Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

31.07.2015

Geschäftszahl

W198 2009236-1

Spruch

W198 2009236-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl Sattler als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau römisch 40 , vertreten durch Rechtsanwalt römisch 40 , vom 20.06.2014 gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Wien, vom 20.05.2014,XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat mit dem Bescheid vom 20.05.2014 festgestellt, dass Frau römisch 40 , (in der Folge Beschwerdeführerin genannt) im Kalenderjahr 2013 bis laufend der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins, GSVG unterliege, die vorläufige monatliche Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung von September bis Dezember 2013 € 673,17 und im Kalenderjahr 2014 vorläufig € 687,98 betrage und sie daher verpflichtet sei, vorläufige monatliche Beiträge zur Pensionsversicherung von September bis Dezember 2013 in Höhe von € 124,54 und im Kalenderjahr 2014 vorläufige monatliche Beiträge in Höhe von € 127,28 zu bezahlen.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Begründung und die rechtlichen Erwägungen in diesem Bescheid verwiesen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch Ihren Rechtsvertreter eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit dem Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin durch das "GSVG, insbesondere die Paragraphen 2, Absatz eins, Z1, 6 Absatz eins, Z1 und 7 in ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Artikel 7, Abs B-VG und Artikel 2, StGG verletzt sei." Im gegebenen Fall sei insbesondere das Sachlichkeitsgebot betroffen. Der Zweck einer Pensionsversicherung läge in der altersvorsorge. Der Pensionsversicherungsnehmer zahle während seiner Versicherungsjahre in die Versicherung ein, um nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit eine Pension zu erhalten.

Die Beschwerdeführerin beziehe bereits eine Pension von Alters wegen. Gleichzeitig sei sie weiterhin im Sinne des GSVG selbstständig erwerbstätig. Aufgrund der aufrechten Gewerbeberechtigung unterläge sie der Pflichtmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer, was wiederum eine Pensionsbeitragspflicht bei der belangten Behörde auslöse. Somit werde die Beschwerdeführerin dazu verpflichtet, Pensionsversicherungsbeiträge in der Höhe von derzeit jährlich € 1.527,36 zu zahlen. Es werde der Zahlung dieser Beiträge jedoch lediglich ein Zuschlag zur bestehenden Alterspension ("besonderer Höherversicherungsbeitrag") in Höhe von ca. € 1 pro Jahr in Aussicht gestellt. Es bedürfe keines weiteren Nachweises für den Umstand, dass ein Beitrag von einem Euro pro Jahr keinesfalls den Sinn und Zweck einer Altersvorsorge erfüllen könne. Faktisch werde die Beschwerdeführerin sohin zur Zahlung von Pensionsbeiträgen verpflichtet, obwohl der Versicherungsfall des Alterspensionsantrittes im Sinne des Gesetzes bereits eingetreten sei, und folglich der Beitragsleistung niemals ein späterer (erhöhter) Pensionsbezug bzw. ein weiterer Versicherungsfall im Sinn des Gesetzes, gegenüberstehen kann.

Es widerspräche daher diese Regelung nicht nur dem allgemeinen Rechtsempfinden, sondern auch dem grundlegenden Sinn (Vorsorgezweck) einer Pensionsversicherung. Im Vergleich zu jenen Beziehern einer Alterspension, die ihre Erwerbstätigkeit mit Erreichen des Regelpensionszeitalters eingestellt haben, sei die Beschwerdeführerin dadurch gröblich und ohne sachliche Rechtfertigung benachteiligt. Sie werde dadurch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf freie Ausübung einer Erwerbstätigkeit, sowie letztlich auf Unverletzbarkeit des Eigentums gröblich verletzt.

3. Mit Schreiben vom 26.06.2014 (eingelangt am 30.06.2014) legte die belangte Behörde die Beschwerde sowie den bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist am 24.06.1953 geboren und bezieht seit 01.07.2013 eine Alterspension.

Die Beschwerdeführerin ist unbestritten seit 17.02.1977 im Besitz der Gewerbeberechtigungen lautend auf "Immobilientreuhänder (Immobilienmakler, Immobilienverwalter) mit den Reg.Nr.:

990004544K19 und 990004545K19. Sie ist somit Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft und erfüllt die Voraussetzungen des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins, GSVG.

Wie im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt wurde, tritt die Pflichtversicherung nach dem ein GSVG bei Zutreffen eines bestimmten Tatbestandes ein und endet bei Wegfall dieses Tatbestandes.

Die Beschwerdeführerin bestreitet diesen Sachverhalt nicht. Es wird sohin die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung dem Grunde nach nicht bestritten. Auch die Höhe der vorgeschriebenen Pensionsversicherungsbeiträge wird nicht bestritten.

Die Beschwerdevorbringen richten sich im Wesentlichen gegen die im angefochtenen Bescheid vorgenommene rechtliche Beurteilung, konkret dagegen, dass die Anwendung des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins, GSVG für die Beschwerdeführerin einen unzulässigen Eingriff in ihre verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte bewirke.

Es werde beantragt in der Sache selbst zu entscheiden und die Beschwerdeführerin von ihrer Beitragspflicht bei der belangten Behörde zu befreien, oder allenfalls der Beschwerdeführerin einen angemessenen Pensionsbezug für bis zur Beendigung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit geleisteten Beiträge zuzusagen.

In eventu werde die Aufhebung des gegenständlichen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde beantragt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die entscheidungsrelevanten Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden, zumal in der Beschwerde kein Feststellungsmangel gerügt wurde. Der Sachverhalt ist somit unstrittig.

Eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens kann - auch aufgrund des regen Schriftverkehrs - der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Wien, nicht vorgeworfen werden. Die Landesstelle Wien der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 51 aus 2012,, wurde mit 01.01.2014 (Artikel 151, Absatz 51, Ziffer 6, B-VG) das Bundesverwaltungsgericht (Artikel 129, B-VG) eingerichtet.

Paragraph 414, Absatz eins, ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Paragraph 194, Absatz 5, GSVG besagt, dass hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung dieses Bundesgesetzes die Bestimmungen des Siebenten Teiles des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes mit der Maßgabe gelten, dass Paragraph 414, Absatz 2 und 3 ASVG nicht anzuwenden sind.

Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Nach Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins, VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:

Paragraph 27, VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist vergleiche Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anmerkung 1 zu Paragraph 27, VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: "Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen."

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet Paragraph 28, VwGVG. Die vorliegend relevanten Absatz eins und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist."

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von Paragraph 28, Absatz 2, Ziffer eins, VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Sache des Verfahrens ist die Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin nach Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins, GSVG.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Sachentscheidung ist einerseits begrenzt durch die "Verwaltungssache", die zunächst der Verwaltungsbehörde vorlag (äußerste Grenze) und andererseits durch den Inhalt der Beschwerde (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht 2014, RZ 833).

3.4. Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG Abstand genommen werden, da es sich gegenständlich um eine reine Beurteilung einer Rechtsfrage handelt, der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Artikel 6, Absatz eins, der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958, noch Artikel 47, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010, Sitzung 389, entgegen.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.1. Das Prinzip der Pflichtversicherung:

Die "allgemeine Sozialversicherungspflicht" soll das Ziel des Versicherungsrechtes verdeutlichen, alle Erwerbstätigen ab einem bestimmten Erwerbseinkommen (Versicherungsgrenze, Mindestbeitragsgrundlage) bis zu einem bestimmten Erwerbseinkommen (Höchstbeitragsgrundlage) in die gemeinsame Finanzierungsverantwortung des Sozialen Schutzsystems in Österreich einzubinden.

Der Grundgedanke der Solidarität ist das tragende Prinzip der Sozialversicherung und viele Regelungen sind nur unter Zugrundelegung dieses Gründungsprinzip erklärbar bzw. nachvollziehbar. Bei allen Vorteilen dieses Systems ist es auch mit Nachteilen behaftet - einer davon ist die Tatsache, dass die Bedeutung solidarischen Handelns für den Einzelnen nicht immer leicht und unmittelbar erkennbar ist.

Das System der Pflichtversicherung in Österreich ist ein System der ex-lege Versicherung: Betroffene Personen werden aufgrund des Gesetzes bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (Eintreten eines bestimmten Sachverhaltes, Verwirklichung eines im Gesetz festgelegten Tatbestandes) in die Pflichtversicherung einbezogen - unabhängig von ihrem Wissen und Willen, unabhängig von der Anmeldung.

Die Pflichtversicherung eröffnet auch nicht den Freiraum, einen Versicherungsvertrag seiner Wahl bzw. einen Versicherungsträger seiner Wahl zu bestimmen. Sie knüpft an das Eintreten bestimmter Sachverhalte exakte Rechtsfolgen. Die Art der Versicherung, der Versicherer/Versicherungsträger sind genau durch Gesetz festgelegt, eine Disposition ist den beteiligten Personen dabei weitgehend entzogen. Beiträge und Leistungen sind im Gesetz festgelegt, die Beitragsäquivalenz findet sich nur näherungsweise. Das Wesen der Pflichtversicherung liegt darin, dass grundsätzlich nicht ein bestimmter Vertrag die Rechtsfolgen auslöst, sondern dass an das Eintreten eines bestimmten im Gesetz festgelegten Sachverhaltes, also die Erfüllung eines bestimmten gesetzlichen Tatbestandes, die Rechtsfolgen geknüpft sind - im Gegensatz zu Versicherungen auf Basis eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages. Im Rahmen der Pflichtversicherung soll die Privatautonomie möglichst ausgeschaltet sein. Der rechts- bzw. sozialpolitische Hintergrund dieses Prinzips liegt im oben angesprochenen solidarisch ausgerichteten Schutzsystem, das unabhängig von der jeweils persönlichen Einschätzung der eigenen Risikostruktur und individuellen Leistungsfähigkeit, einen allgemeinen Versicherungsschutz mit Rechtsanspruch anbieten will (Vgl. Pöltner in Geppert, Sozialversicherung in der Praxis, Kap 1.5).

3.1.2. Das Prinzip der Mehrfachversicherung:

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss 30.06.2004; VfGH B 869/03 festgehalten hat, erweckt ein System, in dem die Versicherungspflicht an eine bestimmte Erwerbstätigkeit anknüpft, sodass bei gleichzeitigem Bestehen zweier oder mehrerer Erwerbstätigkeiten eine sogenannte Doppel- bzw. Mehrfachversicherung eintritt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken (siehe schon VfSlg 4714/1964, 4801/1964 und 6181/1970).

Im Beschluss B 864/98-15 vom 28.09.00 hat der Verfassungsgerichtshof im Sinne seiner ständigen Rechtsprechung dazu folgendes ausgeführt:

Die in der Sozialversicherung Pflichtversicherten bilden eine Riskengemeinschaft. In der gesetzlichen Sozialversicherung gilt - aufgrund des Hervortretens des Versorgungsgedankens vor dem Versicherungsgedanken - keine Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung. Es muss in der gesetzlichen Sozialversicherung in Kauf genommen werden, dass es in manchen Fällen trotz bestehender Versicherungspflicht zu keinem Leistungsanfall kommt. Daher begegnet es keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken, Pensionisten (- dieser Beschluss bezog sich auf einen Pensionsbezieher -), die eine pensionsversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, weiterhin mit Pensionsversicherungsbeiträgen zu belasten, mag es auch künftig z.B. mangels Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen - zu keinem Pensionsanfall kommen.

Anders beurteilt hat der Verfassungsgerichtshof lediglich Paragraph 22, Absatz eins, AlVG, da diese Regelung Pensionsbezieher, welche nach Paragraph eins, Absatz eins, Litera a, AlVG in die Arbeitslosenversicherungspflicht einbezogen waren, durch eine Gesetzesbestimmung von jeglichem Leistungsanfall ausschloss.

Der Verfassungsgerichtshof führte dazu u.a. Folgendes aus:

Während bei einem Pensionsbezieher die Aufrechterhaltung der Pensionsversicherung im Hinblick auf den bereits angefallenen Leistungsbezug auch dann sachlich ist, wenn ein weiterer Leistungsbezug nicht mehr in Betracht kommt, ist es gemäß Paragraph 22, AlVG gesetzlich ausgeschlossen, dass ein Pensionsbezieher, der eine Alterspension bezieht, (oder die Voraussetzungen dafür erfüllt), je in den Genuss irgend einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung kommen kann.

Nur die Aufrechterhaltung der Pflichtversicherung und damit der Beitragspflicht bei gesetzlichem Ausschluss jedweder Versicherungsleistung steht in Widerspruch zu dem auch den Gesetzgeber bindenden Sachlichkeitsgebot.

Die Versicherungsgemeinschaft in der Sozialversicherung reicht nur soweit, als einer Beitragsverpflichtung im Prinzip ein Leistungsanspruch gegenübersteht.

Gleichlautend führt der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss VfGH B 893/05 aus: "Gegen den Eintritt von Doppel und Mehrfachversicherung bei mehreren Erwerbstätigkeiten bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken."

Übereinstimmend mit dieser Rechtsanschauung hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis 2000/08/0206 vom 19.03.2003 Folgendes ausgesprochen:

Jede versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit führt grundsätzlich zu einer Versicherungs- und damit Beitragspflicht in jenem System, das aufgrund der einzelnen Tätigkeiten sachlich hiefür in Betracht kommt. Ob der Gesetzgeber beim Zusammentreffen zweier oder mehrerer versicherungspflichtiger Beschäftigungen eine Mehrfachversicherung vorsieht oder ob er nach dem Grundsatz der Subsidiarität bei Bestehen einer Pflichtversicherung in einem anderen Versicherungszweig die Ausnahme von der Pflichtversicherung normiert, liegt in seinem rechtspolitischem Gestaltungsspielraum (etwa VwGH vom 30.03.1993, 91/08/0174, und vom 24.03.1992, 91/08/0155, mit Hinweisen auf die Rsp. des VfGH). Die Pflichtversicherung tritt kraft Gesetzes mit der Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes ein und begründet die Anwartschaft auf Versicherungsleistungen. Im österreichischen Sozialversicherungssystem besteht sohin über weite Gebiete der Grundsatz der Mehrfachversicherung vergleiche etwa VwGH vom 22.01.2003, 2000/08/0069). Das bedeutet: wer gleichzeitig mehrere sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten ausübt, ist auch mehrfach versichert. Die Einrichtung einer Mehrfachversicherung ist nicht verfassungswidrig. Der VfGH hat wiederholt (etwa VwGH Slg 4714/1964, 4801/1964, 6015/1969, 6181/1970) ausgesprochen, dass die österreichische Sozialversicherung von dem Grundgedanken getragen wird, dass die Angehörigen eines Berufsstandes eine Risikengemeinschaft bilden, in der der Versorgungsgedanke im Vordergrund steht, der den Versicherungsgedanken in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückdrängt. Es ist für die Pflichtversicherung ohne Belang, ob der einzelne der Sozialversicherung bedarf, sie erwünscht oder ob er sie für sinnlos erachtet. Über den individuellen Sonderinteressen stehen die gemeinsamen Interessen der in der Pflichtversicherung zusammengeschlossenen Personen. Die Risikengemeinschaft ist eine Solidaritätsgemeinschaft. Dieser Gemeinschaftsgedanke ist für die Sozialversicherung typisch und wesentlich. Gehört nun eine Person mehreren Berufsgruppen an, so entspricht es diesem Grundgedanken, sie auch sozialversicherungsrechtlich jeder dieser Berufsgruppen zuzuordnen. Eine sich hieraus ergebende Doppelversicherung ist somit verfassungsrechtlich unbedenklich.

Bezogen auf den gegenständlichen Fall ergibt sich daraus Folgendes:

Die Beschwerdeführerin ist unbestritten als Gewerbeinhaberin Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft. Damit ist der Tatbestand des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins, GSVG erfüllt.

Es besteht keine gesetzliche Regelung, die die Beschwerdeführerin ausdrücklich von Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung ausschließen würde. Wie bereits ausgeführt sieht der Verfassungsgerichtshof "nur" bei einem gesetzlichem Ausschluss jedweder Versicherungsleistung einen Widerspruch zu dem auch den Gesetzgeber bindenden Sachlichkeitsgebot. Ein solcher besteht gerade nicht. Ein solcher wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Es geht sohin der Einwand der Beschwerdeführerin (Verletzung des Sachlichkeitsgebots) in die Leere.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass Eingriff in die Erwerbsfreiheit vorliege ist dem entgegenzuhalten:

Artikel 6, StGG besagt, dass jeder Staatsbürger an jedem Ort des Staatsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen, Liegenschaften jeder Art erwerben und über dieselben frei verfügen, sowie unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben kann.

Es steht jedem frei, die von ihm gewählte Tätigkeit auszuüben - unter den gesetzlichen Bedingungen: So ist zur Ausübung eines Gewerbes eine Gewerbeberechtigung notwendig, für gewisse Berufe ist eine spezifische und geregelte Ausbildung notwendig, für andere wiederum verpflichtende Praktika. Dass mit der Aufnahme einer Tätigkeit eine Pflichtversicherung aufgrund des Gesetzes entsteht, stellt keinen Eingriff in die Erwerbsfreiheit, sondern deren Folge dar. Dass diese verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wurde bereits erörtert.

Es wird sohin sämtlichen verfassungsrechtlichen Einwendungen der Beschwerdeführerin die oben zusammengefasste Judikatur des VfGH entgegengehalten.

Gemäß Artikel 89, in Verbindung mit Artikel 135, Absatz 4, B-VG steht den ordentlichen Gerichten die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Kundmachungen über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), Gesetze und Staatsverträge nicht zu. Hat ein Gericht gegen die Anwendung der Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit, ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit, Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken werden vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt.

Es steht dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der voranstehend zitierten Bestimmungen (Artikel 89, in Verbindung mit Artikel 135, Absatz 4, B-VG) insbesondere auch nicht zu, der Beschwerdeführerin einen angemessenen Pensionsbezug für bis zur Beendigung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit geleisteten Beiträge zuzusagen. Ein solcher ergibt sich aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (Paragraph 143, GSVG).

Es wird im Übrigen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, die bestätigt werden.

Unter Berücksichtigung der oben zusammengefassten Judikatur wurde daher im angefochtenen Bescheid zu Recht die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung nach Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins, GSVG festgestellt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungs- noch Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor, zumal die anzuwendenden Normen des GSVG von ihrem Wortlaut, ihrem Regelungsinhalt und deren Rechtsfolgen klar und eindeutig bestimmt sind.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2015:W198.2009236.1.00