BVwG
17.10.2016
W167 2003129-1
W167 2003129-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerden von römisch 40 und römisch 40 , beide vertreten durch Steuerberater römisch 40 , gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) vom römisch 40 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid der WGKK behoben.
Es wird festgestellt, dass römisch 40 hinsichtlich ihrer Tätigkeit für römisch 40 in den Monaten Oktober, November und Dezember 2008 und März bis Oktober und Dezember 2009 nicht der Versicherungspflicht gemäß Paragraph 4, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und Paragraph eins, Absatz 1 lit. Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) unterlegen ist.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Bei römisch 40 (im Folgenden: Erstbeschwerdeführer) erfolgte eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) für den Prüfzeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2009. Aufgrund der Buchhaltung wurde festgestellt, dass Personen nicht zur Sozialversicherung ge-meldet waren, die histologische Präparate befundeten bzw. zytologische Präparate (PAPS) screenten. Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) hat weitere Auskünfte über Fragebögen und ergänzend über niederschriftliche Befragung eingeholt. Im Ergebnis hat die WGKK bei fünf Personen ein Dienstverhältnis gemäß Paragraph 47, Einkommenssteuergesetz (EStG) bzw. Paragraph 4, Absatz 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), bei weiteren drei Personen freie Dienstverhältnisse gemäß Paragraph 4, Absatz 4 ASVG festgestellt. Dies wurde Herrn römisch 40 , dem Bevollmächtigten des Erstbeschwerdeführers, und Herrn römisch 40 , dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater des Erstbeschwerdeführers im Rahmen der Schlussbesprechung am römisch 40 mitgeteilt. Der Erstbeschwerdeführer stellte in weiterer Folge einen Antrag auf Bescheiderlassung.
2. Mit Bescheid vom römisch 40 stellte die WGKK fest, dass Frau römisch 40 (Folgenden: Zweitbeschwerdeführerin) aufgrund ihrer Beschäftigung beim Erstbeschwerdeführer vom 01.09.2008 bis 31.12.2008 und 01.03.2009 bis 31.12.2009 der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlag. Die Zweitbeschwerdeführerin habe als Supervisorin zytologische Präparate (begutachtete gynäkologische Abstriche) für den Beschwerdeführer begutachtet, wenn dieser sie im Falle seiner eigenen Verhinderung kontaktiert habe. Sie habe diese Tätigkeit persönlich erbringen müssen und habe sich nicht vertreten lassen können. Grundsätzlich habe sie die Tätigkeit im Labor durchgeführt, selten habe sie die Arbeiten über das Wochenende zu Hause erledigt. Die Betriebsmittel seien vom Erstbeschwerdeführer gestellt worden. Aus dem Gesamtbild ihrer Beschäftigung ergebe sich, dass sie in einem Verhältnis der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei.
3. Gegen diesen Bescheid erhoben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, vertreten durch einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, im Juli 2013 Einspruch (nunmehr: Beschwerde). In diesem machten sie die Verletzung von Verfahrensvorschriften und die Rechtswidrigkeit des Bescheidinhalts mit näheren Ausführungen geltend.
4. Am 01.01.2014 ging die Zuständigkeit zur Entscheidung der vorliegenden Rechtssache gemäß Artikel 151 Absatz 51 Ziffer 8 B-VG auf das damals neu geschaffene Bundesverwal-tungsgericht über. Der Landeshauptmann von Wien legte daher den Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
5. Die Beschwerdeverfahren betreffend die fünf von der WGKK als DienstnehmerInnen fest-gestellten Personen wurden für die Verhandlung verbunden. Die erste mündliche Verhand-lung fand am römisch 40 statt. Befragt wurden der Beschwerdeführer, zwei Ärztinnen sowie drei Zeuginnen. Die Verhandlung wurde vertagt und am römisch 40 fortgesetzt. Befragt wurden eine Veterinärmedizinerin, eine weitere Ärztin und die Zweitbeschwerdeführerin sowie zwei ZeugInnen. Die Verhandlung wurde neuerlich vertagt und am römisch 40 fortgesetzt. In ihr wurden drei ZeugInnen befragt. Die Beschwerdeführer und ihre Vertreter waren bei allen Verhandlungen anwesend und hatten Gelegenheit Fragen zu stellen bzw. wurden zu allfälligen (scheinbaren) Widersprüchen befragt. An den Verhandlungen nahmen auch Vertreter der WGKK teil.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Im Laboratorium des Erstbeschwerdeführers waren im Zeitraum 2006 bis 2009 im Bereich der klinischen Pathologie mehrere FachärztInnen für Pathologie und Zytodiagnostik, VeterinärpathologInnen und diplomierte ZytologInnen tätig. Diese untersuchten im Wesentlichen medizinische Proben auf Auffälligkeiten, manche befundeten auch.
1.2. Die Zweitbeschwerdeführerin ist Diplom-Zytologin und bereits langjährig in diesem Bereich tätig. In den Jahren 2008 und 2009 war sie hauptberuflich in einem Krankenhaus tätig.
1.3. Der Erstbeschwerdeführer hat mit der Zweitbeschwerdeführerin mündliche Verträge geschlossen. Vertragsinhalt war die Supervision (Befundung) von bereits befundeten verdächtigen oder unklaren PAP-Abstrichen. Es gab keine Konkurrenzklausel.
1.4. Die Zweitbeschwerdeführerin war in den Monaten Oktober, November und Dezember 2008 und März bis Oktober 2009 und Dezember 2009 für den Erstbeschwerdeführer tätig. Bei Bedarf wurde die Zweitbeschwerdeführerin vom Erstbeschwerdeführer kurzfristig kontaktiert und hat im Einzelfall zu- oder abgesagt. Entlohnt wurde sie nach Stunden.
1.5. Die Zweitbeschwerdeführerin hat sich nie vertreten lassen. Eine Vertretung durch eine laborfremde Person war weder vereinbart, noch konnte ernsthaft damit gerechnet werden. Allerdings wäre auch eine Absage nach Zusage einer Tätigkeit nicht sanktioniert worden. Auch der Erstbeschwerdeführer selbst hätte die erforderlichen Tätigkeiten - gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt - übernehmen können.
1.6. Die Zweitbeschwerdeführerin hat den Vorbefund handschriftlich bestätigt oder korrigiert. Vollständig abgeschlossen hat die Kollegin, welche vorbefundet hat. Eine fachliche Einschulung war nicht erforderlich und hat auch nicht stattgefunden.
Die Zweitbeschwerdeführerin hat ihre Tätigkeit meist im Labor des Erstbeschwerdeführers durchgeführt. Teilweise wurden ihr die Präparate aber auch an ihren Hauptarbeitsplatz per Boten übermittelt bzw. hat sie die Präparate nach Hause mitgenommen und mit ihrem privaten Mikroskop begutachtet.
1.7. Die Zweitbeschwerdeführerin hatte im verfahrensrelevanten Zeitraum keinen Schlüssel zum Haus bzw. Labor.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Akt der Gebietskrankenkasse, den Einspruch und die weiteren Eingaben der Parteien im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie durch Befragung der Parteien und ZeugInnen (Geschäftsführer sowie von den Beschwerdeführern namhaft gemachte weitere MitarbeiterInnen des Erstbeschwerdeführers) im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Es besteht kein Grund an der Richtigkeit der überwiegend gleichbleibenden Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin sowie an der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen zu zweifeln.
2.1. Die Feststellungen zum Tätigkeitsbereich des Labors basieren auf dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers im Einspruch sowie den Ausführungen der beiden Beschwerdeführer und der vernommenen ZeugInnen in der mündlichen Verhandlung. Diese sind überdies unstrittig.
2.2. Der Fachbereich der Zweitbeschwerdeführerin und ihre hauptberufliche Tätigkeit wird nicht bestritten und ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den Aussagen in der mündlichen Verhandlung.
2.3. Das Vorliegen mündlicher Verträge, der Vertragsinhalt und das Nichtvorliegen einer Konkurrenzklausel wurde bereits bei der Befragung durch die WGKK vom Geschäftsführer und der Zweitbeschwerdeführerin bekannt geben und in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
2.4. Der Zeitraum der Tätigkeit der Zweitbeschwerdeführerin ist aus den vorgelegten Honorarnoten ersichtlich, wurde von ihr in der niederschriftlichen Befragung und auch in der Verhandlung glaubhaft so angegeben.
Dass die Zweitbeschwerdeführerin telefonisch für die Termine kontaktiert wurde, ergibt sich aus den nachvollziehbaren und glaubhaften Aussagen in der Verhandlung.
2.5. Aus den Befragungen in der Verhandlung ergibt sich, dass keine Vertretungsregelung vereinbart war. Zudem hat sich die Zweitbeschwerdeführerin nie durch eine laborfremde Person vertreten lassen. Dieses Vorbringen ist auch vor dem Hintergrund, dass es um eine sensible Tätigkeit im Labor des Beschwerdeführers ging, nachvollziehbar. Zudem konnte glaubhaft dargelegt werden, dass die Zweitbeschwerdeführerin auch bereits übernommene Tätigkeiten sanktionslos absagen konnte. Diesfalls hätte der Erstbeschwerdeführer selbst die Supervision übernommen.
2.6. In der Verhandlung hat die Zweitbeschwerdeführerin glaubhaft und nachvollziehbar angegeben, dass sie ihre Tätigkeit im Labor, an ihrem Arbeitsplatz im Krankenhaus oder zu Hause ausgeübt hat. Für ihre Tätigkeit benötigt die Zweitbeschwerdeführerin nur ein Mikroskop und die PAP-Abstriche. In manchen Fällen war eine Einsichtnahme in die Vorbefunde erforderlich, welche nur im Labor möglich war.
Eine fachliche Einschulung gab es nicht. Die diesbezügliche Aussage des Erstbeschwerdeführers in der Verhandlung ist nachvollziehbar und daher glaubwürdig: Es sei "Sinn der Sache gewesen, dass man Kollegen kontaktiert habe, die nicht nur berechtigt sind das selbständig zu machen sondern auch die Qualifikation dafür haben." Es gab auch im gesamten Verfahren keine gegenteiligen Angaben.
2.7. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Geschäftsführer haben in der Verhandlung übereinstimmend angegeben, dass die Zweitbeschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über keinen Schlüssel zur Haustür und zum Labor verfügt hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Allgemeines
Gemäß Artikel 151, Absatz 51, Ziffer 8, B-VG geht die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei sonstigen Behörden anhängigen Verfahren, in denen diese Behörden sachlich in Betracht kommende Oberbehörde oder im Instanzenzug übergeordnete Behörde sind, mit Ausnahme von Organen der Gemeinde, auf die Verwaltungsgerichte über.
Paragraph 414, Absatz eins, ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Im konkreten Fall ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Einspruch (nunmehr Beschwerde) mit 1. Jänner 2014 auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.
Gemäß Paragraph 6, BVwGG in Verbindung mit Paragraph 414, Absatz 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdefall durch EinzelrichterIn.
Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist durch das VwGVG geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Bescheidbeschwerden u.a. die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Da im Beschwerdeverfahren der maßgebliche Sachverhalt feststeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden (Paragraph 28, Absatz 2 Ziffer 1 VwGVG).
3.2. Zu A) Stattgebung der Beschwerde
3.2.1. Maßgebliche Bestimmungen des ASVG und AlVG
Gemäß Paragraph 4, Absatz 1 Ziffer 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund des ASVG die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den Paragraphen 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach Paragraph 7, nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß Paragraph 4, Absatz 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne des ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Gemäß Paragraph 4, Absatz 2 3. Satz ASVG gilt als Dienstnehmer jedenfalls auch, wer nach Paragraph 47, Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, eine der beiden angeführten Ausnahmen ist erfüllt.
Gemäß Paragraph 4, Absatz 4 Ziffer 1 und litera c ASVG stehen den Dienstnehmern im Sinne des ASVG Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn, (bis 31.07.2009) dass eine freiberufliche Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) begründet, ausgeübt wird bzw. (seit dem 01.08.2009) dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird.
Gemäß Paragraph 4, Absatz 6 ASVG schließt eine Pflichtversicherung gemäß Absatz 1 für dieselbe Tätigkeit (Leistung) eine Pflichtversicherung gemäß Absatz 4 aus.
Gemäß Paragraph 35, Absatz 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne des ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.
Gemäß Paragraph eins, Absatz 1 litera a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) sind Dienstnehmer, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind, für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert (arbeitslosenversichert).
3.2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin unterlag aufgrund Ihrer Tätigkeit für den Erstbeschwerdeführer nicht der Versicherungspflicht gemäß ASVG und AlVG
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Zweitbeschwerdeführerin aufgrund Ihrer Tätigkeit im Laboratorium des Beschwerdeführers der Versicherungspflicht gemäß Paragraph 4, ASVG und Paragraph eins, Absatz 1 Litera a, AlVG unterlag.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH; zuletzt VwGH 20.03.2014, 2012/08/0024 mwN) liegt ein Werkvertrag vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt besteht, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln muss. Der Werkvertrag begründet grundsätzlich ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (zuletzt VwGH 14.02.2013, 2011/08/0391) kommt es für die Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall läge ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf seine Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt. Vom Dienstvertrag ist jedoch überdies der "freie Dienstvertrag" zu unterscheiden, bei dem es auf die geschuldete Mehrheit gattungsmäßig umschriebener Leistungen, die von Seiten des Bestellers laufend konkretisiert werden, ohne persönliche Abhängigkeit ankommt.
Für den Beschwerdefall bedeutet das:
Der Erstbeschwerdeführer hat mit der Zweitbeschwerdeführerin mündliche Verträge über die Supervision von vorbefundeten PAP-Abstrichen abgeschlossen.
Die Beschwerdeführer argumentieren im Einspruch, die Zweitbeschwerdeführerin sei als begutachtende und auch Befund erstellende Supervision tätig gewesen. Vertragsinhalt sei somit die "Herstellung eines ordnungsgemäßen Befundes des gynäkologischen Abstrichs durch Supervision" gewesen, "was in jedem Fall abgrenzbar, überprüfbar und einer Gewährleistung bzw. Haftung zugänglich" gewesen wäre; überdies liege bei der Herstellung von Befunden nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (OGH 23.05.1984, 1 Ob 550/84) ein Werkvertrag vor.
Wenngleich diese Tätigkeit der Zweitbeschwerdeführerin auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses verrichtet werden kann, geht auch das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Beschwerdefall vom Vorliegen eines Werkvertrags aus. Die Zweitbeschwerdeführerin hat den Vorbefund bestätigt oder korrigiert und dies mittels handschriftlichen Vermerks auf der Zuweisung vermerkt und in diesem Sinn befundende Tätigkeit ausgeübt, wenngleich die vorbefundende Kollegin den jeweiligen Fall abgeschlossen hat. Die Abgeltung nach Stunden, welche nach der Rechtsprechung des VwGH auf ein Dauerschuldverhältnis hindeuten könnte, wurde im Beschwerdefall nachvollziehbar damit erklärt, dass dadurch eine fairere Bezahlung als aufgrund von stückweiser Abrechnungen der teilweise unterschiedlich aufwendigen Präparate erreicht werden sollte. Aus diesem Grund und weil der Zweitbeschwerdeführerin nicht laufend Abstriche zugewiesen wurden, sondern nur im Bedarfsfall nach telefonischer Vereinbarung, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Umstände des Beschwerdefalls auf einen Werkvertrag hindeuten.
Der vom Vertreter der Beschwerdeführer zitierte Entscheidung des OGH, wonach die Herstellung von Befunden als Werkvertrag zu qualifizieren sei, lag ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde als im Beschwerdefall. Der Rechtssatz stellt zudem auf die Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Patienten und den Gegensatz zwischen Behandlung und Befundung ab. Allerdings zeigt diese Entscheidung, dass die Herstellung von Befunden grundsätzlich als Werkvertrag qualifiziert werden kann. Dies trifft nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch auf den Beschwerdefall zu:
Die Zweitbeschwerdeführerin hat sich zur Zweitbefundung der PAP-Abstriche gegen Entgelt (welches im Beschwerdefall nach Stundenaufwand berechnet wurde) verpflichtet. Bei Übernahme der konkreten Abstriche handelte es sich um eine geschlossene Einheit, die ein Zielschuldverhältnis betreffend die Befundung der jeweiligen Abstriche bis zu einem bestimmten begründete. Die Zweitbeschwerdeführerin war verpflichtet, die Zweitbefundung bis zu einem bestimmten Termin vorzunehmen. Mit der Rückgabe der befundeten Abstriche endete das jeweilige Vertragsverhältnis. Im Bedarfsfall wurde ein neuerliches Vertragsverhältnis begründet. Das Interesse des Erstbeschwerdeführers und die Vertragsverpflichtung der Zweitbeschwerdeführerin war die Zweitbefundung. Dadurch lag auch ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit der Zweitbeschwerdeführerin vor.
Bei einer Gesamtbetrachtung der Tätigkeit der Zweitbeschwerdeführerin für den Erstbeschwerdeführer ist somit davon auszugehen, dass ein Werkvertrag vorlag.
Daher war den Beschwerden stattzugeben und festzustellen, dass die Zweitbeschwerdeführerin im Beschwerdefall nicht der Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG unterlag.
Gemäß Paragraph 13, VwGVG und mangels Ausnahme im Materiengesetz kam auch der vorliegenden rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu. Es war daher nicht gesondert über den Antrag auf aufschiebende Wirkung abzusprechen.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Siehe dazu die Ausführungen unter 3.5. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
ECLI:AT:BVWG:2016:W167.2003129.1.00