Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

14.07.2015

Geschäftszahl

L506 1432631-1

Spruch

L506 1432631-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL über die Beschwerde der mj. römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. VR China, vertreten durch die Mutter römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 21.01.2013, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Die mj. Beschwerdeführerin (nachfolgend BF), eine Staatsangehörige der VR China, wurde am römisch 40 in Österreich geboren und stellte am 07.01.2013 durch ihre Mutter einen Antrag auf internationalen Schutz iSd Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG. Die Mutter der BF teilte mit, sie berufe sich auf die Fluchtgründe in ihrem Verfahren und beantrage sie für die BF die Gewährung desselben Schutzes; eigene Fluchtgründe habe sie für ihr Kind nicht vorzubringen.

2. Am 18.01.2013 langte beim BAA die Geburtsurkunde, ausgestellt am 18.01.2013 vom Standesamtsverband römisch 40 betreffend die BF ein.

3. Der Antrag auf internationalen Schutz der BF wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 21.01.2013 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt römisch eins.). Gem. Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG wurde die Ausweisung der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die VR China verfügt.

4. Gegen diesen Bescheid des BAA wurde durch die Mutter der BF als deren gesetzliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben.

Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

5. Dem Vater der BF wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.03.2013 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Am römisch 40 haben die Eltern der BF am Standesamtsverband römisch 40 geheiratet.

6. Der gegenständliche Verwaltungsakt wurde mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt und langte dieser am 24.03.2015 bei dieser Gerichtsabteilung ein.

7. Am 27.05.2015 langte hg. ein Schreiben der gesetzlichen Vertreterin der BF ein, in welchem diese erklärte, sie ziehe ihr eigenes Fluchtvorbringen zurück, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass ihr und der minderjährigen Tochter im Rahmen des Familienverfahrens Asyl gewährt werde.

8. Da der Bescheid des BAA bereits vor mehr als zwei Jahren erlassen wurde, wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Schreiben vom 02.06.2015 gem. Paragraph 45, (3) AVG Beweis erhoben, dh. den Parteien des Verfahrens Länderfeststellungen zur VR China zugestellt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt; somit wurde aufgrund der vorliegenden aktuelleren Feststellungen zur VR China (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vergleiche etwa Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß - im Zusammenhang mit Entscheidungen nach Paragraph 4, AsylG 1997 - das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) bestätigt, dass die Feststellungen des BAA nach wie vor gültig sind (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise in diesem speziellen Fall siehe Erkenntnis des VwGH vom 17.10.2006, Zahl:

2005/20/0459-5, ebenso Beschluss des VwGH v. 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6; vergleiche auch Erk d. VfGH v. 10.12.2008, U 80/08-15, wo der unterlassene schriftliche Vorhalt an den BF nach dem Verstreichen eines mehrjährigen Zeitraumes seit der Einbringung eines Rechtsmittels gegen den angefochtenen Bescheid in Bezug auf die aktuelle asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat und die Einräumung der Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen [neben dem zusätzlichen Unterlassen der Durchführung einer Verhandlung] ausdrücklich als Akt der behördlichen Willkür bezeichnet wurde und hieraus e contrario ableitbar ist, dass aus der Sicht des VfGH die Durchführung einer schriftlichen Beweisaufnahme gem. Paragraph 45, AVG im hier erörterten Umfang einen tauglichen Ermittlungsschritt darstellen kann, welcher das erkennende Gericht von der Verpflichtung zur Durchführung einer Verhandlung in gewissen Fällen befreien kann. Ein solcher Fall liegt hier vor.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) ließ diese Frist zur Stellungnahme ungenützt verstreichen.

Die BF brachte ebensowenig eine Stellungnahme ein.

9. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der gesetzlichen Vertreterin der BF, des Bescheidinhaltes, des Inhaltes der gegen den Bescheid des BAA erhobenen Beschwerde, sowie durch Einsichtnahme in die Akte des Vaters und der Mutter der BF.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß Paragraph 75, Absatz 17, AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Bundesasylamt anhängigen Verfahren ab 01.01.2014 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu Ende zu führen.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesasylamtes richtet, der vor dem 31.12.2013 erlassen wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

1.1.2. Gemäß Paragraph 6, des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 10 aus 2013,, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt 122 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg. cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-G bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Gemäß Paragraphen 16, Absatz 6 und 18 Absatz 7, BFA-VG sind die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

1.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß Paragraph 75, Absatz 19 AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 144 aus 2013, sind alle mit Ablauf des 31. Dezember beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen.

Paragraph 75, Absatz 20, AsylG normiert, dass, wenn das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Absatz 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 4, des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 4, folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 7, aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 9, aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht gem. Paragraph 75, Ab. 20 AsylG in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Ziffer 5 und 6 darf kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegen.

Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.

Gemäß Paragraph 28, Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß Paragraph 28, Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß Paragraph 28, Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Absatz 2, nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß Paragraph 21, Absatz 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

2. Feststellungen

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

Die Beschwerdeführerin ist die minderjährige Tochter ihrer Mutter römisch 40 und ihres Vaters römisch 40 .

Dem Vater der Beschwerdeführerin wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.03.2013, GZ römisch 40 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und ist gegen diesen kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

Eigene Fluchtgründe sind für die BF im Verfahren nicht hervorgekommen.

Im Übrigen wird auf die Feststellungen des den Vater betreffenden Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 11.03.2011 zu oa. GZ verwiesen.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

2. Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzt 1.36 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2014) der bevölkerungsreichste Staat der Welt, bei einer Fläche von 9.596.960 km2 (CIA 22.6.2014). Sie ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", der der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 3.2014a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 3.2014a). Die Volksrepublik China ist keine Wahldemokratie (FH 23.1.2014). Sie ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Regierungs-, Polizei- und Militärposten werden von Mitgliedern der Kommunistische Partei inne gehalten, sowie auch jene in vielen wirtschaftlichen Einrichtungen und sozialen Organisationen (USDOS 27.2.2014). Die KPCh ist somit entscheidender Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 3.2014a, vergleiche USDOS 27.2.2014).

An der Spitze der Volksrepublik stehen der Staatspräsident sowie der Ministerpräsident. Dem Ministerpräsidenten obliegt die Leitung des Staatsrats, d.h. der Regierung. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 3.2014a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 23.1.2014). Gemäß der Verfassung ist der NVK formal das höchste Organ der Staatsmacht (AA 3.2014a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 23.1.2014). Eine Opposition gibt es nicht. Die in der "Politischen Konsultativkonferenz" organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KPCh zusammengeschlossen und haben eine beratende Funktion ohne eigene politische Gestaltungsmöglichkeiten (AA 3.2014a). Beim 18. Kongress der Kommunistischen Partei China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Für die nächsten fünf Jahre wurden ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt. römisch zehn i Jinping wurde zum Generalsekretär der KPCh und zum Leiter der Zentralen Militärkommission gekürt. Mit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 gilt dieser Führungswechsel als abgeschlossen. Seitdem ist römisch zehn i Jinping auch Präsident Chinas (AA 3.2014a, vergleiche FH 23.1.2014). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 27.2.2014). Die neue Staatsführung soll zehn Jahre im Amt bleiben, wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt, mit der Möglichkeit zur Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode (Die Zeit 14.3.2013). Vorrangige Ziele der Regierung sind die weitere Entwicklung Chinas und die Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch den Machterhalt der Kommunistischen Partei Chinas. Politische Stabilität wird als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen angesehen. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind der Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, der Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, die Schaffung eines nachhaltigeren Wachstums, die verstärkte Förderung der Landbevölkerung, der Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere der Umweltschutz und die Nahrungsmittelsicherheit. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber auch noch einmal deutlich aufgezeigt. Die neue Führung hat ihren Willen zur Kontinuität der bisher betriebenen Politik betont (AA 3.2014a).

Quellen:

http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 17.10.2014

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 17.10.2014

3. Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Ländereien oder die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen. Die Anzahl sog. "Massenzwischenfälle" soll 2012 bei ca. 200.000 gelegen haben und schnell zunehmen. Massenzwischenfälle sind nach chinesischer Definition nicht genehmigte Demonstrationen und Proteste, an denen sich mehr als 100 Personen beteiligen. Wie verlässlich die genannten Zahlen sind, bleibt offen. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (AA 15.10.2014). Anhand von offiziellen und akademischen Statistiken wird die Zahl der Proteste auf 300-500 pro Tag geschätzt, mit Teilnehmerzahlen von zehn bis Tausenden (HRW 21.1.2014, vergleiche, FH 23.1.2014a).

Nach den Massenkundgebungen der Demokratiebewegung in Hongkong ist noch keine Einigung mit den Behörden in Sicht (DW 7.10.2014). Auf dem Höhepunkt der Proteste hatten bis zu 100.000 Menschen in der früheren britischen Kronkolonie für mehr Demokratie demonstriert. Sie verlangen den Rücktritt von Verwaltungschef Leung Chun Ying. Zudem protestieren sie dagegen, dass die Regierung in Peking bei der 2017 anstehenden Wahl eines Nachfolgers nur vorab bestimmte Kandidaten zulassen will (TR 20.10.2014).

Quellen:

http://www.dw.de/beharren-auf-demokratie-in-hongkong/a-17980006, Zugriff 22.10.2014

20.10.201

http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEKCN0I90NZ20141020, Zugriff 22.10.2014

3.1. Regionale Problemzone Tibet, inkl. ethnische Minderheit der Tibeter und deren Religionsfreiheit

Die "Autonome Region Tibet" (TAR) bezeichnet einen Teil des Qinghai-Tibet Plateau, welches traditionell drei tibetische Provinzen ausmachte: Zentraltibet, Kham und Amdo. Amdo selbst wurde von der chinesischen Zentralregierung in eine separate Provinz eingeteilt und Qinghai benannt, während der Großteil von Kham und Amdo in verschiedene chinesische Provinzen wie Sichuan, Yunnan und Gansu eingeteilt wurden (TPI 2013).

China regiert Tibet über die Administrierung der "Autonomen Region Tibet" (TAR) und 12 autonomen Präfekturen oder Landkreisen in den nahegelegenen Provinzen Sichuan, Qinghai, Gansu und Yunnan (FH 23.1.2014b). Die ca. 6 Millionen ethnischen Tibeter leben außer in der "Autonomen Region Tibet" (TAR) auch in den Nachbarprovinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Yunnan. Ihr Lebensstandard hat sich zwar erheblich verbessert, doch liegen Jahreseinkommen und Lebenserwartung nach wie vor deutlich unter, die Säuglings- und Kindersterblichkeit und die Analphabetenrate deutlich über dem Landesdurchschnitt. Politische Schlüsselpositionen in der TAR sind überwiegend mit Han-Chinesen besetzt (AA 15.10.2014).

Laut der chinesischen Verfassung haben die autonomen Gebiete das Recht, eigene Richtlinien zu erlassen und die nationale Gesetzgebung in Einklang mit den lokalen Bedingungen umzusetzen. In der Praxis liegt die Macht der Entscheidungsfindung in den Händen der hochrangigen, ethnisch chinesischen Beamten der KPCh. Die wenigen ethnischen Tibeter, die hochrangige Positionen innehaben, fungieren zumeist als Aushängeschilder und geben die offizielle Doktrin betreffend Tibet weiter (FH 23.1.2014b).

Als Mitglieder einer offiziell anerkannten Minderheitengruppe haben Tibeter bevorzugte Behandlung bei Zulassungsprüfungen für die Universität, aber dies ist oft nicht genug, um den Zugang zu sichern. Die dominante Rolle der chinesischen Sprache in der Bildung und am Arbeitsmarkt schränkt die Möglichkeiten für viele Tibeter ein. Die restriktive Familienplanungspolitik wird auf Tibeter und andere ethnische Minderheiten nachsichtiger angewandt als auf ethnische Chinesen. Die Behörden schränken Tibeter in der Stadt auf zwei Kinder ein und regen Tibeter in ländlichen Gebieten an, nicht mehr als drei Kinder zu bekommen (FH 23.1.2014b).

Im Rahmen der Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung und engeren Anbindung Tibets ist

eine wirtschaftlich motivierte Zuwanderung von Han-Chinesen nach Tibet zu beobachten, die

wegen ihrer Sprachkenntnisse und Ausbildung häufig überproportional von Fördermaßnahmen profitieren. Zudem bieten viele Infrastrukturprojekte keine langfristigen Beschäftigungsmöglichkeiten für Tibeter, die nach wie vor zu 80% von der Landwirtschaft leben (AA 15.10.2014). Chinesische Arbeitgeber bevorzugen Chinesen. Diese Faktoren schüren tibetische Ängste der Marginalisierung und Assimilierung (FH 23.1.2014b). Proteste von Mönchen, die am 10. März 2008 zur Erinnerung an den 49. Jahrestag des Aufstandes vom 10. März 1959 in Lhasa begannen, entwickelten sich am 14. März zu gewalttätigen Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei. Die Proteste breiteten sich weitläufig, nicht nur auf Städte der Autonomen Region Tibet, sondern auch auf tibetische Gebiete in anderen Provinzen Chinas, aus. Die US Congressional-Executive Comission on China erhielt aus 52 Orten Berichte über eine oder mehrere Protestaktionen zwischen dem 10. März und dem 10. April 2008. Offizielle Staatsmedien berichteten von

4.434 Festnahmen in den tibetischen Regionen zwischen März und April 2008. Einige NGOs gehen jedoch von mehr als 6.500 aus. Für die verschiedenen Regionen gab es "Ultimaten zur Kapitulation". Die an den Ausschreitungen Beteiligten sollten sich innerhalb bestimmter Fristen bei den Behörden stellen und so strengeren Strafen entgehen. Bis zum 9. April 2008 wurden von den 2.566 Personen, die sich in der Autonomen Region Tibet und in der Autonomen Präfektur Gannan offiziell selbst den Behörden stellten, 2.198 (86%) wieder freigelassen (BAA Staatendokumentation 20.11.2009). Die Lage in der TAR und den benachbarten tibetischen autonomen Gebieten in Qinghai, Sichuan, Gansu und Yunnan blieb, nach der massiven Niederschlagung der Proteste 2008 und der Einführung von Maßnahmen die tibetischen Klöster unter direkte Kontrolle der Regierungsbeamten zu stellen, weiterhin angespannt. Chinesische Sicherheitskräfte sind stark präsent und die Behörden schränken den Zugang und Reisen in tibetische Gebiete stark ein, insbesondere für Journalisten und ausländische Besucher (HRW 21.1.2014). Verstärkt wurden Einschränkungen der Bewegungsfreiheit eingesetzt, in zeitlicher Nähe von politisch sensiblen Jahrestagen und in Gebieten, in denen Selbstverbrennungen stattfanden. Die Behörden unterdrücken religiöse Aktivitäten, insbesondere solche, die als Ausdruck von Widerspruch oder Einsatz für eine tibetische Unabhängigkeit betrachtet werden (FH 23.1.2014b; vergleiche USDOS 27.2.2014). Das Recht von Tibetern, ihre eigene Kultur zu pflegen und zu fördern, sowie ihre Rechte auf Religionsfreiheit, freie Meinungsäußerung und friedliche Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit werden weiterhin unterdrückt (AI 23.5.2013). Das rigorose Vorgehen in Bezug auf die Sicherheit, das nach einem Aufstand 2008 eingeführt wurde, wurde 2013 im Allgemeinen beibehalten und zunehmend auf tibetische Gebiete außerhalb der TAR ausgedehnt (FH 23.1.2014b).

Die individuelle Religionsausübung buddhistischer Laien ist in Tibet weitgehend gewährleistet, dagegen unterliegt der Lamaismus strukturellen Restriktionen. Diese bestehen z.B. in der Verhinderung von Klosterbeitritten vor Vollendung des 18. Lebensjahres und in der Beschränkung der Anzahl von Mönchen und Nonnen auf das "für die normale religiöse Versorgung der Bevölkerung erforderliche Maß" (in der TAR über 1.700 Klöster, in allen vier tibetisch besiedelten Provinzen über 3.300 Klöster mit insgesamt über 115.000 Mönchen und Nonnen). Mönche und Nonnen müssen regelmäßig "sozialistische Schulungskampagnen" durchlaufen, die u. a. eine öffentliche Distanzierung vom Dalai Lama beinhalten. Den offiziellen Besuchern religiöser Institutionen ist eine - wenngleich kontrollierte - Religionsausübung möglich (AA 15.10.2014). Der Besitz von Materialen, die Bezug zum Dalai Lama haben, kann auch Belästigungen durch die Behörden nach sich ziehen, die meisten Tibeter besitzen diese insgeheim. Ideologische Schulungskampagnen wurden 2013 weiter ausgedehnt und reichten in die meisten Klöster, sie wurden auch auf die Laien ausgedehnt. In diesen Kampagnen musste der Dalai Lama denunziert werden und Propagandafilme wurden gezeigt (FH 23.1.2014b; vergleiche USDOS 27.2.2014). Behördenvertreter nahmen immer mehr Einfluss auf die Verwaltung von Klöstern und verwiesen Mönche aus diesen (AI 23.5.2013). Tibeter, die verdächtigt werden, der Politik, Religion, Kultur oder Wirtschaftspolitik gegenüber kritisch zu sein, werden durch Anklagen wegen "Separatismus" ins Visier genommen (HRW 21.1.2014; vergleiche AA 15.10.2014). Die Regierung geht gegen vermeintlich separatistische Kräfte in Tibet mit besonderer Härte vor (AA 15.10.2014). Im Laufe des Jahres 2013 setzten sich 26 Tibeter selbst in Brand um gegen die chinesische Herrschaft zu protestieren. Die Behörden antworteten hierauf mit Kampagnen zur "patriotischen Erziehung", Ausschalten der Kommunikationswege und neuen, eindringlichen Kontrollen in Klöstern (FH 23.1.2014b). Von den Überlebenden, die von den chinesischen Behörden als Extremisten behandelt werden, fehlt jede Information. Die Gebiete sind für ausländische Diplomaten und Journalisten gesperrt. Nach Selbstverbrennungen in Lhasa kommt es immer wieder zu temporären Sperrungen oder Einschränkungen der Einreisemöglichkeiten nach Tibet. Zur Abschreckung sind die lokalen Behörden in den tibetischen Gebieten (also auch außerhalb der TAR) seit Frühjahr 2013 dazu übergegangen, Familienangehörige in Reaktion auf eine Selbstverbrennung in Haft zu nehmen. Auch wird seither die gesamte Dorfgemeinschaft zu einer Strafzahlung in empfindlicher Höhe verpflichtet. Jedoch haben diese Maßnahmen der Sippenhaft und der Kollektiv-Strafe den Trend nicht stoppen können (AA 15.10.2014).

Neben den Selbstverbrennungen hielten Tibeter auch Demonstrationen ab, als Protest gegen die kommunistische Herrschaft oder als Solidarität mit den Selbstverbrennungen (FH 23.1.2014b). Zahlreiche Personen, die an Protesten gegen die Regierung beteiligt gewesen sein sollen, wurden misshandelt, in Gewahrsam genommen, in nicht den Grundsätzen fairer Verfahren folgenden Gerichtsverfahren abgeurteilt oder Opfer von Verschwindenlassen (AI 23.5.2013). Ende Juni des Jahres 2013 - nach einer Welle von Selbstverbrennungen von Tibetern - wurde das Verbot die Bilder des Dalai Lamas aufzuhängen, in tibetischen Gebieten probeweise gelockert. Der Dalai Lama, der derzeit im indischen Exil lebt, darf als Religionsoberhaupt - nicht aber als politischer Anführer - wieder verehrt werden (Die Zeit 28.6.2013). Quellen:

www.zeit.de/news/2013-06/28/religion-china-lockert-harte-politik-gegenueber-dalai-lama-28103802, Zugriff 20.10.2014

3.2. Regionale Problemzone Autonome Uigurische Region Xinjiang, inkl. ethnische Minderheit der Uiguren und deren Religionsfreiheit

Auch in der Autonomen Region Xinjiang (XUAR) verfolgt die chinesische Zentralregierung einen zweigleisigen Ansatz: zum einen verstärkte Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung der Gefährdungs-Triade (religiöser) Extremismus, (ethnischer) Separatismus und (internationaler) Terrorismus, zum anderen Wirtschaftsförderung und Erhöhung des Lebensstandards der Menschen mit dem Ziel der Gewährleistung sozialer Stabilität bzw. Eindämmung von Unruhepotential (AA 15.10.2014). Die Menschenrechtsituation in Xinjiang bleibt angespannt. Während die chinesische Regierung durch große Infrastrukturinvestitionen versucht, die wirtschaftliche Entwicklung weiter voranzutreiben, werden gleichzeitig repressive Sicherheitstaktiken angewendet, um die oft frustrierte und diskriminierte uigurische Bevölkerung ruhig zu stellen und zu kontrollieren. Obwohl 40% der Bevölkerung der Provinz ethnische Uiguren sind, ist diese Volksgruppe politisch stark unterrepräsentiert, die religiösen Aktivitäten werden ebenfalls streng kontrolliert. Es kommt punktuell immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Uiguren und Han Chinesen, auf die oft, unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus, harsche Retorsionen durch Sicherheitsorgane folgen. Die Meldungen über langjährige Verurteilungen von Uiguren, auch wegen der einfachen Ausübung nichtangemeldeter religiöser Aktivitäten, mehren sich (ÖB 8.2013). Angesichts von Kontakten zwischen uigurischen Unabha ngigkeitsgruppen und fundamentalistischen Gruppierungen in den Anrainerstaaten geht die entralregierung gegen egliche (auch vermeintliche) Autonomie- und Unabha ngigkeitsbestrebungen mit großer Härte vor. 2013 erfolgte eine Eskalation der Gewalt, bei der ca. 200 Menschen ums Leben kamen. Die Gewaltspirale wird dabei zunehmend auch in andere Regionen Chinas getragen. 2013/2014 kam es zu drei, offenbar von Uiguren verübten Anschlägen, die sich gegen Unbeteiligte richteten. Am 15. Dezember 2003 veröffentlichte die Regierung zum ersten Mal eine offizielle Liste der in China als terroristisch eingestuften Vereinigungen, die weiterhin gültig ist, darunter: East Turkistan Islamic Movement, ETIM (auch in UN-Liste enthalten) Eastern Turkistan Liberation Organisation, ETLO, East Turkistan Information Center, ETIC (Ostturkistanisches Informationszentrum), World Uyghur Youth Congress, WUYC (AA 15.10.2014). Die Einschränkungen des Islams in der Region wurden 2013 weiterhin intensiviert (FH 23.1.2014a). Die Religionsausu bung wird in der Autonomen Region Xinjiang stärker kontrolliert als in anderen Landesteilen. Der Bau von Moscheen ist nicht verboten, unterliegt jedoch lokal unterschiedlichen Bedingungen, wie z.B. der Einschätzung der jeweiligen muslimischen Gemeinde durch das örtliche "Büro für Religiöse Angelegenheiten". Imame werden streng kontrolliert und müssen sich regelmäßig "patriotischen" Schulungen unterziehen. Die sichtbare Religionsausu bung (Gebet, Predigt) ist auf Moscheen beschränkt und in der Öffentlichkeit verboten. Die Uiguren beklagen Benachteiligungen im Berufs- und Ausbildungsbereich. Grund- und weiterführende Schulen sollen im Zuge einer Bildungsreform schrittweise in bilinguale Einrichtungen umgewandelt werden, was zu einer Zurückdrängung der uigurischen Sprache führt. Auch der Abriss von Teilen der historischen Altstadt von Kashgar, des islamisch-historischen Zentrums der Uiguren, offiziell mit Modernisierung und Erdbebensicherung begründet, wird als mangelnde Rücksichtnahme auf ihre kulturelle Identität wahrgenommen (AA 15.10.2014).

Das Mittlere Volksgericht in Ürümqi verurteilte den bekannten Bürgerrechtler Ilham Tohti am 23.09.2014 wegen Separatismus und Anstachelung zum Völkerhass zu lebenslanger Haft. Sein Vermögen wurde beschlagnahmt. Das Urteil gegen den von Beobachtern als moderat und gewaltfrei handelnd eingeschätzten Aktivisten wurde international scharf kritisiert. Es wird befürchtet, das Urteil könnte die angespannte Lage in Xinjiang weiter verschlechtern. Ein Grund für die Verurteilung des früheren Wirtschaftsprofessors war seine (nun abgeschaltete) Webseite Uygur Online, für die auch sieben seiner Studenten arbeiteten. Sie waren mit ihm verhaftet worden und erwarten Gerichtsverfahren (BAMF 29.9.2014).

Quellen:

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.10.2014). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 9.2013; vergleiche FH 23.1.2014a). Die Kommunistische Partei hält weiterhin die Macht über alle richterlichen Institutionen und Mechanismen und koordiniert die Arbeit der Justiz über politische und rechtliche Komitees (HRW 21.1.2014). Die Gerichte sind auf jeder Ebene administrativ und institutionell den jeweiligen Einheiten des Nationalen Volkskongresses verantwortlich, von denen sie laut Verfassung auch errichtet werden. Jedes Gericht verfügt über ein Rechtskomitee, bestehend aus dem Gerichtspräsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Leiter jeder Abteilung des Gerichts. Aufgabe ist es, bei "wichtigen und komplizierten Fällen" Anleitung zu geben. Das Problem ist, dass ein Richter, der einen solchen "komplizierten" Fall betreut, vor dem Urteilsspruch an das Rechtskomitee berichten muss. Es kommt daher zu der Situation, dass Personen, die den Prozess nicht gehört haben, Einfluss auf das Urteil nehmen (ÖB 9.2013). Das 3. Plenum des Zentralkomitees hat im November 2013 Beschlüsse zu einer Justizreform verabschiedet. Neben der Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" sind Kernthemen Fragen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, nicht zuletzt im Interesse der Korruptions- und Missbrauchsbekämpfung, der Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte und Professionalisierung der Justizarbeit. Die Zahl der Straftaten, die die Todesstrafe nach sich ziehen, soll reduziert werden. Die durchaus ermutigenden Ansätze einer Verrechtlichung werden allerdings durch den fortbestehenden umfassenden Führungsanspruch der Partei relativiert (AA 15.10.2014). Trotz laufender Reformbemühungen gibt es, vor allem auf unterer Gerichtsebene, noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern, was die unterschiedliche Rechtsqualität zwischen den Gerichten in den großen Städten und den kleineren Städten erklärt (ÖB 9.2013). Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.10.2014).

Am 1. Jänner 2013 trat eine Novelle des chinesischen Strafprozessgesetzes in Kraft. Es handelt sich dabei um die umfassendste Reform des Strafrechts seit 16 Jahren. Neu aufgenommen wurde "die Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte". So sind z. B. gemäß Artikel 50, Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung verboten. Gemäß Artikel 83, sollen die Familien der Internierten innerhalb von 24 Stunden ab Strafarrest informiert werden, es sei denn es ist nicht möglich. Gemäß Artikel 188, tragen Ehepartner, Eltern und Kinder keine Beweispflicht mehr. Die Rechte der Verteidigung wurden in einigen Bereichen gestärkt. Polizeibehörden können Verdächtige nicht mehr zwingen sich selbst zu bezichtigen; dies könnte zu einem Rückgang an Foltervorfällen durch Polizeiorgane führen. Der Schutz jugendlicher Straftäter wird erhöht (ÖB 9.2013; vergleiche FH 23.1.2014a; AI 23.5.2013; AA 15.10.2014). Der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.10.2014).

Das neue Gesetz sieht allerdings vor, dass "Staatsicherheit gefährdende" Verdächtige an einem "designierten Ort" bis zu 6 Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können. Die Familie muss zwar formell innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Dieser Aufenthaltsort könnte auch außerhalb offizieller Einrichtungen sein. Rechtsexperten sehen darin eine signifikante Ausweitung der Polizeimacht, denn es ist zu befürchten, dass es an diesen geheimen Orten weiterhin zu Folterhandlungen kommen könnte (ÖB 9.2013; vergleiche FH 23.1.2014a; AI 23.5.2013). Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, die die Sicherheit des Staates gefährden" (Artikel 102 -, 114, chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf. (AA 15.10.2014). Der Vorwurf der "Gefährdung der Staatssicherheit" oder des "Terrorismus" sind vage Begriffe, die oft als Vorwand von Maßnahmen gegen Dissidenten verwendet werden;

ährlich werden ca. 1000 Personen wegen des Verdachts auf "Gefährdung der Staatssicherheit" festgehalten (ÖB 9.2013; vergleiche FH 23.1.2014a;

AI 23.5.2013). Häufig wurden Anklagen wegen "Gefährdung der Staatssicherheit", "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" oder "Preisgabe von Staatsgeheimnissen" erhoben und lang ährige Gefängnisstrafen gegen Personen verhängt, weil sie Internetblogs veröffentlicht oder als sensibel eingestufte Informationen ins Ausland weitergeleitet hatten. Der Staat benutzt somit das Strafrechtssystem dazu, seine Kritiker zu bestrafen (AI 23.5.2013). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von "Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, einen Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird ihm vom Gericht überhaupt ein Verteidiger bestellt (AA 15.10.2014).

Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Verstöße gegen das Recht von Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren und gegen andere ihrer Rechte waren gängige Praxis, darunter der verwehrte Zugang zu Anwälten und Familienangehörigen, Inhaftierungen über die rechtlich zulässige Zeitdauer hinaus sowie Folter und Misshandlung in Gewahrsam (AI 23.5.2013; vergleiche FH 23.1.2014a).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Personen werden oft über lange Zeit hinweg in ihrer eigenen Wohnung oder an anderen Orten ohne Zugang zur Außenwelt festgesetzt (AA 15.10.2014).

Quellen:

5. Sicherheitsbehörden

Zivile Behörden haben im Allgemeinen effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 27.2.2014). Die KPCh kontrolliert und leitet die Sicherheitskräfte auf allen Ebenen. 2013 dehnte die Partei ihren Apparat zur "Stabilitätserhaltung", mit dem Recht und Ordnung erhalten werden soll, allerdings auch friedlicher Protest unterdrückt und die Bevölkerung überwacht wird, weiterhin aus (FH 23.1.2014a). Die Zentrale Militärkommission der Partei leitet die Streitkräfte des Landes. Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 3.2014a).

Für die innere Sicherheit sind zuständig:

(1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen;

(2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet;

(3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die fu r Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind (AA 15.10.2014).

Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit (MfÖS) mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereichen mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitet. Aufgaben der Polizei sind sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung, bei der ihr u. a. die Anordnung von Administrativhaft als Zwangsmaßnahme zur Verfügung steht. Im Bereich der Strafverfolgung ist sie für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren originär zuständig. Bei Delikten, die von Polizisten aufgrund ihrer Amtsstellung begangen werden können, ermittelt die Staatsanwaltschaft selbst, während sie sonst primär die Tätigkeit der polizeilichen Ermittlungsorgane beaufsichtigt und auf Grundlage deren Empfehlung über die Erhebung der Anklage entscheidet (AA 15.10.2014).

Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist u. a. zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Überwachung von Auslandschinesen und von Organisationen oder Gruppierungen, welche die Sicherheit der VR China beeinträchtigen könnten. Es überwacht die Opposition im eigenen Land, betreibt aber auch Spionageabwehr und beobachtet hierbei vielfach auch die Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Bürgern. Darüber hinaus verfügen auch die Streitkräfte über einen eigenen, sorgfältig durchstrukturierten Nachrichtendienst, die 2. Hauptverwaltung im Generalstab, die sich in Konkurrenz zum MSS und MfÖS sieht. Die elektronische Aufklärung wird vornehmlich durch die 3. Hauptverwaltung im Generalstab wahrgenommen. Zudem sind viele Arbeitseinheiten parallel mit der Beschaffung von Informationen bzw. mit Überwachungsaufgaben von in- und ausländischen Bürgern befasst. Vor allem das Internationale Verbindungsbüro unter der politischen

1. Hauptverwaltung des Generalstabs ist zuständig für Informationen aus dem Ausland, für die Entsendung von Agenten in Auslandseinsätze, meist unter diplomatischer "Tarnung", und für die Überwachung des eigenen diplomatischen Personals. Zahlreiche "Think tanks" sind für die Beschaffung von Auslandsinformationen zuständig (AA 15.10.2014).

Quellen:

6. Folter und unmenschliche Behandlung

China ratifizierte 1988 die VN-Konvention gegen Folter. Nach Artikel 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit einer Strafe von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 15.10.2014).

In den letzten Jahren wurden einige Verordnungen erlassen, die formell einen besseren Schutz vor Folter für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren bieten sollen. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente, die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum (ÖB 9.2013).

Das revidierte Strafverfahrensrecht schließt die Verwendung unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommener Geständnisse und Zeugenaussagen (neuer Artikel 53,) und illegal erlangter Beweismittel (Artikel 54,) im Strafprozess ausdrücklich aus. Folter soll in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 15.10.2014). Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen ist nach wie vor weit verbreitet (AI 23.5.2013; vergleiche FH 23.1.2014a). Straffreiheit ist die Normalität, auch für verdächtige Todesfälle in Gefängnissen (FH 23.1.2014a). Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 15.10.2014).

Quellen:

7. Korruption

Bei der Polizei auf lokaler Ebene ist Korruption weit verbreitet, auch die Justiz wird durch Korruption beeinflusst. Die Sicherheitsmechanismen sind vage und unzureichend durchgesetzt. Es gibt Strafen für Korruption, doch dieses Gesetz wird nicht effektiv umgesetzt, sodass Staatsdiener häufig ungestraft korrupten Praktiken nachgehen können (USDOS 27.2.2014). Die Parteiführung erkannte den zunehmenden öffentlichen Unmut über dieses Thema. Die Bemühungen der Regierung die Korruption zu bekämpfen nehmen zu, doch die Verbreitung bleibt bestehen. Die Strafverfolgung ist sehr selektiv und undurchsichtig, sodass persönliche Netzwerke und interne Machtkämpfe innerhalb der KP die Zielpersonen und Ausgänge beeinflussen. 2013 wurden allerdings viele Staatsdiener auf niedriger und mittlerer Ebene aufgrund von Korruption diszipliniert, entlassen oder verurteilt, nachdem Blogger diese aufgedeckt hatten (FH 23.1.2014a). Im Jahr 2013 untersuchte die Zentrale Kommission für Disziplinaruntersuchungen 155.144 Fälle. Gegen 160.718 Personen wurden Disziplinarstrafen verhängt (USDOS 27.2.2014). Quellen:

8. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der KPCh oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc). Nach dem Führungswechsel im März 2013 hat sich das Klima für Menschenrechtsverteidiger und regierungskritische Personen, die politische Reformen fordern, deutlich verschärft. Kritische Intellektuelle, Journalisten und Blogger, die sich zu Themen äußern, die die chinesische Führung als sensibel ansieht, werden unter Druck gesetzt, bedroht und inhaftiert. Zahlreiche Dissidenten und Aktivisten befinden sich wegen kritischer Äußerungen in Haft (AA 15.10.2014).

Nicht zuletzt dank der modernen Kommunikationsmittel entsteht eine über ihre Rechte zunehmend besser informierte Öffentlichkeit, die bereit ist, diese Rechte zu verteidigen, und willkürliches Handeln der staatlichen Organe nicht länger unwidersprochen hinnehmen will. Massenproteste mit sozialpolitischem Hintergrund - insbesondere gegen illegale Landnahme, unzureichende oder vorenthaltene Kompensationen bei Umsiedlungen, gewaltsamen Abriss von Häusern, Umweltkonflikte und Korruption - nehmen zu (AA 15.10.2014). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten an Offenheit gewonnen. Seitdem haben sich die Lebensbedingungen für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein deutlich höheres Maß an persönlicher Freiheit. Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch weiterhin der Anspruch der Kommunistischen Partei auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden weiterhin ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert, neben sozialer Not eine der Hauptquellen von Unzufriedenheit in der chinesischen Gesellschaft (AA 3.2014a). Die Volksrepublik China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von VN-Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an und hat am 27.10.1997 den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und am 05.10.1998 den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gezeichnet, letzteren allerdings bis heute nicht ratifiziert. Am 20.11.2000 hat die chinesische Regierung ein Memorandum of Understanding mit der damaligen VN-Menschenrechtshochkommissarin Mary Robinson unterzeichnet. Am 27.03.2001 hat die Volksrepublik den VN-Wirtschafts- und Sozialpakt ratifiziert, allerdings zum Recht auf die Bildung freier Gewerkschaften einen Vorbehalt eingelegt. Unabhängige Gewerkschaften sind nicht zugelassen (AA 3.2014a).

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (z.B. Unschuldsvermutung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich. So gab es im März 2004 eine Verfassungsrevision, die nun u.a. das Recht auf Privateigentum und den Schutz der Menschenrechte festschreibt - allerdings wie alle Rechte in der chinesischen Verfassung für den Bürger nicht einklagbar. Bereits seit 2010 gelten strengere Bestimmungen zum Ausschluss von Beweismitteln, die durch Folter erlangt worden sind. Im Januar 2013 ist eine umfassende Revision des Strafprozessrechts in Kraft getreten. Ende 2013 wurde die Abschaffung der seit den 1950er Jahren existierenden Umerziehungslager ("Reform durch Arbeit") beschlossen; viele dieser Lager sowie andere Formen der Lagerhaft bestehen allerdings fort. Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit sind stark eingeschränkt. Das öffentliche Infragestellen des Machtmonopols der Kommunistischen Partei Chinas wird weiterhin hart geahndet.

Menschenrechtsverteidiger sind starken Repressionen ausgesetzt. China geht mit besonderer Härte auch gegen Forderungen nach Unabhängigkeit oder größerer Autonomie, besonders in Tibet und Xinjiang vor. Die heutige chinesische Gesellschaft ermöglicht freie Meinungsäußerung im privaten Bereich, Mobilität und individuelle beruflich-wirtschaftliche Chancen. Insbesondere sogenannte soziale Medien im Internet haben sich in diesem Zusammenhang - trotz aller Kontrollversuche der chinesischen Regierung - zu besonders wichtigen Kommunikationsträgern entwickelt (AA 3.2014a; vergleiche HRW 21.1.2014).

Kommunalregierungen griffen weiter auf Landverkäufe zur Finanzierung von Projekten der Wirtschaftsförderung zurück, was im ganzen Land zur rechtswidrigen Zwangsräumung von Tausenden Menschen aus ihren Wohnungen oder zur Vertreibung von ihrem Land führte. Rechtswidrige Zwangsräumungen unter Anwendung von Gewalt und ohne Vorankündigung waren weit verbreitet. Ihnen gingen oftmals Drohungen und Drangsalierungen voraus. Eine Konsultierung der betroffenen Einwohner fand nur selten statt. Entschädigungen, angemessene Ersatzwohnungen und der Zugang zu Rechtsbehelfen waren stark eingeschränkt. In vielen Fällen schlossen korrupte Dorfvorsteher Verträge mit privaten Bauunternehmen und übertrugen ihnen die Nutzungsrechte für Grund und Boden, ohne dass die dortigen Bewohner darüber unterrichtet wurden. Wenn diese sich mit friedlichen Mitteln der rechtswidrigen Zwangsräumung widersetzten oder auf rechtlichem Wege versuchten, ihre Rechte durchzusetzen, liefen sie Gefahr, inhaftiert, zu Gefängnisstrafen verurteilt oder in Lager der Umerziehung durch Arbeit gesteckt zu werden. Einige ergriffen drastische Maßnahmen und setzten sich selbst in Brand oder entschieden sich für gewaltsame Formen des Protestes (AI 23.5.2013).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Beho rdenwillku r den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde, z.B. Provinz- oder Zentralregierung. Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht (AA 15.10.2014; vergleiche AI 23.5.2013). Das Petitionswesen kann die Missstände allerdings nicht lösen. Dazu kommt, dass zahlreiche Petenten, aus den verschiedenen Provinzen, die die örtliche Politik bei der Pekinger Zentralregierung anprangern, über die Verbindungsbu ros ihrer jeweiligen Heimatprovinzen denunziert, häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in Ihre Heimatregionen zurückgebracht oder zur Rückkehr gezwungen werden. Als Sanktion für ihr Verhalten werden viele anschließend in ein Lager für "Umerziehung durch Arbeit", eine psychiatrische Anstalt oder ein illegales Gefängnis ("black ail") eingewiesen (AA 15.10.2014; vergleiche FH 23.1.2014a).

Nicht zuletzt dank der modernen Kommunikationsmittel entsteht allerdings eine über ihrer Rechte zunehmend besser informierte Öffentlichkeit, die bereit ist, diese Rechte zu verteidigen, und willkürliches Handeln der staatlichen Organe nicht länger unwidersprochen hinnehmen will. Massenproteste mit sozialpolitischem Hintergrund - insbesondere gegen illegale Landnahme, unzureichende oder vorenthaltene Kompensationen bei Umsiedlungen, gewaltsamen Abriss von Häusern, Umweltkonflikte und Korruption - nehmen zu. Dabei sind Internet und soziale Netzwerke zu machtvollen Sprachrohren von Frustrationswellen geworden, die Partei und Regierung immer stärker herausfordern. Ungeachtet der strengen und engmaschigen Kontrolle des Internet ist eine zunehmende Unterstützung der chinesischen Öffentlichkeit im Internet für soziale und politische Anliegen zu beobachten, die unter kreativer Umgehung der Zensur über Blogs und Mikroblog-Netzwerke genährt wird (AA 15.10.2014; vergleiche FH 23.1.2014a; HRW 21.1.2014). Trotz der Risiken, mit denen sie konfrontiert sind, wird durch Internetbenutzer und Medien Fehlverhalten aufgedeckt und der Ruf nach Reformen immer lauter (HRW 21.1.2014).

Quellen:

9. Haftbedingungen

Es wird geschätzt, dass 3-5 Millionen Menschen in Hafteinrichtungen einsitzen. Die Haftbedingungen sind im Allgemeinen hart, mit unzureichender Ernährung, regelmäßigen Misshandlungen und Entzug von medizinischer Hilfe (FH 23.1.2014a). Misshandlungen von Gefangenen durch Strafvollzugs- und Sicherheitsorgane werden selbst von staatlichen Stellen eingeräumt. Diese, zusammen mit zum Teil schwierigen Haftbedingungen, führen bei den Gefangenen nicht selten zu gesundheitlichen Schwierigkeiten. Neben der Freiheitsstrafe existieren verschiedene Formen freiheitsentziehender Maßnahmen als sogenannte Administrativhaft: "Haft zur Erziehung" (shourong iaoyu), "Haft zur Umerziehung" und " wangsmäßige Drogenrehabilitation in Isolation". Sie zielen häufig auf Prostituierte und Drogenabhängige, aber auch politisch missliebige Personen (z.B. Anti-Falun-Gong-Kampagne). Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten schwarzen Gefängnissen kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren. Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("lao iao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des Zentralkomitees im November 2013 offiziell am 28. Dezember 2013 abgeschafft. Es ist derzeit unklar, ob die betroffenen Fälle in ein ordentliches gerichtliches Verfahren überführt werden. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden. Bereits durch das seit Juni 2008 in Kraft getretene "Anti-Drogengesetz", nach welchem Drogenabhängige nicht mehr durch Laojiao, sondern durch die " wangsrehabilitierung in Isolation" bestraft wurden, war die Zahl der (offiziell) in Laojiao befindlichen Personen stark zurückgegangen.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass diese Maßnahmen weder Rehabilitierungs-/Entzugshilfe bieten noch der Resozialisierung der Drogenabhängigen dienen. Vielmehr stehen der Freiheitsentzug und die Verrichtung unbezahlter Arbeit im Vordergrund. Zugleich haben nach offiziellen Angaben seit der landesweiten Einführung 2009 ca. 1,67 Mio. Menschen an so genannten "Community Correction Programs" teilgenommen (Stand: Oktober 2013). In diesen Programmen sollen primär verurteilte Straftäter in einem sozialen Umfeld wieder an die Gesellschaft herangeführt werden, u.a. durch "freiwillige" Arbeit (AA 15.10.2014).

Im Mai 2013 trat das neue "Mental Health Law" in Kraft. Psychiatrische Einweisungen als Bestrafung zu verwenden oder Behandlungen an Menschen ohne geistige Krankheiten sind demnach illegal und es werden für solche Praktiken auch Strafen festgelegt. Die Definitionen für die Voraussetzung für eine Einweisung - "schwere geistige Krankheit" und "Gefahr für sich selbst oder andere" - bleiben vage, sodass die Wahrscheinlichkeit für breitere Interpretationen bleibt. Das Gesetz bringt allerdings die Debatte um unrechtmäßige Verwahrung in psychiatrischen Anstalten vorwärts (Psychiatry online 1.6.2013). Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petenten oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 15.10.2014). Die Polizei kann in solchen Anstalten Personen nach eigenem Gutdünken ohne zeitliche Begrenzungen festhalten (ÖB 9.2013).

Quellen:

10. Todesstrafe

China führt weiterhin weltweit in der Anzahl der Hinrichtungen. Experten schätzen sie auf 4.000 jährlich (HRW 21.1.2014; vergleiche AA 15.10.2014). Seit 1. Januar 2007 müssen alle Todesurteile zur sofortigen Vollstreckung vom Obersten Volksgericht überprüft werden. Dies hat Beobachtern zufolge zu einem Rückgang der Hinrichtungszahlen geführt, die jedoch weiterhin hoch bleiben. Offizielle Zahlen werden hierzu nicht veröffentlicht; Nichtregierungsorganisationen gehen von mehreren Tausend Hinrichtungen pro Jahr aus (AA 3.2014a). Derzeit können 55 Delikte mit der Todesstrafe belegt werden. Darunter befinden sich auch Eigentums- und Steuerdelikte und Korruption. Zwangsweise Organentnahme und Erzwingen von Organspenden werden als vorsätzliche Tötung gewertet und können mit der Todesstrafe geahndet werden. Die Zahl der Todesstrafen-Delikte soll nach Beschlüssen des 3. Plenums des Zentralkomitees vom November 2013 weiter reduziert werden. Angesichts der Tatsache, dass rd. 90% der Todesurteile in China für schwere Verbrechen wie Mord, Raubmord, Vergewaltigung oder Drogenschmuggel verhängt werden, wird die Beschränkung der Todesstrafe absehbar nicht zu signifikant weniger Todesurteilen in China führen. Todesurteile werden entweder zur sofortigen Vollstreckung oder mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verhängt. In letzterem Fall werden die Urteile nach Ablauf der Frist, falls sich der Delinquent in dieser Zeit straffrei verhalten hat, regelmäßig in lebenslange Strafen umgewandelt (AA 15.10.2014).

Es wird eine Ton- oder Videoaufzeichnung der Verhöre von Verdächtigen, denen möglicherweise die Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe droht, zwingend vorgeschrieben. Die Gerichte, Anklagebehörden und die Polizei müssen die Rechtshilfebüros benachrichtigen, damit sie allen Straftatverdächtigen und Angeklagten, denen möglicherweise die Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe droht und die noch keinen Rechtsbeistand beauftragt haben, einen Verteidiger zuweisen. Chinesische Juristen forderten, dass Rechtshilfe in allen Phasen des Strafverfahrens, in dem ein Todesurteil gefällt werden kann, gewährleistet sein sollte (AI 23.5.2013).

Quellen:

11. Religionsfreiheit

Artikel 36, der Verfassung unterscheidet zwischen der garantierten Glaubensfreiheit und der Freiheit "normaler" Religionsausübung, die "öffentliche Ordnung, Gesundheit der Bürger und das staatliche Erziehungssystem nicht beeinträchtigen darf". Sämtliche religiöse Aktivitäten wie die Abhaltung von Gottesdiensten, der Besuch von Kirchen oder Moscheen und der Bau von Gotteshäusern unterliegen staatlicher Kontrolle und Genehmigung. Die Einfuhr von Print- und Bildmaterial religiösen Inhalts ist auf den Eigenbedarf beschränkt. Alle religiösen Gruppierungen müssen sich beim Staatlichen Amt für Religiöse Angelegenheiten (SARA) registrieren lassen und sich einer der folgenden offiziell anerkannten kirchlichen Dachverbände unterordnen:

? Vereinigung der Buddhisten Chinas,

? Chinesische Taoistenvereinigung,

? Islamische Gesellschaft Chinas,

? Patriotische Vereinigung der chinesischen Katholiken,

? Chinesisches Christliches Patriotisches Komitee der "Drei-Selbst-Bewegung" und

? Chinesischer Christlicher Verein/Christenrat

In einigen Gegenden, vor allem in der Provinz Heilongjiang, ist auch die Russisch-Orthodoxe Kirche mit stillschweigender Billigung der Behörden aktiv (AA 15.10.2014).

Religiöse Praktiken werden auf offiziell genehmigte Moscheen, Tempel, Kirchen und Klöster beschränkt. Die Aktivitäten, Angestellten, Finanzen, Bestellung des religiösen Personals, Publikationen und Unterricht werden von der Regierung geprüft. Protestantische "Hauskirchen" oder andere nicht registrierte spirituelle Organisationen werden als illegal betrachtet, Mitglieder werden strafrechtlich verfolgt (HRW 21.1.2014).

Unnachgiebig ist das Verhalten der Behörden gegenüber religiösen Aktivitäten dort, wo die chinesische Regierung die "drei Bösen" - Terrorismus, Extremismus und Separatismus - im Spiel wähnt. Dies betrifft v. a. Muslime in Xinjiang und Buddhisten in den tibetischen Gebieten. Im Übrigen variiert das Verhalten der Behörden von Provinz zu Provinz stark. Es gibt immer wieder Berichte über den Abriss von angeblich "nicht genehmigten" Gotteshäusern, während andererseits einzelne "offizielle" Kirchen mit teils staatlichen Mitteln renoviert oder gar neu gebaut werden (AA 15.10.2014).

Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Gläubigen in China seit den 1980er Jahren stark gestiegen. 67,4 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zu den fünf Hauptreligionen bzw. Konfessionen Taoismus, Buddhismus, Katholizismus, Protestantismus und Islam, die übrigen Gläubigen zu traditionellen chinesischen Volksreligionen. Die größte Anzahl machen Buddhisten mit geschätzten 100 Mio. Gläubigen aus. Aktuelle offizielle Angaben über die Zahl der Angehörigen einzelner Glaubensrichtungen gibt es nicht. Der Protestantismus gilt gegenwärtig als die am schnellsten wachsende Religionsgemeinschaft in China. Schätzungen gehen von bis zu 100 Mio. Gläubigen aus. Nach Angaben des Amts für religiöse Angelegenheiten sind unter der "Drei-Selbst-Bewegung" 16 Mio. Protestanten und mehr als 50.000 Kirchen registriert. Daneben wächst besonders die Zahl der Hauskirchen (Zusammenschlüsse chinesischer Protestanten, die sich nicht den offiziell zugelassenen protestantischen Organisationen anschließen wollen) stetig. Seit Ende 2011 wird der Pekinger Shouwang-Hauskirche die Abhaltung von Gottesdiensten in ihrem nicht als Kirche anerkannten Gebäude untersagt. Unter freiem Himmel abgehaltene Gottesdienste wurden durch Sicherheitskräfte auch 2013 unter Hinweis auf das Versammlungsverbot abgebrochen, Priester und Anhänger verhaftet und unter Hausarrest gestellt (AA 15.10.2014).

Seit dem Abbruch diplomatischer Beziehungen zwischen Peking und dem Vatikan in den 1950er Jahren ist die Katholische Kirche in China in die "Patriotische Vereinigung der chinesischen Katholischen Kirche" (ca. 6-7 Mio. Mitglieder), die die religiöse Autorität des Papstes nicht anerkennt, und die katholische Untergrundkirche (geschätzt ca. 10-12 Mio. Gläubige) gespalten, die sich weiterhin in der Gefolgschaft des Papstes sieht. Die Trennlinie zwischen den Gruppierungen verläuft allerdings fließend, da viele Priester der "Patriotischen Vereinigung" auch die Weihen von Rom erhielten (teilweise mit Wissen offizieller Stellen). So sind bereits Untergrundbischo fe zur "Patriotischen Vereinigung" übergetreten (AA 15.10.2014).

In tibetischen Gebieten und in der Autonomen Region Xinjiang Uighur (XUAR) wurde eine zunehmende Einschränkung der religiösen Freiheit registriert (HRW 21.1.2014). Muslime sind immer wieder Restriktionen und Diskriminierungen ausgesetzt, die Religionsausübung wird insb. bei den Uiguren stark reglementiert (AA 15.10.2014).

Bestimmte religiöse bzw. spirituelle Gruppen sind in China gesetzlich verboten. Das Gesetz definiert diese Gruppen ausdrücklich als "teuflische Sekten". In diese Kategorie fallen z.B. die Guanyin Method Sekte (Guanyin Famen, Zhong Gong), und Falun Gong. Deren Mitglieder sind dem Risiko von Einschüchterung, Schikanen und Verhaftungen ausgesetzt (USDOS 28.7.2014).

Quellen:

11.1. Falun Gong

Die Falun Gong-Bewegung wurde 1999 verboten. Nach Angaben der Bewegung sollen seither mindestens 6.000 Falun Gong-Anha nger zu Haftstrafen und über 100.000 in Umerziehungslager überstellt worden sein. Die Staats- und Parteiführung sieht sich offenbar weiterhin durch den hohen Organisations- und Mobilisierungsgrad sowie die internationale Verflechtung und Unterstützung der Falun- Gong-Anha nger bedroht. Paragraph 300, des chinesischen StGB ermöglicht die Strafverfolgung religiöser Sekten, die "Irrlehren und abwegige Doktrinen verbreiten". Er droht mit einer Freiheitsstrafe von drei bis sieben Jahren, ist allerdings in seinen Tatbestandsmerkmalen sehr unbestimmt. Die Verbreitung von Flugblättern mit Falun Gong-Inhalten gilt als "staatsfeindliches Verbrechen". Für die Behandlung von Falun-Gong-Fällen ist das Büro "610" (Büro des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit und Justiz für "häretische Sekten") zuständig, das die Fälle außerhalb der normalen Jurisdiktion behandelt. Anwälte, die Angehörige von einsitzenden Falun Gong Anhängern vertreten, sind immer wieder Repressionen ausgesetzt. So wurden mehrere Anwälte im April 2014, die Zugang zu ihren Mandanten in einem schwarzen Gefängnis gefordert hatten, verhaftet und in der Haft misshandelt (AA 15.10.2014). Inhaftierte werden verschiedenen physischen und psychischen Zwangsmitteln unterzogen, um sie zum Abschwören von Falun Gong zu zwingen. Auch wurde berichtet, dass AnhängerInnen von Falun Gong, aber auch AnhängerInnen nicht-registrierter Religionen, aufgrund ihrer politischen bzw. religiösen Affinitäten in psychiatrischen Kliniken festgehalten wurden. Die Regulierung für die Einlieferung einer Person ist nicht klar definiert, und es ist sowohl für die Angehörigen als auch die "Patienten" schwierig das Urteil anzufechten. Es wird auch berichtet, dass "Patienten" zur Medikamenteneinnahme gezwungen werden und einer Schocktherapie unterzogen werden. Es gibt Berichte, dass die Festnahmen von Falun Gong Praktizierenden um sensible Jahrestage herum zunahmen. Gruppen in der Nachbarschaft wurden angewiesen, über Falun Gong Mitglieder zu berichten und für Informationen wurde Geld angeboten (USDOS 28.7.2014).

Quellen:

11.2. Tibetischer Lamaismus / Buddhismus - siehe Unterkapitel 3.1

11.3. Uigurische Muslime - siehe Unterkapitel 3.2

12. Ethnische Minderheiten

Angehörige der 55 nationalen Minderheiten machen insgesamt nur etwa 8% der Bevölkerung der VR China aus, bewohnen jedoch knapp die Hälfte des Staatsgebietes. Der größte Teil lebt in den fünf Autonomen Regionen (Provinzstatus). Artikel 4, der Verfassung verankert die Gleichheit aller Nationalitäten in der VR China. Er garantiert die Benutzung ihrer Sprache in Wort und Schrift sowie den Erhalt ihrer Sitten und Gebräuche. Eine Diskriminierung und Unterdrückung ist verboten. Minderheiten kommen in den Genuss diverser positiv diskriminierender Bestimmungen (Quoten bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, Befreiung von der Ein-Kind-Politik, vereinfachter Universitätszugang etc.). Zugleich ist der Staat zur Beschleunigung der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung von Minderheitengebieten verpflichtet (AA 15.10.2014). Jedoch bleiben der Inhalt und die Umsetzung der Minderheitenpolitik schwach, und Diskriminierung von Minderheiten weit verbreitet (USDOS 27.2.2014). Kerninteressen der Staats- und Parteiführung sind Stabilität sowie territoriale Integrität und nationale Einheit Chinas. Daher sieht man sich zur Beschleunigung der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung von Minderheitengebieten verpflichtet. Zur Stabilitätswahrung hat die chinesische Regierung umfangreiche Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und sozialen Stabilität der von Minderheiten bewohnten Regionen auf den Weg gebracht, von denen die Minderheiten selbst aber nur eingeschränkt profitieren (AA 15.10.2014). Han-Chinesen profitieren überproportional von Regierungsprogrammen und dem wirtschaftlichen Aufschwung. Die Minderheitengruppen in den Grenz- aber auch in anderen Regionen haben weniger Zugang zu Bildung als Han-Chinesen, sind mit Diskriminierung bei Arbeitsplätzen zugunsten der Han konfrontiert und verdienen im Vergleich zu anderen Gebieten des Landes weniger. Die Entwicklungsprojekte der Regierung hemmen oft die traditionelle Lebensart und sind oftmals mit Zwangsumsiedlungen der Minderheiten verbunden. Die Regierung spielt im uge ihrer Herausbildung einer "harmonischen Gesellschaft" Rassismus und institutionelle Diskriminierung von Minderheiten herunter, welche aber Quelle von tiefer Verstimmung in der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang, der Innermongolischen Autonomen Region und den tibetischen Gebieten ist (USDOS 27.2.2014).

Die Bedingungen in Xinjiang und Tibet bleiben stark repressiv (FH 23.1.2014a). Im vermeintlichen Kampf gegen Separatismus und Terrorismus ist zu beobachten, dass es in den Autonomen Regionen Xinjiang (Uiguren) und Xizang (Tibeter) immer wieder zur Ausübung von Repressionsmaßnahmen und Diskriminierungen kommt. Alle tatsächlichen oder vermeintlichen Bestrebungen, die den chinesischen Herrschaftsanspruch auf die von den Minderheiten bewohnten Gebiete in Frage stellen könnten, wie beispielsweise oppositionelle Meinungsäußerungen oder Autonomieforderungen, insbesondere in den Grenzregionen Tibet und Xinjiang, werden massiv verfolgt. Die Gesetze zum Schutz des Staates und seiner Einheit bieten hierzu umfangreiche Handhabe (AA 15.10.2014). Tibeter, welche verdächtigt werden kritisch gegenüber der Staatspolitik zu stehen, werden Ziel von Anklagen des "Separatismus" (HRW 21.1.2014).

Quellen:

12.1. Ethnische Minderheit der Tibter siehe Unterkapitel 3.1

12.2. Ethnische Minderheit der Uiguren siehe Unterkapitel 3.2

13. Frauen/Kinder

Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ist seit 1949 erklärtes politisches Ziel der Regierung. In der Verfassung ist festgelegt, dass Frauen in allen Bereichen des Lebens die gleichen Rechte wie Männer genießen. Allerdings gibt es noch immer wenige Frauen in gehobenen Positionen, so auch in der Politik (AA 15.10.2014). Die Regierung gibt keine Einschränkungen bei der Teilhabe von Frauen und Minderheiten im politischen Prozess vor, jedoch halten Frauen nur wenige Positionen von signifikantem Einfluss in der KPCh oder der Regierungsstruktur. Die Regierung ermutigte Frauen in den Dorfkomitees zu wählen und sich zur Wahl aufstellen zu lassen, jedoch sind nur wenige der gewählten Mitglieder Frauen. Das Wahlgesetz sieht Quoten für Frauen vor. Es gibt Gesetze zum Schutz von Frauen, dennoch kommt es zu Diskriminierung von Frauen (USDOS 27.2.2014).

In der patriarchalisch veranlagten chinesischen Gesellschaft sind Frauen vor allem in ländlichen Gebieten benachteiligt (AA 15.10.2014). Häusliche Gewalt ist weiterhin ein großes Problem (USDOS 27.2.2014). Eine nationale gesetzliche Regelung über häusliche Gewalt gibt es bislang nicht (AA 15.10.2014). Ein starker rechtlicher Mechanismus zum Schutz von Frauen gegen häusliche Gewalt ist somit nicht vorhanden. Sowohl das Ehegesetz als auch das Gesetz zum Schutz von Rechten und Interessen von Frauen beinhalten Bestimmungen, die direkt häusliche Gewalt verbieten, jedoch meinen einige Experten diese wären zu allgemein gehalten, versagen darin, häusliche Gewalt zu definieren und sind schwierig umzusetzen. Aufgrund des Standards, dass alle Zweifel ausgeschlossen werden müssen, kann ein Richter ohne Geständnis nicht gegen den Gewalttäter entscheiden. Berichten zufolge kommt in einem Viertel der Familien häusliche Gewalt vor, mehr als 85 % der Opfer sind Frauen. Die Regierung unterstützt Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt, und einige Gerichte begannen, Opfer zu schützen. Hilfe erreicht jedoch nicht immer die Opfer und Sicherheitskräfte ignorieren häusliche Gewalt oft. Die All China Women's Federation berichtete im Jahr 2010 von 50.000 Beschwerden jährlich. Laut ihrer Statistik gab es landesweit 12.000 spezielle Polizeizellen für Anzeigen von häuslicher Gewalt, 400 Schutzhäuser für Gewaltopfer und 350 Untersuchungszentren für Frauen, die Anzeige erstatten (USDOS 27.2.2014). Obwohl die Regierung eingesteht, dass häusliche Gewalt und Diskriminierung verbreitet sind, schränkte sie die Aktivitäten von unabhängigen Frauenrechtsgruppen ein (HRW 21.1.2014).

Zwangsprostitution und Menschenhandel werden strafrechtlich verfolgt. Es gibt glaubhafte Berichte, dass lokale Behörden an Einrichtungen, in denen Prostitution ausgeübt wird, beteiligt sind. Prostitution ist zwar keine Straftat, aber ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der mit Administrativhaft geahndet wird (AA 15.10.2014). Gegenüber Sexarbeiterinnen, von denen es zwischen vier und zehn Millionen gibt, setzt die Regierung eine harte Politik um, was oft zu Missbrauch und eingeschränktem Zugang zur Justiz führt (HRW 21.1.2014). Nach dem Gesetz über den Schutz und die Rechte von Frauen ist sexuelle Belästigung von Frauen strafbar. Das Gesetz ist jedoch sehr vage formuliert, entsprechende Regelungen im Strafgesetz fehlen (AA 15.10.2014). Die Anzahl der Anzeigen hat sich allerdings deutlich erhöht. Vergewaltigung ist verboten, die Strafen reichen von drei Jahren Haft bis zur Todesstrafe. Offizielle Statistiken zu Vergewaltigung sind nicht verfügbar (USDOS 27.2.2014).

Frauen sind von der Durchsetzung der Familienplanungspolitik der VR China in besonderem Maße betroffen (AA 15.10.2014). So sind die reproduktiven Rechte besonders von Frauen durch diese Familienplanungspolitik stark beschränkt (HRW 21.1.2014).

Quellen:

13.1. Ein-Kind-Politik

Die Familienplanungspolitik sieht vor, dass eine verheiratete Frau in der Regel nur ein Kind bekommen darf. Seit Beginn des Jahres 2014 dürfen auch Ehepaare, von denen einer der Partner aus Ein-Kind-Familien stammt, ein zweites Kind haben. Viele lokale Vorschriften sehen zudem inzwischen Erleichterungen vor (z.B. für nationale Minderheiten, Rückkehrer etc.). Wenn ein Ehepaar gegen die Familienplanungsbestimmungen verstößt, muss die Familie mit einer für durchschnittliche chinesische Einkommensverhältnisse empfindlichen Geldbuße rechnen, die an das Einkommen gekoppelt ist (AA 15.10.2014). Diese gesetzlich verlangte "soziale Kompensationsgebühr" kann bis zu zehn Jahreseinkommen hoch sein (USDOS 27.2.2014). Die Umsetzung der staatlichen Geburtenbegrenzungspolitik erfolgt regional stark unterschiedlich (USDOS 27.2.2014; vergleiche AI 22.4.2013). Sofern das Bußgeld nicht gezahlt wird oder nicht gezahlt werden kann, darf eine Eintragung des (zweiten oder weiteren) Kindes in das Haushaltsregister ("hukou") nicht vorgenommen werden (AA 15.10.2014). Ohne diese haben sie keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und anderen Sozialleistungen (AI 22.4.2013). Sogenannte "Black Children", also "illegal" geborene Kinder sind besonders anfällig für Missbrauch und Menschenhandel (ÖB 9.2013). Obwohl verboten, gibt es Fälle von Zwangsabtreibungen durch Lokalregierungen. Auf Eltern, die bereits zwei Kinder hatten, wird Druck ausgeübt, sich sterilisieren zu lassen (USDOS 27.2.2014; vergleiche HRW 21.1.2014). Es gibt auch Berichte zu Zwangssterilisierungen (AI 22.4.2013). 18 von 31 administrativen Einheiten auf Provinzebene sehen außerdem die Verpflichtung zu Abtreibungen vor (FH 23.1.2014a). Die Nationale Bevölkerungs- und Familienplanungskommission berichtete, dass alle Provinzen die Geburtenerlaubnis vor Empfängnis des ersten Kindes abgeschafft hatten. Provinzen dürfen aber weiterhin verlangen, dass Eltern Schwangerschaften vor der Geburt des ersten Kindes registrieren lassen müssen. Diese "Registrierung" kann de facto als Genehmigungssystem angewandt werden. In fast allen Provinzen ist es für alleinstehende Frauen illegal, Kinder zu bekommen, dies ist mit Geldstrafen belegt (USDOS 27.2.2014). Die Durchsetzung und Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik ist immer wieder mit gravierenden Verletzungen der Menschenrechte bis hin zu Zwangsabtreibungen in fortgeschrittenen Schwangerschaftsmonaten verbunden, laut NGOs insbesondere in Xinjiang. Bei Schwangerschaften unverheirateter Frauen drängen die Behörden auf eine "freiwillige" Abtreibung (AA 15.10.2014).

Das Gesetz erlaubt berechtigten Paaren einen Antrag auf Erlaubnis für ein zweites Kind, wenn sie die in lokalen und Provinzvorschriften vorgesehenen Bedingungen erfüllen. Die Ein-Kind Beschränkung wird in städtischen Gebieten strenger umgesetzt, wo nur Paaren, die bestimmte Bedingungen erfüllten ein zweites Kind erlaubt wird. In den meisten ländlichen Gebieten ist die Politik entspannter (USDOS 27.2.2014; vergleiche AI 22.4.2013). Ethnische Minderheiten sind weniger strengen Regeln unterworfen (USDOS 27.2.2014). Die sogenannten ÜberseechinesInnen nehmen eine besondere Stellung in der Ein-Kind-Politik Debatte ein. Die Regierung möchte diese Gruppe weder verstimmen noch ins Ausland vergraulen, da diese Wissen und Kapital mit in die Heimat bringen. Darum wird ihnen sowohl am Land als auch in der Stadt eine Zwei-Kind-Genehmigung gewährt. Sollte eine Überseechinesin bei der Einreise nach China etwa mit dem zweiten, dritten oder gar vierten Kind schwanger sein, so wird sie nicht zu einer Abtreibung gezwungen. Sie darf aber dann in China nicht mehr schwanger werden. Viele entkommen der Geburtenkontrolle indem sie die zweite bzw. ausländische Staatsbürgerschaft behalten (Gangl 4.1.2012).

Fälle einer staatlich gelenkten Entziehung von Kindern, die im Ausland entgegen der familienplanungsrechtlichen Vorschriften gezeugt wurden, sind gesetzlich nicht vorgesehen und nicht bekannt. Gelegentlich gibt es jedoch Berichte über Kinder, die von örtlichen Behörden als "Strafe" für Verstöße gegen die Familienplanungspolitik oder Nichtzahlung der Geldbuße den Familien weggenommen, an Waisenhäuser verkauft und von dort gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermittelt werden (AA 15.10.2014).

Quellen:

www.amnesty.org/en/news-and-updates/thousands-risk-forced-sterilization-china-2010-04-22, Zugriff 21.10.2014

14. Homosexualität

Homosexualität ist seit 1997 keine Straftat mehr in China, 2001 wurde sie aus der Liste der geistigen Störungen gestrichen. Die Streichung aus dem chinesischen Strafrecht geschah im uge der Neufassung des Straftatbestands "Rowdytum" (Hooliganismus) (AA 15.10.2014). Es gibt kein Gesetz gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung (HRW 21.1.2014). Die rechtliche Stellung und der rechtliche Schutz von LGBT-Personen sind ungeklärt. In vielen Vorschriften wird Homosexualität weiterhin als "abnorm", "krankhaft" bzw. "ungesund" bezeichnet. Die Schwierigkeiten, zwischen legalen und illegalen Aktivitäten zu unterscheiden, treibt nach NGO-Angaben die Polizei regelmäßig dazu, LGBT-Personen unter den Generalverdacht der Prostitution zu stellen und gegen sie vorzugehen, wobei häufig der Besitz von Kondomen als Indiz dient. Berichten zufolge sind LGBT-Personen in der Haft oft Schikanen durch die Polizei ausgesetzt. LGBT-Personen bleiben in vielen Bereichen (Medienvorschriften, Familienrecht, Arbeitsrecht) noch immer benachteiligt. In den Metropolen gibt es zwar eine zunehmend sichtbare LGTB- Kulturszene, sie lässt jedoch keine Rückschlüsse auf eine gesamtgesellschaftliche Toleranz sexueller Orientierung zu (AA 15.10.2014).

Quellen:

15. Bewegungsfreiheit

Die beschriebenen Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. So berichten beispielsweise protestantische Hauskirchen von besonders großem Druck in den Provinzen Hubei, Hebei und Heilongjiang, während sie in Peking relativ ungehindert praktizieren können. Allerdings ist ein Umzug von in der VR China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis ("Hukou"- System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt überzusiedeln. Für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es nach Ansicht des Auswärtigen Amtes keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 15.10.2014).

Quellen:

16. Grundversorgung/Wirtschaft

2013 lag das Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft bei 7,7% und damit im internationalen Vergleich weiterhin sehr hoch, auch wenn nicht mehr die zweistelligen Wachstumszahlen vergangener Jahre erreicht werden konnten. Der langfristige Wachstumstrend wird sich aufgrund der demographischen Entwicklung allerdings abschwächen. Chinas Ein-Kind-Politik führt auch dazu, dass weniger Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen werden. Es wird geschätzt, dass das Wachstumspotenzial der chinesischen Volkswirtschaft mittel- und langfristig daher um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr niedriger ausfallen wird. Das chinesische Wirtschaftsmodell ist nach wie vor stark investitionsgetrieben. Staatliche Investitionen bilden einen wesentlichen Wachstumsmotor. Auch 2013 trugen Investitionen mehr zum Wachstum bei als der heimische Konsum. Die chinesische Regierung will den Umbau der Wirtschaft durch strukturelle Reformen vorantreiben. Eine stärkere Marktorientierung und ein schrittweiser Rückzug staatlicher Stellen von der bisherigen Mikrosteuerung in Wirtschaftsfragen sind Leitgedanken der anstehenden Reformen (AA 3.2014b).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt im Allgemeinen kontinuierlich an, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (AA 15.10.2014). Das rasante Wirtschaftswachstum infolge der Reform- und Öffnungspolitik hat den Lebensstandard der meisten Chinesen maßgeblich erhöht, allerdings zu großen Ungleichgewichten bei der Einkommensverteilung zwischen Stadt und Land sowie Küsten- und Binnenprovinzen und hat zu zunehmender Arbeitslosigkeit geführt. Das durchschnittliche jährliche pro-Kopf-Haushaltseinkommen der Landbevölkerung betrug 2013 8896 RMB (ca. 1070 Euro); die in den Städten lebenden Chinesen hatten ein durchschnittliches jährliches pro-Kopf- Haushaltseinkommen von 29547 RMB (ca. 3520 Euro). Die Zahl der in den Städten registrierten Arbeitslosen wurde 2013 genauso wie im Vorjahr mit 4,1 Prozent angegeben. Der vom Nationalen Volkskongress verabschiedete 12. Fünfjahresplan (2011-2015) betont die Bedeutung des Übergangs von extensivem zu intensivem, nachhaltigerem Wachstum sowie sozial und ökologisch verträglicher Urbanisierung (AA 3.2014a).

Noch leben mehr als 46% aller Chinesen auf dem Land, wo es nach offiziellen Schätzungen immer noch ein Überangebot von mehr als 100 Mio. Arbeitskräften gibt. Es gibt mittlerweile 269 Mio. interne Arbeitsmigranten ("Wanderarbeiter"), von denen 166 Mio. außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren. Eine systematische staatliche Unterstützung für Bedürftige befindet sich jedoch erst im Aufbau und konzentriert sich vorwiegend auf die Bevölkerung in den Städten. Bis heute spielt vor allem die Familie in China bei der Existenzsicherung eine wichtige Rolle (AA 15.10.2014).

Mit dem 2011 in Kraft getretenen Sozialversicherungsgesetz verfügt China erstmals über eine einheitliche, landesweit verbindliche Rahmengesetzgebung für die wesentlichen Zweige der Sozialversicherung. Das Gesetz umfasst die Renten-, Arbeitslosen-, Arbeitsunfall-, Kranken- und Mutterschutzversicherung sowie den Aufbau der ländlichen Basisaltersversorgung. Auf dieser Grundlage hat der Staatsrat Anfang des Jahres entschieden, die Alterssicherung für die Stadt- und Landbevölkerung zusammenzulegen und ein flächendeckendes Netz der Basisalterssicherung aufzubauen (AA 3.2014b).

Im Rahmen des Basisrentensystems können anspruchsberechtigte Personen, die die folgenden Kriterien erfüllen, eine monatliche Grundrente beziehen:

1) Erfüllung der nationalen Ruhestandsvoraussetzungen, einschließlich des normalen Ruhestands, krankheitsbedingter Frührente, berufsbedingtem vorzeitigen Ruhestand

2) Einzahlungen für 15 Jahre, in Übereinstimmung mit den Regelungen zur Basisrentenversicherung. Einzahlung für weniger als 15 Jahre, aber Erreichen des Ruhestandsalters: einmalige Auszahlung des persönlichen Fonds bei Beendigung der Rentenversicherungsansprüche. Der Rentenkontostand ist im Todesfall des Beitragszahlers übertragbar (IOM 10.2013).

Quellen:

http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_china-dl_de.pdf;jsessionid=26FF41DEA56CC3FB42ACB905E22F001F.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 21.10.2014

17. Medizinische Versorgung

In China gibt es kein System niedergelassener Ärzte. Die Krankenversorgung konzentriert sich daher auf die Krankenhäuser. In den großen Städten finden sich sehr große Klinikzentren mit modernster Ausstattung, wohingegen auf dem Land die Versorgung noch sehr einfach sein kann. Die Hygiene entspricht nicht europäischen Vorstellungen (AA 22.10.2014).

Ende Juni 2013 wurden in China 959.872 Gesundheitseinrichtungen gezählt, einschließlich 656.307 Dorfkliniken in ländlichen Gebieten,

23.894 Krankenhäusern (13.414 davon staatlich), 37.006 Gesundheitszentren, 34.165 Gemeinde-Gesundheitszentren, 3.055 Mutter- und Kind-Abteilungen, 3.499 Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention sowie 3.236 Sanitätsstationen (IOM 10.2013).

Die medizinische Grundversorgung ist für große Teile der chinesischen Bevölkerung nur unzureichend gewährleistet. Für wohlhabende Chinesen gibt es in Peking, Shanghai und anderen Großstädten an der Ostküste eine wachsende Zahl teurer Privatkliniken. Wer die steigenden Kosten für eine Behandlung nicht bezahlen kann, muss sich - wenn ihm das möglich ist - hoch verschulden (AA 15.10.2014).

Stadtbewohnern und städtischen Arbeitnehmern steht ein medizinisches Grundversicherungsschema zur Verfügung. Die medizinische Versorgungskooperative in den ländlichen und städtischen Regionen stellt Chinas medizinisches Grundversicherungssystem dar. Abgedeckt werden somit städtische Arbeitnehmer, städtische Nicht-Arbeitnehmer, die Landbevölkerung sowie gefährdete Personengruppen in den Städten und auf dem Land. Die Medikamentenkosten von Arbeitnehmern können im Rahmen der Regularien des Provinzrates von der Grundversicherung gedeckt werden. Dies gilt jedoch nur, wenn der jeweilige Arbeitgeber die entsprechenden Grundversicherungsprämien leistet (IOM 10.2013). Von dem neu eingeführten kooperativen medizinischen Versorgungssystem auf dem Lande wurden Ende 2013 nach Angaben des nationalen Büros für Statistik 99,0% der Landbevölkerung erfasst. Es handelt sich um eine Basisversorgung. Sie regelt die Teilerstattung von Kosten für die Behandlung (regional unterschiedlich definierter) schwerer Erkrankungen. Darüber hinaus gibt es für die Landbevölkerung bisher kein flächendeckendes Krankenversicherungssystem. Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60% betragen (AA 15.10.2014).

Quellen:

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_6D7BDE1F99E2255CDE6D5223CC9367CC/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/ChinaSicherheit.html?nn=334554#doc334524bodyText7, Zugriff 22.10.2014

Länderinformationsblatt China,
http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_china-dl_de.pdf;jsessionid=26FF41DEA56CC3FB42ACB905E22F001F.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 21.10.2014

18. Behandlung nach Rückkehr

Soweit Rückführungen aus Deutschland erfolgen, konnten die zurückgeführten Personen die Passkontrolle nach einer Identitätsüberprüfung unbehindert passieren und den Flughafen problemlos verlassen bzw. ihre Weiterreise in China antreten. Vereinzelte Nachverfolgungen von Rückführungen durch die Deutsche Botschaft Peking ergaben keinen Hinweis darauf, dass abgelehnte Personen allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, d.h. unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Es handelt sich aber um ein eher geringfügiges Vergehen, das - ohne Vorliegen eines davon unabhängigen besonderen Interesses - keine politisch begründeten, unmenschlichen Repressalien auslöst. Nach Artikel 322, chin. StG droht bei Vorliegen schwerwiegender Tatumstände Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, Gewahrsam oder Überwachung und zusätzlich eine Geldstrafe. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis aber nur gelegentlich und dann mit Geldbuße geahndet (AA 15.10.2014).

Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernst zu nehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen. Aktivitäten der uigurischen Exilorganisationen stehen unter besonderer Beobachtung der chinesischen Behörden (einschließlich der Auslandvertretungen), insbesondere:

? der Weltverband der Uiguren,

? die Ostturkistanische Union in Europa e.V.,

? der Ostturkistanische (Uigurische) Nationalkongress e.V. und

? das Komitee der Allianz zwischen den Völkern Tibets, der Inneren Mongolei und Ostturkistans

Aufklärung über die und Bekämpfung der von extremen Vertretern der uigurischen Minderheit getragenen Ostturkistan-Bewegung zählen zu den obersten Prioritäten des Staatsschutzes. Anhänger dieser Bewegung werden mit unnachgiebiger Härte politisch und strafrechtlich verfolgt. Mitglieder uigurischer Exilorganisationen haben bei ihrer Rückkehr nach China mit Repressionen zu rechnen. Es sind bisher keine Fälle von ehemaligen Mitgliedern oder Vorstandsmitgliedern exilpolitischer uigurischer Organisationen aus Deutschland bekannt geworden, die nach China zurückgekehrt sind. Berichtet wird jedoch über Fälle von Abschiebungen nach China aus anderen Ländern Asiens mit anschließender Folter oder Verurteilung (AA 15.10.2014). Laut Medienberichten wurden 16 der 20 Uiguren, von denen 19 nach den Unruhen vom Juli 2009 aus China geflohen und im Dezember 2009 von Kambodscha gegen ihren Willen nach China zurückgeführt worden waren, zu Gefängnisstrafen von 16 Jahren bis lebenslänglich verurteilt (AI 23.5.2013).

Quellen:

18.1. Dokumente

In ganz China ist die Herstellung oder Beschaffung gefälschter oder formal echter, aber inhaltlich unwahrer Dokumente verschiedenster Art seit langem ohne besondere Schwierigkeiten möglich. Nach Einschätzung internationaler Dokumentenexperten arbeiten in China die meisten und die besten Fälscherwerkstätten weltweit. Viele verfügen über neueste Technik. Von falschen oder gefälschten Dokumenten (vor allem aus den Provinzen Liaoning, Zhejiang und Fujian, hier vor allem der Stadt Changle) wird zu vielfältigen Zwecken Gebrauch gemacht (AA 15.10.2014).

Quellen:

- Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

3. Beweiswürdigung

3.1. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegungen der niederschriftlichen Angaben der gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin und der Beschwerdeschrift.

3.2. Die Feststellungen zur Kernfamilie der BF gründen sich auf die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Heiratsurkunde der Eltern der BF, ausgestellt am 25.04.2013 vom Standesamtsverband römisch 40 , römisch 40 sowie auf die Geburtsurkunde die BF betreffend, ausgestellt am 26.04.2013 vom Standesamtsverband römisch 40 römisch 40 .

Die Feststellung zur Asylgewährung an den Vater der BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in dessen Verwaltungsakt. Die Feststellung, dass gegen diesen kein Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde resultiert aus einer Auskunft des BFA, welche hg. am heutigen Tag per Email einlangte.

3.3. Die hg. getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen.

Die allgemeinen länderkundlichen Feststellungen resultieren aus den zitierten Länderdokumenten, welche auf verschiedenartigen, objektiven Quellen, die inhaltlich miteinander in Einklang stehen, basieren.

Die BF bzw. deren gesetzliche Vertreterin trat diesen nicht substantiiert entgegen.

Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.

Zur Auswahl der Quellen wird angeführt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges bediente, um sich so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers machen zu können. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann.

Die in das Verfahren integrierten Länderinformationen wurden schließlich von der Staatendokumentation des BAA, nunmehr BFA, zusammengestellt, deren Qualität ob der gesetzlichen Verpflichtung zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der gesammelten Tatsachen nach objektiven Kriterien vergleiche früher: Paragraph 60, Absatz 2, AsylG, seit 01.01.2014: Paragraph 5, Absatz 2, BFA-G) nicht in Zweifel gezogen wird.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

4. Rechtliche Würdigung

4.1. Zum Familienverfahren:

Gemäß Paragraph 2, Absatz 1 Ziffer 22, leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie für den gesetzlichen Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Paragraph 34, (1) Stellt ein Familienangehöriger (Paragraph 2, Ziffer 22,) von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8,) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist (Paragraph 2, Absatz 3,)

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist.

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§7)

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist (Paragraph 2, Absatz 3,) ;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde,

kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 9,) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Absatz 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß Paragraph 12 a, Absatz 4, zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Absatz eins bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Nach den erläuternden Bemerkungen zu Paragraph 34, AsylG 2005 Regierungsvorlage 952 BlgNR römisch 22 . GP, 54) sind die Asylverfahren einer Familie "unter einem" zu führen, wobei jeder Antrag auf internationalen Schutz gesondert zu prüfen ist. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden. Das gemeinsame Führen der Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst zeitgleich über die Berechtigungen, die Österreich einer Familie gewährt, abgesprochen wird. Diese Vereinfachung und Straffung der Verfahren wird auch im Berufungsverfahren (nunmehr: Beschwerdeverfahren) fortgesetzt.

Die Beschwerdeführerin gehört der Kernfamilie ihrer Mutter und ihres Vaters an. Die BF ist Familienangehörige ihres Vaters im Sinne der obzitierten Gesetzesstelle. Dem Vater der BF wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.03.2013, GZ römisch 40 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

4.2. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins,, Abschnitt A, Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentraler Aspekt des aus Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Daher muss die Verfolgungsgefahr (bzw. die wohlbegründete Furcht davor) im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben.

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlings-Konvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

4.3. Angesichts des Umstandes, dass für die mj. Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden und auch sonst nicht ersichtlich sind, war lediglich auf das Familienverfahren abzustellen.

Dem Vater der mj. Beschwerdeführerin wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.03.2013 Asyl gewährt, weshalb die BF über diesen Weg Schutz erlangen kann.

Es bestehen daher auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das bestehende Familienleben der BF mit ihrem Vater in einem anderen Staat, nämlich insbesondere in ihrem Herkunftsstaat, der VR China, möglich ist, weshalb ihr aus diesem Grunde gemäß Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 Asyl zu gewähren war.

Überdies ist auf die Ausführungen im Erkenntnis betreffend den Vater der Beschwerdeführerin zu verweisen, welches sinngemäß auch für sie Geltung hat.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen im gegenständlichen Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesonders zur Thematik Glaubhaftmachung, wohlbegründete Furcht und Verfolgung im Sinne der GFK) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auf die in der rechtlichen Würdigung des gegenständlichen Erkenntnisses zitierte Judikatur wird verwiesen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2015:L506.1432631.1.00