BVwG
03.09.2015
I402 1263622-2
I402 1263622-2/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Philipp CEDE, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 (alias römisch 40 ), geb. römisch 40 (alias römisch 40 ), StA. Marokko (alias Algerien), gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.09.2012, Zl. 05 07.376-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.08.2015 zu Recht erkannt:
A)
römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraphen 7, Absatz eins und 8 Absatz eins, AsylG 1997 als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Gemäß Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 idgF wird das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt römisch III. des Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig..
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste laut eigenen Angaben am 20.05.2005 illegal nach Österreich ein und stellte am 23.05.2005 einen Asylantrag. Im Rahmen einer Einvernahme am 30.05.2005 brachte der Beschwerdeführer vor, den im Spruch genannten Aliasnamen zu führen und das im Spruch an zweiter Stelle genannte Geburtsdatum aufzuweisen. Er sei in Tizi Wizo (Algerien) geboren, sei Berber und algerischer Staatsbürger.
2. In einer Einvernahme durch die belangte Behörde vom 11.07.2005 brachte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund vor, dass sein Vater ihn und seine Mutter immer schlecht behandelt habe, es habe ständig Streitereien gegeben und sie seien auch vom Vater geschlagen worden. Einen Monat nach dem Tod der Mutter im Jahr 2005 habe der Vater eine neue Frau geheiratet. Er befürchte nun, vom Bruder der neuen Gattin seines Vaters getötet zu werden, da sie ihm damit gedroht hätten, sollte er nicht verschwinden.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gem. Paragraph 7, AsylG 1997 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 101 aus 2003, (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen und ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat Algerien gem. Paragraph 8, Absatz eins, leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.). Weiters wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß Paragraph 8, Absatz 2, leg.cit. ausgesprochen (Spruchpunkt römisch III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass unter Zugrundelegung der herangezogenen Berichte im Fall der Inanspruchnahme von Sicherheitsbehörden nicht davon ausgegangen werden könne, dass der algerische Staat bzw. dessen Sicherheitsbehörden nicht willens oder nicht in der Lage wären, dem Beschwerdeführer effektiv Schutz vor Übergriffen durch Privatpersonen zu gewähren.
4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel, in er unter anderem vorgebrachte, dass er aus dem Gebiet der Westsahara stamme und es keinesfalls hinreichend geklärt sei, welche Staatsangehörigkeit er tatsächlich habe. Er könne Algerier, aber auch Marokkaner sein.
5. Am 04.03.2009 langte beim Bundesasylamt ein Schreiben von Interpol Rabat ein, wonach die übermittelten Fingerabdrücke des Beschwerdeführers mit einer Person übereinstimmen, die den im Spruch an erster Stelle genannten Namen bzw. das entsprechende Geburtsdatum aufweise und Staatsangehöriger Marokkos sei.
6. Am 08.05.2012 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof statt. Der Beschwerdeführer brachte vor, seit März 2010 in einem Substitutionsprogramm zu sein und an einem reaktiven-depressiven Syndrom zu leiden.
7. Mit Schreiben vom 12.06.2012 gestand der Beschwerdeführer ein, bisher eine Aliasidentität angegeben zu haben und bestätigte den im Spruch an erster Stelle genannten Namen bzw. das dazugehörige Geburtsdatum. Er habe diese falsche Identität angegeben, weil er sich vor der Gruppe Al Adel Walihsan fürchte und befürchte, von dieser umgebracht zu werden. Diese Leute seien überzeugt, dass er jetzt Christ sei, weil er Alkohol trinke und mit einer Christin zusammen sei.
8. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 13.08.2012 wurde der angefochtene Bescheid gem. Paragraph 66, Absatz 2, AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass sich im Laufe des Berufungsverfahrens herausgestellt habe, dass der Beschwerdeführer wohl aus Marokko stamme, weshalb diesbezüglich neue Ermittlungen der belangten Behörde notwendig seien. Um den Instanzenzug für den Beschwerdeführer nicht zu verkürzen, sei mit Aufhebung und Zurückverweisung vorzugehen.
9. Im Rahmen einer erneuten Einvernahme durch die belangte Behörde vom 25.09.2012 machte der Beschwerdeführer folgende Angaben: Er sei ledig, habe psychische Probleme und sei im Substitutionsprogramm. Diesbezüglich sei er im Herkunftsstaat nicht behandelt worden. Die falsche Identität habe er angegeben, weil er vor der Gruppe "Al Adl Wal Ihsane" Angst gehabt habe. Er sei Berber und Moslem und trage das im Spruch als erstes angeführte Geburtsdatum. Er habe keine Geschwister. Sein Vater habe eine zweite Frau geheiratet. Seine Familie habe von der Landwirtschaft gelebt, sie hätten Kamele und Ziegen gehabt. Sie hätten davon leben können und seien über die Runden gekommen. Er habe bis zu seiner Ausreise bei seinen Eltern gelebt. Er habe schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern, weil er Angst gehabt habe, umgebracht zu werden. Mit zirka 16 Jahren habe er Marokko verlassen und habe in Algerien gelebt. Algerien habe er verlassen, weil er Angst vor der Gruppe "Al Adl Wal Ihsane" habe. In Algerien habe er als Lebensmittelverkäufer gearbeitet, nebenbei habe er Geld gespart, um nach Europa reisen zu können. Den Namen des Landes, in welchem er zwischen 1998 und 2005 gelebt habe, kenne er nicht. Er habe dort für Leute gearbeitet, die mit Drogen gehandelt und Diebstähle begangen hätten. Mitglieder der Gruppe "Al Adl Wal Ihsane" seien zu ihm gekommen. Er habe etwas gegen ein Auto geworfen, worauf es eine Explosion gegeben habe. Er sei dann weggelaufen und habe sich versteckt. Nach Jahren habe er etwas in der Zeitung gesehen, wo sein Name gestanden sei, daher sei er geflüchtet. Danach sei nichts mehr passiert. Den Namen der Zeitung wisse er nicht mehr. In der Zeitung sei gestanden, dass er (der Name des Beschwerdeführers sei genannt worden) mit einer terroristischen Gruppe arbeiten würde und man auf der Suche nach ihm sei. Ob ihn die Polizei, das Militär oder sonstige Leute gesucht haben, wisse er nicht. Er sei eine Art Schüler der "Al Adl Wal Ihsane"-Gruppe gewesen. Diese Gruppe wolle den Jihad, wolle kämpfen und sage, dass man in den Himmel komme, wenn man sterbe. Deren Ziel sei der Jihad und die Tötung von Christen und Juden. Die Gruppe sei von Abdesslam Yassine gegründet worden. Er sei nicht vorbestraft, er werde in seiner Heimat nicht von der Polizei, der Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht. Er sei niemals behördlich angehalten, festgenommen oder verhaftet worden, er habe generell keine Probleme mit den Behörden seiner Heimat gehabt. Er sei niemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen und sei von staatlicher Seite niemals wegen seiner politischen Gesinnung, Rasse, Religion, Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden. Mitglieder der Gruppe "Al Adl Wal Ihsane" hätten ihn im Alter von 13 Jahren zweimal geschlagen, sie hätten verlangt, dass er sich am Jihad beteilige. Sonst habe er keine Probleme gehabt. Für den Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fürchte er, von der Gruppe "Al Adl Wal Ihsane" umgebracht zu werden, weil er vor ihnen weggelaufen sei. Er beziehe in Österreich Sozialhilfe und lebe bei seiner Freundin S.G., einer österreichischen Staatsbürgerin, mit der er auch ein gemeinsames Kind habe, in Innsbruck. Er kenne sie seit Jänner 2010, seitdem würden sie zusammen wohnen. Das Kind sei am römisch 40 zur Welt gekommen, man habe es ihnen aber abgenommen, weil sie nicht in der Lage seien, es zu erziehen. Sie könnten sich nicht um das Kind kümmern, sie hätten keine Arbeit, kein Geld, die Wohnung sei zu klein und sie seien beide im Substitutionsprogramm. Er spreche etwas Deutsch, da er einen Deutschkurs besucht habe. Er habe in Österreich keine Ausbildung absolviert und sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Er sei in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Er habe in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen.
10. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.09.2012 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gem. Paragraph 7, AsylG 1997 (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen und ausgesprochen, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Marokko gem. Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.) sowie dessen Ausweisung gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 ausgesprochen (Spruchpunkt römisch III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht glaubhaft sei, wenn der Beschwerdeführer angebe, nicht zu wissen, welches Land er vor Österreich bereist habe. Die Angaben zur behaupteten Verfolgung seien nicht hinreichend substantiiert, zu vage, widersprüchlich und allgemein gehalten, um glaubhaft zu wirken. Die Gruppe Al Adl Wal Ihsane habe sich der Gewaltlosigkeit verschrieben, weshalb eine Verfolgung durch diese Gruppe äußerst unwahrscheinlich sei. Auf Grund der gehäuften Widersprüche im Fluchtvorbringen sei dieses unglaubwürdig. Für den Fall der Rückkehr wäre dem Beschwerdeführer nicht die Lebensgrundlage entzogen, es sei ihm zumutbar, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Da sich der Beschwerdeführer in Europa und in Österreich (ohne Grundversorgung) habe durchschlagen können, könne er für sich selbst sorgen. In Marokko seien viele Hilfsorganisationen tätig. Für Menschen mit niedrigem Einkommen existiere die RAMED, welche auf den Prinzipien der sozialen Wohlfahrt und der nationalen Solidarität beruhe. In Marokko seien alle Medikamente erhältlich, die zur Behandlung psychischer Krankheiten erforderlich seien. Die Rolle der Berber sei durch die Anerkennung ihrer Sprache gestärkt worden. Diskriminierungen beim Zugang zu medizinischen Leistungen seien nicht bekannt. Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers sei somit auch nach Rückkehr nach Marokko gesichert. Weiters enthält der Bescheid eine nähere Begründung des Spruchpunktes römisch III.
Gleichzeitig mit der Erlassung des Bescheides stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer von Amts wegen einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite.
11. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Asylgerichtshof gab der Beschwerdeführer an, seine Falschangaben im Verfahren vor der belangten Behörde zu bedauern, er habe jedoch vor der Gruppe Al Adl Wal Ihsane Angst gehabt, auch sei ihm von anderen Asylwerbern geraten worden, diese Identität anzugeben. Eine Rückkehr nach Marokko sei nicht möglich, da er sich seit seinem 13. Lebensjahr nicht mehr in Marokko aufgehalten habe, er sei von seiner Heimat entwurzelt, habe dort keine sozialen Kontakte und keine Verwandten, zu seinem Vater habe er seit seiner Ausreise keinen Kontakt mehr gehabt, ob er aus der zweiten Ehe seines Vaters Geschwister habe, wisse er nicht. Der Beschwerdeführer lebe in einer intakten Beziehung, aus welcher ein Sohn entstammt, weshalb eine Ausweisung aus Österreich nicht möglich sei. Der Beschwerdeführer benötige medizinische Behandlungen, welche er in seiner Heimat nicht erhalten könne. Er verfüge über keine Ausbildungen und würde in Marokko nicht am Arbeitsmarkt unterkommen. Durch seinen jahrelangen erzwungenen Aufenthalt im Ausland (außerhalb Marokkos) würde sich der Beschwerdeführer im gesellschaftlichen System Marokkos nicht zurechtfinden, es würden auch keine Programme zur Unterstützung von Rückkehrern existieren. Bei seiner Rückkehr würde der Beschwerdeführer also in eine unmenschliche Lage geraten.
12. Am 31.08.2015 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache statt.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Auf Grundlage - insbesondere - der Niederschrift über die Erstbefragung des Beschwerdeführers (vom 30.05.2005), der Niederschriften über seine weiteren Einvernahmen durch die belangte Behörde (am 11.07.2005 und am 25.09.2012), der Aussagen im Rahmen der Verhandlungstermine vom 08.05.2012 und 31.08.2015, des Beschwerdevorbringens, der Länderberichte zur Lage in Marokko (Stand Juli 2015) werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch erstgenannten Namen und ist an dem im Spruch erstgenannten Geburtsdatum geboren. Er ist marokkanischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens. Er hat in seiner Heimat in der Landwirtschaft seiner Eltern gearbeitet und hat in Algerien als Lebensmittelverkäufer gearbeitet.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen) zu erwarten hätte.
Im Besonderen wird festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nicht - wie von ihm im Verfahren behauptet wurde - von der Gruppe "Al Adl Wal Ihsane" unter Druck gesetzt und bedroht wurde und wegen der Teilnahme an einem in Verbindung mit dieser Gruppe stehenden Gewaltakt gesucht, verfolgt oder wird.
Eine reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr einer Tötung (einschließlich der Verhängung und/oder Vollstreckung der Todesstrafe) durch den Staat oder tödlicher Übergriffe durch Dritte wird nicht festgestellt.
Eine mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr, der Folter ausgesetzt zu sein oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu sein, wird nicht festgestellt:
Insbesondere wird eine solche reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung weder im Hinblick auf eine drohende Todesstrafe noch im Hinblick auf den Gesundheitszustand, insbesondere die Drogenabhängigkeit bzw. die Drogenersatztherapie und die psychischen Probleme des Beschwerdeführers, in Verbindung mit einer Unzulänglichkeit der medizinischen Bedingungen im Herkunftsstaat, noch im Hinblick auf die allgemeinen humanitären Bedingungen im Herkunftsstaat in Verbindung mit der persönlichen Lage des Beschwerdeführers (etwa im Sinne einer existenzgefährdenden Notlage oder des Entzugs der notdürftigsten Lebensgrundlage), noch im Hinblick auf psychische Faktoren, auf Haftbedingungen oder aus anderen Gründen.
Eine solche mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene Gefahr wird auch nicht im Hinblick auf eine etwaige ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt.
1.2.1. Zur Situation in Marokko, Stand Juli 2015 (offenkundig nicht relevante Teile der Länderberichte werden im Folgenden ausgelassen):
Politische Lage
Marokko ist ein zentralistisch geprägter Staat, unterteilt in 16 Regionen, die ihrerseits in 61 Provinzen ("Wilayas") unterteilt sind (AA 7.2015a). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 und Kundgebungen der marokkanischen "Bewegung 20. Februar" leitete der König 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Die in Marokko überwiegend auf ökonomisch-soziale Verbesserungen, aber nicht auf "Regimewechsel" gerichteten Proteste wurden so aufgefangen (AA 7.2015a). Die am 1.7.2011 in Kraft getretene Verfassung bringt im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land: Erstmals wurde auf staatsrechtlicher Ebene ein Grundrechtskatalog eingeführt und der Primat eingegangener völkerrechtlicher Verpflichtungen vor dem innerstaatlichen Recht stipuliert. Diese Verfassung wurde durch Referendum (97 Prozent Zustimmung) angenommen, sodass Staats- und Regierungsform demokratisch legitimiert sind. Die Verfassung sieht selbst ein Verfahren zu ihrer Änderung vor; allerdings sind der Disposition des Verfassungsgesetzgebers neben dem islamischen Charakter des Staates und der monarchischen Staatsform insbesondere das demokratische Prinzip und der Grundrechts-Acquis entzogen. Die neue Verfassung belässt maßgebliche beim König exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte; er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Neu ist die Einführung einer regionalen Staatsebene mit demokratischen Institutionen und Selbstverwaltung, die allerdings erst im Detail zu konzipieren und umzusetzen ist. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 9.2014).
Das Land ist eine konstitutionelle Monarchie mit dem König als weltlichem und geistigem Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und "Anführer der Gläubigen" (direkter Nachkomme des Propheten Mohammed) (AA 7.2015a; vergleiche GIZ 6.2015a). Der König hat den Vorsitz im Ministerrat. Er ist befugt, Minister zu entlassen, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen (USDOS 25.6.2015). Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Folgende Ressorts werden als sogenannte "Souveränitätsministerien" (Ministères de Souveraineté) nach wie vor personell direkt vom König besetzt bzw. stehen unmittelbar unter seiner Kontrolle: Inneres; Äußeres; Verteidigung; Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen (GIZ 6.2015a).
Regierungschef Benkirane von der Partei Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) amtiert seit den letzten Parlamentswahlen am 25.11.2011. Er ist der erste Regierungschef Marokkos, der einer Partei des politischen Islam angehört. Die vier Regierungsparteien sind die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung ("Parti de la Justice et du Développement", PJD), die Nationale Versammlung der Unabhängigen ("Rassemblement National des Indépendants", RNI), die Volksbewegung ("Mouvement Populaire") und die Partei für Fortschritt und Sozialismus, PPS. Erst im Oktober 2013 ist die Partei Rassemblement National des Indépendants (RNI) in die Regierung eingetreten, nachdem die Istiqlal-Partei die Regierung im Juli 2013 verlassen hatte. Die großen Oppositionsparteien sind seitdem die Istiqlal-("Unabhängigkeits-")Partei, die Partei Authentizität und Modernität (PAM), die sozialdemokratische Union Socialiste des Forces Populaires (USFP) und die Union Constitutionelle (Verfassungsunion, UC) (AA 7.2015a).
Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern:
• Unterhaus (Chambre des Représentants, madschliss an-nuwwab)
• Oberhaus (Chambre des conseillers, madschliss al mustascharin)
Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt (jüngste Wahl: 25.11.2011). Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das aktive Wahlrecht gilt ab 18, das passive Wahlrecht ab 23 Jahren. Das Oberhaus besteht gemäß Artikel 63 der Verfassung vom 1.7.2011 aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden. Die Zusammensetzung des Oberhauses folgt einem komplexen Schema: Zwei Fünftel der Mitglieder werden von Wahlversammlungen gewählt, in denen Vertretern von Berufsverbänden, Unternehmerverbänden und Arbeitnehmervertretungen sitzen. Drei Fünftel der Mitglieder werden von Gremien gewählt, in denen Vertretern aus den 16 Regionen (17 Wilayas) sitzen (GIZ 6.2015a).
Das Parlament hat folgende Aufgaben: Verabschiedung von Gesetzen; Ratifizierung von Dekreten des Königs (Dahir) (GZ 6.2015a)
Quellen:
Sicherheitslage
Marokko ist im regionalen Kontext ein vergleichsweise politisch stabiles Land mit guter touristischer und sicherheitspolitischer Infrastruktur (AA 16.7.2015). Das französische Außenministerium rät zu normaler Aufmerksamkeit im Land (das einzige in Nordafrika!), außer in den Grenzregionen zu Algerien und in der Westsahara zu erhöhter Aufmerksamkeit (FD 10.6.2015). Es gibt aber auch in Marokko Gefahrenelemente. So besteht ein Risiko terroristischer Anschläge mit islamistischem Hintergrund, die insbesondere auf ausländische Staatsangehörige abzielen können. Eine mögliche Gefahr von Anschlägen oder sonstigen Aktionen durch die bislang vor allem in Algerien terroristisch aktiven Al Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) auf marokkanischem Gebiet kann nicht ausgeschlossen werden. Es muss auch mit Einzeltätern gerechnet werden (AA 16.7.2015).
Marokko steht im Kampf gegen den Terrorismus im Lager des Westens. Die marokkanischen Dienste gelten als gut unterrichtet und operationell fähig; die laufende Aushebung von Terrorzellen spricht für deren Effizienz. Allerdings konnte z.B. das spektakuläre Attentat auf des Innenstadt-Cafe "Arganá" in Marrakesch (April 2011) mit 17 Toten nicht verhindert werden. AQIM und andere islamisch-fundamentalistische Gruppierungen, Salafisten und IS-Kämpfer werden als Staatsfeinde Nummer eins betrachtet. Besondere Sorge gilt seit Ausbruch der Mali-Krise einer vermuteten Verbindung der Polisario mit fundamentalistischen Elementen aus dem Sahel (AQIM, Ansareddine, Mujao) sowie aus Syrien und dem Irak. Im vergangenen Jahrzehnt waren marokkanische Staatsbürger in terroristische Aktivitäten im Ausland verwickelt und Marokko war von Terroranschlägen im eigenen Land betroffen. Die Behörden scheinen besorgt, dass marokkanische Extremisten mit Erfahrung im Irak, Afghanistan, Syrien, oder Libyen oder nach ihren Aufenthalten in Westeuropa radikalisiert zurückkehren und Terroranschläge in Marokko durchführen bzw. Terrornetzwerke bilden (ÖB 9.2014).
Marokkanische Spezialkräfte haben am 24.3.2015 mehrere geplante Anschläge eines örtlichen Ablegers der Terrormiliz " Islamischer Staat" (IS) verhindert. In diesem Zusammenhang gab es laut Geheimdienst gemeinsame Zugriffe in mehreren Städten. Dabei seien insgesamt 13 Mitglieder der Terrorzelle festgenommen worden. Die Gruppe habe mehrere Entführungen in Marokko geplant. Es kämpfen gemäß Inlandsgeheimdienst mehr als 1.300 Marokkaner für den IS in Syrien und im Irak, darunter auch Frauen und Kinder (SO 24.3.2015). Zähle man Marokkaner aus europäischen Ländern hinzu, komme man auf
1.500 bis 2.000 (SO 19.12.2014).
Quellen:
West-Sahara
Der Konflikt in und um die Westsahara schwelt seit Jahrzehnten. Als sich nach dem Tod des Diktators Franco die Spanier 1975 aus ihrer damaligen Kolonie zurückzogen, marschierte Marokko in das Nachbarland ein. Seitdem hält Marokko große Teile des Territoriums besetzt und betrachtet das Gebiet als Bestandteil seines Landes. Dagegen wehrt sich die Bewegung Frente Polisario, die die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt. Ein rund 2.500 Kilometer langer Sandwall spaltet heute die Region Westsahara in Nordwestafrika. Auf der einen Seite liegt der von Marokko kontrollierte, größere Teil; er umfasst rund 80 Prozent des Territoriums. Auf der anderen Seite befinden sich die restlichen 20 Prozent in der Hand der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario (DW 7.3.2013). Seit 1991 herrscht ein Waffenstillstand, den die UN-Mission MINURSO bis heute überwacht. Die Frente Polisario hatte den Waffenstillstand mit der Bedingung verknüpft, per Referendum über die Unabhängigkeit abstimmen zu dürfen. Dieses Referendum ist aber bis heute nicht abgehalten worden (DW 7.3.2013; vergleiche DRK 17.12.2014). Der Status des Territoriums und die Frage der Unabhängigkeit sind somit weiterhin ungeklärt (CIA 23.6.2015; vergleiche VB 25.3.2014a); das Territorium wird von Marokko sowie der Frente Polisario beansprucht. Letztere bildete im Februar 1976 eine Exilregierung in Algerien, in der Nähe von Tindouf, die von Präsident Mohamed Abdelaziz geführt wird (CIA 23.6.2015). Der Status "ungeklärt" wird solange anhalten, bis eine Einigung im Rahmen der Verhandlungen unter Federführung der UN erzielt wird (VB 25.3.2014a). Auch junge Sahrauis fügen sich in das neue System: Sie wollen lieber ein friedliches Leben unter marokkanischer Herrschaft als einen Krieg für die Unabhängigkeit (DRK 17.12.2014).
Quellen:
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 25.6.2015). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 25.6.2015; vergleiche ÖB 9.2014) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden respektieren Anordnungen der Gerichte fallweise nicht (USDOS 27.2.2104).
Die Staatsführung bezeichnet die Reform des Justizwesens als eine der Hauptbaustellen der Regierungsagenda. Eine Hohe Kommission zur Ausarbeitung einer Justizreform wurde 2012 unter Vorsitz des Justizministers einberufen, die 2013 ein breitangelegtes Konzept für den Neuaufbau des Justizsektors vorgelegt hat, das seitdem in Diskussion steht. Eine methodische Schwäche ist darin zu ersehen, dass die Rechtsberufe in die Reformarbeiten nicht auf gleicher Augenhöhe eingebunden sind, was zu einem mitunter polemisch geführten Diskurs des federführenden Justizministers mit den Standesvertretern von Richterschaft, Rechtspflegern und Gerichtsbeamten und dem Barreau führt. Im Zentrum steht die richterliche Unabhängigkeit: Hauptverhandlungsgegenstand bilden das Verfassungs- Durchführungsgesetz über den Obersten Justizrat, als zentrales Organ richterlicher Selbstverwaltung, und das Richter- und Staatsanwaltsdienstgesetz. Parallel werden Novellierungen von Prozessrecht, Strafvollzugsrecht und Materiegesetzen wie dem Presserecht vorangetrieben (ÖB 9.2014).
Es gilt die Unschuldsvermutung. Gesetzlich ist ein faires Verfahren mit dem Recht auf Berufung für alle Bürger vorgesehen. Dieses Recht wird vor allem bei Fällen mit Westsahara-Bezug nicht immer respektiert. Angeklagte haben das Recht bei ihrer Verhandlung anwesend zu sein und rechtzeitig einen Anwalt zu konsultieren, obwohl diese Rechte nicht immer gewährleistet sind (USDOS 25.6.2015). Verwaltungsentscheidungen können vor Verwaltungsgerichten appelliert werden, der Instanzenzug führt zum Kassations-Gerichtshof. Die Verfassung sieht eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (Oberster Justizrat, Gleichstellungs-Rat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 9.2014).
Quellen:
Sicherheitsbehörden
Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die Nationalpolizei (DGSN) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den "Forces auxiliaires" handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Autobahnen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium und ist als Bestandteil der militärischen Struktur dem König als oberstem militärischen Befehlshaber zugeordnet. Die Justizpolizei untersteht ebenfalls in letzter Instanz dem König. Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist abgesehen von Einzelfällen effektiv. Es besteht jedoch kein systematischer Mechanismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption wirksam zu untersuchen und zu bestrafen, was Straffreiheit bei Vergehen durch die Sicherheitskräfte begünstigt (USDOS 26.5.2015). Es existieren zwei Nachrichtendienste, der Auslandsdienst DGED ("Direction Générale d'Etudes et de Documentation") und der Inlandsdienst DGST ("Direction Générale de la Surveillance du Territoire"). Die Streitkräfte einschließlich der Gendarmerie Royale verfügen über eigene Nachrichtenabteilungen (ÖB 9.2014).
Quellen:
Folter und unmenschliche Behandlung
Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt. Trotzdem gibt es immer wieder Berichte über Folterungen und Gewaltanwendung gegenüber Gefangenen durch Sicherheitskräfte (USDOS 25.6.2015; vergleiche AI 25.2.2015; vergleiche AA 28.11.2014), vor allem in Fällen mit Bezug zur Staatssicherheit (USDOS 25.6.2015). Gerichte akzeptieren weiterhin angeblich unter Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel (AI 25.2.2015). Nach Einschätzung der marokkanischen Menschenrechtsorganisation OMDH ("Organisation Marocaine des Droits de l'Homme") handelt es sich bei den bekannt gewordenen Fällen von Folter nicht um staatlich angeordnete und somit systematische Folter, sondern um Fehlverhalten einzelner Personen (AA 28.11.2014). Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweise nicht anzunehmen ist, werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert. Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte), UN Sonderbeauftragter für Folter Juan Mendez, Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, die frühere UN-HCHR Navi Pillay. Trotz wiederholter Ankündigungen hat Marokko das Fakultativprotokoll zur Antifolter-Konvention noch nicht ratifiziert. Justizminister Ramid hat jüngst die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen (ÖB 9.2014).
Quellen:
Korruption
Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung das Gesetz nicht effektiv um. Staatsbedienstete sind häufig in Korruptionsfälle verwickelt und gehen straffrei aus. Korruption stellt bei der Exekutive, inklusive der Polizei, bei der Legislative und in der Justiz ein ernstes Problem dar. Es gibt Berichte von Korruption im Bereich der Regierung und auch von deren Untersuchung aber mangelnder strafrechtlicher Verfolgung (USDOS 25.6.2015). Im Juni 2014 wurde vom Ministerrat ein Gesetzesentwurf zur Einrichtung der Instance nationale de la probité et de la lutte contre la corruption (INPLC) angenommen, welche die Instance centrale de prévention de la corruption als für den Kampf gegen die Korruption zuständige Behörde ablösen soll. An der neuen Behörde wird kritisiert, dass sie nur beratende, untersuchende und sensibilisierende Funktionen ausüben soll. Des Weiteren ist die Anonymität der Beschwerdeführer nicht gewährleistet (EC 25.3.2015). Marokko belegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2014 den 80. von insgesamt 174 Plätzen (TI 2015).
Quellen:
Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Alles, was den Themenbereich Westsahara betrifft, wird mit besonderem Argwohn betrachtet. Die Regierung trifft sich gelegentlich mit Vertretern der beiden größten Menschenrechtsorganisationen (Organisation Marocaine des Droits Humains/OMDH und Association Marocaine des Droits Humains/AMDH) aber auch mit Vertretern der Dachorganisation im Bereich Haftbedingungen (USDOS 25.6.2015).
Der NGO-Bereich/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechts-Verteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH und die AMDH. Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen (ÖB 9.2014).
Quellen:
Ombudsmann
Menschenrechtsangelegenheiten werden durch den Nationalen Rat für Menschenrechte (CNDH), die interministerielle Abordnung über Menschenrechte (DIDH), und die Institution des Médiateur (Ombudsmann) wahrgenommen (USDOS 25.6.2015).
Der CNDH wurde - nach den Pariser Kriterien - als nationale Grundrechtsinstitution eingerichtet (ÖB 9.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015) und ist in der Verfassung direkt verankert. Er wird von den meisten Menschenrechtsorganisationen und der breiten Öffentlichkeit als glaubwürdige und proaktive Regierungsorganisation zum Schutz der Menschenrechte gesehen und erstellt Berichte über psychiatrische Anstalten, Strafvollzug, Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Situation von Asylsuchenden und Migranten. Seine Aufgabe liegt in der Beobachtung und Aufzeigung menschenrechtsrelevanter Entwicklungen und Sachverhalte, er kann Wahrnehmungen durch Vorort-Inspektionen machen, ohne dass ihm der Zugang verwehrt werden darf. Eigene Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten stehen allerdings nicht offen. 14.000 - ein Drittel - der an den CNDH gerichteten Beschwerden betreffen Justiz, Strafvollzug und behauptete Menschenrechtsverletzungen. Der CNDH legt jährlich einen Bericht vor, der dem König und dem Parlament zur Kenntnis gebracht wird und nimmt auch zu Individualfällen Stellung bis hin zur Intervention. Im Wege von Begutachtungsverfahren und durch Stellungnahmen zu einzelnen Gesetzesvorhaben übt der CNDH kraft seines moralischen Gewichts nicht selten Einfluss auf Gesetzesinhalte aus wo Menschenrechtsinteressen betroffen sind. 13 Außenstellen des CNDH wurden in Provinzstädten eingerichtet, sodass eine stärkere räumliche Nähe zu potentiellen Beschwerdeführern angeboten wird (ÖB 9.2014).
Quellen:
Wehrdienst
Die allgemeine Wehrpflicht ist seit dem 31. August 2006 abgeschafft. Frauen haben Zugang zu allen Truppengattungen. Die Armee ist als Arbeitgeber begehrt, da sie einen Ausweg aus Armut, Analphabetismus und Arbeitslosigkeit bietet. Die marokkanischen Streitkräfte sind nicht in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt. Allerdings befindet sich der Großteil der Armee dauerhaft und unverändert auf dem Gebiet der Westsahara (AA 28.11.2014).
Quellen:
Wehrdienstverweigerung / Desertion
Desertion steht unter Strafe. Bestrafungen aufgrund von Wehrdienstverweigerung und Desertion sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt geworden. Ein Großteil aller Wehrstrafdelikte verjährt nach drei bzw. fünf Jahren (AA 28.11.2014).
Quellen:
Allgemeine Menschenrechtslage
Der Grundrechtskatalog (Kapitel römisch eins und römisch II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen; als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Allerdings sind caveats angebracht:
• Die Verfassung selbst stellt den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) quasi als "Baugesetze" des Rechtsgebäudes
• In der Verfassung sind über 20 Verfassungsdurchführungsgesetze und weitere einfache Durchführungsgesetze vorgesehen, die erst zu geringem Teil existieren und bis Ende der laufenden Legislaturperiode (2016) erlassen werden müssen.
• Die Fortgeltung des vorhandenen Rechtsbestandes, der mit der neuen Verfassungslage, v.a. in Bereichen wie Familien-, Medien- und Strafrecht, teilweise nicht mehr konform ist (Juristen sprechen von einer Million zu novellierender Paragraphen) (ÖB 9.2014).
Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme sind die mangelnde Möglichkeit der Bürger, die konstitutionellen Vorgaben bezüglich der Regierungsform des Landes (Monarchie) zu ändern, Korruption auf allen Ebenen der Regierung und weitverbreitete Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipen durch die Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind die Anwendung von Folter v.a. während der Untersuchungshaft seitens der Sicherheitskräfte und schlechte Haftbedingungen. Die Regierung beschränkt die Meinungs- und Pressefreiheit sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die Religionsfreiheit (USDOS 25.6.2015).
Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen, sofern die Tabuthemen "König", "Islam" und "territoriale Integrität" nicht berührt werden. Die marokkanische Regierung begründet Strafverfolgungsmaßnahmen stets mit Verstößen gegen marokkanische Strafgesetze. Marokkanische NGOs behaupten, dass Strafverfahren oftmals nur als Deckmantel zur Verfolgung politisch Andersdenkender dienen (AA 28.11.2014).
Quellen:
Meinungs- und Pressefreiheit
Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken die Meinungsfreiheit, vor allem im Bereich der Presse und den sozialen Medien, ein. Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie, staatliche Institutionen, Staatsangestellte wie etwa militärische Führungskräfte und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität und den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 25.6.2015). Die unabhängige marokkanische Presse untersucht und kritisiert weiterhin Regierungsbeamte und Vorhaben der Regierung. Gehen Journalisten dabei zu weit, sind sie Verfolgung und Belästigung ausgesetzt. Die Pressegesetze enthalten Bestimmungen, die bei Verbreitung von Falschinformationen, die die öffentliche Ordnung gefährden, oder bei herabwürdigenden Äußerungen zu Gefängnisstrafen führen können (HRW 29.1.2015).
Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die schon zitierten "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen. Durch Fokussierung auf Einzelfälle, deren Publizierung gar nicht behindert wird, entsteht eine generalpräventive Grundstimmung:
die Marokkaner wissen sehr gut abzuschätzen, wann sie mit Äußerungen in tiefes Wasser geraten könnten. Dies hindert aber nicht, dass Jugend, Menschenrechtsaktivisten, Interessensvertreter dennoch laufend ihre Stimme erheben, wobei nicht jede kritische oder freiherzige Äußerung unbedingt Konsequenzen haben muss; insbesondere Medien und Persönlichkeiten mit großer Visibilität wird ein gewisser Freiraum zugestanden. Gegenüber Regierung, Ministern und Parlament etwa kann ganz freimütig Kritik geübt werden. Die "kritische Masse" für das Eingreifen der Obrigkeit scheint erst beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande zu kommen: Etwa Infragestellen des Autoritätsgefüges (Königshaus, Sicherheitskräfte) oder Kritik am Günstlingsumfeld des Hofes ("Makhzen") verbunden mit publizitärer Reichweite des Autors (ÖB 9.2014).
Die - auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten - Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten - vor allem im Gebiet der Westsahara selbst - besonders exponiert sind (ÖB 9.2014).
Quellen:
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Die Verfassung gewährleistet Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Diese Rechte sind jedoch gesetzlichen Einschränkungen unterworfen. Sie verwendet administrative Verzögerungen und andere Methoden, um ungewünschte friedliche Versammlungen zu unterbinden und wendet exzessive Gewalt an, um Demonstrationen aufzulösen. Die Regierung verbietet politische Oppositionsgruppen indem sie ihnen den NGO-Status nicht zuerkennt (USDOS 25.6.2016). Die Behörden tolerieren zahlreiche Demonstrationen und Versammlungen, die politische Reform fordern oder dem Protest gegen Regierungsmaßnahmen dienen. Einige Versammlungen werden allerdings gewaltsam aufgelöst und Teilnehmer dabei angegriffen (HRW 29.1.2015).
Die von der islamisch-wertkonservativen PJD (Parti de la Justice et du Développement) dominierte Regierung agiert im Kontext der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Demonstrationen) nach einem law-and-order-Muster; ein diesbezüglicher Paradigmenwechsel aufgrund der neuen Verfassung in Haltung, Zugang und Kontrolle zu obrigkeitsstaatlichem Handeln ist nicht zu erkennen. Ein robustes Durchgreifen der Ordnungskräfte ist v.a. bei Demonstrationen und Kundgebungen zu beobachten, wobei Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften rasch als "Widerstand gegen die Staatsgewalt" interpretiert werden, um dann als Rechtfertigung für Festnahmen, Anzeigen und Verurteilungen herangezogen zu werden. Derartiges Vorgehen wird laufend kolportiert, wobei auf der Manifestantenseite zumeist die Bewegung des 20. Februar, arbeitslose Akademiker ("chômeurs diplomés"), islamistische Sympathisanten aber z.B. auch die Vereinigung der Berufsrichter stehen. Die Behörden legen das Versammlungsgesetz engherzig aus; es kommt laufend zu nichtgenehmigten Kundgebungen mit entsprechendem Eingreifen des Sicherheitsapparats. Neu ist jedoch, dass die Zivilgesellschaft die in der Verfassung zugestanden Rechte zunehmend einfordert und dabei rechtliche Argumente auf ihrer Seite weiß (ÖB 9.2014).
Quellen:
Opposition
Die Bewegung 20. Februar, die Auslöser bzw. Anführer der Protestbewegung im Jahr 2011 war, hat seit der Verfassungsreform und der Parlamentswahl an Bedeutung verloren. Die Organisation Al Adl Wal Ihsane (Gerechtigkeit und Wohlfahrt) stellt die wichtigste islamistische Massenbewegung im Land dar und ist somit der bedeutendste Gegenspieler der regierenden PJD im islamistischen Lager. Trotz Verbots 1990 wird sie von staatlicher Seite geduldet. Die Bewegung "Islah wa Tawhid" ("Reform und Einheit") ist die politische Heimat der Regierungspartei PJD, hat Vorbehalte gegenüber westlichen Demokratie-Modellen und ist gesellschaftspolitisch radikaler als die Partei. Es sind keine Bezüge zum Terrorismus bekannt. Daneben gibt es eine Vielzahl von kleineren gewaltbereiten islamistischen Gruppen, unter denen die "Salafija Jihadia" die prominenteste Stellung einnimmt. Dieser Gruppierung wird von offizieller Seite eine Vielzahl von Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Bestrebungen vorgeworfen, unter anderem Tötungen von marokkanischen Staatsbediensteten sowie die Federführung bei den Terroranschlägen in Casablanca im Jahr 2003 (AA 28.11.2014).
Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die schon zitierten "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen (ÖB 9.2014). Soweit die politische Opposition sich gewaltlos verhält und die Tabuthemen "König", "Islam" und "territoriale Integrität" nicht berührt, kann sie sich weitgehend frei betätigen. Festnahmen von gewaltlosen politischen Oppositionellen oder politisch motivierte Verfahren sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 28.11.2014).
Quellen:
Haftbedingungen
Die Haftbedingungen in Marokko sind hart (HRW 29.1.2015) und besorgniserregend (EC 25.3.2015). Die Zustände in den Gefängnissen sind schlecht und entsprechen generell nicht internationalen Standards (USDOS 25.6.2015). Sie sind durch Überbelegung (USDOS 25.6.2015; vergleiche HRW 29.1.2015; vergleiche AI 25.2.2015), schlechte hygienische Zustände (USDOS 25.6.2015; vergleiche AI 25.2.2015) sowie mangelnde sanitäre Einrichtungen (AI 25.2.2015) und mangelnde Grundversorgung von Insassen geprägt. Gemäß Angaben des CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) ist die angemessene medizinische Versorgung von Häftlingen in Gefängnissen nicht gewährleistet (USDOS 25.6.2015; vergleiche AI 25.2.2015). Besuchsrechte durch Angehörige sind eingeschränkt (AI 25.2.2015). Die Zustände in den marokkanischen Gefängnissen waren zu Jahresende 2012 Gegenstand von Berichten des UN Sonderbeauftragten für Folter, Juan Mendez, und des CNDH. Beide Berichte konstatierten zum Teil unhaltbare Zustände im marokkanischen Strafvollzug und im Polizeigewahrsam sowie punktuell die Anwendung folterähnlicher Praktiken. Diese niederschmetternde Kritik traf die für den Strafvollzug verantwortliche Administration, die de facto außerhalb der Regierungshierarchie steht. Die Gefängnispopulation beträgt rund 70.000, davon knapp die Hälfte Untersuchungshäftlinge. Ein Grund für die Misere ist die Überbelegung (bis zu 100 Prozent). Seit den kritischen Berichten ist es allerdings zum Bau neuer Haftanstalten gekommen und die neue Führung der Strafvollzugsverwaltung unter Mohamed Saleh Tamek, einstmals selbst politischer Häftling, bemüht sich um offenere Kommunikation und mehr Transparenz (ÖB 9.2014).
Die Regierung gestattet NGOs aus dem sozialen, religiösen oder Bildungsbereich den Zutritt zu Gefängnissen. Unabhängigen Menschenrechtsbeobachtern und nationalen Menschenrechts-NGOs wird der unbegleitete Zutritt zu Gefängnissen nicht gewährt (USDOS 25.6.2015).
Quellen:
Todesstrafe
Die Todesstrafe wird in Marokko zwar weiter verhängt (zum Beispiel gegen den Hauptattentäter des Anschlags von Marrakesch im April 2011), aber seit 1993 nicht mehr vollstreckt (AA 7.2015a; vergleiche HRW 29.1.2015). Es gibt eine Koalition von Menschenrechtsorganisationen in Marokko, die sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt (AA 7.2015a).
Quellen:
Religionsfreiheit
Der Islam ist die Staatsreligion in Marokko. Eine der fundamentalen Säulen Marokkos ist auch der - weitgehend akzeptierte - Anspruch des Königs, neben seiner weltlichen Position gleichzeitig Führer der Gläubigen zu sein (AA 28.11.2014; vergleiche USDOS 28.7.2014).
Artikel 3, der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 28.11.2014; vergleiche USDOS 28.7.2014) Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch andere Religionen wie Christentum und Judentum. Für weitere Religionsgemeinschaften wie z. B. die Baha'i besteht dieser Schutz nicht. Gleichwohl ist dem Auswärtigen Amt keine Bestrafung eines Angehörigen nicht geschützter Religionsgemeinschaften bekannt. Mit Strafe bewehrt sind allerdings - zumindest in der Praxis für Marokkaner - die Aufgabe des islamischen Glaubens und Atheismus. Religionsregeln wie das Verbot des Alkoholkonsums und die Fastenregeln des Ramadans werden nur auf Marokkaner angewandt. Da der Islam Staatsreligion und der Atheismus unter Strafe gestellt ist, besteht ein großer Druck, den Islam zumindest zum Schein zu praktizieren. Da Laizismus und Säkularismus gesellschaftlich negativ besetzt sind und der Abfall vom Islam als Todsünde gilt, hat ein solches Verhalten die soziale Ausgrenzung der Betroffenen zur Folge. In diesem Bereich besteht kein staatlicher Schutz (AA 28.11.2014). Proselytismus ist nur zum Islam hin erlaubt und steht ansonsten unter Strafe (USDOS 28.7.2014).
Es gibt Berichte von gesellschaftlichen Diskriminierungen basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung, vor allem gegenüber Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen. Christen berichten über sozialen Druck seitens nicht-christlicher Familienangehöriger und Freunde. Juden leben unbehelligt im Land (USDOS 28.7.2014).
Quellen:
Religiöse Gruppen
[...]
Ethnische Minderheiten
Diskriminierende Gesetzgebung gegenüber Minderheiten ist nicht ersichtlich (AA 28.11.2014). Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geographischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Ob Berber in Marokko eine ethnische Minderheit darstellen, ist umstritten. Immerhin reklamieren 40 Prozent (ÖB 9.2014) oder gar über 50 Prozent der Bevölkerung eine berberische Abstammung. Im Hinblick auf Sprache und Kultur der Berber ist Marokko mittlerweile zu einer aktiven Förderung übergegangen (AA 28.11.2014). Die Sprache der Berber, Amazight, wurde durch die Verfassungsreform 2011 in den Rang einer (weiteren) offiziellen Amtsspracheerhoben. Die gesetzliche Umsetzung steht noch aus (AA 28.11.2014). Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus (d.h. keine höhere Bildung in berberischer Sprache möglich) (ÖB 9.2014).
Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 9.2014).
Quellen:
Frauen/Kinder
[...]
Homosexuelle
[...]
Bewegungsfreiheit
Gesetzlich ist innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit gewährleistet. Die Behörden respektieren dieses Recht üblicherweise, obwohl die Regierung Reisebewegungen in als militärisch heikel angesehenen Regionen, wie den entmilitarisierten Gebieten der Westsahara, einschränkt (USDOS 25.6.2015). Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Sie können Pässe erhalten und das Land verlassen (AA 28.11.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015) (mit Ausnahme von Polisario-Angehörigen und Personen, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzen) (AA 28.11.2014). Auch Kontakte zu westlichen politischen Beobachtern und Botschaftsvertretern sind ihnen möglich (AA 28.11.2014).
Quellen:
Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge
Marokko ist sowohl Herkunftsland von Migration in Richtung Europa als auch Transitland für irreguläre Migration und Schlepperei aus der Sub-Sahara. Marokko kooperiert mit der EU (FRONTEX) und insbesondere mit Spanien. Die Haltung der marokkanischen Behörden ist ambivalent: Einerseits scheinen die lokalen marokkanischen Behörden die vorbereitenden Aktivitäten der Schlepper kaum zu behindern, andererseits besteht eine effiziente und rigorose Bekämpfung von illegalem Grenzübertritt in Zusammenarbeit mit den spanischen Sicherheitskräften (ÖB 9.2014).
Die Zahl der illegal in Marokko Aufhältigen, überwiegend Afrikaner aus dem Sahel und der Sub-Sahara, wird auf ca. 30.000-40.000 geschätzt, darunter 1.200 (UNHCR) bis 2.000 (marokkanische Angaben) Syrer. Eine erhöhte Sensibilität der marokkanischen Behörden für das Thema hat Platz gegriffen, da Marokko nun auch zum Zielland für illegale Migration aus der Sub-Sahara wird. Parallel dazu treten in der Gesellschaft spürbare Ressentiments gegenüber Schwarzafrikanern ohne Aufenthaltsrecht auf, verbunden mit der Gefahr von deren wirtschaftlicher Ausbeutung. Hinsichtlich des administrativen und humanitären Umgangs mit dieser Personengruppe setzte Ende 2013 ein Umdenken in der marokkanische Asyl- und Migrationspolitik ein, nachdem ein Bericht des CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) auf menschenunwürdige Zustände hingewiesen hatte. Die neue Politik verfolgt verschiedene Stoßrichtungen:
• Legalisierung von UNHCR-Flüchtlingen und neues Asylgesetz
• Legalisierung von illegalen Migranten mit Integrationsvorsprung
• Verschärfung der Gesetzgebung im Bereich Menschenhandel und Schlepperei
• Integrationsmaßnahmen (ÖB 9.2014)
Zwei Drittel der rd. 800 vom UNHCR anerkannten Flüchtlinge in Marokko wurden seitdem mit marokkanischen Papieren ausgestattet, wenn auch deren aufenthaltsrechtlicher Status als "provisorisch" bezeichnet wird. Seitens der illegal aufhältigen Migranten haben rd.
17.500 Anträge auf Regularisierung abgegeben, von denen 5.700 (ca. 30 Prozent) positiv beschieden wurden (Stand Sept 2014), auch dies gilt als außerordentliche und "provisorische" Maßnahme bis zur Erlassung einschlägiger neuer gesetzlicher Vorschriften. Integrationspolitische Maßnahmen stecken noch im Stadium der Ankündigung; echte Hilfe kommt derzeit nur von IO- und NGO-Seite. Als Teil der "neuen Migrationspolitik" hat Marokko Gesetzesvorlagen jeweils für Asyl und Menschenhandel ausgearbeitet (ÖB 9.2014).
Quellen:
Grundversorgung/Wirtschaft
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, Brot und Zucker wie auch Treibstoffe werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Das Sozialversicherungssystem ist unzureichend (AA 28.11.2014). Eine entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger hat nach wie vor die Großfamilie (AA 28.11.2014; vergleiche ÖB 9.2014).
König Mohammed römisch VI. und die Regierung streben eine durchgreifende Modernisierung des Landes an. Marokko soll zu einem Schwellenland mit diversifizierter Industrie und wettbewerbsfähigem Dienstleistungssektor werden, das seine Chancen neben dem Hauptpartner EU verstärkt im Maghreb und im französischsprachigen Afrika sucht. Marokko ist wirtschaftlich stabil, der langjährige Aufschwung hält an. Regierung und Zentralbank gehen 2014 von einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von rund 3 Prozent aus (AA 7.2015b). Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed römisch VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 6.2015c).
Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Leuten, Armut und Analphabetismus (besonders in ländlichen Gegenden) bleiben hoch (CRS 18.10.2013; vergleiche ÖB 9.2014). Gemäß der Weltbank leben 8 Millionen Marokkaner oder einer von vier in "absoluter Armut oder sind von dieser bedroht". Soziökonomische Probleme führen zu Emigration und sozialen Unruhen und können zur Radikalisierung beitragen. Der Staat versucht durch Sozialprogramme, Initiativen zur Vergabe von zusätzlichen Stellen im öffentlichen Dienst und Gehaltserhöhungen sowie Subventionen für Güter des täglichen Bedarfs gegenzusteuern (CRS 18.10.2013). Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an dritter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens werden einige Grundnahrungsmittel und Grundgüter des täglichen Bedarfs über die Caisse de Compensation subventioniert. Das jährliche Budget allein dieser Institution liegt bei rund 5 Milliarden Euro, d.h. knapp ein Viertel des Staatshaushaltes. Die Staatsverschuldung hat in den vergangenen Jahren zugenommen (GIZ 6.2015c).
Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbau. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/ arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.500 Dirham (ca. 225 €). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur SV angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) bei 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara weniger (ÖB 9.2014).
Quellen:
Medizinische Versorgung
Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Medizinische Dienste sind kostenpflichtig, die Kosten werden bei Mittellosigkeit aber erlassen (AA 28.11.2014). Das marokkanische Gesundheitssystem ist in den Städten im Allgemeinen gut entwickelt, während die ländlichen Gebiete schlechter ausgestattet sind. In den Städten gibt es auch privat geführte Krankenhäuser, die qualitativ hochwertige Leistungen anbieten. Die medizinischen Einrichtungen außerhalb der Städte sind eher einfach und altmodisch, die medizinische Versorgung ist jedoch grundsätzlich gut. Seit kurzem modernisieren marokkanische Krankenhäuser sich durch den Kauf spezieller Ausrüstung, um höherwertigere Behandlungen anbieten zu können (IOM 6.2014). In größeren Städten ist die medizinische Versorgung bei Notfällen (Unfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc.) möglich. Dagegen ist die Notfallversorgung auf dem Land, insbesondere in den abgelegenen Bergregionen, unzureichend (AA 28.11.2014).
Als Zentren der primären Gesundheitsversorgung betreuen Krankenhäuser die Patienten und bieten eine kostenlose Erstversorgung von leichten Notfällen. In den Zentren der primären Gesundheitsversorgung ist der Zugang kostenlos. Zuständig ist das jeweils nächstgelegene Zentrum am Wohnort. Alle Distrikte Marokkos verfügen über diese Gesundheitszentren, auch die weniger entwickelten Bezirke auf dem Land. Um behandelt werden zu können, sollte der Personalausweis mitgebracht werden (IOM 6.2014).
Private Spitäler, Ambulanzen und Ordinationen bieten medizinische Leistungen in ähnlicher Qualität wie in Europa an, wenn auch nicht in allen fachmedizinischen Bereichen gleich und örtlich auf die Städte beschränkt (Casablanca, Rabat, Tanger und andere größere Städte). Diese Dienstleistungen sind freilich mit entsprechenden Honoraren verbunden. Ein Konsultation beim Wahlarzt (Allgemeinmedizin) kostet ab 150 Dirham (13 €), beim Facharzt ab 200 Dirham (17 €) bis 500 Dirham (45 €) und mehr bei Spezialisten (zum Vergleich der Mindestlohn: 2.500 Dirham/225 €) (ÖB 9.2014). Der Regionalarzt des Auswärtigen Amtes hat bei seinem Besuch im Oktober 2012 festgehalten, dass die medizinische Versorgung in Rabat, soweit sie durch private Institutionen/Krankenhäuser erfolgt, "größtenteils mitteleuropäischen Standard" hat. Selbst modern gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren allerdings nicht, dass im Krankheitsfalle Versorgung und Management des Patienten angemessen funktionieren. Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet (AA 28.11.2014).
Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 28.11.2015).
Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio Personen im RAMED erfasst (knapp 3 Prozent der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten gestioniert. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis ("Carte RAMED"), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationäre Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 9.2014).
Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 141 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 27.000 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.200 Einwohner); daneben bestehen 2.689 Einrichtungen in der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei ansprechen. Freilich ist anzumerken, dass dieser öffentliche Gesundheitssektor in seiner Ausstattung und Qualität und Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen ist. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten. Wer weder unter das RAMED - System fällt noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 9.2014).
Quellen:
Behandlung nach Rückkehr
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des
Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Den Behörden ist bekannt, dass Asylanträge auch dazu dienen, eine längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit im Ausland zu erlangen. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (AA 28.11.2014).
Eine Rückkehrhilfe für aus dem Ausland nach Marokko Heimkehrende durch staatliche Institutionen ist nicht bekannt. Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von der IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit der IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung (ÖB 9.2014).
Quellen:
Rückkehrsituation von Kindern und Jugendlichen
[...]
1.2.2. Ergänzend stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass nach einem Bericht des Verbindungsbeamten des BMI bei der ÖB Rabat nach Rücksprache mit einem Mitarbeiter des marokkanischen Gesundheitsministeriums zu Fragen der Drogentherapie in Marokko:
erhoben werden konnte: Es gibt Drogenersatztherapien für Drogenabhängige in Marokko. Dabei sind stationäre Behandlungen derzeit nur in Tanger, Sale und Casablanca möglich. Stationäre Behandlungen sind kostenpflichtig. Insgesamt stehen in diesen drei Zentren derzeit etwa 45 Betten zur Verfügung. Bei stationärer Behandlung müssen vom Patienten pro Tag ca. 500,-- MAD (= ca. 50 Euro) bezahlt werden. Weitere Möglichkeiten für ambulante Behandlungen gibt es in Tanger, Nador, Marrakesch Tetouan, Rabat, Agadir, Oujda und Al Hoceima. In der Westsahara steht derzeit keine Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung - für das Gebiet der Westsahara ist das Krankenhaus in Agadir (derzeit nur ambulante Behandlung möglich) zuständig. Weitere ambulante Zentren sind bis zum Jahr 2016 in folgenden Städten vorgesehen: Fes, Ksar El Kebir, Chefchaouen und Asilah. Ambulante Behandlungen sind gratis.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Lage in Marokko
Die (unter Punkt 1.2.1. getroffenen) Feststellungen zur Situation in Marokko beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen uns Asyl (Stand Juli 2015). Die in Pkt 1.2.2. getroffene Feststellung stützt sich auf eine entsprechende Auskunft der ÖB Rabat. Der wesentliche Gehalt der Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs bereits anlässlich einer früheren Ladung zur mündlichen Verhandlung (im Juli 2015) zur Kenntnis gebracht; deren Gehalt hat sich bei Durchsicht des nunmehr aktualisierten Länderberichts nicht geändert.
2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seiner individuellen Bedrohungs- und Rückkehrsituation
Bis zum Jahr 2012 bediente sich der Beschwerdeführer einer falschen Identität und brachte zur Begründung seiner Asylantragstellung (zB Niederschrift vom 30.05.2005, AS 105; Niederschrift vom 11.07.2005, AS 163 ff) vor, er werde von seinem Vater bzw. seiner Stiefmutter und seinem Stiefonkel schlecht behandelt und habe keine Bezugsperson im Herkunftsstaat (laut damaligem Vorbringen: Algerien). Diese ursprünglich falschen Identitätsangaben tätigte er - laut seinen späteren Angaben nach Angabe der tatsächlichen Identität - angeblich deshalb, weil er - so auch sein Vorbringen im Beschwerdeverfahren - Angst vor der Gruppe Al Adl Wal Ihsane habe, die ihn töten wolle. Die Bezugnahme auf diese Gruppe und darauf, dass er sich vor ihr fürchte, nahm der Beschwerdeführer erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 08.05.2012 vor, obwohl er dazu schon mehrere Jahre lang zuvor (etwa bei den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt im Mai und Juli 2005 oder auch im Rahmen seiner Beschwerde an den Asylgerichtshof) Gelegenheit gehabt hätte. Dieses Vorbringen vermag aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen und die wechselnden Angaben zur Identität stellen die Glaubwürdigkeit der Person des Beschwerdeführers in Frage: Nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer in ein fremdes Land flüchtet, dort um Schutz vor Verfolgung ansucht, dann aber vor der Asylbehörde aus (wie dies nachträglich erklärt wurde:) Angst, abgeschoben zu werden, unwahre Angaben macht und die angebliche Bedrohungssituation nicht erwähnt. Ein solches Vorgehen, erhöht geradezu das Risiko, nicht als Flüchtling anerkannt und in der Folge abgeschoben zu werden. An Plausibilität mangelt es der behaupteten Verfolgung durch Mitglieder der Gruppe Al Adl Wal Ihsane auch vor dem Hintergrund der Ermittlungsergebnisse der Staatendokumentation der belangten Behörde, wonach die Organisation Al Adl Wal Ihsane als friedliche und gewaltlose Organisation zu bezeichnen ist. Im Übrigen entsteht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer jene Vorfälle, die er angeblich im Zusammenhang mit dieser Organisation erlebt habe (er erwähnte in der Einvernahme vom 25.09.2012 einen Vorfall, bei dem er einen Gegenstand gegen ein Auto habe werfen müssen und bei dem etwas explodiert sei, woraufhin er weggelaufen sei und sich versteckt habe), sehr allgemein und wenig detailreich geschildert hat; entsprechende Details lieferte er auch nicht in späteren Stadien des Verfahrens (Beschwerdevorbringen, mündliche Verhandlung). Das Vorbringen, der Beschwerdeführer wäre von Mitgliedern der genannten Organisation geschlagen bzw. verfolgt worden bzw. sie würden ihn umbringen wollen, ist aufgrund dessen und auch vor dem Hintergrund der Berichtslage unwahrscheinlich und daher unglaubwürdig. Bemerkenswert ist auch, dass der Beschwerdeführer die früher behauptete Bedrohung durch die genannte Gruppe bei seiner Einvernahme anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zunächst überhaupt nicht erwähnt hat, sondern ganz andere Gefahrenquellen behauptet hat und erst nachdem er an sein Vorbringen vor der Behörde erinnert wurde, die Bedrohung durch die Gruppe allgemein bejahte: So antwortete er auf die vom Richter gestellten Frage, was ihm im Fall einer Rückkehr nach Marokko passieren würde: "Es gibt in Marokko keine Sicherheit, es gibt Korruption, keine Grundversorgung und keine gerechte Bezahlung für Arbeit" und auf die Frage des Richters, welche Vorfälle er erlebt habe, die ihm heute Angst vor einer Rückkehr machen : "Wegen Problemen: Mein Vater hat eine andere Frau geheiratet. Die Brüder von dieser Frau wollen die Landwirtschaft nehmen. Andere Leute und die Brüder geben Gift in das Essen von Menschen. Es gibt Personen, die mit Gift andere Menschen umbringen wollen". Auf die daran anschließende Frage, warum er Angst habe, persönlich betroffen zu sein, gab er an: "Ich habe Angst vor den schwarzen Marokkanern, die mit uns verfeindet sind, oder den Brüdern von meiner Stiefmutter. Ich habe Angst, dass ich vergiftet werde, diese Leute wenden auch Magie an und verhexen einen". Erst auf den daran anschließenden Vorhalt, dass er im behördlichen Verfahren noch angegeben habe, von einer politischen Gruppe Angst zu haben, antwortete der Beschwerdeführer bejahend und meinte, sie könnten ihn töten, allerdings ohne nähere Gründe dafür angeben zu können. Aber auch das Vorbringen zur behaupteten Misshandlung bzw. Schlechtbehandlung durch die Stiefmutter und den Stiefonkel hält das Gericht für unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer ging von diesem ursprünglich erstatteten Vorbringen zB im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 25.09.2012 ab und sagte dort aus, er habe noch Vater und Mutter ("Ich habe in der Heimat meine Eltern"), auch wenn er schon länger keinen Kontakt mit ihnen habe. Auch bei den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen eigenen Reisebewegungen widersprach sich der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens. So gab er in der Beschwerdeverhandlung im Jahr 2015 an, er habe bis 2001 in Marokko gelebt (damals wäre er 20 bzw. 21 Jahre alt gewesen), obwohl er früher - und zwar schon nach Bekanntgabe seiner wahren Identität (Einvernahme vor dem BAA im Jahr 2012) - angegeben hatte, er sei im
16. Lebensjahr aus Marokko ausgereist. Auch die Angaben des Beschwerdeführers dazu, ob er Geschwister hat, waren widersprüchlich. Im Jahr 2012 gab er an, keine Geschwister zuhaben. Vor dem Bundesverwaltungsgericht nannte er mehrere Geschwister, zu denen er auch Kontakt habe. Insgesamt erweist sich das gesamte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers daher als unglaubwürdig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1.1. Gemäß Artikel 151, Absatz 51, B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes. Gemäß Paragraph 75, Absatz 19, AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen. Dies trifft auf das vorliegende Verfahren zu.
3.1.2. Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt.
Zu A)
Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides (Spruchpunkt A.I. des vorliegenden Erkenntnisses)
3.2.1. Gemäß Paragraph 75, Absatz eins, AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem 31.03.2009 beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, Paragraph 10, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 29 aus 2009, mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt.
Gemäß Paragraph 7, AsylG 1997 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 129 aus 2004, hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, daß ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlußgründe vorliegt.
Zentraler Aspekt des aus Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes des AsylG 2005 ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation fürchten würde vergleiche zB VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 23.09.2009, 2007/01/0284). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt dann vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (VwGH 24.11.1999, 99/01/0280; 16.12.1998, 296/01/1251, 08.06.2000, 99/20/0092).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die "Glaubhaftmachung" im Sinne des Paragraph eins, Absatz eins, AsylG 1991 (entspricht dem geltenden Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 bzw. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention) die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, 95/20/0380).
3.2.2. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eine Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte und dass sonstige Gründe für eine mögliche Verfolgung im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen sind. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 7, Absatz eins, AsylG 1997 abzuweisen.
Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides (Spruchpunkt A.I. des vorliegenden Erkenntnisses)
3.3.1. Gemäß des mit "Subsidiärer Schutz" überschriebenen Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 129 aus 2004, hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (Paragraph 57, FrG) und diese Entscheidung mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist.
Paragraph 57, des Fremdengesetzes 1997 (FrG) Bundesgesetzblatt Teil eins, 75 aus 1997,, sah Verbote zur Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung von Fremden vor. Das FrG ist mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten und wurde durch das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG 2005) Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005, ersetzt.
Gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Gemäß Paragraph 50, Absatz 2, leg.cit. ist die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005). Gemäß Paragraph 50, Absatz 3, leg.cit. ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.3.2. Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat der Beschwerdeführer keine ihn konkret drohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. keine sonstigen für eine aktuell drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe glaubhaft vorgebracht. Es kann angesichts der Feststellungen auch sonst nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ihn in Marokko eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität oder eine sonstige relevante (allgemeine oder individuelle) Bedrohung oder Gefährdung erwarten würde.
3.3.3. Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre vergleiche VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059, zur dargestellten "Schwelle" des Artikel 3, EMRK), gibt es, wie festgestellt, im Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt, zumal der Beschwerdeführer unter anderem bereits in der Landwirtschaft und als Lebensmittelverkäufer gearbeitet hat. Vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen kann im Zusammenhalt mit dem genannten Vorbringen des Beschwerdeführers daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat in seiner Existenz bedroht wäre. Er wäre grundsätzlich in der Lage, längerfristig eine Lebensgrundlage zu sichern. Weiters geht aus den Länderfeststellungen (sowohl der belangten Behörde als auch des Bundesverwaltungsgerichts) hervor, dass in Marokko NGOs zur Unterstützung von Rückkehrern bestehen; davon, dass der Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Herkunft davon ausgeschlossen wäre, kann nicht ausgegangen werden.
3.3.4. Sowohl die belangte Behörde als auch das Bundesverwaltungsgericht haben sich umfassend mit dem marokkanischen Gesundheitssystem auseinandergesetzt, da sich der Beschwerdeführer in Drogenersatztherapie befindet und psychische Probleme hat, beides ist durch österreichische medizinische Unterlagen nachgewiesen. Daher ist zu überprüfen, ob diese Erkrankungen in Marokko behandelbar sind und die Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat zu einer Überschreitung der (hohen) Eingriffsschwelle des Artikel 3, EMRK führen könnte. Aus den von Amts wegen eingeholten und dem Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass das marokkanische Gesundheitssystem im allgemeinen in den Städten gut entwickelt ist, auch der Zugang zu medizinischer Versorgung ist sozial gestaltet und nimmt daher Rücksicht auf einkommensschwache Schichten. Aus diesen Länderberichten ergibt sich klar, dass sowohl die Drogenersatztherapie als auch die Behandlung psychischer Probleme des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat durchführbar sind und grundsätzlich auch für den Beschwerdeführer ein Zugang zu dieser Behandlung besteht. Das Bundesverwaltungsgericht kommt somit zu dem Schluss, dass durch eine Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat die Eingriffsschwelle des Artikel 3, EMRK bezüglich der notwendigen medizinischen Versorgung jedenfalls nicht überschritten würde.
3.3.5. Es sind weiters keine Hinweise darauf bekannt, dass in Marokko aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd. Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.
3.3.6. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.
3.3.7. Daher ist die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 abzuweisen.
Zu Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides (Spruchpunkt A.II. des vorliegenden Erkenntnisses)
3.4.1. Gemäß Paragraph 75, Absatz eins, erster Satz AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem 31.03.2009 beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, Paragraph 10, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 29 aus 2009, mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt.
Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 lautet in der geltenden Fassung (auszugsweise)
"(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Absatz 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz
1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,
[2. - 6. ...]
so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Ziffer 5 und 6 darf kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegen."
3.4.2 Im Beschwerdefall können zwar gewisse Hinweise auf Umstände erkannt werden, die ein schützenswertes Interesse des Beschwerdeführer an der Fortführung seines Privat- und Familienlebens in Österreich begründen können, auf der anderen Seite bestehen aber auch Anhaltspunkte für gegenläufige öffentliche Interessen, wie etwa strafrechtliche Verurteilungen, so dass eine Feststellung, dass bzw. Beurteilung, ob eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, ohne weitere Prüfung im derzeitigen Stadium des Verfahrens nicht möglich ist. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach der neuen Rechtslage und aktuell einwandfrei zu ermittelnden Sachlage neu zu prüfen haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
ECLI:AT:BVWG:2015:I402.1263622.2.00