BVwG
25.11.2016
W159 2119270-1
W159 2119270-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. von Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom 16.12.2015, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, gelangte am 29.07.2014 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte noch am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der ebenfalls am 29.07.2014 durchgeführten Erstbefragung durch die Polizeiinspektion römisch 40 gab er als Fluchtgrund an, dass er Somalia deswegen verlassen habe, weil er Probleme mit der Al-Shabaab gehabt habe, welche ihn zwangsrekrutieren habe wollen. Außerdem habe er auch Probleme wegen seiner Clanzugehörigkeit, denn in römisch 40 kämpften zwei Clans um die Vorherrschaft. Er gehöre dem Clan Sheikhal an und die anderen seien Maarehan. Bei der Asylantragstellung gab der Beschwerdeführer das Geburtsdatum römisch 40 an. In der Folge veranlasste das Bundesamt eine wissenschaftliche Altersfeststellung und führte Konsultationen mit Italien, weil der Beschwerdeführer offenbar von Italien nach Österreich gelangt ist. Es konnte jedoch keine Zuständigkeit Italiens zur Führung des gegenständlichen Asylverfahrens festgestellt werden. Auf Grund der fachärztlichen Altersfeststellung wurde das Geburtsdatum mit römisch 40 festgesetzt.
Am 19.05.2015 erfolgte eine ausgiebige Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, wo eingangs nochmals festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer volljährig sei, wozu er keine Stellungnahme abgab. Der Beschwerdeführer gab an, dass er mit den Behörden seines Heimatlandes keine Probleme gehabt habe und dass er sich auch nicht politisch betätigt habe. Er habe aus zwei Gründen Somalia verlassen. Erstens wegen der Al-Shabaab und zweitens wegen der Probleme mit rivalisierenden Clans. Die Al-Shabaab habe ihn aufgefordert mitzukommen. Er habe immer nein gesagt. Eines Tages sei er zu Hause auf der Toilette gewesen, als die Al-Shabaab zu ihnen gekommen sei. Sie hätten nach ihm gefragt und er sei durch die Hintertüre geflüchtet. Zwei Nächte habe er noch bei einem Freund verbracht. Dieser habe aber gemeint, dass er ihn auch in Gefahr bringen würde und sei er wieder nach Hause gegangen und sie seien wieder zu ihm gekommen. Er habe aber abermals flüchten können und sei zu der Farm, die ihnen gehört habe, geflohen. Er habe dann mehrere Männer, die auf ihn zukamen, gesehen. Er habe nicht mehr flüchten können und sei mit einem Gewehr auf die linke Schulter geschlagen und getreten worden und hätten sie ihn dann mitgenommen. Er sei in ein buschähnliches Gebiet gebracht worden und hätten sie ihm angekündigt, ihn zu töten. In der Nacht habe er die Gelegenheit genutzt, als ein paar Männer um ein Lagerfeuer gesessen seien, davonzulaufen und sei dann wieder nach römisch 40 zurückgekehrt, aber zu den Nachbarn und habe dann Somalia verlassen.
Außerdem herrsche in der Stadt der Clan Maarehan. Sie hätten eine Farm besessen, aber es sei oft versucht worden, ihnen die Farm wegzunehmen. Die Angriffe auf die Farm hätten 2009/2010 begonnen. Ein Nachbar habe versucht, ihnen die Farm wegzunehmen. Seine Verwandten seien bewaffnet gewesen, teilweise hätten sie sogar Uniform getragen. Sie hätten immer wieder den Grenzzaun zu ihren Gunsten verschoben.
Gefragt, warum er nicht zur Polizei gegangen sei, gab er an, dass die Polizisten auch zum Maarehan-Clan gehörten. Als er noch in Somalia gewesen sei, sei die Farm noch in ihrem Besitz gewesen, aber er glaube, dass sie sie später der Familie weggenommen hätten. Warum die Maarehans, die das hätten machen können, dies nicht schon früher getan hätten, wisse er nicht. Auf der Farm hätten sie Mais, Tomaten, Bohnen, Pfefferoni und Gemüse angebaut. Er habe meist das Gemüse und den Mais bewässert.
Die Al-Shabaab sei dreimal zu ihnen gekommen, wann es das erste Mal gewesen sei, könne er nicht sagen. Es habe Jugendliche in der Nachbarschaft gegeben, die Mitglieder der Al-Shabaab gewesen seien. Diese hätten vier- bis fünfmal mit ihm gesprochen und ihn aufgefordert beizutreten. Er habe aber immer nein gesagt. Das letzte Mal seien zwei Leute zu ihm gekommen und hätten ihn gefragt, ob er seine Meinung geändert habe. Als er dies verneint habe, habe ihm einer mit der Hand ins Gesicht geschlagen. Als er einmal vor der Al-Shabaab geflüchtet sei, sei er zu einem Freund, der dem Maarehan-Clan angehöre, gegangen. Dieser habe ihm aber auch gesagt, dass er sich bei ihm auf Dauer nicht verstecken könne. Warum die Al-Shabaab nur gedroht habe, ihn zu töten, wisse er nicht. Sein Fluchtgrund sei nach wie vor aktuell.
In Österreich lebe er von der Grundversorgung und besuche einen Deutschkurs.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom 16.12.2015, Zl. römisch 40 , wurde unter Spruchteil römisch eins. der Antrag auf internationalen Schutz vom 29.07.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Abatz 1 Asylgesetz abgewiesen, unter Spruchteil römisch II. jedoch gemäß Paragraph 8, Absatz 1 leg. cit der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und unter Spruchteil römisch III. gemäß Paragraph 8, Absatz 4 leg. cit eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.12.2016 erteilt.
In der Begründung des Bescheides wurden die Erstbefragung und die Einvernahme durch das BFA dargestellt und Feststellungen zu Somalia getroffen. Beweiswürdigend wurde in der Folge ausgeführt, dass die Schilderungen insbesondere hinsichtlich der Bedrohung durch den Clan Maarehan nicht nachvollziehbar und lebensfremd gewesen sei, ebenso die Ausführungen über die Al-Shabaab und diese überdies widersprüchlich gewesen seien. Die Behauptungen über die Al-Shabaab wären auch nicht mit den Länderfeststellungen in Einklang zu bringen gewesen.
Rechtlich begründend wurde zu Spruchteil römisch eins. nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass auf Grund der gänzlich unglaubwürdigen Angaben die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes ausgeschlossen werden könne. Selbst wenn das Vorbringen wahr sein sollte, würde es sich um ein zum Fluchtgrund hochstilisiertes Erlebnis mit kriminellem Hintergrund handeln. Außerdem könnte sich der Antragsteller selbst bei Wahrunterstellung seines Vorbringens den dargelegten Bedrohungen dadurch entziehen, dass er sich in andere Teile des Heimatlandes, insbesondere in die Großstädte begeben könnte. Die bestehenden schwierigen Lebensumstände allgemeiner Natur seien jedoch hinzunehmen und rechtfertige der Wunsch nach besseren Verdienstmöglichkeiten die Gewährung von Asyl nicht.
Zu Spruchteil römisch II. wurde hingegen ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Süd/Zentralsomalia - wie dem aktuellen Länderinformationsblatt zu entnehmen sei - nach wie vor äußerst kritisch und volatil sei, der Antragsteller bei einer Rückkehr in eine bedrohliche Lebenssituation geraten könnte, sodass ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten (sowie unter Spruchteil römisch III.) eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch die römisch 40 , Beschwerde gegen den (abweisenden) Spruchpunkt römisch eins. Nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges wurde kritisiert, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei und sich die Länderfeststellungen nicht mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers beschäftigen würden. Die Behörde habe sich insbesondere nicht mit der Situation des Minderheitenclans Sheikhal auseinandergesetzt und wurde diesbezüglich aus Länderberichten zitiert und insbesondere darauf hingewiesen, dass die Grundbesitzrechte der Sheikhal nicht abgesichert wären. Außerdem würden auch detaillierte Länderfeststellungen durch Zwangsrekrutierungen durch die Al-Shabaab fehlen und wurden diesbezüglich zahlreiche Vorfälle betreffend die Al-Shabaab in Somalia angeführt. Weiters sei der Behörde dahingehend ein Fehler unterlaufen, dass eine Abschiebung nach Afghanistan in der Begründung für zulässig angesehen worden sei, obwohl der Beschwerdeführer nicht aus Afghanistan stamme und daher auch nicht nach Afghanistan abgeschoben werden könne. Weiters wurde beantragt, den Beschwerdeführer im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung neuerlich einzuvernehmen und ihm Gelegenheit zu geben, die von der Behörde gesehenen Widersprüche zu entkräften.
Obwohl es sich im vorliegenden Fall um keine vom somalischen Staat ausgehende Verfolgung handle, sei diese asylrelevant, weil der somalische Staat - wie zahlreiche Länderberichte belegen - nicht willens bzw. in der Lage sei, den Beschwerdeführer vor Verfolgung zu schützen.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 20.09.2016 an, zu der sich die belangte Behörde entschuldigen ließ und der Beschwerdeführer in Begleitung eines Mitarbeiters seiner ausgewiesenen Vertretung erschien. Dieser legte eingangs der Verhandlung Deutschkursbestätigungen für A1 und A2 sowie eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Arbeitsvorbereitungskurs vor.
Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Er wollte jedoch korrigieren, dass es falsch sei, wenn aufgeschrieben worden sei, dass die Al-Shabaab-Leute vier- bis fünfmal bei ihm gewesen seien, in Wirklichkeit seien sie nur dreimal gekommen. Das erste Mal seien sie zu ihm nach Hause gekommen. Zu diesem Zeitpunkt sei er am WC gewesen. Er sei somalischer Staatsangehöriger, habe aber keine Dokumente; weiters sei er Moslem/Sunnit und gehöre dem Clan Sheikhal an. Gefragt nach diesem Clan gab er an, dass diese sehr religiös seien und ein Minderheiten-Clan. Sie seien nicht bewaffnet und würden auch an keinem Krieg teilnehmen. Die Meisten seien Tierzüchter, wenn sie am Land leben würden. Die mythologischen Urahnen dieses Clans kenne er nicht. Sein Sub-Clan sei römisch 40 . Gefragt, welchem Großclan die Sheikhal sich verbunden fühlen würden, gab er an, dass sie ein Minderheitenclan sein würden und sie von keinem Clan unterstützt wurden. General Mohamed Ibrahim Liiqiiqato kenne er nicht.
Er sei in römisch 40 geboren, das Geburtsdatum wisse er erst, seitdem er in Österreich sei. Über Vorhalt, dass das Geburtsdatum auf Grund der wissenschaftlichen Altersfeststellung errechnet worden sei und es fraglich sei, ob es sein tatsächliches Geburtsdatum sei, gab er an, dass er sein Geburtsdatum nicht wisse und dass dies der Arzt festgestellt habe.
Er sei in römisch 40 geboren und habe auch dort bis zur Ausreise gelebt. Nachdem der Vorsitzende Richter auf einer Somalia-Karte den Ort römisch 40 in der Provinz Gedow dem Beschwerdeführer zeigte, bestätigte er, dass dies sein Heimatort sei, welcher im äußersten Westen von Somalia, nahe der Grenze zu Äthiopien und Kenia gelegen sei.
Er habe sieben Jahre lang die Grundschule besucht und nebenbei habe er seinem Onkel als Tischler geholfen. Die sieben Jahre Grundschule sei auch eine Koranschule gewesen. Sie seien Landwirte gewesen und hätten auch eigene Häuser gehabt; gefragt, ob sie Ackerbau oder Viehzucht betrieben hätten, verneinte er dies. Erst über Vorhalt, dass sie, wenn sie Landwirte gewesen seien, entweder Ackerbau oder Viehzucht betrieben hätten oder beides, gab er an, dass sie Obst und Gemüse angebaut hätten. Sie hätten keine wirtschaftlichen Probleme gehabt. Er habe auch keine Probleme mit staatlichen Behörden in Somalia gehabt. Weil er ein Angehöriger eines Minderheiten-Clan sei, habe er jedoch persönliche Probleme gehabt, indem ihre Nachbarn Grundstücke an Angehörige des Maarehan-Clans verkauft hätten und seien diese immer näher zu ihrem Grund gekommen und hätten sie sich auch ihren Grund angeeignet. Der Nachbar habe auch gesagt, dass er die Landwirtschaft komplett übernehmen wolle, weil sein Vater Angst gehabt habe, habe er dagegen nichts gesagt. Gefragt, ob die Nachbarn aus dem Maarehan-Clan die Landwirtschaft seiner Familie zur Gänze übernommen hätten, solange er noch in Somalia gewesen sei, führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater täglich Probleme mit den Maarehan-Leuten gehabt hätte bevor er ausgereist sei und dass sie kein Gericht oder die Polizei schützen hätte können. Über Vorhalt, dass er beim BFA angegeben habe, dass die Maarehan-Leute Grundstücke seiner Familie Ihnen hätten wegnehmen wollen, aber dies nicht getan hätten, wobei er nicht wisse worum, bejahte er dies, führte aber in der Folge aus, dass es einen Streit zwischen seinem Vater und den Maarehan-Leuten gegeben hätte und diese täglich zu seinem Vater gekommen wären, da sie die Grundstücke hätten übernehmen wollen. Gefragt nach Vorfällen, wo er wegen seiner Clanzugehörigkeit im Alltag diskriminiert worden sei, gab er an, dass er in der Schule tagtäglich Probleme mit Mitschülern gehabt habe, dass er keine Freunde gehabt hätte und dass die anderen Clans ihn abgelehnt hätten.
Der Beschwerdeführer bejahte, dass er Probleme mit der Al-Shabaab gehabt habe. Es habe mit einer Zwangsrekrutierung angefangen. Sie hätten ihn aufgefordert teilzunehmen. Dies sei etwa Mitte 2009 gewesen. Gefragt nach den Rekrutierungsversuchen gab er an, dass er immer beschäftigt gewesen sei, entweder habe er seinem Vater oder seinem Onkel geholfen. Mehrere junge Männer, die mit ihm in die Schule gegangen wären, hätten sich der Al-Shabaab angeschlossen. Als er einmal sich ein Fußballspiel anschaute (wobei er auf Grund seiner Clan-Zugehörigkeit nicht mitspielen durfte) wurde ihm von einem Al-Shabaab-Mitglied mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen und ihm gedroht, ihn umzubringen. Er sei dann nach Hause gegangen.
Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 160) und auch am Beginn der Verhandlung gesagt habe, dass er beim ersten Rekrutierungsversuch durch die Al-Shabaab auf der Toilette gewesen sei, gab er an, dass dies beim zweiten Mal gewesen sei. Dieser zweite Rekrutierungsversuch habe stattgefunden, nachdem er ca. um 19.00 Uhr von der Arbeit in der Landwirtschaft nach Hause gekommen sei und sich geduscht habe und am WC gewesen sei. Mehrere Männer hätten nach ihm gefragt. Als er dies gehört habe, habe er gewusst, dass diese von der Al-Shabaab seien und habe er versucht zu flüchten. Er sei über eine Mauer geklettert und davongelaufen. Zwischen dem ersten und zweiten Vorfall seien zwei Tage vergangen. Er habe dann in der Folge auf der Landwirtschaft übernachtet.
Es hätte schon am nächsten Tag der nächste Rekrutierungsversuch stattgefunden. Als er am nächsten Tag wieder von der Landwirtschaft nach Hause gehen habe wollen, habe ein PKW angehalten, es wären Männer ausgestiegen, hätten ihm mit dem Gewehrkolben auf den Rücken geschlagen, ein Zweiter habe ihm ins Gesicht geschlagen. Sie hätten ihn dann entführt und irgendwohin außerhalb der Stadt gebracht. Er sei bewusstlos gewesen. Als er wieder aufgewacht sei, hätten ihn manche Männer umbringen wollen, andere nicht. Sie wären sich nicht einig gewesen. Die Männer hätten dann etwas gegessen und ein Lagerfeuer gemacht. Einer habe ihm einen Fußtritt gegeben und gesagt, er werde ihn umbringen, wenn er wiederkomme. Sie hätten ihm die Hände und Füße gefesselt und auch die Augen verbunden. Als er nichts mehr gehört habe, habe er versucht, die Hände freizubekommen. Dies sei ihm auch gelungen und sei er dann geflüchtet. Er habe Narben im Gesicht und auf der Stirn gehabt. Gefragt, wie viele Leute der Al-Shabaab ihn entführt hätten, gab er an, dass fünf ausgestiegen wären, wie viele noch im Auto gewesen seien, wisse er nicht. Er sei im Auto bewusstlos geworden. Über Vorhalt, dass er beim Bundesamt davon gesprochen habe, dass er nach dem zweiten Rekrutierungsversuch bei einem Freund übernachtet habe (AS 141), nunmehr jedoch angebe, dass er lediglich eine Nacht auf dem landwirtschaftlichen Grund seiner Familie genächtigt habe, bevor der nächste Rekrutierungsversuch passiert sei, gab er an, dass dies falsch protokolliert worden sei. Gefragt, ob die Al-Shabaab-Leute noch etwas anderes zu ihm gesagt hätten, als dass sie ihn umbringen würden, wiederholte er, dass sie ihn umbringen hätten wollen, aber dass ihnen das Gott sei Dank nicht gelungen wäre. Gefragt, wie viele Angehörige des Clans Sheikhal in römisch 40 leben würden, gab er an, dass Sheikhal eine der kleinsten Clans in Somalia sei und dass es nur sehr wenige Sheikhal gebe. Wie viele es tatsächlich in römisch 40 gebe, wisse er nicht genau. Wenn er nach anderen Angehörigen des Clans in römisch 40 gesucht hätte, hätte er vielleicht welche gefunden, sonst kenne er nur seine Familienangehörigen als Sheikhal-Angehörige.
Auf der Flucht sei er irgendwo bewusstlos geworden. Als er wieder zu Bewusstsein gekommen sei, habe ihn eine ältere Frau mitgenommen.
Diese habe ihn heimgebracht und zu seiner Mutter gesagt: "Gott sei Dank lebt er noch". Er sei dann einen Tag bei einem Freund gewesen, dieser habe aber Angst vor der Al-Shabaab gehabt und deswegen habe er nicht länger bei ihm bleiben können. Daraufhin habe er sich entschlossen, in ein sicheres Land zu flüchten. Gefragt, ob ihn die Al-Shabaab auch an den Beinen gefesselt habe, gab er an, dass sie ihn an beiden Händen und Beinen gefesselt hätten und er auch eine Augenbinde bekommen habe, aber er habe sich befreien können. Gefragt, wann ihm die Flucht von der Al-Shabaab gelungen sei, führte er aus 2012; über Vorhalt, dass er angegeben habe, dass die Probleme mit der Al-Shabaab 2009 begonnen hätten und er es so geschildert hätte, dass die drei Rekrutierungsversuche innerhalb weniger Tage erfolgt wären, jetzt aber sagt, dass er sich 2012, also drei Jahre später aus der Gefangenschaft der Al-Shabaab habe befreien können, gab er an, dass 2009 das Problem mit den Maarehan begonnen habe und jenes mit der Al-Shabaab 2010/2011. In ärztlicher Behandlung sei er wegen der durch die Al-Shabaab erlittenen Wunden nicht gewesen. Er glaube, er sei am 25.11.2011 ausgereist. Bis zu seiner Einreise in Österreich im Juli 2014 sei er in einem Haus in Äthiopien eingesperrt gewesen. Die Schlepperbande habe ihn dort eingesperrt, weil er kein Geld gehabt habe. Sie haben ihn dann wohl in einem Auto in den Sudan gebracht, aber die sudanesischen Polizisten hätten ihn auch eingesperrt. Im Ramadan hätten sie ihn aber "freigegeben". Er sei dann auf die Straße gegangen, habe dort Somalis gesehen und diese hätten ihm geholfen, nach Libyen auszureisen. Dann habe ihn der Schlepper eingesperrt, weil er Geld von ihm wollte. Er habe dann seinen Onkel angerufen und später habe ihn der Schlepper dann mitgenommen.
Seine Familie befinde sich noch in Somalia, er habe aber keinen Kontakt mit ihnen. Er habe sowohl keine gesundheitlichen oder psychischen Probleme, aber der mangelnde Kontakt mit seiner Familie stresse ihn.
Er lebe hier in Österreich und sei er sehr zufrieden. Er habe einen Deutschkurs besucht, in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft lebe er nicht. Sonstige Ausbildungen habe er auch nicht gemacht. Er habe aber auch noch nicht gearbeitet. Er kümmere sich aber in der Unterkunft um die Reinigung und Einhaltung der Hausordnung. Bei Vereinen oder Institutionen sei er nicht. Er spiele aber mit österreichischen Freunden gerne Fußball. Er möchte in Zukunft Tischlermeister werden. Über Befragen durch den Beschwerdeführervertreter gab er an, dass er glaube, dass er 2012 aus Somalia ausgereist sei. Gefragt nach den Rückkehrbefürchtungen gab er an, dass die Al-Shabaab-Leute noch immer in Somalia seien und mittlerweile glaube er, dass auch der IS in Somalia sei. Probleme der Sheikhal habe er schon erwähnt. Die Regierung könne ihn nicht schützen. Die Probleme, wegen derer er ausgereist sei, würden noch immer bestehen. Über Vorhalt, dass in seinem Heimatort römisch 40 nicht mehr die Al-Shabaab herrsche, sondern sich dort die äthiopischen AMISON-Truppen befinden würden, gab er an, dass die äthiopischen AMISON-Truppen auch nicht wüssten, wer zur Al-Shabaab gehöre und wer nicht.
Am Schluss der Verhandlung wurden den Verfahrensparteien folgende Länderberichte vorgehalten und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt:
* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia vom 25.04.2016
* Tabelle der somalischen Clans von UNHCR
* Informationszentrum Asyl und Migration des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge: Minderheiten in Somalia Juni 2010
* EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Süd- und Zentralsomalia Länderüberblick vom August 2014 Seite 45 bis 54 und Seite 93 bis 101
* Analyse der Staatendokumentation zu Somalia: Sheikhal vom 19.08.2011
Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte lediglich der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung Gebrauch:
Darin schloss sich der Beschwerdeführer den Länderfeststellungen des BVwG zum Clan der Sheikhal an. Hinsichtlich der Sicherheitssituation in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers wurde die Berichtslage durch einen Bericht des Finish-Immigration-Service ergänzt, in dem wohl grundsätzlich von einer Verbesserung der Sicherheitslage gesprochen werde, es bleibe jedoch die andauernde Gefahr der Präsenz der Al-Shabaab vor allem in den Rändern des Bezirkes bestehen. Das Risiko einer Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab bestehe auch nach wie vor in Gebieten, die nicht unmittelbar von der Al-Shabaab gehalten würden. Dies könne auch für römisch 40 nicht ausgeschlossen werden. Hervorgestrichen wurde noch, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ausgeführt habe, dass ihm keine andere Familie bekannt sei, die in seinem Heimatort auch dem Sheikhal-Clan angehöre und befinde er sich daher in einer exponierten Lage. Wiederholt wurde der Antrag auf Asylgewährung.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Somalia, Moslem/Sunnit und gehört dem Clan Sheikhal an. Ein exaktes Geburtsdatum kann nicht festgestellt werden. Die Behörde hat auf Grund der wissenschaftlichen Altersfeststellung ein Geburtsdatum mit römisch 40 festgelegt. Er wurde in römisch 40 , in der Provinz Gedo geboren und hat dort auch bis zu seiner Ausreise gelebt. Die Familie betrieb Ackerbau (Obst- und Gemüse). Der Beschwerdeführer besuchte sieben Jahre eine Grund- und Koranschule und half nebenbei in der Landwirtschaft und seinem Onkel als Tischler. Wirtschaftliche Probleme verneinte er.
Über die genauen Fluchtgründe können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Der Beschwerdeführer hat Somalia laut eigenen Angaben ungefähr 2012 verlassen und gelangte am 29.12.2014 (von Italien kommend) nach Österreich. Seine Familienangehörigen leben nach wie vor in Somalia. Er hat jedoch mit diesen angeblich keinen Kontakt. Er selbst leidet unter keinen schwerwiegenden gesundheitlichen oder psychischen Problemen, sondern lediglich unter dem mangelnden Kontakt mit seinen Familienangehörigen. Mit seinem Aufenthalt in Österreich ist er sehr zufrieden, führt jedoch kein Familienleben in Österreich. Er hat in Österreich bereits Deutschkurse im Niveau A1 und A2 besucht, eine weitere Ausbildung jedoch bisher nicht absolviert. Er möchte gerne Tischlermeister werden. Gearbeitet hat er in Österreich außer, dass er in seiner Unterkunft hilft, auch noch nicht. Er hat jedoch bereits österreichische Freunde, mit denen er hier gerne Fußball spielt.
Zu Somalia wird verfahrensbezogen folgendes festgestellt:
1. Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren - mit der Ausnahme von al Shabaab - akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vergleiche AA 1.12.2015).
Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vergleiche UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).
Obwohl seit dem Ende der Übergangsperiode wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet wird, ist die faktische Situation nach wie vor in all diesen Bereichen sehr mangelhaft (AA 1.12.2015). Die Erfolge der aktuellen Regierung bei Friedens- und Staatsbildung waren sehr bescheiden. Politische Grabenkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister haben zu mangelnder Kontinuität beim Regierungspersonal geführt (BS 2016). Zuletzt gab es im August 2015 eine Regierungskrise, als das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Mohamud einleiten wollte (UNSC 11.9.2015; vergleiche AI 24.2.2016). Dieses Begehren wurde später zurückgezogen (UNSC 8.1.2016).
Die anhaltenden politischen Grabenkämpfe und der Fokus auf die Föderalisierung haben die Regierung von Reformen im Justiz- und Sicherheitsbereich abgelenkt (HRW 27.1.2016). Das Clansystem hat wiederum die Einrichtung nachhaltiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen behindert (UNHRC 28.10.2015). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 1.12.2015).
Es gab einen signifikanten Fortschritt bei der Einrichtung staatlicher Strukturen auf regionaler Ebene, und für alle Bezirke (außer Baardheere) gibt es vorläufige Verwaltungen (UNSC 8.1.2016). Gleichwohl gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach, wesentliche Staatsfunktionen können nicht ausgeübt werden (AA 1.12.2015). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 10.2015). Die regionalen Verwaltungen kämpfen noch damit, ihre Autorität durchzusetzen. Sie stehen dabei einem Mangel an Geld, einem Mangel an Regierungsinfrastruktur und einem Mangel an Personal gegenüber. Außerdem fehlt es an Details zu den Strukturen der Bundesstaaten sowie an breiter Unterstützung beim Staatsbildungsprozess (UNSC 8.1.2016). Die internationalen Partner werden auch weiterhin signifikante Unterstützung gewähren müssen (UNSC 8.1.2016), wie etwa über laufende Projekte zur Kapazitätsbildung und zu Kernfunktionen der Regierung durch die Weltbank und UNDP (UNSC 11.9.2015).
Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)
Die Bundesregierung hat einen Prozess zur Schaffung föderaler Bundesstaaten initiiert (BS 2016). Das Bundesparlament hat eine Grenz- und Bundeskommission einberufen, welche hinsichtlich der Grenzen der Bundesstaaten, Regionalverwaltungen und Bezirke beraten soll. Die Kommission wird von der UN und anderen Partnern unterstützt (UNSC 11.9.2015).
Der Schritt zur Föderalisierung hat zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016).
Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: die Galmudug Interim Administration (GIA); die Interim Juba Administration (JIA); und die Interim South West Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 13.4.2016).
1) Im Juni 2015 fand in Cadaado die Staatsbildungskonferenz für den Bundesstaat Galmudug statt. Es sollte eine Galmudug Interim Administration (GIA) für die zentralen Regionen Galgaduud und Mudug geschaffen werden (UNSC 11.9.2015). In der Folge wurde eine Regionalversammlung gebildet, die im Juli 2015 Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (UNSC 11.9.2015; vergleiche EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten (USDOS 13.4.2016). Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert (UNSC 11.9.2015) und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 13.4.2016). Fraktionen der ASWJ haben sich später mit der GIA arrangiert (UNSC 11.9.2015). Trotzdem kontrolliert ASWJ noch immer teile der GIA, darunter die wichtige Stadt Dhusamareb (UNSC 8.1.2016). Auch Puntland hat sich ursprünglich gegen die GIA gestellt, da es selbst den nördlichen Teil von Mudug beansprucht. Nach Verhandlungen hat die GIA ihre Ansprüche auf Nord-Mudug zurückgezogen (UNSC 11.9.2015). Unter die GIA fallen demnach neben Galgaduud noch die Bezirke Hobyo und Xaradheere (EASO 2.2016). Die GIA hat bei der Einrichtung ihrer Verwaltungsinstitutionen in der Übergangshauptstadt Cadaado Fortschritte gemacht. Auch wurden Anstrengungen unternommen, die Bevölkerung zu erreichen, Clanmilizen zu entwaffnen und Sicherheitskräfte auszubilden (UNSC 8.1.2016). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016).
2) Nach dem Ende einer zweijährigen Übergangsperiode wurde Sheikh Ahmed Islam "Madobe" am 15.8.2015 von der neuen, 75sitzigen Regionalversammlung des Bundesstaates Juba (Lower und Middle Juba, Gedo) als Präsident der Interim Juba Administration (IJA) angelobt (USDOS 13.4.2016; vergleiche UNSC 11.9.2015). Zuvor war im Mai 2015 die Regionalversammlung selbst in Kismayo eingerichtet worden. Dabei gab es auch Kritik und das Bundesparlament strebte eine Auflösung der Regionalversammlung an (UNSC 11.9.2015). Bei der Lösung von Konflikten zwischen Clans sowie innerhalb der Darod/Marehan auf dem Gebiet der IJA gibt es Fortschritte (UNSC 8.1.2016).
3) Nach anfänglichen Streitigkeiten über die Frage, ob der Bundesstaat South West aus drei oder sechs Regionen bestehen soll, einigte man sich auf die drei-Regionen-Lösung. Die Interim South West Administration (ISWA) umfasst nunmehr die Regionen Bay, Bakool und Lower Shabelle. Im November 2014 wurde Sharif Hassan Sheikh Adan von einer ISWA-Konferenz zum Präsidenten gewählt. Damit wurde die Übergangsverwaltung ISWA offiziell geschaffen (USDOS 13.4.2016). Im August 2015 wurde ein Prozess gestartet, um eine ISWA-Regionalversammlung zu schaffen (UNSC 11.9.2015). Mit der Einrichtung der Regionalversammlung ist die Errichtung der ISWA abgeschlossen. Von den 146 Abgeordneten sind 30 weiblich (UNSC 8.1.2016).
4) Im August 2015 wurde von der Bundesregierung ein Prozess zur Bildung eines Bundesstaates Hiiraan-Middle Shabelle initiiert (UNSC 11.9.2015). Dieser Prozess wird weiter vorangetrieben. Buulo Barde könnte die Hauptstadt des neuen Bundesstaates werden (UNSC 8.1.2016).
Quellen:
2. Sicherheitslage
Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen. Es wurden die unterschiedlichen Akteure in Somalia kategorisiert:
* Die farbigen Gebiete zeigen Akteure, die über signifikanten Einfluss verfügen. Diese Akteure verfügen auch über Ressourcen, um diesen Einfluss zu garantieren. Derartige Akteure sind: Somaliland, Puntland, die Galmudug Interim Administration (GIA), AMISOM und die Somali National Army (SNA), die Jubbaland Interim Administration (JIA), al Shabaab (AS) und die Ahlu Sunna Wal Jama'a (Zentralsomalia; ASWJ). Einige Städte werden von anderen Parteien beherrscht: Von der Clan-Miliz SSC (Dulbahante; Khatumo), von der Clan-Miliz der Warsangeli, von ASWJ (Fraktion Gedo), von Clan-Milizen an der Grenze zu Äthiopien (in den Regionen Gedo, Bakool und Hiiraan). Eine Gebiete - und hier vor allem in Süd-/Zentralsomalia - werden von zwei dieser relevanten Akteure beeinflusst.
* In mit strichlierten Linien umrandeten Gebieten gibt es zusätzliche Akteure mit eingeschränktem Einfluss. Diese Akteure agieren neben den oben erwähnten Hauptakteuren, und sie verfügen nur über eingeschränkte Ressourcen (EASO 2.2016).
Kommentare zu den Eintragungen auf der Karte:
* In Puntland und Jubbaland wurden Zellen des Islamischen Staates markiert; diese Markierungen erfolgten auf der Grundlage anekdotischer Berichte über größere Gruppen von AS-Deserteuren.
* Einige der kleineren Ortschaften der al Shabaab wurden auf der Grundlange anekdotischer Berichte eingetragen.
* Hinsichtlich der Städte Buuhoodle (Togdheer) und Taalex (Sool) gibt es unterschiedliche Berichte und Informationen, die keine Grundlage bieten, diese Ortschaften mit einem relevanten Akteur zu verbinden.
* Die Karte zeigt für Qoryooley keine Garnison der AMISOM. Allerdings gibt es einen Stützpunkt und auch verfügbare Truppen. Allerdings scheinen diese Truppen den Stützpunkt nicht permanent besetzt zu halten. Daher ist Qoryooley die einzige von AMISOM kontrollierte Bezirkshauptstadt, für welche keine Garnison eingetragen worden ist (wiewohl es eine Garnison der somalischen Armee gibt).
* Dhusamareb wurden deshalb als AMISOM markiert, da die Garnison äthiopischer AMISOM-Truppen in der Stadt der wichtigste Akteur ist. Allerdings hat dort nach wie vor ASWJ die politische Kontrolle.
* Das gleiche gilt für die Städte Ceel Buur und Wabxo: Sie sind zwar unter der politischen Kontrolle der GIA, der jeweils wichtigste Akteur im Ort ist aber AMISOM.
* Dies gilt auch für Städte in Gedo: Sie mögen unter der politischen Kontrolle der JIA sein, trotzdem ist ungewiss, ob die Führung in Kismayo tatsächlich die Kontrolle über die Armee in Gedo innehat. So bleibt als wichtigster Akteur AMISOM.
* Äthiopische Flaggen markieren nicht nur äthiopische AMISOM-Garnisonen sondern auch Garnisonen äthiopischer Truppen, die nicht Teil von AMISOM sind sowie Kräfte der äthiopischen Liyu Police. Letztere operiert im mit "Government Allied Militias" markierten Gebiet entlang der äthiopischen Grenze.
* Während die kenianischen, burundischen, ugandischen und dschibutischen Garnisonen nahezu abgedeckt zu sein scheinen, gibt es mehr äthiopische Garnisonen als auf der Karte vermerkt. Es ist unmöglich, ein klares Bild über die oben erwähnten äthiopischen Truppen außerhalb von AMISOM zu erlangen.
* Jene AMISOM-Garnisonen, die als "Strongholds" (Bastionen) markiert sind, können als permanent erachtet werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese an al Shabaab fallen können.
* Die meisten AMISOM-Garnisonen, die als "Forward Position" markiert sind, haben taktische Relevanz und scheinen permanent zu sein. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass diese unter starkem Druck der al Shabaab geräumt werden können (EASO 2.2016).
Gemäß der auch von EASO zitierten Analyse der Staatendokumentation zur Sicherheitslage in Somalia hat sich die Situation im Zeitraum 7.2014-6.2015 in folgenden Bezirken verschlechtert: Dhusamareb und Ceel Buur (Galgaduud); Belet Weyne und Bulo Burte (Hiiraan); Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley, Merka und Baraawe (Lower Shabelle);
Baidoa und Burhakaba (Bay); Xudur, Waajid und Rab Dhuure (Bakool);
Bulo Xawo (Gedo); Kismayo (Lower Jubba). Die Situation in folgenden Bezirken hat sich im gleichen Zeitraum verbessert: Ceel Waaq und Luuq (Gedo). In den anderen Bezirken sind keine relevanten Änderungen eingetreten (BFA 10.2015; vergleiche EASO 2.2016).
Bild kann nicht dargestellt werden
(EASO 2.2016).
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen. Dies ist einerseits bei der Verteilung terroristischer Aktivitäten im urbanen Raum zu erkennen, andererseits bei der Anzahl bewaffneter Auseinandersetzungen je Bezirk (BFA 10.2015).
Quellen:
2.1. Süd-/Zentralsomalia
Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz
gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 10.2015). Al Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch (UNSC 8.1.2016). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet (AI 24.2.2016). Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der al Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet (BFA 10.2015). Al Shabaab betreibt auch asymmetrische Kriegsführung (EASO 2.2016; vergleiche UNHRC 28.10.2015), gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe, von welchen Zivilisten überproportional betroffen sind. Daneben führt al Shabaab auch gezielte Attentate (UNHCR 28.10.2015; vergleiche UKHO 15.3.2016) und sogenannte hit-and-run-Angriffe aus (DIS 9.2015).
Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 10.2015). Politische Anstrengungen zur Etablierung von Bundesländern verstärkten die Clankämpfe in einigen Bereichen (ÖB 10.2015; vergleiche BS 2016, USDOS 13.4.2016). Dabei kam es auch zu zahlreichen Todesopfern und Vertreibungen, z.B. zwischen Dir und Hawadle im Jänner 2015 (USDOS 13.4.2016).
Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet und deren Eigentum wird zerstört. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 10.2015). Neben den Kampfhandlungen gegen al Shabaab gibt es aus dem ganzen Land auch Berichte über Inter- und Intra-Clankonflikte um Land und Wasserressourcen (EASO 2.2016).
AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 10.2015). Bei gemeinsamen Offensiven mit der somalischen Armee wurde al Shabaab aus Städten in Hiiraan, Bay, Bakool, Gedo und Lower Shabelle vertrieben (AI 24.2.2016). Bei den beiden jüngeren Offensiven (Operation Indian Ocean, Operation Jubba Corridor) trafen AMISOM und Regierungskräfte aufgrund taktischer Rückzüge der al Shabaab nur auf wenig Widerstand. Eingenommen wurde die letzte Bastion der al Shabaab in der Region Gedo - Baardheere - und Diinsoor in der Region Bay. Der al Shabaab wurde zwar die Kontrolle über diese Städte entzogen, doch ist sie ansonsten nicht relevant geschwächt worden. Dahingegen kann AMISOM aufgrund einer Überdehnung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr in jeder Stadt und in jedem Dorf eine Präsenz aufrecht halten (EASO 2.2016). Auch die Haupttransportrouten werden von al Shabaab kontrolliert (HRW 27.1.2016).
In der Folge kam es zu schweren Angriffen der al Shabaab auf Janaale (am 1.9.2015) (UNSC 8.1.2016) und Leego (am 26.6.2015) mit insgesamt rund 100 Toten Soldaten der AMISOM und zahlreichen Vermissten (BFA 10.2015; vergleiche UNSC 8.1.2016, EASO 2.2016). Als Reaktion auf diese Angriffe begann AMISOM mit einer Umgruppierung, wobei einige Städte und Ortschaften geräumt wurden, darunter Kurtunwarey, Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley (Lower Shabelle); Buq-Aqabla und Xarar-Lugoole in Hiiraan; und Fidow an der Grenze zu Middle Shabelle. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch Qoryooley und Wanla Weyne blieben über Tage ohne permanente Truppen der AMISOM (allerdings mit Besatzungen der somalischen Armee). Insgesamt ist einzelnen, exponierten und schwach besetzten Außenposten ein permanenter Status abzusprechen. Spätestens seit dem Angriff der al Shabaab auf den AMISOM-Stützpunkt in Leego werden einzelne Orte zugunsten einer Konzentration von Truppen in größeren Stützpunkten aufgegeben, teilweise wurde der Schutz an die - nur eingeschränkt widerstandsfähige - somalische Armee übertragen (BFA 10.2015).
Es ist nicht möglich, zu definieren, wie weit der Einfluss oder die Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee von einer Stadt hinausreicht. Der Übergang zum Gebiet der al Shabaab ist fließend und unübersichtlich. Im Umfeld (Vororte, Randbezirke) der meisten Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung in Süd-/Zentralsomalia verfügt al Shabaab über eine verdeckte Präsenz, in den meisten Städten selbst über Schläfer (DIS 9.2015). Manche Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung können als Inseln auf dem Gebiet der al Shabaab umschrieben werden (BFA 10.2015; vergleiche DIS 9.2015). Jedenfalls verfügt al Shabaab über ausreichend Kapazitäten, um in Städten unter Kontrolle von AMISOM und Regierung asymmetrische Kriegsführung (hit-and-run-Angriffe, Sprengstoffanschläge, gezielte Attentate) anzuwenden. Es gibt in allen Regionen in Süd-/Zentralsomalia Gebiete, wo al Shabaab Präsenz und Einfluss hat, und wo sie die lokale Bevölkerung zu Steuerzahlungen zwingt. Die Bastion der al Shabaab ist dabei die Region Middle Juba (DIS 9.2015).
Die Sicherheitslage in von der Regierung kontrollierten Städten bleibt also volatil (HRW 27.1.2016). Al Shabaab ist nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 24.2.2016). Bei aller Fragilität der Lage hat aber auch UNHCR festgestellt, dass es Zeichen zunehmender Stabilität gibt (UNHRC 28.10.2015). Seitens der Regierung, AMISOM und der internationalen Gemeinde gibt es Anstrengungen, die neu eroberten Bezirke zu stabilisieren. So wurden etwa nach Diinsoor unmittelbar Verwaltungsbeamte entsendet (UNSC 11.9.2015). Dass al Shabaab unter den gegenwärtigen Umständen Städte zurückerobert, in denen starke Garnisonen ("strongholds") der AMISOM stationiert sind, ist sehr unwahrscheinlich (EASO 2.2016; vergleiche DIS 9.2015).
Quellen:
2.1.1. Interim Juba Administration (IJA; Gedo, Lower und Middle Juba)
Mehrere wichtige Städte auf dem Gebiet der IJA sowie große Teile des Hinterlandes befinden sich noch unter Kontrolle der al Shabaab, z.B. Buale, Jilib und Jamaame. Auf dem Gebiet der IJA kommt es zu v.a. kleineren Angriffen und Hinterhalten der al Shabaab auf somalische Armee und AMISOM sowie auf die Kräfte der IJA. Dabei gibt es auch zivile Opfer. Im Hinterland, das sich unter Kontrolle der al Shabaab befindet, kommt es auch zu Luftschlägen gegen die Terroristen (EASO 2.2016).
Im nördlichen Teil der IJA kommt es v.a. in Garbahaarey zu Spannungen. Außerdem gibt es in diesem Landesteil zahlreiche Clanmilizen, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Neben der somalischen Armee und AMISOM finden sich dort als weitere Akteure die äthiopische Armee, Kräfte der Verwaltung von Jubaland, Reste der Ahlu Sunna Wal Jama'a (im Raum Luuq) und eine Marehan-Miliz (entlang der Grenze). Al Shabaab kontrolliert den ländlichen Raum im Gebiet Baardheere und Buurdhuubo sowie im Süden von Belet Xawo (EASO 2.2016).
Mit der Regierung verbündete Kräfte (Armee, AMISOM, Äthiopien) kontrollieren fast alle wichtigen Städte von Gedo. Der Bezirk Luuq wird als relativ sicher beschrieben. Dies gilt auch für die Stadt Doolow (EASO 2.2016). In Ceel Waaq und Luuq hat sich die Lage in der Vergangenheit verbessert (BFA 10.2015).
Größere Garnisonen der AMISOM befinden sich in Doolow, Luuq, Bulo Xawo, Garbahaarey, Ceel Waaq und Baardheere (Gedo); sowie in Dif, Dhobley, Tabta, Afmadow, Kismayo und Badhaade (Lower Juba). Die Region Middle Juba befindet sich zur Gänze unter Kontrolle der al Shabaab (EASO 2.2016).
In der Hauptstadt der IJA, Kismayo, stieg die Zahl terroristischer Aktivitäten nach der Befreiung im Jahr 2012 konstant an und erreichte im Quartal Q4 2013 ihren Höhepunkt. Seither sind die Zahlen gezielter Attentate und Sprengstoffanschläge konstant zurückgegangen (BFA 10.2015).
In Kismayo kam es im Oktober 2015 zu Auseinandersetzungen zwischen Kräften der IJA und der somalischen Armee. Außerdem gibt es in der Stadt ein großes Potential für Clankonflikte. Die al Shabaab hat in Kismayo eine verdeckte Präsenz, während die Stadt und der nähere Umkreis von den Kräften der IJA, der somalischen Armee und AMISOM kontrolliert wird (EASO 2.2016).
Quellen:
2.1.2. Bakool, Bay
Al Shabaab ist in Bay und Bakool weiterhin aktiv, hat Präsenz und Einfluss. Es kommt zu Hinterhalte auf Militärkonvois und zu meist kleineren Angriffen auf Stützpunkte. Am 26.6.2015 wurde von al Shabaab auch ein erfolgreicher Großangriff auf den AMISOM-Stützpunkt Leego geführt (EASO 2.2016).
In der Region Bay sind neben AMISOM, der äthiopischen und der somalischen Armee auch noch - mit der Regierung verbündete - Kräfte der Interim South West Administration (ISWA) aktiv. Im Grenzraum Bakool/Äthiopien agieren zusätzlich noch mit der Regierung alliierte Milizen und die äthiopische Liyu Police. Die von letztgenannten Kräften kontrollierten Grenzgebiete sind frei von al Shabaab. Liyu Police und alliierte Milizen sind auch abseits größerer Städte stationiert (EASO 2.2016).
Alle relevanten größeren Städte in Bay befinden sich im Einflussbereich von AMISOM und somalischer Armee bzw. ISWA. Größere AMISOM Garnisonen befinden sich in Baidoa, Qansax Dheere, Diinsoor und Buur Hakaba (EASO 2.2016).
In Baidoa kommt es zu Sprengstoffanschlägen und Attentaten. Allerdings hat sich die Situation langsam verbessert (EASO 2.2016). Baidoa hat im Jahr 2012 mit rund 29 Vorfällen pro Quartal massiv unter einer Gewaltwelle gelitten. Seither hat sich die Zahl im Zeitraum Q1 2013 - Q2 2015 bei rund 13 pro Quartal eingependelt, womit auch Baidoa nach wie vor stark von terroristischer Gewalt betroffen bleibt (BFA 10.2015).
Größere Garnisonen der AMISOM bzw. der äthiopischen Armee in Bakool befinden sich in Ceel Barde, Yeed, Rab Dhuure, Xudur, Waajid und Tayeeglow (EASO 2.2016). Im Raum Tayeeglow schränkt die al Shabaab durch ihre Aktivitäten die Bewegungsfreiheit ein - mit Konsequenzen für die humanitäre Situation (UNSC 11.9.2015). Auch die Städte Waajid und Xudur werden blockiert (HRW 27.1.2016), wobei sich die Lage für Xudur etwas verbessert hat (EASO 2.2016).
Quellen:
2.1.3. Lower und Middle Shabelle
Lower Shabelle ist von Aktivitäten der al Shabaab stark betroffen (EASO 2.2016; A 4.2016). Al Shabaab verfügt dort über ausreichende Kapazitäten, um Angriffe auf ihre Feinde zu verüben (A 4.2016). In zahlreichen Orten und Städten mit Garnisonen von AMISOM und/oder Armee kommt es zu Anschlägen, gezielten Attentaten, hit-and-run-Angriffen und auch zu größeren Operationen der al Shabaab. Al Shabaab konnte temporär die Kontrolle über Ortschaften wie Aw Dheegle, Mubarak, Janaale (EASO 2.2016) und Leego, aber auch über die Stadt Qoryooley erlangen. Qoryooley und Leego wurden nach kurzer Frist wieder von AMISOM besetzt (UNSC 11.9.2015). Nach einer Neuaufstellung der AMISOM im Bereich wurden die Orte Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley sowie die Bezirkshauptstadt Kurtunwarey von AMISOM geräumt. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch die Bezirkshauptstadt Wanla Weyn blieb über Tage ohne Besatzung der AMISOM (allerdings mit einer solchen der somalischen Armee) (BFA 10.2015).
Al Shabaab verfügt in der ganzen Region über eine verdeckte Präsenz (EASO 2.2016).
Zusätzlich kam es in Lower Shabelle zu Clan-Kämpfen um Land und Ressourcen (EASO 2.2016). Der Konflikt zwischen Biyomaal und Habr Gedir bleibt ungelöst, auch wenn die Zahl an Berichten hinsichtlich Entführungen und Tötungen abnehmen (USDOS 13.4.2016). Die Milizen der Biyomaal und der Tunni sind angeblich mit al Shabaab alliiert. Besonders von Clan-Konflikten betroffen sind die Städte Merka und Afgooye (EASO 2.2016).
In der bedeutenden Bezirkshauptstadt Afgooye bleibt die Zahl an Gewaltvorfällen konstant hoch. Dabei ist zwar die Zahl an Handgranatenanschlägen eingebrochen, jedoch bleibt die Zahl an Morden bzw. gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen konstant bei rund 13 pro Quartal (Zeitraum Q2 2013 - Q2 2015). Damit ist Afgooye eine der am meisten von Gewaltvorfällen betroffenen Städte. Allerdings sind nicht alle Vorfälle terroristischer Natur, da das Gebiet auch von Clankonflikten betroffen ist (BFA 10.2015). Auch im März 2016 war Afgooye die am meisten vom bewaffneten Konflikt in Somalia betroffene Stadt (A 4.2016).
Auch Merka, Hauptstadt der Region Lower Shabelle, ist seit der Befreiung im Jahr 2012 massiv von Gewaltvorfällen betroffen. Zwar sind die Zahlen in den Quartalen Q4 2014 - Q2 2015 rückläufig, allerdings liegt der - relativ konstante - Durchschnitt der Quartale Q3 2012 - Q2 2015 bei 20 Vorfällen pro Quartal. Wie für Afgooye stellen auch für Merka neben terroristischer Gewalt Clankonflikte eine Quelle gewalttätiger Vorfälle dar (BFA 10.2015).
Größere Garnisonen der AMISOM befinden sich in Bali Doogle, Afgooye, Merka, Shalambood und Baraawe (Lower Shabelle); sowie in Balcad, Jowhar, Warsheikh und Cadale (Middle Shabelle). AMISOM verfügt auch über weitere Stellungen und Positionen entlang der Versorgungsrouten. Entlang der Routen gibt es auch zahlreiche Straßensperren, viele davon illegal. Die somalischen Sicherheitskräfte gehen gegen derartige Sperren vor (EASO 2.2016). Aufgrund einer Neuaufstellung hat AMISOM den Ort Fidow (Middle Shabelle) geräumt, al Shabaab hat den Ort unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016).
In Middle Shabelle kam es wiederholt zu Clankämpfen, z.B. in Jowhar (8.2014), Rage Ceele (6.2015) und Warsheikh (6.2015 und 7.2015). Konflikte um Ressourcen beschäftigen Milizen der Abgal und der Shiidle; es kommt auch zu intra-Abgal-Kämpfen (EASO 2.2016).
Die Hauptstadt der Region Middle Shabelle, Jowhar, wurde Ende 2012 von Truppen der AMISOM und Somalias befreit. Die Zahl an Gewaltvorfällen wuchs stetig und hat in den Quartalen Q2 2013 - Q2 2014 (11 Vorfällen pro Quartal) vorläufig ihren Höhepunkt gefunden. Seither hat sich die Situation wesentlich gebessert, in den Quartalen Q3 2014 - Q2 2015 kam es durchschnittlich zu 3 Vorfällen pro Quartal (BFA 10.2015).
Quellen:
2.1.4. Mogadischu
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 24.2.2016). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014, EASO 2.2016). Der Rückzug der formalen Präsenz der al Shabaab aus Mogadischu ist dauerhaft. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Es gibt in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt (UKUT 3.10.2014; vergleiche EGMR 10.9.2015), auch wenn einzelne Clans angeblich noch in der Lage sein sollen, Angriffe führen zu können (EASO 2.2016).
In Mogadischu gibt es eine Präsenz von AMISOM, somalischer Armee und Polizei, sowie des Geheimdienstes NISA. Die Stadt ist generell sicher, auch wenn sie von al Shabaab bedroht wird (EASO 2.2016; vergleiche DIS 9.2015). Es besteht keine Angst mehr, dass in Mogadischu wieder Bürgerkrieg herrschen könnte. Seit 2011 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt sehr verbessert. Die größte Gefahr geht heute von terroristischen Aktivitäten der al Shabaab aus. Die Hauptziele dafür sind die Regierung und die internationale Gemeinde (LI 1.4.2016). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vergleiche UKUT 3.10.2014). Die Stadtbewohner sind normalerweise nur dann betroffen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind (LI 1.4.2016). Jeder Stadtbürger kann sein eigenes Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der al Shabaab erkennbar sind (UKUT 3.10.2014). EASO listet als angegriffene Ziel von Sprengstoffanschlägen der al Shabaab vor allem Hotels (YSL Hotel, Central Hotel, Maka al-Mukarama Hotel, Jazeera Palace Hotel, Sahafi Hotel), Restaurants, Regierungseinrichtungen und -Konvois, Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM (EASO 2.2016).
Die Halbjahre 2/2014 und 1/2015 lassen bei sicherheitsrelevanten Zwischenfällen einen Abwärtstrend erkennen, trotzdem gibt es noch wöchentlich Angriffe (BFA 10.2015; vergleiche EASO 2.2016).
Der vor einigen Jahren noch gefürchtete Artillerie- und Mörserbeschuss ist drastisch zurückgegangen. In den ersten drei Quartalen 2015 kam es zu vier Feuerüberfällen auf Wardhiigleey, Xamar Weyne, Hodan, Dayniile, und das Küstengebiet von Wadajir. Lediglich letzterer war von mehr als zwei Granaten begleitet. Insgesamt scheint es für AS einerseits sehr schwierig geworden zu sein, Artillerie entsprechend einzusetzen. Andererseits scheint die Strategie von AS derzeit auch das Geringhalten von Kollateralschäden zu beinhalten (BFA 10.2015).
Handgranatenanschläge sind fast gänzlich aus der Strategie der al Shabaab ausgeschieden. Im Zeitraum Q1 2013 - Q1 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an Handgranatenanschlägen pro Quartal noch 86; in den Quartalen Q2 2014 - Q3 2015 ist diese Zahl auf unter 15 eingebrochen. Auch die Zahlen an gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen sind - vor allem im Jahr 2015 - rückläufig. Im Zeitraum Q1 2013 - Q4 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an gezielten Attentaten 52; an Sprengstoffanschlägen 27. Vergleichsweise fallen die Zahlen in den ersten drei Quartalen 2015 geringer aus (46 und 19) - und dies, obwohl der Ramadan schon stattgefunden hat (BFA 10.2015).
Insgesamt sind die Zahlen terroristischer Aktivitäten seit einer Spitze im Q3 2013 nachhaltig eingebrochen und liegen im Jahr 2015 bei nur noch einem Drittel der Zahl. Hingegen scheint die Strategie der al Shabaab zunehmend bewaffnete Zusammenstöße als bevorzugtes Mittel zu umfassen. Betrug die Zahl der Scharmützel in den Quartalen des Jahres 2013 noch durchschnittlich 22, so stieg die Zahl im Jahr 2014 auf 36, im Jahr 2015 sogar weiter auf 44 (BFA 10.2015).
Bei der Zusammenfassung terroristischer Aktivitäten (Artillerie- und Mörserbeschuss; gezielte Attentate; Sprengstoff- und Handgranatenanschläge) im ersten Halbjahr 2015 zeigt sich, dass mehrere Bezirke massiv betroffen sind. Dies gilt für Yaqshiid, Wardhiigleey, Hawl Wadaag, Hodan, Dharkenley und Wadajir. Mäßig betroffen sind Heliwaa, Dayniile, Xamar Jabjab und Waaberi; kaum betroffen sind Karaan, Shibis, Boondheere, Xamar Weyne und die Peripherie. Aus Cabdulcasiis und Shangaani wurden keinerlei Aktivitäten vermerkt (BFA 10.2015).
In Mogadischu sind die Zahlen an terroristischen Aktivitäten und auch die Gesamtzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen innerhalb der vergangenen vier Quartale zurückgegangen. Gleichzeitig bleibt aber die Zahl bewaffneter Auseinandersetzungen mit al Shabaab konstant hoch. Während terroristische Aktivitäten relativ flächendeckend über das Stadtgebiet verstreut vorkommen, konzentrieren sich bewaffnete Zusammenstöße in einer kleinen, übersichtlichen Anzahl an Bezirken (BFA 10.2015).
Im Vergleich zu den Zahlen anderer Städte in Süd/Zentralsomalia kann festgestellt werden, dass die Situation in den o.g. mäßig, kaum oder gar nicht betroffenen Bezirken von Mogadischu wesentlich besser ist, als beispielsweise in Afgooye, Merka, Baidoa oder Kismayo. Dahingegen liegen etwa Yaqshiid, Hodan und Hawl Wadaag durchaus an der Spitze der landesweiten Skala terroristischer Gewalt. Werden noch die Zahlen bewaffneter Zusammenstöße hinzugezählt, müssen Yaqshiid, Hodan und Heliwaa vermutlich als gewaltsamste Orte Somalias bezeichnet werden. Insgesamt wird jedenfalls deutlich, dass al Shabaab in der Lage ist, fast im gesamten Stadtgebiet von Mogadischu terroristische Taten zu begehen (BFA 10.2015). Die Zahl der Angriffe ging insgesamt also zurück und diese richten sich vor allem gegen Repräsentanten der somalischen Regierung und ihre Unterstützer (LI 1.4.2016).
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(BFA 10.2015; vergleiche EASO 2.2016)
Es ist zu erkennen, dass al Shabaab nach wie vor in der Lage ist, über die Peripherie in Randbezirke von Mogadischu einzudringen. In militärischer Hinsicht betrifft dies Dayniile, Heliwaa, sowie Teile von Karaan, Yaqshiid und Dharkenley. Außerdem kann der Einfluss von al Shabaab in der Nacht in den schraffierten Gebieten größer werden. Die restlichen Teile von Mogadischu sind für al Shabaab vor allem auf zwei Arten erreichbar: Erstens in Form verdeckter Akteure; und zweitens in Form von großangelegten Operationen von Spezialeinheiten - sogenannte komplexe Anschläge (welche sowohl Selbstmordattentäter und ferngezündete Sprengsätze als auch eine größere Zahl an nachstoßenden Kämpfern beinhalten). Insgesamt ist jedenfalls feststellbar, dass al Shabaab in den oben blau markierten Teilen der somalischen Hauptstadt mangels permanent anwesender, sichtbarer Kampfeinheiten nur geringer Einfluss zugesprochen werden, wiewohl die Anwesenheit verdeckter Elemente und die Durchführung terroristischer Aktivitäten das Leben der Bewohner beeinflussen (BFA 10.2015).
Quellen:
2.1.5. Al Shabaab (AS)
Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016).
Völkerrechtlich kommen der al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 1.12.2015). Staatlicher Schutz ist in der Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (UKHO 15.3.2016).
Seit 2011 wurden die militärischen Kapazitäten der al Shabaab durch AMISOM und somalische Kräfte sowie durch innere Streitigkeiten beachtlich dezimiert (UKHO 15.3.2016). In der jüngeren Vergangenheit hat al Shabaab schwere Niederlagen erlitten. Einerseits wurde der Anführer, Ahmed Godane, im September 2014 von einer US-Drohne eliminiert. Andererseits hat al Shabaab nach dem Verlust der wichtigen Hafenstadt Baraawe im Oktober 2014 noch weitere, strategisch wichtige Städte verloren (EASO 2.2016). Zuletzt wurden al Shabaab auch herbe Verluste zugefügt. Alleine bei einem Luftschlag gegen ein Lager der Terroristen in Raso (Hiiraan) wurden mehr als 150 frisch ausgebildete Kämpfer getötet und zahlreiche weitere verletzt. Bei einem Vorstoß der al Shabaab entlang der Küste in Nugaal wurden weitere 115 Kämpfer der al Shabaab getötet und 110 gefangen gesetzt. Bei einem ähnlichen Vorstoß im Hinterland fügten Kräfte der GIA der al Shabaab ebensolche Verluste zu. Allein im März 2016 betrugen die Verluste für al Shabaab mindestens 500 Mann, weitere 210 wurden gefangen gesetzt (A 4.2016). Trotz der Verluste ist al Shabaab immer noch in der Lage, große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia zu halten (EASO 2.2016; vergleiche AI 24.2.2016). Die Gruppe kontrolliert auch Versorgungsrouten (UKHO 15.3.2016). Über wie viele Kämpfer die al Shabaab verfügt, ist nicht exakt bekannt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Miliz über mehr als 6.000 Mann verfügt (EASO 2.2016). Al Shabaab ist jedenfalls noch weit davon entfernt, besiegt zu sein (BS 2016).
Allerdings entwickelten sich Mitte 2015 innerhalb der al Shabaab die ersten Risse hinsichtlich einer Neuorientierung zum Islamischen Staat (IS). Mehrere IS-Sympathisanten wurden verhaftet; es kam auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen (EASO 2.2016; vergleiche AI 24.2.2016, UNSC 8.1.2016).
Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Während dies zwar einerseits zur Stärkung der Sicherheit beiträgt (weniger Kriminalität und Gewalt durch Clan-Milizen) (BS 2016), versucht al Shabaab alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2016; vergleiche DIS 9.2015). Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).
Quellen:
3. Rechtsschutz/Justizwesen
In Süd-/Zentralsomalia und in Puntland sind die Grundsätze der Gewaltenteilung in der Verfassung niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere. In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt (AA 1.12.2015; vergleiche UKHO 15.3.2016; USDOS 13.4.2016).
Laut Verfassung sollte es ein Verfassungsgericht, Bundesgerichte und Gerichte der Bundesstaaten geben. Alle diese Institutionen müssen erst geschaffen werden (EASO 2.2016). Insgesamt existiert nur ein rudimentärer Justizapparat (BS 2016). Die Justiz bleibt unterfinanziert, ineffektiv (UKHO 15.3.2016) und korrupt (UKHO 15.3.2016; vergleiche BS 2016; USDOS 13.4.2016). Es mangelt an Ausbildung und Personal (UKHO 15.3.2016; vergleiche EASO 2.2016). Gleichzeitig wird die Justiz durch Drohungen beeinflusst (UKHO 15.3.2016). Frauen, Arme, IDPs und vulnerable Personen sehen sich beim Zugang zur Justiz Hindernissen ausgesetzt. Diese sind z.B. Protektion, politische Einflussnahme und Mangel an Transparenz (UNHRC 6.11.2015).
Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 1.12.2015). Es gibt zwar sowohl in Süd-Zentralsomalia als auch in Puntland einen Instanzenzug, aber in der Praxis werden Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend herbeigebracht (AA 1.12.2015).
Das formelle Justizsystem ist in vielen Teilen Somalias nicht vorhanden. Einige Regionen haben lokale Gerichte eingerichtet, die vom lokal dominanten Clan abhängen (USDOS 13.4.2016).
Es gibt kein einheitliches Justizsystem, vielmehr herrscht eine Mischung aus formellem, traditionellem (xeer) und islamischem (Scharia) Recht (BS 2016; vergleiche USDOS 13.4.2016; EASO 2.2016).
Zur Anwendung kommt xeer bei Konflikten und bei Kriminalität (EASO 2.2016). Im traditionellen Recht vermitteln Älteste. Sie verhandeln auch über Friedensabkommen und einigen sich auf Kompensationszahlungen (BS 2016). Die traditionelle Justiz wird oft herangezogen, da sie zu schnellen Entscheidungen gelangt. Allerdings werden in diesem System oft ganze Clans für die Tat Einzelner zur Verantwortung gezogen (USDOS 13.4.2016).
In den nicht von den jeweiligen Regierungen kontrollierten Gebieten werden Urteile häufig nach traditionellem Recht von Clan-Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur den relativ eng begrenzten Bereich eines bestimmten Clans. Bei Sachverhalten, die mehrere Clans betreffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden (Sippenhaft) spielen dabei eine wichtige Rolle (AA 1.12.2015).
Familien- und Standesangelegenheiten (Heirat, Scheidung, Erbschaft) werden im Rahmen der Scharia abgehandelt. Allerdings sind Schariagerichte oftmals von Clans beeinflusst (BS 2016).
Vor Militärgerichten, wo manchmal auch Zivilisten angeklagt werden, wird Angeklagten nur selten das Recht auf eine Rechtsvertretung oder auf Berufung zugestanden. Internationale Standards werden nicht eingehalten (USDOS 13.4.2016; vergleiche HRW 27.1.2016). Begründet wird die Verfolgung von Zivilisten durch das Militärgericht damit, jede Person, welche sich mit Waffengewalt gegen den Staat richtet, dem Militärgesetz unterliegt (UNHRC 28.10.2015).
Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss der staatliche Schutz in Süd-/Zentralsomalia als schwach bis nicht gegeben gesehen werden (ÖB 10.2015). Der Regierung gelingt es nicht, Zivilisten Schutz zukommen zu lassen (HRW 27.1.2016).
In den unter Kontrolle der al Shabaab stehenden Gebieten wird das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der theokratischen Ideologie der al Shabaab nicht anerkannt (AA 1.12.2015). Dort gibt es kein formelles Justizsystem, es gilt die strikte Interpretation der Scharia (EASO 2.2016; vergleiche USDOS 13.4.2016; BS 2016). Insgesamt gibt es nur wenige Informationen darüber, wie die Schariagerichte aufgebaut sind und wie sie arbeiten (BS 2016). Angeklagte vor einem Schariagericht haben kein Recht auf Verteidigung, Zeugen oder einen Anwalt (USDOS 13.4.2016; vergleiche BS 2016). Gerichte verhängen harte Strafen, wie Steinigung, Enthauptung, Amputation oder Auspeitschung (EASO 2.2016; vergleiche BS 2016). Außerdem setzt al Shabaab strikte Moralgesetze durch, welche Kleidervorschriften oder das Verbot von Rauchen und öffentlichem Khat-Konsum umfassen (BS 2016).
Es gilt das Angebot einer Amnestie gegenüber Kämpfern der al Shabaab, die die Waffen ablegen, der Gewalt abschwören und sich zur staatlichen Ordnung bekennen (AA 1.12.2015).
Auch wenn diese in der puntländischen Verfassung festgeschrieben ist, gibt es in Puntland keine Gewaltenteilung. Sowohl die Legislative als auch die Justiz werden von der Exekutive substantiell beeinflusst. Die Unabhängigkeit der Justiz wurde mehrmals unterminiert (BS 2016).
In Puntland gibt es zwar funktionierende Gerichte (EASO 2.2016; vergleiche USDOS 13.4.2016), doch können diese nicht gewährleisten, dass vor dem Recht alle gleich sind (USDOS 13.4.2016). Außerdem leidet die Justiz an Unterfinanzierung, Kapazitätsproblemen, ausgebildetem Personal, Erfahrung und Reichweite (BS 2016). Trotzdem werden in Puntland Verfahrensrechte besser respektiert als in Süd-/Zentralsomalia (AA 1.12.2015). Es gilt die Unschuldsvermutung, das Recht auf ein öffentliches Verfahren und das Recht auf einen Anwalt (USDOS 13.4.2016).
Das Justizsystem in Puntland ist eine Mischung aus traditionellem Recht (xeer), islamischem Recht (Scharia) und formellem Recht (EASO 2.2016; vergleiche BS 2016). Die meisten Fälle werden durch Clanälteste im xeer abgehandelt. Ins formelle Justizsystem gelangen vor allem jene Fälle, wo keine Clan-Repräsentation gegeben ist (USDOS 13.4.2016).
Zu den weder von Regierung noch von al Shabaab, sondern von weiteren Clan- oder anderen Milizen kontrollierten Gebieten liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es ist aber nach Einschätzung von Beobachtern davon auszugehen, dass Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung zumeist in der Hand einer kleinen Gruppe von Notabeln (z. B. "Clanältesten") liegen. Von einer Gewaltenteilung ist nicht auszugehen (AA 1.12.2015).
Quellen:
4. Sicherheitsbehörden
Die Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) wurde im Jänner 2015 mit Resolutionen der Afrikanischen Union und der UN ins Leben gerufen. Die Mission hat eine militärische, eine polizeiliche und eine zivile Komponente. Truppenstellerstaaten für die militärische Komponente sind gegenwärtig Uganda, Burundi, Dschibuti, Kenia und Äthiopien (EASO 2.2016). Das AMISOM-Mandat wurde am 24.3.2016 vom UN Sicherheitsrat auf März 2017 verlängert (UNNS 24.3.2016). Die AMISOM arbeitet mit der somalischen Armee zusammen, um in Süd-/Zentralsomalia für Ordnung zu sorgen (USDOS 13.4.2016). Die Stärke von AMISOM (Soldaten und Polizisten) beträgt zurzeit mehr als 22.000 (ÖB 10.2015; vergleiche BS 2016).
Allerdings ist nur ein Teil der äthiopischen Truppen in Somalia in die AMISOM integriert, Äthiopien verfügt über 2.000-9.000 weitere, nationale Kräfte im Land (EASO 2.2016).
Zusätzlich gibt es noch eine UN Guard Unit (UNGU) mit 530 ugandischen Soldaten, deren einzige Aufgabe der Schutz der UN-Einrichtungen in Mogadischu ist (EASO 2.2016)
Die Polizei untersteht einer Mischung an lokalen und regionalen Verwaltungen und der Bundesregierung. Die nationale Polizei untersteht dem Ministerium für Nationale Sicherheit; außerdem betreiben regionale Behörden eigene Polizeikräfte, die den jeweiligen regionalen Sicherheitsministerien unterstehen. In Mogadischu gibt es zwei getrennte Polizeikräfte: Eine unter der Kontrolle der Bundesregierung, einen andere unter Kontrolle der Regionalverwaltung Benadir. Die Bundespolizei ist in allen 17 Bezirken der Stadt präsent. Oft verdanken Polizisten in Mogadischu ihren Job familiären oder Clan-Kontakten (USDOS 13.4.2016). Von der somalischen Regierung sind zirka 4.000 (EASO 2.2016), nach anderen Angaben 5.200 (UNSC 11.9.2015) oder 6.000 (ÖB 10.2015) oder schließlich 6.748 Polizisten biometrisch erfasst. Der neueste Bericht der UN beziffert die Zahl der Lohnempfangenden somalischen Polizisten mit 12.500 Mann (UNSC 8.1.2016).
Zusätzlich gibt es in Mogadischu noch Polizeieinheiten der AMISOM. Rund 300 AMISOM-Polizisten bilden die somalischen Polizisten in den Bereichen Polizeiarbeit; Menschenrechte; Verbrechensprävention; Gemeindepolizei und Fahndungsmethoden weiter (USDOS 13.4.2016). Im Bereich der Polizeiausbildung bestehen außerdem bilaterale Initiativen, etwa durch Italien und die Türkei (Ausbildung von Polizeikräften in Mogadischu), weiteres durch UNDP, UNODC (v.a. Strafvollzug) sowie durch die IOM (Counter-Trafficking) und in jüngster Zeit auch durch die Vereinigten Arabischen Emirate. Die EU plant zusätzliche 15 Millionen Euro für die Ausbildung der Polizei zur Verfügung zu stellen (ÖB 10.2015).
Die Polizei ist generell nicht effektiv (USDOS 13.4.2016).
Das Verteidigungsministerium ist für die Kontrolle der Armee verantwortlich. Dabei bleibt die ausgeübte Kontrolle dürftig, hat sich aber mit Hilfe internationaler Partner etwas verbessert. Letzteres gilt etwa für die Kräfte im Großraum Mogadischu bis Merka, Baidoa und Jowhar (USDOS 13.4.2016).
Über die Gesamtzahl der somalischen Armee gibt es unterschiedliche Angaben. Laut US Außenministerium betrug diese Ende 2015 rund 23.000 Soldaten (USDOS 13.4.2016). EASO und die UN nennen für August 2015 die Zahl von insgesamt 16.780 biometrisch erfassten Angehörigen der Armee (EASO 2.2016; vergleiche UNSC 11.9.2015), EASO geht jedoch davon aus, dass die Anzahl der tatsächlich aktiven Truppe vermutlich geringer sei. Auch werden Quellen genannt, welche die Gesamtzahl der somalischen Armee auf lediglich 10.000 schätzen (EASO 2.2016). Die neueste Zahl der UN berichtet von 19.800 biometrisch erfassten und 22.000 insgesamt vorhandenen somalischen Armeeangehörigen (UNSC 8.1.2016).
Die Masse der Truppe befindet sich in Middle und Lower Shabelle sowie in Bay, Bakool und Gedo. Die Armee ist in 17 unabhängige Brigaden unterteilt. Kräfte der Armee und von pro-Regierungs-Milizen operieren Seite an Seite mit der AMISOM (USDOS 13.4.2016). Sowohl Schlüsselpositionen als auch Mannschaften der somalischen Armee werden von Hawiye dominiert (EASO 2.2016).
Die Rolle des Staatsschutzes liegt in der Hand der National Intelligence and Security Agency (NISA). NISA ist mit exekutiven Vollmachten ausgestattet (AA 1.12.2015). Die Bundesregierung greift regelmäßig auf die Kräfte des NISA zurück, um polizeiliche Arbeit zu erledigen. Hierbei werden Zivilisten ohne Haftbefehl festgehalten (USDOS 13.4.2016). Zwar hat auch die somalische Polizei eine eigene Anti-Terror-Einheit gegründet, trotzdem ist die NISA bei der Reaktion auf Terrorangriffe in Mogadischu hauptverantwortlich (EASO 2.2016).
Mehrere hundert Somali sind von der äthiopischen Armee ausgebildet worden, um das äthiopisch-somalische Grenzgebiet zu schützen. Diese Einheiten operieren unabhängig von AMISOM und somalischer Armee (EASO 2.2016).
Sowohl die Bundesregierung als auch die Interim Juba Administration (IJA) und die Interim South West Administration (ISWA) arbeiten an der Einrichtung von regionalen Polizeikräften. Die UN-Mission UNSOM unterstützt sie dabei; so wurden in Baidoa und Kismayo je 200 Rekruten für die Polizei ausgewählt (UNSC 11.9.2015). Die Ausbildung wird von AMISOM und vom Vereinigten Königreich unterstützt (UNSC 8.1.2016). Außerdem hat die IJA zugestimmt, die eigenen Kräfte in die somalische Armee zu integrieren. Die Integration der ersten
1.350 von insgesamt rund 3.000 Mann erfolgte im Juli 2015 (EASO 2.2016).
Auch für die jüngst eroberten Gebiete wurden Polizeikräfte rekrutiert. Ziel ist es, in jedem der dreizehn neu eroberten Bezirke je zehn Polizisten der somalischen Polizei zu stationieren und diese mit je 35 lokal rekrutierten Gemeindepolizisten zu verstärken (UNSC 11.9.2015). Die betroffenen 130 Polizisten waren gegen Ende 2015 fertig ausgebildet, jedoch gab es hinsichtlich der Verlegung in die Zielgebiete Probleme (UNSC 8.1.2016).
Puntland verfügt ebenso wie Somaliland und die Juba Interim Administration (JIA) über eigene Polizeikräfte (EASO 2.2016). Die Zahl der puntländischen Sicherheitskräfte wird auf ca. 4.000 geschätzt - inklusive staatlicher Milizen und Polizeikräfte. Dabei handelt es sich um die Puntland Darawish Force, die Puntland Maritim Police Force (PMPF) und die Puntland Intelligence Agency (PIA). Letztere wird von den Darod/Majerteen dominiert (EASO 2.2016). Die nachrichtendienstlich arbeitende Innenbehörde verfügt über exekutive Vollmachten (AA 1.12.2015).
Zwar ist die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte in Puntland etwas stärker ausgeprägt, als in Süd-/Zentralsomalia, doch entzieht sich das Handeln der Sicherheitskräfte auch dort weitgehend Kontrolle der öffentlichen Kontrolle. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden keine erhoben (AA 1.12.2015).
Die Sicherheitskräfte in Puntland wurden in der Vergangenheit nicht immer regelmäßig entlohnt, wodurch es zu Protesten von Soldaten und dem Errichten illegaler Straßensperren kam (EASO 2.2016).
Die Aktionen der staatlichen Sicherheitskräfte und insbesondere der NISA entziehen sich oftmals der öffentlichen Kontrolle (AA 1.12.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Gleichzeitig bekennt sich die Regierung zu ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden nicht erhoben. Jedoch kann im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass Sicherheitskräfte den entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen und bei Verstößen straffrei davonkommen (AA 1.12.2015). Nur selten kommt es zur Untersuchung von durch Polizei, Armee oder Milizen begangene Vergehen, es herrscht eine Kultur der Straflosigkeit (USDOS 13.4.2016; vergleiche AA 1.12.2015).
Der Bundesregierung ist es nicht gelungen, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen. Vielmehr hängt die Regierung von den Kräften der AMISOM und von alliierten lokalen und regionalen Milizen ab. Die Abhängigkeit von lokalen Milizen verläuft dabei nicht friktionsfrei. Die Loyalität der Milizen liegt - trotz offizieller Allianz mit der Regierung - zuallererst bei den Kommandanten und beim Clan. Die Spannungen zwischen lokalen Milizen und der Armee traten bereits zutage, als die Verwaltungsstrukturen im Sinne der Föderalisierung geändert worden sind (BS 2016).
Das Verhalten der Sicherheitskräfte entspricht nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 1.12.2015). AMISOM und nationale Sicherheitskräfte geben ihr Bestes, um die Gefahr durch al Shabaab in Mogadischu einzudämmen. Auch wenn die Arbeit der Polizei Defizite aufweist, so trägt sie doch ihren Teil bei (UKUT 3.10.2014). In Mogadischu und anderen urbanen Gebieten unter Kontrolle der Regierung und ihrer Alliierten können die Behörden schutzwillig sein; jedoch sind sie meist nicht in der Lage, einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Dies kann der strukturellen Schwäche der Sicherheitskräfte, dem Mangel an Ressourcen, Ausbildung und Ausrüstung, schwachen Kommandostrukturen, der Korruption und der Straflosigkeit für schwerste Verbrechen angelastet werden (UKHO 15.3.2016).
Der durchschnittliche Sold somalischer Soldaten beträgt 100 US-Dollar. Es kommt vor, dass manche Soldaten nur mit Nahrungsmitteln (ÖB 10.2015) oder sehr unregelmäßig bezahlt werden (AA 1.12.2015; vergleiche EASO 2.2016). Die geringe Entlohnung führt immer wieder dazu, dass Soldaten und Polizisten zu Clan-Milizen oder sogar zur al Shabaab überlaufen (EASO 2.2016; vergleiche ÖB 10.2015), da sie dort besser bezahlt werden. Um diese Überläufer zu ersetzen, werden nach wie vor mehr Sicherheitsbeamte rekrutiert (ÖB 10.2015). Außerdem verkaufen Soldaten ihre Ausrüstung oder wurden kriminell (z.B. Errichtung illegaler Straßensperren (EASO 2.2016; vergleiche UNSC 8.1.2016). Ende 2015 ist es gelungen, an 5.200 somalische Polizisten einen achtmonatigen Gehaltsrückstand auszuzahlen (UNSC 8.1.2016).
Die EU hat seit 2010 im Rahmen der Trainingsmission EUTM Somalia bereits über 4.000 somalische Soldaten ausgebildet. Die Besoldung der Rekruten wurde in erster Linie von den USA und Italien finanziert. Mittlerweile ist EUTM verstärkt zu Beratungstätigkeiten für die somalische Armee in Mogadischu sowie zu Offiziersausbildung übergegangen (ÖB 10.2015).
Das Ziel der AMISOM ist es, innerhalb der nächsten Jahre bis zu 30.000 somalische Uniformierte auszubilden (ÖB 10.2015). Die UN betreibt eine Ausbildung hinsichtlich Menschenrechte, diese findet auch dezentral in Kismayo und Ceel Waaq statt (UNSC 11.9.2015). Ausbildung und Training im Menschenrechtsbereich werden zwar zunehmend international unterstützt, für die Mehrzahl der regulären Kräfte muss jedoch weiterhin davon ausgegangen werden, dass ihnen die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns nur äußerst begrenzt bekannt sind. Für die regierungsnahen Milizen gilt dies erst recht. Vonseiten der Kämpfer der al Shabaab wird der völkerrechtliche Rahmen für die Arbeit von Sicherheitsorganen als solcher nicht anerkannt (AA 1.12.2015).
Quellen:
5. Folter und unmenschliche Behandlung
Auch wenn die Übergangsverfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, kommt es zu derartigen Vorfällen. Es wurden Anschuldigungen erhoben, dass Angehörige des Geheimdienstes NISA Folter anwenden würden (USDOS 13.4.2016). NISA führt Razzien durch und verhaftet Menschen, obwohl der Dienst dafür über kein Mandat verfügt (HRW 27.1.2016). Die NISA hält Beschuldigte über lange Zeit ohne Anklage fest und misshandelt Verdächtige bei Verhören (USDOS 13.4.2016; vergleiche HRW 27.1.2016). Auch gegen Kräfte der Juba Interim Administration wurden Foltervorwürfe erhoben (USDOS 13.4.2016).
In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten ist regelmäßig von unmenschlicher Behandlung auszugehen, wenn einzelne Personen gegen die Interessen der al Shabaab handeln oder dessen verdächtigt werden (AA 1.12.2015). Al Shabaab misshandelt Menschen auf dem Gebiet unter eigener Kontrolle und setzt diese harten Bestrafungen aus (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
6. Korruption
Somalia war im Jahr 2015 laut Transparency International zum wiederholten Male das korrupteste Land der Welt (Platz 167) (TI 2015). Auch in anderen Indizes rangiert Somalia als Schlusslicht (WB 10.2015). Trotz erheblicher internationaler Unterstützung hat es die Regierung verabsäumt, einen Reformprozess zu initiieren. Wie auch die Vorgängerregierungen beteiligt sich die aktuelle Regierung an systematischer Korruption und großangelegtem Missbrauch staatlicher Gelder (BS 2016). Das räuberische Verhalten der politischen Akteure bleibt ein Problem (WB 10.2015). Regierungsbedienstete und -Offizielle beteiligen sich häufig an Korruption. Es gibt zwar ein Gesetz gegen Korruption in der Verwaltung, dieses wird aber nicht effektiv angewendet. Die in der Verfassung vorgesehene Antikorruptionskommission ist noch nicht eingerichtet worden (USDOS 13.4.2016). Auch das Justizsystem ist von Korruption durchdrungen (BS 2016).
Al Shabaab hebt in ihren Gebieten nicht vorhersagbare und hohe Zakat- und Sadaqa-Steuern ein. Außerdem werden humanitäre Hilfsgüter zweckentfremdet oder gestohlen (USDOS 13.4.2016).
Die puntländische Good Governance and Anticorruption Commission hat im Jahr 2015 keine Behördenmitarbeiter oder Politiker vor Gericht gebracht (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
7. Militär, Rekrutierungen, Deserteure
In Somalia gibt es keinen verpflichtenden Militärdienst. Allerdings rekrutieren die Clans regelmäßig eigenmächtig und unter Androhung von Zwangsmaßnahmen für die Familie junge Männer zum Dienst in einer der Milizen, bei den staatlichen Sicherheitskräften oder sogar bei der al Shabaab, um einen gewissen Schutz des eigenen Clans oder Sub-Clans zu erreichen (AA 1.12.2015).
Quellen:
7.1. (Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten
Kinder werden - weniger durch die Regierung, regelmäßig jedoch in Verbänden der al Shabaab oder von Clan-Milizen - als Kindersoldaten rekrutiert (AA 1.12.2015) und eingesetzt (USDOS 13.4.2016). Bis 5.6.2015 hat die UN 819 Fälle der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten durch al Shabaab, die somalische Armee, alliierte Milizen, Ahlu Sunna Wal Jama'a und andere bewaffnete Gruppen dokumentiert (AI 24.2.2016). Während sich in den Reihen der Regierungskräfte v.a. Minderjährige finden, deren Alter im Rahmen des Rekrutierungsprozesses nicht eindeutig festgestellt wurde, setzt al Shabaab Kindersoldaten systematisch ein. Erfreulicherweise geht die Zahl der Rekrutierung von Kindern tendenziell zurück. Die somalische Regierung hat 2012 einen Aktionsplan zur Verwirklichung einer "kinderfreien" somalischen Armee verabschiedet, die Umsetzung schreitet allerdings langsam voran. UNSOM und UNICEF unterstützen die Regierung bei der Umsetzung ihrer Vorgaben in diesem Bereich (ÖB 10.2015).
In welchem Ausmaß al Shabaab heute noch Kinder rekrutiert, kann nicht genau gesagt werden (LI 11.6.2015). Die UN haben von 82 Fällen berichtet, bei welchen Kinder in Moscheen oder während religiösen Veranstaltungen der al Shabaab rekrutiert worden sind (USDOS 13.4.2016).
Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia. Die Rekrutierung als solche wird von UNHCR nicht als Fluchtgrund gesehen. Somalische Flüchtlinge - v.a. jene, die das Land nach 2011 verlassen haben - seien nicht vor al Shabaab geflohen sondern vor der Hungersnot (ÖB 10.2015). Es ist zwar weniger wahrscheinlich, aber auch in Städten unter der Kontrolle der Regierung und von AMISOM wird durch al Shabaab rekrutiert (DIS 9.2015).
Die wichtigste Personengruppe für Rekrutierungen ist für al Shabaab jene der 12-16jährigen Buben. Als wichtige Werkzeuge bei der Rekrutierung gelten Propaganda; die Rekrutierung über Clanführer und Koranschulen; Gehirnwäsche und Indoktrinierung; wie Deserteure berichten, stehen letztere zwei Methoden im Vordergrund. Gleichzeitig wird manchmal Zwang angewendet, meist aber erfolgt die Rekrutierung durch Überzeugungsarbeit - und durch die Aussicht auf Sold. Denn al Shabaab ist für junge Männer attraktiv, die keine Bildung haben oder arbeitslos sind. Gleichzeitig ist es für Familien attraktiv, ein bis zwei Angehörige bei al Shabaab unterzubringen, um so Einkommen zu generieren (LI 10.9.2015) bzw. um die Familie abzusichern (DIS 9.2015). Am leichtesten kann al Shabaab folglich in IDP-Lagern rekrutieren (LI 10.9.2015). Al Shabaab rekrutiert normalerweise in Moscheen oder bei religiösen Veranstaltungen (EASO 2.2016; vergleiche ÖB 10.2015).
Es ist schwer einzuschätzen, wie systematisch und weitverbreitet Zwangsrekrutierungen stattfinden. Die UN führt jegliche Rekrutierung von Kindern als Zwangsrekrutierung (LI 10.9.2015).
In Mogadischu gibt es kein Risiko hinsichtlich einer Zwangsrekrutierung durch al Shabaab (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015). Al Shabaab führt in Städten wie Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen von Kindern mehr durch. Allerdings bezahlt al Shabaab in Mogadischu Kinder für Aktivitäten (Informationen; aber auch das Werfen von Handgranaten) (LI 11.6.2015). In jenen ländlichen Gebieten, die unter Kontrolle der al Shabaab sind, kommt die (Zwangs-)Rekrutierung von Kindern immer noch vor (LI 11.6.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016), ist aber die Ausnahme (EASO 2.2016). Es ist ein Fall dokumentiert, wo al Shabaab in einer Koranschule im Gebiet der Regierung - in Baidoa - sechs Buben rekrutiert hat. Generell ist es aber unwahrscheinlich, dass al Shabaab in Gebieten, die nicht unter ihrer Kontrolle stehen, Zwangsrekrutierungen vornimmt (LI 10.9.2015).
Die Weigerung, der al Shabaab beizutreten, kann für die Person selbst, aber auch für Familienangehörige tödlich sein. Eine andere Konsequenz, um einer Rekrutierung zu entgehen, wäre die Übersiedlung in ein anderes Gebiet (DIS 9.2015).
Die UN unterstützen die Reintegration von 500 ehemaligen Kindersoldaten in ihre Familien und Gemeinden. Die Aktivitäten umfassen psycho-soziale Unterstützung, "back-to-school"-Programme und Berufsausbildung (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
7.2. Deserteure und ehemalige Kämpfer der al Shabaab
Hinsichtlich Deserteuren der al Shabaab gibt es nur wenige Informationen. Es gibt keine Aufzeichnungen über diese Personen, und auch nicht darüber, was später mit ihnen geschah. Ein bis zwei Drittel der Deserteure scheinen unmittelbar zu ihren Gemeinden zurückzukehren, ohne sich vorher der Armee oder AMISOM zu ergeben (LI 5.8.2015).
Eigentlich gilt gegenwärtig eine bereits 2014 ausgerufene Amnestie für al-Shabaab-Mitglieder, die sich ergeben; allerdings scheint es hier Ausnahmen zu geben. Jene Deserteure, die sich ergeben, werden vom Geheimdienst NISA einem Screening unterzogen. Dabei wird nach "high risk" und "low risk" kategorisiert. Erstere bleiben in Haft und warten auf ein Gerichtsverfahren; letztere werden rehabilitiert und/oder in die somalischen Sicherheitskräfte integriert. Sie stellen die Mehrheit (LI 5.8.2015).
In Belet Weyne bleiben low-risk-Deserteure beispielsweise nur kurze Zeit in Rehabilitationszentren, bevor sie nach Hause entlassen werden. Mindestens 1.200 Deserteure sind alleine durch ein Rehabilitationszentrum in Mogadischu gegangen. Die Gesamtzahl für Somalia ist unbekannt. Von diesen 1.200 sind rund 700 nach Hause (Mogadischu und Lower Shabelle) zurückgekehrt, weitere 200 wurden in die Sicherheitskräfte übernommen (LI 5.8.2015).
In Süd-/Zentralsomalia gibt es mehrere Rehabilitationszentren, z.B. das Serendi Centre in Mogadischu oder das Hiil Walaal Rehabilitation Centre in Belet Weyne (LI 5.8.2015) sowie ein Zentrum in Baidoa (UNSC 8.1.2016). Das Lager in Baidoa wird von IOM betrieben und von Deutschland finanziert. Ein weiteres Lager in Mogadischu wird von Großbritannien finanziert (ÖB 10.2015).
Die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards wird von UNSOM überwacht (UNSC 11.9.2015). Im Dezember 2015 befanden sich im Serendi Centre 225 Männer, im Hiil Walaal Centre 25, in Baidoa 95 (UNSC 8.1.2016). Außerdem hat IOM mit der Unterstützung von UNSOM in Baidoa ein eigenes Frauenhaus für weibliche, ehemalige al-Shabaab-Mitglieder eingerichtet (UNSC 8.1.2016; vergleiche ÖB 10.2015).
In den Zentren werden Berufsausbildung, eine Ausbildung zur Konfliktlösung und eine Traumabehandlung angeboten (UNSC 8.1.2016; vergleiche ÖB 10.2015). Einzelpersonen werden nach Feststellung des exit board in die Gesellschaft reintegriert (UNSC 8.1.2016). Als Integrationsmaßnahme wird Entlassenen auch Geld zur Verfügung gestellt, um eventuell ein Unternehmen zu gründen (ÖB 10.2015).
Da es aufgrund der Militäroperationen im Jahr 2015 zu einem Anstieg der Zahl an al-Shabaab-Kämpfern gekommen ist, die sich ergeben haben oder die gefangen genommen worden sind, mussten diese teils in privaten Unterkünften und temporären Einrichtungen untergebracht werden (UNSC 11.9.2015).
Für ehemalige Kindersoldaten gibt es eigene Zentren, wie z.B. das Interim Care Centre in Mogadischu, das auch von UNICEF unterstützt wird (LI 5.8.2015). UNICEF Somalia betreibt zwei Zentren für minderjährige ehemalige al Shabaab-Kämpfer, in denen die Minderjährigen gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung resozialisiert und unterrichtet werden (ÖB 10.2015). Alle Kinder, die sich früher im Serendi Centre befanden, wurden an UNICEF übergeben (UNHRC 28.10.2015). Außerdem bietet UNICEF ein Reintegrationsprogramm für Kinder an, die bei bewaffneten Gruppen - darunter al Shabaab - Dienst versahen. Davon profitieren 625 Kinder (UNSC 11.9.2015).
Es herrscht allgemein Einigkeit darüber, dass al Shabaab schon Deserteure ermordet hat (LI 5.8.2015). Es herrscht auch Einigkeit darüber, dass al Shabaab in der Lage ist, Deserteure auch auf dem Gebiet unter Kontrolle von AMISOM und Regierung aufzuspüren (DIS 9.2015; vergleiche LI 5.8.2015).
Allerdings herrscht Uneinigkeit darüber, in welchem Ausmaß al Shabaab der Jagd nach Deserteuren Priorität einräumt. Ein Bericht der norwegischen COI-Einheit Landinfo kommt zum Schluss, dass al Shabaab für Deserteure zwar ein Risiko darstellt, jedoch aus den vorhandenen Informationen geschlossen werden kann, dass al Shabaab der Suche nach Deserteuren auf dem Gebiet von AMISOM und Regierung keine Priorität einräumt (LI 5.8.2015).
Zwar gaben mehrere Quellen an, dass al Shabaab beachtliche Ressourcen aufwendet, um Deserteure aufzuspüren und zu töten (LI 5.8.2015). Andere Quellen aber erklären, dass Deserteure von al Shabaab auf dem Gebiet von AMISOM und Regierung nicht systematisch verfolgt und getötet werden (DIS 9.2015; vergleiche ÖB 10.2015). Vielmehr kommt es zu Einschüchterungsversuchen (ÖB 10.2015); sowie in Einzelfällen zur Tötung. Bisher hat al Shabaab nur eine geringe Zahl an Deserteuren getötet und war auch nicht in der Lage, deren Familienmitglieder zu bedrohen oder anzugreifen (DIS 9.2015).
Eine mögliche Erklärung ist, dass starke Clans in der Lage sind, al Shabaab von einer Rachenahme an Deserteuren des eigenen Clans abzubringen. Dies kann der Grund dafür sein, warum so viele Deserteure in ihre Gemeinden zurückkehren können. Dementsprechend riskieren Deserteure schwacher Clans ihr eigenes Leben und das ihrer Familienangehörigen. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass al Shabaab nicht mehr über die Ressourcen verfügt, um Deserteure systematisch verfolgen zu können (LI 5.8.2015).
Hinsichtlich minderjähriger Deserteure wird al Shabaab kaum motiviert sein, diese auf dem Gebiet von AMISOM und Regierung aufzuspüren und zu töten. Die Minderjährigen verfügen i.d.R. über keine wichtigen Informationen über die al Shabaab; trotzdem sind in Baidoa in der Vergangenheit auch minderjährige Deserteure getötet worden - vermutlich, um ein Exempel zu statuieren (DIS 9.2015).
Trotzdem befürchten z.B. Deserteure im Rehabilitationszentrum in Mogadischu die Rache der al Shabaab. Viele trauen sich nicht, das Lager zu verlassen. Andererseits sind z.B. 700 Deserteure aus dem Rehabilitationszentrum nach Hause (Mogadischu und Lower Shabelle), in Regionen unter der Kontrolle von AMISOM und Regierung zurückgekehrt. Keiner von ihnen wurde von al Shabaab getötet (LI 5.8.2015).
Wenn aber al Shabaab eine Person als ausreichend wichtiges Ziel erachtet, wird sie diese zu töten versuchen. Bei ranghohen Deserteuren wird dies mit dem Wissen über al Shabaab gerechtfertigt werden. Manchmal wird al Shabaab aber einfach nur ein Exempel statuieren; davon sind auch niedrigere Ränge und deren Familienangehörige betroffen (DIS 9.2015).
Quellen:
8. Allgemeine Menschenrechtslage
Sowohl in der Verfassung von Somalia als auch in jener von Puntland ist der Schutz der Menschenrechte in der Verfassung ebenso verankert, wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 1.12.2015).
Bei Kämpfen zwischen AMISOM und äthiopischer und somalischer Armee auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite kommt es zu zivilen Opfern (USDOS 13.4.2016; vergleiche AI 24.2.2016; UNSC 11.9.2015). In den Monaten September bis Dezember 2015 zählte die UN 123 zivile Opfer des Konfliktes; im Zeitraum Mai bis August 2015 waren es 113 gewesen (UNSC 8.1.2016).
Alle Konfliktparteien sind für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich (AI 24.2.2016). Die schwersten Menschenrechtsverletzungen sind: Tötung von Zivilisten durch al Shabaab, somalische Kräfte und unbekannte Angreifer; Gewalt und Diskriminierung von Frauen und Mädchen, darunter Vergewaltigungen und FGM (USDOS 13.4.2016). In Süd-/Zentralsomalia werden extralegale Tötungen in der Regel von der al Shabaab in von ihr kontrollierten Gebieten durchgeführt (AA 1.12.2015).
Bei staatlichen somalischen Sicherheitskräften stellen extralegale Tötungen kein strukturelles Problem dar. Im Falle einer solchen Tötung ist jedoch aufgrund des dysfunktionalen Justizsystems in der Regel von Straflosigkeit auszugehen (AA 1.12.2015). Es liegen keine Berichte über "Verschwindenlassen vor (AA 1.12.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Vermeintliche Sympathisanten der radikalen Islamisten werden unter Missachtung völkerrechtlicher Verfahrensgarantien unter Staatsschutzaspekten festgehalten (AA 1.12.2015).
Weitere Menschenrechtsverletzungen sind Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung; lebensbedrohliche Haftbedingungen und willkürliche Verhaftungen; die Verweigerung fairer Verfahren; exzessive Gewaltanwendung; die Einschränkung von Meinungs-, Presse-, Bewegungsfreiheit; Delogierung von IDPs; Korruption; Misshandlungen und Diskriminierung von Minderheiten-Clans (USDOS 13.4.2016).
Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Sub-Clans, meist im Streit um Wasser und andere Ressourcen. Bei Konflikten zwischen Clans kam es in den Regionen Lower Shabelle, Middle Shabelle, Hiiraan, Galgaduud und Gedo zu Toten (USDOS 13.4.2016).
Al Shabaab begeht Morde, entführt Menschen, begeht Vergewaltigungen und vollzieht unmenschliche und grausame Bestrafungen; Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschränkt. Al Shabaab rekrutiert Kindersoldaten (USDOS 13.4.2016; vergleiche HRW 27.1.2016; BS 2016). Da auf dem Gebiet der al Shabaab eine strikte Interpretation der Scharia zur Anwendung gebracht wird, kommt es dort zu Folter und körperlichen Strafen, wenn die Interpretation nicht eingehalten wird (UKHO 3.2.2015; vergleiche EASO 2.2016; AI 24.2.2016). Außerdem richtet al Shabaab regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen unter dem Vorwurf hin, diese hätten mit der Regierung, einer internationalen Organisation oder einer westlichen Hilfsorganisation zusammengearbeitet oder spioniert (AA 1.12.2015; vergleiche AI 24.2.2016). Moralgesetze verbieten das Rauchen, das öffentliche Einnehmen von Khat, weltliche Musik und das Tanzen (BS 2016), Filme, und Sport (EASO 2.2016); Verschleierung und Männerhaarschnitte werden vorgeschrieben (BS 2016). Die Rekrutierung von Kindersoldaten und Zwangsehen haben bei al Shabaab laut einem UN-Bericht zugenommen (EASO 2.2016).
Generell ist Straflosigkeit die Norm. Die Regierung ergreift nur minimale Schritte, um öffentlich Bedienstete strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 13.4.2016).
Die somalische Bundesregierung arbeitet daran, mit der Unterstützung der UN und der Afrikanischen Union und bilateralen Partnern die Menschenrechtssituation zu verbessern (UNHRC 28.10.2015).
Zu Puntland liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich extralegaler Tötungen, willkürlicher Festnahmen, "Verschwindenlassen" oder Menschenhandel vor. Vorwürfe dieser Art werden nicht erhoben (AA 1.12.2015).
Quellen:
9. Religionsfreiheit
9.1. Religiöse Gruppen
Die somalische Bevölkerung bekennt sich zum sunnitischen Islam (AA 1.12.2015). Gleichzeitig ist die große Mehrheit der Bevölkerung Anhänger der Sufi-Tradition (EASO 8.2014).
Über die verschwindend geringe Zahl von Christen in Somalia liegen keine Informationen vor (AA 1.12.2015).
Quellen:
9.2. Gebiete der somalischen Regierung, Somaliland, Puntland
Repressionen aufgrund der Religion spielen in Somalia fast keine Rolle, da es außer den Entsandten, z.B. bei den Vereinten Nationen, praktisch keine Nicht-Muslime im Land gibt (AA 1.12.2015).
Die Verfassungen für Gesamtsomalia, Puntland und Somaliland bestimmen den Islam zur Staatsreligion und das islamische Recht (Scharia) zur grundlegenden Quelle für die staatliche Gesetzgebung. Die Verfassungen bekennen sich aber gleichzeitig zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Unabhängig von staatlichen Bestimmungen und insbesondere jenseits der Bereiche, in denen die staatlichen Stellen effektive Staatsgewalt ausüben können, sind islamische und lokale Traditionen und islamisches Gewohnheitsrecht weit verbreitet (AA 1.12.2015).
Die neue Übergangsverfassung sieht eine eingeschränkte Freiheit der Glaubensausübung vor. Der Islam ist Staatsreligion, Missionierung für andere Religionen ist verboten. Alle Gesetze müssen mit den generellen Prinzipien der Scharia konform sein. Der Übertritt zu einer anderen Religion ist nicht explizit verboten (USDOS 14.10.2015).
In Puntland und Somaliland gelten eigene Verfassungen. Auch dort ist der Islam als Staatsreligion festgeschrieben und es ist Moslems verboten zu einer anderen Religion überzutreten; auch Missionierung ist verboten. In der somaliländischen Verfassung ist die Religionsfreiheit verankert. In der puntländischen Verfassung wird nicht-Muslimen freie Glaubensausübung garantiert. Diesbezüglich gibt es keine Berichte, wonach Puntland diese Rechte verletzt hätte (USDOS 14.10.2015).
Es herrscht ein starker sozialer Druck, den Traditionen des sunnitischen Islam zu folgen. Eine Konversion vom Islam zu einer anderen Religion wird überall in Somalia als sozial inakzeptabel erachtet. Jene, die unter dem Verdacht stehen, konvertiert zu sein, müssen mit Belästigungen seitens der Gesellschaft rechnen (USDOS 14.10.2015). Andererseits gibt es keine Anzeichen dafür, dass Atheisten bzw. Personen, welche nicht die Moschee aufsuchen, Misshandlungen im Sinne des Artikels 3 EMRK zu erleiden hätten (UKUT 5.11.2015).
Quellen:
9.3. Gebiete der al Shabaab
Al Shabaab setzt gewaltsam die eigene Interpretation des islamischen Rechts und Praxis durch. Dabei wird auch gegen andere Salafistengruppen (z.B. al-Takfir) (USDOS 14.10.2015) oder muslimische Sufis vorgegangen (EASO 8.2014). Al Shabaab verfolgt auf eigenem Gebiet somalische Christen. Die Gruppe drangsaliert, verstümmelt oder tötet Personen, die sie unter Verdacht stellt, zu einer anderen Religion konvertiert zu sein oder jene, die sich nicht an die Edikte von al Shabaab halten. Vertreter der Regierung und ihrer Verbündeten werden unter dem Vorwand getötet, sie seien Nicht-Muslime und Glaubensabtrünnige (USDOS 14.10.2015).
In Gebieten, wo al Shabaab die Kontrolle ausübt, wurden Kinos, Musik, das Zusehen bei Sportübertragungen, der Verkauf von Khat, Rauchen und anderes, von der Gruppe als "nicht-islamisch" qualifiziertes Verhalten, verboten (USDOS 14.10.2015). Aus religiösen Gründen verboten ist etwa auch Fußballspielen. Auch Singen sowie das Anhören von nicht der al Shabaab gehörenden Radiosendern (EASO 8.2014) sowie Tanzen ist untersagt (BS 2016). Es gilt das Gebot der Vollverschleierung, zuletzt wurde auch gegen buntes Gewand vorgegangen (USDOS 14.10.2015).
Außerdem gibt es zahlreiche Berichte darüber, dass al Shabaab Personen aus religiösen Gründen in Haft hält. Die Angst vor Vergeltung durch al Shabaab verhindert, dass religiöse Gruppen ungestört aktiv sein können. Auch gegen AMISOM wird Propaganda betrieben (USDOS 14.10.2015).
Quellen:
10. Minderheiten und Clans
10.1. Bevölkerungsstruktur und Clanschutz
Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 13.4.2016). Die somalische Bevölkerung ist aber nur auf den ersten Blick homogen (EASO 8.2014). In ganz Somalia gibt es eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Sub-Clans und Sub-Sub-Clans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015). Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014).
Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014).
Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem - wie erwähnt - keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen - auch geographische - sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).
Das Clansystem ist dynamisch und komplex. Aufgrund des Bürgerkrieges und damit verbundener Wanderbewegungen aber auch aufgrund des Bevölkerungswachstums waren nach 1991 zunehmende Fluktuationen zu verzeichnen. Aufzeichnungen von Genealogien sind umstritten (EASO 8.2014).
* Die Darod unterteilen sich in die großen Gruppen Ogadeni (Äthiopien und Jubba-Regionen), Marehan (Süd-/Zentralsomalia) und Harti. Letztere sind eine Föderation aus Majerteen (Hauptclan in Puntland), Dulbahante und Warsangeli (Regionen Sool und Sanaag).
* Die Hawiye leben vor allem in Süd-/Zentralsomalia, die wichtigsten Subclans sind Abgaal und Habr Gedir.
* Die Dir finden sich im westlichen Somaliland und in einigen Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Ihre Hauptclans sind Issa und Gadabursi (beide Somaliland) und Biyomaal (Südsomalia).
* Die Isaaq sind der Hauptclan Somalilands.
* Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben in den fruchtbaren Tälern von Shabelle und Jubba und im Gebiet zwischen beiden Flüssen (v.a. Bay und Bakool) (EASO 8.2014).
Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014). Minderheitengruppen sind u.a. die Bantu (größte Gruppe), Benadiri, Reer Xamar, Bravanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub und Gabooye (USDOS 13.4.2016). Minderheitenclans oder Berufskasten können mit großen Clans in eine Abhängigkeitsbeziehung (shegaat) treten und werden danach - in externen Belangen - als Teil des großen Clans erachtet. Langfristige Allianzen zwischen kleineren und größeren Clans werden gemäß dem traditionellen Recht (xeer) geschlossen. Beide Konstruktionen beinhalten auch den Schutz des kleineren Partners durch den größeren (EASO 8.2014).
Die größte ethnische Minderheit stellen die Bantu (Jareer). Die Bantu leben traditionell als Bauern in und zwischen den fruchtbaren Flusstälern von Shabelle und Jubba. Gosha, Makane, Kabole, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli und Gobaweyne sind Namen, die den unterschiedlichen Bantu-Gruppen zugeschrieben werden. Manche der Gosha wurden in den Clan der Digil/Mirifle assimiliert. Viele Bantu sprechen Somali (Maay-tiri), manche - etwa Gosha und Mushunguli - pflegen eigene Bantusprachen (EASO 8.2014).
Der Begriff Benadiri umfasst mehrere miteinander nicht verwandte Minderheiten in Küstenstädten wie Merka, Baraawe und Mogadischu. Sie sind ethnisch gemischt und haben neben Somali auch Araber, Inder, Perser oder Portugiesen als Vorfahren. Die großen Untergruppen der Benadiri sind die Reer Xamar, Shangaani, Reer Merka und Barawani. Teile der Barawani erachten sich als Angehörige der Digil/Mirifle Tunni. Die Benadiri sprechen Somali und eigene somalische Dialekte; die Barawani einen Suaheli-Dialekt namens Chimini. Aufgrund ihres Status' als Händler waren die Benadiri vor 1991 privilegiert, danach waren sie schutzlos dem Bürgerkrieg ausgeliefert. Viele flohen nach Kenia (EASO 8.2014).
Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).
Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).
Die Berufskasten unterscheiden sich kulturell und linguistisch nicht von den Hauptclans, werden aber aufgrund von z.B. Berufen, die als unislamisch bezeichnet werden, als unrein erachtet. Sie werden unter den Oberbegriffen Waable, Sab, Midgaan oder Madhibaan zusammengefasst. Sie bilden die niedrigste Ebene der somalischen Gesellschaft; ihr Anteil wird auf rund ein Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt. Die Berufskasten sind in unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Namen in ganz Somalia zu finden. Klassische Berufe sind: Friseur, Schmied, Metallverarbeitung, Gerber, Schuster, Töpfer und Tischler; außerdem betätigen sich die Waable in der Jägerei, Viehzucht und Landwirtschaft sowie als Beschneiderinnen und als Hebammen. Im Zuge der Urbanisierung nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Waable in den Städten auch neue Arbeitszweige für sich erschließen (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010).
Die wichtigsten Gruppen sind:
* Midgaan (Madhibaan, Gabooye; dieser Name wird tw. auch für alle Waable als Oberbegriff verwendet): Jäger, Gerber, Lederverarbeitung, Schuster und andere Berufe; Verbreitung: ganz Somalia (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010)
* Tumaal: ursprünglich Schmiede, jetzt auch in anderen Berufen zu finden. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010)
* Yibir: Ihnen werden jüdischer Hintergrund und magische Kräfte nachgesagt. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010)
Kleinere Gruppen der Waable sind die Galgale, Gaheyle, Yahhar, Jaaji, Musa Dheryo, Guuleed Hadde, Hawr Warsame, Habar Yaqub, Madgal und Warabeeye. Auch die Boni und Eyle werden manchmal den Waable zugerechnet. Einige der Berufskasten haben ein ähnliches Clansystem wie die somalischen Hauptclans (EASO 8.2014).
Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014).
Inwiefern Clanschutz heute noch funktioniert ist umstritten. Faktoren wie AMISOM, die Restauration staatlicher Sicherheitsbehörden oder al Shabaab haben den Schutz erodiert. Andererseits hat der Rückzug von al Shabaab sowie der Mangel an staatlicher Verwaltung in den ländlichen Gebieten den Clanschutz verstärkt. Das Ausmaß an Clanschutz variiert also regional und ist im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen. In Somaliland und Puntland, wo relative Stabilität herrscht, ist der Clanschutz weniger relevant als in Süd-/Zentralsomalia. In Mogadischu hingegen sind Älteste zwar noch bei der Konfliktvermittlung involviert, jedoch gibt es kein Risiko mehr, aufgrund der Clanzugehörigkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Nicht mehr die Clans, sondern AMISOM, Armee und Polizei sind für die Sicherheit verantwortlich. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Teile von Armee und Polizei nach wie vor großen Bezug zu ihren Herkunftsclans haben (EASO 8.2014).
Quellen:
10.2. Aktuelle Situation
Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.12.2015). Grundsätzlich wurde bei der Bildung der föderalen Regierung Ende 2012 sowie beim letzten umfassenden Regierungsumbau auf eine möglichst breite Zusammensetzung aller Clans und Sub-Clans geachtet. Sowohl Regierung als auch Parlament sind entlang der sogenannten "4.5 Lösung" organisiert, das bedeutet, dass für jeden Sitz, den ein Vertreter der großen Clans in Regierung bzw. Parlament innehat, ein halber Sitz einem Vertreter der kleineren Clans (ÖB 10.2015) bzw. Minderheitenclans zufällt (USDOS 13.4.2016). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir und Digil-Mirifle) dominieren Verwaltung, Politik, und Gesellschaft mit jeweils 61 Sitzen im Parlament. Dementsprechend sind die lokalen Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert (ÖB 10.2015). Die 4.5-Formel wurde aber auch schon zugunsten der Minderheiten gebrochen (USDOS 13.4.2016).
In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 13.4.2016). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung im Lichte der jeweiligen Clan- bzw. Sub-Clan-Zugehörigkeit auszugehen (AA 1.12.2015).
Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung beispielsweise im Rahmen staatlicher Vergabeverfahren, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 1.12.2015) oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 13.4.2016). Angehörige eines (Sub-)Clans können in Gebieten, die von einem anderen (Sub-)Clan dominiert werden, aber auch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 1.12.2015). Es kann davon ausgegangen werden, dass der staatliche Schutz im Falle von Clan-Konflikten nicht zur Anwendung kommt, sondern die "Regelung" dieser Konflikte grundsätzlich den Clans selbst überlassen wird. Die staatlichen Sicherheitskräfte sind in der Regel zu schwach, um in Clankonflikte effektiv eingreifen zu können; zudem ist die föderale Regierung wohl auch nicht willens, sich in Konflikte dieser Art einzumischen und so den Unwillen einzelner Clans auf sich zu ziehen (ÖB 10.2015).
Viele Minderheitengemeinden leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.4.2016). Bantu werden aufgrund ihrer Ethnie diskriminiert (UNHRC 28.10.2015). Auch einzelne andere Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Midgan, Gabooye), leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich, da sie nicht in die Clan-Strukturen eingebunden sind, in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut. Sie sind auch überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 13.4.2016). Allerdings datieren die letzten - unbestätigten - Berichte von Repressionen im engeren Sinn mit November 2013, als staatliche Sicherheitskräfte des Hawiye-Clans angeblich sesshafte Bantu-Landwirte von ihren Grundstücken vertrieben haben sollen (AA 1.12.2015). In den hier verwendeten Berichten werden keine aktuellen Beispiele gewaltsamer Repression oder der Verfolgung von Minderheiten genannt.
Das Ausmaß an Diskriminierung hängt von der Minderheit ab:
Berufskasten sind generell stärkerer Diskriminierung ausgesetzt als ethnische Minderheiten. Sie leben meist in Ghetto-ähnlichen Vierteln oder Stadtteilen (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010). Mischehen - vor allem zwischen Berufskasten und den Hauptclans - sind traditionell beschränkt (USDOS 13.4.2016; vergleiche EASO 8.2014, ÖB 10.2015). Dieses Tabu scheint aber in den vergangenen Jahren etwas aufgeweicht worden zu sein (EASO 8.2014). So kommen Beziehungen, die nicht den klassischen Strukturen entsprechen, häufiger vor. Ehen, in welchen die Frau einem Hauptclan angehört und der Ehemann einer Minderheit, sind aber sehr selten (C 18.6.2014).
Auch in anderen Bereichen gibt es regionale Unterschiede: Während etwa Mogadischu durch seine Durchmischung eher tolerant ist, gibt es in Puntland eine klare Trennung und in einigen Gebieten dürfen Angehörige von Minderheiten nicht in den Städten wohnen (B 14.10.2014).
Die Existenz einer dynamischen Wirtschaftsgemeinde der Benadiri ist erwiesen (UKUT 5.11.2015). Ihnen ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen. Außerdem sind die meisten in Mogadischu verbliebenen Benadiri-Kaufleute verhältnismäßig wohlhabend und können sich Schutz zukaufen (EASO 8.2014). Trotzdem gilt, dass sich die Benadiri lediglich durch die ökonomische Besserstellung von den anderen Minderheiten abheben (B 10.2014). Benadiri können sich auf der Suche nach einem Lebensunterhalt an diese Gemeinde wenden (UKUT 5.11.2015).
In Mogadischu gibt es heute keine Clankämpfe oder -Konflikte mehr. Es gibt dort auch kein Risiko einer schweren Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit. Da es in der Stadt keine Clanmilizen mehr gibt, ist der Clan heute weniger eine Schutzstruktur als vielmehr eine soziale Struktur. Minderheitenangehörige werden nicht mehr aufgrund ihrer Zugehörigkeit marginalisiert oder belästigt. Die Sicherheitslage für Angehörige kleiner, schwacher Clans oder ethnischer Minderheiten hat sich wesentlich verbessert. Auch die Andeutung von UNHCR, dass für eine Rückkehr nach Mogadischu die Anwesenheit der Kernfamilie relevant ist, weist auf die nunmehr geringe Bedeutung des Clans hin (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015). Zusätzlich gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016).
Manche Minderheiten haben von al Shabaab profitiert und die Gruppe unterstützt. Mit dem Machtverlust für al Shabaab kommt es auch zu Fällen, wo diese vorherige Unterstützung nun negative Auswirkungen hat (EASO 8.2014). So waren bzw. sind überproportional viele Angehörige von Minderheiten bei der Ausführung von Körperstrafen und Exekutionen sowie bei der Verübung gezielter Attentate beteiligt. Das Risiko von Racheaktionen besteht (B 10.2014). Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).
Quellen:
11. Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab
In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen die al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen werden als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.12.2015). Auch Blockadebrecher (HRW 27.1.2016) und Dorfälteste in Ortschaften in der Nähe von AMISOM/Regierungsstädten wurden getötet (DIS 9.2015). Es gibt mehrere Berichte darüber, dass al Shabaab Personen wegen des Verdachts der Spionage angeklagt und binnen Stunden nach der Urteilsverkündung öffentlich exekutiert hat (UNHRC 28.10.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016, HRW 27.1.2016).
Neben militärischen Zielen der al Shabaab, wie AMISOM und somalische Sicherheitskräfte, werden auch bestimmte zivile Ziele erwähnt, die auf dem Gebiet von AMISOM und somalischer Regierung angegriffen werden. Darunter fallen die somalische Regierung (DIS 9.2015; vergleiche UKHO 15.3.2016, HRW 27.1.2016); Zivilisten, die mit der Regierung in Verbindung stehen; Mitarbeiter humanitärer NGOs; UN-Mitarbeiter (USDOS 13.4.2016; vergleiche UKHO 15.3.2016) bzw. Personen und Institutionen, welche die internationale Gemeinschaft repräsentieren; internationale NGOs (DIS 9.2015; vergleiche UKHO 15.3.2016); diplomatische Missionen; prominente Friedensaktivisten, Gemeindeführer, Clanälteste und deren Angehörige (USDOS 13.4.2016; vergleiche HRW 27.1.2016); sowie Journalisten (UKHO 15.3.2016; vergleiche HRW 27.1.2016) und Kleriker (HRW 27.1.2016). Auch Bildungseinrichtungen und Personen, die sich weigern, Zakat (Steuer) an al Shabaab abzuführen, werden als Ziele genannt (DIS 9.2015). Gezielte Attentate auf diese Personengruppen gibt es vor allem in Mogadischu, Baidoa und Belet Weyne (HRW 27.1.2016).
Es kommt also z.B. in Mogadischu regelmäßig zu Angriffen auf Zivilisten und zivile Strukturen (HRW 27.1.2016). Allerdings sind nicht alle Zivilisten gleichermaßen betroffen. Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) - auch bei einer Rückkehr nach Mogadischu - keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vergleiche EGMR 10.9.2015). Im Zuge von Angriffen der al Shabaab auf Ziele in bewohnten Gebieten (durch Sprengsätze oder Handgranaten) kommen allerdings auch "normale Zivilisten" zu Schaden oder ums Leben. Zivilisten als solche werden aber nicht zum spezifischen Ziel der al Shabaab (DIS 9.2015). Alleine der Umstand, dass eine Person in einer Stadt in Süd-/Zentralsomalia wohnt, steigert weder das Risiko der Verfolgung noch das Risiko ernsthaften Schadens durch die al Shabaab (UKHO 15.3.2016). Bei der strategischen Zielauswahl der al Shabaab gibt es keine spezifische Kategorie der "Zivilisten" oder der aus der Diaspora Zurückgekehrten (UKUT 3.10.2014).
Für Personen, die in einem städtischen Gebiet leben, das von AMISOM und/oder der Regierung kontrolliert wird; und die weder mit der Regierung noch der internationalen Gemeinschaft in Verbindung stehen, diese unterstützen, oder von denen angenommen wird, dass sie diese unterstützen; ist es unwahrscheinlich, dass sie für al Shabaab von Interesse sind (UKHO 15.3.2016).
Auch "low level"-Ziele (z.B. lokale Mitarbeiter von internationalen oder nationalen NGOs) sind keine Priorität der al Shabaab. Sind allerdings keine "high profile"-Ziele (z.B. AMISOM, UN) verfügbar, dann könnten "low level"-Ziele ersatzweise angegriffen werden (UKHO 15.3.2016; vergleiche DIS 9.2015).
Mehrere Quellen von Landinfo erwähnen ein erhöhtes Risiko für lokale Bedienstete von AMISOM. Andererseits strömen jeden Morgen zahlreiche Bedienstete in die gesicherte Zone von AMISOM. Eine Quelle erklärt, dass wenige von al Shabaab getötet worden sein, die meisten leben in relativer Sicherheit in der Nähe des Flughafens. Insgesamt scheint die Situation für lokale Bedienstete der UN ähnlich (LI 2.6.2015). Es gibt nur wenige dokumentierte Fälle, wo al Shabaab lokale Angestellte der UN angegriffen hat (DIS 9.2015). Zwischen Mai 2014 und Februar 2015 sind mindestens vier der rund 2.000 direkt und indirekt für die UN arbeitenden lokalen Bediensteten von al Shabaab ermordet worden (LI 2.6.2015). Lokale Angestellte der UN haben allerdings Angst vor Übergriffen der al Shabaab. Sie treffen Vorkehrungen, um nicht mit der UN in Verbindung gebracht zu werden (DIS 9.2015).
Hinsichtlich einer Tätigkeit für andere internationale Organisationen und NGOs hat Landinfo bei einigen Quellen Rückfrage gehalten. Lokalen Bediensteten werden spezielle Sicherheitsmaßnahmen auferlegt bzw. treffen diese selbst Sicherheitsvorkehrungen (LI 2.6.2015). Es kommt manchmal zu Drohungen per Telefon (LI 2.6.2015; vergleiche DIS 9.2015). Keine der gefragten Quellen gab an, dass ein Mitarbeiter von al Shabaab ermordet worden war. Bei zwei Vorfällen (2011 und 2013) waren lokale Mitarbeiter von al Shabaab verhaftet, und erst nach Vermittlung von Clan-Ältesten wieder freigelassen worden. Manche Mitarbeiter werden von al Shabaab zur Kooperation (hinsichtlich Aufklärung) gezwungen; dabei kommt es auch zu Drohungen hinsichtlich der Tötung von Familienangehörigen (LI 2.6.2015).
Laut UNOCHA kommen Angriffe auf und Drohungen gegen Mitarbeiter humanitärer Organisationen immer öfter vor. In den ersten fünf Monaten 2015 hat es 60 Vorfälle gegeben (UNHRC 28.10.2015). Dabei scheint es nur wenige Angriffe zu geben (DIS 9.2015). Landinfo geht aufgrund der Informationslage nicht davon aus, dass die Tötung lokaler Bediensteter von AMISOM, UN oder anderer internationaler Organisationen für al Shabaab eine Priorität haben (LI 2.6.2015).
Einige nationale NGOs scheinen eine Steuer an al Shabaab abzuführen. Zusätzlich scheint al Shabaab momentan den Schwerpunkt auf hochrangige Ziele zu legen (z.B. AMISOM, Regierung, UN) (DIS 9.2015). Außerdem will al Shabaab die systematische Tötung von Zivilisten verhindern, die in keiner oder nur äußerst geringer Verbindung mit AMISOM, der Regierung, der UN oder NGOs stehen (z.B. Teeverkäufer), da derartige Morde sehr unpopulär sind (DIS 9.2015; vergleiche EASO 2.2016).
Quellen:
Zum Clan Sheikal wird ergänzend folgendes festgestellt:
Gemeinsam ist allen Sheikhal der mythologische Urahn Faji Omar. Dieser arabische Vorfahre war nach Somalia eingewandert, hat das Land als Lehrender durchquert und dabei zahlreiche Frauen in unterschiedlichen Gebieten geehelicht. Dieser mythische Gelehrte ist ein Nachfahre des Propheten Mohamed. Diese Herkunft und Identität rechtfertigt auch den Namen Sheikhal, was nichts anderes bedeutet als die Mehrzahl des religiösen Titels Sheich. Sheikhal existieren in allen Teilen Somalias. Es gibt jedoch keine Region, wo sie eine Bevölkerungsmehrheit stellen. Größere Konzentrationen gibt es beispielsweise auch in der Stadt römisch 40 in der Region Gedo. Den Sheikhal wird traditionell eine Vermittlerrolle zwischen den verschiedenen Clans Somalias zugesprochen. Sie waren häufig religiöse Lehrer und Friedensstifter und wurde ihnen besonderer Schutz und Respekt entgegengebracht. Die besondere Stellung der Sheikhal begann langsam zu erodieren. Vor dem Regime von Siad Barre erlangten die Sheikhal eine gewisse Prominenz. So war der Sheihkalführer General Mohamed Ibrahim Liiquiquato Parlamentssprecher. Es gab schon vor Jahrhunderten Verbindungen zwischen den Sheikhal und den Hawiye. Nach dem Bürgerkrieg kam es zu einer engeren Identifizierung zwischen Sheikhal und Hawiye, manche Autoren ordnen sie sogar den Hawiye zu. Sheikhal sind fest in der Sufi-Tradition verankert und stehen daher im Gegensatz zu radikal-islamischer Theologie der Al-Shabaab.
Wenn die Sheikhal auch Minderheitenstatus haben, ist damit nicht eine generelle Verfolgung verbunden (Quelle: Analyse der Staatendokumentation zu Somalia: Sheikhal vom 19.08.2011), IASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Süd- und Zentralsomalia, Länderüberblick, August 2014, Seite 48 f).
Beweis wurde erhoben durch Erstbefragung des Antragstellers durch die Polizeiinspektion römisch 40 am 29.07.2014, durch wissenschaftliche Altersfeststellung im Auftrage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, durch Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, am 19.05.2015, durch Befragung im Rahmen der öffentlichen mündliche Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes des 20.09.2016, durch Vorhalt der näher bezeichneten Länderdokumente zu Somalia und schließlich durch Vorlage von Deutschkursbestätigungen und einer Bestätigung über einen Arbeitsvorbereitungskurs durch den Beschwerdeführer.
2. Beweiswürdigung:
Die länderspezifischen Feststellungen entstammen einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation (die nicht nur für die Länderinformationen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, sondern auch für das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist), welche auf einer ausgewogenen Sammlung zahlreicher seriöser, aktueller, internationaler, staatlicher und nicht staatlicher Quellen beruht, die in den obigen Länderfeststellungen zitiert wurden.
Der Beschwerdeführervertreter hat zu diesem Länderinformationsblatt im Rahmen der Beschwerdeverhandlung Stellung genommen und sich diesen insbesondere hinsichtlich der Ausführungen zum Clan Sheikhal angeschlossen, hinsichtlich der Herkunftsregion des Beschwerdeführers wurde diesen Dokumenten auch nicht widersprochen, aber die Ausführungen um weitere Dokumente ergänzt und Schlussfolgerungen im Sinne des Beschwerdevorbringens gezogen. Die Dokumente zum Clan Sheikhal sind wohl schon älteren Datums, beziehen sich aber vor allem auf historische Fakten, die zwischenzeitig keineswegs an Aktualität verloren haben und handelt es sich dabei um ganz spezielle Dokumente zum Clan Sheikhal, wozu es dazu keine neuen Informationen gibt, sodass eine Aktualität nach wie vor feststeht.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers wird wie folgt gewürdigt:
Das Vorbringen eines Asylwerbers ist dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV 270 BlgNR 18. GP; Ausschussbericht 328 BlgNR 18. GP] zu verweisen, die wiederum der VwGH-Judikatur entnommen wurden).
1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.
2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
3. Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und
4. Der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet einsilbig und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.
Vorausgeschickt wird, dass im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muss (so schon VwGH vom 16.01.1987, Zl. 87/01/0230, VwGH vom 15.03.1989, Zl. 88/01/0339, UBAS vom 12.05.1998, Zahl:
203.037-0/IV/29/98 uva.m.)
Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist (siehe z. B. VwGH vom 24.06.1999, 98/20/0435, VwGH vom 20.05.1999, 98/20/0505, u. v.a.m.).
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist stellenweise vage, insbesondere was Zeitangaben betrifft und weiters fällt auf, dass der Beschwerdeführer mehrfach unpassende und ausweichende Antworten gibt, obwohl er mit Hilfe eines vertrauensvollen, muttersprachlichen und routinierten Dolmetschers in seiner Muttersprache befragt wurde:
Auf die konkrete Frage beispielsweise, ob die Nachbarn aus dem Clan Maarehan die Landwirtschaft der Familie zur Gänze übernommen habe, solange er in Somalia gewesen sei, führte der Beschwerdeführer ausweichend an, dass sein Vater täglich Probleme mit den Maarehan-Leuten gehabt habe. Auf den konkreten Vorhalt , dass er beim BFA angegeben habe, dass die Maarehan-Leute, die Grundstücke seiner Familie hätten wegnehmen wollen, aber dies nicht getan hätten, wobei er nicht wisse worum, bejahte er dies wohl kurz, führte aber dann wieder ausweichend aus, dass es damals einen Streit zwischen seinem Vater und den Maarehan-Leuten gegeben habe.
Unlogisch ist auch die Antwort des Beschwerdeführers auf die Frage, ob die Familie Ackerbau oder Viehzucht betrieben hatte. Diese verneinte er nämlich, nachdem er zuvor behauptet hatte, dass sie Landwirte gewesen wären.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist überdies in mehreren zentralen Punkten widersprüchlich, auch innerhalb seiner Aussagen in der Beschwerdeverhandlung: Beispielsweise wies er eingangs der Verhandlung ausdrücklich darauf hin, dass, als die Al-Shabaab-Leute das erste Mal bei ihm gewesen seien, er auf dem WC gewesen sei, während er widersprüchlich dazu, aber auch später widersprüchlich zu seinen Angaben beim BFA (AS 160) ausführte, dass dies beim zweiten Rekrutierungsversuch gewesen sei. Auch hinsichtlich seines Geburtsdatums machte er insoferne widersprüchliche Angaben, als er einerseits behauptete, dass er sein Geburtsdatum erst wisse, seit er in Österreich sei, um dann wenig später widersprüchlich dazu zu behaupten, dass er sein Geburtsdatum gar nicht wisse, sondern dieses lediglich der Arzt festgestellt habe.
Auch das zentrale behauptete Ereignis der Mitnahme durch die Al-Shabaab schilderte er bei der belangten Behörde und beim Bundesverwaltungsgericht unterschiedlich und widersprüchlich:
Während er beim BFA (AS 142) angab, dass die Al-Shaabab-Leute gesagt hätten, "jetzt hätten sie ihn und würden ihn töten," behauptete er widersprüchlich dazu in der Beschwerdeverhandlung, dass manche Männer ihn hätten umbringen wollen und die anderen dagegen gewesen seien und dass sie sich nicht einig gewesen wären. Außerdem behauptete er in der Beschwerdeverhandlung, dass die Al-Shabaab-Leute ihn an den Händen und Füßen gefesselt hätten und auch die Augen verbunden hätten, was er widersprüchlich dazu vor dem Bundesamt nicht behauptete.
Während der Beschwerdeführer beim Bundesamt davon sprach, dass er nach seinem zweiten Rekrutierungsversuch bei einem Freund übernachtet habe (AS 141), behauptete er widersprüchlich dazu in der Beschwerdeverhandlung, dass er nach dem zweiten Rekrutierungsversuch lediglich eine Nacht auf dem landwirtschaftlichen Grund der Familie genächtigt habe.
Der Beschwerdeführer führte bei der Ersteinvernahme aus, dass in seiner Heimatstadt römisch 40 zwei Clans um die Vormachtstellung kämpfen würden (AS 15), nämlich die Sheikhal und die Maarehan, während er widersprüchlich dazu in der Beschwerdeverhandlung betonte, dass die Sheikhal der kleinste Clan in Somalia seien, dass sehr wenige Leute bei den Sheikhal seien, dass er nicht wisse, wie viele Sheikhal tatsächlich in römisch 40 leben würden und dass er außer seiner eigenen Familie gar keine anderen Sheikhal kenne. Dies ist ein völlig widersprüchliches Bild zu jenem in der Ersteinvernahme, wo er von zwei großen rivalisierenden um die Vormachtstellung kämpfenden Clans spricht.
Wenn auch die Erstbefragung in erster Linie zur Ermittlung der Identität und der Reiseroute dienen soll und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe (§19 Absatz eins, AsylG idgF), so hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall sehr wohl konkrete Angaben zu seinen Fluchtgründen gemacht, die jedoch andererseits wieder in Widerspruch zu seinen späteren Angaben stehen. In diesem Sinne sind andere Angaben zu den Fluchtgründen in der Erstbefragung als in der folgenden Befragung durch das Bundesasylamt durchaus als ein Indiz für die Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe zu werten (siehe z.B. auch jüngst BVwG vom 20.10.2015, Zahl W159 1435846-1/11E), zumal grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden muss (so schon VwGH vom 08.04.1987, Zahl 85/01/0299, VwGH vom 05.10.1988, Zahl 88/01/0155 u.v.a.m.).
Der Beschwerdeführer macht auch widersprüchliche Angaben in der Beschwerdeverhandlung hinsichtlich des Jahres (nähere Angaben konnte er offenbar nicht machen), in dem seine Probleme mit der Al-Shabaab begonnen hätten, wobei er erst das Jahr 2009 anführt und dann von 2010/2011 spricht. Auch behauptete er (ganz präzise!), dass er glaublich am 25.11.2011 aus Somalia ausgereist sei, um dann wenig später - über Befragen durch den Beschwerdeführervertreter anzugeben, dass er glaublich erst 2012 ausgereist sei. Die Behauptung, dass die Probleme mit der Al-Shabaab 2009 begonnen hätten, passt nicht zu den sonstigen zeitlichen Angaben des Beschwerdeführers, nämlich dass die drei Rekrutierungsversuche innerhalb weniger Tage erfolgt wären und dass er 2012, somit drei Jahre später, sich aus der Gefangenschaft der Al-Shabaab habe befreien können.
Der Beschwerdeführer hat sich wohl nicht auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt, aber überhaupt keine Dokumente zu seiner Identität oder seinem Fluchtvorbringen vorgelegt.
Auch als Person machte er auf den zur Entscheidung berufenen Richter nicht den Eindruck, dass er das Behauptete tatsächlich erlebt hat.
Glaubhaft erscheint jedoch der Umstand, dass der Beschwerdeführer ein Angehöriger des Clans Sheikhal ist, obwohl er auch da kein tieferes Wissen hat. Er konnte aber immerhin einige wichtige Eckpunkte zu diesem Clan nennen und ist auch die belangte Behörde bereits von seiner Clanzugehörigkeit Sheikhal ausgegangen.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zubilligt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.
A)
Zu römisch eins.:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 55 aus 1955, (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die An Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK in der Fassung des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 78 aus 1974,) - deren Bestimmungen gemäß Paragraph 74, AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann an-zunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Die vom Asylwerber vorgebrachten Eingriffe in seine vom Staat zu schützende Sphäre müssen in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise aus seinem Heimatland liegen. Die fluchtauslösende Verfolgungsgefahr bzw. Verfolgung muss daher aktuell sein (VwGH 26.06.1996, Zl. 96/20/0414). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.).
Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, 90/01/0041).
Es fehlt den vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtgründen - wie in der obigen Beweiswürdigung ausführlich dargelegt - an der Glaubwürdigkeit.
Aus den obigen verfahrensspezifischen Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass keine Gruppenverfolgung der Sheikhal in Somalia festzustellen ist.
Was die von dem Beschwerdeführer beschriebenen Grundstücksstreitigkeiten betrifft, so war in diese nicht der Beschwerdeführer selbst, sondern der Vater involviert und erscheinen die Probleme des Beschwerdeführers mit seinen Mitschülern einerseits als zu lange zurückliegend, andererseits auch für eine Asylgewährung nicht intensiv genug. Selbst unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers hätte dieses hinsichtlich seines Vorbringens betreffend seine Clanzugehörigkeit nicht zur Asylgewährung führen können.
Schließlich ist hinsichtlich einer behaupteten Gefährdung durch die Al-Shabaab darauf zu verweisen, dass die äthiopischen AMISOM-Truppen nunmehr die Heimatstadt des Beschwerdeführers römisch 40 kontrollieren und dieser Bezirk sogar als relativ sicher beschrieben wird, mag es auch (vereinzelt) zu Rekrutierungsversuchen durch die Al-Shabaab kommen. Außer der Unglaubwürdigkeit fehlt es dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Gefährdung durch die Al-Shabaab im Hinblick auf seinen Herkunftsort auch an der Aktualität.
Die Beschwerde zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Artikel 133 Absatz 4, B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall vorwiegend tatsachenlastig ist und die Beweiswürdigung den entscheidenden Punkt darstellt. Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Vielmehr gründet sich die vorliegende Entscheidung auf die bisher ergangene Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes.
Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
ECLI:AT:BVWG:2016:W159.2119270.1.00