Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

15.07.2015

Geschäftszahl

W214 2009578-1

Spruch

W214 2009578-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SOUHRADA-KIRCHMAYER über die Beschwerde von römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch RA Dr. römisch 40 und römisch 40 , gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2014, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, leg. cit. wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, des Bundes-Verfassungsgesetzes, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, idgF. (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger sowie Zugehöriger der arabischen Bevölkerungsgruppe, gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 11.11.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag). Zum Nachweis seiner Identität legte der Beschwerdeführer seinen syrischen Reisepass vor.

2. Bei der niederschriftlichen Befragung im Zuge der Asylantragstellung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag wurde vom Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund angegeben, dass durch den Krieg sein Haus zerstört worden sei. Er habe dort nicht mehr leben können.

3. Nach der Zulassung seines Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 08.04.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen. Dort machte Angaben zu seiner Person sowie zu seiner Situation und seinen Familienangehörigen im Heimatland.

Er sei syrischer Staatsbürger, gehöre der arabischen Bevölkerungsgruppe an und sei moslemischen (sunnitischen) Glaubens. Er habe seine Ehefrau 1999 in Syrien geheiratet. Seine Frau und seine Kinder befänden sich in Syrien.

Er habe am XXXX2013 Syrien verlassen und sei nach römisch 40 gefahren. Danach sei er über römisch 40 illegal nach Österreich gekommen. Er habe in römisch 40 , einem Vorort von römisch 40 , gearbeitet und gewohnt und in dieser Gegend Schokolade und Lebensmittel verteilt. Gleichzeitig habe er Waren und Lebensmittel an bedürftige Menschen gebracht. Sein Haus sei zerstört worden. Dazu legte er ein Protokoll des syrischen Innenministeriums vor, wonach das Haus durch eine Bombe zerstört worden sei. Am XXXX2012 habe er, weil sein Haus zerstört worden war, römisch 40 verlassen. Ein Cousin habe ihm gesagt, er solle nicht dorthin zurückkehren, weil die Leute glauben würden, dass er Lebensmittel für Verwundete transportiere. Er habe einen Kastenwagen gehabt, der so ausgesehen hätte wie die Autos der Sicherheitskräfte. Sein Cousin habe gesagt, dass es Leute gebe, die ihn ermorden wollten. Diese Leute hätten gedacht, es sei ein getarntes Fahrzeug der syrischen Sicherheitskräfte.

Der Beschwerdeführer gab an, für ein (namentlich genanntes) Schokoladengeschäft gearbeitet zu haben. Sein Chef sei verdächtigt worden, Terroristen unterstützt zu haben und sei nach römisch 40 geflohen. Er sei dann in Abwesenheit enteignet worden. Der Beschwerdeführer selbst habe als Supervisor für dieses Unternehmen gearbeitet. Zwei weitere Mitarbeiter seines Unternehmens seien eingesperrt worden, er habe Angst bekommen und sei untergetaucht. Er sei zwar legal ausgereist, habe aber jemanden an der Grenze gehabt, der mit den Ausreiseformalitäten geholfen habe. Er habe weder die Regierung noch Regierungsgegner unterstützt. Er habe bloß humanitäre Aktivitäten (das Verteilen von Lebensmitteln) durchgeführt. Die "Terroristen" (Regierungsgegner) hätten ein Auto seines Dienstgebers im Juli/August 2013 beschlagnahmt und verwendet. Die syrische Polizei habe ihn diesbezüglich befragen wollen, er sei jedoch nicht zur Polizei gegangen.

Nach der Ausreise aus Syrien befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass einer seiner Freunde an der Grenze römisch 40 arbeite. Dieser habe ihn mit seinem Auto nach römisch 40 gebracht. Er habe auch den Grenzkontroll-Stempel gegeben.

Befragt nach der Verteilung von Lebensmitteln führte der Beschwerdeführer aus, dass er das im Auftrag seines Chefs gemacht habe. Diesen habe er seit 2004 gekannt. Im Jahre 2011 sei dieser geflüchtet. Der Beschwerdeführer und ein anderer namentlich genannter Mitarbeiter der Firma hätten Lebensmittel verteilt. Dieser andere Mitarbeiter sei im Dezember 2012 sechs Monate lang in Haft gewesen und dort gefoltert worden. Er hätte gestehen sollen, dass der Chef der Firma die Terroristen unterstützt habe. Dieser verhaftete Mitarbeiter habe bei seiner Einvernahmen und Folterungen auch den Namen des Beschwerdeführers erwähnt.

Auf die Frage, was er im Falle seiner Rückkehr nach Syrien befürchte, antwortete der Beschwerdeführer dass er eingesperrt würde. Er werde sicherlich sogleich an der Grenze festgenommen und einvernommen werden.

4. Mit Bescheid vom 17.06.2014 wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 idgF ab (= Spruchpunkt römisch eins.) und erklärte, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, leg. cit. zuerkannt werde (= Spruchpunkt römisch II.); ferner erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 8, leg. cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung (= Spruchpunkt römisch III.). Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde. Die Spruchpunkte römisch II. und römisch III. erwuchsen hingegen in Rechtskraft.

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus:

Die Identität des Beschwerdeführers stehe fest. Er sei syrischer Staatsangehöriger, Zugehöriger der arabischen Volksgruppe und moslemischen (sunnitischen) Glaubens. Am XXXX2013 sei ihm in römisch 40 ein Reisepass ausgestellt worden.

Der Beschwerdeführer habe seinen Asylantrag unglaubwürdiger Weise damit begründet, dass er im Rahmen "humanitärer Hilfestellung" (Unterstützung von Personen mit Lebensmitteln) in Syrien verfolgt worden sei.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände, insbesondere der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsland, sei aber feststellbar, dass er im Falle einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Syrien einer Gefahr im Sinne des Paragraph 50, FPG ausgesetzt wäre.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, ein fundiertes uns substantiiertes Vorbringen darzulegen. Entgegen seiner ursprünglichen Behauptung, dass sein Haus durch den Krieg zerstört worden sei und er deswegen nicht mehr in seinem Heimatland habe leben können, hätte er bei seiner Einvernahme bei der belangten Behörde zusammengefasst angegeben, dass er wegen seiner angeblichen Unterstützung der Bevölkerung mit Lebensmitteln Schwierigkeiten im Heimatland gehabt habe. Er habe unterschiedliche Angaben rund um die Fluchtgründe gemacht und es sei aus diesem Grund davon auszugehen, dass sein Vorbringen nicht der Realität entspreche. Er habe widersprüchliche Jahresangaben über die Ausreise seines Chefs gemacht. Weiters habe er angegeben, dass sein Chef ein guter Bekannter gewesen sei, später habe er dies jedoch relativiert. Er habe auch sehr vage angegeben, dass sein Chef wegen der unsicheren Lage aus Syrien geflüchtet sei. Er habe einerseits behauptet, im Auftrag seines Chefs Unterstützungsaktionen für Hilfsbedürftige durchgeführt zu haben, andererseits rund um sein tatsächliches Verhältnis zu seinem Chef massiv widersprüchliche Angaben gemacht. Es sei auch unlogisch, dass er als Dienstnehmer gezwungen gewesen sei, das Heimatland zu verlassen, während seine Vorgesetzten nach wie vor in Syrien lebten und für das Unternehmen tätig wären. Es sei auch nicht glaubhaft, dass sich syrische Behörden für ihn interessieren würden, da er sich auf Ereignisse berufe, die vor seiner Passausstellung stattgefunden hätten. Hätten die syrischen Behörden tatsächlich Interesse an seiner Person, hätten sie niemals einen Reisepass ausgestellt.

5. Gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 01.07.2014, der am 02.07.2014 bei der belangten Behörde einlangte, fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in welcher er beantragte, 1. eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und

2. dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

In dieser Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass die belangte Behörde kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Der Dolmetscher sei bei der Einvernahme vor der belangten Behörde wegen römisch 40 massiv abgelenkt gewesen und habe ständig private Telefonate angenommen. Weder sei das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers in das Protokoll aufgenommen worden, noch sei das aufgenommene Protokoll im Anschluss Wort für Wort rückübersetzt worden. Zudem sei der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme nicht angehalten worden, Beweismittel oder sonstige sein Vorbringen zu untermauern geeignete Unterlagen beizubringen.

Dem Unternehmen, für das der Beschwerdeführer gearbeitet habe, sei von Seiten des syrischen Regierung unterstellt worden, die oppositionellen militärischen Kräfte zu unterstützen, weshalb Leute der Regierung bereits 2011 das Unternehmen aufgesucht und sich die Namen der Arbeitnehmer näher angesehen hätten. Der Leiter des Unternehmens habe geahnt, dass er massive Probleme mit der syrischen Regierung bekommen könnte und habe daher das Land verlassen. Zwei (namentlich genannte) Cousins des Beschwerdeführers (die inzwischen Asylwerber im römisch 40 seien) hätten tatsächlich für die Freiheitsarmee gekämpft. Nach Zerstörung seines Hauses sei der Asylwerber mit seiner Frau und seinen Kindern zu seinen Schwiegereltern gezogen. Der Kastenwagen, mit dem Waren des Unternehmens ausgeliefert worden seien, sei von der Freiheitsarmee etwa im Juli oder August 2013 "beschlagnahmt" worden. Da der Beschwerdeführer im Rahmen des Unternehmens für den "beschlagnahmten" Kastenwagen und den Fahrer zuständig gewesen sei, habe er diesen Vorfall an die im Unternehmen zuständige Person gemeldet und habe diese eine Anzeige bei der Polizei erstattet. Von den Cousins, die für die Freiheitarmee gekämpft hätten, habe der Beschwerdeführer nach etwa 15 Tagen erfahren, dass man den Kastenwagen gesehen hätte, worauf der Beschwerdeführer den Cousins gesagt habe, er würde für den Wiedererhalt des Wagens eine Geldbetrag bezahlen. Nach der Bezahlung eines Betrages von 200.000 Lira sei der Wagen tatsächlich wieder zurückgestellt worden. Daraufhin habe der syrische Geheimdienst begonnen, sich für den Beschwerdeführer zu interessieren, weil dieser vermutlich in Erfahrung bringen habe wollen, unter welchen genauen Umständen der Beschwerdeführer wieder in den Besitz des Kastenwagens gelangt sei, und man ihm wohl unterstellt habe, dass er Kontakt zu den Regierungsgegnern habe. Dem Beschwerdeführer habe wohl unter seiner alten Wohnadresse die Ladung zur Polizei nicht zugestellt werden können, weshalb man diese der Abteilung "Human Resources" seines Arbeitgebers zugestellt habe. Mitarbeiter des Arbeitgebers hätten den Beschwerdeführer daraufhin gewarnt, das Unternehmen aufzusuchen. Da der Beschwerdeführer der Ladung nicht nachgekommen sei, sei dem Unternehmen ein Haftbefehl zugestellt worden. Da schon ein anderer Manager des Unternehmens, nämlich der bei der Einvernahme des Beschwerdeführers genannte Mitarbeiter, 2012 festgenommen worden und sechs Monate angehalten und gefoltert worden sei, habe der Beschwerdeführer die Flucht ergriffen. In der Anlage zu Beschwerde wurden die Kopie eines Dankschreibens der Firma wegen Wiedererlangung des Kastenwagens und Kopien von polizeilichen Ladungen sowie eines (angeblichen) Haftbefehls übermittelt. Das Dankschreiben habe der Beschwerdeführer in Syrien zurückgelassen und es sei ihm auf sein Ersuchen per E-Mail erneut übermittelt worden.

Die von der belangten Behörde festgestellten Widersprüche würden nicht vorliegen: Die Erstbefragung diene in erster Linie zur Ermittlung der Fluchtroute; dem Beschwerdeführer sei keine Möglichkeit eingeräumt worden, sein Fluchtvorbringen ausführlich darzustellen. Wenn der Beschwerdeführer einerseits angeführt habe, dass er einen guten Kontakt zu seinem Chef gehabt habe, nach dessen Flucht aber keinen Kontakt mehr gehabt zu haben, so könne darin kein Widerspruch erblickt werden. Auch bezüglich der Jahresangaben habe sich der Beschwerdeführer sofort korrigiert. Aufgrund der Vorkommnisse sei klar, warum gerade der Beschwerdeführer und nicht andere Manager mit der Verfolgung seitens der syrischen Regierung zu rechnen hätten. Weiters verkenne die belangte Behörde das Vorbringen, zumal der Pass bereits vor den Ereignissen mit dem Kastenwagen, durch die der Beschwerdeführer in das Blickfeld der syrischen Behörden geraten sei, ausgestellt worden sei.

Überdies habe es die belangte Behörde auch verabsäumt, relevante Feststellungen zur Situation von syrischen Asylbewerbern im Falle ihrer Rückkehr ins Ermittlungsverfahren einzubringen. Hinsichtlich der Lage in Syrien verwies der Beschwerdeführer auf die Darstellung der Situation von nach Syrien zurückkehrenden ehemaligen Asylbewerbern auf den Bericht des Auswärtigen Amtes (Berlin) über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien) vom 27.09.2010 und den Bericht zu einer gemeinsamen Fact-Finding-Mission des Danish Immigration Service (DIS) und von ACCORD, 21.01. bis 08.02.2010. Dass diese Feststellungen nach wie vor aktuell seien, zeige insbesondere der Bericht des UK Home Office, Operational Guidance Note Syria vom 21.02.2014, in welchem sich wesentliche Passagen der Feststellungen zur "Behandlung bei Rückkehr" wiederfänden und etwa auch ausgeführt werde, dass es als illoyaler Akt und als Zeichen oppositioneller Gesinnung gelte, im Ausland Asyl zu beantragen, was das Risiko, willkürlich verhaftet zu werden, erhöhe.

Hätte die belangte Behörde ein ordentliches Ermittlungsverfahren unter sorgfältiger Würdigung der Beweise geführt, hätte sie dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuerkennen müssen.

6. Mit Schreiben vom 04.07.2014 wurden die Beschwerde und der Verwaltungsakt von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht (eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 11.07.2014) vorgelegt.

7. Mit Schreiben vom 14.07.2014 teilte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass Beweismittel (Ladung und Haftbefehl) nunmehr im Original vorliegen würden und er diese dem Gericht im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung oder auf Anfrage jederzeit den Vorlage bringen könne.

8. Mit Schriftsatz vom 30.11.2014 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Vollmachtsbekanntgabe übermittelt.

9. Die Kopien des Dankschreibens der Firma, die polizeilichen Ladungen und der Haftbefehl wurden vom Bundesverwaltungsgericht einer Übersetzung zugeführt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht lud den Beschwerdeführer zu einer mündlichen Verhandlung für den XXXX05.2015.

11. Mit am 08.04.2015 eingelangten Schriftsatz wurde vom (rechtsfreundlich vertretenen) Beschwerdeführer mitgeteilt, dass inzwischen auch gegen die Bescheide der Ehegattin und seiner Kinder am 07.04.2015 Beschwerde erhoben wurde und daher beantragt werde, sämtliche Verfahren zur Verhandlung zusammenzufassen.

12. Am XXXX05.2015 fand eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht statt, in der die Beschwerdeverfahren des Beschwerdeführers, seiner Frau und seiner Kinder miteinander verbunden wurden.

Dabei wurden vom Beschwerdeführer eine Ladung von 09.09.2013 und eine Zwangsladung vom 29.09.2013 im Original vorgelegt. Dazu wurde dem Beschwerdeführer von der zuständigen Richterin vorgehalten, dass er in einem Schreiben angegeben habe, dass er einen Haftbefehl in Kopie vorlege und diesen im Original nachreichen werde. Nun liege aber kein Haftbefehl vor. In der weiteren Befragung des Beschwerdeführers und des Dolmetschers stellte sich heraus, dass auch die in Kopie vorgelegten Dokumente keinen Haftbefehl beinhalteten, sondern dass es sich beim angeblichen "Haftbefehl" um ein "Feststellungsprotokoll" über die Zerstörung des Hauses des Beschwerdeführers handelte.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vor:

Sein Leben sei in Gefahr gewesen. Er habe bei einer (namentlich genannten) Firma im Lebensmittelhandel gearbeitet. Er sei von einem Angestellten angerufen worden, der ihm gesagt habe, dass die Sicherheitskontrolleure der Firma ihnen gesagt hätten, dass er sich bei ihnen melden solle. Diese Firma sei ca. 22 km von römisch 40 entfernt. Zwei seiner (namentlich genannten) Kollegen seien auf dieselbe Art und Weise geladen worden. Einer von Ihnen sei inhaftiert und nach sechs Monaten entlassen worden. Der andere sei spurlos verschwunden. Der Beschwerdeführer habe sich sofort an verschiedenen Orten versteckt. Er habe sein Auto verkauft, damit er über Bargeld verfüge, um seine Flucht zu finanzieren. Am XXXX2013 habe er endgültig Syrien verlassen.

Dieser Vorfall habe sich Ende August 2013 ereignet. Auf Nachfrage führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Haus bereits 2012 zerstört worden sei. Danach sei er mit seiner Familie zu seinen Schwiegereltern gezogen.

Auf die Frage, woher er wisse, dass sein Freund bei Einvernahmen und Folterungen der Namen des Beschwerdeführers genannt habe, meinte er, sein Freund habe nach der Haft erzählt, dass der Beschwerdeführer auch "drankommen" werde. Der Grund sei gewesen, dass es einen Verdacht gegeben habe, dass der Besitzer der Lebensmittelfirma auch Lebensmittel an Oppositionelle verkauft habe. Der Besitzer habe kurz vor seiner Verhaftung flüchten können.

Auf Nachfrage klärte der Beschwerdeführer auf, dass es sich nur um eine Vermutung seines Freundes gehandelt habe, dieser habe den Name des Beschwerdeführers gegenüber der Polizei nicht erwähnt. Der Beschwerdeführer habe dies auch nicht bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde so gesagt. Es sei aber bekannt geworden, dass jeder Verkaufsleiter verhaftet und verhört werde. Der andere Kollege sei ebenfalls ein Verkaufsleiter gewesen. Daher sei klar gewesen, dass er auch irgendwann "drankommen" werde. Er sei einer der vier Verkaufsleiter gewesen.

Auf Frage nach seinen Cousins antwortete der Beschwerdeführer, dass ihn die Probleme seiner Cousins nicht direkt betreffen würden. Sie seien 2012 aus Syrien ausgereist.

Auf Nachfrage führte der Beschwerdeführer aus, dass einer seiner Verkäufer, als er mit dem Firmenlieferwagen gefahren sei, von der freien syrischen Armee angehalten worden sei. Das Auto mit den Lebensmitteln sei geraubt worden und er sei gezwungen gewesen, zu flüchten. Er sei zu ihnen gekommen und habe von dem Raub berichtet. Sie hätten sich dann beraten, was sie unternehmen sollten. Schließlich hätten sie beschlossen, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten. Eine Woche später hätten ihm Bekannte erzählt, dass dieser gestohlene Wagen in ihrer Gegend gesehen worden sei und dass man mit diesen Leuten reden könne, dass das Auto zurückgebracht werden solle. Er sei damit einverstanden gewesen, insbesondere weil er nicht gewollt habe, dass der Verkäufer irgendeinen Schadenersatz leisten müsse. Die Vermittler hätten ein leeres Auto zurückgebracht. Somit sei der Schaden für die Firma nur der Wert der Lebensmittel gewesen, die sich darin befunden hätten. Sie hätten dafür nichts bezahlen müssen. Entgegen den Ausführungen in seiner Beschwerde, die ihm in der Verhandlung vorgehalten wurden, erklärte der Beschwerdeführer, dass er keine Zahlung leisten habe müssen. Fakt sei, dass jeder Verkäufer ein Papier unterschreiben müsse, in dem er für das Auto und für die Lebensmittel eine Haftung in der Höhe von 200.000 Lira übernehme. Das habe er erwähnt. Der Verkäufer habe nichts bezahlt, nachdem das Auto weg gewesen sei, und sie hätten nichts bezahlt, um das Auto wieder zu bekommen.

Bei den Bekannten habe es sich um weitschichtige Verwandte gehandelt. Der Vorfall habe sich im August zur 2013 ereignet; das Auto hätten sie am XXXX2013 zurückgekommen. Er habe über den Wagen nicht von seinen Cousins erfahren (diese seien zu dem Zeitpunkt schon ausgereist gewesen).

Zu den Ladungen befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass die erste Ladung an seine alte Adresse (des inzwischen zerstörten Hauses) gerichtet gewesen sei. Die Polizei habe von dieser Zerstörung gewusst, deshalb sei der Brief an die Firma weitergeleitet worden. Er sei benachrichtigt worden, dass er eine Ladung erhalten habe, daher habe er Angst gehabt und sei nicht mehr die Firma gegangen. Die zweite Ladung sei ca. drei Wochen später auch an die Firma zugestellt worden. Er sei in den letzten Wochen vor seiner Flucht gar nicht mehr der Firma gewesen. Die Ladungen habe er von einem Freund erhalten. Er habe diesen Freund gebeten, zu der Firma zu gehen und von einem Angestellten diese Ladungen entgegenzunehmen, weil er in Erfahrung gebracht habe, dass dieser Freund nach Schweden kommen werde. Der Freund habe diese zwei Ladungen von dem Angestellten der Firma übernommen, und, als er geflüchtet sei, habe er dem Beschwerdeführer diese zwei Ladungen gegeben. Der Freund sei in Österreich angehalten worden und sei gezwungen gewesen, in Österreich einen Asylantrag zu stellen. Seinen Koffer habe er vorher zu jemand nach Schweden geschickt. Dieser Koffer sei wieder zurückgekommen, dann habe er dem Beschwerdeführer diese zwei Ladungen geben. Deshalb habe der Beschwerdeführer diese Ladungen auch noch nicht vor der belangten Behörde vorlegen können.

Befragt, was bei einer allfälligen Rückkehr nach Syrien geschehen würde, gab der Beschwerdeführer zur Antwort, dass er glaube, dass er sofort verhaftet werden würde, weil er von der Polizei gesucht werde.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers merkte an, dass Syrien kein Rechtsstaat sei und was mit Personen passiere, die verhaftet und verhört würden, sei ebenfalls klar. Mit einer normalen polizeilichen Befragung in Österreich habe das nichts zu tun. Dass bei der Verfassung der Beschwerde offenbar die Dinge durcheinander gekommen seien (die Beschwerde wurde nicht vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers verfasst, sondern noch von der Rechtsberatung, Anmerkung sei zwar bedauerlich und vermutlich auf sprachliche Verständigungsschwierigkeiten zurückzuführen; es seien diese aber in der gründlichen Befragung in der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht aufgeklärt worden. Wie der Beschwerdeführer selbst gesagt habe, sei es ihm und seiner Familie in Syrien trotz des Krieges nicht schlecht gegangen. Alleine wegen der Zerstörung des Hauses wird der daher keinen Grund gehabt, das Land zu verlassen. Dies sollte seinen Aussagen höhere Glaubwürdigkeit verleihen.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers machte keine eigenen Asylgründe geltend. Ihr Ehemann habe ihr zwei Tage vor seiner Ausreise erzählt, dass die Sicherheitsbehörde nach ihm suche. Er habe aber die Gründe dafür nicht genannt.

Die zuständige Richterin brachte Länderberichte (Anlage 2 zum Protokoll) in die Verhandlung ein. Es sind diese:

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (03.03.2014)

* UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 3. aktualisierte Fassung, http://www.unhcr.at/fileadmin/rechtsinfos/fluechtlingsrecht/6_laenderinformationen/6_2_asien/SYR_102014.pdf (aufgerufen 04.05.2015)

* Home Office, Country Information and Guidance, Syria: Security and humanitarian situation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/388629/CIG_-_Syria_-_Security_Situation_-_2014-12-16_-_v1_r.pdf (aufgerufen 04.05.2015)

* Human Rights Watch: World Report 2014 - Syria, 21.01.2014, http://www.refworld.org/docid/52dfddae247.html (aufgerufen 04.05.2015)

* UN General Assembly, Report of the independent international commission of inquiry on the Syrian Arab Republic, 13.08.2014, http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/IICISyria/Pages/IndependentInternationalCommission.aspx (aufgerufen 04.05.2015)

* USDOS, Syria 2013 Human Rights Report, http://www.state.gov/documents/organization/220588.pdf (Zugriff: 22.01.2015)

* Human Rights Watch World Report 2015, Country Chapter Syria, http://www.hrw.org/world-report/2015/country-chapters/syria?page=2 (aufgerufen 04.05.2015)

Die Beschwerdeführer verzichteten auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderberichten.

13. Die vorgelegten polizeilichen Ladungen wurden einer Echtheitsprüfung durch das Bundeskriminalamt unterzogen. Dazu wurde vom Bundeskriminalamt festgestellt, dass keine Abänderungen bzw. Hinzufügungen festgestellt werden konnten, dass aber auch keine Aussage über deren Echtheit gemacht werden könne.

14. Das Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung wurde den Parteien zur Stellungnahme zugestellt. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer wiederholte mit Hinweis darauf, dass keine Hinweise einer Fälschung oder Verfälschung hervorgekommen seien, was die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführer diesbezüglich stärke, den Antrag, den Beschwerdeführern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der arabischen Bevölkerungsgruppe und moslemischen (sunnitischen) Glaubens.

Der Beschwerdeführer arbeitete als Verkaufsleiter bei einer Lebensmittelfirma in Syrien. Der Leiter der Firma wurde verdächtigt, die Oppositionellen zu unterstützen, und floh 2011 aus Syrien. Auch die Verkaufsleiter standen unter dem Verdacht, Oppositionelle zu unterstützen. Ein Kollege des Beschwerdeführers, der auch Verkaufsleiter war, wurde 2012 für sechs Monate inhaftiert und gefoltert. Ein anderer Kollege verschwand spurlos. Im August 2013 wurde ein Firmenlieferwagen der Firma samt Inhalt (Lebensmittel) von Zugehörigen der freien syrischen Armee geraubt. Die Firma erstattete Anzeige bei der Polizei. Einige Wochen später wurde der Lieferwagen von Bekannten des Beschwerdeführers in ihrer Gegend gesichtet. Sie berichteten dem Beschwerdeführer, dass man mit den Leuten, die den Wagen geraubt hätten, reden könne, damit sie diesen wieder zurückgeben würden. Nach Zustimmung des Beschwerdeführers zu dieser Vorgangweise wurde der Wagen (ohne Inhalt) zurückgegeben, ohne dass eine Zahlung dafür erfolgte. Daraufhin sollte der Beschwerdeführer von der Polizei vernommen werden. Im September 2013 wurde der Beschwerdeführer von Angestellten der Firma darüber informiert, dass eine polizeiliche Ladung an ihn an die Firma zugestellt worden war. Etwa drei Wochen später erging eine zweite "Zwangsladung" an die Firma. Der Beschwerdeführer suchte nach der ersten Ladung nicht mehr die Firma auf und beschloss zu fliehen. Am XXXX2013 reiste er aus Syrien aus.

Bei einer Rückkehr nach Syrien würde der Beschwerdeführer, nachdem er den polizeilichen Ladungen nicht nachgekommen ist, bereits bei der Einreise festgenommen werden. Durch seine Flucht vor den Sicherheitskräften und seine Asylantragstellung im Ausland ist vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte davon auszugehen, dass ihm von den syrischen Behörden eine regimekritische Haltung unterstellt würde und er damit verbunden eine Verhaftung und Bestrafung bis hin zu Misshandlungen und allenfalls sogar der Tötung zu erwarten hätte. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine für eine Asylgewährung hinreichend intensive Verfolgung durch die syrischen Behörden zu befürchten hätte.

1.2. Zur hier relevanten Situation in Syrien:

Nach einem Bericht von HRW - Human Rights Watch: World Report 2015 - Syria, setzen die Sicherheitskräfte willkürliche Verhaftungen fort und setzen sie regelmäßigen Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen aus, indem sie sich eines breiten Netzwerks von Haftanstalten in ganz Syrien bedienen. Viele Gefangene sind junge Männer im Alter von 20 oder 30 Jahren. Jedoch werden Kinder, Frauen und ältere Personen ebenfalls gefangen gehalten. In einigen Fällen gab es Berichte, wonach Sicherheitskräfte ihre Familienmitglieder, einschließlich Kinder, festhielten, um sie zu zwingen, sich zu stellen. Am 30. August schätzte das syrische Netzwerk für Menschenrechte, eine lokale Beobachtungsgruppe, dass ca. 85.000 Menschen von der Regierung festgehalten werden, unter Bedingungen, die einem erzwungenen Verschwinden gleichkommen.

Freigelassene Gefangene und MitarbeiterInnen der Sicherheitskräfte, die sich abgesetzt haben ("defectors"), berichten von einer Anzahl von Foltermethoden, die von den syrischen Sicherheitskräften verwendet werden. Dazu zählen langes Schlagen - oft mit Schlagstöcken und Drähten - schmerzhafte Stresspositionen, Elektroschocks, sexuelle Angriffe, das Ziehen von Fingernägeln und Scheinhinrichtungen. Mehrere frühere Gefangene sagen aus, dass sie erlebten, wie Menschen an der Folter in der Haft starben. Laut lokalen AktivistInnen starben im Jahr 2013 490 Gefangene. (Human Rights Watch 21.01.2014).

Es ist notorisch, dass es im Bürgerkrieg in Syrien zu durch staatliche Stellen zu verantwortende Menschenrechtsverletzungen kommt. Mitglieder aller Konfliktparteien in Syrien haben schwere Verletzungen im Bereich Menschenrechte und humanitäres Recht begangen. (Human Rights Watch 21.01.2014).

Personen, die in Opposition zur Regierung stehen oder von denen vermutet wird, dass sie in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich - aber nicht darauf beschränkt - Mitglieder der Oppositionsparteien, Prostestierende, Aktivisten oder andere, von denen angenommen wird, dass sie mit der Opposition sympathisieren, sind laut UNHCR einem erhöhtem Risiko ausgesetzt (UNHCR, International Protection Considerations with regard to people fleeing the Syrian Arab Republic, Update römisch III, October 2014).

Nach dem Bericht des US Department of State (Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Syria) verhaftete die syrische Regierung routinemäßig Dissidenten und frühere Staatsbürger mit nicht bekannter politischer Zugehörigkeit, die versuchten nach Jahren oder sogar Jahrzehnten im selbstverhängten Exil ins Land zurückzukehren. Die syrische Regierung griff auch aktiv Familienmitglieder von Regierungskritikern und von Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen an und nahm diese willkürlich fest.

Nach demselben Bericht (US Department of State) wurden Personen, die erfolglos in anderen Ländern um Asyl angesucht haben und solche, die in der Vergangenheit Verbindung mit der Muslimbruderschaft hatten, bei ihrer Rückkehr gerichtlich belangt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus den von ihm im behördlichen Verfahren vorgelegten Dokumenten (insbesondere syrischer Reisepass, Auszug aus dem Familienstandsregister, Heiratsurkunde).

Die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers gründen sich auf folgende Überlegungen:

Der in den Ausführungen der belangten Behörde zum Fluchtvorbringen zum Ausdruck kommenden Ansicht, dass der Beschwerdeführer in Syrien keinen staatlichen Verfolgungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei oder im Falle seiner Rückkehr ausgesetzt wäre, ist vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte zu seinem Herkunftsstaat nicht zu folgen.

Dem Beschwerdeführer ist es in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gelungen, die (vermeintlichen) Widersprüche bezüglich seiner Aussagen in den Vernehmungen aufzulösen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer zu Recht darauf beruft, dass die Erstbefragung in erster Linie zur Ermittlung der Fluchtroute dient. Dem Beschwerdeführer ist auch dahingehend zu folgen, dass in der Aussage, dass er einen guten Kontakt zu seinem Chef gehabt habe, nach dessen Flucht aber keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt habe, kein Widerspruch erblickt werden kann. Auch bezüglich der Jahresangaben der Flucht seines Chefs hat sich der Beschwerdeführer bei der Einvernahme vor der belangten Behörde sofort korrigiert. Auch ist es nachvollziehbar, dass nicht alle leitenden Angestellten der Firma verfolgt wurden oder werden, da der Beschwerdeführer offenbar aufgrund des Raubs des Firmenlieferwagens durch die freie syrische Armee und die Wiedererlangung des Wagens mit Hilfe des Beschwerdeführers in das Blickfeld der Polizei geriet, bei den Sicherheitskräften möglicherweise besondere Verdachtsmomente aufkeimten und sie diesbezüglich den Beschwerdeführer einvernehmen wollten. Überdies ist der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass der Pass des Beschwerdeführers bereits vor den Ereignissen mit dem Kastenwagen, durch die der Beschwerdeführer in das Blickfeld der syrischen Behörden geraten ist, ausgestellt wurde.

Aufgrund der Ausführungen in der Verhandlung, in der der Beschwerdeführer glaubwürdige Korrekturen (sogar seiner eigenen Beschwerde, in der offenbar aufgrund eines Missverständnisses seine Cousins in die Geschichte miteinbezogen wurden, sowie der Klarstellung, dass sein Kollege nicht gesagt habe, dass er den Namen des Beschwerdeführers der Polizei genannt habe) und der Vorlage des Dankschreibens der Firma des Beschwerdeführers für die Wiedererlangung des Lieferwagens sowie der beiden polizeilichen Ladungen, bei denen jedenfalls keine Verfälschungen festgestellt werden konnten, wird von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen.

Auch der Verweis des Beschwerdeführers auf Feststellungen zur Rückkehrsituation von Asylbewerbern nach Syrien, etwa in "UK Home Office, Operational Guidance Note Syria vom 21.02.2014", in welchem sich wesentliche Passagen der Feststellungen zur "Behandlung bei Rückkehr" fänden und etwa auch ausgeführt werde, dass es als illoyaler Akt und als Zeichen oppositioneller Gesinnung gelte, im Ausland Asyl zu beantragen, was das Risiko, willkürlich verhaftet zu werden, erhöhe, ist von Relevanz.

Es ist notorisch, dass es im Bürgerkrieg in Syrien zu durch staatliche Stellen zu verantwortende Menschenrechtsverletzungen kommt (siehe - illustrierend den mit 15.12.2011 datierten Bericht von Zeit - Online "Syrien soll Tötungsquote vorgeschrieben haben" beruhend auf entsprechenden Berichten von Human Rights Watch sowie den Bericht von Sir Desmond de Silva u.a. vom Jänner 2014. Mitglieder aller Konfliktparteien in Syrien haben schwere Verletzungen im Bereich Menschenrechte und humanitäres Recht begangen. (Human Rights Watch 21.01.2014).

Aufgrund der von der belangten Behörde und vom Bundesverwaltungsgericht getätigten Länderfeststellungen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer einerseits aufgrund des Verdachts der Sicherheitskräfte, dass einige leitende Personen der Firma Oppositionelle unterstützen würden sowie der konkreten Wiedererlangung eines Firmenlieferwagens von der freien syrischen Armee und der Tatsache, dass er den polizeilichen Ladungen nicht Folge geleistet hat, von den Sicherheitsbehörden als regimekritisch eingestuft wird.

Es ist notorisch, dass es bei der Rückkehr von erfolglosen Asylwerbern nach Syrien zu einer Befragung der Rückkehrer an der Grenze kommt und es nicht ausgeschlossen werden kann, dass in der Asylantragstellung in einem anderen Land eine regimekritische Haltung des Beschwerdeführers erblickt wird. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Gefährdung des Beschwerdeführers noch verstärkt wird.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass aufgrund der besonderen Situation in Syrien die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, relativ niedrig ist. Vor diesem Hintergrund ist auch auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, in welcher eine asylrechtlich relevante Verfolgung auch in einer Anknüpfung an die seitens des Verfolgers nur unterstellte politische Gesinnung gegeben sein kann (z.B. VwGH 14.05.2002, 98/01/0327). In Hinblick auf die Art des aktuellen Vorgehens des syrischen Regimes gegenüber (vermeintlichen) Regimegegnern bzw. politisch Andersdenkenden ist davon auszugehen, dass die zu erwartende Bedrohung oder Bestrafung des Beschwerdeführers als (möglicher) Regimegegner in Form von Befragung/Anhaltung/Inhaftierung, verbunden mit der erheblichen Gefahr von Misshandlung, Folter und Tod, oder dem "Verschwindenlassen" erfolgen wird.

Die belangte Behörde hat im Fall des Beschwerdeführers das Vorliegen einer allgemeinen Bedrohungssituation bzw. einer allfälligen Verletzung des Artikel 3, EMRK bejaht, indem sie ihm im Spruchteil römisch II. des o.a. Bescheides den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hat. Die belangte Behörde hat aber im Fall des Beschwerdeführers verkannt, dass sehr wohl darüber hinaus Anhaltspunkte gegeben sind, dass ihm wegen der Flucht vor der polizeilichen Einvernahme in Verbindung mit seiner Asylantragstellung im Ausland eine regimekritische Gesinnung unterstellt wird und eine aktuelle individuelle Verfolgung in seinem Heimatstaat droht.

2.2. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den genannten Quellen. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen auch die Verfahrensparteien nicht entgegengetreten sind, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt ge-genständlich Einzelrichterzuständigkeit vor. Die gegenständliche Beschwerde ist zulässig und rechtzeitig eingebracht worden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 in der Fassung BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgaben-ordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchteil A):

Gemäß Paragraph 3, AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974, (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß Paragraph 11, AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß Paragraph 6, AsylG 2005 gesetzt hat.

Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 17, AsylG 2005 ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen.

Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der dem Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 zugrunde liegenden, in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung vergleiche VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen vergleiche VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt vergleiche VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352; VwGH 21.03.2002, Zl. 99/20/0401; VwGH 22.05.2003, Zl. 2001/20/0268, mit Verweisen auf Vorjudikatur).

Im vorliegenden Fall erschließt sich aus den Länderberichten und hat in diesem Zusammenhang auch die beschwerdeführende Partei glaubhaft gemacht, dass ihr in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Diese Verfolgung geht von staatlichen Stellen aus und droht dem Beschwerdeführer, weil er sich den polizeilichen Ladungen durch Flucht entzogen hat. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Sanktionierung seines Verhaltens nicht bloß die Abhandlung eines rechtstaatlichen Verfahrens droht, sondern er vielmehr mit willkürlicher Bestrafung bis hin zu seiner extralegalen Tötung zu rechnen hat. Die hinreichende Intensität solcher Verfolgungshandlungen bedarf aufgrund der derzeitigen Situation mit einer Vielzahl schwerer Menschenrechtsverletzungen keiner weiteren Begründung. Es liegt somit eine individuelle Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vor.

Da dem Beschwerdeführer bereits bei der Einreise nach Syrien die Verhaftung drohen würde, ist auch eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht vorhanden. Ebenso ist das Vorliegen von Asylendigungs- oder Ausschlussgründen nicht zu erkennen.

Daher war gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins des im Spruch bezeichneten Bescheides stattzugeben, der beschwerdeführenden Partei der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass dieser somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.4. Zu Spruchteil B):

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche die unter Punkt 3.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2015:W214.2009578.1.00