Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

13.06.2016

Geschäftszahl

W211 1428736-2

Spruch

W211 1428736-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch XXXX StA. Somalia, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesasylamtes vom römisch XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides

wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang

1. Die beschwerdeführende Partei ist eine weibliche Staatsangehörige Somalias, die am 09.02.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

2. Im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung (wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden) am 09.02.2012 gab die beschwerdeführende Partei bei der Datenerhebung an, sie sei am 01.01.1992 in Mogadischu, römisch XXXX, geboren und mit einem Mann namens

römisch XXXX verheiratet. Als letzten Wohnort führte sie den Bezirk Qoryooley im Bundesstaat Shabelada Hoose an. Sie gab weiters zu Protokoll, dass sie kurz nach ihrer Heirat aus Somalia fliehen habe müssen und mit Hilfe ihrer in Kanada lebenden Tante an einen Schlepper gekommen sei, der ihr schließlich gefälschte Dokumente besorgt habe. Die Schleppung sei durch ihre Tante finanziert worden.

3. Bei der Erstbefragung am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, der Volksgruppe der Ashraf anzugehören. Neben ihrer Mutter würden noch ihre beiden Schwestern im Herkunftsland leben. Desweiteren hielte sich ihre Tante in Kanada auf, während ihr Vater und ihr Bruder im Jahr 2011 verstorben seien. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die beschwerdeführende Partei an, dass die islamistische Gruppe Al Shabaab von ihrer im Juli 2011 heimlich geschlossenen Ehe erfahren habe. Al Shabaab habe jedoch gewollt, dass sie ein Mitglied der Gruppe heirate, weshalb die Islamisten zu ihr nach Hause gekommen seien. Da auch ihre Familie gegen eine solche Heirat gewesen sei, seien ihr Vater, der Onkel sowie ihr Bruder erschossen worden. Sie selbst sei von den Islamisten entführt und schließlich von ihrer Tante, welche auch ihre Flucht organisiert habe, freigekauft worden.

4. Bei der Einvernahme am 05.03.2012 vor dem Bundesasylamt, gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, in Qoryooley geboren worden zu sein und in den Jahren 2002 bis 2009 die Koranschule besucht zu haben. In Somalia habe sie ihre Mutter sowie ihren Ehegatten zurückgelassen, wohingegen ihr Vater, ihre beiden Schwestern und ihr Bruder erschossen worden seien. Die beschwerdeführende Partei wurde sodann zu ihren persönlichen Lebensumständen in Somalia, ihrem Clan und den geographischen Begebenheiten zu Qoryooley befragt, wobei sie betonte, sich am 20.06.2011 verlobt zu haben. Dazu befragt, wann sie sich zur Ausreise entschlossen habe, gab sie an, Al Shabaab habe ihren Vater umgebracht und gewollt, dass sie einen hellhäutigen bärtigen Mann heirate. Man habe ihr nicht geglaubt, dass sie schon verlobt sei. Am 15.08.2011 seien ihre Familienmitglieder erschossen worden, danach sei die beschwerdeführende Partei zwei Tage lang gefangen gewesen. Sie könne sich nicht genau erinnern, wann sie sich zur Ausreise entschlossen habe. Ein älterer Herr, der für Al Shabaab gekocht habe, habe sie befreit und ihr Onkel mütterlicherseits habe für die beschwerdeführende Partei das Lösegeld bezahlt. Während ihrer Gefangenschaft sei sie misshandelt worden; konkret sei sie mit dem Gewehrkolben geschlagen worden.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die beschwerdeführende Partei weiter zu Protokoll, dass Al Shabaab in die Wohnung ihrer Tante eingedrungen sei, als es zu einem Kampf zwischen ihnen und der Regierung gekommen sei. Die beschwerdeführende Partei sei von Al Shabaab kontrolliert worden und hätte als "Testperson" auf der Regierungsseite vorbeigehen sollen. Nach anfänglichem Zögern habe die beschwerdeführende Partei dies schlussendlich ausgeführt und sei von der Regierungsseite beschossen, jedoch nicht getroffen worden. Anschließend sei sie gezwungen worden, sich zu ihnen zu setzen, wobei sie mit dem Tode bedroht worden sei. Aufgrund ihrer Bekanntschaft mit einer Frau, die für Al Shabaab an einer Feuerstelle Brot gebacken habe, sei sie schließlich freigelassen worden. Auf Vorhalt ihrer anderslautenden Angaben anlässlich ihrer Erstbefragung gab die beschwerdeführende Partei an, durcheinander zu sein und sehr viel nachzudenken. Wenn die Erinnerung käme, ginge es ihr nicht gut. Sie betonte, dass ihre Ehe heimlich geschlossen worden sei, da Al Shabaab davon nicht erfahren habe dürfen. Konkret sei Al Shabaab am 17.08.2011 oder am 14.08.2011 zu ihr nach Hause gekommen und habe die beschwerdeführende Partei mitnehmen wollen. Als ihr Vater sie zurückhalten habe wollen, sei er erschossen worden. Auch ihr Bruder und ihre Schwester seien erschossen worden, ebenso wie ihr Onkel, der in der Nähe gewohnt habe. Anschließend sei die beschwerdeführende Partei mitgenommen worden.

5. Ein Sprachanalysebericht vom 19.03.2012 führte zusammengefasst aus, dass der sprachliche Hintergrund der beschwerdeführenden Partei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der Region um Mogadischu im südlichen Somalia liege.

6. Mit Stellungnahme vom 28.06.2012 brachte die beschwerdeführende Partei vor, dass sie mittels ihres Rechtsberaters nunmehr bei der durch diesen erfolgten Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls vom 05.03.2012 bemerkt habe, dass die auf den Seiten 8 und 9 protokollierten Aussagen zum Fluchtgrund nicht jene seien, die sie getätigt habe. Es müsse sich hierbei um einen Fehler handeln. Die freie Erzählung zu ihren Fluchtgründen sei ihr vollkommen unbekannt und könne sie sich nicht daran erinnern, solche Angaben gemacht zu haben. Weder habe sie eine Tante besucht, noch sei sie jemals von Al Shabaab kontrolliert worden oder mit Hilfe einer Brot backenden Frau freigekommen. Vielmehr würden ihre späteren Angaben über den Vorfall am 14.08.2011 stimmen.

7. Mit Bescheid vom 02.08.2012 wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ab, erkannte ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, leg. cit. nicht zu und wies sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia aus. Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes brachte die beschwerdeführende Partei fristgerecht Beschwerde ein, und mit Entscheidung vom 26.09.2013 hob der Asylgerichtshof den Bescheid auf und verwies die Angelegenheit an das Bundesasylamt zurück.

8. Mit Schreiben vom 22.04.2013 übermittelte die beschwerdeführende Partei drei Teilnahmebestätigungen der von ihr absolvierten Deutsch- bzw. Alphabetisierungskurse sowie einen Arztbefund vom 11.02.2013 mit der Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung". Danach leide die beschwerdeführendee Partei an ausgeprägten Ein - und Durchschlafstörungen, verbunden mit ängstlichen und depressiven Symptomen sowie Konzentrationsstörungen und werde daher die Einnahme vom "Cipralex" und "Seroquel" empfohlen.

9. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 18.10.2013 wurde der beschwerdeführenden Partei zu den aktuellen Länderfeststellungen und zum Ergebnis der Sprachenanalyse Parteiengehör eingeräumt. Gleichzeit wurde sie aufgefordert aktuelle ärztliche Unterlagen binnen eingeräumter Frist in Vorlage zu bringen.

10. Mit Schriftsatz vom 29.10.2013 erstattete die beschwerdeführende Partei eine Stellungnahme und führte hiebei im Wesentlichen aus, dass sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Diesbezüglich werde ein Schreiben des XXXX- Zentrum für interkulturelle Psychotherapie vom 11.02.2013 vorgelegt. Das Sprachgutachten von SPARKAB Institut würde die Aussage der beschwerdeführenden Partei, aus dem südlichen Somalia zu stammen, bestätigen. Die Länderfeststellungen der belangten Behörde würden nur wenige Informationen zur allgemeinen Situation von Frauen in Somalia enthalten und werde dabei auf weitere Berichte von USDOS sowie ACCORD verwiesen. Dem Schreiben wurde weiter die Teilnahme an einem Deutschqualifizierungskurs, zwei Arbeitsbestätigungen sowie ein Schreiben der Betreuerin eines Flüchtlingsheims angehängt.

11. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte der beschwerdeführenden Partei den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG (Spruchpunkt römisch III.).

12. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides brachte die beschwerdeführende Partei rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde ein, in welcher zusammengefasst ausgeführt wurde, dass die belangte Behörde entgegen der Rechtsanschauung des Asylgerichtshofes keine mündliche Verhandlung durchgeführt und der beschwerdeführenden Partei, die aufgetragenen Fragen nicht gestellt habe. Vielmehr sei ohne entsprechende Ermittlungstätigkeit ein mit dem behobenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. nahezu identer Bescheid erlassen worden. Ebenso wenig habe die belangte Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Daher sei der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

13. Mit Schreiben vom 05.02.2016 wurden die beschwerdeführende Partei und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Bundesverwaltungsgericht am 08.03.2016 geladen.

14. Mit Schreiben vom 11.02.2016 teilte die belangte Behörde mit, dass ihr eine Teilnahme an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich ist. Es werde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

15. Am 08.03.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch. Die beschwerdeführende Partei gab im Zuge ihrer Einvernahme auszugsweise an, wie folgt:

" [...] R: Haben Sie Unterlagen zu Ihrem Gesundheitszustand mit - zB Therapiebestätigungen wegen der PTBS?

P: Am Anfang ist es mir sehr schlecht gegangen. Psychisch ging es mir schlecht. Dann habe ich die Medikamente vom Arzt bekommen, z.B. Schlafmittel, weil ich nicht schlafen konnte. Danach war ich nicht mehr in Therapie.

R: Nehmen Sie die Medikamente noch?

P: Nein, jetzt nicht mehr. Ich möchte mich nicht an Schlafmittel gewöhnen. Ich habe mit den Medikamenten ca. 2013 begonnen, weil es mir damals so schlecht ging. Vorher habe ich gearbeitet und kam müde nach Hause und konnte schlafen. Ich habe mit den Medikamenten aufgehört, als sie aus waren. Es ist schon länger her. Ich kann mich nicht erinnern, wie lange ich sie eingenommen habe. Ich habe dann wieder angefangen zu arbeiten und konnte dann wieder schlafen.

R: Wo haben Sie in Somalia gelebt?

P: Ich bin in Qoryooley geboren. Dazwischen war ich in Mogadischu.

R: Wenn in Ihrem Datenblatt vermerkt wurde, dass Sie in Mogadischu geboren wurde, dann ist das eine Verwechslung?

P: Ich bin in Qoryooley geboren.

R: Ich sehe am Protokoll vom 05.03.2012, dass Sie dort bereits angegeben haben, in Qoryooley geboren worden zu sein. Ich gehe daher davon aus, dass das bei der EB eine Verwechslung war.

P: Ich bin während des Krieges geboren worden. Der Krieg herrscht noch immer.

R: Leben noch Familienangehörige in Somalia? Wenn ja, wer?

P: Zwei Schwestern, die verheiratet sind. Eine ist noch verheiratet und die andere lebt getrennt. Meine Mutter ist im Jemen, hat man mir gesagt.

R: Haben Sie also Kontakt zu Ihren Schwestern?

P: Früher wusste ich von meinen Geschwistern, ich habe sie zwei Mal angerufen, damals ging es ihnen gut.

R: Warum haben Sie jetzt keinen Kontakt mehr?

P: Ich habe sie angerufen, aber ihre Nummer funktioniert nicht, das Netz ist manchmal schlecht. Zuletzt haben wir 2014 miteinander gesprochen. Meine Schwestern lebten damals beide in Mogadischu. Mit meiner Mutter habe ich keinen Kontakt mehr. Meine Mutter war zuletzt krank. Sie hatte Probleme mit dem Hals. So etwas wie ein Tumor. Ich habe jetzt keinen Kontakt mehr zu ihr. Wir haben schon ewig nicht mehr miteinander gesprochen.

R: Was haben Sie in Somalia gemacht? Waren Sie in der Schule?

P: Ich habe in einer Privatschule gelernt, gearbeitet habe ich aber nicht. Ich war in einer Koranschule, ca. 4 bis 5 Jahre. Ich weiß es nicht genau.

R: Welchem Clan gehören Sie an?

P: Ashraf.

R: Und welchem Subclan? Sub-subclan?

P: Hassan, XXXX

R: Erzählen Sie mir von Ihrem Clan; erklären Sie mir Ihren Clan, so als wüsste ich gar nichts davon und Sie wollten es mir beibringen:

P: Es ist eine Minderheit, sie machen den anderen keine Probleme. Sie sind eine Minderheit. Sie sind nicht bewaffnet.

R: Aber können Sie mir beschreiben, was für Sie Ashraf sein bedeutet? Was gibt es Besonderes? Hat es eine Bedeutung für Sie?

P: Ashraf ist ein Clan in Somalia. Es gibt größere Mehrheitsstämme, wir sind eine Minderheit.

R. Welchem Clan gehörte Ihr Verlobter an?

P: Wir haben uns damals kennengelernt, ich habe ihn nach seinem Clan nicht gefragt.

R: Das ist aber ungewöhnlich, dass Sie das nicht wissen.

P: Wenn die Leute einige Zeit zusammen sind, lernen sie sich besser kennen.

R: Waren Sie mit Ihrem Verlobten verheiratet oder verlobt, als Sie ausgereist sind?

P: Mein Vater hat mich diesem Mann versprochen, "hergegeben". Mein Vater war mit unserer Ehe einverstanden. Vorher haben wir uns kurz kennengelernt.

R: Waren Sie verheiratet bei Ihrer Ausreise?

P: Ja, wir waren verheiratet. Aber es hat keine Hochzeit gegeben, ich meine damit, es gab keine Feier.

RV: Gibt es einen Unterschied zwischen Verlobung und Hochzeit in Somalia und was ist der Unterschied?

P: Bei uns ist es gleich, wenn der Vater sagt: "Diesem Mann habe ich dich hergegeben." Das heißt "Ich habe dich mit diesem Mann verheiratet." Bei uns können ihre Väter die Töchter auch in Abwesenheit verheiraten.

R: Das heißt, Sie waren nicht bei einem Mullah und haben keine Zeugen für Ihre Eheschließung?

P: Nein, ich war nicht anwesend. Mein Vater hat das Ganze während meiner Abwesenheit erledigt. Meine jüngere Schwester war 15, als sie verheiratet wurde, sie wurde ohne ihre Anwesenheit verheiratet.

R: Haben Sie mit Ihrem Mann zusammengelebt?

P: Zwei Tage haben wir zusammengelebt. Er ist zu uns gekommen, so wie die anderen Familienmitglieder bei uns zu Hause waren. Danach nicht mehr.

R: Warum danach nicht mehr?

P: Er hatte Angst vor Al Shabaab. Deshalb ist er geflüchtet.

R: Warum sind Sie nicht mit ihm mitgegangen?

P: Er ist heimlich gegangen. Ich wusste nichts davon.

R: Ich finde es ungewöhnlich, dass Sie nicht wissen, welchem Clan Ihr Verlobter/Ehemann angehört hat. Können Sie erklären, warum Sie das nicht wussten?

P: Mein Vater hat mich dem Mann hergegeben. Wir haben nicht genug Zeit miteinander verbracht. Einige Familien sind streng. Wir haben uns nicht lange genug kennengelernt. Die Frau wird ohne ihre Einwilligung verheiratet.

R: Ihr Vater hat nicht zu Ihnen gesagt: "Schau, das ist römisch XXXXXX, das ist z.B. der Sohn unseres Nachbarn oder der Mechaniker oder ein Freund von uns..."; hat er nichts dazu gesagt?

P: Mein Vater hatte Angst, dass Al Shabaab mich mit einem ihrer Mitglieder verheiraten würden, deshalb hat er mich schnell verheiratet.

R: Sie wissen, Sie haben im Verfahren sehr unterschiedliche Angaben zu Ihren Fluchtgründen gemacht: können Sie mir kurz schildern, was Ihr eigentlicher Ausreisegrund war? Können Sie mir kurz erzählen, warum Sie Somalia verlassen haben und warum es zu diesen unterschiedlichen Fluchtgründen im Akt gekommen ist, haben Sie dazu eine Erklärung?

P: Diese Männer haben mir Probleme gemacht. Ich bin deshalb geflüchtet. Meine Familie ist meinetwegen getötet worden. Dieser Mann wollte mich heiraten. Mein Vater sagte: "Sie ist bereits verheiratet." Sie haben mich entführt. Fünf vermummte Männer sind zu uns gekommen, der ältere Mann, der mich heiraten wollte, war dabei. Sie sind zu uns nach Hause gekommen. Mein Vater, mein Onkel väterlicherseits, meine Geschwister, eine Schwester und ein Bruder, waren da. Unser Onkel war ein Nachbar von uns. Sie waren mit einem Auto da, die Fenster waren nicht durchsichtig. Die Männer haben mich festgehalten. Mein Vater wollte mich befreien. Er hat mich gehalten. Sie haben auf ihn geschossen. Der Schuss hat sein Auge getroffen. Meine Schwester hat meinen Vater umarmt und geweint. Nachdem mein Vater getötet wurde, ist mein Onkel väterlicherseits auf uns zugelaufen. Einer von den Männern hat auf ihn geschossen. Sie haben mich mitgenommen, in ihr Auto gesteckt. Die Männer haben mir gesagt:

"Warum hast du dich geweigert mitzukommen? Du bist schuld, dass das Ganze passiert ist." Das Auto ist ca. 3 km gefahren. Sie haben mich zu einem alten Haus gebracht. Man ging hinunter. Dort waren zwei Frauen eingesperrt. Die Frauen waren verschleiert. Ich habe erkannt, dass sie Somalierinnen sind, durch die Sprache. Ab und zu kam eine Wache und kontrollierte uns. Sie haben mich mit dem Gewehrkolben geschlagen. Einmal am Tag habe ich etwas zu essen bekommen. Sie haben mir ein trockenes Brot gegeben. Sie haben mich mit dem Gewehrkolben geschlagen, meine Augen waren verbunden, ich konnte nichts sehen. Ich war zwei Tage dort eingesperrt. Wenn ich nicht gerettet worden wäre, hätten sie mich vergewaltigt. Ich bin schnell freigekommen. Wenn man mehr Geld hat, werden Dinge einfacher und schneller erledigt.

R: Wie sind Sie rausgekommen?

P: Durch meinen Onkel mütterlicherseits. Er hat Geld an den Mann, der dort war, gezahlt. Damit meine ich die Wache. Nachdem ich freigekommen bin, hat man mich in ein Haus gebracht. Um Mitternacht wurde ich mit einem Auto zu einem anderen Haus gebracht. Der Wachmann brachte mich zu sich nach Hause. So bin ich freigekommen. Ich habe dort geschlafen. Ich hatte großen Hunger, war sehr müde. Der Mann hat mir nichts zu essen gegeben. Mein Onkel mütterlicherseits hat einen Niqab gebracht, damit man mich nicht erkennt. Am nächsten Tag am Abend bin ich zum Bezirk römisch XXXX gekommen.

Sie haben gesagt: "Wir sind überall, egal wo die Regierung ist." Sie werden mich finden, sie werden nach mir suchen. Sie haben gesagt, dass sie über allen anwesend sind.

R: Wer hat Ihnen das wann gesagt?

P: Die fünf haben mir das gesagt, als sie mich entführt haben.

R: Woher hatte Ihre Familie das Geld?

P: Meine Tante väterlicherseits, die in Kanada lebt, hat mir geholfen. Sie hat gesagt, nach allem, was mit meiner Familie passiert ist, wird sie mich retten. Die anderen Schwestern sind bereits verheiratet.

R: Das ging sehr schnell, dass das Geld aus Kanada gekommen ist.

P: Ich weiß nicht, sie hat das erledigt. Der Schlepper hat mir einen Reisepass gebracht. Er sagte, ich werde zu meiner Tante nach Kanada kommen.

R: Wieviel Zeit war zwischen Ihrer Befreiung und Ihrer Ausreise?

P: Ein halbes Jahr. Im August 2011 ist das Problem passiert. Ich bin nach Mogadischu in den Bezirk römisch XXXX gekommen.

R: In dieser Zeit waren Sie bei Ihrem Onkel in XXXX?

P: Ja, bei meinem Onkel mütterlicherseits.

R: Was haben Sie in dieser Zeit getan?

P: Nichts. Ich hatte keine Freiheit. Ich habe den Niqab getragen, wenn ich einkaufen gehen wollte. Diese Männer kleiden sich wie das Volk, man kann sie nicht erkennen.

R: Ihre Anhaltung bei Al Shabaab war noch in Qoryooley, erst Ihr Onkel hat Sie dann nach Mogadischu gebracht?

P: Ja. Ich habe meinem Onkel gesagt, ich habe kein Leben mehr hier. Ich habe mich gefreut, dass ich frei gekommen bin. Ich habe nicht gedacht, nach Europa zu kommen. Ich habe gedacht, vielleicht heirate ich.

R: Aber Sie waren ja schon verheiratet?

P: Ich meine damit, dass ich nach meinem Mann suche und in Mogadischu mit meiner Familie lebe. Die Kinder meiner Tanten leben in Mogadischu.

R: Was war mit Ihren Geschwistern bei diesem Vorfall?

P: Qoryooley liegt ca. 110 km entfernt von Mogadischu. Damals waren meine zwei Schwestern in Mogadischu. Eine wurde mit 15 verheiratet. Die Zweite aber hatte einen Mann gefunden und geheiratet.

R: Sie haben vorher gesagt, Ihr Bruder und Ihre Schwester waren zu Hause als die Al Shabaab gekommen sind. Was wurde aus Ihren Geschwistern bei diesem Vorfall?

P: Mein Bruder wurde auch aufgrund der Schießerei getötet.

R: Und Ihre Schwester?

P: Meine Schwester XXXX? Sie wurde auch getötet. Ich habe einen jüngeren Halbbruder, der noch lebt, das ist der einzige Bruder, den ich noch habe.

R: Ich habe den Ablauf von dem Vorfall mit Al Shabaab noch immer nicht ganz verstanden, können Sie mir das noch einmal genau erklären? Sie haben gesagt, die Männer hätten Sie weggezogen, was haben Sie selbst wirklich gesehen?

P: Ich war bei meiner Familie. Sie haben mich weggezogen. Sie haben meine Hand gehalten. Mein Vater hat mich gehalten, er wollte mich befreien. Einer von denen hat meinen Vater mit dem Gewehrkolben geschlagen, damit er mich loslässt. Sie wollten nicht den anderen was antun, der Vater hat mich aber festgehalten. Dann haben sie mich mit einem Auto mitgenommen. Ich bin neben dem älteren Mann gesessen. Wenn Al Shabaab merken, dass eine Frau jung oder hübsch ist, wird die Familie in der Nacht überfallen und das Mädchen entführt.

R: Haben Sie selbst gesehen, was mit Ihren Geschwistern passiert ist?

P: Sie haben auf meinen Vater geschossen und sein Auge getroffen, er ist auf den Boden gefallen. Ich habe meine Geschwister gesehen, ich habe ihr Blut gesehen. Sie haben mich auf die andere Seite gezerrt. Dann haben sie mich ins Auto gesteckt.

R: Im Protokoll vom 05.03.2012 auf der Seite 9 haben Sie gesagt:

"Ich bin noch immer verheiratet, aber ich habe mit meinem Gatten noch nie in einer gemeinsamen Wohnung gelebt. In Mogadischu habe ich meinen Gatten zwei Mal besucht." Das unterscheidet sich von dem, was Sie heute bei uns gesagt haben. Können Sie das erklären?

P: Ich habe gesagt, wir haben zwei Tage zusammengelebt. Ich hatte vor ihm Angst. Wir haben zwei Tage zusammengelebt, aber nicht miteinander geschlafen, weil ich schwer beschnitten bin.

R: Wieso hatten Sie vor ihm Angst?

P: Ich hatte vor den Schmerzen Angst.

R: Gibt es eine Erklärung dafür, dass Sie damals gesagt haben, Sie hätten ihn in Mogadischu besucht und bei uns sagten Sie, dass Sie in Qoryooley zwei Tage mit ihm zusammengelebt haben?

P: Damals ist es mir schlecht gegangen. Ich weiß nicht, aber ich habe gesagt, wir haben in Qoryooley zwei Tage zusammengelebt, aber keinen Sex gehabt.

R: Diese ganze Geschichte mit dem Besuch bei der Tante und dem Testlauf bei der Regierungsseite und der brotbackenden Frau, das hat stattgefunden oder nicht stattgefunden? (Protokoll Seite 8 und 9 vom 05.03.2012)

P: Das ist passiert. Man hat mich gefragt, ob ich zuletzt etwas sagen möchte. Ich war sechs Monate lang in Mogadischu. Eines Tages wollte ich meine Cousine in römisch XXXX besuchen. Früher war dieser Bezirk von der Regierung kontrolliert. Aber an dem Tag war er unter Kontrolle der Al Shabaab. Ich bin aus dem Linienbus ausgestiegen. Ich habe diese Männer auf der Straße gesehen.

R: Aus der schriftlichen Stellungnahme vom 28.06.2012 geht hervor, Sie hätten das gar nicht erzählt?

P: Doch, das habe ich erzählt.

R: Für mich war wichtig zu sehen, ob es sich dabei um einen Protokollfehler handelt; so wie Sie das heute erzählen, haben Sie damals bei der Einvernahme aber zwei "Gefährdungsgeschichten" erzählt.

R: Das ist schon lange her, die Machtsituation der Al Shabaab hat sich geändert, was ist Ihre heutige Befürchtung wenn Sie an Qoryooley oder an Mogadischu denken?

P: Ich habe mein Land wegen Problemen mit diesen Männern, also den Al Shabaab, verlassen. Sonst hätte ich mein Land nicht verlassen. Auch jetzt gibt es immer Anschläge. Man sagt, dass das Land sicher ist, aber das ist es nicht. Sie haben vor kurzem Anschläge auf viele Hotels in Mogadischu verübt. Sie sind verrückt. Sie vernichten das Volk. Sie meinen, sie sind Muslime.

R: Ich habe immer noch Schwierigkeiten zu verstehen, warum Sie so wenig über Ihren Clan wissen. Können Sie mir das nochmal erklären?

P: Sie sind eine Minderheit, sie sind nicht bewaffnet. Sie unterrichten den Koran und sind sehr religiös. Sie machen religiöse Feste, z.B. das Digri.

R: Ist das ein Ashraf-spezifisches Fest?

P: Ja.

R: Sie waren ja in der Koranschule, wer waren Ihre Mitschüler?

P: Ich war jung, ich bin von meinen Eltern dort hingebracht worden. Es gab Ashraf-Kinder, Sheikhal-Kinder, Begadi und andere Stämme. Ich wurde nicht in eine offizielle Schule geschickt.

D erklärt: Die Begadi sind ein Sub-Clan der Digil.

R: Haben Sie wegen Ihrer Clanzugehörigkeit zu den Ashraf Probleme in Somalia gehabt?

P: Man hat uns verachtet. Sie meinten, wir sind weniger wert als die anderen. Als ich 4 oder 5 Jahre alt war, hat meine Familie mich beschneiden lassen. Ich wurde schwer beschnitten. [...]

RV: Die P wird in Somalia wegen ihrer Zugehörigkeit zu ihrer sozialen Gruppe, der Zwangsverehelichung der Frauen sowie aufgrund ihrer politischen Gesinnung verfolgt. Ich möchte auf zwei

Erkenntnisse verweisen: W211 1427793 und W211 1432216. In diesen erkennt das Bundesverwaltungsgericht, dass Personen, die bereits ins Visier der Al Shabaab geraten sind, bei einer Rückkehr von diesen verfolgt werden."

16. Eine schriftliche Stellungnahme vom 11.05.2016 zu aktuellen Länderberichten zur Situation in Somalia führt zusammengefasst aus, dass Lower Shabelle von Aktivitäten der Al Shabaab stark betroffen ist, die auch in Mogadischu Anschläge verübt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist eine weibliche Staatsangehörige Somalias. Sie stellte am 09.02.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2. Die beschwerdeführende Partei stammt aus Südsomalia. Eine Herkunft aus Qoryooley wird nicht festgestellt, aber der rechtlichen Beurteilung als wahr unterstellt (siehe dazu VwGH, 14.07.2014, Ra 2014/20/0069).

Eine Clanzugehörigkeit zu den Ashraf wird nicht festgestellt. Welchem Clan die beschwerdeführende Partei angehört, kann nicht festgestellt werden.

1.1.3. Zwei Schwestern der beschwerdeführenden Partei leben in Mogadischu, ihre Mutter im Jemen. Dass und warum die beschwerdeführende Partei zu ihren in Somalia lebenden Familienmitgliedern keinen Kontakt mehr hat, konnte nicht festgestellt werden.

1.1.4. Die beschwerdeführende Partei leidet zur Zeit nicht an den Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung und ist seit 2013 nicht mehr in diesbezüglicher medizinischer oder psychiatrischer Behandlung.

1.2. Es wird nicht festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei verlobt oder verheiratet war; es wird nicht festgestellt, dass Mitglieder der islamistischen Miliz Al Shabaab im August 2011 die beschwerdeführende Partei entführt haben sollen, wobei ihr Vater und zwei Geschwister erschossen worden sein sollen; es wird nicht festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei nach ca. zwei Tagen Anhaltung durch die Al Shabaab durch Bestechung der Wache freigekommen sein soll und sich dann ca. sechs Monate in Mogadischu versteckt gehalten haben soll, bis sie ausgereist sein soll.

Ebenfalls wird nicht festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt auf dem Weg zum Besuch ihrer Tante auf Al Shabaab getroffen sein soll, von diesen als Testperson verwendet worden sein soll und schließlich über die Vorgabe der Bekanntschaft zu einer brotbackenden Frau freigelassen wurde.

2. Länderberichte zur Situation in Somalia

Im Folgenden werden die wesentlichen Informationen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben und festgestellt:

Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Somalia, 25.04.2016, Auszüge:

1. Sicherheitslage

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen. Es wurden die unterschiedlichen Akteure in Somalia kategorisiert:

* Die farbigen Gebiete zeigen Akteure, die über signifikanten Einfluss verfügen. Diese Akteure verfügen auch über Ressourcen, um diesen Einfluss zu garantieren. Derartige Akteure sind: Somaliland, Puntland, die Galmudug Interim Administration (GIA), AMISOM und die Somali National Army (SNA), die Jubbaland Interim Administration (JIA), al Shabaab (AS) und die Ahlu Sunna Wal Jama'a (Zentralsomalia; ASWJ). Einige Städte werden von anderen Parteien beherrscht: Von der Clan-Miliz SSC (Dulbahante; Khatumo), von der Clan-Miliz der Warsangeli, von ASWJ (Fraktion Gedo), von Clan-Milizen an der Grenze zu Äthiopien (in den Regionen Gedo, Bakool und Hiiraan). Eine Gebiete - und hier vor allem in Süd-/Zentralsomalia - werden von zwei dieser relevanten Akteure beeinflusst.

* In mit strichlierten Linien umrandeten Gebieten gibt es zusätzliche Akteure mit eingeschränktem Einfluss. Diese Akteure agieren neben den oben erwähnten Hauptakteuren, und sie verfügen nur über eingeschränkte Ressourcen (EASO 2.2016).

Kommentare zu den Eintragungen auf der Karte:

* Die Karte zeigt für Qoryooley keine Garnison der AMISOM. Allerdings gibt es einen Stützpunkt und auch verfügbare Truppen. Allerdings scheinen diese Truppen den Stützpunkt nicht permanent besetzt zu halten. Daher ist Qoryooley die einzige von AMISOM kontrollierte Bezirkshauptstadt, für welche keine Garnison eingetragen worden ist (wiewohl es eine Garnison der somalischen Armee gibt).

Gemäß der auch von EASO zitierten Analyse der Staatendokumentation zur Sicherheitslage in Somalia hat sich die Situation im Zeitraum 7.2014-6.2015 in folgenden Bezirken verschlechtert: Dhusamareb und Ceel Buur (Galgaduud); Belet Weyne und Bulo Burte (Hiiraan); Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley, Merka und Baraawe (Lower Shabelle);

Baidoa und Burhakaba (Bay); Xudur, Waajid und Rab Dhuure (Bakool);

Bulo Xawo (Gedo); Kismayo (Lower Jubba). Die Situation in folgenden Bezirken hat sich im gleichen Zeitraum verbessert: Ceel Waaq und Luuq (Gedo). In den anderen Bezirken sind keine relevanten Änderungen eingetreten (BFA 10.2015; vergleiche EASO 2.2016).

Tabelle kann nicht abgebildet werden

(EASO 2.2016).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen. Dies ist einerseits bei der Verteilung terroristischer Aktivitäten im urbanen Raum zu erkennen, andererseits bei der Anzahl bewaffneter Auseinandersetzungen je Bezirk (BFA 10.2015).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

1.1.1. Lower und Middle Shabelle

Lower Shabelle ist von Aktivitäten der al Shabaab stark betroffen (EASO 2.2016; A 4.2016). Al Shabaab verfügt dort über ausreichende Kapazitäten, um Angriffe auf ihre Feinde zu verüben (A 4.2016). In zahlreichen Orten und Städten mit Garnisonen von AMISOM und/oder Armee kommt es zu Anschlägen, gezielten Attentaten, hit-and-run-Angriffen und auch zu größeren Operationen der al Shabaab. Al Shabaab konnte temporär die Kontrolle über Ortschaften wie Aw Dheegle, Mubarak, Janaale (EASO 2.2016) und Leego, aber auch über die Stadt Qoryooley erlangen. Qoryooley und Leego wurden nach kurzer Frist wieder von AMISOM besetzt (UNSC 11.9.2015). Nach einer Neuaufstellung der AMISOM im Bereich wurden die Orte Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley sowie die Bezirkshauptstadt Kurtunwarey von AMISOM geräumt. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch die Bezirkshauptstadt Wanla Weyn blieb über Tage ohne Besatzung der AMISOM (allerdings mit einer solchen der somalischen Armee) (BFA 10.2015).

Al Shabaab verfügt in der ganzen Region über eine verdeckte Präsenz (EASO 2.2016).

Zusätzlich kam es in Lower Shabelle zu Clan-Kämpfen um Land und Ressourcen (EASO 2.2016). Der Konflikt zwischen Biyomaal und Habr Gedir bleibt ungelöst, auch wenn die Zahl an Berichten hinsichtlich Entführungen und Tötungen abnehmen (USDOS 13.4.2016). Die Milizen der Biyomaal und der Tunni sind angeblich mit al Shabaab alliiert. Besonders von Clan-Konflikten betroffen sind die Städte Merka und Afgooye (EASO 2.2016).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

2. Minderheiten und Clans

2.1. Bevölkerungsstruktur und Clanschutz

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 13.4.2016). Die somalische Bevölkerung ist aber nur auf den ersten Blick homogen (EASO 8.2014). In ganz Somalia gibt es eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Sub-Clans und Sub-Sub-Clans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015). Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014).

Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014).

Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem - wie erwähnt - keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen - auch geographische - sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).

Das Clansystem ist dynamisch und komplex. Aufgrund des Bürgerkrieges und damit verbundener Wanderbewegungen aber auch aufgrund des Bevölkerungswachstums waren nach 1991 zunehmende Fluktuationen zu verzeichnen. Aufzeichnungen von Genealogien sind umstritten (EASO 8.2014).

* Die Darod unterteilen sich in die großen Gruppen Ogadeni (Äthiopien und Jubba-Regionen), Marehan (Süd-/Zentralsomalia) und Harti. Letztere sind eine Föderation aus Majerteen (Hauptclan in Puntland), Dulbahante und Warsangeli (Regionen Sool und Sanaag).

* Die Hawiye leben vor allem in Süd-/Zentralsomalia, die wichtigsten Subclans sind Abgaal und Habr Gedir.

* Die Dir finden sich im westlichen Somaliland und in einigen Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Ihre Hauptclans sind Issa und Gadabursi (beide Somaliland) und Biyomaal (Südsomalia).

* Die Isaaq sind der Hauptclan Somalilands.

* Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben in den fruchtbaren Tälern von Shabelle und Jubba und im Gebiet zwischen beiden Flüssen (v.a. Bay und Bakool) (EASO 8.2014).

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014).

Inwiefern Clanschutz heute noch funktioniert ist umstritten. Faktoren wie AMISOM, die Restauration staatlicher Sicherheitsbehörden oder al Shabaab haben den Schutz erodiert. Andererseits hat der Rückzug von al Shabaab sowie der Mangel an staatlicher Verwaltung in den ländlichen Gebieten den Clanschutz verstärkt. Das Ausmaß an Clanschutz variiert also regional und ist im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen. In Somaliland und Puntland, wo relative Stabilität herrscht, ist der Clanschutz weniger relevant als in Süd-/Zentralsomalia. In Mogadischu hingegen sind Älteste zwar noch bei der Konfliktvermittlung involviert, jedoch gibt es kein Risiko mehr, aufgrund der Clanzugehörigkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Nicht mehr die Clans, sondern AMISOM, Armee und Polizei sind für die Sicherheit verantwortlich. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Teile von Armee und Polizei nach wie vor großen Bezug zu ihren Herkunftsclans haben (EASO 8.2014).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016

Ständische Berufskasten als Basis sozialer Diskriminierung, http://www.integrationsfonds.at/fileadmin/content/AT/Downloads/Publikationen/n8_Laenderinfo_Somalia.pdf, Zugriff 21.4.2016

2.2. Aktuelle Situation

Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.12.2015). Grundsätzlich wurde bei der Bildung der föderalen Regierung Ende 2012 sowie beim letzten umfassenden Regierungsumbau auf eine möglichst breite Zusammensetzung aller Clans und Sub-Clans geachtet. Sowohl Regierung als auch Parlament sind entlang der sogenannten "4.5 Lösung" organisiert, das bedeutet, dass für jeden Sitz, den ein Vertreter der großen Clans in Regierung bzw. Parlament innehat, ein halber Sitz einem Vertreter der kleineren Clans (ÖB 10.2015) bzw. Minderheitenclans zufällt (USDOS 13.4.2016). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir und Digil-Mirifle) dominieren Verwaltung, Politik, und Gesellschaft mit jeweils 61 Sitzen im Parlament. Dementsprechend sind die lokalen Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert (ÖB 10.2015). Die 4.5-Formel wurde aber auch schon zugunsten der Minderheiten gebrochen (USDOS 13.4.2016).

In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 13.4.2016). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung im Lichte der jeweiligen Clan- bzw. Sub-Clan-Zugehörigkeit auszugehen (AA 1.12.2015).

Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung beispielsweise im Rahmen staatlicher Vergabeverfahren, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 1.12.2015) oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 13.4.2016). Angehörige eines (Sub-)Clans können in Gebieten, die von einem anderen (Sub-)Clan dominiert werden, aber auch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 1.12.2015). Es kann davon ausgegangen werden, dass der staatliche Schutz im Falle von Clan-Konflikten nicht zur Anwendung kommt, sondern die "Regelung" dieser Konflikte grundsätzlich den Clans selbst überlassen wird. Die staatlichen Sicherheitskräfte sind in der Regel zu schwach, um in Clankonflikte effektiv eingreifen zu können; zudem ist die föderale Regierung wohl auch nicht willens, sich in Konflikte dieser Art einzumischen und so den Unwillen einzelner Clans auf sich zu ziehen (ÖB 10.2015).

Viele Minderheitengemeinden leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.4.2016). Bantu werden aufgrund ihrer Ethnie diskriminiert (UNHRC 28.10.2015). Auch einzelne andere Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Midgan, Gabooye), leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich, da sie nicht in die Clan-Strukturen eingebunden sind, in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut. Sie sind auch überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 13.4.2016). Allerdings datieren die letzten - unbestätigten - Berichte von Repressionen im engeren Sinn mit November 2013, als staatliche Sicherheitskräfte des Hawiye-Clans angeblich sesshafte Bantu-Landwirte von ihren Grundstücken vertrieben haben sollen (AA 1.12.2015). In den hier verwendeten Berichten werden keine aktuellen Beispiele gewaltsamer Repression oder der Verfolgung von Minderheiten genannt.

Das Ausmaß an Diskriminierung hängt von der Minderheit ab:

Berufskasten sind generell stärkerer Diskriminierung ausgesetzt als ethnische Minderheiten. Sie leben meist in Ghetto-ähnlichen Vierteln oder Stadtteilen (EASO 8.2014; vergleiche ÖIF 12.2010). Mischehen - vor allem zwischen Berufskasten und den Hauptclans - sind traditionell beschränkt (USDOS 13.4.2016; vergleiche EASO 8.2014, ÖB 10.2015). Dieses Tabu scheint aber in den vergangenen Jahren etwas aufgeweicht worden zu sein (EASO 8.2014). So kommen Beziehungen, die nicht den klassischen Strukturen entsprechen, häufiger vor. Ehen, in welchen die Frau einem Hauptclan angehört und der Ehemann einer Minderheit, sind aber sehr selten (C 18.6.2014).

Auch in anderen Bereichen gibt es regionale Unterschiede: Während etwa Mogadischu durch seine Durchmischung eher tolerant ist, gibt es in Puntland eine klare Trennung und in einigen Gebieten dürfen Angehörige von Minderheiten nicht in den Städten wohnen (B 14.10.2014).

In Mogadischu gibt es heute keine Clankämpfe oder -Konflikte mehr. Es gibt dort auch kein Risiko einer schweren Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit. Da es in der Stadt keine Clanmilizen mehr gibt, ist der Clan heute weniger eine Schutzstruktur als vielmehr eine soziale Struktur. Minderheitenangehörige werden nicht mehr aufgrund ihrer Zugehörigkeit marginalisiert oder belästigt. Die Sicherheitslage für Angehörige kleiner, schwacher Clans oder ethnischer Minderheiten hat sich wesentlich verbessert. Auch die Andeutung von UNHCR, dass für eine Rückkehr nach Mogadischu die Anwesenheit der Kernfamilie relevant ist, weist auf die nunmehr geringe Bedeutung des Clans hin (UKUT 3.10.2014; vergleiche UKUT 5.11.2015). Zusätzlich gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016).

Manche Minderheiten haben von al Shabaab profitiert und die Gruppe unterstützt. Mit dem Machtverlust für al Shabaab kommt es auch zu Fällen, wo diese vorherige Unterstützung nun negative Auswirkungen hat (EASO 8.2014). So waren bzw. sind überproportional viele Angehörige von Minderheiten bei der Ausführung von Körperstrafen und Exekutionen sowie bei der Verübung gezielter Attentate beteiligt. Das Risiko von Racheaktionen besteht (B 10.2014). Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

3. Frauen

Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe, insbesondere in den Lagern der Binnenvertriebenen, ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.12.2015).

Die somalische Regierung hat mit Unterstützung der EU-Delegation für Somalia einen Aktionsplan zur Bekämpfung der sexuellen Übergriffe verabschiedet, die Implementierung geschieht jedoch sehr langsam (ÖB 10.2015).

Auch wenn Gewalt gegen Frauen in der Verfassung verboten ist (USDOS 13.4.2016), bleibt häusliche Gewalt gegen Frauen ein großes Problem (USDOS 13.4.2016; vergleiche AA 1.12.2015).

Gewalt gegen Frauen - insbesondere sexuelle Gewalt - ist laut Berichten der UNO und internationaler NGOs in der gesamten Region weit verbreitet (ÖB 10.2015; vergleiche UNHRC 28.10.2015). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern, insbesondere in Mogadischu (ÖB 10.2015; vergleiche UNHRC 28.10.2015; USDOS 13.4.2016). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (UNHRC 28.10.2015; vergleiche UKHO 3.2.2015; USDOS 13.4.2016). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten, Milizionäre (HRW 27.1.2016; vergleiche UNHRC 28.10.2015; USDOS 13.4.2016), Polizisten und Mitglieder der al Shabaab (UNHRC 28.10.2015).

Es gibt Berichte, die nahelegen, dass sexualisierte Gewalt von der al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 1.12.2015).

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.12.2015; vergleiche ÖB 10.2015), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 13.4.2016). Hinsichtlich geschlechtsspezifischer Gewalt herrscht aber weitgehend Straflosigkeit. Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia rar (UKHO 3.2.2015; vergleiche AA 1.12.2015; ÖB 10.2015; USDOS 13.4.2016). Bei der Strafjustiz herrscht Unfähigkeit (UNHRC 28.10.2015). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen selbst zu tätigen (Suche nach Zeugen, Lokalisierung von Schuldigen) (USDOS 13.4.2016; vergleiche UKHO 3.2.2015).

Andererseits hat die Militärjustiz bereits einige Soldaten der Armee wegen Vergewaltigungen zu langen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt (UNHRC 28.10.2015). Meist werden Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe aber vor traditionellen Gerichten abgehandelt, welche entweder eine Kompensationszahlung vereinbaren oder aber eine Ehe zwischen Opfer und Täter erzwingen (UNHRC 28.10.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Von staatlichem Schutz kann nicht ausgegangen werden (ÖB 10.2015; vergleiche UKHO 3.2.2015), für die am meisten vulnerablen Fälle ist er nicht existent (HRW 27.1.2016).

Grundlage für eine Eheschließung ist die Scharia, Polygamie und Ehescheidung sind somit erlaubt (ÖB 10.2015). Die Übergangsverfassung legt kein Mindestalter für eine Eheschließung fest. Die Kinderehe ist verbreitet. In ländlichen Gebieten verheiraten Eltern ihre Töchter manchmal schon im Alter von zwölf Jahren. Insgesamt wurden 45 Prozent der Frauen im Alter von 20-24 Jahren bereits mit 18 Jahren, 8 Prozent bereits im Alter von 15 Jahren verheiratet. In ländlichen Gebieten werden auch 12jährige Mädchen verheiratet (USDOS 13.4.2016).

Zwangsehen sind weit verbreitet (ÖB 10.2015). Zwangsehen durch al Shabaab kommen in der Regel nur dort vor, wo die Gruppe die Kontrolle hat (C 18.6.2014; vergleiche USDOS 13.4.2016; UKHO 3.2.2015; DIS 9.2015). Dort sind Frauen und Mädchen einem ernsten Risiko ausgesetzt, von al Shabaab entführt, vergewaltigt und zu einer Ehe gezwungen zu werden (UKHO 3.2.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Eine Verweigerung kann für das Mädchen oder ihre Familie den Tod bedeuten (DIS 9.2015; vergleiche NOAS 4.2014). Aus Städten unter Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee gibt es keine Berichte hinsichtlich Zwangsehen mit Kämpfern der al Shabaab; wohl aber gibt es Berichte über diesbezügliche Drohungen via SMS (DIS 9.2015). Hingegen zwingen auch Angehörige bewaffneter Milizen und Clanmilizen Mädchen zur Eheschließung (UNHRC 28.10.2015).

Manchmal müssen entführte Frauen und Mädchen für al Shabaab auch als Putzkräfte, Köchinnen oder Trägerinnen arbeiten. In einigen Fällen wurden Mädchen als Selbstmordattentäterinnen verwendet (UKHO 3.2.2015).

Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden (USDOS 13.4.2016). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivilrechts und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen bzw. einem (übersteigerten) paternalistischen Ansatz folgen. Für Frauen gelten entsprechend andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer. So erhalten beispielsweise Frauen nur 50% der männlichen Erbquote (AA 1.12.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016). Bei der Tötung einer Frau ist im Vergleich zur Tötung eines Mannes nur die Hälfte des an die Familie des Opfers zu zahlenden "Blutgeldes" vorgesehen. Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 1.12.2015). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts gelten auch in Puntland und Somaliland. Gleichwohl gibt es politische Ansätze, die mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau anstreben. In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt - mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.12.2015).

In den kleiner werdenden Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, herrscht eine strenge und harte Interpretation der Scharia. Viele Regeln betreffen Frauen: Vollverschleierung; Arbeitsverbot; Verbot der Reise mit nicht-verwandten Männern etc. Bei Nicht-Einhaltung der Regeln drohen schwere Bestrafungen (UKHO 3.2.2015).

In politische Entscheidungsprozesse sind Frauen nicht adäquat eingebunden (UNHRC 28.10.2015). Eigentlich wären für das Parlament 30% Sitze für Frauen vorgesehen. Diese stellen aber nur 14 von 275 Abgeordneten. In der 26köpfigen Regierung finden sich drei Frauen (USDOS 13.4.2016). In der Regionalversammlung der Galmudug Interim Administration (GIA) sind 8 von 64 Abgeordneten Frauen (UNSC 11.9.2015). Im Ältestenrat von Puntland war noch nie eine Frau vertreten, im 66sitzigen Repräsentantenhaus sind es zwei, es gibt auch zwei Ministerinnen (USDOS 13.4.2016).

Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch nachrangig behandelt (USDOS 13.4.2016). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in vielen Bereichen, vor allem; Gesundheit, Beschäftigung und Arbeitsmarktbeteiligung (ÖB 10.2015), Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung (USDOS 13.4.2016). Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

http://www.noas.no/wp-content/uploads/2014/04/Somalia_web.pdf, Zugriff 14.4.2016

Asylländerbericht Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

4. Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab

In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen die al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen werden als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.12.2015). Auch Blockadebrecher (HRW 27.1.2016) und Dorfälteste in Ortschaften in der Nähe von AMISOM/Regierungsstädten wurden getötet (DIS 9.2015). Es gibt mehrere Berichte darüber, dass al Shabaab Personen wegen des Verdachts der Spionage angeklagt und binnen Stunden nach der Urteilsverkündung öffentlich exekutiert hat (UNHRC 28.10.2015; vergleiche USDOS 13.4.2016, HRW 27.1.2016).

Neben militärischen Zielen der al Shabaab, wie AMISOM und somalische Sicherheitskräfte, werden auch bestimmte zivile Ziele erwähnt, die auf dem Gebiet von AMISOM und somalischer Regierung angegriffen werden. Darunter fallen die somalische Regierung (DIS 9.2015; vergleiche UKHO 15.3.2016, HRW 27.1.2016); Zivilisten, die mit der Regierung in Verbindung stehen; Mitarbeiter humanitärer NGOs; UN-Mitarbeiter (USDOS 13.4.2016; vergleiche UKHO 15.3.2016) bzw. Personen und Institutionen, welche die internationale Gemeinschaft repräsentieren; internationale NGOs (DIS 9.2015; vergleiche UKHO 15.3.2016); diplomatische Missionen; prominente Friedensaktivisten, Gemeindeführer, Clanälteste und deren Angehörige (USDOS 13.4.2016; vergleiche HRW 27.1.2016); sowie Journalisten (UKHO 15.3.2016; vergleiche HRW 27.1.2016) und Kleriker (HRW 27.1.2016). Auch Bildungseinrichtungen und Personen, die sich weigern, Zakat (Steuer) an al Shabaab abzuführen, werden als Ziele genannt (DIS 9.2015). Gezielte Attentate auf diese Personengruppen gibt es vor allem in Mogadischu, Baidoa und Belet Weyne (HRW 27.1.2016).

Es kommt also z.B. in Mogadischu regelmäßig zu Angriffen auf Zivilisten und zivile Strukturen (HRW 27.1.2016). Allerdings sind nicht alle Zivilisten gleichermaßen betroffen. Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) - auch bei einer Rückkehr nach Mogadischu - keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vergleiche EGMR 10.9.2015). Im Zuge von Angriffen der al Shabaab auf Ziele in bewohnten Gebieten (durch Sprengsätze oder Handgranaten) kommen allerdings auch "normale Zivilisten" zu Schaden oder ums Leben. Zivilisten als solche werden aber nicht zum spezifischen Ziel der al Shabaab (DIS 9.2015). Alleine der Umstand, dass eine Person in einer Stadt in Süd-/Zentralsomalia wohnt, steigert weder das Risiko der Verfolgung noch das Risiko ernsthaften Schadens durch die al Shabaab (UKHO 15.3.2016). Bei der strategischen Zielauswahl der al Shabaab gibt es keine spezifische Kategorie der "Zivilisten" oder der aus der Diaspora Zurückgekehrten (UKUT 3.10.2014).

Für Personen, die in einem städtischen Gebiet leben, das von AMISOM und/oder der Regierung kontrolliert wird; und die weder mit der Regierung noch der internationalen Gemeinschaft in Verbindung stehen, diese unterstützen, oder von denen angenommen wird, dass sie diese unterstützen; ist es unwahrscheinlich, dass sie für al Shabaab von Interesse sind (UKHO 15.3.2016).

Auch "low level"-Ziele (z.B. lokale Mitarbeiter von internationalen oder nationalen NGOs) sind keine Priorität der al Shabaab. Sind allerdings keine "high profile"-Ziele (z.B. AMISOM, UN) verfügbar, dann könnten "low level"-Ziele ersatzweise angegriffen werden (UKHO 15.3.2016; vergleiche DIS 9.2015).

Mehrere Quellen von Landinfo erwähnen ein erhöhtes Risiko für lokale Bedienstete von AMISOM. Andererseits strömen jeden Morgen zahlreiche Bedienstete in die gesicherte Zone von AMISOM. Eine Quelle erklärt, dass wenige von al Shabaab getötet worden sein, die meisten leben in relativer Sicherheit in der Nähe des Flughafens. Insgesamt scheint die Situation für lokale Bedienstete der UN ähnlich (LI 2.6.2015). Es gibt nur wenige dokumentierte Fälle, wo al Shabaab lokale Angestellte der UN angegriffen hat (DIS 9.2015). Zwischen Mai 2014 und Februar 2015 sind mindestens vier der rund 2.000 direkt und indirekt für die UN arbeitenden lokalen Bediensteten von al Shabaab ermordet worden (LI 2.6.2015). Lokale Angestellte der UN haben allerdings Angst vor Übergriffen der al Shabaab. Sie treffen Vorkehrungen, um nicht mit der UN in Verbindung gebracht zu werden (DIS 9.2015).

Hinsichtlich einer Tätigkeit für andere internationale Organisationen und NGOs hat Landinfo bei einigen Quellen Rückfrage gehalten. Lokalen Bediensteten werden spezielle Sicherheitsmaßnahmen auferlegt bzw. treffen diese selbst Sicherheitsvorkehrungen (LI 2.6.2015). Es kommt manchmal zu Drohungen per Telefon (LI 2.6.2015; vergleiche DIS 9.2015). Keine der gefragten Quellen gab an, dass ein Mitarbeiter von al Shabaab ermordet worden war. Bei zwei Vorfällen (2011 und 2013) waren lokale Mitarbeiter von al Shabaab verhaftet, und erst nach Vermittlung von Clan-Ältesten wieder freigelassen worden. Manche Mitarbeiter werden von al Shabaab zur Kooperation (hinsichtlich Aufklärung) gezwungen; dabei kommt es auch zu Drohungen hinsichtlich der Tötung von Familienangehörigen (LI 2.6.2015).

Laut UNOCHA kommen Angriffe auf und Drohungen gegen Mitarbeiter humanitärer Organisationen immer öfter vor. In den ersten fünf Monaten 2015 hat es 60 Vorfälle gegeben (UNHRC 28.10.2015). Dabei scheint es nur wenige Angriffe zu geben (DIS 9.2015). Landinfo geht aufgrund der Informationslage nicht davon aus, dass die Tötung lokaler Bediensteter von AMISOM, UN oder anderer internationaler Organisationen für al Shabaab eine Priorität haben (LI 2.6.2015).

Einige nationale NGOs scheinen eine Steuer an al Shabaab abzuführen. Zusätzlich scheint al Shabaab momentan den Schwerpunkt auf hochrangige Ziele zu legen (z.B. AMISOM, Regierung, UN) (DIS 9.2015). Außerdem will al Shabaab die systematische Tötung von Zivilisten verhindern, die in keiner oder nur äußerst geringer Verbindung mit AMISOM, der Regierung, der UN oder NGOs stehen (z.B. Teeverkäufer), da derartige Morde sehr unpopulär sind (DIS 9.2015; vergleiche EASO 2.2016).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

R.H. v. Sweden, Application no. 4601/14, Council of Europe: European Court of Human Rights, http://www.refworld.org/docid/55f66ef04.html, Zugriff 7.4.2015

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen zur Person ergeben sich aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie aus ihren Sprach- und Ortskenntnissen.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung der beschwerdeführenden Partei als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd Paragraph 38, AVG bedeutet.

3.2. Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Aufgrund der unten unter 3.3. näher ausgeführten Probleme mit der Glaubwürdigkeit der beschwerdeführenden Partei wird auch die Herkunft aus Qoryooley nicht festgestellt, soll aber der rechtlichen Beurteilung als wahr unterstellt werden.

Die Angaben zur Familie in Somalia basieren auf den Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren. Warum die beschwerdeführende Partei angeblich keinen Kontakt mehr zu diesen hat, geht aus ihren Angaben hingegen nicht nachvollziehbar hervor.

Dass die beschwerdeführende Partei zur Zeit an keinen Folgen einer eventuellen posttraumatischen Belastungsstörung leidet, gab sie selbst an und ergibt sich außerdem aus dem Fehlen anderslautender medizinischer Unterlagen.

3.3. Weder von der Clanzugehörigkeit noch von der eigentlichen Fluchtgeschichte ist die erkennende Richterin überzeugt - dazu verwickelte sich die beschwerdeführende Partei zu häufig in Widersprüche und in wenig plausible Angaben im Laufe des Verfahrens.

Während sie noch mit einer eigens dafür angefertigten Stellungnahme vom 28.06.2012 ausführte, das Vorbringen in der Einvernahme vom 05.03.2012 betreffend den Besuch bei der Tante, das Treffen mit Al Shabaab, das Benutzen als Zielperson, die temporäre Anhaltung und das Freikommen durch eine Bekanntschaft zu einer in der Nähe brotbackenden Frau, nicht erstattet zu haben, gab sie dazu in der mündlichen Verhandlung an, dass ihr diese Geschichte auch passiert sei und sie sie auch bei der Einvernahme vor der belangten Behörde erzählt habe. Es ist wenig nachvollziehbar, warum die beschwerdeführende Partei dann auf eine eigens dafür angefertigte schriftliche Stellungnahme, die Gegenteiliges behauptet, hingewirkt haben soll.

Zu ihrem angeblichen Ehemann machte sie ebenfalls unterschiedliche Angaben: so erzählte sie vor der belangten Behörde am 05.03.2012, dass sie verheiratet sei, aber mit ihrem Gatten noch nie gemeinsam in einer Wohnung gelebt zu haben. In Mogadischu habe sie ihren Gatten zweimal besucht (AS 331). In der mündlichen Verhandlung gab sie hingegen an, dass sie - das Paar - zwei Tage zusammengelebt haben. Er sei zu ihnen gekommen, so wie die anderen Familienmitglieder bei ihnen zu Hause gewesen seien. Danach nicht mehr. Er habe Angst vor Al Shabaab gehabt und sei deshalb geflüchtet. Er sei heimlich gegangen, die beschwerdeführende Partei habe davon nichts gewusst. Auf den Widerspruch angesprochen meinte die beschwerdeführende Partei, dass es ihr schlecht gegangen sei; sie wisse nicht mehr; sie habe gesagt, dass das Paar in Qoryooley zwei Tage zusammengelebt habe, die Ehe sei aber nicht vollzogen worden. Diese Erklärung reicht für die erkennende Richterin nicht aus, um den Widerspruch aufzuklären, der auch eine Komponente der Sequenz in sich führt, die einer Verwechslung entgegenstehen sollte:

einmal soll das Paar sich in Qoryooley, einmal jedoch in Mogadischu gesehen haben. Nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei habe sie sich nach dem Vorfall mit Al Shabaab in Mogadischu bei ihrem Onkel versteckt gehalten, davor habe sie in Qoryooley gelebt. Derart markante Eckpunkte eines eventuellen kurzen Zusammenlebens mit ihrem damaligen Ehemann müsste doch entsprechend in Erinnerung geblieben sein, um eine Verwechslung aus Gründen der Müdigkeit oder ähnliches auszuschließen. Im Lichte der sonstigen Unstimmigkeiten bleibt dieser Kontakt zu ihrem angeblichen Ehemann und diese Beziehung im Allgemeinen nebulös.

Schließlich fällt auf, dass die beschwerdeführende Partei so gut wie nichts über ihren Clan berichten kann, der allerdings ausschlaggebend dafür gewesen sein soll, dass sie verachtet worden sei. Aus den Länderinformationen geht ausreichend klar hervor, dass der Clan für die somalische Gesellschaft und ihre Angehörigen identitätsstiftend ist. Umso mehr muss das für Angehörige von Minderheiten gelten, die angeben, von Angehörigen von Mehrheits- oder dominanten Clans unterdrückt, verachtet, geächtet, diskriminiert, verfolgt zu werden. Dass daher über den eigenen Clan, der noch dazu - wie die Ashraf - durch ihre religiöse und vormals gesellschaftliche Sonderstellung besonders exponiert ist, nichts gesagt werden kann, ist nicht nachvollziehbar. Dazu kommt noch, dass die beschwerdeführende Partei auch gänzlich ahnungslos über die Familie und den Clan ihres Ehemanns gewesen ist. Sie brachte zwar vor, dass sich das Paar nicht gut gekannt und nur zwei Tage miteinander verbracht habe, das kann aber in Hinblick auf die große Bedeutung des Clans für die Somalier_innen nicht erklären, dass ihr dieses Faktum und auch die damit verbundene Bedeutung für ihre Stellung als Ehefrau eines Mitglieds des Clans römisch zehn gänzlich unbekannt geblieben ist. Die Angaben der beschwerdeführende Partei zu ihrer Clanzugehörigkeit sind daher nicht glaubhaft und werden nicht festgestellt.

Aufgrund dieser gehäuften Unstimmigkeiten und der fehlenden Plausibilität ihres Vorbringens kann also das asylrelevant angelegte Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zu angeblich zwei voneinander unabhängigen Kontakten mit Al Shabaab nicht geglaubt werden.

3.4. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die unter Punkt 2. in diesem Erkenntnis zusammengefasst wiedergegeben sind. Die Stellungnahme vom 11.05.2016 wird vom Bundesverwaltungsgericht in seine Überlegungen miteinbezogen.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Allgemeine Rechtsgrundlagen

Gemäß Artikel 151, Absatz 51, Ziffer 7, B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher gemäß Paragraph 75, Absatz 19, AsylG 2005 alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren, und somit auch das gegenständliche, zu Ende zu führen.

Zu A)

4.2. Rechtsgrundlagen:

4.2.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

4.2.2. Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation der Asylwerberin und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2003, Zl. 2001/20/0011).

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind vergleiche VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse vergleiche VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein vergleiche VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt vergleiche VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich die Asylwerberin außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

4.2.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein vergleiche VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

4.3. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

4.3.1. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, konnte das Bundesverwaltungsgericht das angebliche fluchtauslösende Geschehen nicht feststellen.

Nur ergänzend wird jedoch mit Blick auf die aktuellen diesbezüglichen Länderinformationen festgehalten, dass sich auch aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei kein Hinweis darauf ergibt, dass sie heute, fünf Jahre nach den angeblichen Vorfällen und nach einer zweitägigen Anhaltung durch Al Shabaab für diese zu einer Zielperson im Falle einer Rückkehr werden würde. Sie fällt dabei in kein Risikoprofil von Al Shabaab in Gebieten, die nicht von Al Shabaab kontrolliert werden.

4.3.2. Wenn die Rechtsberaterin vorbringt, dass die beschwerdeführende Partei in die soziale Gruppe der mit Zwangsheirat bedrohten Personen fällt, so gibt es aus ihrem Vorbringen keine Hinweise darauf, dass die (angebliche) Ehe mit dem jungen Mann eine Zwangsheirat gewesen sein soll. Der erkennenden Richterin gegenüber wurde sie eher wie eine in Somalia übliche arrangierte Ehe geschildert. In Hinblick auf eine eventuelle Zwangsverheiratung mit einem Al Shabaab Mitglied wird daran erinnert, dass das diesbezügliche Vorbringen der beschwerdeführenden Partei nicht geglaubt wird. Eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Zwangsverheiratung mit einem Al Shabaab Mitglied im Falle einer Rückkehr in eine Stadt, die nicht unter der Kontrolle der Al Shabaab steht, ergibt sich nicht aus den aktuellen Länderinformationen. Und schließlich ergeben sich auch aus den Angaben der berschwerdeführenden Partei über ihre noch in Somalia befindliche Familie keine Hinweise darauf, dass Angehörige dieser Familie im Falle einer Rückkehr eine Zwangsheirat organisieren und auf eine solche bestehen würden. Ein entsprechendes aktuelles Verfolgungsrisiko lässt sich daher nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit annehmen.

4.3.3. Da auch eine Minderheitenzugehörigkeit nicht festgestellt werden konnte und sie darüber hinaus noch über Familienangehörige in Somalia verfügt, fällt die beschwerdeführende Partei auch nicht unter die soziale Gruppe von weiblichen alleinstehenden Minderheitenangehörigen, die in einer ernstzunehmenden Gefahr sein könnten, in einem IDP Lager Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden. Eine Asylzuerkennung aus diesem Grund scheidet daher ebenfalls aus.

4.3.4. Schließlich wurde den Bedenken zur allgemeinen Sicherheitssituation in Somalia sowie zur tatsächlich prekären Situation der Somalierinnen bereits mit der Zuerkennung von subsidiärem Schutz Rechnung getragen.

4.3.5. Sonstige asylrelevante Gründe für eine mögliche Verfolgung wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht aus der Akten- und Berichtslage. Mangels Bestehen einer aktuellen maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, kann daher der Beschwerde zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides nicht stattgegeben werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2016:W211.1428736.2.00