Einberufung und viele junge Nordkaukasier verstecken sich, oder schließen sich dem Widerstand an, um nicht einberufen zu werden. Gerüchten zufolge könnte die Einberufung zum Wehrdienst in Tschetschenien wieder beendet werden. Momentan sollen 500 Tschetschenen den Wehrdienst ableisten. In Dagestan wurden im Frühling 2016 1.800 junge Männer eingezogen. Ein Drittel mehr als letztes Jahr. Trotzdem sind mehr als 2.000 junge Männer nicht auffindbar, die eingezogen werden sollen (Jamestown 19.4.2016).
Erstmals seit langer Zeit wurden rund 500 Personen aus ganz Tschetschenien in den aktiven Wehrdienst eingezogen. In die Truppenverbände traten die Rekruten erst im November 2014 ein. Bei der überwiegenden Mehrheit der Rekruten handelt es sich um Freiwillige, von denen viele eine militärische Karrierelaufbahn anstreben würden. Nach Angaben des Leiters für Einberufungsangelegenheiten des tschetschenischen Militärkommissariats habe es "sehr viele" Interessenten gegeben, weshalb die Freiwilligen nach den Kriterien Gesundheitszustand, hoher Bildungsgrad sowie danach ausgewählt worden seien, ob sie über Fachkenntnisse verfügten, die für den Dienst nützlich seien. Die derzeitige Zahl der Einberufenen sei weitaus niedriger als die Zahl derer, die in die Armee eintreten wollten. Aus Grosny seien 56 Personen ausgewählt worden, um direkt zum Dienst in der russischen Armee entsendet zu werden. Laut Aussage des Leiters der Einberufungskommission von Grosny hätten mehr als 200 Personen erklärt, aus eigenem Willen den aktiven Wehrdienst ableisten zu wollen. Wie er weiter ausführt, hätten insgesamt 1.000 junge Menschen aus Grosny das Auswahlverfahren bei der Einberufungskommission durchlaufen, obwohl (in Grosny) lediglich Bedarf an 56 Rekruten bestehe (Kavpolit.ru 20.10.2014). Die letzte größere Einberufungskampagne für Tschetschenen hat im Jahr 1992 stattgefunden. Danach habe man Tschetschenen faktisch nicht mehr zum Wehrdienst eingezogen. Nur eine kleine Zahl an Rekruten sei einberufen worden, um in Verbänden zu dienen, die in Tschetschenien stationiert und dem Verteidigungsministerium unterstellt waren bzw. der Inlandsarmee des russischen Innenministeriums angehörten (Caucasian Knot 1.11.2014).
Da es nach diesen Länderfeststellungen in Russland, insbesondere in den Kaukasusrepubliken, möglich ist, Dokumente zu kaufen und die Ladungen betreffend eine Einberufung des Beschwerdeführers zum Militär mit Schreiben vom 14.01.2015 lediglich in Kopie vorgelegt wurden, bestehen auf Grund des Umstandes, dass diese "Vorladungen" nicht an die vom Beschwerdeführer genannten Wohnadressen in römisch 40 bzw. in römisch 40 adressiert sind und auf dem Formular außerdem eine vorgedruckte "Antragsnummer" aufscheint, auch Zweifel an deren Echtheit. Aber selbst wenn der Beschwerdeführer einer tatsächlichen Einberufung keine Folge geleistet hätte, wird nach den oa. Länderfeststellungen in der Praxis nur eine kleine Anzahl an Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, bestraft. Außerdem würden danach derzeit die Strafen für Wehrdienstverweigerung in der Praxis "sehr gering" ausfallen, auch wenn laut Gesetz eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden könne. In der Praxis komme es nur bei einer "kleinen Anzahl" von Fällen zu Strafverfahren gegen Wehrdienstverweigerer.
Schließlich erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers über seine Einberufung zum Wehrdienst im Jahr 2014 aber auch vor dem Hintergrund der oa. Länderfeststellungen, wonach sich in Tschetschenien im Jahr 2014 weit mehr Freiwillige für den Wehrdienst gemeldet hätten als letztlich rekrutiert werden sollten und daher aus diesen Freiwilligen nach bestimmten Kriterien ausgewählt wurde, nicht glaubhaft. Das Vorbringen des Beschwerdeführers über seine Einberufung zum Wehrdienst im Jahr 2014 ist daher ebenfalls nicht glaubwürdig.
Anzumerken ist außerdem, dass nach den oben getroffenen Länderfeststellungen für den Beschwerdeführer, welcher über gesundheitliche Probleme klagt und Gewissensgründe angibt, in der Russischen Föderation die Möglichkeit besteht, vom Wehrdienst befreit zu werden bzw. einen Zivildienst abzuleisten.
Soweit der BF unter Hinweis auf den ACCORD Bericht vom 14.03.2013 [a-8327] vorbringt, schon auf Grund der Rückkehr aus dem Ausland ins Blickfeld der tschetschenischen Behörden zu geraten, so ist nicht nachvollziehbar, warum der BF sich bei einer Rückkehr in die Russische Föderation –etwa auf dem Landweg- nicht in der Folge bei seinen Verwandten in römisch 40 niederlassen könnte, wo er nach seinem Vorbringen auch bereits vor seiner Ausreise aus der Russischen Föderation aufhältig war, um einer solchen Gefahr zu entgehen. Dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung im gesamten Herkunftsstaat zu befürchten hätte, konnte er mit seinem Vorbringen im gegenständlichen Verfahren nicht glaubhaft darlegen.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind widersprüchlich, in sich nicht schlüssig und letztlich auch nicht plausibel. Es kann daher auch seitens des Bundesverwaltungsgerichts nicht von der Glaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe des Beschwerdeführers ausgegangen werden.
Eine Gefährdung des Beschwerdeführers aus anderen Gründen ist darüber hinaus nicht hervorgekommen.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
Hinsichtlich der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes über das Vorliegen einer die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung bewirkenden (ausreichenden) Integration des Beschwerdeführers siehe auch im Besonderen rechtliche Beurteilung.
Zur Situation im Herkunftsstaat:
Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation ergeben sich aus dem, dem Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis gebrachten aktuellen Länderberichtsmaterial. Es ist seither, was die allgemeine Situation sowie die Rückkehrsituation anbelangt, keine entscheidungswesentliche Änderung eingetreten. Der Beschwerdeführer hat zu der ihm in der Verhandlung am römisch 40 vorgehaltenen Ländersituation auch keine Stellungnahme erstattet.
Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 i.d.F. BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK (i.d.F. des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 78 aus 1974,) – deren Bestimmungen gemäß Paragraph 74, AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politi-schen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde vergleiche VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, Ziffer eins und Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann vergleiche zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist – wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert – nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen wer-den, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).
Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen (Verfolgung durch die tschetschenischen Behörden infolge Unterstützung von Widerstandskämpfern sowie als Familienangehöriger der römisch 40 ums Leben gekommenen Familie römisch 40 bzw. des 2004 in der Haft verstorbenen römisch 40 und seiner Rückkehr aus dem Ausland sowie durch die russischen Behörden wegen Wehrdienstverweigerung) vermochte, wie in der vorstehenden Beweiswürdigung dargelegt, letztlich wegen erheblichen Widersprüchen bzw. auf Grund seiner unschlüssigen und unplausiblen Angaben nicht zu überzeugen und war als nicht glaubwürdig zu erachten.
Es sind auch sonst keine asylrelevanten Gründe hervorgekommen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von internationalem Schutz liegen somit nicht vor.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, AsylG 2005 ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, leg.cit. zu verbinden (Absatz 2, leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Absatz 3, leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
Paragraph 8, AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.04.1999, 98/20/0561; 20.05.1999, 98/20/0300).
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Paragraph 8, AsylG 1997 in Verbindung mit Paragraph 57, FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören – der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten (oder anderer in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;
VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 08.06.2000, 99/20/0203; 08.06.2000, 99/20/0586; 21.09.2000, 99/20/0373; 25.01.2001, 2000/20/0367;
25.01.2001, 2000/20/0438; 25.01.2001, 2000/20/0480; 21.06.2001, 99/20/0460; 16.04.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun z.T. durch andere in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 57, FremdenG, dies ist nun auf Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).
Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3, EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat vergleiche VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Artikel 3, EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind vergleiche EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).
Wie das gesamte Verfahren ergeben hat, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation im Herkunftsstaat nicht glaubwürdig, weshalb auf Grund seine konkreten Vorbringens in diesem Zusammenhang auch keinerlei Bedrohung im Sinne des Paragraph 8, AsylG erkannt werden kann.
Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist nach den oben getroffenen Länderfeststellungen davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren.
Derartiges ist in Bezug auf den Beschwerdeführer jedoch im Verfahren nicht glaubhaft gemacht worden oder sonst hervorgekommen.
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Artikel 2, oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137).
Weder aus der allgemeinen Situation noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner wirtschaftlichen Situation ergeben sich ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass es hinreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des Paragraph 8, AsylG bedroht wäre.
Es liegen nach den Länderfeststellungen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Da der Beschwerdeführer am 27.06.2016 und 28.02.2007 beim BVwG nicht vorbrachte, aus anderen als im Asylverfahren geltend gemachten Gründen im Herkunftsstaat verfolgt zu werden und weder die Ausreise des Beschwerdeführers noch der Asylantrag nach der Ländersituation Konsequenzen nach sich ziehen, kann auch unter diesem Aspekt keine Verfolgungssituation angenommen werden.
Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, wonach die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, ist nicht ersichtlich, warum der arbeitsfähige Beschwerdeführer nicht die von ihm vor Verlassen des Herkunftsstaates ausgeübte Tätigkeit als Angestellter einer Firma oder Gelegenheitsarbeiten etwa als Koch oder Mechaniker verrichten bzw. mit Unterstützung seines Onkels rechnen kann, und kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der in der Russischen Föderation aufgewachsen ist, im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geriete. Er ist nach seinen Angaben ein arbeitsfähiger Mann, sodass es ihm zumutbar ist, sich in seiner Heimat den notwendigen Unterhalt – so wie vor seiner Ausreise – zu sichern. Er hat auch nicht ausdrücklich angegeben, wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen aktuell einer Behandlung zu bedürfen, zumal er im Verfahren wiederholt vorbrachte, die ihm verordneten Medikamente nicht zu einzunehmen, bzw. ist eine solche nach den oben getroffenen Länderfeststellungen in der Russischen Föderation jedenfalls verfügbar. Der Beschwerdeführer verfügt zudem in seiner Heimat über soziale Anknüpfungspunkte (Onkel samt Familie in Tschetschenien, Onkel in römisch 40 ), weshalb auch unter diesem Aspekt nicht angenommen werden kann, der Beschwerdeführer geriete im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage.
Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des Paragraph 8, AsylG nicht.
Im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (leichtgradige Anpassungsstörung mit längerdauernder depressiver Reaktion) ist zu bemerken, dass dieser nach eigenen Angaben die ihm verordneten Medikamente aktuell nicht nimmt, sondern diese erst bei Bedarf nehmen würde. Ferner ergibt sich aus den oa. Länderfeststellungen, dass psychiatrische Erkrankungen wie PTSD oder Depressionen etc. in der Russischen Föderation und in Tschetschenien (Grosny) behandelbar sowie Medikamente verfügbar sind. Es ist daher davon auszugehen, dass für den Fall einer notwendigen Behandlung eines psychiatrischen Leidens des Beschwerdeführers eine solche in der Russischen Föderation verfügbar und für den Beschwerdeführer auch zugänglich ist. Der Beschwerdeführer verfügt zudem über familiäre Anknüpfungspunkte sowohl in Tschetschenien (vermögender Onkel samt Familie) als auch in der russischen Föderation (Onkel in römisch 40 ).
Nach der Rechtssprechung des VwGH hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht darauf, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK (VwGH 23.03.2017, Ra 2017/20/0038-0040 RZ 12). Solche außergewöhnlichen Umstände hat der Beschwerdeführer jedoch nicht dartun können.
Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat im Sinne des Paragraph 8, AsylG bedroht wäre, ist die durch das Bundesasylamt ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zu beanstanden.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 idgF ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Ziffer eins bis 5 kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegt.
Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:
"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraph 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."
Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist - wie die zuständige Fremdenpolizeibehörde - auch der eine Ausweisung aussprechende AsylGH bzw. das BAA stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art8 EMRK abzuwägen vergleiche VfGH 22.9.2008, B642/08).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Artikel 8, EMRK einer Ausweisung entgegensteht:
Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;
20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;
22.4.1997, Fall römisch zehn, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert vergleiche EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vergleiche auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;
11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung vergleiche zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.
Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).
Nach den Vorgaben der Judikatur des EGMR, vor allem nach den in der Rechtssache Boultif formulierten Kriterien, ist zu ermitteln:
Zu den einzelnen Tatbeständen des Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG unter Einbindung der vom EGMR aufgestellten Kriterien:
Das tatsächliche Bestehen eines Privat- und Familienlebens:
Der Beschwerdeführer lebt im Bundesgebiet in keiner familienähnlichen Beziehung und hat auch keine Verwandten im österreichischen Bundesgebiet, sodass diesbezüglich nicht vom Vorliegen eines Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK auszugehen ist.
Der Vollständigkeit halber sei aber angeführt, dass auch die weiteren Aspekte dieses Tatbestandes sowie (überhaupt) die Tatbestände des Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG – in ihrer Gesamtheit – für den Beschwerdeführer sprechen:
Unzweifelhaft besteht in Österreich auch ein Privatleben des Beschwerdeführers, hält er sich doch seit Jänner 2013 nach seiner Einreise mit einem österreichischen Visum sowie seit 04.02.2013 auf Grund eines nicht a priori als unberechtigt anzusehenden Asylverfahrens im österreichischen Bundesgebiet auf und hat hier auch Beziehungen aufgebaut, zumal er seither zahlreiche Kontakte und Freundschaften auch zu Österreichern geknüpft hat und diese in seiner Freizeit pflegt.
Dieser Tatbestand des Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG spricht daher zugunsten des Beschwerdeführers.
Die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden zu einem Zeitpunkt entstand, zu dem sich der Beteiligte seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war:
Der Beschwerdeführer ist im Jänner 2013 wieder ins Bundesgebiet eingereist. Da dem Asylbegehren nach nochmaligem Studium der Aktenlage trotz negativer Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde auch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht von vornherein die Substantiiertheit abgesprochen werden konnte, kann nicht zu Lasten des Beschwerdeführers angenommen werden, dass ihm sein unsicherer Aufenthalt bewusst gewesen sein musste.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit:
Entsprechend der Auskunft aus dem Strafregister ist zudem von der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers auszugehen.
Der Grad der Integration:
Unzweifelhaft ist von einem nicht geringen Integrationsgrad mit ausreichendem Potential, diese weiter voranzutreiben, auszugehen:
Der Beschwerdeführer hat belegt, dass er bereits Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 erworben hat. Zusätzlich hat er neben einer Abendschule zumindest bis Februar 2016 einen Vorstudienlehrgang zum Erwerb von entsprechenden Deutschkenntnissen an der medizinischen Universität in römisch 40 zum angestrebten Medizinstudium betreffend seinen Berufswunsch Zahnarzt besucht. Er hat sich auch bereits ehrenamtlich im Rahmen der Nachbarschaftshilfe betätigt. Der Beschwerdeführer hat außerdem im September 2015 im Bundesgebiet einen tschetschenischen Sportverein mitgegründet und gehörte diesem als Kassier an. Der Beschwerdeführer ist auch als Blutspender registriert.
Der Beschwerdeführer bezieht zwar bisher mangels einer Patenschaftserklärung staatliche Grundversorgung, verfügt jedoch - für den Fall der Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung - bereits über eine Einstellungszusage vom 21.02.2017 als Hilfsarbeiter mit einem Monatseinkommen von 1.468,77 brutto und über einen österreichischen Führerschein. Im Übrigen verrichtete er auch bereits Arbeiten als Saisonarbeitskraft.
Dies belegt den Eingliederungswillen in die österreichische Gesellschaft, sodass diesbezüglich von einer Abschwächung noch vorhandener verwandtschaftlicher Bindungen zum Herkunftsstaat gesprochen werden kann.
Die anwesende, in persönlicher Hinsicht überzeugende Vertrauensperson hat auch angeführt, dass sie den Beschwerdeführer besonders bei der Integration unterstützt und bestätigte, dass der Beschwerdeführer sich sehr bemüht, sich zu integrieren.
Die vorliegenden Integrationsbemühungen lassen prognostisch gesehen diese – gleichsam mathematisch - weiter als linear ansteigend erscheinen.
Die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war:
In diesem Zusammenhang ist auf die Ausführungen im Rahmen obiger Rubriken zu verweisen, der Aufenthalt des Beschwerdeführers selbst ist nicht rechtswidrig, basiert er doch auf einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung aus einem Asylantrag.
Zwar hält sich der Beschwerdeführer erst seit ca. vier Jahren in Österreich auf und ist im Regelfall nach einer derart kurzen Verweildauer nicht von einer ausreichenden Aufenthaltsverfestigung auszugehen, im Einzelfall jedoch, wie dem gegenständlichen, können jedoch im Sinne der Judikatur des EGMR, wonach die Aufenthaltsdauer an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), besondere Umstände vorliegen, die - prognostisch gesehen - eine Aufenthaltsverfestigung annehmen lassen.
Nochmals ist insbesondere auf obige Ausführungen zur bereits erlangten Integration und den Einsatzwillen hinzuweisen: Ist diese seit langem, wie im gegenständlichen Fall, gegeben, müssen dadurch (scheinbar) fehlende Jahre ausgeglichen werden.
Zur Aufenthaltsdauer vergleiche auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ohne Familienbezug - L 502 1437914 v. 21.08.2014 (knapp über zweijähriger Aufenthalt); L 502 1428523 v. 21.08.2014 (Aufenthalt in der Dauer von zwei Jahren und acht Monaten); I408 1426017-1/22E, I408 1426019-1/13E, I408 1426020-1/13E
v. 11.09.2014 (jeweils drei Jahre und ein Monat); W 147 1428646-2 v. 27.03.2015 (unter 3,5 Jahre Aufenthaltsdauer); W158 1428468-1 v. 20.02.2015 (drei Jahre und zwei Monate); W 119 1425342-1 v. 16.04.2015 (drei Jahre und zwei Monate) u.a.
In diesem Sinne schadet der ca. vierjährige Aufenthalt nicht, er wird durch die umfassenden, weit über den Durchschnitt hinausgehenden Integrationsbemühungen ausreichend kompensiert.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere des Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:
Es liegen keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, vor, hinsichtlich letzteren Aspektes ist wiederum auf das durch das Asylverfahren begründete Aufenthaltsrecht zu verweisen.
Die Bindungen zum Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer hat zwar den größeren Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wo noch Verwandte leben. Jedoch ist durch die vorliegenden Integrationsschritte und vor allem den Umstand, dass der Beschwerdeführer während seines durchgehenden Aufenthaltes von bisher vier Jahren bereits Integrationsschritte in Österreich setzte, eine im Vergleich mit dem Herkunftsstaat nicht erheblich zurücktretende Sozialisation anzunehmen. Unzweifelhaft hat sich der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers nach Österreich verlagert.
Die Frage, ob die bisherige Dauer des Aufenthaltes des Fremden in den den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist:
Den Beschwerdeführer trifft an der Dauer des Verfahrens kein Verschulden: Die Zahl ausufernder Asylanträge und auch ein gewisser Mangel an (personellen) Ressourcen zeichnen für die Verfahrensdauer verantwortlich.
Zukunftsprognose:
Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung vom römisch 40 einen in persönlicher Hinsicht positiven und doch um Integration bemühten Eindruck hinterlassen; aufgrund der bereits vorliegenden Integrationsbemühungen und eines in diesem Sinne anzunehmenden Sozialisationsgrades hier in Österreich kann jedenfalls vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung nicht der Schluss gezogen werden, dass der Beschwerdeführer hinkünftig für Österreich eine Gefahr in Bezug auf die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit darstellen könnte.
In diesem Sinne fällt die Interessensabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers aus.
Da die mit einer Ausweisung/Rückkehrentscheidung drohende Verletzung des schützenswerten Privat- und Familienlebens auf Umständen beruhen würde, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind, war sie auf Dauer für unzulässig zu erklären.
Eine Aufenthaltsberechtigung war aber vor dem Hintergrund folgender Bestimmungen nicht durch das Bundesverwaltungsgericht zu erteilen:
Paragraph 75, (19) Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen.
(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Absatz 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz
1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,
2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,
3. den zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 4, des Bundesasylamtes,
4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 4, folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,
5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 7, aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder
6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 9, aberkannt wird,
so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Ziffer 5 und 6 darf kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegen.
Verfahrensgegenständlich war der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 04.02.2013; es liegt also ein Verfahren gemäß §75 Absatz 19, AsylG vor; daran knüpft sich aufgrund der negativen spruchgemäßen Entscheidung die Frage der Asylgewährung und der Einräumung subsidiären Schutzes betreffend, die Rechtsfolge des §75 Absatz 20, erster Satz
"so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist".
In diesem Sinne erfolgte auch Spruchpunkt römisch II.; eine darüber hinausgehende Kompetenz wird dem Bundesverwaltungsgericht vom Gesetzgeber in den sogenannten "Altverfahren" jedoch nicht eingeräumt – diese kommt der Verwaltungsbehörde zu:
Paragraph 58, (2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
Da also das Bundesverwaltungsgericht mit Spruchpunkt römisch II. "die Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärte", hat die Verwaltungsbehörde gemäß §58 Absatz 3, AsylG über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55, "im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen".
Obige Erwägungen zur Rückkehrentscheidung dienen daher in der Folge als Entscheidungsgrundlage für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für den von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, AsylG 2005.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Der gegenständliche Fall ist rein tatsachenlastig.
ECLI:AT:BVWG:2017:W117.1437954.1.00