Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

09.07.2015

Geschäftszahl

L519 2105985-1

Spruch

L519 2105985-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Islamische Republik Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom

21.3.2015, Zl. 1053630809-150269932, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 1.6.2015 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins,, Paragraph 8, Absatz eins,, Paragraphen 57 und 55, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 idgF in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG sowie Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2 und Absatz 9,, Paragraph 46 und Paragraph 55, FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. römisch eins. Verfahrensgang:

römisch eins.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Islamischen Republik Pakistan (im Folgenden: Pakistan), brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 16.3.2015 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Im Rahmen der Erstbefragung brachte der BF im Wesentlichen vor, dass sein Vater Politiker gewesen sei und bei der Botschaft gearbeitet habe. Er habe sowohl Sunniten als auch Schiiten geholfen. Die Sunniten seien dagegen gewesen, den Schiiten zu helfen. 2006 seien der BF, welcher seinem Vater geholfen habe und sein Vater von den Sunniten misshandelt worden. Trotz der Drohungen hätten der BF und sein Vater die Schiiten weiter unterstützt. Als es zu Morddrohungen gekommen sei, wollte der Vater, dass der BF das Land verlässt.

Gegenüber dem BFA gab der BF im Wesentlichen an, dass sein Vater Vorstand des Gemeinderates in römisch 40 gewesen sei. Anfang 2006 sei der BF von sunnitischen extremistischen Gruppen entführt worden. Er sei verletzt und lange behandelt worden, bis er wieder frei gekommen sei. Im Juni 2013 sei er von diesen Gruppen neuerlich entführt worden. Auch sein Vater sei öfter angegriffen und verletzt worden. Die Gruppen hätten gewollt, dass der BF das Land verlässt.

römisch eins.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt römisch eins.). Gem. Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraphen 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei. Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

römisch eins.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen mit folgender Begründung als unglaubwürdig:

Obwohl der BF am Beginn seiner Einvernahme nach möglichen Ergänzungen zur Erstbefragung befragt wurde, gab er an, bereits alles gesagt zu haben. Offensichtlich habe er nichts hinzuzufügen gehabt bzw. wollte er sich am Beginn nicht festlegen. Es entspreche der Erfahrung der Behörde, dass Personen, die einen ins Treffen geführten Sachverhalt tatsächlich erlebt haben, aus freien Stücken bereit sind, eine Vielzahl von Details ihrer Fluchtgeschichte zu Protokoll zu geben, ohne dass seitens des Einvernehmenden immer wieder nachgefragt und der Asylwerber aufgefordert werden muss, konkrete Einzelheiten seiner Fluchtgeschichte zu erzählen bzw. dies auch unter Angabe seiner Befürchtungen und Gefühle schildert.

Der BF habe seine Fluchtgeschichte gegenüber dem BFA zudem erheblich geändert und den Angaben gegenüber der Exekutive zur Gänze widersprochen, indem er erklärte, der Vater sei Gemeinderat in römisch 40 gewesen, während er bei der Erstbefragung angab, dass dieser bei der Botschaft gearbeitet habe. Bei der Erstbefragung habe der BF behauptet, er und sein Vater seien misshandelt worden, gegenüber dem BFA sei der BF das alleinige Opfer gewesen. Der BF habe sich offenbar mehrerer Rahmengeschichten bedient und sei vor dem BFA nicht mehr in der Lage gewesen, zu rekapitulieren, was er vor wenigen Tagen bei der Erstbefragung angegeben hat.

Darüber hinaus sei die extrem vage Art und Weise, wie der BF den Fluchtgrund gegenüber dem BFA geschildert hat, völlig ungeeignet, um das Vorbringen für glaubhaft befinden zu können. Es habe den Angaben an sämtlichen Hinweisen gefehlt, die annehmen ließen, dass der BF wahre Erlebnisse schilderte. Weder habe er von sich aus Details vorgebracht noch seien der Schilderung Ausführungen hervorgegangen, die von einer Erzählung sprechen lassen, die sich auf wahre Begebenheiten bezieht. So musste bereits in der freien Erzählphase zum Fluchtgrund mehrmals nachgefragt werden, um diese Angaben zumindest in einer oberflächlichen Weise verständlich zu machen.

Wenn der BF dann aber nicht einmal die Partei des Vaters benennen konnte, obwohl genau diese Zugehörigkeit zu den Auseinandersetzungen mit den Gegnern geführt haben soll, sei es klar erwiesen, dass der BF die Unwahrheit sagt. Er habe die beiden größten rivalisierenden Parteien angegeben und offensichtlich gehofft, dass aus dem Kontext der Befragung durch das BFA dieses selbst die Wahl haben sollte, eine Partei zu benennen. Weiter unterstreiche die Unglaubwürdigkeit des BF seine zuvor erklärte Unterstützung des Vaters bei seinen politischen Tätigkeiten, kombiniert mit der völligen Unwissenheit des BF zur politischen Ideologie einer politischen Partei in Pakistan bzw. des gesamten politischen Umfeldes in der Heimat.

Der BF habe sich dann in die Angabe verlaufen, dass sein Vater diese politische Tätigkeit im Jahr 2007 beendet haben soll, der BF jedoch im Jahr 2013 von den Gegnern seines Vaters erneut bedroht worden sein soll, weil er seinem Vater geholfen habe. Einen kausalen Zusammenhang habe der BF ad hoc nicht darlegen können. Also habe er sich erneut in eine weitere Aussage geflüchtet, dass er der ahmadischen Gemeinschaft geholfen habe. Die letzten aktuellen Bedrohungen nichts mit der Hilfe des BF und der politischen Aktivität des Vaters zu tun gehabt hätten, sondern er den Schiiten über die Ahmadis geholfen habe. Das widerspreche der aktuellen Situation in Pakistan zur Gänze, denn auch die Schiiten erklären den Ahmadis, dass diese Ungläubige seien und würden niemals Hilfe von dieser Religionsgemeinschaft annehmen. Auch der BF als Sunnite, der angab Schiite werden zu wollen, ohne nur im geringsten den Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten zu kennen, würde sich niemals in der pakistanischen Gesellschaft mit den Ahmadis auseinandersetzen, diese eher meiden, da Sunniten und Schiiten, welche sich mit der Religion der Ahmadi beschäftigen, erheblich größere Diskriminierung durch die pakistanische Gesellschaft erfahren als gebürtige Ahmadi.

Die gesamte Darstellung des BF, insbesondere die fortlaufenden neuen Fluchtgründe seien ein klares Indiz, dass der BF während der Einvernahme durch das BFA gezwungen war, sich immer wieder in Unwissenheit oder in eine völlig neue unwahre oberflächliche Fluchtgeschichte zu flüchten, er also niemals die wahren Hintergründe seiner Ausreise darlegte.

römisch eins.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

römisch eins.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Artikel 8, EMRK (Paragraphen 55,, 10 Absatz 2, AsylG 2005) dar.

römisch eins.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht:

Der Bescheid werde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten. Die belangte Behörde habe ihre Ermittlungspflichten verletzt. Die Einvernahme sei am 18.3.2015 erfolgt, bereits am 21.3.2015 wurde der Bescheid erlassen. Es sei nicht nachvollziehbar, wie in dieser kurzen Zeit eine umfassende Beweiswürdigung und ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt werden können. Mit dem Dolmetscher habe es Verständigungsprobleme gegeben, da der BF bloß ein wenig Punjabi spreche.

Der Vater des BF habe der PPP angehört. 1990 sei er Union Councelor in römisch 40 gewesen, 2000 Mitglied des römisch 40 römisch 40 , alles im Namen der PPP. 1999 sei die ML-Q an die Macht gekommen, der der Vater des BF beigetreten sei. 2007 sei wieder die PPP an die Macht gekommen und der Vater habe sich aus der Politik zurückgezogen. Der BF habe so wie sein Vater die Schiiten unterstützt und sei Mitglied einer schiitischen Gesellschaft namens römisch 40 . Diese sei bei seiner Einvernahme fälschlich als römisch 40 bezeichnet worden. Seit Dezember 2014 sei der BF selbst gläubiger Schiit.

Ende 2005 sei der BF von Wahabiten gekidnappt und misshandelt worden. Anfang 2006 sei er wieder freigelassen worden, dann habe er sich 1 bis 2 Wochen im Krankenhaus aufgehalten. Die Unterlagen seien in Pakistan, aber er habe keinen Kontakt zur Familie, um sich diese zu besorgen. Am 1.6.2014 sei er wegen seiner religiösen Aktivität von Mitgliedern der PML erneut entführt und misshandelt worden. Ein Freund des Vaters, der Politiker war, habe die Freilassung des BF erreicht.

Da sich die Familie des BF in seinem Heimatdorf befinde, stehe ihm eine IFA nicht offen. Ein Umzug an einen anderen Ort brächte eine Aufgabe der wirtschaftlichen Basis mit sich.

Der Beschwerde wurden noch ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 9.1.2015 und vom August 2014 zu den Themen Gewalt gegen PML-Q Mitglieder durch Mitglieder der PML-N in den Jahren 2013 und 2014 sowie Lage der Schiiten (Schwerpunkt aktuelle Sicherheitslage und mögliche Diskriminierungen) sowie eine Überweisung zum Augenfacharzt beigelegt.

1.4 Für den 1.6.2015 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Seitens des BFA wurde mit Schreiben vom 15.5.2015 mitgeteilt, dass keine Teilnahme erfolgt. Dem BF wurde die Ladung durch Hinterlegung am 5.5.2015 zugestellt, eine Behebung ist nicht erfolgt. Der BF war zum Zeitpunkt der Ladung an der Zustelladresse aufrecht gemeldet. Der BF ist der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben.

römisch eins.5. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

2. römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

a. 1. Feststellungen:

römisch II.1.1. Der Beschwerdeführer:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen aus dem Punjab stammenden pakistanischen Staatsangehörigen, welcher aus einem überwiegend von Pakistani bewohnten Gebiet stammt und sich zum Mehrheitsglauben des sunnitischen Islam bekennt. Dass der BF zum schiitischen Islam konvertiert wäre, kann nicht festgestellt werden. Der BF ist damit Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist ein 24-jähriger, gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Der BF hat zumindest die Grundschule besucht und spricht neben Urdu auch Punjabi.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF verfügt in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel.

Der BF hat keine relevanten familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die Identität des BF steht nicht fest.

Er reiste unrechtmäßig in die Europäische Union ein.

Der BF hält sich lediglich aufgrund der Bestimmungen des Asylgesetzes vorübergehend legal in Österreich auf und besteht kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen.

römisch II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan:

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 16.06.2014: Großoffensive in Nord Waziristan, Warnungen vor Vergeltung (relevant für Abschnitt 2 / Politische Lage und 3/ Sicherheitslage).

Eine Woche nach dem Terrorangriff auf den Flughafen von Karachi (siehe KI vom 10.6.2014) hat die pakistanische Armee zum ersten Mal auch eine Bodenoffensive in Nord-Waziristan - einer Agency (~Bezirk) der Federal Administered Tribal Areas (FATA) - gegen islamistische Terroristen begonnen. Seit Sonntag, 15.6.2014, bombardiert die Luftwaffe Stellungen von Islamisten in Nord-Waziristan (FAZ 15.6.2014). 167 militante Extremisten sollen dabei laut staatlichen Angaben seit gestern getötet worden sein (Dawn 16.6.2014). Laut Militärangaben wurden für die Operation 40.000 Truppen sowie Artillerie und Kampfhubschrauber nach Nord-Waziristan verlegt. Die dortige Truppenstärke liegt damit bei 80.000 (Reuters 15.6.2014a). Die Bodentruppen sind, laut Militärs, noch nicht direkt in aktive Kampfhandlungen involviert (Reuters 15.6.2014b).

Die Grenze der Agency zu Afghanistan wurde abgeriegelt (Reuters 15.6.2014a). Um ein Fliehen der Terroristen über die Grenze zu verhindern wurden die afghanischen Sicherheitskräfte ebenfalls gebeten ihre Seite der Grenze abzuriegeln. Auch innerhalb des Landes wurde die Grenzen Nord-Waziristan zu seinen Nachbaragencies abgeriegelt und die Agency isoliert (Dawn 15.6.2014).

Unabhängige Berichte aus der Region sind nicht erhältlich. Die Taliban scheinen indes entschlossen zurück zu schlagen. Beim ersten Gegenschlag der Taliban seit der Großoffensive wurden mit einer Straßenbombe mindestens fünf Soldaten in Nord-Waziristan getötet (Reuters 15.6.2014b).

Den pakistanischen Sicherheitskräften wird seit Jahren vorgeworfen, zwischen ihrer Ansicht nach "guten Taliban", die von Pakistan aus Ziele in Afghanistan angreifen, und "schlechten Taliban", die in Pakistan selber Anschläge verüben, zu unterscheiden. Gegen die "guten Taliban" in Nord-Waziristan gingen die Streitkräfte bislang nicht vor. Dazu zählt das Hakkani-Netzwerk, das die Vereinigten Staaten für die gefährlichste Taliban-Gruppe in Afghanistan halten. Das Netzwerk operiert von Nord-Waziristan an der afghanischen Grenze aus. Die Verlautbarung des Militärs "Terroristen ohne Ansehen ihrer Art" würden bekämpft, deutet darauf hin, dass diesmal alle Extremistengruppen zum Ziel erklärt wurden (FAZ 15.6.2014).

Intern Vertriebene

Für die durch die Kampfhandlungen intern vertriebene Bevölkerung (IDPs) seien, nach offiziellen Angaben, Registrierungsstellen und Camps eingerichtet worden (Dawn 15.6.2014). Zwei Drittel der Familien in der Region sollen aus Angst vor einer Eskalation bereits geflohen sein (Reuters 15.6.2014b), viele in die Städte der Nachbarprovinz Khyber Pakhtunkhwa, aber auch der Provinzen Punjab und Sindh (Dawn 16.6.2014). Um die 10.000 Personen sollen auch nach Afghanistan, in den Gorbaz Distrikt der Provinz Khost, geflohen sein (Reuters 15.6.2014b).

Auswirkungen auf den Rest des Landes

Die Taliban erklärten, Rache an der Regierung nehmen zu wollen (Dawn 16.6.2014). Der Sprecher der Taliban warnte alle ausländischen Investoren, Fluglinien und Firmen sofort ihre Tätigkeiten auszusetzen und das Land zu verlassen, andernfalls seien sie selbst verantwortlich für ihre Verluste (The Independent 16.6.2014).

Nach Beginn der Offensive wurden die Sicherheitsvorkehrungen in der Hauptstadt Islamabad verschärft. Auf den Flughäfen im Land sei die höchste Alarmstufe ausgerufen worden, hieß es aus dem Innenministerium (FAZ 15.6.2014). Laut Regierungsangaben wurden die Sicherheitsvorkehrungen in allen größeren Städten des Landes und bei sensiblen Einrichtungen erhöht. Armeetruppen wurde positioniert um im Ernstfall die Rechtsdurchsetzungsbehörden zu unterstützen. Alle Krankenhäuser in Khyber Pakhtunkhwa (Nachbarprovinz zur FATA) wurden in Alarmbereitschaft versetzt (Dawn 16.6.2014).

Quellen:

http://www.dawn.com/news/1113108/n-waziristan-operation-6-soldiers-killed-3-injured, Zugriff 16.6.2014.

http://www.dawn.com/news/1112909/zarb-e-azb-operation-120-suspected-militants-killed-in-n-waziristan, Zugriff 16.6.2014

http://www.independent.co.uk/news/world/asia/pakistan-military-stepsup-operation-to-oust-taliban-militants-9539611.html, Zugriff 16.6.2014

http://www.reuters.com/article/2014/06/15/us-pakistan-airstrikes-idUSKBN0EQ0F720140615, Zugriff 16.6.2014

http://www.reuters.com/article/2014/06/16/us-pakistan-airstrikes-idUSKBN0ER08R20140616, Zugriff 16.6.2014.

KI vom 10.6.2014: 2 Taliban Offensiven Flughafen Karatschi, Allgemeines Update (relevant für Abschnitt 2 / Politische Lage und 3/ Sicherheitslage).

Taliban Angriffe auf Internationalen Flughafen Karatschi, Luftschläge des Militärs in FATA

Bei einem Angriff von Taliban auf den internationalen Flughafen in Karatschi wurden in der Nacht von Sonntag, 8.6.2014, auf Montag 34 Personen getötet (Reuters 10.6.2014).

Es war der ambitionierteste Angriff der Islamisten seit dem Sturm auf die Luftwaffenbasis von Karatschi vor drei Jahren. Zehn offenbar gut ausgebildete Angreifer in Uniformen von Sicherheitskräften, bewaffnet mit Raketenwerfern und Sturmgewehren, lieferten sich fünf Stunden lang Gefechte mit pakistanischen Soldaten, Paramilitärs und Polizisten. Dabei griffen sie den Flughafen von zwei Seiten an, wobei sie nicht bis zum Passagierterminal vordringen konnten, wo Hunderte Fluggäste ausharrten. Unter den Angreifern waren mindestens drei Selbstmordattentäter, die Sprengstoffgürtel zündeten; sieben weitere wurden von Sicherheitskräften erschossen. In ihren Rucksäcken fanden die Behörden große Mengen Wasser und Trockenfrüchten, die darauf hindeuten, dass sich die Täter auf eine längere Belagerung eingestellt hatten (FAZ 9.6.2014a; vergleiche auch Dawn 10.6.2014a). An den internationalen Flughäfen römisch 40 und Islamabad wurden die Sicherheitsvorkehrungen stark erhöht (Dawn 9.6.2014).

Heute, 10.6.2014, erfolgte mit einem Angriff auf die Akademie der Flughafensicherheitskräfte ein weiterer - bedeutend kleinerer Anschlag - auf das Flughafengelände Karatschi. Je nach Quelle zwei bis vier bewaffnete Angreifer auf Motorrädern lieferten sich an einem Kontrollposten vor der Akademie einen Schusswechsel mit Sicherheitsbeamten. Die Taliban bekannten sich auch dazu. Der Flugbetrieb wurde nochmals ausgesetzt, konnte jedoch bald wieder aufgenommen werden (Reuters 10.6.2014). Nachdem die Angreifer bei Eintreffen eines großen Kontingents an Sicherheitskräften flohen, konnten bisher zwei Angreifer gefasst werden. Eine Suchoperation dauert an. Ersten Aussagen von Sicherheitskräften zufolge gab es bei diesem Angriff keine Todesopfer (Dawn 10.6.2014b).

Das pakistanische Militär hatte in den vergangenen zwei Wochen Luftangriffe auf Stellungen der Taliban in Nordwasiristan (FATA) geflogen und nach eigenen Angaben Dutzende Kämpfer und "wichtige Kommandeure" getötet. Ein Sprecher der TTP bezeichnete den groß angelegten Angriff von Sonntag auf den Flughafen als Vergeltung für die Luftangriffe sowie für den Tod des früheren Talibanführer Hakimullah Mehsud im November 2013 bei einem amerikanischen Drohnenangriff. Der Angriff von Sonntag könnte in der Bevölkerung die Zustimmung zu einer Bodenoffensive in Nordwasiristan, dem Stammland der Taliban, wachsen lassen, vor der die Regierung bislang zurückgeschreckt war. Eine Bodenoffensive, die mit Tausenden Flüchtlingen einhergehen würde, ist für Ministerpräsident Sharif riskant, weil ihm einer der populärste Kritiker eines solchen Vorgehens, der Parteichef der Pakistan Tehrik-e-Insaf (PTI) Imran Khan, politisch gefährlich werden kann (FAZ 9.6.2014a).

Unterdessen wurden heute bei einem Luftangriff auf Verstecke von Militanten im Tirah Tal in der Khyber Agency (FATA) nach Angaben des Militärs 25 Militante getötet (Dawn 10.6.2014c).

Mehrere Anläufe für einen politischen Dialog mit den Taliban sind bereits fehlgeschlagen (Zeit-online 9.6.2014; siehe KI vom 10.4.2014 zu Verhandlungen mit Taliban).

Die Taliban konnten ihren Einfluss in Karachi in den vergangenen Jahren stark ausbauen. Grund dafür ist der Zustrom von Millionen von Paschtunen aus den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan, die ab 2009 unter anderem vor den Militäroperationen im Swat-Tal und Südwasiristan geflohen waren (FAZ 9.6.2014a). Taliban Kämpfer konnten die Deckung der Migrationsströme nutzen um in Karatschi Fuß zu fassen (siehe LIB).

Karatschi ist das wirtschaftliche Zentrum Pakistans. 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Pakistans werden in der 23-Millionen-Einwohner-Metropole erwirtschaftet (FAZ 9.6.2014a). Sie beheimatet eine dynamische Börse, die Zentralbank sowie den wichtigsten Hafen des Landes, ist allerdings auch von Gewalt geprägt. Der groß angelegte Angriff von Sonntag auf den wichtigsten Flughafen im Wirtschaftszentrum des Landes bedeutet einen schweren Schlag gegen die Bemühungen des Premierministers die Ökonomie des Landes anzukurbeln und verstärkt internationale Investoren zu gewinnen (Reuters 9.6.2014).

Anschlag auf schiitische Pilger in Belutschistan

Ebenfalls am Sonntag, 8.6.2014, starben bei einem Selbstmordanschlag auf zwei Hotels mit schiitischen Pilgern in Taftan, Belutschistan, 24 Pilger (Dawn 10.6.2014d). Auch drei Terroristen wurden getötet. Zu den Selbstmordanschlägen nahe der iranischen Grenze bekannte sich die sunnitische Extremistengruppe Jaishul Islam (FAZ 9.6.2014b)

Update: Anschlagszahlen April, Mai 2014 laut Aufzeichnungen von PIPS

(Für 1. Quartal 2014 siehe KI vom 10.4.2014 sowie LIB)

Im April zeichnete PIPS 84 Terroranschläge in Pakistan auf, ein Rückgang von 26 Prozent. 123 Menschen starben dabei, 365 wurden verletzt. Die regionale Verteilung zeigt folgendes Bild: Khyber Pakhtunkhwa - 23 Anschläge mit 17 Toten; Sindh - 20 Anschläge (16 davon in Karatschi) mit 27 Toten; Belutschistan - 23 Anschläge mit 41 Toten; FATA - 13 Anschläge mit 12 Toten; der Punjab war von 17 Toten in 4 Anschlägen betroffen; Islamabad von einem Großanschlag mit 24 Toten (PIPS 8.5.2014).

Im Mai war Pakistan von 107 Terroranschlägen mit 106 Toten und 165 Verletzten betroffen. Die regionale Verteilung zeigt: Khyber Pakhtunkhwa - 30 Anschläge mit 18 Toten; FATA - 29 Anschläge mit 37 Toten; Belutschistan - 20 Anschläge mit 23 Toten; Sindh - 17 Anschläge (davon 13 in Karatschi) mit 22 Toten; Punjab - 6 Anschläge mit 5 Toten; Islamabad verzeichnete 3 Anschläge niedriger Intensität mit insgesamt einem Todesopfer (PIPS 9.6.2014).

Quellen:

http://www.dawn.com/news/1111768/karachi-airport-attack-bid-to-disable-aviation-system-thwarted, Zugriff 10.6.2014.

http://www.dawn.com/news/1111785/at-least-25-killed-in-airstrikes-in-tirah-valley, Zugriff 10.6.2014

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=409, Zugriff 10.6.2014.

http://www.reuters.com/article/2014/06/10/us-pakistan-army-idUSKBN0EL09I20140610, Zugriff 10.6.2014.

http://www.reuters.com/article/2014/06/09/us-pakistan-airport-attacks-idUSKBN0EJ0TW20140609, Zugriff 10.6.2014

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-06/pakistan-karatschi-flughafen

KI vom 10.4.2014 Übersicht: Großanschlag in Islamabad, rezente Anschläge, Taliban Gespräche, Militäroperationen (relevant für Abschnitt 2 / Politische Lage und 3/ Sicherheitslage)

Am Mittwoch, dem 9.4.2014, wurden bei einem Anschlag auf einen Markt am Stadtrand der Hauptstadt Islamabad mindestens 20 Personen getötet. Erste offizielle Angaben sprachen von 23, später 20 Toten. Es ist dies der blutigste Anschlag in der Hauptstadt seit Jahren (Reuters 9.4.2014a). Mehr als 100 Personen wurden verletzt (BBC 9.4.2014). Laut offizieller Stellungnahme würde der Markt regelmäßig patrouilliert, doch sei es nicht möglich alle Lieferwägen zu durchsuchen. Die Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP) - die pakistanischen Taliban - hatten zuvor ihre verkündete Waffenruhe bis 10. April ausgedehnt und stritten eine Involvierung in den Anschlag ab (The News International 9.4.2014).

Die belutschische Separatistengruppe United Baloch Army erklärte sich verantwortlich - als Racheakt für eine Militäroperation im Kalat Distrikt in Belutschistan (Dawn 9.4.2014a). Der Innenminister jedoch verneinte eine mögliche Involvierung der United Baloch Army, der bisherige Stand der Ermittlungen deute in eine andere Richtung (Dawn 10.4.2014). Es wäre dies, der erste Anschlag belutschischer Separatisten in der Hauptstadt, diese beschränken ihre Anschläge für gewöhnlich auf Belutschistan oder auf Pipelines (Reuters 9.4.2014b).

Am Tag zuvor, dem 8.4.2014, starben mindestens 17 Menschen in Sibi, Belutschistan, bei einem Anschlag auf einen Zug am Weg von Quetta nach Rawalpindi. Auch zu diesem Anschlag bekannte sich die United Baloch Army (Dawn 9.4.2014b).

Am Montag, dem 7.4.2014, waren bei einem der größten Zusammenstöße der letzten Monate im Rahmen einer Offensive der Sicherheitskräfte 30 [Anm. mutmaßliche] Separatisten in Belutschistan getötet worden (NYT 7.4.2014).

Die Geheimdienste hatten bereits am 3.4.2014 Warnungen an die Polizei ausgegeben, dass Militante, welche Friedensgespräche zwischen den Taliban und der Regierung ablehnen, Anschläge in Islamabad, Peschawar und Quetta planten. Ausgegangen wurde von Anschlägen durch eine neue Splitter Gruppe der Taliban. Es gab allerdings auch Vermutungen, die Taliban würden diese jedoch unterstützen und die Ziele vorgeben (Dawn 8.4.2014).

In den letzten Jahren waren Anschläge in der Hauptstadt sehr selten (siehe u.a. Dawn 4.3.2014).

Doch bereits am 3.3.2014, innerhalb von nur 24 Stunden nach der Erklärung einer Waffenruhe durch die Taliban kam es zu einem größeren Anschlag in Islamabad (The News International 28.3.2014). Dabei wurden 11 Personen, darunter ein Richter, in einem Gerichtsgebäude getötet. Zu dem Anschlag bekannte sich die "Ahrarul Hind", eine neu formierte Gruppe, die sich von der TTP aufgrund der Friedensgespräche abspaltete (Dawn 4.3.2014). Auch für Anschläge am 14.3.2014 in Peschawar mit mindestens 9 Toten und in Quetta mit 10 Toten übernahm die Gruppe die Verantwortung (Reuters 14.3.2014). Ebenso bekannte sich sie zu einem Doppelanschlag am 21.3.2014 in Peschawar, Khyber Pakhtunkhwa, bei dem 20 Menschen getötet wurden (The News International 28.3.2014).

An Untersuchungen Beteiligte sprechen der pakistanischen "News International" zufolge jedoch davon, dass der Doppelanschlag von Peschawar und der Anschlag auf das Gericht in Islamabad der "Ahrarul Hind" von Führern der TTP geplant und in Auftrage gegeben wurden. Militärs weisen darauf hin, dass bis jetzt jede Waffenruhe nur von den Taliban genutzt wurde um sich nach Schwächungen zu konsolidieren und Freilassungen zu erreichen (The News International 28.3.2014).

Friedengespräche, weitergehende Anschläge und Militäroperationen

Ende Jänner hatte der Premierminister, trotz einer vorangegangenen Welle an Anschlägen, die Formierung eines Vier-Personen Komitees bekannt gegeben, welches die Gespräche mit den Taliban führt (The News International 29.1.2014). Anfang Februar nominierten die TTP ein Fünf-Personen Komitee für Gespräche (The News International 2.2.2014). Am 6.2. begannen erste Gespräche (Reuters 2.3.2014).

Für konkrete Friedensverhandlungen verlangen die Taliban die Freilassung von Gefangenen, den Abzug der Armee aus den Gebieten, die von ihrem Aufstand betroffen sind, und Kompensationszahlungen (The News International 9.2.2014).

Trotz der Gespräche kam es im Februar weiterhin zu Anschlägen. Der Premierminister erklärte, dass es zu wenig sei, nur zu verkünden, die Taliban seien nicht involviert, diese müssten auch jene identifizieren, die hinter den Anschlägen stünden (The News International 14.2.2014).

Zu einem Anschlag auf einen Polizeibus am 13.2.2014 in Karatschi, bei dem 13 Polizisten getöteten wurden, bekannte sich die TTP selbst und erklärte es sei dies die Reaktion auf die Tötung von Taliban Kämpfer (The News International 13.2.2014). Nach der Exekution von 23 im Jahr 2010 entführten Soldaten am 16.2.2014 durch die TTP (The News International 17.2.2014), reagierte die pakistanische Führung schließlich mit dem Abbruch der Gespräche und vier Luftangriffen auf Taliban Verstecke in Nord- und Süd-Wasiristan zwischen dem 20 und

25.2 (The News International 25.2.2014). Im Vorfeld hatte die Armee bekannt gegeben, dass in den vorangegangenen fünf Monaten um die 100 Soldaten durch Taliban getötet wurden (The Express Tribune 20.2.2014).

Dutzende Militante wurden laut offiziellen Angaben bei den Luftschlägen getötet. Da die Region für Journalisten nicht zugänglich ist, ist es nicht möglich unabhängige Zahlen zu den Todesopfern zu geben. Medien und Analysten gingen indes davon aus, dass das Militär eine Offensive in Wasiristan vorbereite. Am 1.3. verkündeten die TTP schließlich eine einmonatige Waffenruhe, die sich ausdrücklich auch an alle Untergruppen richtet (Reuters 2.3.2014). Am 5.3. wurden wieder erste Gespräche aufgenommen (LAT 5.3.2014). Die verkündete Waffenruhe wurde bis 10.4 verlängert, nachdem die Regierung 16 Gefangene frei ließ, laut offiziellen Angaben, solche die nicht direkt in Gewalt involviert waren (Reuters 4.4.2014).

Update: Anschlagszahlen des 1. Quartals 2014 laut Aufzeichnungen von

PIPS

Im Jänner war Pakistan von 171 Terroranschlägen betroffen, bei denen 258 Personen starben - eine immense Steigerung von 190 Prozent im Vergleich zum Vormonat. 446 wurden verletzt. Die regionale Verteilung zeigt folgendes Bild: Khyber Pakhtunkhwa - 59 Anschläge mit 90 Toten; Sindh - 42 Anschläge mit 54 Toten (davon 53 in Karatschi); Belutschistan - 37 Anschläge (darunter 2 auf Busse mit schiitischen Pilgern) mit 46 Toten; FATA - 21 Anschläge mit 34 Toten; auch der Punjab war stärker betroffen als sonst, mit 31 Toten in 9 Anschlägen, darunter ein Anschlag auf das Armee Hauptquartier in Rawalpindi; in Islamabad forderten 3 Attentate 3 Tote (PIPS 6.2.2014).

Im Februar gingen die Anschläge und Opferzahlen zurück auf 192 Tote und 356 Verletzte in 132 Anschlägen. Regionale Verteilung: Khyber Pakhtunkhwa - 42 Anschläge mit 78 Toten; Belutschistan - 38 Anschläge mit 29 Toten; Sindh - 50 Tote (davon 41 in Karatschi) in 28 Anschlägen; Punjab - 4 Anschläge mit 2 Toten (PIPS 14.3.2014); FATA - 20 Anschläge mit 33 Toten (PIPS 8.4.2014).

Im März sanken die Zahlen weiterhin auf 114 Anschläge mit 129 Toten und 274 Verletzten. Regionale Verteilung: Khyber Pakhtunkhwa - 24 Anschläge, 29 Tote; FATA - 13 Anschläge, 31 Tote; Belutschistan - 54 Anschläge, 41 Tote; Sindh - 18 Anschläge (16 davon in Karatschi), 13 Tote; Punjab - 3 Anschläge, 2 Tote; Islamabad 2 Anschläge, 13 Tote (PIPS 8.4.2014).

Quellen:

http://www.dawn.com/news/1098493/intelligence-sees-ttp-lurking-behind-new-terrorism-threats, Zugriff 9.4.2014.

http://www.dawn.com/news/1098742/baloch-separatists-claim-islamabad-terror-attack-24-killed, Zugriff 9.4.2014.

https://www.dawn.com/news/1090737/judge-10-others-killed-in-islamabad-blasts-firing, Zugriff 9.4.2014

http://www.thenews.com.pk/article-143955-20-killed-in-Islamabad-fruit-market-blast, Zugriff 9.4.2014.

http://tribune.com.pk/story/674090/fighter-jets-bomb-militant-hideouts-in-north-waziristan-killing-20-militants/, Zugriff 9.4.2014.

http://www.latimes.com/world/worldnow/la-fg-wn-pakistan-peace-talks-resume-20140305,0,4025286.story#ixzz2yTfAiJvC, Zugriff 9.4.2014

http://www.thenews.com.pk/Todays-News-2-240761-TTP-had-ordered-attack-on-Islamabad-court-say-findings, Zugriff 9.4.2014.

http://www.thenews.com.pk/article-137200-TTP-demands-withdrawal-of-army,-release-of-prisoners-&-compensation, Zugriff 9.4.2014.

http://www.thenews.com.pk/article-136422-Taliban-formally-announce-five-member-committee, Zugriff 9.4.2014

http://www.thenews.com.pk/article-135941-PM-forms-four-member-committee-for-Taliban-talks-, Zugriff 9.4.2014

http://www.thenews.com.pk/Todays-News-5-232415-Taliban-should-identify-those-behind-terror-attacks, Zugriff 9.4.2014

http://www.thenews.com.pk/article-137676-Taliban-claim-responsibility-for-Karachi-police-bus-attack-, Zugriff 9.4.2014.

http://www.thenews.com.pk/article-138048-TTP-claims-killing-23-FC-personnel-in-custody, Zugriff 9.4.2014.

http://www.thenews.com.pk/article-139068-Air-strikes-death-toll-rises-to-30-in-Waziristan-Agency, Zugriff 9.4.2014.

http://www.nytimes.com/2014/04/08/world/asia/pakistan-security-forces-press-offensive-against-separatists.html?_r=0, Zugriff 9.4.2014).

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http://www.reuters.com/article/2014/04/09/us-pakistan-blast-idUSBREA380A520140409, Zugriff 9.4.2014.

http://www.reuters.com/article/2014/04/09/us-pakistan-blast-idUSBREA380A520140409, Zugriff

http://www.reuters.com/article/2014/04/04/us-pakistan-taliban-talks-idUSBREA330CI20140404, Zgriff 9.4.2014.

http://www.reuters.com/article/2014/03/01/pakistan-taliban-ceasefire-idUSL3N0LY07B20140301, Zugriff 9.4.2014

KI vom 18.11.2013 - Ausschreitungen zu Ashura (betrifft Abschnitt 16 Religionsfreiheit, Abschnitt 3 Sicherheitslage:

Ausschreitungen bei einer schiitischen Ashura Prozession im Rahmen des zehnten Muharrams am Freitag, 15.11., in Rawalpindi (Punjab), kosteten mindestens 10 Menschenleben (Dawn 18.11.2013). Außerdem wurden ein sunnitisches Seminar und ein Markt in Brand gesetzt. Eine Ausgangssperre wurde verhängt und Truppen des Militärs in die Stadt verlegt (Dawn 18.11.2013a; vergleiche BBC 16.11.2013) Auslöser waren Beschimpfungen gegen die schiitische Prozession durch sunnitische Kleriker des Seminars (Dawn 17.11.2013, vergleiche NZZ 15.11.2013).

Die Ausgangssperre wurde am Montag, 18.11.2013, aufgehoben, die Lage in Rawalpindi bleibt allerdings angespannt. Truppen sind weiterhin vor Ort (Dawn 18.11.2013b). Ausgehend von diesen Vorfällen kam es auch zu Unruhen in Multan und Bhawalnagar (Punjab) am Wochenende (BBC 16.11.2013) sowie am Montag in Kohat und Hangu in Khyber Pakhtunkhwa. Truppen wurden in die betroffenen Gebiete verlegt. In Kohat und Hangu wurde ebenfalls eine Ausgangssperre ausgerufen. In Kohat wurden 2 Polizisten und 1 Zivilist getötet sowie ein Markt in Brand gesetzt (Dawn 18.11.2013c; vergleiche BBC 16.11.2013).

Bereits im Vorfeld der Ashura Feiern wurden die Sicherheitsmaßnahmen erhöht und zehntausende Sicherheitskräfte zusätzlich postiert um Übergriffe auf die schiitische Minderheit zu verhindern (BBC 16.11.2013)

Quellen:

http://dawn.com/news/1056965/parts-of-rawalpindi-tense-after-lifting-of-curfew, Zugriff 18.11.2013.

http://dawn.com/news/1056959/three-killed-in-kohat-violence-curfew-in-place, 18.11.2013.

2. Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in den FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bislang von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2013a).

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2013 auf über 193 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 11.9.2013).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2013a).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2013a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen am 11. Mai 2013 war überraschend hoch. In vielen Wahlkreisen blieben die Lokale wegen des großen Ansturms länger offen. Unter den Wartenden befanden sich ungewöhnlich viele junge Wähler und Frauen. Eine Wahlhelferin in einer zum Wahllokal umfunktionierten Mädchenschule in Rawalpindi, erklärte, eine so hohe Beteiligung habe sie in ihrer langen Karriere noch nie gesehen. Die Tehrik-e Taliban Pakistan hatten am Freitag einmal mehr zum Wahlboykott aufgerufen (NZZ 11.5.2013). Die mit der Al-Kaida verbündete TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hält die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Selbstmordanschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Polizisten, Paramilitärs und Soldaten waren im Einsatz (Die Zeit 11.5.2013). Rund ein Drittel der Wahlkreise wurde als riskant eingestuft. Noch nie war eine Parlamentswahl in Pakistan so blutig wie diese. Doch die Wähler haben bewiesen, dass ihnen die Demokratie wichtig ist und sie sich von Extremisten nicht einschüchtern lassen (NZZ 11.5.2013).

Drohungen der Taliban hatten die Wahlkampagnen der ANP, der PPP (Pakistan People's Party), und der MQM (Muttahida Qaumi Movement) geschwächt. Ein Sprecher der Taliban warnte pakistanische Wähler, Veranstaltungen dieser säkularen Parteien fern zu bleiben. Alle drei Parteien sind säkular und waren in der Regierungskoalition. Die ANP, welche die Regierung in Khyber Pakhtunkhwa führte, war am stärksten betroffen. Die durch die Drohungen eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten zu den Wählern erschwerten es für diese Parteien die Unbeliebtheit, die sie während ihrer Regierungszeit erlangten, wieder auszugleichen (BBC 5.4.2013).

Insgesamt starben zwischen 1. Jänner und 15.Mai laut Daten des Sicherheitsinstituts PIPS bei 148 Anschlägen, die spezifisch politische Führer, politische Aktivisten, Kandidaten, Parteibüros und Wahllokale betrafen, 170 Menschen in Pakistan. Die Hauptlast der Anschläge entfiel auf die bis zur Übergangsregierung in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa regierende und an der nationalen Regierungskoalition beteiligte ANP, mit 37 Anschlägen, gefolgt von unabhängigen Kandidaten, der PPP und der in Karatschi regierenden MQM. Die konservativen Parteien blieben allerdings nicht verschont, Aktivisten und Kandidaten der Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N), der Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), der islamistischen Jamiat Ulema-e-Islami, Jamaat-e-Islami, belutschische nationalistische Parteien sowie einige kleinere Parteien waren, etwas seltener, ebenfalls von Attacken betroffen (PIPS 5.2013).

Bei den Wahlen wurde die bisherige Regierungspartei Pakistan Peoples Party (PPP) von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karachi und Hyderabad, stellt jetzt die viertstärkste Fraktion im Parlament. Am 5. Juni 2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 - 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief (AA 10.2013a). Erst im Herbst 2008 war Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurückgekehrt, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen (AA 2.11.2012).

Ebenfalls am 11. Mai 2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50% der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird nunmehr von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2013a).

Am 30. Juli 2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente mit großer Mehrheit den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9. September 2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari im Amt des Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts hat die Demokratie in Pakistan erheblich gestärkt (AA 10.2013a).

Ministerpräsident Nawaz Sharif hat wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit erklärt. Bereits wenige Monate nach seinem Amtsantritt rückt allerdings auch die Sicherheitslage in Pakistan, und insbesondere die Bedrohung durch die islamistischen Extremisten der pakistanischen Taliban (TTP), wieder in den Vordergrund. Eine Allparteienkonferenz am 9. September 2013 hat die Regierung einvernehmlich mandatiert, mit den Taliban in Gespräche einzutreten. Dieser Dialogansatz wurde allerdings bereits wenige Tage nach der Konferenz durch mehrere blutige Taliban-Anschläge in Frage gestellt (AA 10.2013a).

Überschwemmungen / Katastrophen

Pakistan wurde in der zweiten Jahreshälfte 2010 von der größten humanitären Krise seiner Geschichte getroffen, als starke Monsunregenfälle Anfang August sintflutartige Überschwemmungen auslösten. Fast 2.000 Tote waren zu beklagen, ein großer Teil der Infrastruktur wurde in den betroffenen Gebieten beschädigt oder zerstört (AA 6.2011). Ein Fünftel Pakistans stand unter Wasser. Etwa 20 Millionen Menschen in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh waren davon betroffen (HSS 17.10.2011). Mitte April 2011 wurden offiziell die letzten flutbedingten humanitären Hilfsmaßnahmen im Land beendet und der Wiederaufbau eingeleitet (AA 6.2011). Doch Anfang August 2011 verursachten erneut starke Regenfälle große Zerstörungen. In der Provinz Sindh waren mehr als 8,5 Millionen Menschen von der Flut betroffen. Etwa 450 Menschen kamen ums Leben (HSS 17.10.2011). Die pakistanische Regierung reagierte nur langsam auf die Flut (Reuters 12.12.2011).

Auch im August und September 2012 starben bei Überschwemmungen durch Monsunregen in Pakistan mehr als 450 Menschen. Insgesamt waren mehr als fünf Millionen Menschen von den Fluten betroffen (DS 17.10.2012). Humanitäre Hilfsorganisationen sind vor Ort, um von den Fluten Betroffen Unterstützung zu leisten (OCHA 8.11.2012). Mit Stand 10.1.2013 waren laut FAO 97,6% des Flutwassers abgeebbt (UNICEF 18.1.2013). Im August 2013 sind eine Million von den Fluten 2012 betroffene Menschen in Südpakistan noch ohne adäquate Unterkunft, Großbritannien unterstützt für 50.000 Familien den Wiederaufbau der Häuser (Reliefweb 26.8.2013).

Ein Problem ist, dass die aufeinanderfolgenden Regierungen nur geringe Investitionen in die Bewältigung von Naturkatastrophen tätigten. 2012 wurden Katastrophenmanagement Behörden eingerichtet, doch gibt es einen Mangel an ausgebildeten Personal und finanziellen Ressourcen (TRF 9.9.2013). Bei einem Erdbeben am 24.9.2013 in der Unruheprovinz Belutschistan, das mindestens 515 Menschenleben kostete, war die Katastrophenhilfe der Regierung erschwert durch Angriffe separatistischer Terrorgruppen, die fürchteten den Hilfsarbeiten der Armee könnten mehr Truppen in der Region folgen (Reuters 28.9.2013)

Quellen:

http://reliefweb.int/report/pakistan/pakistan-monsoon-situation-report-no-7-2012, Zugriff 30.10.2013

Violence against Political Parties, Candidates and Voters

http://reliefweb.int/report/pakistan/new-uk-support-700000-people-affected-2012-floods-0, Zugriff 22.9.2013

http://in.reuters.com/article/2013/09/28/pakistan-earthquake-aftershocks-idINDEE98R03B20130928, Zugriff 30.9.2013.

http://www.reuters.com/article/2011/12/12/us-pakistan-risks-idUSTRE7BB08S20111212, Zugriff 5.9.2013

http://derstandard.at/1350258581257/Mehr-als-450-Tote-bei-Ueberschwemmungen-in-Pakistan, Zugriff 5.9.2013

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/pakistan-parlamentswahl-anschlag, Zugriff 30.10.2013

3. Sicherheitslage

Pakistan ist mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben (AA 2.11.2012). Die pakistanischen Taliban, die Lashkar-e-Jhangvi, die Belutschistan Liberation Army und andere bewaffnete Gruppen zielen auf Sicherheitskräfte und Zivilisten, unter anderem Mitglieder religiöser Minderheiten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Aktivisten und Journalisten (AI 5.2013; vergleiche USDOS 19.4.2013). Die westlichen Grenzgebiete zu Afghanistan - Belutschistan, die FATA (Federal Administered Tribal Areas) und Khyber Pakhtunkhwa - leiden seit Jahren an Gewalt zwischen Militanten und Regierungskräften (Reuters 11.4.2013).

In den vergangenen Jahren hatten Taliban-Gruppen in Teilen der Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchgesetzt. Wesentliche Menschenrechte und Grundfreiheiten werden in diesen Gebieten verletzt. Dabei kommt es auch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Lashkars (Bürgerwehren der Stämme) (AA 2.11.2012). Das Heranziehen von Stammesmilizen, die die Menschenrechte verletzten, um militärische Ziele zu erreichen, ging auf Kosten der Rechte von IDPs und anderer Bürger (Brookings Institution 11.2011).

Das Hauptaugenmerk der Armee liegt mehr und mehr auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen. Seit Ende April 2009 haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den Taliban verschärft. Zuvor hatten die Taliban eine Vereinbarung mit der Provinzregierung von Khyber-Pakhtunkhwa im Februar 2009 genutzt, um die Herrschaft im Swat-Tal zu übernehmen und anschließend in zwei Nachbardistrikte vorzurücken. Mit einer Offensive im April 2009 beendete die Armee die Taliban-Herrschaft im Swat-Tal. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war (AA 10.2013a; vergleiche Reuters 11.4.2013). Die meisten Taliban-Kämpfer sind in entlegenere Gebiete der sog. "Stammesgebiete" ausgewichen. Gleichzeitig haben sie Pakistan im Jahr 2009 mit einer Welle von Terroranschlägen überzogen, die sich zumeist gegen Einrichtungen der Sicherheitskräfte richtete (Armee, Polizei und ISI), der aber auch viele unbeteiligte Zivilisten zum Opfer fielen (AA 2.11.2012).

Die pakistanische Regierung steht in dieser Auseinandersetzung vor großen Herausforderungen: Einerseits müssen, um die militärischen Erfolge zu konsolidieren und einer Rückkehr der Taliban vorzubeugen, in den zurück gewonnenen Gebieten funktionierende zivile Verwaltungsstrukturen etabliert werden, das gilt v.a. für das Rechtssystem. Außerdem muss die große Zahl der Binnenvertriebenen bewältigt und die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gebiete vorangetrieben werden (AA 10.2013a). Schließlich wird die Verbreitung der Taliban in den Grenzgebieten auf Jahre der Vernachlässigung und schlechter Regierungsführung sowie auf die Unsicherheit in Afghanistan zurückgeführt (Reuters 11.4.2013).

In Teilen der FATA finden darüber hinaus weiterhin immer wieder Gefechte statt (AA 10.2013a). Die Armee führt hier Militäroperationen durch, um die Taliban und al Qaida Militante zu vertreiben. Dies vertreibt weiterhin Menschen aus der FATA, auch aus Gebieten, die offiziell als von Militanten befreit erklärt wurden (Reuters 11.4.2013).

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6.2013).

Die Taliban reagieren auf die Militäroperationen weiterhin mit Terroranschlägen, von denen v.a. Khyber-Pakhtunkhwa und die FATA betroffen sind, die sich aber auch gegen Ziele in pakistanischen Großstädten wie z.B. Karachi, römisch 40 und Faisalabad richten (AA 10.2013a; vergleiche Reuters 11.4.2013). Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge liegt allerdings sehr deutlich in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan; dort sind auch die meisten Opfer zu beklagen (AA 24.10.2013; vergleiche Reuters 11.4.2013). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Scharia-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 10.2013a).

Insgesamt gab es im Jahr 2011 in Pakistan 1.966 terroristische Anschläge mit 2.391 Todesopfern. Terroristischen Anschläge, militärische Operationen, Drohnen, ethno-politische Gewalt, Gewalt zwischen verschiedenen Stämmen und grenzüberschreitende Gewalt zusammen genommen, wurden im Jahr 2011 in Pakistan bei 2.985 Zwischenfällen 7.107 Menschen getötet. Die Gewaltvorfälle gingen damit um 12% im Vergleich zu 2010 zurück (22% im Vergleich zu 2009), die Zahl der Todesopfer um 29% (PIPS 4.1.2012).

2012 führten militante nationalistisch und konfessionell motivierte Gruppen in Pakistan 1.577 Terrorattacken aus, welche 2.050 Menschen töteten, bei 501 Anschlägen gab es keine Opfer. In 202 sektiererischen - gegen andere muslimische Konfessionen gerichteten -Terrorakten verschiedener Gruppen, wie der TTP (Tehreek-i Taliban) wurden 537 Menschen getötet (PIPS 4.1.2013).

Terroranschläge, Operationen durch die Sicherheitskräfte und deren Zusammenstöße mit Militanten, ethnopolitische Gewalt, Drohnenangriffe, Gewalt zwischen den Stämmen und zwischen den Militanten, interreligiöse Zusammenstöße, religiös-kommunale Gewalt, grenzübergreifende Zusammenstöße und Attacken sowie Zusammenstöße zwischen kriminellen Banden bzw. zwischen diesen und der Polizei zusammengerechnet, wurden 2012 5.047 Menschen bei 2.217 solchen Gewaltvorfällen getötet. Der Trend eines Rückgangs der Anzahl der Vorfälle von Gewalt und Todesopfer, der 2010 begann, hielt 2011 und 2012 an (PIPS 4.1.2013).

Zielgerichtete Anschläge auf Personen oder Gruppen, die sich gegen die TTP aussprechen, hielten an. Neben Trauerumzügen wurden vermehrt auch Moscheen zu Anschlagszielen, die von Mitgliedern von Pro-Regierungsmilizen aufgesucht werden. Die Anschläge konzentrieren sich auf die Provinz Khyber-Paschtunistan (KPK) und die FATA (HSS 5.4.2012). Im dritten Quartal 2012 weitete die TTP ihre Angriffe auf pakistanische Sicherheitskräfte und ihre Einrichtungen aus. Nicht nur in der vorwiegend betroffenen Provinz Khyber-Pakhtunkhwa, sondern auch in anderen Landesteilen kommt es zu Anschlägen. Schiiten sind weiterhin Ziel von Angriffen (HSS 10.10.2012).

Die Taktiken der Terroristen waren divers, der größte Anteil aller Anschläge, 587 bzw. 37 Prozent, waren gezielte Tötungen (in diesem Wert sind 177 Fälle politisch motivierter gezielter Tötungen nicht inkludiert). Andere signifikante Taktiken waren u.a. improvisierte Sprengsätze (375) und ferngezündete Bomben (139) (PIPS 4.1.2013).

Bis Ende 2012 sind die Vorfälle von Terror und Gewalt, Terroranschläge und Opferzahlen insgesamt zurückgegangen. So führten staatliche Maßnahmen in einigen kritischen Regionen zur Verbesserung der Lage. Im Swat-Tal und in Südwasiristan ist ein Erfolg der Militäroperationen sichtbar. Den Drohnenangriffen der USA im Grenzgebiet zu Afghanistan fielen einige hohe Führer der Taliban zum Opfer, dies schadete besonders den strategischen Kapazitäten der Extremisten. Die Bevölkerung hat die Militanten satt. Der Staat geht gegen die Militanten vor, für eine substantielle Verbesserung der Unsicherheiten fehlt eine breitere, konsistente Strategie. Die distriktweise Auswertung der digitalen Datenbank zeigt allerdings, dass die roten Zonen, jene Distrikte, die von einer hohen Anzahl sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle betroffen sind, über die letzten Jahre zurückgegangen sind (BAA 6.2013).

Die Sicherheitsstruktur, die lange nicht den wachsenden Einfluss von Extremisten auf das Land erkennen wollte, sieht diesen nun formal als Bedrohung. Zwischen den einzelnen Behörden mangelt es jedoch an Koordination und Vertrauen. Die öffentliche Meinung ist noch geteilt, wie mit den Terroristen in den Stammesgebieten umgegangen werden soll. Trotzdem reduzierten die militärischen Offensiven im Swat und in Südwasiristan die Terror-Bedrohung. Ernste Sicherheitsherausforderungen bleiben der Anstieg der Gewalt zwischen den muslimischen Glaubensrichtungen; die verstärkten ethnopolitischen Spannungen in Karatschi; die TTP und ihre Verbündeten; die Situation in Belutschistan (PIPS 4.1.2013).

Die Regierung ergreift zum Schutz der Bevölkerung einige Maßnahmen. Das pakistanische Militär führte in der FATA Anti-Terrorismus Maßnahmen durch (USDOS 19.4.2013). 107 operative Militärschläge wurden im Jahr 2012 in dieser Region durchgeführt. 79 Suchoperationen gegen Terroristen verzeichnet PIPS für 2012 im ganzen Land, 27 in Khyber Pakhtunkhwa, 24 in der FATA, elf in Belutschistan und vier im Sindh. Dabei wurden hohe Mengen an Sprengstoff, Selbstmordjacken und Waffen gefunden. 1.287 mutmaßliche Militante wurden 2012 verhaftet, allerdings nur wenige davon verurteilt. Oft werden Verdächtige ohne Verfahren verhaftet oder aufgrund mangelnder Beweise wieder freigelassen (PIPS 4.1.2013). Es wurden auch Maßnahmen ergriffen um die Verbindungen zwischen den Terroristen zu schwächen und Rekrutierungen durch militante Organisationen zu verhindern. Große Waffenarsenale wurden in städtischen Gebieten, wie Islamabad und Karatschi, ausgehoben, Gang-Mitglieder und TTP Kommandanten, die logistische Unterstützung für Militante in Stammesgebieten boten, wurden in Karatschi verhaftet, Selbstmordattentäter wurden vor der Tat verhaftet und Anschlagspläne vereitelt (USDOS 19.4.2013). Mindestens 14 Anschläge konnten z.B. auch im August 2013 vereitelt werden (PIPS 11.9.2013). Ein weiterer Weg der Bekämpfung ist die Kontrolle und Beschneidung des internationalen Geldflusses zu diesen Organisationen (BAA 6.2013).

Die Vorwahlzeit war allerdings von überdurchschnittlich stark ausgeprägter terroristischer Gewalt geprägt. Militante Kräfte versuchten die politische Lage zu destabilisieren, um die Wahlen zu verhindern. Bereits zum Jahresende 2012 kulminierten Anschläge und Attentate in einer Gewaltwelle. Obwohl Ende November landesweit die Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des Aschura-Festes in einem außergewöhnlich starken Ausmaß erhöht wurden, kam es zu zahlreichen Anschlägen, bei denen dutzende Menschen starben (BAA 6.2013). In einer landesweiten Welle der Gewalt starben in der vorletzten Woche des Jahres 2012 mindestens 75 Menschen durch Anschläge. Beobachter verbinden die drastische Zunahme der Gewalt mit den Parlamentswahlen. Auch im 4. Quartal 2012 standen viele Attentate im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Die meisten Angriffe ereigneten sich in Karatschi, doch auch in der Provinz Belutschistan starben zahlreiche Menschen (HSS 17.1.2013).

Der Anstieg der Gewalt hielt 2013 weiter an. Die ersten beiden Monate 2013 verzeichneten darüber hinaus einen außergewöhnlich hohen Anstieg der interkonfessionellen Gewalt (BAA 6.2013). Mindestens 92 Tote, davon 86 Angehörige der schiitischen Hazara Minderheit, forderte ein Doppelanschlag in einer Billardhalle in einem Hazara-Viertel der belutschischen Provinzhauptstadt Quetta am 10. Jänner. Der Anschlag, zu dem sich die sunnitische Extremistengruppe Lashkar-i-Jhangvi bekannte, war der schwerste seit fast zwei Jahren und der blutigste Anschlag auf die schiitische Minderheit in Pakistan bisher (BAA 6.2013; vergleiche Spiegel 11.1.2013, Dawn 11.1.2013b). Insgesamt wurden im Jänner von PIPS 215 Anschläge mit 321 Toten verzeichnet (PIPS 13.2.2013; Anmerkung; wissenschaftliches Institut - zur Methodik siehe BAA 6.2013). Von der NGO CRSS wird nach ihrer endgültigen Auswertung die Zahl der Toten durch verschiedene Arten sicherheitsrelevanter Gewalt für Jänner mit 591 angegeben (CRSS 25.9.2013).

Für Februar 2013 verzeichnete PIPS 129 Terroranschläge mit 247 Toten, sowie insgesamt 492 Tote bei 183 unterschiedlichen relevanten Gewaltvorfällen in Pakistan. Sektiererische Anschläge stiegen im Februar, hauptsächlich in Quetta und Karatschi (PIPS 11.3.2013). Von CRSS wird nach der endgültigen Auswertung die Zahl der Toten durch sicherheitsrelevante Gewalt für Februar mit 454 angegeben (CRSS 25.9.2013). Allein bei einem erneuten Anschlag in einer überwiegend von schiitischen Hazara bewohnten Enklave in Quetta starben am 16. Februar mindestens 84 Personen. Es kam zu weiten Protestaktionen (BAA 6.2013; vergleiche NYT 17.2.2013).

Nach dem Höhepunkt im Jänner und Februar nahm diese interkonfessionelle Kategorie des Terrors in den nächsten beiden Monaten ab, im April sank die Zahl signifikant. Nichtsdestotrotz traf ein weiterer der größeren Anschläge der Vorwahlzeit am 3. März ebenfalls die schiitische Minderheit, diesmal in Karatschi, 48 Menschen starben bei einem Anschlag auf ein schiitisches Viertel (BAA 6.2013). Insgesamt wurden im März laut PIPS 152 Terroranschläge in ganz Pakistan durchgeführt mit 220 Toten, zusammengenommen gab es 206 berichtete Vorfälle von Gewalt mit 504 Toten. Der Zuwachs geht hauptsächlich auf die nationalistische Gewalt in Belutschistan und die Taliban in Khyber Pakhtunkhwa zurück (PIPS 11.4.2013). Von CRSS wird nach der endgültigen Auswertung die Zahl der Toten durch Gewaltvorfälle für März mit 570 angegeben (CRSS 25.9.2013).

Im April verzeichnete PIPS 198 Anschläge mit 183 Toten, insgesamt starben bei 253 relevanten Sicherheitsvorfällen 404 Personen in Pakistan. Entsprechend der Vorwahlzeit war ein hoher Anteil (56 Anschläge) auf politische Ziele - politische Parteien, Kandidaten, Wahlkampfbüros und Wahlveranstaltungen (PIPS 8.5.2013). Von CRSS wird die Zahl der Toten durch Gewalt für April mit 429 angegeben (CRSS 25.9.2013).

Im Mai wurden vom PIPS 197 Terroranschläge in ganz Pakistan berichtet mit 242 Toten, alle sicherheitsrelevante Gewaltvorfälle zusammen forderten 514 Todesopfer (PIPS 13.6.2013). CRSS spricht für Mai von 622 Toten durch Gewalt (CRSS 25.9.2013). Unter den zivilen Opfern befand sich eine hohe Zahl politischer Kandidaten, politischer Aktivisten und Unterstützern aller Parteien (CRSS 18.6.2013; vergleiche PIPS 13.6.2013).

Zwischen 1. Jänner und 15. Mai starben insgesamt bei 148 spezifisch auf politische Führer, politische Aktivisten, Kandidaten, Parteibüros und Wahllokale gerichtete Anschlägen, laut Daten des Sicherheitsinstituts PIPS, 170 Menschen in Pakistan, die meisten davon im April und Mai. Zusätzlich zu terroristischen Anschlägen wurden 97 Vorfälle von Gewalt und Zusammenstöße zwischen den Aktivisten und Anhänger verschiedener Parteien im selben Zeitraum aufgezeichnet, bei denen 128 Menschen starben (PIPS 5.2013).

Im Juni zählte PIPS 130 Anschläge mit 283 Toten und insgesamt 202 Gewaltvorfälle mit 510 Toten (PIPS 8.7.2013). CRSS gibt für Juni 616 Todesopfer durch Gewalt an (CRSS 25.9.2013).

Für Juli verzeichnete PIPS 122 Anschläge, die 208 Todesopfer forderten. Insgesamt gab es bei 179 verschiedensten Gewaltvorkommnissen 399 Tote (PIPS 8.8.2013). Nach der Auswertung wird die Zahl der Toten durch Gewalt von CRSS für Juli mit 572 angegeben (CRSS 25.9.2013).

Für August berichtet PIPS von insgesamt 124 terroristischen Anschlägen mit 171 Todesopfern. Alle sicherheitsrelevante Gewalt zusammen genommen starben in 227 Gewaltvorfällen 272 Menschen (PIPS 11.9.2013). CRSS verzeichnete im August 432 Todesopfer in verschiedenen Arten der Gewalt (CRSS 25.9.2013). Es gab insgesamt einen starken Rückgang der Gewaltvorfälle im August 2013, der Rückgang der im Wahljahr stark angestiegenen Gewalt begann ab Juni. In Khyber Pakhtunkhwa und FATA fiel die Gewalt stark, in Belutschistan und Sindh (Karatschi) nahm sie allerdings stark zu (CRSS 25.9.2013; vergleiche PIPS 11.9.2013).

Im September stiegen aufgrund zweier großer Anschläge in Peschawar die Opferzahlen in Khyber Pakhtunkhwa stark an. Insgesamt wurden im September landesweit 135 Anschläge mit 270 Toten verzeichnet, bei allen 219 Gewaltvorfällen zusammen 380 Tote (PIPS 14.10.2013). Von CRSS wurden 493 Todesopfer recherchiert (CRSS 21.10.2013).

Es werden 2013 immer wieder auch Schulen und andere Infrastruktureinrichtungen in der FATA, in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zerstört (z.B. CRSS 11.2.2013). Außerdem kommt es in Teilen von Khyber Pakhtunkhwa, FATA, Belutschistan und Karatschi 2013 immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Militanten (z.B. PIPS 8.5.2013).

Quellen:

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 14.10.2013

Assessing National Approaches to Internal Displacement, http://www.brookings.edu/~/media/research/files/reports/2011/11/responsibility%20response%20ferris/from%20responsibility%20to%20response%20nov%202011doc.pdf, Zugriff 19.10.2013

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report (January 2013), http://crss.pk/story/3868/pakistan-conflict-tracker-monthly-report-january-2013/, Zugriff 29.9.2013

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report (May 2013), http://crss.pk/story/4397/pakistan-conflict-tracker-monthly-report-may-2013/, Zugriff 22.9.2013

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report (August 2013), http://crss.pk/story/4756/monthly-report-august-2013/, Zugriff 30.9.2013

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report (September 2013), http://crss.pk/story/4871/monthly-report-september-2013/, Zugriff 23.10.2013

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_IV.pdf, Zugriff 13.10.2013

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_I.pdf, Zugriff 13.10.2013

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf, Zugriff 5.10.2013

Violence against Political Parties, Candidates and Voters

http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1, Zugriff 13.10.2013

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=325, Zugriff 29.9.2013

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http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=337; Zugriff 16.9.2013

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=345, Zugriff 14.10.2013

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=350, Zugriff 29.9.2013

http://www.spiegel.de/politik/ausland/sunnitische-terrorgruppe-bekennt-sich-zu-anschlaegen-in-pakistan-a-876945.html, Zugriff 22.9.2013

3.1. Regionale Verteilung der Gewalt

Die verschiedenen Provinzen leiden an unterschiedlichen Formen und Intensitäten der Gewalt. Die Aktivitäten der Talibangruppen beschränken sich hauptsächlich auf den Nordwesten Pakistans, allerdings wurden sie in den letzten Jahren auch in der Wirtschaftsmetropole Karatschi sichtbar (CRSS 13.7.2013). Die westlichen Grenzgebiete sind geplagt von Gewalt. Die Gebiete, die in erster Linie betroffen sind, sind Khyber Pakhtunkhwa und die FATA, die eine starke Talibanpräsenz aufweisen, sowie Belutschistan, in dem militante Stammesgruppen aufständische Gewaltakte verüben. Der Rest von Pakistan ist von sporadischen terroristischen Attacken betroffen, indem sich etwas der militanten Gewalt auch in andere Teile Pakistans ergießt mit Selbstmordanschlägen in den Städten und bewaffneten Attacken auf das Militär (Reuters 11.4.2013 vergleiche AA 24.10.2013).

Insgesamt divergiert somit die Sicherheitslage stark zwischen und innerhalb einzelner Provinzen. Der Vertreter des PIPS erläutert, dass die - mit um die 90 Millionen Einwohner bevölkerungsreichste Provinz Punjab als sicher eingestuft werden kann, auch Sindh ist sicher, mit Ausnahme von Karatschi, das ein Hotspot der Gewalt ist, außerdem versuchen terroristische Gruppen den Inneren Sindh zu infiltrieren. Islamabad gilt ebenfalls als relativ sicher. Doch Anschläge kommen auch in diesen Gebieten vor. Die paschtunischen Gebiete in Belutschistan sind relativ sicher, die belutschischen stark unsicher. In Khyber Pakhtunkhwa ist die Sicherheitslage kritisch - nur wenige Distrikte sind sicher, während andere schwer von Anschlägen gezeichnet sind. Belutschistan, die FATA, Khyber Pakhtunkhwa und die Metropole Karatschi sind somit die kritischen Gebiete Pakistans (BAA 6.2013). Auf Belutschistan, die FATA und Khyber Pakhtunkhwa entfielen im Jahr 2011 1.827 von insgesamt 1.966 terroristischen Anschlägen. Khyber Pakhtunkhwa wies dabei mit 890 die höchste Zahl an Todesopfern auf, die FATA mit 675 die höchste Zahl an terroristischen Anschlägen (612 Tote). In Belutschistan gab es 640 Anschläge (710 Tote), in Karatschi 58, in den anderen Teilen der Provinz Sindh 21, im Punjab 30, in Gilgit-Baltistan 26, in Islamabad 4 und in Azad Jammu und Kaschmir keine (PIPS 4.1.2012).

2012 wurde mit 474 die höchste Anzahl an Terroranschlägen aus Belutschistan berichtet. Die durch die Taliban und Militante heimgesuchten Khyber Pakhtunkhwa und die FATA waren die zweit- und drittbrisantesten Regionen des Landes mit 456 respektive 388 Terroranschlägen. 187 Terroranschläge wurden aus Karatschi gemeldet und 28 aus anderen Teilen Sindhs, 26 aus Gilgit Baltistan, 17 aus dem Punjab, einer aus Islamabad und keiner aus Azad Jammu und Kaschmir. Die meisten Todesopfer gab es dabei in den FATA und in Belutschistan (je 631 Tote). In Khyber Pakhtunkhwa gab es 2012 401 Tote, in Karatschi 272, im inneren Sindh 17, im Punjab 75, in Gilgit Baltistan 22, in Islamabad bei einem Anschlag einen Toten (PIPS 4.1.2013). In 28 von 36 Distrikten des Punjabs wurden 2012 keine Anschläge verzeichnet (BAA 6.2013).

Die regionale Differenzierung ist auch in der mit den Wahlen verbundenen gestiegenen Gewalt 2013 erkennbar. Stark betroffen waren die FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, sowie Karatschi (BAA 6.2013).

Die Grafiken des CRSS zeigen die von diesem recherchierten Zahlen von Todesopfern verschiedener Arten sicherheitsrelevanter Gewalt pro Provinz für 2013. Die verzeichneten Zahlen für Sindh betreffen in erster Linie Karatschi.

(eigene Darstellung; Daten des entsprechenden Monats aus: CRSS 11.2.2013, CRSS 13.3.2013, CRSS 19.4.2013, CRSS 8.5.2013, CRSS 18.6.2013, CRSS 13.7.2013, CRSS 17.8.2013, CRSS 25.9.2013, CRSS 21.10.2013).

Auch von den spezifischen, auf politische Aktivisten, Kandidaten oder Wahllokale durch PIPS vom 1. Jänner bis 15. Mai 2013 aufgezeichneten Anschlägen entfiel mit 50 die höchste Anzahl auf Khyber Pakhtunkhwa (55 Tote). 49 solcher Anschläge betrafen Belutschistan (19 Tote), 30 den Sindh (25 davon in Karatschi; 60 Tote), 12 die FATA (33 Tote), 7 den Punjab (3 Tote). Die ANP und die PPP wurden in fast jeder Region angegriffen, die MQM in Karatschi. Von den 97 zusätzlichen Vorfällen von Gewalt und Zusammenstößen zwischen Aktivisten und Anhängern verschiedener Parteien vom 1. Jänner bis 15. Mai 2013 betraf der überwiegende Anteil Karatschi (70 Vorfälle/ 90 Tote). 3 Zusammenstöße mit 7 Toten wurden aus dem übrigen Sindh, 9 mit 4 Toten aus Khyber Pakhtunkhwa, 9 mit 11 Toten aus dem Punjab und 6 mit 16 Toten aus Belutschistan gemeldet (PIPS 5.2013).

Quellen:

http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1, Zugriff 13.10.2013

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=325, Zugriff 29.9.2013

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=328, Zugriff 22.10.2013

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=334, Zugriff 18.9.2013

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=337; Zugriff 16.9.2013

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=345, Zugriff 14.10.2013

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=350, Zugriff 29.9.2013

Violence against Political Parties, Candidates and Voters

3.2. FATA

Der schmale, von paschtunischen Stämmen bewohnte Streifen an der Demarkationslinie (Durand Linie) zu Afghanistan ist administrativ als Federal Administered Tribal Areas (FATA) zusammengefasst. Diese gliedern sich in sieben sogenannte Agencies (Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan) denen jeweils ein Political Agent vorsteht, sowie in Frontier Regions, die von den Bezirken Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank in Khyber Pakhtunkhwa aus verwaltet werden. In den FATA gelten die bereits von den Briten eingeführten Frontier Crimes Regulations, die gewisse paschtunische Rechtsvorstellungen mit dem Versuch einer externen Kontrolle kombinieren. Die Zentralregierung verfügt mit Hilfe des Political Agent über indirekte Einflussmöglichkeiten, während die Stämme über eine gewisse Autonomie verfügen (BAA 6.2013). Die FATA unterliegen nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion. Die Verfassung gewährt den FATA eine weitgehende Autonomie. Pakistanische Gesetze haben nur dann Geltung, wenn sie durch ein Dekret des Präsidenten für die FATA in Kraft gesetzt werden, was bislang nur selten geschehen ist. 2011 wurde der Geltungsbereich des Political Parties Act auf die "Stammesgebiete" FATA ausgedehnt. Seitdem dürfen - erstmals in der Geschichte Pakistans - politische Parteien dort aktiv werden (AA 2.11.2012).

Der administrative Vorstand jeder "Agency" (Bezirk) der FATA ist ein political agent, der extensive administrative und juristische Macht hat. Jede Agency hat je nach Größe zwei bis drei Assistant Political Agents. Administrativ ist der Gouverneur von Khyber Pakhtunkhwa die oberste exekutive Führungsperson (chief executive) der FATA, als Agent bzw. Repräsentant des Präsidenten von Pakistan. Es gibt drei administrative Einrichtungen, das Ministry of States and Frontier Regions, das FATA Sekretariat und die FATA Development Authority, welche das Gebiet unter der Leitung des Gouverneurs von Khyber Pakhtunkhwa verwalten und unterstützen. Die FATA wird rechtlich durch den Frontier Crimes Regulation Act (FCR) von 1901, novelliert 2011, geregelt (FRC 9.2013).

Administrativ finden sich in den FATA zwei regionale Kategorien:

"geschützte" Gebiete sind Gebiete unter direkter Kontrolle der Regierung, "nicht-geschützte" Gebiete sind solche, welche indirekt - über lokale Stämme - administriert werden (Gov FATA o.D.).

In den FATA hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes Rechtssystem mit Jirga-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte im Wege von Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft werden (AA 2.11.2012; vergleiche TET 31.5.2012).

Die Kategorie 'Sarkari Jirga' wurde unter der Frontier Crimes Regulation (FCR) 1901 eingerichtet, welche den Magistrat oder den Political Agent oder seinen Assistenten ermächtigt, einen Rat von Älteren einzusetzen um zivile oder Kriminalfälle zu verfolgen. Sie darf höchstens eine Strafe von 15 Jahren Haft aussprechen (INP 23.10.2012).

In den "geschützten" Gebieten der FATA findet die vom Staat unterstützte Form der Jirga, deren Regelungen in der Frontier Crimes Regulation festgehalten ist, Anwendung. Die Jirga wird durch den Political Agent der jeweiligen Agency ernannt, der als District Magistrat [Funktion eines Distriktrichters] fungiert. Der Agent ist auch für die Implementierung des Urteils zuständig. Die Urteile sind vor einer übergeordneten Jirga anfechtbar, allerdings meist ohne Erfolg. In den "nicht geschützten" Gebieten der FATA werden die Entscheidungen durch informelle, vom Staat nicht sanktionierte Jirgas gefällt und können sehr harte Strafen beinhalten, die von der für diesen Zweck von der Dorfgemeinschaft selbst aufgestellten Lashkar [~Stammesmiliz] implementiert werden (CAMP 2010).

Eine Todesstrafe, die in den "nicht-geschützten" Stammesgebieten sehr häufig ist, ist nicht erlaubt, wo es eine Regierungskontrolle über die Stammesgesetze gibt. Allerdings wird sie auch dort als rechtens erachtet. In den "nicht-geschützten" Stammesgebieten kann die Todesstrafe für unterschiedliche Verbrechen ausgesprochen werden. Allerdings gibt es keine Gefängnisstrafe. In den Stammesgebieten in Verbindung mit der Regierung sind Gefängnisse vorhanden und hier hat die Jirga keine Befugnis eine Todesstrafe auszusprechen (Hassan M. Yousufzai & Ali Gohar 2005; Anmerkung: es handelt sich hierbei um eine ältere Quelle, die als Handbuch zu Jirgas diese allerdings genau erläutert, während die Aussagen im Groben z.B. mit INP 23.10.2012 übereinstimmen).

Kollektivstrafen werden unter der FCR angewandt.

Terrorismus-Verdächtige dürfen ein Jahr ohne Anklage unter der FCR festgehalten werden. Berichten zufolge werden viele "incommunicado" festgehalten. Die FCR wird seit langem für ihre harten und inhumanen Regelungen kritisiert, einige davon wurden durch die Novellierung von August 2011 gemildert. So wurde die Kollektivverantwortung des Stammes und die übermäßige Macht der politischen Agenten eingeschränkt sowie den Bürgern das Recht gegen die Entscheidungen der politischen Agenten vor einem Gericht (FATA Tribunal) zu berufen eingeräumt (USDOS 19.4.2013).

Quellen:

http://frc.com.pk/wp-content/uploads/2013/08/Second-Quarter-Security-Report-2013.pdf, Zugriff, 10.10.2013

http://fata.gov.pk/index.php?option=com_content&view=article&id=50&Itemid=84, Zugriff 10.10.2013

http://peace.fresno.edu/docs/Pukhtoon_Jirga.pdf, Zugriff 23.9.2013 [Anmerkung: es handelt sich hierbei um eine ältere Quelle, die als Handbuch zu Jirgas diese allerdings genau erläutert, während die Aussagen im Groben mit neueren Quellen z.B. INP 23.10.2012 übereinstimmen]

http://www.inp.org.pk/sites/default/files/job%20description/%20Executive%20/National%20Research%20on%20Legal%20Empowerment%20in%20Pakistan%201.pdf, S.111; Zugriff

http://tribune.com.pk/story/386606/parallel-courts-rights-activists-urge-sc-to-ban-jirga-system/, Zugriff 11.8.2013

4. Sicherheitsbehörden, inkl. Dokumente

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung; organisierte Kriminalität; Interpol; Terrorismus- und Rauschgiftbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die Rauschgiftbekämpfungsbehörde ANF untersteht einem eigenen Ministerium, dem Ministry for Narcotics Control. Bei der Rauschgiftbekämpfung wirken allerdings auch andere Behörden (z.B. Custom oder Frontier Corps) mit, wobei die Kompetenzen nicht immer klar abgegrenzt sind. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 2.11.2012).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient. Einige Mitglieder der Polizei verübten Menschenrechtsverletzungen oder ließen sich von politischen Interessen beeinflussen (USDOS 19.4.2013). Die Menschenrechtsverletzungen, derer die Sicherheitskräfte werden sind weitreichend (AI 5.2013). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein Ansehen. Dazu trägt die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie häufige unrechtmäßige Übergriffe (2011 wurden bei 254 Polizeieinsätzen 337 Verdächtige getötet und 71 verletzt) und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam - 2010 wurden 174 Fälle bekannt - und Misshandlungen durch die Polizei gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die inhaftierte Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen. Die Polizeikräfte sind oftmals in lokale Machtstrukturen eingebunden und daher nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 2.11.2012). Neben diesen Vorwürfen gibt es auch solche des "Verschwinden Lassens". In den Stammesgebieten im Nordwesten des Landes verzerren Sicherheitskräfte Gesetze um Gerichte zu umgehen (AI 5.2013). Bei Anti-Terror-Operationen verletzen Sicherheitskräfte regelmäßig Grundrechte, Verdächtige werden oft ohne Anklage verhaftet oder ohne fairen Prozess verurteilt. Die Armee verweigert Anwälten, Verwandten, unabhängigen Beobachtern und humanitärem Personal weiterhin den Zugang zu Personen, die bei Militäroperationen verhaftet wurden (HRW 31.1.2013).

Die Polizei versagt häufig dabei, Minderheitenangehörige, wie Christen, Ahmadis und Schiiten vor Attacken zu schützen. Das häufige Versagen darin, Missbräuche zu bestrafen, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Missbräuchen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte können in solchen Fällen auch Kriminalstrafverfolgung empfehlen, und die Gerichte können eine solche anordnen. Diese Mechanismen werden in der Praxis auch manchmal eingesetzt. Es gab Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Wie im Jahr zuvor führte die Regionalregierung des Punjab regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 19.4.2013).

Die Islamabad Capital Police richtete eine Menschenrechtseinheit ein, um die Einwohner zu ermutigen, über Menschenrechtsverletzungen zu berichten (persönlich, per Telefon-Hotline oder Email). Außerdem wurden in allen Polizeistationen Menschenrechtsoffiziere bzw. Ansprechpartner aus der Gemeinde postiert. Diese können Polizeistationen jederzeit besuchen, Gefangene befragen und bei Berichten über Missbräuche disziplinäre Maßnahmen empfehlen. Rechtsdurchsetzungsorgane der föderalen und der Provinzebenen besuchten Trainings zu Menschen-, Opfer- und Frauenrechten. Zwischen 2008 und 2010 hat die "Society for Human Rights and Prisoners' Aid" mehr als 2.000 Polizeioffiziere in Menschenrechtsthemen fortgebildet (USDOS 8.4.2011).

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Die Befähigung der Polizei, selbst einen FIR zu initiieren, ist begrenzt. Oft muss eine andere Person dies tun. Dabei ist es gleichgültig, ob plausible Beweise vorliegen. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einen Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Einige halten sich nicht an diese Beschränkung. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld (USDOS 19.4.2013).

Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente ist hoch. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 2.11.2012).

Quellen:

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlung, aber es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft folterten und misshandelten. Gelegentlich führte Folter zum Tod oder zu schweren Verletzungen (USDOS 19.4.2013). So ist zu vermuten, dass bei den 2011 in Haft verstorbenen 92 Strafgefangenen in der Mehrzahl der Fälle Folter zum Tod beigetragen hat oder sogar die Todesursache gewesen ist. Folter ist im Polizeigewahrsam, aber auch in Gefängnissen weit verbreitet. Sie findet u.a. auch Anwendung, um bei polizeilichen Ermittlungen Geständnisse oder Kooperation zu erzwingen. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig; sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen; dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren. 2010 wurden 521 Fälle bekannt, in denen Frauen Opfer von Misshandlungen in Polizeigewahrsam wurden (AA 2.11.2012).

Im Gesetz gibt es keinen speziellen Abschnitt gegen Folter; es sanktioniert nur "Verletzen" und enthält keine Hinweise auf eine Bestrafung von Folterern. Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen eines angemessenen Beschwerdezentrums und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zur Verbreitung bei (USDOS 19.4.2013). Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten (AA 2.11.2012).

Quellen:

6. Korruption

Die Korruption in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen ist weiterhin endemisch (AA 2.11.2012). Im Transparency International Corruption Perceptions Index 2012 nimmt Pakistan den 139. Platz von 174 Ländern ein (TI 5.12.2012).

Korruption ist bei den unteren Ebenen der Polizei üblich. Eine Umfrage von Tranparency International vom Juli 2010 besagt, dass der Hauptgrund für Korruption ein Mangel an Rechenschaftspflicht, gefolgt von niedrigen Gehältern, war. Einige Polizeiangehörige verlangen für die Annahme von Beschwerden Gebühren, oder sie nehmen falsche Beschwerden gegen Bestechungsgeld auf. Die Zahlung von Bestechungsgeld zur Vermeidung von Strafen ist üblich. Es gibt auch Einzelberichte zu Korruption im Gerichtssystem, wie etwa zu kleineren Zahlungen an Angestellte zur Beschleunigung von Verfahren. Die Gerichte unterer Instanzen sind korrupt. Korruption ist bei Politikern und in der Regierung weit verbreitet, verschiedene Politiker sind mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert (USDOS 19.4.2013).

Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für Korruption von Staatsangestellten vor, jedoch wurde das Gesetz im Berichtszeitraum nicht effektiv umgesetzt und Behördenvertreter waren häufig ungestraft in korrupte Praktiken verstrickt. Die Nationale Rechenschaftsbehörde (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit einem Mandat um Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 19.4.2013).

Nachdem eine noch unter Musharraf eingeführte Amnestie aus dem Jahr 2007 unter anderem für Korruptionsanschuldigungen für die Zeit zwischen 1986 und 1999 vom Obersten Gerichtshof 2009 aufgehoben wurde, eröffnete dieser 8000 Fälle, unter anderem gegen [bis zu den Wahlen amtierende] Präsidenten, Minister und Parlamentarier. Im November 2012 kam die Regierung der Anordnung des Obersten Gerichts nach, an die Schweizer Behörden ein Amtshilfeersuchen über verschobene Gelder zu richten (USDOS 19.4.2013). Im Juni 2012 entließ der Oberste Gerichtshof in einer kontroversen Entscheidung Premierminister Zardari aufgrund der Weigerung an die Schweizer Behörden einen Aufruf zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen in Bezug auf Präsident Gilani zu übermitteln (HRW 31.1.2013).

Der durch die hartnäckige Verfolgung von Korruptionsvorwürfen aufgefallene Oberste Richter am Supreme Court of Pakistan, Justice Iftikar Chaudhry, eröffnete auch gegen den früheren Chef des pakistanischen Geheimdienstes (ISI) bzw. den früheren Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee den Prozess (HSS 10.10.2012).

Das Gesetz erlaubt den Bürgern Zugang zu allen öffentlichen Berichten der föderalen Regierung und Behörden, nicht inkludiert sind Provinzregierungen und staatliche Firmen. Einige Berichte sind davon ausgenommen (USDOS 19.4.2013).

Quellen:

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf, Zugriff 27.8.2013

7. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Menschenrechtsorganisationen können sich in Pakistan betätigen (AA 2.11.2012). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren ohne Behinderung seitens staatlicher Stellen, führen Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch und veröffentlichen deren Ergebnisse. Andere Gruppen, die über Themen in Zusammenhang mit Regierung, Militär oder Geheimdienste berichten, sind in ihren Aktivitäten mit Restriktionen konfrontiert (USDOS 19.4.2013).

In den letzten Jahren sind die Aktivitäten der Zivilgesellschaft wieder aufgeblüht und haben viel Aufmerksamkeit erhalten. Die Anzahl von lokalen, nationalen und internationalen NGOs ist stark angewachsen. Es gibt ein breites Spektrum - von international vernetzten Frauenrechts- bis zu eher konservativ-religiösen Organisationen. Bereits die Musharraf Administration suchte aktiv die Hilfe von Frauenrechtsorganisationen wie der Aurat Foundation oder der Shirkat Gah, um fortschrittlichere Gesetze wie die Frauenschutzverordnung von 2006 zu entwickeln. Lokale religiöse Gruppen intervenieren aber auch gegen Änderungen in den Blasphemiegesetzen (FH 4.11.2011). Laut dem aufgelösten Ministerium für soziale Wohlfahrt und Sonderpädagogik gibt es in Pakistan über 100.000 aktive NGOs. Die genaue Zahl ist aber unklar (USDOS 19.4.2013).

Weiblichen Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen wird in vielen Teilen des Landes vorgeworfen, sich nicht an die kulturellen Normen zu halten, weil sie z.B. keinen Schleier tragen, andere Frauen zum Arbeiten ermutigen oder zusammen mit Männern arbeiten. Organisationen, welche sich für die Rechte der Frauen einsetzen sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert (USDOS 19.4.2013). In der pakistanisch verwalteten Kaschmirregion (Azad Kaschmir und Gilgit-Baltistan) können Nichtregierungsorganisationen, die zu humanitären Themen arbeiten, im allgemeinen frei agieren, während jene, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren mehr Kontrolle und gelegentlich auch Belästigungen erfuhren (FH 1.2013).

Visa für regierungskritische ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert oder blockiert. Nur wenige NGOs hatten Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Teilen Belutschistans. Regierungsstellen sind manchmal kooperativ, reagieren aber nur wenig auf die Ansichten dieser Gruppen. Sicherheitsbedrohungen sind für NGOs in FATA und Khyber Pakhtunkhwa ein Problem. Militante töteten zwischen 2009 und Ende 2012 mindestens 19 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und entführten mehr als 20 (USDOS 19.4.2013).

Die Situation unterscheidet sich in Pakistan sowohl regional, als auch für die einzelnen Menschenrechtsorganisationen, je nachdem wie groß ihr Bekanntheitsgrad ist. Die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) ist international stark vernetzt und bekannt, sie genießt auch in Pakistan Anerkennung, und damit Schutz. Die Arbeit ist somit für sie leichter. Kleine, unbekanntere Organisationen sind verletzlicher. An und für sich können Menschenrechtsorganisationen, insbesondere große wie HRCP, und Medien frei schreiben und tun dies auch. Es gibt viele Menschenrechtsorganisationen in Pakistan. In den Konfliktgebieten ist die Arbeit allerdings schwierig, hier erhalten Organisationen Drohungen von Militanten und es kommt auch in Einzelfällen zu Morden an Menschenrechtsaktivisten und Journalisten. 3 Mitarbeiter der HRCP wurden 2012 getötet, 2 in Belutschistan und 1 in Khyber Pakhtunkhwa (BAA 6.2013). Auch 2011 wurden drei Mitarbeiter der HRCP ermordet. Aufgabe der angesehenen NGO HRCP ist die Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Speziell für bessere Haftbedingungen und die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich z.B. der im Jahre 1980 gegründete Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA 2.11.2012).

Quellen:

http://www.freedomhouse.org/sites/default/files/inline_images/Pakistan%20final.pdf, Zugriff 15.10.2013

http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir, Zugriff 24.10.2013

8. Ombudsmann

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einem in jeder Provinz. Obwohl ein Beschwerdesystem für Gefangene existiert, um Missstände aufzuzeigen, funktioniert dieses nicht effektiv (USDOS 19.4.2013).

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, diese wurden in den letzten Jahren erweitert. Durch das neue Gesetz gegen sexuelle Belästigung wurde auch eine Ombudsperson gegen die Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz eingerichtet, mit Büros in jeder Provinz (BAA 6.2013).

Quellen:

9. Wehrdienst

Pakistans Armee ist eine Freiwilligenarmee (AA 2.11.2012). Das Alter für den freiwilligen Militärdienst beträgt 17 bis 23 Jahre. Soldaten unter 18 Jahren können nicht im Kampf eingesetzt werden (CIA 11.9.2013). Die religiösen Minderheiten sind in der Armee deutlich unterrepräsentiert: ihre Karrierechancen sind geringer, außerdem fürchten sie Diskriminierung (AA 2.11.2012).

Quellen:

9.1. Wehrdienstverweigerung / Desertion

Aufgrund des Status als Freiwilligenarmee in Verbindung mit dem herrschenden Ehrenkodex sind Fälle von Fahnenflucht extrem selten. Im Militärstrafrecht ist in folgenden Fällen die Todesstrafe vorgesehen: Feigheit vor dem Feind, Weitergabe einer Parole an unbefugte Personen, Meuterei oder Gehorsamsverweigerung, Fahnenflucht oder Hilfe zur Fahnenflucht. Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit, deren Urteile nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar sind. Gefängnisstrafen sind in Militärgefängnissen zu verbüßen (AA 2.11.2012).

10. Allgemeine Menschenrechtslage

Pakistan hat im Juni 2010 den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Konvention gegen Folter ratifiziert. Nach der Ratifikation des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im April 2008 hat Pakistan damit eine Reihe wichtiger menschenrechtlicher Kodifikationen ratifiziert (AA 10.2013a).

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil römisch II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Artikel 4, Paragraphen eins und 2 der Verfassung garantieren den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Artikel 9, der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Artikel 24, Absatz 2, garantiert den Schutz vor willkürlicher Enteignung persönlichen Eigentums und Artikel 25, Paragraph eins, die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Artikel 25, Paragraph 2, der Verfassung verbietet Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Zwischen Verfassungsanspruch und Wirklichkeit besteht eine erhebliche Diskrepanz (AA 2.11.2012, vergleiche AA 10.2013a).

Seit der Rückkehr zur Demokratie 2008 hat sich die Menschenrechtslage in Pakistan leicht verbessert, bleibt aber kritisch. Menschenrechtsverletzungen werden vom Staat in der Regel nicht angeordnet oder initiiert, die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Es gelingt ihr aber aufgrund schwacher staatlicher Institutionen, auch im Justizbereich, oftmals nicht, Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen und gefährdete Personengruppen zu schützen (AA 2.11.2012). Auch die seit dem Ende der Militärherrschaft wiedererstarkte Judikative ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In jüngerer Zeit bildet sich in den Städten eine bürgerliche Mittelschicht heraus, die zunehmend politisches Selbstbewusstsein entfaltet. Es ist dieser Teil der Gesellschaft, der die Anwaltsbewegung getragen hat, die sich schließlich erfolgreich für die Wiedereinsetzung des unter Präsident Musharraf 2007 abgesetzten Obersten Richters Iftikhar Chaudhry und eine unabhängige Justiz eingesetzt und damit den Rückzug Musharrafs eingeleitet hat (AA 10.2013a).

In der Menschenrechtsgesetzgebung ist es seit Ende 2011 v.a. im Bereich der Frauenrechte zu erkennbaren Fortschritten gekommen, diese wurden bislang aber nur teilweise umgesetzt (AA 10.2013a). Im Dezember 2008 wurde von der Regierung ein Gesetzentwurf zur Wiedereinrichtung einer staatlichen Menschenrechtskommission eingebracht. Am 4. Mai 2012 wurde das Gesetz zur Gründung der (unabhängigen, staatlich finanzierten) National Commission for Human Rights im Parlament verabschiedet (AA 2.11.2012). Das Gesetz sieht eine Kommission von 10 Mitgliedern vor, denen ein Richter vom Obersten Gerichtshof oder ein Menschenrechtsexperte vorsteht, ein Sitz ist für Frauen, einer für religiöse Minderheiten reserviert (USDOS 19.4.2013). Die Kommission soll die Kompetenz bekommen jede Institution für Menschenrechtsverbrechen zur Verantwortung ziehen zu können (USDOS 20.5.2013). Die Kommission ist zwar staatlich finanziert, soll aber unabhängig agieren können. Ihre Aufgabe ist die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen; die Kommission soll zudem Empfehlungen an die zuständigen Regierungsbehörden oder Gerichte aussprechen (AA 2.11.2012).

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte stellen extralegale Tötungen, "Verschwinden lassen" von Personen und Folter durch Sicherheitskräfte dar. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem schlechte Haftbedingungen, außergerichtliche Haft, ein schwaches Kriminalstrafsystem, ein Mangel an juristischer Unabhängigkeit in den Gerichten unterer Instanzen, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit der Minderheiten, verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, wie Ehrverbrechen sowie Diskriminierung. Gewalt und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen tragen in einigen Teilen des Landes - in erster Linie Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und FATA - zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei (USDOS 19.4.2013).

Fälle von "Verschwinden lassen" (Journalisten, Aktivisten, Terrorverdächtige oder Stammesführer) durch die Sicherheitskräfte stammen überwiegend aus der Zeit der Militärdiktatur, kommen aber immer noch vor. 2011 hat die Menschenrechtskommission 62 neue Fälle registriert, davon 35 in Belutschistan und 20 in Sindh. Die im Jahre 2011 eingesetzte Commission on Missing Persons gibt an, dass 83 Personen wieder aufgefunden werden konnten (AA 2.11.2012).

Regierung und vor allem Justiz bemühen sich, Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit der Militärherrschaft aufzuklären. Der Oberste Gerichtshof hat sich seit Anfang Januar 2010 der Thematik der "verschwundenen Personen" angenommen und damit Regierung und Sicherheitskräfte unter Druck gesetzt, die Aufklärung der ungeklärten Fälle zu beschleunigen (AA 2.11.2012). Der Oberste Gerichtshof erreichte durch ein beispielloses Vorgehen, 2012 einen noch nie dagewesenen Zugang zu einigen Opfern des Verschwinden Lassens. Ab Februar 2012 erschienen einige Entführte aus Belutschistan vor Gericht. Der Präsident des Obersten Gerichtshofs drohte den Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden mit Haft, sollten sie keine rechtlichen Grundlagen für die Inhaftierungen in Belutschistan vorweisen können. Das Obere Gericht in Peschawar übte Druck auf die Behörden aus, die genauen Daten aller Häftlinge anzugeben, die in den nordwestlichen Stammesgebieten in "Sicherheitshaft" gehalten wurden. Kein aktiver oder ehemaliger Angehöriger der Sicherheitskräfte wurde wegen mutmaßlicher Verwicklung in diese oder andere Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt. Es gab allerdings weiterhin Berichte von Fällen von "Verschwinden lassen" im Land, insbesondere in Belutschistan und den nord-westlichen Stammesgebieten, wofür niemand vor Gericht gestellt wurde. Die UN Arbeitsgruppe zu erzwungenen Verschwinden durfte ihren ersten Besuch im Land abhalten, allerdings weigerten sich wichtige Amtsträger sich mit ihr zu treffen (AI 5.2013). Berichte zu außergerichtlichen Verhaftungen, in einigen Fällen mit Folter und Todesfällen sowie Fälle von "Verschwinden lassen" gibt es auch aus der pakistanisch verwalteten Kaschmir Region (FH 1.2013).

Außergerichtliche Tötungen kommen vor allem in Form der so genannten "police encounters" vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern und der Polizei, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemiefälle. Die Regierung des Punjab hat verstärkt Haftprüfungen in den Gefängnissen der Provinz durchführen lassen, um bei Bagatelldelikten und überlanger Untersuchungshaft Abhilfe zu schaffen. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 2.11.2012).

Der Senat und die Ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen ab. Sie dienten als nützliches Forum, um das öffentliche Bewusstsein für solche Probleme zu wecken, doch ihre Tätigkeit war nicht viel mehr als eine breite Übersicht über die Problematiken (USDOS 19.4.2013).

Die Wahlen vom Mai 2013 brachten einen historischen Übergang von einer demokratisch gewählten Regierung zu einer anderen. Pakistan hat beeindruckende Fortschritte unter herausfordernden Umständen seit der Wiedererrichtung der Demokratie erreicht, um diese Fortschritte zu halten, so Human Rights Watch, muss Menschenrechtsverletzungen Einhalt geboten werden (HRW 23.8.2013).

Quellen:

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 14.10.2013

http://www.hrw.org/news/2013/08/23/pakistan-10-steps-improve-human-rights, Zugriff 23.9.2013

http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir, Zugriff 24.10.2013

11. Meinungs- und Pressefreiheit

Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch. In den letzten Jahren haben sich 75 private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue online-Magazine und neue Radiostationen. Selbst in den FATA an der Grenze zu Afghanistan gab es Ende 2011 trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mindestens zwölf Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern. Die zahlreichen Medien können weitgehend frei berichten, Kritik an der Regierung ist möglich und verbreitet (AA 2.11.2012). Unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an Ansichten Ausdruck, Journalisten kritisieren oft die Regierung. Themen, über die früher nicht berichtet wurde (z.B. Verfolgung von Minderheiten), werden behandelt. Es gibt eine Vielzahl von unabhängigen englisch-, urdu- und regionalsprachigen Zeitung und Magazinen. Private Kabel- und Satellitenkanäle strahlen heimische Nachrichten aus und sind gegenüber der Regierung kritisch. Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und des Ministeriums für Kaschmir Angelegenheiten (USDOS 19.4.2013).

Das Gesetz gewährt Rede- und Pressefreiheit, aber es gibt etwas Zensur. Es gab Fälle, bei denen die Regierung private Fernsehsender schloss, und die Ausstrahlung bestimmter Programme blockierte. Die diesbezüglichen Gesetze sind laut den Sendeanstalten vage und lassen Raum für Missbrauch. Außerdem führen Drohungen, Gewalt und Tötungen dazu, dass Journalisten und Redakteure Selbstzensur praktizieren (USDOS 19.4.2013). Ernste Drohungen von Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen gab es in erster Linie in Belutschistan, Sindh und den nordwestlichen Stammesgebieten (AI 5.2013). In Einzelfällen berichten Journalisten über Repressionen durch Regierungsstellen, dies betrifft vor allem Reaktionen auf Fälle von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern. Nicht geduldet wird auch eine ein bestimmtes Maß überschreitende Kritik an der Institution des Militärs oder den Sicherheitsdiensten. In diesen Fällen sehen sich Journalisten Repressionen ausgesetzt (AA 2.11.2012; vergleiche AI 5.2013). Ein Klima von Angst erschwert somit die Berichterstattung über das Militär und über militante Gruppen. Journalisten berichten selten über vom Militär begangene Menschenrechtsverletzungen bei Anti-Terroroperationen (HRW 31.1.2013; vergleiche USDOS 19.4.2013). Einschüchterungen oder Gewalt gehen auch von politischen Parteien aus (USDOS 19.4.2013).

Die Hauptgefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppen aus. Sie setzen Morde, Entführungen und Einschüchterungen, auch gegenüber Familienangehörigen, ein, um missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen. In von Taliban kontrollierten Gebieten ist eine Taliban-kritische Berichterstattung unmöglich, in den übrigen Landesteilen werden Taliban-kritische Journalisten gezielt bedroht und eingeschüchtert. Viele Journalisten aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder den FATA sind in die Städte Karachi, römisch 40 oder Islamabad geflohen und arbeiten von dort aus. Auch in Belutschistan ist die freie Betätigung der Presse sehr eingeschränkt und sehen sich Journalisten Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Urheber sind zumeist nichtstaatliche bewaffnete Gruppen oder kriminelle Banden. Insgesamt wurden 2011 landesweit mindestens zehn Journalisten getötet, vor allem in Belutschistan, Khyber-Pakhtunkhwa und den FATA (dort zwölf in den vergangenen zehn Jahren) (AA 2.11.2012; vergleiche USDOS 19.4.2013; HRW 31.1.2013).

Laut dem Committee to Protect Journalists wurden 2012 7 Journalisten in Pakistan getötet, laut Reportern ohne Grenzen 10, laut Asia Media Commission 13 (USDOS 19.4.2013). Laut HRW wurden acht Journalisten in Pakistan während des Jahres 2012 getötet. Dahingegen ging die Zahl an Einflussnahmen durch Behördenvertreter gegenüber regierungskritischen Journalisten auch dieses Jahr, wie jedes seit der Rückkehr zu einer Zivilregierung, weiter zurück (HRW 31.1.2013).

Artikel 19, der Verfassung garantiert die Meinungsfreiheit, stellt sie jedoch unter einen Gesetzesvorbehalt. Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind danach zulässig zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam ("in the interest of the glory of Islam") (AA 2.11.2012; vergleiche USDOS 19.4.2013). Die Blasphemiegesetze schränken die Rechte des Individuums auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf religiöse Glaubenssätze ein. Politische Aktivitäten stehen unter Beobachtung der Regierung. Die Staatsbürger können die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, doch Kritik am Militär ist eingeschränkt. Mitglieder von Studierendenorganisationen mit Kontakten zu politischen Parteien erzeugen eine Atmosphäre der Gewalt und Intoleranz, welche die akademische Freiheit ihrer Kommilitonen beeinträchtigt (USDOS 19.4.2013). In Azad Kaschmir sind politische Dissidenten Objekt von Überwachung, Belästigung und manchmal auch von Verhaftungen durch pakistanische Sicherheitskräfte (FH 1.2.3013).

Quellen:

http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir, Zugriff 24.10.2013

12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert, kann aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten. 2011 richtete sich eine wachsende Zahl von Demonstrationen gegen die sich ausweitende Energiekrise, einige Demonstrationen schlugen in Gewalt um. Nach Angaben der HRCP (Human Rights Commission of Pakistan) sollen bei der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei 2011 mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen und 343 verletzt worden sein (AA 2.11.2012). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 19.4.2013).

Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 2.11.2012).

Eine Einschränkung der politischen Opposition findet nicht statt. Politische Auseinandersetzungen werden jedoch vor allem in Karachi zum Teil gewalttätig ausgetragen (AA 2.11.2012).

Ein Maßnahmenpaket der Regierung zur Verbesserung der Situation in Belutschistan beinhaltet auch die Bereitschaft zum Dialog mit belutschischen Nationalisten. Dennoch ist es bislang noch zu keiner grundlegenden Verbesserung der politischen Situation in Belutschistan gekommen; die politisch motivierten Gewalttaten gehen weiter. 2011 wurde der Geltungsbereich der Political Parties Act auf die "Stammesgebiete" ("Federally Administered Tribal Areas", FATA) ausgedehnt. Seitdem dürfen - erstmals in der Geschichte Pakistans - politische Parteien dort aktiv werden (AA 2.11.2012). Der Geheimdienst Inter-Services Intelligence Directorate führt in der pakistanisch verwalteten Kaschmir Region ausführliche Überwachung, insbesondere von Unabhängigkeitsgruppen durch. Die Polizei unterdrückte in Azad Jammu und Kaschmir in den letzten Jahren regelmäßig Demonstrationen gegen die Regierung, in manchen Fällen auch mit Gewalt (FH 1.2013).

Die TTP (Pakistanische Taliban) warnte in der Vorwahlzeit vor Anschlägen auf "säkulare Parteien", wie das Muttahida Qaumi Movement (MQM), die Pakistan People's Party (PPP) und die Awami National Party (ANP) (Dawn 14.4.2013). Drohungen der Taliban schwächten die Wahlkampagnen von ANP, PPP, und MQM. Ein Sprecher der Taliban warnte in der Vorwahlzeit, dass pakistanische Wähler den Veranstaltungen dieser säkularen Parteien fern bleiben sollten. Die ANP, welche die Provinzregierungskoalition in Khyber Pakhtunkhwa führte, war am stärksten betroffen. Sie hat ihre Hauptbasis in Khyber Pakhtunkhwa, aber auch große Unterstützung in Karatschi. Alle drei Parteien waren in der Regierungskoalition. Die eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten zu den Wählern machten es für diese Parteien schwierig ihre Unbeliebtheit, die sie während ihrer Regierungszeit erlangten, auszugleichen. Schränkte früher bei den Wahlen 2002 die Militärherrschaft säkulare Parteien ein - übernahmen dies bei den Wahlen 2013 die Taliban (BBC 5.4.2013). Die ANP musste herbe Verluste hinnehmen und errang nur einen Sitz in der Nationalen Versammlung, während es bei den Wahlen 2008 10 Sitze waren (TNI 14.5.2013). Durch die Nachwahl in einigen Distrikten gewann sie einen weiteren hinzu (Geo.Tv 23.8.2013).

Nach einem Anschlag mit Schusswaffen und Sprengstoff auf ein Büro der ANP im Gulshan-e-Bunair Gebiet im Juli in Karatschi schloss die ANP ihre Büros in der ganzen Stadt. 2 ANP Aktivisten wurden getötet. Die ANP hatte angenommen, dass nach den Wahlen keine Anschläge mehr folgen würden und die Sicherheitsvorkehrungen herunter gefahren (TET 23.7.2013). Die ANP ist eine Partei, die auf paschtunisch-ethnischer Zugehörigkeit basiert. Sie war Juniorpartner in der vorigen Föderalregierung und hielt die Macht in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Über 100 ihrer Mitglieder wurden durch die Taliban seit 2008 getötet, sie ist das Hauptziel der Taliban unter den politischen Parteien (RFI 29.4.2013).

Quellen:

http://dawn.com/2013/04/14/anp-candidate-killed-in-swat-ied-blast/, Zugriff 30.9.2013

http://www.geo.tv/article-114897-By-polls-PML-N-wins-five-NA-seats-PPP-three-PTI-two, Zugriff 9.10.2013

http://www.thenews.com.pk/Todays-News-2-177237-Election-results-shock-ANP-workers-and-leaders-alike, Zugriff 8.10.2013

13. Haftbedingungen

Das Verhältnis der Zahl der Strafgefangenen zur Gesamtbevölkerung (geschätzt auf 164,6 Mio.) liegt bei 50:100.000 und ist damit gering. Ungefähr 74% der Häftlinge sind nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer Untersuchungshäftlinge; Mitte 2011 waren landesweit rund 1,35 Mio. unerledigte Strafverfahren anhängig. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß. Von der Möglichkeit, Untersuchungshäftlinge auf Kaution frei zu lassen, wird selten Gebrauch gemacht. Viele Untersuchungshäftlinge verfügen nicht über die finanziellen Möglichkeiten zur Stellung einer Kaution. Abhilfe soll hier der am 18.4.2011 vom Staatspräsidenten unterzeichnete Code of Criminal Procedure (Amendment) Act 2011 schaffen, der die Möglichkeiten der Entlassung von Untersuchungsgefangenen sowie von Strafgefangenen in überlangen Berufungsverfahren auf Kaution regelt (AA 2.11.2012).

Die Haftbedingungen sind oft sehr schlecht und entsprechen nicht internationalen Standards. Dies gilt verstärkt für Strafgefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Nach Feststellung von UNODC und Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Menschenrechtsgruppen, welche die Haftbedingungen kontrollierten, fanden sexuellen Missbrauch, Folter und überlange Untersuchungshaft vor. Manchmal folterte und misshandelte die Polizei Personen in Haft und manchmal wurden außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 19.4.2013). 2011 wurden mindestens 92 Todesfälle bei Strafgefangenen verzeichnet; mindestens 99 Strafgefangene wurden verletzt. Es gibt glaubhafte Berichte über Folterung und über erniedrigende Behandlung von Strafgefangenen. Entsprechend zahlreich waren auch 2011 Gefängnisrevolten; die pakistanische Menschenrechtskommission verzeichnet in ihrem Jahresbericht für 2011 sechs größere Gefängnisrevolten landesweit. Eine leichte Verbesserung gab es 2011 lediglich bei den Ausbildungsprogrammen für Strafgefangene. Gefangene, soweit sie nicht durch Bestechung des extrem korruptionsanfälligen Wachpersonals ihre Haftbedingungen verbessern können, sind in Blöcken mit ca. 50 Personen pro Schlafsaal inhaftiert. Betten und Matratzen sind nicht vorhanden und dürfen auch nicht mitgebracht werden. Die Gefangenen schlafen in Wolldecken eingewickelt auf dem Betonboden (AA 2.11.2012).

Unzureichende medizinische und Nahrungsversorgung in den Gefängnissen führte zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage waren, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. Einrichtungen für Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang waren inadäquat. Es existierte ein System für grundlegende medizinische Versorgung und Notfallversorgung aber dieses funktionierte nicht immer effektiv (USDOS 19.4.2013).

Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse im Punjab. Die landesweit 97 vorhandenen Einrichtungen sind für rund 42.000 Gefangene ausgelegt, tatsächlich waren dort aber rund 83.000 Personen (Stand Oktober 2009) untergebracht; die Überbelegungsquote liegt bei 194%. Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen; eine deutliche Verbesserung der Lage war aber auch 2011 noch nicht festzustellen. (AA 2.11.2012). Eine andere Quelle - SHARP, eine NGO für Gefängnisinsassen - schätzte, dass 97.850 Personen in Haft waren bei einer landesweiten Kapazität der Gefängnisse von 36.000. Zwar konnte die Zahl der Häftlinge durch Umsetzung der Justizpolitik von 2009 und die Abarbeitung von Fällen stark reduziert werden, allerdings blieb Überfüllung ein Problem (USDOS 19.4.2013).

Es gibt eigene Frauengefängnisse, bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt. Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich 2011 auf rund 900, von denen 408 in Untersuchungshaft und 149 zum Tode verurteilt waren. Wenn auch nicht in gleichem Grad wie bei den übrigen Haftanstalten, gibt es auch in den Einrichtungen für Frauen schlechte Haftbedingungen unter unzureichenden hygienischen Bedingungen und mangelhafter medizinischer Versorgung (AA 2.11.2012).

Jugendliche Straftäter waren oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen, wobei diese aber in Kontakt kamen und sie oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung wurden (USDOS 19.4.2013). Jugendgefängnisse existieren nicht. 2011 gab es rund 1.200 jugendliche Strafgefangene; davon waren nur 125 (8,3%) rechtskräftig verurteilt (AA 2.11.2012).

Rechtlich ungeklärt ist die Lage der ca. 2.500 Gefangenen aus den militärischen Operationen im Swat-Tal und in Süd-Wasiristan, die sich in der Gewalt des Militärs befinden. Zum einen fehlt es an einer eindeutigen auf ihren Fall anwendbaren Strafgesetzgebung, zum anderen gibt es weder ordentliche Strafanstalten noch ein funktionierendes Justizwesen in den vom Militär befreiten Gebieten. Das Militär hat im Swat Tal zur Rehabilitation radikaler Moslems vier "Deradikalisierungszentren", zwei für Männer und je eins für Frauen und Heranwachsende, eingerichtet. In dreimonatigen Kursen werden psychiatrische Behandlung und religiöse Unterweisung angeboten (AA 2.11.2012).

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einem in jeder Provinz. Obwohl ein Beschwerdesystem für Gefangene existierte, um Missstände aufzuzeigen, funktionierte dieses nicht effektiv. Nach einer Beschwerde muss der Beschwerdeführer im gleichen Gefängnis verbleiben, weshalb Gefangene schweigen. Inspektoren besuchen die Gefängnisse, allerdings nicht regelmäßig. Das Internationale Rote Kreuz durfte keine Gefängnisse in den Konfliktgebieten Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Belutschistan besuchen, die Regierungen von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben dem Roten Kreuz unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen, im Punjab stellte das Rote Kreuz die Kontrolle der Gefängnisse ein, da der Zugang nicht regelmäßig war. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 19.4.2013).

Quellen:

14. Todesstrafe

Bei Verwirklichung von 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden, darunter Mord, Anstiftung zum Mord, Hochverrat, Spionage, Blasphemie (falls der Tatbestand der Prophetenbeleidigung gegeben ist), Besitz von und Handel mit mehr als 1 kg Rauschgift, gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung, terroristischer Anschlag mit Todesfolge und Internet-Terrorismus ("cyber terrorism") mit Todesfolge. Zwingend vorgeschrieben ist sie bei Mord, Vergewaltigung und Blasphemie (falls der Tatbestand der Prophetenbeleidigung verwirklicht ist). Der unter die Todesstrafe gestellte Strafenkatalog geht weit über den nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus. Die Todesstrafe wird in Pakistan weiterhin verhängt, seit September 2008 ist sie wegen eines Moratoriums jedoch nicht mehr vollstreckt worden. (AA 2.11.2012) Im November 2012 allerdings ließen Militärbehörden Muhammad Hussain hinrichten. Ihm wurden drei Morde zur Last gelegt. Gnadengesuche des Armeechefs und des Präsidenten waren abgelehnt worden. Damit wurde erstmals seit 2008 wieder ein Todesurteil in Pakistan vollstreckt. Die [damalige] Regierung distanzierte sich von der Entscheidung der Militärbehörden, das Todesurteil zu vollstrecken. Auch wenn es durch die Militärbehörden durchgeführt wurde, befürchten Aktivisten, dies könnte das Tor zur Wiederaufnahme von Hinrichtungen öffnen. Mehr als 8.300 Menschen saßen 2012 in der Todeszelle, einige von ihnen bereits seit zwei bis drei Jahrzehnten. Im Laufe des Jahres wurden 242 Todesurteile ausgesprochen (AI 5.2013).

In Revisionsverfahren wird die Todesstrafe oft in lebenslange Freiheitsstrafen, die gesetzlich auf 25 Jahre begrenzt sind, umgewandelt, insbesondere bei Verurteilungen wegen Mordes bei Zustimmung der Familie des Opfers. Während sich insbesondere Menschenrechtsgruppen für die Abschaffung der Todesstrafe aussprechen, gibt es erhebliche Widerstände seitens islamischer Kleriker sowie aus Teilen der Bevölkerung (AA 2.11.2012).

Die [neue] Regierung unter Nawaz Sharif hatte Anfang August 2013 eine Wiederaufnahme von Exekutionen angekündigt. Nach Kritik durch NGOs und der EU wurden die geplanten Exekutionen offiziell ausgesetzt und damit das Moratorium, das im Land seit 5 Jahren besteht, bestätigt (Agenzia Fides 29.8.2013).

Quellen:

http://www.fides.org/en/news/34186-ASIA_PAKISTAN_Sharif_s_Pakistan_stops_the_executioner, Zugriff 12.9.2013

http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 2.9.2013

15. Religionsfreiheit

Laut CIA World Factbook mit Stand Juli 2013 sind 96,4 % der rund 193 Millionen Pakistanis (Schätzung) offiziell Muslime, davon 85-90 % Sunniten und 10-15% Schiiten (CIA 11.9.2013). Anhand der letzten Volkszählung von 1998 geben USDOS und BAMF die Aufteilung mit 75 % Sunniten und 25 % Schiiten an (USDOS 20.5.2013, BAMF 8.2011). Weniger als 5 % machen Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und weitere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten aus (USDOS 20.5.2013).

Der Secretary des Ministerium für Nationale Harmonie geht von circa 10 Millionen Minderheitenangehörigen aus, vier Millionen Christen, drei Millionen Hindus, 20.000 Sikhs, dazu Bahais und Parsen sowie Ahmadis. Insgesamt ist die Zahl der Nicht-Muslime in Pakistan stark zurückgegangen, bei der Staatsgründung machten sie noch 29 % der Bevölkerung aus, 1970 10 % und bei der letzten Volkszählung 1998 waren dies nur noch 3 %. Es ist nicht klar, ob dies auf Konversionen, Abwanderungen oder unterschiedliches Bevölkerungswachstum zurückgeführt werden könnte. Möglich ist auch, dass bei der Volkszählung der Anteil der Minderheiten nach unten redigiert wurde, um diesen weniger politische Repräsentation zugestehen zu müssen (BAA 6.2013).

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch dezidierten Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Murad Ullah 1.-2.10.2012, vergleiche USDOS 20.5.2013).

Obwohl die Verfassung die Einrichtung adäquater Regelungen zum Schutz der religiösen Minderheiten und der freien Ausübung ihrer Religionen verlangt, begrenzen andere Bestimmungen der Verfassung und weiterer Gesetze diese Rechte. Die Verfassung und andere Gesetze schränken somit die Religionsfreiheit ein. In der Praxis setzte die Regierung diese Einschränkungen auch durch, insbesondere gegenüber Ahmadis. Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion. Aufgrund einer diskriminierenden Gesetzgebung waren Minderheitenangehörige oft verängstigt, ihre Religion frei auszuüben und die Politik der Regierung bietet den Angehörigen der Minderheitenreligionen nicht denselben Schutz wie den Mehrheitsreligionsgruppen. Es gibt weiterhin Missbrauch der Blasphemie-Gesetzregelungen und anderer Gesetze, wie der "Anti-Ahmadiyya" genannten Gesetzesregelungen (USDOS 20.5.2013, vergleiche BAMF 8.2011). Diese Gesetze diskriminieren religiöse Minderheiten und bieten Anlass zur Strafverfolgung, wobei hier insbesondere die Strafandrohungen gegen die Ahmadiyya-Gemeinschaften zu nennen sind, die zudem auch bei der Ausübung ihres religiösen Glaubens behindert werden (AA 2.11.2012). Religiöse Minderheiten waren überproportional von Vorfällen betroffen, in denen private Individuen versuchten, die vage formulierten Blasphemiegesetze missbräuchlich gegen sie zu verwenden (AI 5.2013).

Es gibt keine offizielle Einschränkung zur Errichtung von Glaubensstätten, doch Behörden auf Distriktebene verweigerten regelmäßig die Genehmigung zur Errichtung von Glaubensstätten, insbesondere für Ahmadis. Minderheitenvertreter werfen Behörden Untätigkeit bei Übergriffen von Extremisten auf ihre Gebetsstätten vor. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 20.5.2013).

Angehörige religiöser Minderheiten wie Ahmadi, Hindu und Christen erfahren ein beträchtliches Risiko, wegen ihres Glaubens eingeschüchtert und gewaltsam angegriffen zu werden (AI 5.2013). Es gab viele Angriffe auf Versammlungen und religiöse Plätze von Ahmadis, Hindus, Sufis, Schiiten und Christen bei denen es zahlreiche Tote und große Zerstörungen gab. Es kam vermehrt zu Mobgewalt und Selbstjustiz (USDOS 20.5.2013). Die Lage der religiösen Freiheit hat sich im Berichtszeitraum verschlechtert (USCIRF 30.4.2013).

Minderheiten sind ein Ziel von Extremisten. Die Taliban haben eine repressive Interpretation des Islams, die Situation für Nicht-Muslime stuft die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) deshalb als kritisch ein. Kritischer sei sie allerdings für jene Muslime, bei denen sie denken, dass sie vom Glauben abgefallen sind. Die terroristische Gewalt zielt besonders auf Schiiten. UNHCR nennt die Lage der religiösen Minderheiten als eines der gröbsten Menschenrechtsprobleme Pakistans, insbesondere die Lage der Hazara, unter anderem aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Schiitentum. Gezielte Tötungen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte. Durch die Anschläge der Terroristen entsteht Misstrauen zwischen den Religionen (BAA 6.2013, vergleiche AA 10.2013a).

Es gibt eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt - Zentren von Intoleranz, Organisationen die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessensgruppen, die sich ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten, führt der Vertreter der NCJP [National Commission for Justice and Peace] aus. Die NRJP geht davon aus, dass eigentlich Extremisten hinter Ausschreitungen stehen. Auch gibt es den Verdacht, dass hinter den Vorwürfen zu Blasphemie gegen Christen, Versuche einflussreicher Personen oder Gruppen stehen, sich Land anzueignen Einige lokale Führer zündeln und hetzten eine Menschenmenge auf. Es ist ein "Checks and Balance", eine Kontrolle der Moscheen notwendig, aber es mangelt an politischem Willen (BAA 6.2013).

Per Gesetz ist es Madrassen verboten interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. In der Praxis gibt es allerdings Kleriker, die Intoleranz predigen. Außerdem gibt es - wenige, aber einflussreiche - Madrassen, an welchen Gewalt oder Extremismus gepredigt werden. Um dies zu drosseln wurde 2002 vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden registrieren lassen müssen und keine Finanzierung aus dem Ausland annehmen dürfen (USDOS 20.5.2013).

Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigen alle Interviewpartner. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil, so die Deutsche Botschaft. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Seit der Anwendung des Paragraph 295, C gegen Blasphemie traten zwei bis drei Vorfälle von Ausschreitungen auf, so wie im März 2013 gegen die christliche Gemeinde in römisch 40 . Die HRCP gibt an, dass trotz des grundsätzlich friedlichen Alltags die Gewaltvorfälle und die Spannungen zunehmen. Neben vereinzelten Ausschreitungen gegen christliche Siedlungen richten sich Demonstrationen mit Hetzkampagnen bestimmter extremistischer Gruppen immer wieder gegen Ahmadis. Es gäbe allerdings mehr Spannungen unter den Muslimen als zwischen Muslimen und den Minderheiten. Daneben kommt es auch immer wieder zu kleineren Gewaltakten gegen Einrichtungen und Glaubensstätten der Minderheiten. Die NCJP hat für 2012 für alle nicht-muslimische Minderheiten neun solcher Vorfälle gesammelt, in denen Gräber geschändet, sowie Kirchen, Tempel und Ahmadiyya Moscheen vandalisiert wurden, darunter die Brandstiftung an einer Kirche in Mardan, Khyber Pakhtunkhwa, im Zuge der Proteste gegen einen Mohammed beleidigenden US-Film (BAA 6.2013).

Bei Drohungen kümmert sich die Polizei oft nicht darum. Allgemein gibt es eine schlechte Performance der Polizei bei solchen Vorfällen, sie steht eher daneben, als dass sie eingreifen würde. Für die NCJP stellt sich die Lage so dar, dass Gewaltakte durch eine aufgebracht Menschenmenge ausbrechen können, da die Gewalttäter meistens nicht bestraft werden und damit eine abschreckende Wirkung fehlt. Das Rechtssystem ist für jeden gleich, meint allerdings HRCP, aber es gibt große Problemstellungen, die Polizei untersucht oft nicht genau. Bei Prozessionen, wie Palmsonntagprozessionen, werden als Prävention allerdings Polizeischutzmaßnahmen ergriffen (BAA 6.2013).

Gewalttäter gehen aufgrund von Korruption, lokalen Feudalstrukturen und der Ineffizienz der Justiz häufig straffrei aus (AA 10.2013a). Die begrenzte Kapazität und Willen der Regierung Täter der steigenden extremistischen Übergriffe gegen Minderheiten und Personen, die sich für Toleranz einsetzen, zu verfolgen, ließ ein Klima von Straflosigkeit zu (USDOS 20.5.2013).

Die religiöse Intoleranz hat zugenommen. Die Mehrheit befürwortet jedoch Toleranz und ist gegen Extremisten. Die Menschen wählen säkulare Parteien. Das Land hat auch positive Veränderungen in diesem Bereich gesehen. Bis vor einigen Jahren konnte man kaum über interreligiöse Toleranz sprechen. Schon Musharraf versuchte zu de-islamisieren, zwar nicht erfolgreich, doch der Prozess wurde durch die PPP forciert. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren, was vorher nicht ging. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten (BAA 6.2013).

Im Alltag gibt es keinen aktiven Konflikt, aber es gibt Diskriminierung und Ungleichheit und dies ist die Basis für Disharmonie. Minderheiten treffen auf Diskriminierung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, in Bildung, Gesundheit und Regierung. Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung (BAA 6.2013). Die meisten Minderheitengruppen, außer Schiiten, berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen. Auch der Karriere-Aufstieg von Minderheitenangehörigen im Staatsdienst ist anscheinend begrenzt, insbesondere für Ahmadis (USDOS 20.5.2013).

Die [bis März amtierende] Regierung unternahm einige Schritte um die interreligiöse Toleranz zu fördern (USCIRF 30.4.2013).

Das Nationale Ministerium für Interreligiöse Harmonie bzw. sein Vorgänger das Ministerium für Minderheiten wurde eigens für religiöse Minderheiten eingerichtet. Für die religiösen Belange der Muslime (Sunniten und Schiiten, die als Muslime nicht als Minderheit, sondern Teil der Mehrheit gelten) ist das Ministerium für religiöse Angelegenheiten zuständig. Hauptanliegen des Ministeriums für Harmonie ist die Förderung der Minderheiten und der interreligiösen Toleranz. Als spezielles Programm für Minderheiten gibt es ein eigenes Budget für die soziale Wohlfahrt und finanzielle Assistenz zur Förderung ärmerer Minderheiten. Der Erhalt und die Renovierung von Glaubensstätten der Minderheiten fallen ebenfalls in die Verantwortlichkeit des Ministeriums. Auf Provinzebene gibt es eigene "Departments of Interfaith". Die meisten funktionieren allerdings noch nicht, die Aufgaben werden noch vom nationalen Ministerium für Harmonie, dem Nachfolger des Minderheitenministeriums ausgeführt. Als Dialogforum zwischen den Religionsgemeinschaften wurde das "National Council of Interfaith Harmony" eingerichtet (BAA 6.2013, vergleiche USDOS 20.5.2013).

Die Bildungskampagne ist ein Fokus der NCJP und des Nationalen Ministerium für Harmonie. In der Lehrerausbildung, in den Lehrplänen und Schulbüchern wird versucht vorhandene Diskriminierung zu eliminieren und Toleranz zu fördern. Der Vertreter der PIL betont die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen, insbesondere muslimischen. Wenn ein bedeutender, muslimischer geistlicher Führer, wie der Vorsitzende des Pakistan Ulema Council, für interreligiöse Harmonie spricht, findet dies Gehör (BAA 6.2013).

2009 wurde in allen staatlichen Bereichen bei der Anstellung eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten eingeführt. Diese wurde allerdings noch nicht erreicht und wird im Land ungleich umgesetzt. Auch auf Distriktebene wurden Komitees zur Interreligiösen Harmonie zur Förderung von Toleranz zwischen den Religionen eingerichtet (USCIRF 30.4.2013).

Im Mai wurde das Gesetz zu Einrichtung einer Nationalen Kommission für Menschenrechte vom Präsidenten unterzeichnet, ein Sitz von 10 in der Kommission soll für einen Vertreter der Minderheiten reserviert sein. Von den 342 Parlamentariern sind 13 Angehörige einer religiösen Minderheit. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen, drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (USDOS 20.5.2013, vergleiche Murad Ullah 1.-2.10.2012).

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, Verletzungen der Rechte der Minderheiten fallen in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6.2013).

In Pakistan finden sich nicht nur unterschiedliche Religionen, sondern viele Variationen der muslimischen Identität und der religiösen Intensität. Religiöse Intoleranz findet sich auch zwischen den muslimischen Sekten und innerhalb der sunnitischen Konfession, z.B. zwischen der Barelvi Sekte [auch Ahle Sunnat wal Jama'at], die sehr viel Sufi-Einfluss aufweist, aufgeschlossener ist und die Mehrheit der Pakistanis ausmacht, und der Deobandi, die islamistisch geprägt ist (BAA 6.2013). Die sunnitischen hanafitischen Barelvi Muslime hängen traditionellen Glaubenspraktiken, darunter auch der Verehrung von Heiligen (Sufis) und deren Gräber, an. Die Hanafiten sind mit 50% Anteil an der islamischen Bevölkerung die zahlenstärkste muslimische Gruppe in Pakistan. Die Barelvi werden von den Deobandi und den Ahle Hadith, zwei weiteren sunnitischen Glaubensrichtungen, wegen der Verehrung von Sufi-Heiligen sowie sonstiger Praktiken abgelehnt und von Extremisten unter diesen bekämpft. Auch die Barelvi lehnen die Anschauungen der anderen sunnitischen Sekten ab. Angehörige der sunnitischen hanafitischen Barelvi Muslime und Schiiten werden vielfach Opfer sunnitischer Extremisten, wobei sich diese Vorfälle meist in Städten abspielten. Häufig wurden Selbstmordattentäter auf schiitische Prozessionen angesetzt (BAMF 8.2011).

In Khyber Pakhtunkhwa kommt es zu interkonfessionellen Anschlägen auf Moscheen, in den Stammesgebieten zu Zusammenstößen zwischen schiitischen und sunnitischen Stämmen. In Karatschi setzen sich die Schiiten zur Wehr. Die Sipah-e-Muhammad Pakistan ist z.B. eine schiitische Gruppe, die in Karatschi in gezielte Tötungen an religiösen Führern und Aktivisten der verbotenen, terroristischen sunnitischen Sipah-e-Sahaba involviert ist. In Karatschi finden auch Schießereien zwischen schiitischen und sunnitischen Gangs statt. Im Sindh, außerhalb Karatschis, gibt es wenige interkonfessionelle Zwischenfälle. Im Punjab ebenfalls, aber es gibt dennoch vereinzelte Anschläge auf Schiiten. Interkonfessionelle Gewaltvorfälle sind im Punjab auch zurückgegangen. Schiiten leben vor allem in römisch 40 . In der Stadt sind die Kontrollen hoch und sie ist relativ unter Kontrolle der Sicherheitskräfte (BAA 6.2013). Klerikern, die als zur Gewalt anstiftend gesehen werden, wird während Muharram die Einreise in viele Distrikte des Punjabs und des Sindhs verwehrt (HRCP 3.2013). Für schiitische Prozessionen wird Polizeischutz zur Verfügung gestellt, dennoch kommt es dabei zu Anschlägen (BAA 6.2013).

Im Jahr 2011 wurden mindestens 389 Personen bei Gewalttaten gegen verschiedene muslimische Konfessionen getötet (HRCP 3.2012).

2012 wurden laut HRCP insgesamt mindestens 531 Menschen bei sektiererischen terroristischen Attacken zwischen den verschiedenen muslimischen Sekten getötet. Hauptsächlich waren davon Schiiten betroffen (HRCP 3.2013). Von den 202 interkonfessionellen terroristischen Akten, die von PIPS im Jahr 2012 aufgezeichnet wurden, zielten um die 60 % auf die schiitische Gemeinde, 30 % auf Sunniten. 395 Angehörige der schiitischen Gemeinde wurden getötet - 73 % aller Opfer interkonfessioneller Gewalt. Anschläge und Zusammenstöße zusammengenommen wurden 213 Vorfälle von Gewalt zwischen den muslimischen Konfessionen mit 563 Todesopfern von PIPS registriert (BAA 6.2013). Circa 85 % aller Vorfälle sektiererischer Gewalt 2012 waren, laut PIPS, gezielte Tötungen (PIPS 4.1.2013). HRW schätzt, dass 2012 mindestens 325 Angehörige der schiitischen Bevölkerung in gezielten Anschlägen in Pakistan getötet wurden, mehr als 100 davon in Belutschistan, die meisten von diesen wiederum Hazara (HRW 31.1.2013). 119 Hazara wurden 2012 in Quetta in gezielten Anschlägen getötet. Die Hazara meinen, die Behörden hätten keinen Willen sie zu beschützen. Aus Sicherheitsgründen haben sich die Hazara in zwei Enklaven in der Stadt zurückgezogen (HRCP 3.2013).

2012 nahm die sektiererische Gewalt in Pakistan somit zu, obwohl sie 2011 zurückgegangen war. Einen starken Zuwachs verzeichneten die Provinzhauptstädten Quetta und Karatschi sowie Teile Belutschistans. Aufgeschlüsselt fanden laut PIPS 85 % aller Vorfälle zwischen muslimischen Konfessionen 2012 in Karatschi, Quetta, Gilgit und der Kurram Agency (FATA) statt. Diese sind auch im Mehrjahresvergleich 2010-2012 Hotspots sektierischer Gewalt, wohingegen sporadische Vorfälle in diesen Jahren auch von anderen Teilen des Landes berichtet werden, insbesondere Zentral- und Süd-Punjab, Hangu und Dera Ismail Khan in Khyber Pakhtunkhwa (KP), Khyber und Orakzai in der FATA und Mastung in Belutschistan. (BAA 6.2013; vergleiche PIPS 4.1.2013). Weitere Schwerpunkte 2012 waren: Diamer in Gilgit Baltistan, die Distrikte Kohistan und Mansehra in KP (HRCP 3.2013); sowie weiters Hangu, Kohat, Tank, - ebenfalls in KP, Dera Ghazi Khan im [Süd-] Punjab (USDOS 20.5.2013). Zwei größere Anschläge mit jeweils um die 20 Toten ereigneten sich im Punjab 2012 im südlichen Distrikt Rahimyar Khan und in Rawalpindi (HRCP 3.2013). 2011 waren außerdem auch römisch 40 (Punjab), Nowshera (KP), und Khyber (FATA) Schwerpunkte (HRCP 3.2012).

Auch die ersten beiden Monate 2013 waren, verbunden mit der Vorwahlzeit, von stark erhöhter interkonfessioneller Gewalt gezeichnet, in erster Linie in Karatschi und Quetta. Im Jänner und Februar 2013 wurden bei interkonfessionellen Anschlägen 238 Menschen getötet, ein Großteil davon bei zwei verheerenden Anschlägen in einem Viertel der schiitischen Hazara in Quetta. Nach diesem Höhepunkt nahm diese Art des Terrors in den nächsten beiden Monaten ab. Nichtsdestotrotz traf ein weiterer der größeren Anschläge der Vorwahlzeit am 3. März ebenfalls die schiitische Minderheit, diesmal in Karatschi, 48 Menschen starben bei einem Anschlag auf ein schiitisches Viertel (BAA 6.2013).

Verbotene Gruppen wie die Pakistanischen Taliban und die Lashkar-e-Jhangvi übernahmen die Verantwortung für Anschläge auf Schiiten (HRCP 3.2013). Sunnitische militante Gruppen operierten mit weiter Straflosigkeit in Pakistan (HRW 31.1.2013). Die Reaktion der Regierung war großteils unzureichend. Dies anerkennend gab der Oberste Gerichtshof eine Kritik an der Regierung aufgrund der unzureichenden Bemühungen in Quetta Sicherheit zu gewährleisten ab. Im Jänner wurde in Belutschistan nach den großen Bombenanschlägen die Kontrolle auf die von der Provinz auf die Bundesregierung übertragen und damit den Forderungen der Hinterbliebenen nachgekommen (USCIRF 30.4.2013).

Quellen:

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 14.10.2013

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf, Zugriff 2.9.2013

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2011-A.pdf, Zugriff 10.10.2013.

http://www.hrw.org/news/2013/08/23/pakistan-10-steps-improve-human-rights, Zugriff 23.9.2013

Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg

http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1, Zugriff 13.9.2013

15.1. Religiöse Gruppen: Ahmadis

Es gibt zwei verschiedene Zweige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Pakistan, eine Qadiani-Gruppe (Ahmadiyya Muslim Jamaat) und eine römisch 40 -Gruppe (Ahmadiyya Anjuman Ischat-i-Islam römisch 40 ). Die erste Bezeichnung bezieht sich auf Qadian, einen Ort, der im jetzigen Indien liegt und die andere auf römisch 40 in Pakistan, an dem die kleinere der beiden Glaubensgemeinschaften ihren Hauptsitz und Schwerpunkt hat. Die römisch 40 -Gruppe hat weltweit etwa 30.000 Mitglieder. Davon befinden sich 5.000 bis 10.000 in Pakistan. Ihre Siedlungsschwerpunkte in Pakistan sind römisch 40 , Karachi, Rawalpindi, Peschawar und kleinere Orte in den Provinzen Punjab und Sindh. Die Ahmadiyya Gemeinde der Qadiani-Gruppe hat derzeit ihr Hauptquartier in London. Der pakistanische Zweig der Ahmadiyya Muslim Community soll um die 600.000 Mitglieder haben. Nach anderen Angaben, die auf Aussagen der Mitglieder der Gemeinschaft beruhen, soll die Mitgliederstärke in Pakistan 2 bis 5 Millionen betragen. Die abweichenden Angaben werden damit erklärt, dass die Ahmadis sich als Nicht-Muslime registrieren lassen müssen, was von der Mehrheit in Pakistan lebender Gemeindemitglieder aber abgelehnt wird, weil sie sich als Muslime betrachten. Ein Zentrum der Gemeinde befindet sich in Chenab Nagar, vormals Rabwah. Im Übrigen sind Angehörige der Qadiani-Gruppe an den gleichen Orten zu finden, wie die der römisch 40 -Gruppe. Beispielhaft sind Khewra, Sargodha, Pind Thatha, Bhalwal, Khushub, Shahpur, römisch 40 , Karachi und Gujaranwala zu nennen (BAMF 8.2011).

Die Glaubensinhalte der Ahmadiyya, die sich selbst als Muslime sehen, weichen in einigen Kernaspekten stark vom breiteren muslimischen Konsens ab (BAA 15.4.2013 - siehe zu Glaubensinhalten).

Das Hauptproblem für die Mehrheit der Muslime in Pakistan hinsichtlich der Ahmadis der Qadiani-Richtung besteht darin, dass diese Mohammed nicht als letzten Propheten (Siegel der Propheten), sondern den Gründer ihrer Glaubensgemeinschaft Mirza Ghulam Ahmad als weiteren Propheten ansehen (BAMF 8.2011).

Die islamische Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya wird von den meisten muslimischen Geistlichen in Pakistan nicht als muslimisch anerkannt. Durch Änderung der Verfassung im Jahre 1974 wurde diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz. Ahmadis wird zwar vom Gesetz der Status einer religiösen Minderheit eingeräumt, allerdings werden sie durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert (AA 2.11.2012). Diese auf Betreiben des islamischen Aktivismus erlassenen Gesetzesmechanismen werden häufig als Anti-Ahmadi-Gesetze bezeichnet. Der Constitutional (Second Amendment) Act von 1974 - die zweite Novellierung der Verfassung - zählte Ahmadis als nicht-muslimische Minderheit auf und definierte sie somit als Nicht-Muslime, obwohl sie selbst sich als Muslime sehen. Paragraph 298 c, des pakistanischen Strafgesetzbuches macht es für Ahmadis strafbar, sich selbst Muslime zu nennen und ihren Glauben zu bewerben oder zu missionieren. Außerdem dürfen sie sich nicht durch ihr Verhalten als Muslime ausgeben und dürfen somit ihre Gebetsstätten nicht Moscheen nennen; nicht die traditionelle muslimische Form des Grußes verwenden; ihren Gebetsruf nicht Adhan, wie er im Islam genannt wird, nennen; den Koran öffentlich nicht zitieren oder islamische Riten öffentlich durchführen (Murad Ullah 1.-2.10.2012, vergleiche USDOS 20.5.2013). Paragraph 298 c, Pakistanischen Strafgesetzbuch wird mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (AA 2.11.2012).

Der öffentliche Verkauf von religiöser Literatur der Ahmadis ist verboten, doch der Dachverband der Ahmadis veröffentlicht religiöse Literatur, die nur innerhalb der Ahmadi-Gemeinde zirkuliert. Die Regierung setzt existierende rechtliche und politische Restriktionen der religiösen Freiheit um, besonders bei Ahmadis. Im Prinzip schränkt die Regierung religiöse Gruppen nicht dabei ein, Glaubensstätten einzurichten, auch bei Ahmadis gibt es keine offiziellen Einschränkungen im Bau von Glaubensstätten. In der Praxis verweigerten lokale Behörden regelmäßig die Genehmigung zum Bau von Glaubensstätten der Minderheiten, insbesondere der Ahmadis und der Bahai und nannten als Grund die Erhaltung der öffentlichen Ordnung (USDOS 20.5.2013).

Die Gesetzgebung schränkt in der Praxis Elemente des Ausdrucks des religiösen Glaubens der Ahmadis, wie offene Diskussionen über Religion mit Nicht-Ahmadis ein (UK Home Office 1.2013). Da es für eine Reihe religiöser Praktiken der Ahmadis die Androhung von Strafsanktionen gibt, ist eine vollständige Ausübung des Glaubens der Ahmadis gesetzlich eingeschränkt (USCIRF 30.4.2013). Die Ahmadis unterliegen somit von allen religiösen Minderheiten Pakistans den stärksten rechtlichen Einschränkungen und offiziell sanktionierter Diskriminierung, auch wenn es mehr Christen und Hindus als Ahmadis gibt (Murad Ullah 1.-2.10.2012).

Es gibt klare Belege, dass diese Gesetzgebung durch nicht-staatliche Akteure benutzt wird, um Ahmadis zu schikanieren und zu bedrohen, u. a. durch das Einreichen eines First Information Reports (FIRs; Sachverhaltsdarlegung), der in einer Untersuchungshaft resultieren kann (UK Home Office 1.2013).

Strafverfahren gegen Ahmadis werden in der Regel von islamistischen Gruppierungen der Khatm-e-Nabuwwat ("Siegel der Prophetenschaft") in Gang gebracht. Ähnlich wie gegenüber Christen wird die Blasphemie-Gesetzgebung dazu benutzt, die Angehörigen dieser Minderheit aus den verschiedensten Motiven unter Druck zu setzen, die nur zum Teil einen religiösen Hintergrund haben. Oft geht es auch nur um Misshelligkeiten zwischen Nachbarn, Streitigkeiten zwischen Geschäftsleuten und vor allem um Auseinandersetzungen um Grundbesitz. Bei den gegen sie gerichteten Strafverfahren sind die Aussichten der Ahmadis auf ein faires Gerichtsverfahren zumindest in der ersten Instanz gering, da die Richterinnen und Richter in vielen Fällen von extremistischen religiösen Gruppierungen unter Druck gesetzt werden. Es kommt nur selten zu Freisprüchen. Wohlmeinende Richter tendieren eher dazu, die Verfahren unendlich in die Länge zu ziehen, um einer Entscheidung aus dem Weg zu gehen. Dies hat zur Folge, dass die Angeklagten immer wieder zu Gerichtsterminen geladen werden, die dann aber kurzfristig entfallen (AA 2.11.2012).

2010 wurden 67 Strafverfahren gegen Ahmadis nach Paragraph 298 c, eingeleitet. In den meisten dieser Fälle befinden sich die Angeklagten gegen Kaution auf freiem Fuß. Es besteht allerdings immer die Gefahr, dass ein gegen Ahmadis gerichtetes Verfahren um den Vorwurf der Blasphemie nach Paragraph 295 c, erweitert wird (AA 2.11.2012). Dabei besteht das Risiko der Verhängung der Todesstrafe, die dafür noch nicht durchgeführt wurde, wobei bei Verhängung der Strafe dennoch die Gefahr einer langen Haftstrafe besteht (UK Home Office 1.2013). In der Berufungsinstanz erfolgt häufig eine Abänderung des Strafvorwurfs (z.B. Entweihung des Korans, Paragraph 295 b,), so dass die für Blasphemie zwingend vorgesehene Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe (die auf 25 Jahre begrenzt ist) umgewandelt wird. 2011 wurden in insgesamt 27 Fällen Strafverfahren wegen (angeblicher) Blasphemie eingeleitet, drei gegen Ahmadis (AA 2.11.2012).

Insgesamt 56 Ahmadis wurden laut Führern der Ahmadis zwischen Jänner und Dezember 2012 angezeigt, die meisten davon in Verbindung zu den Anti-Ahmadi Gesetzen. 26 Ahmadis wurden aufgrund der Glaubensausübung verhaftet und verbrachten einige Zeit im Gefängnis, bevor sie auf Kaution entlassen wurden, zu Jahresende befand sich kein Ahmadi im Gefängnis (USDOS 20.5.2013). Andererseits verzeichnete USCIRF im Zeitraum 31.1.2012-31.1.2013 nur zehn Fälle von Ahmadis, die aufgrund Paragraph 298, angezeigt worden sind. In vielen dieser Fälle wurde auf die Polizei Druck von lokalen religiösen Führern ausgeübt. Viele der Angezeigten wurden auf Kaution freigelassen, aber werden wahrscheinlich Jahre im pakistanischen Gerichtssystem ihre Fälle verhandeln müssen (USCIRF 30.4.2013).

Ahmadis sind auch mit steigender gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert, da militante Gruppen Artikel des Gesetzes verwendeten um Ahmadis davon abzuhalten sich als "Muslime auszugeben" sowie Ahmadis davon abhielten ihre Moschee in Rawalpindi zu benutzen, den Abbruch von Ahmadi Moscheen in römisch 40 erzwangen und Gräber der Ahmadis in der Punjab Provinz beschädigten (HRW 31.1.2013). Ahmadis sind auch Ziel von gewaltsamer Attacken durch nicht-staatliche Akteure von Teilen der mehrheitlich sunnitisch-muslimischen Bevölkerung (UK Home Office 1.2013).

Insbesondere die islamistische Gruppierung Khatm-e-Nabuwwat bekämpft die Ahmadis. Die von dieser Gruppe und anderen extremen religiösen Gruppierungen ausgehenden Maßnahmen gegen Ahmadis, die von regelmäßigen Belästigungen bis hin zu Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit reichen, werden von staatlichen Stellen in der Regel tatenlos hingenommen. Der weitaus größte Teil der Ahmadis lebt friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen; berichtet wird aber weiterhin über einzelne Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis (AA 2.11.2012).

Hasskampagnen und Gewalt gegen Ahmadis hielten 2012 an. 20 Ahmadis wurden getötet, 10 davon in Karatschi, zwei weitere im Sindh, drei in Belutschistan, vier im Punjab und einer in Khyber Pakhunkhwa. 11 wurden bei Attacken verletzt (HRCP 3.2013, vergleiche USDOS 20.5.2013). Dies ist eine signifikante Zunahme gegenüber dem Vorjahr. Bis Jahresende wurde von den Behörden wegen dieser Morde niemand inhaftiert (USDOS 20.5.2013). USCIRF berichtet zum Jahr 2012 von 44 verschiedenen Attacken auf Ahmadis, in denen 23 Personen starben. Die schwache rechtliche Stellung der Ahmadis durch die Regelungen im Strafgesetz und der Verfassung fördert ein Klima von Straflosigkeit (USCIRF 30.4.2013).

2011 wurden in Faisalabad im Punjab Flugblätter verteilt, in denen die Namen und Adressen von 50 prominenten Ahmadis aufgelistet waren mit dem Aufruf diese zu töten und sich damit einen Platz im Himmel zu sichern. Der Staat steht auch unter dem Druck islamischer Fundamentalisten (Murad Ullah 1.-2.10.2012).

USCIRF sammelte Berichte zu neun Vorfällen, in denen die Polizei von Ahmadis verlangte, die Kalima (islamisches Glaubensbekenntnis) von ihren Moscheen zu entfernen. An Zerstörungen an Friedhöfen gibt es mindestens sieben Fälle. Einige davon wurden durch die Polizei nach Aufforderungen islamischer Führer durchgeführt, da sich oft Koran-Inschriften auf den Gräbern finden (USCIRF 30.4.2013). Das Gesetz verbietet es Ahmadis die Kalima zu rezitieren (USDOS 20.5.2013).

Viele Ahmadis registrieren sich aus Angst nicht bei der NADRA (National Database & Registration Authority). Auf der ID Karte wird zwar die Religion nicht abgedruckt, allerdings muss man diese am Antragsformular angeben. Ahmadis sehen sich als Muslime, jedoch müssen alle, die Muslim als Religionszugehörigkeit angeben, am Antrag eine Erklärung unterschreiben, dass sie an die Finalität Mohammeds als letzten Propheten glauben, nicht dem Glauben der Ahmadis folgen und dessen Begründer als falschen Propheten sehen. Für Kinder müssen dies die Eltern stellvertretend unterschreiben. Dieser Prozess ist folglich auch für die Ausstellung eines Passes notwendig, da hierfür die Registrierung Voraussetzung ist. Auf dem Pass ist die Religionszugehörigkeit angegeben (Murad Ullah 1.-2.10.2012, vergleiche USDOS 20.5.2013). In den letzten Jahren weigerten sich Personen die Klausel mit den religiösen Beteuerungen für die Passausstellung zu unterzeichnen und haben dennoch den Pass erhalten (USCIRF 30.4.2013).

Die Identitätskarten braucht ein Bürger um wählen zu können. Diese Regelung behindert Ahmadis somit dabei, legale Dokumente zu erwerben und in ihrem Recht zu wählen (USDOS 20.5.2013). Ahmadis waren die einzige Gruppe, die auf einer eigenen Wählerliste, auch für die Wahlen 2013 eingetragen waren (HRCP 3.2013).

Ahmadis sind derzeit nicht im Parlament vertreten, weil sie nicht für die Listenplätze der Parteien für nichtmuslimische Minderheiten kandidieren (AA 2.11.2012; vergleiche BAA 6.2013). Die Gemeinde nennt sich international Ahmadiyya Muslim Jamaat, hat aber in Pakistan mit Blick auf Paragraph 298 c, das Wort "Muslim" entfernt (AA 2.11.2012).

Für Ahmadis ist die Situation schwieriger als für andere Gruppen, sie haben keine politische Vertretung, da sie sich weigern die Regelungen für nicht-muslimische Minderheiten in Anspruch zu nehmen. Allerdings verfügt die Gemeinde über höhere finanzielle Mittel, z.B. für rechtlichen Schutz. (BAA 6.2013).

Quellen:

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf, Zugriff 2.10.2013

Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg

15.2. Blasphemiegesetz

Es bestehen scharfe Gesetze gegen Blasphemie (Paragraphen 295 a, -, c, des pakistanischen Strafgesetzbuches). Seit 1990 verbietet Paragraph 295 a, das absichtliche Verletzen religiöser Objekte oder Gebetsha¿user, Paragraph 295 b, die Entweihung des Koran, Paragraph 295 c, die Beleidigung des Propheten Mohammed. Die letztgenannte Norm sieht auch bei unabsichtlicher Erfüllung des Tatbestandes der Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor (AA 2.11.2012). Diese wurde allerdings noch nie dafür exekutiert. Für Paragraph 295 b, kann eine Strafe bis zu lebenslanger Haft verhängt werden, für Paragraph 295 a, eine Strafe bis zu 10 Jahren. Für die Ahmadiyya-Glaubensgemeinde verbietet es Paragraph 298, des Strafgesetzes, sich selbst als "Muslime", ihren Glauben als "Islam" oder ihre Moscheen als solche zu bezeichnen. Dieser Paragraph wird auch oft als "Anti-Ahmadiyya Gesetz" bezeichnet (BAA 6.2013).

Vom Blasphemieverbot nach Artikel 295c sind weiterhin Christen, Ahmadis, andere religiöse Gruppen, aber auch Sunniten und Schiiten nicht unerheblich betroffen. Die Gerichte der unteren Instanzen ermitteln in diesen Fällen nicht ausreichend. Dies führt in einigen Fällen dazu, dass die Angeklagten lange Jahre im Gefängnis verbringen, da nach Auffassung der Gerichte wegen der drohenden Todesstrafe Fluchtgefahr besteht und deshalb eine Freilassung auf Kaution verweigert wird. Die Verweigerung der Freilassung auf Kaution erfolgt auch aus Furcht vor Aktionen von Extremisten (BAMF 2011, vergleiche USDOS 20.5.2013). In erster Instanz folgt bei Blasphemie-Fällen häufig eine Verurteilung, die meistens von der höheren Instanz aufgehoben wird. Insgesamt werden mehr Fälle freigesprochen oder fallen gelassen, als verurteilt werden. Tatsächlich befinden sich aufgrund der Blasphemie- oder Anti-Ahmadiyya Gesetze nur wenige Personen im Gefängnis. Die Vorwürfe beruhen meist auch nicht auf Tatsachen, sondern gehen auf Streitigkeiten zurück (BAA 6.2013, vergleiche AA 2.11.2012).

Unter dem Blasphemiegesetz ist es sehr einfach jemanden zu beschuldigen. Es werden allerdings nur wenige Fälle pro Jahr angezeigt und die Zahl an Blasphemie-Anzeigen geht zurück. In ihrem Jahresbericht für 2012 zählt die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) 27 Anzeigen gegen Muslime, acht gegen Christen und eine gegen einen Ahmadi, sowie vier Fälle von Anzeigen aufgrund des Verstoßes gegen Paragraph 298, (BAA 6.2013). Die Zahlen der National Commission on Justice and Peace (NCJP) sind ähnlich: registriert wurden für den Zeitraum 1.-11.2013 Anzeigen unter dem Blasphemiegesetz gegen, 11 Christen, 5 Ahmadis und 14 sonstige Muslime (USDOS 20.5.2013). Trotz der landesweiten Anwendung werden zwei Drittel aller Anzeigen im Punjab registriert (USCIRF 30.4.2013).

Mindestens 16 Personen befanden sich aufgrund von Blasphemie-Verurteilungen im Todestrakt, 20 saßen lebenslange Haftstrafen ab (HRW 31.1.2013). Laut USCIRF sind 40 Personen aufgrund von Blasphemievorwürfen in Haft (USCIRF 30.4.2013).

Eine Person, die einmal wegen Blasphemie verurteilt wurde, wird vielfach auch nach Freispruch durch ein Berufungsgericht zum Opfer von Verfolgung durch extremistische Organisationen. Insbesondere bei Angehörigen religiöser Minderheiten geraten Familienangehörige von Angeklagten häufig ebenfalls ins Visier von Extremisten und erhalten z. B. anonyme Drohungen (AA 2.11.2012). Im Juli 2012 wurde ein Mann, der aufgrund des Verbrennens des Korans verhaftet wurde, von einem Mob verbrannt (HRW 31.1.2013). Im März 2013 wurde ein christliches Viertel in römisch 40 aufgrund einer Blasphemieanzeige abgebrannt, getötet wurde niemand (BAA 6.2013).

Ein geistig zurück gebliebenes christliches Mädchen wurde im August 2012 verhaftet, da sie beschuldigt wurde, Seiten des Korans verbrannt zu haben, die Polizei musste sie vor einem Mob beschützen. Aufgrund von Drohungen gegen die lokale christliche Gemeinde in Islamabad mussten 400 Personen fliehen (HRW 31.1.2013). Der All Pakistan Ulema Council - eine bedeutende Organisation islamischer Rechtsgelehrter - und die Pakistan Interfaith League setzten sich für das Mädchen ein (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Im September verkündete die Polizei, dass keine Beweise gegen das Mädchen gefunden werden konnten, sie wurde freigelassen und unter staatlichen Schutz an einem geheimen Ort gestellt (HRW 31.1.2013).

Auffällig ist der Umstand, dass Muslime als stärkste Gruppe - im Zeitraum 2005 bis 2010 in knapp über der Hälfte der Fälle (in 131 von 230 Fällen) - von derartigen Verfahren betroffen sind. Dies relativiert sich allerdings bei Berücksichtigung ihrer Anteile an der Bevölkerung, so dass festzuhalten ist, dass die religiösen Minderheiten proportional weitaus stärker unter Strafverfolgung unter Anwendung vorgeblich die Religion schützender Regelungen leiden (BAMF 2011, vergleiche USDOS 20.5.2013). Auf der anderen Seite widerlegen die Zahlen die Annahme, dass es sich bei dieser Gesetzeslage sowie deren Umsetzung um ein staatliches Verfolgungsprogramm gegen Minderheiten handelt (BAMF 2011).

Es gibt Hilfsorganisationen für Blasphemie-Verdächtige. Die NCJP arbeitet als Rechtshilfeorganisation und bietet in acht regionalen Büros Hilfe an. In den Fällen nach Paragraph 295 b und Paragraph 295 a, gibt es im Regelfall eine Freilassung auf Kaution, bei Paragraph 295 c, im Regelfall nicht. Für die Anti-Ahmadi Gesetze nach Paragraph 298, wird häufig Kaution gewährt. Die NCJP bevorzugt, dass die Angeklagten während des Prozesses in Untersuchungshaft bleiben, da eine Gefahr der Lynchjustiz durch aufgestachelte Mobs besteht. Nach einer Freilassung benötigen die Betroffenen deshalb aus Sicherheitsgründen auch Umsiedlung und Rehabilitation. Die NCJP organisiert und hilft bei der Umsiedlung, dies verursacht hohe Kosten. Es gibt keine staatlichen Einschränkungen bei der Umsiedlung. Bei unbekannten Fällen ist eine Umsiedlung in Pakistan möglich, bei bekannten allerdings nicht. Für diese Fälle steht man auch mit dem Ausland in Kontakt, um für die Betroffenen eine Aufnahme in ein anderes Land organisieren zu können. Es gibt keine systematischen staatlichen Maßnahmen zum Schutz, keine Schutzgesetzgebung oder Politiken für solche Fälle. In einigen Fällen gab es Kompensationen, jedoch in den meisten nicht. Auch die Bar-Vereinigung der Rechtsanwälte hat ein Komitee, das Rechtshilfe anbietet, diese Tradition wird allerdings schwächer. Eine starke Vernetzung der Organisationen ermöglicht es, dass die Zahlen und Namen zu Blasphemie-Fällen zuverlässig sind (BAA 6.2013).

Wenn auch die Blasphemiegesetze zumindest in Teilen der Gesellschaft (liberalen Teilen der Mittel- und Oberschicht) in Frage gestellt werden, und in der pakistanischen Öffentlichkeit hoch emotional über eine mögliche Entschärfung diskutiert wird, sind die Chancen dafür derzeit eher gering. Im Jänner 2011 wurde der Gouverneur der Provinz Punjab, der öffentlich Partei für eine zum Tode verurteilte Christin ergriffen und dabei die Blasphemiegesetzgebung scharf kritisiert hatte, von einem seiner Leibwächter auf offener Straße erschossen (AA 2.11.2012). Auch der damalige Minister für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, wurden 2011 aufgrund seines öffentlichen Engagements für eine grundlegende Reform des Gesetzes ermordet (AA 10.2013a).

Quellen:

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 14.10.2013

Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg

15.3. Konversion

Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung. Die Rechtsordnung schränkt nicht die Freiheit ein, die Religion zu wechseln. Im Gegensatz zu anderen islamischen Ländern, in denen Apostasie mit dem Tode bestraft wird, gibt es in Pakistan keine entsprechende strafrechtliche Bestimmung. Es gibt auch kein Missionierungsverbot, außer für Ahmadis (Artikel 298 C pakistanisches Strafgesetzbuch: Strafandrohung bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe und / oder Geldstrafe) (AA 2.11.2012). Für Ahmadis ist auch das Predigen in der Öffentlichkeit oder die Anwerbung von Konvertiten verboten (USCIRF 30.4.2013).

Die pakistanische Gesellschaft ist im Allgemeinen sehr feindlich gegenüber Konvertiten eingestellt. Konvertiten werden von ihren Familien und von der Gesellschaft oft als eine Quelle der Schande empfunden, und viele halten es für ihre Pflicht, solche Personen zu töten, um die Ehre wieder herzustellen. Den Konvertiten werden in manchen Fällen sogar grundlegende Menschenrechte verweigert (z.B. eine medizinische Behandlung). Obwohl theoretisch möglich, ist es in der Praxis sehr schwierig, seine Religion zu wechseln. Ohne Zweifel gibt es aber auch Fälle, wo Konvertiten vergleichsweise gut behandelt werden. Von diesen Fällen hört man jedoch nicht (IRB 14.1.2013).

Eine Konversion zu einer religiösen Minderheit erfolgt daher generell im Geheimen, um gesellschaftliche Repressalien zu vermeiden. Häufig werden zur Ahmadiyya-Gemeinde Konvertierte der Blasphemie, der Verletzung der Anti-Ahmadiyya Gesetze oder anderer Verbrechen angeklagt. Konvertieren muslimische Eltern zu einer anderen Religion, werden deren Kinder als illegitim angesehen. Der Regierung wäre es erlaubt, die Vormundschaft für diese Kinder zu übernehmen (USDOS 20.5.2013).

Quellen:

16. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

16.1. IDPs

Durch Konflikte und Desaster wurden viele Pakistanis intern vertrieben, ca. 774.594 sind mit Stand Mai 2013 in Khyber Pakhtunkhwa (KP) und den FATA registriert (HPG 5.2013). Mit Stand September 2013 schätzte OCHA die Zahl an IDPs aus KP und den FATA auf 1.02 Millionen. 1,4 Millionen sind seit 2009 zurückgekehrt (OCHA 10.9.2013).

Peschawar ist eine der größten Aufnahmestädte, die Stadt-Bevölkerung hat sich seit 1998 verdoppelt. Die Versorgungsinfrastruktur wurde nicht adäquat ausgebaut. Die soziale Lage der intern Vertrieben ist oft prekär. Es gibt nur begrenzte Hilfe und wenig Einkommensmöglichkeiten, wobei es allerdings auch viele intern Vertriebene und afghanische Flüchtlinge gibt, die sich Geschäfte aufbauen konnten. Aufgrund der sich ständig ändernden Sicherheitssituation in den Agencies der FATA zögern viele, in ihr Gebiet zurückzukehren, nachdem es vom Militär wieder als sicher freigegeben wurde (HPG 5.2013).

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen. Für die Versorgung und den Schutz der IDPs ist in erster Linie die pakistanische Regierung zuständig. UNHCR und andere Organisationen werden unterstützend zur Regierung tätig. Im Bereich der IDPs sind ungefähr 100 NGOs tätig, mit denen UNHCR direkt zusammen arbeitet (BAA 6.2013).

Die Regierung hat keine Gesetze zum Schutz von IDPs, aber setzte Politiken um, um diesen zu helfen. Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen Menschenrechtsorganisationen in der Gewährleistung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, Asylsuchende und zurückkehrende Flüchtlinge. Die Restriktionen der Regierung beim Zugang zu manchen Gebieten der FATA, KP und Belutschistans, oft aufgrund von Sicherheitsbedenken, behinderte humanitären Organisationen, Hilfe zur vulnerablen Bevölkerung zu bringen. Die Regierung legte Camps innerhalb jener Agencies an, in denen Militäroperationen stattfanden, obwohl Sicherheitsbedenken der Hilfsorganisationen vorgebracht wurden. Es gab Sicherheitsvorfälle in Camps durch den starken Zuzug von Personen sowie Registrierungs- und Essensverteilungsprobleme. Die Mehrheit der IDPs wohnte bei Gastfamilien, in gemieteten Unterkünften oder zu einem geringeren Ausmaß in den Camps. Das World Food Programm verteilt Essenspakte an IDPs. Die freiwillige Rückkehr wurde von internationalen Hilfsorganisationen unterstützt (USDOS 19.4.2013).

Die IDPs variieren, einige können zurückkehren, andere müssen ihren Wohnort verlassen. Seit Jänner 2012 wurden 411.873 Personen aus der FATA nach KP intern vertrieben, in der gleichen Zeit sind 49.013 Personen zurückgekehrt, hauptsächlich nach Kurram und Südwaziristan. Von den mit Stand Mai 2013 774.594 registrierten IDPs, lebten nur 11 % in den Haupt-Camps Jalozai, New Durrani und Togh Serai, 42 % lebten im Distrikt Peschawar, die Mehrheit stammt aus den Agencies Khyber, Kurram und Orakzai. Sowohl die im Camp als auch die außerhalb lebenden IDPs haben Anspruch auf Hilfe, aber es gibt Probleme bei der Registrierung. Viele intern Vertriebene haben Probleme mit ihren Dokumenten und damit ihrem rechtlichen Status, so sind sie auch anfällig dafür, Opfer von Erpressung oder Bedrohung zu werden (HPG 5.2013).

Der Norwegian Refugee Council (NRC) ist eine der größten internationalen NGOs in KP und der FATA. Die Programme fokussieren sich auf die Unterstützung von afghanischen Flüchtlingen, IDPs, von Fluten und Katastrophen betroffenen Gemeinschaften und Rückkehrern, unter anderem Beratung, Rechtshilfe und soziale Dienste. 2012 wurden

2.161 Fälle in Bezug auf die Rechte von IDPs gelöst. Auch in der Bildung der intern Vertriebenen und Flüchtlinge ist NRC tätig. 105 Bildungszentren gibt es in Charsadda, Nowshera, Lower Dir und Quetta, mit denen 3.217 Personen erreicht wurden. Das Unterkunftsprogramm fokussiert sich auf durch Fluten oder Konflikte Intern Vertrieben in Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Belutschistan.

2.250 permanente Unterkünfte und 4.000 Zelte wurden 2012 errichtet. Zur sanitären Versorgung gibt es ebenfalls Projekte. NRC unterstützt auch Rückkehrer in die FATA (NRC 3.2013).

Mehr als Dreiviertel der IDPs siedeln außerhalb des Camps, NRC verteilt an diese Versorgungssäcke (NRC 23.4.2012).

Quellen:

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Pakistan_Humanitarian_Snapshot_20130910.pdf, Zugriff 10.10.2013

17. Grundversorgung/Wirtschaft

Die schweren Fluten drei Jahre hintereinander haben der pakistanischen Wirtschaft ernsten Schaden zugefügt und ihr potentielles Wachstum halbiert. Sie erhöhten auch Inflation und Arbeitslosenrate, unterbrachen Versorgungsketten, zerstörten die Saat und behinderten die industrielle Produktion. Die stärker werdenden Engpässe in der Energieversorgung und die schwache Recht- und Ordnungssituation sowie strukturelle Hindernisse zügeln ebenfalls Investitionen und Wachstum (TRF 9.9.2013, vergleiche AA 10.2013b; World Bank 16.11.2011). Nach den Fluten 2010 und 2011 und der weltweiten Nahrungsmittelpreiskrise gab es eine merkbare Zunahme der absoluten Armut (BAA 6.2013). Mit geschätzten 3,6 % blieb das Wirtschaftswachstum im Haushaltsjahr 2013 (1.7.2012-30.6.2013) hinter den Möglichkeiten des Landes zurück und bewegte sich auf dem Niveau der Vorjahre (2010: 3,8 %; 2011: 2,4 %; 2012: 4,4 %) (AA 10.2013b). Das Wirtschaftswachstum kann nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten (BAA 6.2013).

Die Inflation entwickelte sich zuletzt positiv. Sie ging von fast 14 % im Vorjahr auf 7,5 % im Sommer 2013 zurück und ist damit erstmals seit sechs Jahren wieder im einstelligen Bereich angesiedelt. Das Haushaltsdefizit liegt derzeit bei fast 9 % des BIP, die gesamten öffentlichen Schulden bei 63,5 %. Die Devisenreserven Pakistans sind gegenüber Sommer 2012 (10,8 Mrd. US-Dollar) auf zuletzt 6,27 Mrd. US-Dollar deutlich geschrumpft. Defizitäre Staatsbetriebe belasten die öffentlichen Finanzen und benötigen regelmäßig staatliche Finanzspritzen. Pakistan wird seine Staatseinnahmen deutlich erhöhen müssen; mit knapp 9 % des BIP hat es eine der niedrigsten Steuerquoten der Welt (AA 10.2013b).

Es gibt eine Energiekrise, ein großer Teil der Bevölkerung hat keinen regelmäßigen Zugang zu Strom. Die Energiesituation hat sich in den letzten Jahren rapide verschlechtert, es ist jedoch schwer dies zu quantifizieren, da es in letzter Zeit keine Erhebungen gab. Der Stromausfall beträgt landesweit im Sommer bis zu 18 Stunden am Tag. Besonders betroffen ist der Punjab, in anderen Provinzen ist die Situation etwas besser Es gibt ein System des "load shedding shedule", ein öffentlicher Plan und Information, wann die Elektrizität wo abgeschaltet wird (BAA 6.2013). Die Stromausfälle haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Lebensumstände der Bevölkerung. Sie führen auch zu einem um 3 bis 4 Prozentpunkte niedrigeren Wirtschaftswachstum. Die von der neuen Regierung im Juli 2013 vorgestellte Nationale Energiepolitik benennt als erste Priorität die Schließung der Lücke zwischen Stromangebot und -nachfrage (AA 10.2013b).

Die Landwirtschaft Pakistans ist mit einem Beitrag von rund 21 % zum BIP immer noch in vielerlei Hinsicht der wichtigste Sektor der pakistanischen Volkswirtschaft. Über 44 % der arbeitenden Bevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt; knapp 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (u.a. Getreideanbau u. Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit. Der Industriesektor trägt mit 25,4 % zum BIP bei. Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche, die ca. 60 % aller pakistanischen Exportgewinne ausmacht. Der Dienstleistungssektor hat sich zu einem wichtigen Wachstumsfaktor entwickelt, er trägt inzwischen mit ca. 53 % zum BIP bei. Wichtigste Bereiche sind hier v.a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen und der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat (AA 10.2013b). Die Telekommunikations- und die Baubranche haben ihre Expansion fortgesetzt und viele formelle und informelle Arbeitsplätze geschaffen. Diese Expansionen haben zu einem besseren Stellenangebot geführt (IOM 8.2013).

Die Gehaltsstruktur ist sehr unterschiedlich verteilt. In den Städten wie Multan, römisch 40 und Islamabad ist eine ausgeprägte Mittelschicht vorhanden, in den ländlichen Gebieten allerdings weniger. Laut IOM liegt das Einkommen der Mittelklasse bei ca. 20.000-30.000 Rupien (ca. € 152-227) im Monat. Durch die Inflation ist das bei einer Familie mit 2 Kindern gerade genug, um die wichtigsten Bedürfnisse zu befriedigen - im Fall eines eigenen Hauses und ohne private Schule. Muss man Miete zahlen, ist es schwieriger (BAA 6.2013).

Im niedrigen öffentlichen Dienst, als Tagelöhner oder Kleinstangestellter zeichnet sich ein Gehalt von 10.000-20.000 Rupien (ca. € 76-152) im Monat ab. Dies reicht kaum, um über die Runden zu kommen, 80 % der Haushaltsausgaben werden für Lebensmittel aufgewendet. Die geschätzte Arbeitslosigkeit ist gering, aber der Arbeitsmarkt ist durch eine Unterbeschäftigung bzw. Unterbezahlung gekennzeichnet. römisch 40 und Karatschi sind teurer, hier braucht man zwischen 30.000 und 35.000 Rupien (ca. € 227-265) im Monat, allerdings gibt es hier mehr Einkommensmöglichkeiten und ein stärker ausgeprägtes Mietwohnungswesen. Es sind zwar alle "irgendwie beschäftigt", aber die Löhne sind gering und reichen schlecht für das notwendigste Auskommen. In Karatschi, Rawalpindi und römisch 40 haben die Menschen eher ihre eigenen kleinen Geschäfte oder Kleinstunternehmen als eine Arbeitsstelle. In den ländlichen Gegenden ist der Großteil in der Land- oder Viehwirtschaft tätig (BAA 6.2013).

Die Organisation National Rural Support Programme erläutert, dass es aufgrund der großen Bevölkerung sehr viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis gibt, neue gut laufende Trends sind z.B. kleine Schönheitssalons oder Handyreparaturwerkstätten. Die Organisation SEPLAA spricht den Bereichen IT, Energie-Sektor, Training und Unterricht hohes Potential in Pakistan zu. Die Leiterin des Women Entrepreneurial Development Programme führt aus, dass es viele Möglichkeiten am Markt gibt, aber das Problem sei oft, das Individuum mit den Marktanforderungen zu verknüpfen (BAA 6.2013).

Quellen:

http://siteresources.worldbank.org/PAKISTANEXTN/Resources/293051-1298387688762/CPSPRNov21.pdf, Zugriff 2.9.2013

17.1. Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5% des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige. Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6.2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (IOM 8.2013). PBM hat ein Budget von 2 Milliarden Rupien (ca. 15.157.710 €). Es werden unterschiedliche Projekte und Hilfsschemen finanziert, einige Programme für Kinder sowie das Individuelle Finanzielle Unterstützungsprogramm. Das Individuelle-Finanz-Assistenz-Programm richtet sich an besonders bedürftige Personen und setzt sich aus drei Komponenten zusammen. Einerseits kann bedürftigen Antragsstellern eine allgemeine finanzielle Unterstützung bei Armut gewährt werden. Die zweite Komponente des Programms ist eine finanzielle Assistenz zur Förderung von Eigenerwerbsfähigkeit. Dabei wird einer Person finanzielle Unterstützung gewährt, um ein kleines Geschäft zu gründen. Die dritte Möglichkeit der finanziellen Unterstützung wird über die Finanzierung einer medizinischen Behandlung geboten (BAA 6.2013).

Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gibt 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogrammes beträgt ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6.2013).

Die Overseas Pakistanis Foundation (OPF) wurde 1979 im Rahmen des Emigrations Erlasses gegründet. Ihr Ziel ist die Unterstützung der im Ausland lebenden Pakistanis und ihrer in Pakistan gebliebenen Familien. Ihre Angebote umfassen ökonomische Hilfen, medizinische Versorgung und Hilfe (IOM 8.2012). Zielgruppe der OPF sind im Ausland arbeitende Pakistanis und ihre in Pakistan gebliebenen Familien, ein Ziel dabei sind auch Dienstleistungen für zurückkehrende Migranten. Die OPF untersteht dem Ministerium für Auslandspakistanis (OPF o.D.).

Arbeitsvermittlungsbüros von staatlicher Seite gibt es nicht. Es gibt private Arbeitsvermittlungsagenturen (BAA 6.2013).

Zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums wurden durch die Regierung verschiedene Maßnahmen getroffen. Eine Reihe initiierter Projekte soll eine positive Auswirkung auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze haben. Hierzu zählen unter anderem die Verbesserung der physischen Infrastruktur, die Ausweitung des landwirtschaftlichen Potenzials des Landes und die Anwendung neuer Ressourcen zur Bekämpfung der Armut. Das Tameer-e-Pakistan-Programm wurde als Maßnahme zur Verringerung der Armut initiiert und dient dazu, die Einkommensquellen für arme Menschen zu verbessern und Beschäftigungsmöglichkeiten im gesamten Land zu schaffen. Die SME Bank (kleine und mittelständische Unternehmen) wurde am 1. Jänner 2002 mit dem primären Ziel der finanziellen und geschäftlichen Unterstützung von SME gegründet (IOM 8.2013).

Die Aufgabe der Nationalen Kommission zur beruflichen und technischen Bildung ist es, politische Richtlinien für die berufliche und technische Bildung zu erarbeiten und in diesem Bereich regulierend tätig zu sein, damit der nationale und internationale Bedarf an Fachkräften besser gedeckt werden kann. In den folgenden Fachgebieten werden Ausbildungsmaßnahmen angeboten:

Dienstleistungen (Krankenpflege, Tourismus, IT und Telekommunikation); Baugewerbe; Landwirtschaft, Milchproduktion und Viehzucht; Feinmechanik; ähnlich arbeitet der Rat für Berufliche Ausbildung in Punjab (PVTC), der von der Provinzregierung getragen wird. Er bietet nachfrageorientierte Ausbildungen an und ist vor allem um die Vermittlung benachteiligter Jugendlicher bemüht. Die verschiedenen Institute des Rates bieten folgende Ausbildungen an:

Computerreparatur und Wartung, EDV-gestütztes Textildesign, Betriebswirtschaftliche EDV, Reparatur von Mobiltelefonen, Textilverarbeitung, Import / Export Dokumentation, EDV-gestütztes technisches Zeichnen, KFZ-Elektriker, KFZ-Mechaniker, Stickerei, Schneiderei, Kosmetik; Es gibt im privaten Sektor viele NGOs und Institute, die berufliche Aus- und Weiterbildungen anbieten (IOM 8.2013).

Quellen:

17.2. Wohlfahrt-NGOS

Private Einrichtungen wie der Edhi-Trust spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6.2013). Dieser bietet soziale Dienste, wie medizinische Versorgung, Notfallhilfe, Luftrettung, Bestattungen, Versorgung psychisch Kranker, Altenheime, Kinderhilfe, Frauenhäuser und Berufsbildung für benachteiligte Menschen an (IOM 8.2013).

Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung engagiert (IOM 8.2013). Er hat sich die Verbesserung der Situation auf dem Lande lebender Familien zur Aufgabe gemacht hat. Die Programme richten sich an Randgruppen, vor allem an Frauen und Kinder. Das Hauptaugenmerk der Bunyad Programme liegt auf Alphabetisierung und Bildung (IOM 8.2012).

Development, Education, Environment, Poverty Alleviation, & Population Welfare Organization (DEEPP) ist eine im südlichen Punjab aktive NGO, die mit benachteiligten und marginalisierten Menschen arbeitet (IOM 8.2013).

Weitere Bespiele sind: Community Development Network Organization, Jacobabad; District Development Association Tharparkar (DDAT); Social Aid for Education and Development (SAFE), Sukkur; Legal Aid and Welfare Society (LAWS), Peschawar; Sarhad Rural Support Corporation (SRSC), Peschawar; Society for Integrated Development (S.I.R.D.), Quetta; Khawra Development Organization Muzaffarabad (IOM 8.2013).

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Die Einheiten erörtern ihren Bedarf und beschließen ihre eigenen Projekte, Aufgabe von NRSP ist das Lukrieren von Finanzierungsmöglichkeiten. Eine weitere Hauptaufgabe ist der Aufbau der Qualifikationen und des Fachkönnens zur Erwerbstätigkeit. Trainings werden z.B. in den Bereichen Alphabetisierung, allgemeines Management, Finanzen, Nutztierhaltung, Forstwirtschaft, aber auch zur Führung kleinerer Geschäfte abgehalten. Das NRSP vergibt auch über die eigene Bank Mikrokredite mit einen Maximum von 30.000 Rupien (ca. € 227) pro Person. Speziell für arme Familien läuft das Social and Human Protection Programme zur Einkommensgenerierung. (BAA 6.2013).

Quellen:

17.3. Rückkehrhilfe und -projekte

Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen (AA 2.11.2012). Kehren sie in ihren Familienverband zurück, ist ihre Grundversorgung im Rahmen dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gesichert (AA 1.7.2011).

IOM betreibt ein Freiwilliges Rückkehrprogramm für Pakistanis aus Österreich, das Projekt ist für das Jahr 2013 auf 30 Personen konzipiert, elf sind bis zum März bereits zurückgekehrt, darunter auch Familien. Bis auf zwei Personen, die ins Swat-Tal zurückgekehrt sind, kommen alle aus dem Punjab. Es wird eine finanzielle Rückkehrunterstützung sowie eine Reintegrationsunterstützung, u.a. durch berufliche Weiterbildung geboten. Die Situation bei der Rückkehr hängt von der Person und den Umständen sowie der Zeit, die sie außer Landes verbracht hat, ab (BAA 6.2013).

Im Rahmen dieses Projekts werden pakistanische Staatsangehörige, die in Österreich (i) Asylwerber/innen, (ii) asylberechtigt, (iii) subsidiär schutzberechtigt, oder (iv) nicht oder nicht mehr aufenthaltsberechtigt sind, bei ihrer freiwilligen Rückkehr und nachhaltigen Reintegration in ihrem Herkunftsland unterstützt. Die Maßnahmen werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen erarbeitet und sind auf deren individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt.

IOM implementiert folgende Aktivitäten: Finanzielle Unterstützungsleistung; Reintegrationsunterstützung; IOM unterstützt Reintegrationsmaßnahmen durch Sachleistungen bis zu einem Maximalwert von EUR 3.000,-, darunter fallen: Berufsberatung und Arbeitsvermittlung, Berufliche und schulische Aus- und Weiterbildungsangebote, z.B. als Mechaniker/in, Computertechniker/in, Frisör/in, Installateur/in, Elektriker/in, etc.; Unterstützung bei der Neugründung von Kleinbetrieben sowie Geschäftsgründungs- und Managementseminare; Unterstützung beim Ankauf von Werkzeugen und Ausrüstungen; Sonderunterstützung für Projektteilnehmer/innen mit besonderen Bedürfnissen (IOM o.D.).

Die Unterstützung zur Erwerbstätigkeit wird, laut IOM, an die Person angepasst. Bei der Aus- und Weiterbildung für den Arbeitsmarkt wird darauf aufgebaut, welche beruflichen Erfahrungen die Betroffenen mitbringen, und dies mit den Marktanforderungen abgeglichen. Die finanziellen Mittel sind auf kleine Geschäftsgründungen angelegt. Geschäfte, die so eröffnet wurden, sind z.B. kleine Kleider-, Lebensmittel-, Mobiltelefongeschäfte oder Schönheitssalons - diese sind derzeit erfolgreich (BAA 6.2013). IOM in Pakistan führt kontinuierliches Monitoring mit den Projektteilnehmer/innen vor Ort durch (IOM o.D.).

Auch die pakistanische NGO WELDO betreut Rückkehrprogramme. Es gibt unterschiedliche Programme für die freiwillige Rückkehr. Es werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Sie versuchen die Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und vermitteln Arbeitsplätze. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Meist sind jene Migranten nur schlecht ausgebildet. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird geboten. Die meisten Programme enthalten auch finanzielle Leistungen für die Betroffenen. Es gibt verschiedene Programme z.B. für vulnerable Personengruppen, unbegleitete Minderjährige und Menschen, die psychische Hilfe benötigen. WELDO kümmert sich ebenfalls und im gleichen Umfang um zwangsweise Abgeschobene (BAA 6.2013).

Quellen:

18. Medizinische Versorgung

Pakistan verfügte mit Stand 2010 über 975 öffentliche (staatliche) Spitäler des tertiären und sekundären Sektors und insgesamt 13.051 staatliche Grundversorgungseinrichtungen. Laut einem Überblick von 2001 verfügte Pakistan über 73.000 private Einrichtungen - die meisten von diesen Einzelkliniken. Der Non-Profit und private Wohltätigkeitsbereich verzeichnete in einer Erhebung vom Jahr 2005 über 7.000 Betten. Pakistan hat ein Netz von mehr als 62.000 Apotheken, allerdings nur 2.000 qualifizierte Apotheker. Im Jahr 2009 gab es 109 Schulen für Krankenpflege sowie 141 für Hebammen (Lancet 17.5.2013).

In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden (AA 2.11.2012). Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind, laut IOM, in Pakistan behandelbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Organtransplantationen oder Dialysen werden durchgeführt. In sehr seltenen Fällen ist eine Behandlung nicht erhältlich. Doch es gibt Problemstellungen im Gesundheitssystem. Eines der gravierendsten Probleme ist die geringe Dichte an Humanressourcen im Gesundheitsbereich. 121.374 Ärzte sind derzeit, laut einer Lancet Studie, in Pakistan registriert. Daneben gibt es auch Engpässe bei anderem medizinischen Personal (BAA 6.2013). Nach Regierungsangaben kommen auf einen Arzt 1.222, auf einen Zahnarzt 16.854 und auf ein Krankenhausbett 1.701 Einwohner (HRCP 3.2012).

Eine starke Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gebieten verstärkt die Situation, erläutert IOM. In den großen Städten gibt es eine relativ gute medizinische Versorgung. Insgesamt ist, so eine Führungsangestellte des privaten Kulsum Krankenhauses, in den städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser, während sie in den ländlichen Gebieten oft nicht abgedeckt ist. Doch auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede, in den ländlichen Gebieten des Sindh ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen. Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die aufständische Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte, besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen. Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört somit zu einer der höchsten weltweit. So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an (BAA 6.2013).

Die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, ist hoch, erläutert IOM. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gibt es 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern. Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme. Oft fehlen den Primärgesundheitsstationen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser überladen werden mit Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind. Jedoch auch im öffentlichen Bereich gibt es Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds. (BAA 6.2013).

Einige Beispiele für Krankenhäuser ind römisch 40 sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das römisch 40 General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karachi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karachi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karachi. In Gujranwala gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2013). Das "Pakistan Medical and Dental Council" zertifiziert medizinische Einrichtungen. Eine Infektionskontrolle ist vorhanden, diese hat allerdings Schwächen. Ein konsistentes, umfassendes Gesundheitskontrollsystem ist noch nicht eingerichtet (BAA 6.2013).

Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind (AA 2.11.2012). Im Allgemeinen ist eine große Bandbreite an Medikamenten erhältlich. Im privaten Sektor ist alles erhältlich an Medikamenten. Es traten in der Vergangenheit Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurden 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde und ein entsprechendes Gesetz eingerichtet. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft, so eine Gesprächspartnerin des Kulsum Krankenhauses (BAA 6.2013).

70 % der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6.2013).

Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6.2013; vergleiche auch AA 2.11.2012). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der Stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6.2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z.B. Organtransplantationen) zu (AA 2.11.2012).

Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6.2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten:

Psychosoziale Unterstützung, Medizinische Notversorgung, Familienplanung, Kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2013).

IOM nennt das von Imran Khan gegründete Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in römisch 40 als Beispiel, welches führend auf dem Gebiet der Krebsbehandlung ist und gleichzeitig über ein System der Gratisversorgung bei Bedürftigkeit verfügt. Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6.2013).

Die Edhi Foundation unterhält 335 Gesundheitszentren in ganz Pakistan mit 24 Stunden Service und 1.800 Ambulanzfahrzeuge sowie 250 Notfallambulanzen, 28 Rettungsbooten, 30 Apotheken, kostenlose Kliniken und Diagnosezentren in Karatschi und Hyderabad, zwei Geburtskliniken in Karatschi, ein Diabetes-Zentrum in Karatschi, Laboratorien in Karatschi und Hyderabad, zwei Krankenpflege-Ausbildungszentren in Karatschi, Rehabilitationszentren für Drogenkranke in Karatschi und einen Luftrettungsdienst. Sie verteilt auch notwenige medizinische Behelfe wie Rollstühle, Patientenbetten, Sauerstoffflaschen u.a. Die Einrichtungen der Edhi Foundation richten sich an Bedürftige und sind kostenlos (BAA 6.2013). Zentren der Edhi Foundation, der größten Wohlfahrtstiftung Pakistans werden sowohl in Großstädten als auch in entlegenen Gebieten unterhalten (IOM 8.2013).

Quellen:

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf, Zugriff 2.9.2013

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 14.10.2013

http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)60019-7, Zugriff 11.9.2013

19. Behandlung nach Rückkehr und Dokumente

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Griechenland und Großbritannien, werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 2.11.2012).

Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card - PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Die zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden (IOM 8.2013).

Pakistan Origin Card (POC): Eine Person kann eine POC erhalten, wenn sie ausländischer Staatsbürger ist und zu einem Zeitpunkt des Lebens ein Staatsbürger Pakistans gewesen ist. National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP: Die NADRA-Behörde stellt dieses Papier pakistanischen Arbeitern/Emigranten und Bürgern im Ausland aus, sowie Pakistanis, die die doppelte Staatsbürgerschaft haben und bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Die NICOP und auch die POC kann wenn nötig auch anstelle der National Identity Card verwendet werden (IOM 8.2013).

Children Registration Certificate: Die NADRA-Behörde sieht vor, für jedes Kind unter 18 Jahren ein solches Meldezertifikat auszustellen. Das Zertifikat enthält Informationen wie Name, Meldenummer, Namen der Eltern und Nummer ihrer computerisierten Nationalen Ausweise, Geburtsdatum, Geburtsort und Geschlecht (IOM 8.2013).

Quellen:

römisch II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF in seinem Heimatland Pakistan eine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Pakistan der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre.

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Abschiebung des BF nach Pakistan zulässig und möglich ist.

b. 2. Beweiswürdigung:

römisch II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

römisch II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Originallichtbildausweises bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des BF als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd Paragraph 38, AVG bedeutet.

Anzuführen ist, dass es dem BF aufgrund seiner Staatsangehörigkeit möglich gewesen wäre, seine Identität bei entsprechender Mitwirkung im Verfahren zu bescheinigen.

Der Umstand, dass die Identität bis dato nicht festgestellt werden konnte ist letztlich auf die mangelnde Mitwirkung des BF an der Identitätsfeststellung zurückzuführen und sind alle daran anknüpfenden Konsequenzen daher vom BF zu vertreten.

römisch II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten -immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen -allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werdenaufzuzeigen vergleiche Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vergleiche etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).

Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen, welche in den Länderfeststellungen getroffen wurden, nicht konkret und substantiiert entgegen. Soweit der BF mit seiner Beschwerde 2 ACCORD-Anfragebeantwortungen vorlegt, betrifft eine davon Gewalttätigkeiten zwischen PML-N und PML-Q Mitgliedern und die andere die Lage der Schiiten in Pakistan. Die erstgenannte steht in keinem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit dem (variablen) Vorbringen des BF. Auch die zweitgenannte vermag das Vorbringen des BF nicht zu stützen, da das Bundesverwaltungsgericht die erstmals in der Beschwerde des BF behauptete Konversion, auf die im Rahmen der Beweiswürdigung noch näher eingegangen wird, für vollkommen unglaubwürdig hält.

römisch II.2.4.1. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Paragraph 45, AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten --z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461)- zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

Weiter ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach Paragraph 7, AsylG [numehr: Paragraph 3, AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen vergleiche zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

römisch II.2.4.2. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn diese anführt, dass das erstinstanzliche Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen nicht glaubhaft war.

römisch II.2.5. In Ergänzung zu den Ausführungen der belangen Behörde wird seitens des erkennenden Gerichts Folgendes erwogen:

römisch II.2.5.1. Der BF versuchte offenbar von der Erstbefragung an, seine Identität zu verschleiern, indem er keine Identitätsdokumente vorgelegt hat. Bei der Erstbefragung gab er an, dass er zwar einen pakistanischen Reisepass besitze, sein Vater habe ihm aber "verboten", diesen mitzunehmen. Beim BFA behauptete er hingegen, er habe keine Dokumente. Der BF hat es - trotz mehrfacher Belehrung über seine Mitwirkungspflichten - bis heute unterlassen, sich seinen Reisepass oder Beweismittel schicken zu lassen. Wenn er in seiner Beschwerde behauptet, das sei nicht möglich, weil er keinen Kontakt zu seiner Familie habe, widerspricht das seinen Angaben gegenüber dem BFA, wo er behauptete, regelmäßig Kontakt zur Familie zu haben und es gehe allen gut.

Auch zu seinem schulischen Werdegang hat der BF offensichtlich gelogen: So gab er bei der Erstbefragung an, er habe die Grundschule und eine Koranschule besucht sowie maturiert und eine Wirtschaftslehre gemacht. Beim BFA behauptete er völlig konträr, er sei nicht einmal in die Grundschule gegangen.

Ebenso widersprüchlich waren die Angaben des BF zu seiner Religion:

Bei der Erstbefragung gab er an Moslem, Sunnit zu sein. Beim BFA behauptete er auf die Frage, welcher Religion er angehöre, dass er 2 Tage vor seiner Ausreise Schiit werden wollte. Gefragt, was der Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten sei und was ihn zu diesem Entschluss bewogen habe, antwortete der BF ausweichend und in offensichtlicher Unkenntnis der Unterschiede: "Ich glaube, es gibt keinen Unterschied." Nachgefragt, was ihn denn nun zu diesem Entschluss bewogen habe, schwieg der BF. Neuerlich widersprüchlich zum bisherigen Vorbringen, behauptete der BF in seiner Beschwerde plötzlich, dass er sich im Dezember 2014 in einer Moschee durch einen Mullah den Schiiten angeschlossen habe und seither gläubiger Schiit sei. Aufgrund dieser grob widersprüchlichen Angaben und der Unwissenheit des BF über die beiden Glaubensrichtungen hält das Bundesverwaltungsgericht diesen auch für vollkommen unglaubwürdig.

Zu seinem eigentlichen Fluchtgrund hat sich der BF bereits bei den Eckpfeilern seiner Geschichte in derart grobe Widersprüche und Unplausibilitäten verwickelt, sodass auch diesbezüglich von seiner gänzlichen Unglaubwürdigkeit auszugehen ist. Beispielsweise gab er bei der Erstbefragung an, der Vater sei Politiker gewesen und habe in der Botschaft gearbeitet. Er habe Sunniten und Schiiten geholfen. Beim BFA gab er bereits abgewandelt an, der Vater sei Vorstand des Gemeinderates von römisch 40 gewesen. Allerdings konnte oder wollte er sich hinsichtlich der Parteizugehörigkeit des Vaters nicht festlegen: gefragt, welcher Partei der Vater angehöre, gab der BF zunächst an, dass es vielleicht die PPP sei, ohne allerdings erklären zu können, was PPP überhaupt heißt. Auf die entsprechende Frage gab er vielmehr an: "Das war aber 1999." Als nachgefragt wurde, welcher Partei der Vater 2005/2006 angehörte, gab der BF an:

"Bei der PPP und bei der ML-Q." Über neuerliche Nachfrage, bei wem der Vater 2005 gewesen sei, nannte der BF die ML-Q. In seiner Beschwerde gab der BF wiederum völlig widersprüchlich an, der Vater sei zunächst bei der PPP gewesen, als die ML-Q 1999 an die Macht gekommen sei, sei er dieser beigetreten. 2007 sei die PPP wieder an die Macht gekommen und der Vater habe sich aus der Politik zurückgezogen.

Auch etwaige Verfolgungshandlungen schilderte der BF nicht übereinstimmend bzw. steigerte er sein diesbezügliches Vorbringen laufend, allerdings ohne Einzelheiten, wie genaue Abläufe, konkrete Daten, Orte, beteiligte Personen zu nennen. Beispielsweise sprach er bei der Erstbefragung lediglich davon, dass er und sein Vater 2006 von den Sunniten misshandelt worden seien. Außerdem erwähnte er noch Drohungen und Morddrohungen. Entführungen erwähnte er mit keinem Wort. Gegenüber dem BFA behauptete er hingegen, er sei Anfang 2006 von einer sunnitischen extremistischen Gruppe entführt worden. Im Juni 2013 sei er von derselben Gruppe neuerlich entführt worden. Neuerlich widersprüchlich führte er in der Beschwerde aus, die erste Entführung sei Ende 2005 gewesen und die 2. am 1.6.2014. Wiederum völlig widersprüchlich behauptete er in der Beschwerde, dass er beim

1. Mal von Wahabiten und beim 2. Mal von Mitgliedern der PML entführt worden sei.

Folgt man den vom BF gegenüber dem BFA getätigten Angaben, ist in diesem Zusammenhang auch völlig unplausibel, dass die angeblichen Gegner Jahre verstreichen ließen, bevor sie den BF ein 2. Mal entführten und dieser die ganze Zeit offenbar völlig unbehelligt zu Hause leben konnte. Hätten die angeblichen Verfolger tatsächlich Interesse daran gehabt, die Aktivitäten des BF zu stoppen, hätten sie über derart viele Jahre hinweg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Mittel und Wege dazu gefunden, zumal der BF immer zu Hause greifbar war und es sich bei der Gruppe laut BF um Extremisten gehandelt haben soll. Es ist auch in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb der BF 2 Mal entführt, jedes Mal aber wieder freigelassen wurde. Lösegeldzahlungen hat er jedenfalls auch mit keinem Wort erwähnt.

Soweit sich der BF in seiner Beschwerde auf Verständigungsprobleme bzw. Ungenauigkeiten bei seiner Einvernahme beruft, sind diese für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar: Dem BF wurde die mit ihm aufgenommene Niederschrift rückübersetzt, er hat angegeben, den Dolmetscher einwandfrei verstanden zu haben und die Niederschrift auch unterfertigt. Die diesbezüglichen Beschwerdeangaben stellen offensichtlich nur den (untauglichen) Versuch dar, die zahlreichen Widersprüche in den Angaben des BF jemand anderem in die Schuhe zu schieben.

Wenn in der Beschwerde gerügt wird, dass der Bescheid bereits wenige Tage nach der Einvernahme erlassen wurde und in dieser kurzen Zeit ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung nicht möglich seien, kann das Bundesverwaltungsgericht dieser Kritik nicht folgen: Ein weitergehendes Ermittlungsverfahren erwies sich aufgrund der grobwidersprüchlichen, allgemeinen und unplausiblen Angaben des BF für nicht erforderlich. Zudem ist nicht erkennbar, weshalb in ein paar Tagen keine ordentliche Beweiswürdigung möglich sein sollte. Außerdem sind zeitnahe Entscheidungen und rasch abgewickelte Asylverfahren - schon aus Kostengründen, aber auch im Interesse der Beteiligten auf rasche Klarheit - durchaus auch aus der Sicht der erkennenden Richterin begrüßenswert.

römisch II.2.5.2. Zusammenfassend ist zum Vorbringen des BF auszuführen, dass das erkennende Gericht zur Überzeugung gelangte, dass in den Angaben des BF glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren.

Das BVwG gewann vielmehr den Eindruck, dass der BF lediglich aus wirtschaftlichen bzw. privaten Gründen nach Österreich reiste.

Unter Heranziehung dieses Sachverhaltes und der offensichtlich missbräuchlichen Asylantragstellung im Zusammenhang mit der allgemein gehaltenen, widersprüchlichen und teilweise nicht nachvollziehbaren Begründung des Antrages auf internationalen Schutz ist daher davon auszugehen, dass das Vorbringen des BF nicht den Tatsachen entspricht und lediglich zur Begründung des Asylantrages und unter Umgehung der fremdenrechtlichen sowie niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zur Erreichung - wenn nicht sogar zur absichtlichen Erschleichung - eines Aufenthaltstitels für Österreich nach dem Asylgesetz frei konstruiert wurde.

Dazu ist grundsätzlich in diesem Zusammenhang auszuführen, dass etwaige wirtschaftliche oder private Schwierigkeiten objektiv nicht dazu geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zu begründen. Der bloße Wunsch in Österreich ein besseres Leben aufgrund eines erhofften leichteren Zugangs zum Arbeitsmarkt zu haben, vermag die Gewährung von Asyl jedenfalls nicht zu rechtfertigen.

römisch II.2.5.3. Selbst für den Fall der hypothetischen Wahrunterstellung der Angaben des BF liegt kein asylrelevanter Sachverhalt vor:

Der BF hat eine Verfolgung durch nichtstaatliche Organe, nämlich durch religiöse Fundamentalisten bzw. Mitglieder einer Partei geltend gemacht. Eine Verfolgung von Seiten Dritter (nichtstaatliche Verfolgung) ist jedoch nur dann als asylrelevant anzusehen, wenn es dem BF aufgrund mangelnder bzw. nicht vorhandener Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates weder möglich noch zumutbar ist, sich zur Abwehr der Verfolgung unter den Schutz ihres Heimatstaates zu stellen.

Vorliegend sind den Länderfeststellungen und auch dem Vorbringen des BF, welcher sich nicht einmal an die Polizei wandte, keine konkreten Hinweise zu entnehmen, dass keine ausreichenden Schutzmechanismen der zuständigen staatlichen Behörden vorhanden wären, um den Eintritt eines von ihm für möglich gehaltenen Erfolges mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten zu lassen. Der BF hatte nicht einmal versucht, sich an die Behörden zu wenden und kann daher eine generelle Schutzunfähigkeit bzw. -unwilligkeit der pakistanischen Behörden nicht angenommen werden.

Aus der Behauptung des BF dahingehend, die pakistanischen Sicherheitsbehörden würden sich um derartige Vorkommnisse nicht kümmern bzw. sowieso nichts machen, kann keineswegs abgeleitet werden, dass es von vornherein klar war, dass die staatlichen Stellen seines Herkunftsstaates vor Verfolgung nicht schützen können oder wollen und kann somit nicht von mangelnder Schutzfähigkeit oder Schutzwilligkeit ausgegangen werden. Vielmehr wäre es im Verhalten des BF gelegen, sich entsprechend zu informieren und sich an staatliche Hilfe bzw. einen Ombudsmann oder eine der zahlreichen NGO¿s zu wenden, was von ihm jedoch nicht einmal ansatzweise versucht wurde. Insbesondere hat er es unterlassen, die die behaupteten Übergriffe anzuzeigen und kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ihm im Falle einer Anzeigenerstattung Schutz verweigert worden wäre oder dass die Behörden konkret in seinem Fall untätig geblieben wären.

Die vom BF geschilderten Übergriffe stellen amtswegig zu verfolgenden strafbare Handlungen dar. In Anbetracht dessen kann daher von einer ausreichenden Schutzfähigkeit und -willigkeit des pakistanischen Staates ausgegangen werden.

römisch II.2.5.3. Im Lichte der unterlassenen Vorlage unbedenklicher Bescheinigungsmittel sind abseits der nationalen Rechtsprechung dazu auch die europarechtlichen Vorgaben von Bedeutung. So normiert die - nicht direkt anwendbare - Statusrichtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 als Ausfluss der Staatenpraxis in deren Artikel 4 Absatz 1 und 5 Folgendes: "Wenden die Mitgliedstaaten den in Absatz 1 Satz 1 genannten Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;

b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;

e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."

Wendet man im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung diese sekundärrechtliche Norm auf das gegenständliche Verfahren an, so führt auch dies nicht zum Verzicht auf die Beischaffung von Bescheinigungsmitteln seitens des BF, zumal nicht festgestellt werden kann, dass sich der Antragsteller offenkundig bemühte seinen Antrag in Bezug auf die bestehenden Verfolgungshandlungen zu substantiieren, viel mehr war offensichtlich gegenteiliges der Fall. Weiter konnte die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers im Verfahren im oa. Ausmaß nicht festgestellt werden. Keinesfalls konnte festgestellt werden, dass die Aussagen des Antragstellers zur aktuellen Verfolgungssituation kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen.

Im gegenständlichen Fall ist daher festzustellen, dass dem BF auch aus europarechtlicher Sicht die Glaubhaftmachung des behauptetermaßen ausreisekausalen Sachverhaltes nicht gelang, zumal nicht festgestellt werden konnte, dass die Aussagen des BF kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen und er aufgrund der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens auch den geforderten Nachweis nicht erbrachte (das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation der entsprechenden asylrechtlichen Bestimmungen entspricht auch dem Gesetzgeber, vergleiche Wortlaut der Regierungsvorlage zum AsylG 2005: "...Mit dem vorgeschlagenen Entwurf

werden folgende Richtlinien umgesetzt ... : Richtlinie 2004/83/EG

des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 304 vom 30.09.2004 Sitzung 12, CELEX Nr. 32004L0083; ...")

römisch II.2.5.4. Sofern in der Beschwerde seitens des BF moniert wird, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft sei, wird festgestellt, dass nach Ansicht des ho. Gerichts die belangte Behörde ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Dem BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung der belangten Behörde dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufgekommen wären. Vom BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch die belangte Behörde ausgeht. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen des BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.

c. 3. Rechtliche Beurteilung:

römisch II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß Paragraph 6, des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 10 aus 2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 144 aus 2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. Paragraphen 16, Absatz 6,, 18 Absatz 7, BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.

i. Zu A)

römisch II.3.2. Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten

römisch II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 3, AsylG lauten:

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) ...

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1.-dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder

2.-der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat.

..."

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (Paragraph 4, AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (Paragraph 4 a, AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (Paragraph 5, AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.

Flüchtling im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

römisch II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt vergleiche VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die vom BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Auch kann im Rahmen einer Prognoseentscheidung vergleiche Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass der BF nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren Gefahr von Übergriffen zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Rein hypothetisch betrachtet und ohne hierdurch den behaupteten ausreiskausalen Sachverhalt als glaubwürdig werten zu wollen, wäre es dem BF möglich und zumutbar, sich im Falle der behaupteten Bedrohungen an die Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates zu wenden, welche willens und fähig wären, ihm Schutz zu gewähren.

Auch wenn ein solcher Schutz (so wie in keinem Staat auf der Erde) nicht lückenlos möglich ist, stellen die vom BF geschilderten Übergriffe in seinem Herkunftsstaat offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und andererseits existieren im Herkunftsstaat des BF Behörden, welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben vergleiche hierzu auch die Ausführungen des VwGH im Erk. vom 8.6.2000, Zahl 2000/20/0141 zu den Voraussetzungen der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des [in diesem Erkenntnis] türkischen Staates; Im soeben zitierten Erk. führte der weiter aus:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem die Gewährung von Asyl an einen algerischen Staatsangehörigen betreffenden Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0256, ausgesprochen, dass mangelnde Schutzfähigkeit des Staates nicht bedeute, dass der Staat nicht mehr in der Lage sei, seine Bürger gegen jedwede Art von Übergriffen durch Dritte präventiv zu schützen, sondern dass mangelnde Schutzfähigkeit erst dann vorliege, wenn eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung "infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt" nicht abgewendet werden könne (wobei auf die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0037, und vom 6. Oktober 1999, Zl. 98/01/0311, Bezug genommen wird). Dies sei dann der Fall, wenn für einen von dritter Seite Verfolgten trotz des staatlichen Schutzes der Eintritt eines - entsprechende Intensität erreichenden - Nachteiles mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.

Die belangte Behörde leitete aus dem Umstand, dass der türkische Staat bereits die Androhung einer schweren und rechtswidrigen Schadenszufügung strafgerichtlich verpöne, jedenfalls aber eine mit dem Motiv der Blutrache begangene Tötung mit der [Anm: nunmehr in der Türkei nicht mehr angewandten] Todesstrafe bedrohe, die nicht unschlüssige Folgerung ab, dass der türkische Staat gewillt sei, den erforderlichen Schutz zu gewähren. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der türkische Staat sowohl den Willen als auch die Fähigkeit, den Beschwerdeführer vor den Gefahren einer befürchteten Blutrache ausreichend zu schützen. Die Beschwerde hält dem Argument, der Beschwerdeführer hätte bei staatlichen Stellen Schutz vor Verfolgung finden können, lediglich entgegen, dass ein einmal gegebenes Versprechen, für eine getötete, nahe stehende Person Blutrache zu verüben, nicht einfach wieder zurückgenommen werden könne. Das Versprechen, Blutrache zu üben, binde - nach islamischer Weltanschauung - jene Person, die das Versprechen abgegeben habe, und keine wie auch immer geartete Strafdrohung könne eine die Vollziehung der Blutrache versprechende Person von der Ausübung ihrer nunmehrigen "Pflicht" abschrecken. Der Vollzug der versprochenen Blutrache werde zur Lebensaufgabe des Versprechenden. Es erscheine nicht möglich, sich unter den Schutz des türkischen Staates zu stellen, weil der Beschwerdeführer rund um die Uhr bis zu seinem Lebensende vom türkischen Staat beschützt werden müsste. Der türkische Staat habe weder die finanziellen Mitteln noch ein Interesse an einem solchen Personenschutz.

... Die belangte Behörde hat ...klar zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer ausreichenden Schutzgewährung durch den türkischen Staat ausgehe und sie hat den Beschwerdeführer erfolglos aufgefordert, Beweismittel vorzulegen, die diese Annahme erschüttern könnten .... Staatliche Schutzgewährung ist umso eher zu erwarten, als es sich bei den mutmaßlichen Verfolgern um verhältnismäßig leicht auszuforschende Verwandte des vom Beschwerdeführer widerrechtlich Getöteten handeln würde. Der Beschwerdeführer hat überdies nicht einmal den Versuch unternommen, etwa durch Anzeige im Sinne des Artikel 191, des türkischen Strafgesetzbuches staatlichen Schutz vor möglicher Blutrache in Anspruch zu nehmen. Es ist auch nicht offenkundig, dass der Beschwerdeführer der von ihm behaupteten Gefahr in der gesamten Türkei ausgesetzt wäre und ihm daher keine Möglichkeit offen stünde, innerhalb seines Heimatstaates einen sicheren Aufenthaltsort zu finden.")."

Die bloße Möglichkeit, dass staatlicher Schutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, vermag eine gegenteilige Feststellung nicht zu begründen, solange nicht von der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Nichtgewährung staatlichen Schutzes auszugehen ist vergleiche hierzu die im Erkenntnis noch zu treffenden Ausführungen zum Wahrscheinlichkeitskalkül).

Unter richtlinienkonformer Interpretation ( Artikel 6, der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004) kann eine Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden von nichtstaatlichen Akteuren (nur) dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Artikel 7, leg cit zu bieten (das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation der entsprechenden asylrechtlichen Bestimmungen entspricht auch dem Gesetzgeber vergleiche Wortlaut der Regierungsvorlage zum AsylG 2005: "...Mit dem

vorgeschlagenen Entwurf werden folgende Richtlinien umgesetzt ... :

Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 304 vom 30.09.2004 Sitzung 12, CELEX Nr. 32004L0083; ...".

Nach der Rsp des VwGH ist für die Annahme einer Tatsache als "erwiesen" vergleiche Paragraph 45, Absatz 2, AVG) allerdings keine "absolute Sicherheit" (kein Nachweis "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" erforderlich (VwGH 20.9.1990, 86/07/0091; 26.4.1995, 94/07/0033; 20.12.1996, 93/02/0177), sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht 2004, 168f: an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.4.1995, 94/07/0033; 19.11.2003, 2000/04/0175; vergleiche auch VwSlg 6557 F/1990; VwGH 24.3.1994, 92/16/0142; 17.2.1999, 97/14/0059; in Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, 2. Teilband, Rz 2 zu Paragraph 45,).

In Bezug auf diese Umstände - nämlich, dass der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "nicht in der Lage" oder "nicht willens" sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Artikel 7, leg cit zu bieten - besteht für den Beschwerdeführer somit ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde. Die (bloße) Glaubhaftmachung ist gem. Artikel 6, der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004 demnach als Beweismaß dafür nicht ausreichend. Es muss "erwiesen" werden. Gelingt dies nicht, ist davon auszugehen, dass sie dazu sowohl in der Lage als auch willens sind, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat. Diesfalls gilt gem. Artikel 7, Absatz 2, leg cit, dass "generell Schutz gewährleistet ist".

Im gegenständlichen Fall hat der BF weder behauptet noch bescheinigt, dass das geschilderte Verhalten jener Personen, die gegen ihn vorgingen, in seinem Herkunftsstaat nicht pönalisiert wäre oder die Polizei oder auch andere für den Rechtsschutz eingerichtete Institutionen grundsätzlich nicht einschreiten würden, um einen Schaden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit abzuwenden. Darauf weisen auch die den Feststellungen der belangten Behörde bzw. des erkennenden Gerichts zu Grunde liegenden Quellen nicht hin, wenngleich die Berichte zu erkennen geben, dass durchaus auch noch Defizite bestehen, ergibt sich weiters aus den von der belangten Behörde bzw. vom erkennenden Gericht herangezogenen Quellen, dass im Herkunftsstaat des BF kein genereller Unwille bzw. die Unfähigkeit der Behörden herrscht, Schutz zu gewähren.

Der BF bescheinigte im Rahmen der Ausführungen zur Schutzfähigkeit nicht konkret und substantiiert den Unwillen und die Unfähigkeit des Staates, gerade in seinem Fall Schutz zu gewähren. Es kann dem Vorbringen auch nicht entnommen werden, dass er keinen Zugang zu den Schutzmechanismen hätte, bzw. dass gerade in seinem Fall ein qualifizierter Sachverhalt vorliege, der es als "erwiesen" erscheinen lässt, dass die im Herkunftssaat vorhandenen Behörden gerade im Fall des BF untätig blieben. Im Verfahren kam auch nicht konkret hervor, dass der Staat selbst der Verfolger wäre.

Im Ergebnis hat der BF letztlich im Verfahren kein derartiges Vorbringen konkret und substantiiert erstattet, welches hinreichende Zweifel am Vorhandensein oder an der Effektivität der Schutzmechanismen - dies wurde unbescheinigt und unsubstantiiert nicht glaubhaft gemacht vergleiche EGMR, Fall H.L.R. gegen Frankreich) noch kann dies als erweislich angesehen werden - verursacht hätte.

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

römisch II.3.3. Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

römisch II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 8, AsylG lauten:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.-der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.-...

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung

nach Paragraph 3, ... zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.

..."

Bereits Paragraph 8, AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Artikel 2, EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Artikel 3, EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Artikel eins, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Artikel 3, EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Artikel 3, EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden vergleiche etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Artikel 3, EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Artikel 3, EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt vergleiche Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Artikel 3, EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Artikel 3, EMRK führen vergleiche für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, Sitzung 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus vergleiche EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: römisch zehn u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, Sitzung 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle vergleiche VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] Paragraph 8, Absatz eins, AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre vergleiche VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

römisch II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtssprechung folgende Überlegungen angestellt:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des BF (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es liegen aber keine Hinweise vor, dass der BF eine mit dieser Strafe verbundene Tat begangen hätte) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in einigen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Aus der vorgelegten Überweisung zum Augenarzt ergeben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung.

Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiter festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen jungen, mobilen, gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

Auch steht es dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das -wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Ebenso kam hervor, dass der BF im Herkunftsstaat zumindest noch über soziale Anknüpfungspunkte und jedenfalls eine Wohngelegenheit bei seiner Familie verfügt. Im Herkunftsstaat leben Eltern und 6 Geschwister des BF.

Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

römisch II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

römisch II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen:

§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer

Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Ziffer eins bis 5 kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des Paragraph 58, Absatz 9, Ziffer eins bis 3 vorliegt."

§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Absatz eins a, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz eins, Ziffer 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Absatz 3 und Paragraph 73, AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Absatz eins, Ziffer 2, ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Absatz eins, Ziffer 3, ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

Paragraph 9, BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraphen 52, Absatz 4, in Verbindung mit 53 Absatz eins a, FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß Paragraph 10, Absatz eins, des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), Bundesgesetzblatt Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraphen 52, Absatz 4, in Verbindung mit 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 4, FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß Paragraph 53, Absatz 3, FPG vorliegen. Paragraph 73, Strafgesetzbuch (StGB), Bundesgesetzblatt Nr. 60 aus 1974, gilt."

§ 55 AsylG 2005, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK:

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels

gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Paragraph 73, AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß Paragraphen 55, oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Absatz 3,) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Absatz 11, gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß Paragraphen 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; Paragraph 13, Absatz 3, AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Absatz 11, gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß Paragraph 95, FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß Paragraph 24, FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß Paragraph 55, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Artikel 8, EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß Paragraphen 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Absatz 4,) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß Paragraphen 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 56, hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß Paragraph 56, eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 56, wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des Paragraph 56, Absatz eins, Ziffer eins,, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben."

Paragraph 52, FPG, Rückkehrentscheidung:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

3. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

4. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

5. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

6. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß Paragraph 60, AsylG 2005 oder Paragraph 11, Absatz eins und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins,, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins,, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (Paragraph 11, Absatz eins und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß Paragraph 24, NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß Paragraph 53, Absatz 3, die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Absatz eins, zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Absatz eins, ist abzusehen, wenn ein Fall des Paragraph 45, Absatz eins, vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des Paragraph 16, Absatz 4, BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist Paragraph 28, Absatz 2, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013, auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, kann auch über andere als in Absatz 9, festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich

eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. Paragraph 37, AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß Paragraph 18, Absatz 2, BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Absatz eins, ist mit Mandatsbescheid (Paragraph 57, AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

Artikel 8, EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

römisch II.3.4.2. Der gegenständliche, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargelegt.

Gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

römisch II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Artikel 8, Absatz eins, EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

römisch II.3.4.4. Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner ihm nahe stehenden Person zusammen. Er möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit nicht einmal 4 Monaten im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Er hat bislang keinen Deutschkurs besucht. Er ist strafrechtlich unbescholten und weder bei einem Verein oder einer Organisation Mitglied. Der BF hat in Österreich weder Freunde noch Bekannte.

Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, sondern allenfalls einen solchen in das Privatleben.

römisch II.3.4.5. Gem. Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK und ist der Eingriff in Paragraph 10, AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatleben des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Artikel 8, EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Artikel 8, (2) EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in der Form des AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt 29 aus 2009, entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien im Rahmen der Interessensabwägung gem. Artikel 8, Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vergleiche auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124),

Auch

Ebenso bereits vor Inkrafttreten des durch Bundesgesetzblatt Teil eins, 38 aus 2011, in Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer 2, AsylG eingefügten Litera i,, welcher der nunmehrigen Bestimmung des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 9, BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, Sitzung 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Artikel 8, EMRK durch die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten der beschwerdeführenden Partei ergibt vergleiche hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

römisch II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

Der BF ist seit nicht einmal 4 Monaten in Österreich aufhältig. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnte seinen Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätte er diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wäre er rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.

Der BF verfügt über keine familiären und die bereits beschriebenen privaten Anknüpfungspunkte

Der BF begründete sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt des BF zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privatlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.

Letztlich ist auch festzuhalten, dass der BF nicht gezwungen ist, nach einer Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihm frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten vergleiche Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK", ÖJZ 2007/74 mwN).

Der BF ist -in Bezug auf sein Lebensalter- erst einen sehr kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, hat hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und war im Asylverfahren nicht in der Lage, seinen Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen.

Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass der BF selbsterhaltungsfähig wäre bzw. ernsthafte Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen hätte.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die -hier bei weitem nicht vorhandenen-Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Der BF verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens in Pakistan, wurde dort sozialisiert, gehört der dortigen Mehrheits- und Titularethnie an, bekennt sich zum dortigen Mehrheitsglauben und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Pakistan Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises des Beschwerdeführers existieren, da nichts darauf hindeutet, dass der BF vor seiner Ausreise im Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Der BF reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.

Dem BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass dem BF die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass er in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätte.

Ein derartiges Verschulden kann aus der Aktenlage nicht entnommen werden.

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Artikel 8, (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Absatz 2, EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine (damals) Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst vergleiche Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gem. Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Absatz 2, leg. cit. genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich -abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für eine bP grundsätzlich nicht mehr möglich, ihren Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem BF gem. Paragraph 21, (2) und (3) NAG die Legalisierung des Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung bedarf.

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der BF somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der (damals) Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Artikel 8, (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Der Rechtsprechung des EGMR folgend vergleiche aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisung- bzw. Rückkehrentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen vergleiche dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vergleiche dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Praxis hinsichtlich Rückkehrentscheidungen der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war vergleiche Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

Wenn man - wie die Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Artikel 8, EMRK bewirkt.

Der GH führte weiter -wiederum auf seine Vorjudikatur verweisendaus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als "fait accompli" mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer getroffen, weil es der Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall Erstbeschwerdeführerin trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.

Weiter wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Artikel 8, EMRK entstanden ist.

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

römisch II.3.4.7. Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der vom BF in seinem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnisse mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde vergleiche hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht erkennbar. Der BF hält sich im Vergleich mit seinem Lebensalter erst einen sehr kurzen Zeitraum in Österreich auf und ist eine gesellschaftliche, sprachliche oder berufliche Integration im beachtlichen Ausmaß ist nicht erkennbar. .

Der BF hat den Großteil des Lebens in Pakistan verbracht und wurde dort sozialisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen Beziehungen zum Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zu Pakistan eine - wenn überhaupt vorhandene - Integration in Österreich bei weitem überwiegen.

Insbesondere aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer des BF in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten, dauernden Integration hervorgekommen, dass allein aus diesem Grunde die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären gewesen wäre.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

römisch II.3.4.8. Die belangte Behörde ist des Weiteren auch nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände des BF zu Recht davon ausgegangen, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen ist. Es liegt im gegenständlichen Fall schon die Voraussetzung des Paragraph 55, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG (Aufrechterhaltung eines Privat- und Familienleben iSd Artikel 8, EMRK) nicht vor.

römisch II.3.4.9. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß Paragraph 52, Absatz 9, in Verbindung mit Paragraph 50, FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.

römisch II.3.4.10. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht Paragraph 55, Absatz 2, erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerdeschrift getroffen.

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

römisch II.3.4.11. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Durchführung der mündlichen Beschwerdeverhandlung in Abwesenheit des BF:

Versäumt derjenige, über dessen Ersuchen das Verfahren eingeleitet wurde, die Verhandlung, so kann diese gem. Paragraph 42, Absatz 4, AVG entweder in seiner Abwesenheit durchgeführt oder auf seine Kosten auf einen anderen Termin verlegt werden.

Ob die Verhandlung in Abwesenheit durchgeführt wird, ist einerseits unter Bedachtnahme auf den Grundsatz des Parteiengehörs und andererseits mit Rücksicht auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit und Kostenersparnis nach Ermessen zu entscheiden.

Im ggst. Fall wurde der BF ordnungsgemäß durch Hinterlegung zur mündlichen Verhandlung an seiner Meldeadresse geladen. Das Schriftstück wurde vom BF nicht behoben, zur Verhandlung ist er somit unentschuldigt nicht erschienen. Da keine Umstände vorliegen, die dem BF im Rahmen des Parteiengehörs noch zur Kenntnis zu bringen gewesen wären, der Sachverhalt aus der Aktenlage in Zusammenhalt mit der Beschwerde als geklärt anzusehen war und ein rascher Abschluss des Asylverfahrens zweckmäßig und kostensparend ist, war die Verhandlung in Abwesenheit des BF durchzuführen.

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den diesem Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Artikel 8, EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2015:L519.2105985.1.00