Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

28.05.2015

Geschäftszahl

L512 1417518-1

Spruch

Schriftliche Ausfertigung des am 18.05.2015 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. der islamischen Republik Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.01.2010, Zl. 10 06.556-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.05.2015 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraphen 3 und 8 Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005, BGBl römisch eins 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.

Gemäß Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 idgF wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

römisch eins.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt) stellte nach illegaler Einreise am 26.07.2010 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 26.07.2010 Folgendes vor:

Er sei in Pakistan geboren, sei ledig und Moslem.

Zum Fluchtgrund gab der BF an, er habe sein Land aus politischen Gründen verlassen. Es würde gegen seine Person eine Anzeige wegen eines Aufstandes geben, wobei Waffen benutzt worden wären. Sie hätten keine Waffen benutzt, die andere Partei - PMLN hätte diese angegriffen. Der BF habe bei der Versammlung teilgenommen. Sie hätten den BF gesehen und hätten den BF schon umbringen wollen. Die Polizei würde mit dieser Partei zusammenarbeiten. Deshalb würden sich nach dem BF suchen, um den BF umzubringen. Der BF sei in seiner Partei sehr aktiv gewesen. Der BF sei bei der PTI-Partei gewesen, dies sei eine legale Partei, sie hätten jedoch mit der anderen Partei Probleme gehabt. Die Anhänger der anderen Partei würden den BF sofort umbringen, wenn er zurückkehre.

Zur Wechselrechnung von Tschechien aus dem Jahre 2008 gab der BF an, dass er die mitgeführte Reisetasche in römisch 40 gekauft habe, diese Rechnung sei ihm nicht bekannt, sie dürfte sich vor dem Kauf in der Tasche befunden haben [Aktenseite (AS) 15 ff.].

Vor einem Organwalter der belangten Behörde gab der BF am 28.07.2010 an, seine Mutter, seine 3 Brüder sowie 4 Schwestern würden in Pakistan leben. Er habe 5 Jahre die Volksschule, 6 Jahre die Hauptschule, ein Jahr die allgemeinbildende höhere Schule sowie 2 Jahre die Universität besucht.

Er habe bisher die Wahrheit gesagt, er habe keine Verwandten in Österreich oder im Bereich der EU, Norwegen oder Island, oder andere Personen von denen er abhängig wäre. Zu Hause würden sich sein Personalausweis und sein Führerschein befinden. Der Reisepass des BF sei bereits abgelaufen, wo sich dieser befinde, wisse er nicht. Bei der Passausstellung habe der BF keinerlei Probleme gehabt. Vor der Flucht habe der BF von der Partei monatlich Geld überwiesen bekommen, von diesem Geld habe der BF gelebt. Der BF habe in seinem Heimatland mit der Polizei, dem Militär oder den staatlichen Organen Probleme gehabt. Aufgrund seiner Religion und seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe der BF keine Probleme gehabt. Der BF sei bei der PTI politisch aktiv gewesen. Seinen Parteiausweis könne er besorgen. Der BF sei nie in Haft gewesen, es habe nie ein Strafverfahren gegen seine Person gegeben.

Zum Fluchtgrund befragt erörterte der BF, er sei seit dem Jahr 2005 Mitglied der PTI in römisch 40 gewesen. 2007 sei die letzte Wahl gewesen, dabei habe die gegnerische Partei (PML-N) gewonnen. Seither hätten die Probleme des BF begonnen. Der BF habe immer wieder Streit mit der gegnerischen Partei gehabt. Am 01.06.2010 habe die PTI eine Versammlung einberufen. Der BF sei der zuständige Organisator gewesen. Der BF und zwei andere Personen seien bei dieser Versammlung gewesen. Vor Beginn der Versammlung seien drei Mitglieder der gegnerischen Partei gekommen und hätten gesagt, sie würden sie umbringen. Sie hätten gleich begonnen mit Pistolen zu schießen. Sie hätten zwei Mal auf den BF geschossen. Der BF sei nicht getroffen worden. Er sei durch eine Hintertür geflüchtet. Dann sei der BF nach Hause gegangen. Zu Hause habe ein Mitglied der Partei den BF angerufen und gesagt, er solle nicht zur Polizeistelle gehen, da er sonst von der Polizei verhaftet und umgebracht werden könnte, da die Polizei mit der PML eng in Verbindung stehe. Dann habe der BF seinen Heimatort verlassen und sei nach römisch 40 gefahren. Dort sei er einen Tag geblieben. Der BF habe dann einen Freund getroffen, der ihm geholfen habe, seine Heimat zu verlassen. Der BF habe sich aufgrund seiner Probleme nicht an Behörden gewandt. Der BF habe sich in einem anderen Teil seines Herkunftsstaates vor Verfolgung nicht schützen können, da die gegnerische Partei an der Macht sei und überall ihr Netzwerk habe. Der BF könne keine Beweismittel für sein Vorbringen vorlegen. Der BF leide seit fünf Jahren an Diabetes. Er sei bereits in seinem Heimatland diesbezüglich medizinisch behandelt worden. Medikamente nehme er zurzeit nicht, da die Krankheit unter Kontrolle sei (AS 29ff.).

Das Verfahren des BF wurde zugelassen.

Aufgrund eines Informationsersuchens gemäß Artikel 21 der Dublin römisch II Verordnung seitens der belangten Behörde gaben die tschechischen Asylbehörden bekannt, dass der BF vom römisch 40 bis römisch 40 im Besitz eines Schengenvisums war (AS 97).

Im Rahmen einer weiteren Einvernahme vor einer Organwalterin der belangten Behörde am 11.01.2011 schilderte der BF, es würde im gesundheitlich gut gehen. Er befinde sich weder in ärztlicher Behandlung noch in Therapie. Er habe aufgrund seiner Diabetes Erkrankung Medikamente aus der Heimat mitgenommen, diese seien jedoch aus. Er habe sich keine weiteren Medikamente mehr besorgt. Er habe Schmerzen in den Knien. Der BF habe keine Beweismittel oder Identitätsdokumente. In Pakistan sei es unruhig, er bekomme keine Dokumente. Der Reisepass des BF befinde sich im Parteibüro in römisch 40 . Er habe ihn dort versehentlich liegen gelassen. Der Parteiausweis, seine Geburtsurkunde, seine Schulzeugnisse, sein Personalausweis, sein Führerschein würden zu Hause liegen. Vier Schwestern und drei Brüder des BF würden in Pakistan leben.

Zum Fluchtgrund führte der BF aus, er habe am 01.06.2010 an einer Parteiversammlung im Büro in römisch 40 teilgenommen. Es sei ein großes Meeting gewesen. Sie hätten mit der Vorbereitung angefangen, als plötzlich die Angehörigen der PMLN eingetroffen wären. Diese hätten sehr laut gesagt, sie werden diese umbringen. Sie hätten eine Pistole genommen, diese auf den BF gerichtet und abgedrückt. Der BF sei aber nicht getroffen worden und sei weggelaufen. Der BF habe Angst gehabt umgebracht zu werden. Der BF habe zuerst vorgehabt zur Polizei zu gehen und denen alles zu erzählen. Als der BF ca. 1 Kilometer von seinem Parteibüro auf der Straße gestanden sei, habe sein Handy geläutet. Es sei ca. 1 Stunde nach dem Vorfall gewesen. Ein Freund des BF habe zu ihm gesagt, er dürfe nicht zur Polizeistation gehen, da die Polizei mit solchen Leuten zusammenarbeiten würde. Wenn der BF weiterleben möchte, dann müsse er weggehen. So sei der BF nach römisch 40 gereist.

Näher befragt gab der BF an, sie wären zu dritt gewesen um das große Meeting vorzubereiten. Das Meeting sei am 01.06.2010 um 11.00 geplant gewesen, um 10.00 Uhr hätten sie die Vorbereitungen getroffen. Zum Meeting seien ca. 100 Personen eingeladen worden. Der Freund des BF habe wahrscheinlich von der Polizei erfahren, dass der BF überfallen worden sei. Der Freund des BF habe zu diesem gesagt, er habe mit der Polizei gesprochen und die Polizei würde den anderen Leuten helfen. Der BF sei nur wenige Stunden in römisch 40 gewesen und sei noch am 01.06.2010 mit dem Zug nach römisch 40 gereist und weiter zur Grenze in den Iran.

Der BF lebe mit niemand in Österreich zusammen. Er habe keine Verwandten in Österreich, sei in keinem Verein tätig und besuche keine Kurse. Der BF leben von der Grundversorgung. Der BF arbeite nicht (AS 113 ff).

römisch eins.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gem. Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt römisch III.).

römisch eins.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig. So sei unklar, woher der Freund des BF bereits eine Stunde nach dem Überfall diese Information gehabt habe. Der BF habe unterschiedliche Angaben zu seiner Aufenthaltsdauer in römisch 40 gemacht. Der BF habe am 28.07.2010 angeführt einen Tag in römisch 40 geblieben zu sein und dann dort seinen Freund getroffen zu haben, welcher ihm geholfen habe das Land zu verlassen. Am 11.01.2011 habe der BF angegeben, dass er um 16.00 Uhr in römisch 40 in den Zug gestiegen sei. Der BF hätte nur mit seinem Freund telefoniert, welcher ihm geraten hätte zu verschwinden. Davon, dass der BF in römisch 40 seinen Freund getroffen hätte, habe der BF nichts gesagt. Am 28.07.2010 habe der BF angeführt, dass er nach dem Schussattentat nach Hause gelaufen wäre. Zu Hause hätte dann ein Parteimitglied angerufen und ihn aufgefordert nicht zur Polizei zu gehen, da die Polizei eng mit der PML zusammenarbeiten würde. Am 11.01.2011 habe der BF davon gesprochen, dass er ca. 1 Kilometer entfernt auf der Straße einen Anruf von seinem Freund erhalten habe, welcher ihm geraten hätte das Land zu verlassen. Zudem sei das Vorbringen des BF als Verfolgung zu werten, die auf kriminellen Motiven beruhe bzw. würde der Heimatstaat des BF diesen vor derartiger Verfolgung schützen (AS 183 ff.)

römisch eins.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde Feststellungen.

römisch eins.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Artikel 8, EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF dar.

römisch eins.4. Mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz wurde Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde erhoben.

Im Wesentlichen wurden vom BF der Verfahrensgang und die Fluchtgründe erneut wiedergegeben und begründend ausgeführt, dass die belangte Behörde auf die gegenwärtigen Probleme des BF und auf die politische Rolle des BF nicht eingegangen wäre. Wegen seiner Funktion in der Partei habe der BF Depressionen erlitten. Die PML-N sei in der Heimatprovinz des BF an der Macht und würde mit Hilfe städtische Organisationen gegen die Mitglieder der Partei des BF vorgehen. Der BF sei von einem hochrangigen Mitglied seiner Partei darauf hingewiesen worden, dass die PML-N und die Polizei verbündet seien (AS 205 ff).

römisch eins.5. Am 17.05.2013 langte seitens des BF ein Ersuchen um rasche Erledigung ein [Ordnungszahl (OZ) 5].

römisch eins.6. Für den 30.06.2014 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.

römisch eins.6.1. Mit Schreiben vom 21.05.2014 wurde dem BF eine Aufforderung zur Mitwirkung im Beschwerdeverfahren und zur Vorlage von Dokumenten und Beweismitteln übermittelt. Den Verfahrensparteien wurden zudem mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls vom 21.05.2014 aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

römisch eins.7. Mit Schreiben vom 23.05.2014 teilte die belangte Behörde (nunmehr das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei [Ordnungszahl (OZ) 13].

römisch eins.8. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung (OZ 15) bestätigte der BF seine dem bisherigen Verfahren zugrunde gelegte Identität und dass er verhandlungsfähig sei. Zum Gesundheitszustand befragt führte der BF an, er leide an Diabetes. Er nehme keine Medikamente, müsse jedoch zu ärztlichen Kontrollen. Der BF sehe schlecht, sonst leide er an keinen weiteren Erkrankungen.

Zur Einvernahmesituation im bisherigen Verfahren führte der BF an, es sei alles in Ordnung gewesen. Er habe damals alles gesagt. Nun habe er aber Dokumente, die er vorlegen möchte. Der BF legte 5 F.I.R. in Kopie, Internetlinks und Zeitungsberichte vor.

Der BF hatte zudem die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.

römisch eins.9. Am 08.07.2014 langten via Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Unterlagen des BF zu seiner Arbeit bzw. Sozialversicherung ein (OZ 20).

römisch eins.10. Nach entsprechender Einholung der Zustimmung des BF wurden die Angaben des BF bzw. die vorgelegten Beweismittel (5 F.I.R.) durch einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Islamabad überprüft. Diesbezügliche Ermittlungsergebnisse langten am 13.04.2015 ein.

römisch eins.12. Für den 18.05.2015 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung ein.

römisch eins.12.1. Mit Schreiben vom 23.04.2015 wurde dem BF eine Aufforderung zur Mitwirkung im Beschwerdeverfahren und zur Vorlage von Dokumenten und Beweismitteln übermittelt. Den Verfahrensparteien wurden zudem mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls vom 23.04.2015 aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan sowie die Ermittlungsergebnisse des Vertrauensanwaltes der österreichischen Botschaft in Islamabad zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

römisch eins.13. Mit Schreiben vom 18.05.2014 teilte die belangte Behörde (nunmehr das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei [Ordnungszahl (OZ) 38].

römisch eins.14. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung (OZ 39) bestätigte der BF, dass er verhandlungsfähig sei. Zum Gesundheitszustand befragt führte der BF an, er leide an Diabetes. Er nehme seit 2 Monaten Medikamente.

Zu seinen bisherigen Aussagen vor dem erkennenden Gericht führte der BF an, er habe die Wahrheit gesagt, er möchte nichts richtig stellen.

Der BF hatte zudem die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.

römisch eins.15. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

römisch II.1.1. Der Beschwerdeführer

Bei dem BF handelt es sich um einen männlichen, pakistanischen Staatsbürger, welcher die Sprachen Punjabi, Urdu und etwas Englisch spricht. Der BF ist ein arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Er stammt aus der Provinz Punjab.

Vier Schwestern und drei Brüder des BF leben in Pakistan.

Die Identität des BF steht fest.

Der BF leidet an Diabetes.

Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Er möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit seiner Antragstellung am 26.07.2010 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Der BF befindet sich nicht in Grundversorgung. Der BF arbeitet als Zeitungszusteller. Der BF hat drei Jahre lang unter einem anderen Namen als Zeitungszusteller gearbeitet. Der BF wohnt mit einem Freund in einer Mietwohnung zusammen. Der BF hat Freunde, die er aus der Arbeit kennt, sonst hat er keine Freunde. Der BF hat nur 2 Mal einen Deutschkurs besucht und hat dann diesen abgebrochen. Der BF spricht und versteht Deutsch marginal. Der BF ist kein Mitglied in einem Verein. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

römisch II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan:

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in den FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2014a).

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2014 auf über 196 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 20.6.2014).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2014a).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2014a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen am 11. Mai 2013 war überraschend hoch. Unter den Wartenden befanden sich ungewöhnlich viele junge Wähler und Frauen. (NZZ 11.5.2013). Die mit der Al-Kaida verbündete TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Selbstmordanschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Polizisten, Paramilitärs und Soldaten waren im Einsatz (Zeit 11.5.2013). Rund ein Drittel der Wahlkreise wurde als riskant eingestuft. Noch nie war eine Parlamentswahl in Pakistan so blutig wie diese. Doch die Wähler haben bewiesen, dass ihnen die Demokratie wichtig ist und sie sich von Extremisten nicht einschüchtern lassen (NZZ 11.5.2013). Es gab um die 170 Tote und 700 Verwundete in mehr als 150 Terroranschlägen ausgeübt durch die Taliban und anderen Gruppen (BFA 10.2014). Die Hauptlast der Anschläge entfiel auf die bis zur Übergangsregierung in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa regierende und an der nationalen Regierungskoalition beteiligte ANP, mit 37 Anschlägen, gefolgt von unabhängigen Kandidaten, der PPP und der in Karatschi regierenden MQM. Die konservativen Parteien blieben allerdings nicht verschont, Aktivisten und Kandidaten der Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N), der Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), der islamistischen Jamiat Ulema-e-Islami, Jamaat-e-Islami, belutschische nationalistische Parteien sowie einige kleinere Parteien waren, etwas seltener, ebenfalls von Attacken betroffen (PIPS 5.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Bei den Parlamentswahlen am 11. Mai 2013 wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament. Am 5. Juni 2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 - 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief (AA 10.2014a). Erst im Herbst 2008 war Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurückgekehrt, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen (AA 8.4.2014).

Ebenfalls am 11. Mai 2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50% der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2014a).

Am 30. Juli 2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente mit großer Mehrheit den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9. September 2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari im Amt des Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts hat die Demokratie in Pakistan erheblich gestärkt (AA 10.2014a; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Ministerpräsident Nawaz Sharif hat wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit erklärt. Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten (u.a. Anschlag auf den Flughafen Karatschi am 9. Juni 2014), begannen die pakistanischen Sicherheitskräfte am 15. Juni 2014 eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der Militanz in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2014a; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Überschwemmungen / Katastrophen

Bei den Überschwemmungen im September 2014 kamen mehr als 360 Menschen ums Leben. Etwa 2,5 Millionen Menschen waren von den Fluten betroffen. Die NDMA (National Disaster Management Authority) schätzt, dass über 107.000 Häuser zerstört wurden. Die NDMA berichtete, dass 684.000 Menschen evakuiert wurden und, dass 530 Hilfscamps errichtet wurden (USAID 30.9.2014).Im Jahr 2013 starben über 200 Menschen wegen Überschwemmungen (BFA 10.2014). Auch im August und September 2012 starben bei Überschwemmungen durch Monsunregen in Pakistan mehr als 450 Menschen (DS 17.10.2012). Im August 2013 waren eine Million von den Fluten 2012 betroffene Menschen in Südpakistan noch ohne adäquate Unterkunft, Großbritannien unterstützt für 50.000 Familien den Wiederaufbau der Häuser (Reliefweb 23.8.2013).

Ein Problem ist, dass die aufeinanderfolgenden Regierungen nur geringe Investitionen in die Bewältigung von Naturkatastrophen tätigten. Seit 2005 gibt es die National Disaster Management Authority (NDMA), die schnell auf Naturkatastrophen reagieren soll. Die NDMA arbeitet mit dem Militär zusammen, wenn Helikopter, Boote und Fahrzeuge benötigt werden (IRIN 3.4.2014). 2012 wurden Katastrophenmanagement Behörden in Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch gibt es einen Mangel an ausgebildeten Personal und finanziellen Ressourcen (TRF 9.9.2013; vergleiche auch: IRIN 3.4.2014). Bei einem Erdbeben am 24.9.2013 in der Unruheprovinz Belutschistan, das mindestens 515 - 800 Menschenleben kostete, war die Katastrophenhilfe der Regierung erschwert durch Angriffe separatistischer Terrorgruppen, die fürchteten den Hilfsarbeiten der Armee könnten mehr Truppen in der Region folgen (Reuters 28.9.2013; vergleiche auch: IRIN 3.4.2014). Die Sicherheitslage war ein Problem, aber der PDMA (Provincial Disaster Management Authority) der Provinz Belutschistan wurden auch keine Hilfsmittel oder Ressourcen zur Verfügung gestellt (IRIN 3.4.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (6.2011): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (10.2014a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 28.10.2014

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

CIA - Central Intelligence Agency (20.6.2014): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 28.10.2014

DS - Der Standard (17.10.2012): Mehr als 450 Tote bei Überflutungen in Pakistan,

http://derstandard.at/1350258581257/Mehr-als-450-Tote-bei-Ueberschwemmungen-in-Pakistan, Zugriff 25.11.2014

IRIN (3.4.2014): Analysis: How effective is Pakistan's disaster authority?,

http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-pakistan-s-disaster-authority, Zugriff 28.10.2014

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (11.5.2013): Hohe Wahlbeteiligung in Pakistan Anschläge fordern mindestens 24 Todesopfer, http://www.nzz.ch/aktuell/international/anschlaege-islamistischer-extremisten-auf-wahllokale-fordern-mindestens-16-todesopfer-1.18079638, Zugriff 25.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (5.2013): Elections 2013:

Violence against Political Parties, Candidates and Voters

Reliefweb (23.8.2013): New UK support for 700,000 people affected by 2012 floods,

http://reliefweb.int/report/pakistan/new-uk-support-700000-people-affected-2012-floods, Zugriff 25.11.2014

Reuters (28.9.2013): Aftershock kills 15 in quake-hit Pakistan province,

http://in.reuters.com/article/2013/09/28/pakistan-earthquake-aftershocks-idINDEE98R03B20130928, Zugriff 25.11.2014.

TRF - Thomas Reuters Foundation (9.9.2013): Floods have halved Pakistan's economic growth - expert (http://www.trust.org/item/20130909134725-rm708/, Zugriff 25.11.2014

USAID (30.9.2014): Pakistan - Complex Emergency, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1413664030_pakistan-ce-fs04-09-30-2014.pdf, Zugriff 28.10.2014

Die Zeit (11.5.2013): Anschläge überschatten Wahlauftakt in Pakistan,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/pakistan-parlamentswahl-anschlag, Zugriff 25.11.2014

Sicherheitslage

Pakistan ist mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben (AA 8.4.2014). Die pakistanischen Taliban, die Lashkar-e-Jhangvi, die Belutschistan Liberation Army und andere bewaffnete Gruppen zielen auf Sicherheitskräfte und Zivilisten, unter anderem Mitglieder religiöser Minderheiten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Aktivisten und Journalisten (AI 5.2013; vergleiche auch: USDOS 27.2.2014). Die westlichen Grenzgebiete zu Afghanistan - Belutschistan, die FATA (Federal Administered Tribal Areas) und Khyber Pakhtunkhwa - leiden seit Jahren an Gewalt zwischen Militanten und Regierungskräften (Reuters 11.4.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Die pakistanischen Taliban haben in bestimmten Regionen an der Grenze zu Afghanistan eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchgesetzt. Wesentliche Menschenrechte und Grundfreiheiten werden in diesen Gebieten verletzt. Dabei kommt es auch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit "Lashkars" (Bürgerwehren der Stämme) (AA 8.4.2014).

Der Schwerpunkt der Armee liegt mehr und mehr auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen (BFA 10.2014). Seit Ende April 2009 haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den Taliban verschärft. Zuvor hatten die Taliban eine Vereinbarung mit der Provinzregierung von Khyber-Pakhtunkhwa im Februar 2009 genutzt, um die Herrschaft im Swat-Tal zu übernehmen und anschließend in zwei Nachbardistrikte vorzurücken. Die Armee antwortete daraufhin am 26. April 2009 mit einer Gegenoffensive und beendete die Taliban-Herrschaft im Swat-Tal. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war (AA 10.2014a; vergleiche auch: Reuters 11.4.2013). Die meisten Taliban-Kämpfer sind in entlegenere Gebiete der sog. "Stammesgebiete" ausgewichen. Terroranschläge richten sich zumeist gegen Einrichtungen der Sicherheitskräfte (Armee, Polizei und ISI); aber auch viele unbeteiligte Zivilisten fallen den Anschlägen zum Opfer. So gab es zwischen Januar 2012 und August 2013 nach Angaben des pakistanischen Innenministeriums 2.174 Anschläge, bei denen über 1.600 Tote und mehr als 5.600 Verletzte zu verzeichnen waren (AA 8.4.2014).

In Teilen der FATA finden darüber hinaus weiterhin immer wieder Gefechte statt. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die örtlichen Milizen und Sicherheitskräfte überrennen und die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie durch eine umfangreiche Militäroperation wieder vertrieben wurden (AA 10.2014a).

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen. Oft jedoch wurden die Regionen nicht vorher informiert, was zu massiven Vertreibungen der Menschen und zur Zerstörung der Häuser führte (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Die Taliban verüben seit Jahren auch außerhalb von FATA z.T. schwere Terroranschläge, von denen v.a. die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karatschi, römisch 40 und Rawalpindi betroffen sind (AA 10.2014a; vergleiche auch: Reuters 11.4.2013). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Scharia-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2014a).

2013 führten militante nationalistisch und konfessionell motivierte Gruppen in Pakistan 1.717 Terrorattacken aus, welche 2.451 Menschen töteten. Die Anzahl der Terrorattacken in Vergleich zu 2012 stieg im Jahr 2013 um 9 %. In 208 sektiererischen - gegen andere muslimische Konfessionen gerichteten - Terrorakten verschiedener Gruppen, wie der TTP (Tehreek-i Taliban) wurden 658 Menschen getötet (PIPS 4.1.2014).

Bei insgesamt 2.555 Vorfällen im Zusammenhang mit Gewalt (Terroranschläge, Operationen durch die Sicherheitskräfte und deren Zusammenstöße mit Militanten, ethnopolitische Gewalt, Drohnenangriffe, Gewalt zwischen den Stämmen und zwischen den Militanten, interreligiöse Zusammenstöße, religiös-kommunale Gewalt, grenzübergreifende Zusammenstöße und Zusammenstöße zwischen kriminellen Banden bzw. zwischen diesen und der Polizei) wurden 2013

4.725 getötet. Der Trend eines Rückgangs der Anzahl der Vorfälle von Gewalt und Todesopfer, der 2010 begann und bis 2012 anhielt, hielt im Jahr 2013 nicht an (PIPS 4.1.2014).

Die Taktiken der Terroristen waren divers, der größte Anteil aller Anschläge, 686 bzw. 40 Prozent, waren gezielte Tötungen (in diesem Wert sind 224 Fälle politisch motivierter gezielter Tötungen nicht inkludiert). Andere signifikante Taktiken waren u.a. improvisierte Sprengsätze (710) und Explosionen von Handgranaten (122) (PIPS 4.1.2014).

Bis Ende 2012 sind die Vorfälle von Terror und Gewalt, Terroranschläge und Opferzahlen insgesamt zurückgegangen. Die Vorfälle der Gewalt stiegen in der Wahlzeit 2013 an und blieben weiterhin erhöht. Staatliche Maßnahmen führten in einigen kritischen Regionen zur Verbesserung der Lage. Im Swat-Tal und in Süd-Wasiristan ist ein Erfolg der Militäroperationen sichtbar. Den Drohnenangriffen der USA im Grenzgebiet zu Afghanistan fielen einige hohe Führer der Taliban zum Opfer, dies schadete besonders den strategischen Kapazitäten der Extremisten. Die Bevölkerung hat die Militanten satt. Der Staat geht gegen die Militanten vor, für eine substantielle Verbesserung der Unsicherheiten fehlt eine breitere, konsistente Strategie. Die distriktweise Auswertung der digitalen Datenbank zeigt allerdings, dass die roten Zonen, jene Distrikte, die von einer hohen Anzahl sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle betroffen sind, über die letzten Jahre zurückgegangen sind (BAA 6.2013; vergleiche auch: PIPS 4.1.2014, BFA 10.2014). Am 15. Juni 2014 wurden Militäroperationen in Nord-Wasiristan gestartet. Das Militär gibt an 500 Aufständische bis Ende Juli getötet zu haben, aber es wird auch berichtet, dass die meisten extremen Aufständischen die Agency vor den Operationen verlassen hatten. Über 800.000 Menschen sind aus Nord-Wasiristan geflohen (BFA 10.2014).

Es wurde erwartet, dass die neue Regierung konkrete Maßnahmen gegen Terrorismus und andere Formen von Gewalt einführen würde. Jedoch wurden 2.113 Menschen in 1.345 Vorfällen zwischen dem 4. Juni - als Premierminister Nawaz Sharif seinen Amtseid ablegte - und 31. Dezember 2013 getötet. Der Schwerpunkt der neuen Regierung war auf Gespräche mit der Taliban gerichtet. In der Hinsicht gab es kleine Fortschritte, jedoch die hartnäckige Haltung der pakistanischen Taliban, Zurückhaltung seitens des Sicherheit-Establishment, die ungeschickte Handhabung des Problem durch die Regierung und schließlich die Tötung des TTP-Chef Hakeemullah Mehsud durch einen amerikanischen Drohnenangriff zerstörte die Hoffnung der Regierung auf weitere Gespräche mit der Taliban (PIPS 4.1.2014).

Die Reaktionen der politischen Parteien - einschließlich der Parteien die Sitze in der Bundesregierung und der Landesregierung haben - sind in Folge des Todes von Mehsud durcheinander und unzusammenhängend. Dies zeigt die inhärente Schwäche und den mangelnden politischen Willen der Staatsführung die Bedrohung der Militanz, die hauptsächlich von der pakistanischen Taliban ausgeht, zu konfrontieren. Andererseits zeigt die Reaktion des pakistanischen Militärs in Folge eines TTP Angriff auf die Khajori Kontrollstelle in Mirali, Nord-Wasaristan, dass die Sicherheits-Establishments kaum noch Geduld und keine Toleranz mehr für solche Angriffe haben. Eine Änderung in der operativen Strategie des Militärs gegen die Aufständischen würde den Raum für Friedensverhandlungen mit der Taliban weiter verkleinern. Dies bringt die Regierung weiter in ein Dilemma und die Situation wird voraussichtlich so bleiben bis es eine klare und kohärente Vorgehensweise gegen die Militanz gibt (PIPS 4.1.2014; vergleiche auch: CRSS 11.2.2014).

Die Regierung ergreift zum Schutz der Bevölkerung einige Maßnahmen. Das pakistanische Militär führte in der FATA Anti-Terrorismus Maßnahmen durch (USDOS 27.2.2014). 60 operative Militärschläge wurden im Jahr 2013 in dieser Region durchgeführt. 3.390 mutmaßliche Militante und Mitglieder radikaler Organisationen wurden 2013 verhaftet. (PIPS 4.1.2014). Es wurden auch Maßnahmen ergriffen um die Verbindungen zwischen den Terroristen zu schwächen und Rekrutierungen durch militante Organisationen zu verhindern. Große Waffenarsenale wurden in städtischen Gebieten, wie Islamabad und Karatschi, ausgehoben, Gang-Mitglieder und TTP Kommandanten, die logistische Unterstützung für Militante in Stammesgebieten boten, wurden in Karatschi verhaftet, Selbstmordattentäter wurden vor der Tat verhaftet und Anschlagspläne vereitelt (USDOS 27.2.2014). Ein weiterer Weg der Bekämpfung ist die Kontrolle und Beschneidung des internationalen Geldflusses zu diesen Organisationen (BAA 6.2013).

Die Vorwahlzeit in 2013 war allerdings von überdurchschnittlich stark ausgeprägter terroristischer Gewalt geprägt. Militante Kräfte versuchten die politische Lage zu destabilisieren, um die Wahlen zu verhindern. Bereits zum Jahresende 2012 kulminierten Anschläge und Attentate in einer Gewaltwelle (BAA 6.2013).

Für Jänner 2014 verzeichnete PIPS 171 Terroranschläge, einschließlich sieben Selbstmordanschläge, mit 258 Toten. 62 Attacken, oder 36% der Terroranschläge, waren gegen Sicherheitskräfte, ihre Konvoys und Check-Posts gerichtet (PIPS 6.2.2014). Insgesamt gab es 517 Tote bei Gewaltvorfällen in Pakistan. Gezielte Tötungen stiegen um 60%, Angriffe von Aufständischen stiegen um 80% und die Zahl der Todesopfer in Folge von Terrorakten stieg um 150% (CRSS 26.2.2014).

Im Februar 2014 gab es laut PIPS einen Rückgang der Terrorangriffe von etwa 23%. Es gab 132 Terrorangriffe mit 192 Toten. Etwa 30% der Terrorattacken waren gegen Sicherheitskräfte, ihre Konvoys und Check-Posts gerichtet. PIPS gibt an, dass 394 Menschen in Gewaltvorfällen in Pakistan gestorben sind, während CRSS 571 Todesopfer angibt (PIPS 14.3.2014; vergleiche auch: CRSS 17.3.2014).

Für März 2014 gibt PIPS an, dass es 114 Terrorattacken gab und dass es in Folge dessen 129 Tote gab. Insgesamt starben laut PIPS 228 Menschen bei 172 Gewaltvorfällen in Pakistan (PIPS 8.4.2014). Laut CRSS gab es insgesamt 385 Tote bei Gewaltvorfällen. Auch CRSS gibt an, dass es einen starken Rückgang von Todesopfern gab. Dies könnte das Resultat von Friedensverhandlungen, eingeleitet von der Regierung, und den Waffenstillstand zwischen dem Tehreek-i-Taliban und der Regierung sein. Es gab einen Rückgang in jeglicher Form von Gewalt, mit der Ausnahme von gezielten Tötungen. Die FATA und KP Regionen profitierten am meisten von diesem Rückgang. Dieser Rückgang der Gewalt zeigt auch, dass die TTP hauptsächlich für die Gewalt verantwortlich ist (CRSS 14.4.2014).

Im April 2014 verzeichnete PIPS 84 Terroranschläge mit 123 Toten, insgesamt starben bei 137 relevanten Sicherheitsvorfällen 297 Personen in Pakistan (PIPS 8.5.2014). CRSS berichtet jedoch, dass es eine Erhöhung der Anzahl von Gewaltvorfällen gab. Im Vergleich zu den 385 Todesopfern im März, ist die Zahl zu 514 gestiegen. Der plötzliche Anstieg kann darauf zurückgeführt werden, dass die Taliban sich weigerten den Waffenstillstand einen weiteren Monat fortzusetzten und, dass anschließend Streitigkeiten unter den Taliban Gruppen erfolgten (CRSS 14.5.2014).

Im Mai 2014 wurden vom PIPS 105 Terroranschläge in ganz Pakistan berichtet mit 106 Toten, alle sicherheitsrelevanten Gewaltvorfälle zusammen forderten 314 Todesopfer. KP war im Laufe des Monats am meisten von terroristischen Anschlägen betroffen (PIPS 9.6.2014).CRSS spricht für Mai von 510 Toten durch Gewalt (CRSS 15.7.2014).

Im Juni 2014 zählte PIPS 100 Terroranschläge mit 168 Toten und insgesamt 185 Gewaltvorfälle mit 772 Toten (PIPS 8.7.2014). CRSS gibt für Juni 953 Todesopfer durch Gewalt an (CRSS 15.7.2014).

Für Juli 2014 verzeichnete PIPS 99 Anschläge, die 112 Todesopfer forderten. Insgesamt gab es bei 194 verschiedensten Gewaltvorkommnissen 440 Tote (PIPS 8.8.2014). Nach der Auswertung wird die Zahl der Toten durch Gewalt von CRSS für Juli mit 690 angegeben (CRSS 18.8.2014).

Für August 2014 berichtet PIPS von insgesamt 85 terroristischen Anschlägen mit 97 Todesopfern. Alle sicherheitsrelevante Gewalt zusammen genommen starben in 168 Gewaltvorfällen 371 Menschen (PIPS 8.9.2014). CRSS verzeichnete im August 549 Todesopfer in verschiedenen Arten der Gewalt (CRSS 12.9.2014).

Insgesamt wurden im September 2014 landesweit 79 Terroranschläge mit 101 Toten verzeichnet, bei allen 153 Gewaltvorfällen zusammen 509 Tote (PIPS 12.10.2014). Von CRSS wurden 652 Todesopfer recherchiert (CRSS 15.10.2014).

Für Oktober 2014 berichtet PIPS von 86 Terroranschlägen mit 98 Todesopfern. Bei 168 Gewaltvorfällen starben 440 Menschen (PIPS 12.11.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (10.2014a): Pakistan, Staatsaufbau/Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 25.11.2014

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 25.11.2014

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

CRSS - Centre for Research and Security Studies (11.2.2014): Annual Report - 2013, http://crss.pk/story/annual-report-2013/, accessed 14.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (26.2.2014): Monthly Report - January 2014,

http://crss.pk/story/monthly-report-january-2014/, Zugriff 5.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (17.3.2014): Monthly Report - February 2014,

http://crss.pk/story/monthly-report-january-2014/, accessed 5.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (14.4.2014): Monthly Report - March 2014,

http://crss.pk/story/monthly-report-march-2014/, accessed 5.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (14.5.2014): Monthly Report on Violence: April 2014, http://crss.pk/story/monthly-report-on-violence-april-2014/, accessed 5.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (15.7.2014): Monthly Report - June 2014, http://crss.pk/story/monthly-report-june-2014/, accessed 14.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (18.8.2014):

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report (July 2014), http://crss.pk/story/pct-monthly-report-july-2014/, Zugriff 14.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (12.9.2014):

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report (August 2014), http://crss.pk/story/pakistan-conflict-tracker-monthly-report-august-2014/, Zugriff 14.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (15.10.2014):

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report (September 2014), http://crss.pk/story/pakistan-conflict-tracker-monthly-report-september-2014/. Zugriff 14.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2014): Pakistan Security Report 2013

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.2.2014): Pakistan Security Report (January 2014),

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=391, Zugriff 5.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (14.3.2014): Pakistan Security Report (February 2014), http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=399, Zugriff 5.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.4.2014): Pakistan Security Report (March 2014),

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=402, Zugriff 5.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.5.2014): Pakistan Security Report (April 2014),

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=409, Zugriff 5.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (9.6.2014): Pakistan Security Report (May 2014)

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=412, Zugriff 14.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.7.2014): Pakistan Security Report (June 2014),

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=420, Zugriff 14.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.8.2014): Pakistan Security Report (July 2014),

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=421, Zugriff 14.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.9.2014): Pakistan Security Report (August 2014),

http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=427, Zugriff 14.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (12.10.2014): Pakistan Security Report (September 2014), http://san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=434, Zugriff 14.11.2014

Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 25.11.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013- Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 29.10.2014

Regionale Verteilung der Gewalt

Die heftige Welle der Gewalt im Laufe des Berichtsjahres 2013 ergriff auch Gegenden, die vorher als friedlich bezeichnet wurden (CRSS 11.2.2014). Die westlichen Grenzgebiete sind geplagt von Gewalt. Die Gebiete, die in erster Linie betroffen sind, sind Khyber Pakhtunkhwa und die FATA, die eine starke Taliban Präsenz aufweisen, sowie Belutschistan, in der militante Stammesgruppen aufständische Gewaltakte verüben. Der Rest von Pakistan ist von sporadischen terroristischen Attacken betroffen, wie etwa Selbstmordanschläge in den Städten und bewaffnete Attacken auf das Militär (Reuters 11.4.2013; vergleiche auch: AA 5.11.2014). 2014 kam es erneut zu Terroranschlägen in den Städten Islamabad und Rawalpindi, die Todesopfer unter der Zivilbevölkerung forderten (AA 5.11.2014). Am 9. April 2014, wurden bei einem Anschlag auf einen Markt am Stadtrand der Hauptstadt Islamabad mindestens 20 Personen getötet. Es ist der blutigste Anschlag in der Hauptstadt seit Jahren (Reuters 9.4.2014a). Am 2. November 2014 kamen bei einem Selbstmordanschlag am indisch-pakistanischen Grenzübergang Wagah bei römisch 40 über 55 Menschen, überwiegend Besucher der allabendlichen traditionellen Flaggenzeremonie, ums Leben (AA 5.11.2014).

Insgesamt divergiert somit die Sicherheitslage stark zwischen und innerhalb einzelner Provinzen. Der Vertreter des PIPS erläutert, dass die - mit um die 90 Millionen Einwohner bevölkerungsreichste Provinz Punjab als sicher eingestuft werden kann, auch Sindh ist sicher, mit Ausnahme von Karatschi, das ein Hotspot der Gewalt ist, außerdem versuchen terroristische Gruppen den Inneren Sindh zu infiltrieren. Islamabad gilt ebenfalls als relativ sicher. Doch Anschläge kommen auch in diesen Gebieten vor. Die paschtunischen Gebiete in Belutschistan sind relativ sicher, die belutschischen stark unsicher. In Khyber Pakhtunkhwa ist die Sicherheitslage kritisch - nur wenige Distrikte sind sicher, während andere schwer von Anschlägen gezeichnet sind. Belutschistan, die FATA, Khyber Pakhtunkhwa und die Metropole Karatschi sind somit die kritischen Gebiete Pakistans (BAA 6.2013).

Im Berichtsjahr 2013 wurde die höchste Zahl der Terroranschläge mit 499 und 706 Todesopfern aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, in der die Taliban aktiv waren, gemeldet. Belutschistan hatte die meisten Todesopfer zu beklagen. 727 Menschen haben ihr Leben bei 487 Terroranschlägen verloren. Sindh, vor allem Karatschi, und die FATA waren die dritt- und viertvolatilsten Regionen in 2013. In Sindh wurden 390 (356 in Karatschi allein) und in FATA 293 Terroranschläge gemeldet. Aus Punjab wurden 38, aus Gilgit Baltistan fünf und aus Islamabad vier terroristische Vorfälle gemeldet. In Azad Jammu und Kaschmir war nur ein Terroranschlag gemeldet (PIPS 4.1.2014).

Die regionale Differenzierung ist auch in der mit den Wahlen verbundenen gestiegenen Gewalt 2013 erkennbar. Stark betroffen waren die FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, sowie Karatschi (BAA 6.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (5.11.2014): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PakistanSicherh eit.html, Zugriff 25.11.2014

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

CRSS - Center for Research and Security Studies (26.2.2014): Monthly Report - January 2014,

http://crss.pk/story/monthly-report-january-2014/, Zugriff 27.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (17.3.2014): Monthly Report - February 2014,

http://crss.pk/story/monthly-report-february-2014/, Zugriff 27.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (14.4.2014):

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report (March 2013), http://crss.pk/story/monthly-report-march-2014/, Zugriff 27.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (14.5.2014): Monthly Report on Violence: April 2014, http://crss.pk/story/monthly-report-on-violence-april-2014/, Zugriff 27.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (16.6.2014):

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report - May 2014, http://crss.pk/story/pakistan-conflict-tracker-monthly-report-may-2014/, Zugriff 27.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies Pakistan (15.7.2014): Conflict Tracker Monthly Report - June 2014, http://crss.pk/story/monthly-report-june-2014/, Zugriff 27.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (18.8.2014):

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report - July 2014, http://crss.pk/story/pct-monthly-report-july-2014/, Zugriff 27.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (12.9.2014):

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report - August 2014, http://crss.pk/story/pakistan-conflict-tracker-monthly-report-august-2014/, Zugriff 27.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (15.10.2014):

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report - September 2014, http://crss.pk/story/pakistan-conflict-tracker-monthly-report-september-2014/, Zugriff 27.11.2014

CRSS - Center for Research and Security Studies (14.14.2014):

Pakistan Conflict Tracker Monthly Report - October 2014, http://crss.pk/story/pakistan-conflict-tracker-monthly-report-october-2014/, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2014): Pakistan Security Report 2013

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2013): Pakistan Security Report 2012,

http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.2.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): January 2014, http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=391, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (14.3.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): January 2014, http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=399, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.4.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): March 2014, http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=402, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.5.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): April 2014, http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=409, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.6.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): May 2014,

http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=412, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.7.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): June 2014, http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=420, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.8.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): July 2014, http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=421, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (8.9.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): August 2014, http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=427, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (12.10.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): September 2014, http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=434, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (11.11.2014): PIPS Security Analysis (Pakistan): October 2014, http://www.san-pips.com/app/database/index.php?action=reports&id=435, Zugriff 27.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (5.2013): Elections 2013:

Violence against Political Parties, Candidates and Voters

Reuters (9.4.2014a): Bomb kills 20 in market on edge of Pakistani capital,

http://www.reuters.com/article/2014/04/09/us-pakistan-blast-idUSBREA380A520140409, Zugriff 25.11.2014.

Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 25.11.2014

Wichtige Terrorgruppen

Taliban und andere militante Organisationen in Pakistan sind in inneren Konflikten, in regionalen Kämpfen (Afghanistan, Kaschmir) und im globalen Jihad aktiv. Sie sind lose koordiniert, teilen sich aber oftmals Ressourcen und Rekruten. Verschiedene militante Gruppen haben sich zur Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), den pakistanischen Taliban, im Jahr 2007 zusammengeschlossen (Reuters 11.4.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014). Die TTP ist primär für die Instabilität im Land verantwortlich. Angriffsziele der TTP sind neben Sicherheitskräften nunmehr auch die politische Führung und Friedensaktivisten. Die TTP kämpft mit internen Krisen. Ihre Stärke liegt in der Verbindung von externen und internen Terrorgruppen. Sie fungiert auch als Brücke zwischen internationalen (z.B. Al Qaeda) und lokalen Terrorgruppen - von den Punjabi Taliban bis zur Lashkar-e-Jhangvi (PIPS 4.1.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Die TTP verfügt über eine Stärke von mindestens 30.000 - 35.000 Mitgliedern (Reuters 11.4.2013; vergleiche auch: SATP o.D.). Der Vertreter des PIPS erläutert, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen. Die von der TTP ausgehende Gewalt konzentriert sich regional auf die Stammesgebiete, thematisch auf Parteien, Pro-Regierungsstämme, regierende Politiker, auf Pro-Regierungs-Älteste, Sicherheitskräfte, Moscheen, die von Sicherheitskräften aufgesucht werden oder in denen Imame oder Mullahs die Regierung unterstützen, Friedensaktivist/innen (wie Malala Yousafzai), Einrichtungen des Militärs und der Polizei, Minderheiten sowie Muslime, die nicht ihrer Scharia-Auslegung folgen. Ursprünglich waren Schiiten in den Stammesgebieten nicht Ziel der Taliban, dies hat sich geändert (BAA 6.2013). Die Awami National Party war das Hauptziel von TTP-Gewalt, einige Anschläge richteten sich gegen Führungspersonen und Aktivisten (PIPS 4.1.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014). Die Aktivitäten der Taliban beschränken sich hauptsächlich auf den Nordwesten Pakistans, allerdings wurden sie in den letzten Jahren auch in der Wirtschaftsmetropole Karatschi sichtbar (CRSS 13.7.2013; vergleiche auch: Reuters 11.4.2013). Am 9. Juni 2014 übte die TTP einen Terrorangriff bei dem Karatschi Flughafen aus (BFA 10.2014). Einige Taliban Gruppen haben Basen in Belutschistan (Reuters 11.4.2013).

Die TTP benutzt seit 2009 auch Entführungen von "high profile" Personen (u.a. reiche Geschäftsmänner, Akademiker, westliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Angehörige von Militärs) in den großen pakistanischen Städten, um Geldmittel zu lukrieren (Reuters 11.4.2013). Drei Mitglieder der TTP wurden im Juli 2013 in Islamabad festgenommen, da sie dort und in Khyber Pakhtunkhwa Geschäftsleute erpressten. Dies zeigt das Verschwimmen zwischen kriminellen Syndikaten und religiösen Militanten (CRSS 13.7.2013).

Außerhalb der TTP agieren lokale Taliban-Gruppen, die entweder mit der TTP in loser Verbindung stehen oder mit ähnlichen Zielen formiert wurden. Die meisten dieser Gruppen agieren in Khyber Pakhtunkhwa, hauptsächlich in Charsadda, Swabi, Nowshera und der Peripherie von Peschawar. Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).

Es gibt auch im Punjab sunnitische Terrorgruppen. Eine von diesen, die Lashkar-e-Jhangvi, zielt darauf ab, Schiiten aus Pakistan zu vertreiben (Reuters 11.4.2013). Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderem unterscheiden. Sie ist eine lokal orientierte Gruppe, ihre Zielsetzung auf Schiiten richtet sich z.B. in Belutschistan vor allem gegen Hazara. Höhepunkt waren die Anschläge in Quetta im Jänner und im Februar 2013 (ca. 200 Tote) (BAA 6.2013; BFA 10.2014). Die Punjabi Taliban sind eine eigene, von der TTP gesonderte Gruppe, doch unterhalten sie zu dieser Verbindungen. Ihre Ziele sind hauptsächlich Sicherheitskräfte und Schiiten. Sie agieren im Punjab wie terroristische Zellen, derzeit sind sie allerdings wenig aktiv (BAA 6.2013). Im September 2014 hat die Punjabi Taliban bekannt gegeben, dass sie ab sofort nur mit friedlichen Mitteln die Umsetzung der Scharia verfolgen würden. Sie würden jedoch in Afghanistan weiter kämpfen (TET 14.9.2014; vergleiche auch: Dawn 13.9.2014).

Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army. Sie ist in Belutschistan aktiv, vereinzelt auch in Karatschi und in den Stammesgebieten des angrenzenden Südpunjabs. Weitere Beispiele belutschischer Terrororganisationen sind Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. 2012 verübten auch Sindhi nationalistische Gruppen im Inneren Sindh Terrorakte (BAA 6.2013). Belutschische Nationalisten und Sindhi Nationalisten übten im Jahr 2013 450 Attacken und töteten dabei 375 Menschen (The Hindu 20.1.2014).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

CRSS - Center for Research and Security Studies Pakistan (13.7.2013): Conflict Tracker Monthly Report (June 2013), http://crss.pk/?p=4555, Zugriff 25.11.2014

Dawn (13.9.2014): Punjabi Taliban call off armed struggle in Pakistan?, http://www.dawn.com/news/1131738, Zugriff 18.11.2014

PIPS - Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2012, 4.1.2013,

http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1, Zugriff 18.11.2014

Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 25.11.2014

SATP - South Asia Terrorism Portal (o.D.): Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP),

http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/terroristoutfits/ttp.htm, Zugriff 18.11.2014

TET - The Express Tribune (14.9.2014): Watershed event: Punjabi Taliban renounce violence,

http://tribune.com.pk/story/762038/watershed-event-punjabi-taliban-renounce-violence/, Zugriff 18.11.2014

The Hindu (20.1.2014): A spurt in suicide attacks across the border, http://www.thehindu.com/todays-paper/tp-international/a-spurt-in-suicide-attacks-across-the-border/article5595338.ece, Zugriff 18.11.2014

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken (AA 8.4.2014). Das pakistanische Justizwesen bleibt weiterhin unabhängig aber auch umstritten (HRW 21.1.2014).

Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich. Teil römisch VII der Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Judikative, die zwar eine politische Stärkung erfahren hat, die aber insgesamt gesehen nach wie vor ineffizient und vor allem in den unteren Gerichtsinstanzen auch weitgehend wirkungslos ist (AA 8.4.2014). In der Praxis ist die Justiz oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen bei Fällen von Terrorismus, beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und Opfer des Drucks prominenter wohlhabender, religiöser und politischer Akteure. Die politische Ernennung von Richtern erhöht den Einfluss der Regierung auf die Justiz Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der Hohen Gerichte ist für einige Gebiete, die andere juristische Systeme haben, nicht zuständig (USDOS 27.2.2014).

Die erwähnte weitverbreitete Korruption vor allem unterer Gerichtsinstanzen in Zusammenhang mit einem veralteten Prozessrecht sowie überlasteten und überforderten Strafverfolgungsbehörden führen zu einer Vielzahl unerledigter Fälle, langen Inhaftierungen ohne gerichtliches Verfahren oder nach Fehlurteilen, da Beweissicherungen nicht möglich sind (AA 8.4.2014; vergleiche auch: USDOS 27.2.2014). Laut dem Obersten Richter gab es 1,6 Millionen ausstehende Verfahren (USDOS 27.2.2014). Trotz der Annahme der "National Judicial Policy" 2009 blieb der Rückstand an Fällen auf allen Ebenen hoch, die Probleme der Korruption und Inkompetenz in den Gerichten weiterhin verbreitet (HRW 31.1.2013) und der Zugang zur Gerichtsbarkeit kostenintensiv und schwierig (AA 8.4.2014; vergleiche auch: HRW 21.1.2014). Schließlich ist der Aufbau der Judikative mit unterschiedlichen Sondergerichten (z.B. Militär, Scharia, zur Bekämpfung des Terrorismus usw.) komplex und wird als nicht jedermann zugänglich empfunden (AA 8.4.2014).

Im Januar 2010 wurde der "Public Defender and Legal Aid Office Act (PDLAOA) 2009" verabschiedet. Das Gesetz soll insbesondere sicherstellen, dass alle Angeklagten unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten gleichermaßen Zugang zu einem Rechtsbeistand vor Gericht und, soweit notwendig, Anspruch auf Armenrecht haben. Eine Implementierung des Gesetzes steht allerdings bislang noch aus (AA 8.4.2014).

Bei der Bearbeitung von unpolitischen Fällen werden der Hohe Gerichtshof und der Oberste Gerichtshof durch Medien und Öffentlichkeit generell als zuverlässig eingestuft (USDOS 27.2.2014). Der in den vergangenen Jahren durch die hartnäckige Verfolgung von Korruptionsvorwürfen aufgefallene Oberste Richter am Supreme Court of Pakistan, Justice Iftikar Chaudhry, scheint inzwischen auch ranghohe Angehörige des pakistanischen Militärs und Geheimdienstes nicht mehr zu schonen. Erstmals in der facettenreichen Justizgeschichte Pakistans wird die de facto Immunität von Armee- und Militärvertretern aufgehoben und - mit dem früheren Chef des pakistanischen Geheimdienstes (ISI) sowie dem früheren Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee - Generälen in aller Öffentlichkeit der Prozess gemacht (HSS 10.10.2012). Im Juni 2012 entließ der Oberste Gerichtshof in einer kontroversen Entscheidung darüber hinaus Premierminister Gilani aufgrund der Weigerung an die Schweizer Behörden einen Aufruf zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen gegen Präsident Zardari zu übermitteln (HRW 31.1.2013). Im Jahr 2013 war der Supreme Court im Aufgreifen der Thematik von Regierungsmissbräuchen in Belutschistan aktiv. Allerdings wurde noch kein hoher Militär dafür zur Verantwortung gezogen, was die Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit in einem Land, wo das Militär der stärkste Akteur ist, demonstriert. Der Gebrauch von suo motu [auf eigene Veranlassung] Gerichtsverfahren durch den Supreme Court war häufig. Der Oberste Gerichtshof und die Oberen Provinzgerichte begegneten Medienkritik mit Androhungen eines "Missachtung des Gerichts" Verfahrens. Der Präsident des Obersten Gerichtshof der eine führende Rolle gegen diese Medienkritik nahm, ist im Dezember 2013 in den Ruhestand getreten (HRW 21.1.2014; vergleiche auch: HRW 31.1.2013).

Im Zivil-, Kriminal- und Familiengerichtssystem gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 27.2.2014).

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie Fällen, und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 27.2.2014).

In Pakistan, insbesondere in feudalen und von Stämmen bewohnten Gebieten, existiert ein informelles, paralleles Rechtssystem, das Jirga und Panchayat System [Informelle Versammlungen von Älteren, welche über Dispute entscheiden]. Es hat keine rechtliche Deckung und man kann dagegen verfassungsrechtlich vorgehen. Viele Menschen in ländlichen Gegenden machen aber davon Gebrauch, da sie den Gerichten oder der Polizei misstrauen (Dawn 29.3.2013). Die Panchayats oder Jirgas werden von feudalen Landherren und lokalen Führern in Sindh und Punjab und Stammesführer in paschtunischen und belutschischen Gebieten, manchmal auch in Missachtung des Rechtssystems, abgehalten (USDOS 27.2.2014).

Die Gesetzeslage hinsichtlich der Jirgas ist jedoch unklar. Erkenntnisse des Supreme Courts und anderer Gerichte haben sie für illegal erklärt. Sie haben jedoch nicht definiert, was eine Jirga ausmacht und keine Strafen für die Teilnahme an einer solchen Ratssitzung festgelegt. Im pakistanischen Gesetzbuch existiert kein spezifisches Gesetz, das Jirgas verbieten würde. Jirgas sprechen regelmäßig Urteile aus, die selbst ein Verbrechen darstellen, wie die Erlaubnis, jemanden zu töten. Trotzdem scheuen sich die Behörden oft, gegen diese Räte vorzugehen, weil sie Stammesgemeinschaften in ihren Traditionen nicht verärgern wollen. Menschenrechtsaktivisten treten stark für eine Strafbarkeit der Teilnahme an Jirgas, die widerrechtliche Urteile und Strafen aussprechen, ein. Im März 2012 hielt der Oberste Richter des Verfassungsgerichtshofs die Führung der Provinzpolizei an, gegen Jirgas vorzugehen, die Zwangsheiraten als Kompensation anordneten (LAT 1.8.2012; vergleiche auch: ÖB 11.2014).

Zunehmend geht die Justiz gegen die Jahrhunderte alte Tradition der Jirgas oder Panchayats vor. Im Großteil des Landes werden Jirgas toleriert, aber nicht anerkannt durch die formalen Gerichte. Jirga Entscheidungen sind rechtlich nicht bindend - außer in den Stammesregionen an der afghanischen Grenze [FATA], solange sie nach den Gesetzen dieser Region gefällt werden - aber werden für gewöhnlich durch die Dorfgemeinschaft umgesetzt. Jirga Entscheidungen werden meist besser befolgt als solche von Gerichten. Wenn man nicht gehorcht, muss man das Dorf verlassen. In den letzten Jahren haben Richter begonnen, die Entscheidungen der meistens konservativen und nur von Männern abgehaltenen Jirgas zu untersuchen, allen voran Bestrafungen wie Tod, Vergewaltigung oder erzwungene Kinderheiraten. Richter gehen immer öfter gegen Jirgas vor, auch weil Medien sehr viel darüber berichten. Außerdem wenden sich immer mehr Menschen auch an die Gerichte, weil sie von erfolgreichen Verfahren gegen Jirgas hören. Seit 2005 wurden 60 Fälle der seit 2004 verbotenen, allerdings weiterhin verbreiteten Zwangsehen aufgehoben. Da viele Pakistanis allerdings Jirgas unterstützen, weil sie diesen eher vertrauen als den Gerichten, meinen einige NGOs, man müsste deren System verbessern und die Strafmöglichkeiten einschränken, anstatt sie zu verbieten (Reuters 14.3.2013; vergleiche auch: UKHO 6.10.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

Dawn (29.3.2013): Jirga system and plight of women, http://dawn.com/2013/03/29/jirga-system-and-plight-of-women/, Zugriff 15.10.2014

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html, Zugriff 26.11.2014

HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/267806/395161_de.html, Zugriff 15.10.2014

HSS - Hanns-Seidel-Stiftung (10.10.2012): Quartalsbericht, Pakistan III/2012,

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf, Zugriff 15.10.2014

LAT - Los Angeles Times (1.8.2012): Pakistan's tribal justice system: Often a vehicle for revenge, http://articles.latimes.com/2012/aug/01/world/la-fg-pakistan-jirga-justice-20120801, 15.10.2014

ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (11.2014):

Asylländerbericht - 2014

Reuters (14.3.2013): In Pakistan, ancient and modern justice collide,

http://in.reuters.com/article/2013/03/13/pakistan-jirgas-idINDEE92C0HM20130313, Zugriff 15.10.2014

UKHO - UK Home Office (6.10.2014): Country Information and Guidance; Pakistan: Background information, including actors of protection, and internal relocation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1412603953_pakistan-cig-2014-10-06.pdf, Zugriff 15.10.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 15.10.2014

Sicherheitsbehörden, inkl. Dokumente

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung; organisierte Kriminalität; Interpol; Terrorismus- und Rauschgiftbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die führende Behörde in der Rauschgiftbekämpfung ist die ANF ("Anti Narcotics Force"), die dem Innenministerium (Ministry of Interior and Narcotics Control) angegliedert ist. Bei der Rauschgiftbekämpfung wirken allerdings auch andere Behörden (z.B. Custom oder Frontier Corps) mit, wobei die Kompetenzen nicht immer klar abgegrenzt sind. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 8.4.2014).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient. Einige Polizeibeamte verüben Menschenrechtsverletzungen oder lassen sich von politischen Interessen beeinflussen (USDOS 27.2.2014). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein Ansehen. Dazu trägt die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie häufige unrechtmäßige Übergriffe (2012 wurden bei 350 Polizeieinsätzen 403 Verdächtige getötet und 26 verletzt) und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam - 2012 wurden 87 Fälle bekannt- und Misshandlungen durch die Polizei gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die inhaftierte Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen. Die Polizeikräfte sind oftmals in lokale Machtstrukturen eingebunden und daher nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 8.4.2014). Neben diesen Vorwürfen gibt es auch solche des "Verschwinden Lassens". In den Stammesgebieten im Nordwesten des Landes beugen Sicherheitskräfte Gesetze um Gerichte zu umgehen (AI 5.2013). Bei Anti-Terror-Operationen verletzen Sicherheitskräfte regelmäßig Grundrechte, Verdächtige werden oft ohne Anklage verhaftet oder ohne fairen Prozess verurteilt. Die Armee verweigert Anwälten, Verwandten, unabhängigen Beobachtern und humanitärem Personal weiterhin den Zugang zu Personen, die bei Militäroperationen verhaftet wurden (HRW 21.1.2014).

Die Polizei versagt häufig dabei, Minderheitenangehörige, wie Christen, Ahmadis und Schiiten vor Attacken zu schützen. Das häufige Versagen darin, Missbräuche zu bestrafen, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Missbräuchen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte können in solchen Fällen auch Kriminalstrafverfolgung empfehlen, und die Gerichte können eine solche anordnen. Diese Mechanismen werden in der Praxis auch manchmal eingesetzt. Es gab Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Wie im Jahr zuvor führte die Regionalregierung des Punjab regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 27.2.2014).

Die Islamabad Capital Police richtete eine Menschenrechtseinheit ein, um die Einwohner zu ermutigen, über Menschenrechtsverletzungen zu berichten (persönlich, per Telefon-Hotline oder Email). Außerdem wurden in allen Polizeistationen Menschenrechtsoffiziere bzw. Ansprechpartner aus der Gemeinde postiert. Diese können Polizeistationen jederzeit besuchen, Gefangene befragen und bei Berichten über Missbräuche disziplinäre Maßnahmen empfehlen. Rechtsdurchsetzungsorgane der föderalen und der Provinzebenen besuchten Schulungen zu Menschen-, Opfer- und Frauenrechten. Zwischen 2008 und 2010 hat die "Society for Human Rights and Prisoners' Aid" mehr als 2.000 Polizeioffiziere in Menschenrechtsthemen fortgebildet (USDOS 8.4.2011; vergleiche auch: USIP 5.2013).

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Die Befähigung der Polizei, selbst einen FIR zu initiieren, ist begrenzt. Oft muss eine andere Person dies tun. Dabei ist es gleichgültig, ob plausible Beweise vorliegen. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einen Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Einige halten sich nicht an diese Beschränkung. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld (USDOS 27.2.2014).

Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente ist hoch. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 8.4.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 1.10.2014

HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/267806/395161_de.html, Zugriff 1.10.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 1.10.2014

USDOS - US Department of State (8.4.2011): Country Report on Human Rights Practices 2010 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/4da56d9c8e.html, Zugriff 1.10.2014

USIP - United States Institute of Peace (5.2013): Special Report - Empowering the Police,

http://www.usip.org/sites/default/files/SR332-Empowering-the-Pakistan-Police.pdf, Zugriff 26.11.2014

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlung, aber es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft folterten und misshandelten. Gelegentlich führte Folter zum Tod oder zu schweren Verletzungen (USDOS 27.2.2014). Die Menschenrechtsverletzungen, derer die Sicherheitskräfte beschuldigt werden, umfassen willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, Folter, Tod in der Haft und außergerichtliche Hinrichtungen (AI 5.2013). Es ist zu vermuten, dass bei den 2012 in Haft verstorbenen 92 Strafgefangenen in der Mehrzahl der Fälle Folter zum Tod beigetragen hat oder sogar die Todesursache gewesen ist. Folter ist im Polizeigewahrsam, aber auch in Gefängnissen weit verbreitet. Sie findet u.a. auch Anwendung, um bei polizeilichen Ermittlungen Geständnisse oder Kooperation zu erzwingen. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig. Sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen. Dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren (AA 8.4.2014). 2010 wurden 521 Fälle bekannt, in denen Frauen Opfer von Misshandlungen in Polizeigewahrsam wurden (AA 2.11.2012).

Im Gesetz gibt es keinen speziellen Abschnitt gegen Folter; es sanktioniert nur "Verletzen" und enthält keine Hinweise auf eine Bestrafung von Folterern. Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen eines angemessenen Beschwerdezentrums und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zur Verbreitung bei (USDOS 27.2.2014). Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten (AA 8.4.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 1.10.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 1.10.2014

Korruption

Die Korruption ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen nach wie vor weit verbreitet (AA 8.4.2014). Im Transparency International Corruption Perceptions Index 2013 nimmt Pakistan den 127. Platz von 177 Ländern ein (TI 2013).

Behördliche Korruption ist strafgesetzlich verboten, die Regierung setzt das Gesetz aber nicht effektiv um und Beamte sind oft in korrupte Praktiken involviert. Vor allem in der Politik und der Regierung ist Korruption weit verbreitet. Mehreren Politikern und Inhabern öffentlicher Ämter wurde Korruption vorgeworfen, beispielsweise Bestechung, Erpressung, Vetternwirtschaft, Protektion oder Untreue. Bei der Polizei ist Korruption insbesondere in den unteren Rängen verbreitet. Grund hierfür dürften die fehlenden Kontrollmechanismen und niedrige Löhne sein. Einige Polizisten verlangen Gebühren, um Anzeigen entgegen zu nehmen oder nehmen gegen Bestechungsgelder falsche Anzeigen entgegen. Auch um einer Anklage zu entgehen werden Bestechungsgelder bezahlt. Stellen in Polizeiwachen werden Kritikern zufolge oft politisch besetzt. Des Weiteren gibt es sporadische Berichte über Korruption im Justizsystem, etwa kleinere Schmiergeldzahlungen an Gerichtsbedienstete (USDOS 27.2.2014).

Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für Korruption von Staatsangestellten vor, jedoch wurde das Gesetz im Berichtszeitraum nicht effektiv umgesetzt und Behördenvertreter waren häufig ungestraft in korrupte Praktiken verstrickt. Die Nationale Rechenschaftsbehörde (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit einem Mandat um Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 27.2.2014).

Nachdem eine noch unter Musharraf eingeführte Amnestie aus dem Jahr 2007 unter anderem für Korruptionsanschuldigungen für die Zeit zwischen 1986 und 1999 vom Obersten Gerichtshof 2009 aufgehoben wurde, eröffnete dieser 8000 Fälle, unter anderem gegen [bis zu den Wahlen amtierende] Präsidenten, Minister und Parlamentarier. Im November 2012 kam die Regierung der Anordnung des Obersten Gerichts nach, an die Schweizer Behörden ein Amtshilfeersuchen über verschobene Gelder zu richten (USDOS 27.2.2014). Im Juni 2012 entließ der Oberste Gerichtshof in einer kontroversen Entscheidung Premierminister Zardari aufgrund der Weigerung an die Schweizer Behörden einen Aufruf zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen in Bezug auf Präsident Gilani zu übermitteln (HRW 31.1.2013).

Der durch die hartnäckige Verfolgung von Korruptionsvorwürfen aufgefallene Oberste Richter am Supreme Court of Pakistan, Justice Iftikar Chaudhry, eröffnete auch gegen den früheren Chef des pakistanischen Geheimdienstes (ISI) bzw. den früheren Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee den Prozess (HSS 10.10.2012).

Das Gesetz erlaubt den Bürgern Zugang zu allen öffentlichen Berichten der föderalen Regierung und Behörden, nicht inkludiert sind Provinzregierungen und staatliche Firmen. Einige Berichte sind davon ausgenommen (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html, Zugriff 14.10.2014

HSS - Hanns-Seidel-Stiftung (10.10.2012): Quartalsbericht, Pakistan III/2012,

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf, Zugriff 04.10.2014

TI - Transparency International (5.2013): Corruption Perceptions Index 2013, http://www.transparency.org/cpi2012/results, Zugriff 8.10.2014

US DOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 8.10.2014

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen, auch regierungskritische, können sich in Pakistan betätigen (AA 8.4.2014, FH 23.1.2014). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren ohne Behinderung seitens staatlicher Stellen, führen Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch und veröffentlichen deren Ergebnisse. Andere Gruppen, die über Themen in Zusammenhang mit Regierung, Militär oder Geheimdienste berichten, sind in ihren Aktivitäten mit Restriktionen konfrontiert (USDOS 27.2.2014).

In den letzten Jahren sind die Aktivitäten der Zivilgesellschaft wieder aufgeblüht und haben viel Aufmerksamkeit erhalten. Die Anzahl von lokalen, nationalen und internationalen NGOs ist stark angewachsen. Es gibt ein breites Spektrum - von international vernetzten Frauenrechts- bis zu eher konservativ-religiösen Organisationen. Bereits die Musharraf Administration suchte aktiv die Hilfe von Frauenrechtsorganisationen wie der Aurat Foundation oder der Shirkat Gah, um fortschrittlichere Gesetze wie die Frauenschutzverordnung von 2006 zu entwickeln. Lokale religiöse Gruppen intervenieren aber auch gegen Änderungen in den Blasphemie Gesetzen (FH 4.11.2011). Es gibt in Pakistan über 100.000 aktive NGOs, jedoch ist die genaue Zahl aber unklar (USDOS 27.2.2014).

Weiblichen Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen wird in vielen Teilen des Landes vorgeworfen, sich nicht an die kulturellen Normen zu halten, weil sie z.B. keinen Schleier tragen, andere Frauen zum Arbeiten ermutigen oder zusammen mit Männern arbeiten. Organisationen, welche sich für die Rechte der Frauen einsetzen sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert (USDOS 27.2.2014). In der pakistanisch verwalteten Kaschmirregion (Azad Kaschmir und Gilgit-Baltistan) können Nichtregierungsorganisationen, die zu humanitären Themen arbeiten, im allgemeinen frei agieren, während jene, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren mehr Kontrolle und gelegentlich auch Belästigungen erfuhren (FH 23.1.2014).

Visa für regierungskritische ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert oder blockiert. Nur wenige NGOs hatten Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Teilen Belutschistans. Regierungsstellen sind manchmal kooperativ, reagieren aber nur wenig auf die Ansichten dieser Gruppen. Sicherheitsbedrohungen sind für NGOs in FATA und Khyber Pakhtunkhwa ein Problem. Militante töteten zwischen 2009 und Ende 2012 mindestens 19 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und entführten mehr als 20 (USDOS 27.2.2014). Laut dem United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) wurden von Januar 2013 bis November 2013 insgesamt 91 Mitarbeiter der Hilfsorganisationen angegriffen. 29 wurden getötet, 41 verletzt und 21 entführt. Allein in Khyber Pakhtunkhwa wurden 37 angegriffen (HRCP 3.2014).

Die Situation unterscheidet sich in Pakistan sowohl regional, als auch für die einzelnen Menschenrechtsorganisationen, je nachdem wie groß ihr Bekanntheitsgrad ist. Die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) ist international stark vernetzt und bekannt, sie genießt auch in Pakistan Anerkennung, und damit Schutz. Die Arbeit ist somit für sie leichter. Kleine, unbekanntere Organisationen sind verletzlicher. An und für sich können Menschenrechtsorganisationen, insbesondere große wie HRCP, und Medien frei schreiben und tun dies auch. Es gibt viele Menschenrechtsorganisationen in Pakistan. In den Konfliktgebieten ist die Arbeit allerdings schwierig, hier erhalten Organisationen Drohungen von Militanten und es kommt auch in Einzelfällen zu Morden an Menschenrechtsaktivisten und Journalisten. 3 Mitarbeiter der HRCP wurden 2012 getötet, 2 in Belutschistan und 1 in Khyber Pakhtunkhwa (BAA 6.2013). Auch 2011 wurden drei Mitarbeiter der HRCP ermordet. Aufgabe der angesehenen NGO HRCP ist die Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Speziell für bessere Haftbedingungen und die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich z.B. der im Jahre 1980 gegründete Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA 8.4.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

FH - Freedom House (4.11.2011): Countries at the Crossroads 2011 - Pakistan,

http://www.freedomhouse.org/sites/default/files/inline_images/Pakistan%20final.pdf, Zugriff 16.10.2014

FH - Freedom House 23.1.2014 Freedom in the World 2014, Pakistani Kashmir,

http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2014/pakistani-kashmir-0, Zugriff 16.10.2014

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2014): State of Human Rights in 2013, http://www.hrcp-web.org/hrcpweb/report14/AR2013.pdf, Zugriff 16.10.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013- Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 16.10.2014

Ombudsmann

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einem in jeder Provinz. Obwohl ein Beschwerdesystem für Gefangene existiert, um Missstände aufzuzeigen, funktioniert dieses nicht effektiv (USDOS 27.2.2014).

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, diese wurden in den letzten Jahren erweitert. Durch das neue Gesetz gegen sexuelle Belästigung wurde auch eine Ombudsperson gegen die Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz eingerichtet, mit Büros in jeder Provinz (BAA 6.2013).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 13.10.2014

Wehrdienst

Pakistans Armee ist eine Freiwilligenarmee (AA 8.4.2014). Das Alter für den freiwilligen Militärdienst beträgt 16 bis 23 Jahre. Soldaten unter 18 Jahren können nicht im Kampf eingesetzt werden (CIA 20.6.2014). Die religiösen Minderheiten sind in der Armee deutlich unterrepräsentiert: ihre Karrierechancen sind geringer, außerdem fürchten sie Diskriminierung (AA 8.4.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

CIA (20.6.2014): The World Factbook Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 13.10.2014

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch. In den letzten Jahren haben sich 90 private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue online-Magazine und neue Radiostationen. Selbst in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan gibt es trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mehrere Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern. Die zahlreichen Medien können weitgehend frei berichten, Kritik an der Regierung ist möglich und verbreitet (AA 8.4.2014). Unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an Ansichten Ausdruck, Journalisten kritisieren oft die Regierung. Themen, wie die Verfolgung von Minderheiten werden behandelt. Journalisten konnten nur beschränkt die Rolle des Militärs kritisieren oder infrage stellen. Es gibt eine Vielzahl von unabhängigen englisch-, urdu- und regionalsprachigen Zeitung und Magazinen. Private Kabel- und Satellitenkanäle strahlen heimische Nachrichten aus und sind gegenüber der Regierung kritisch. Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und des Ministeriums für Kaschmir Angelegenheiten (USDOS 27.2.2014).

Das Gesetz gewährt Rede- und Pressefreiheit, aber gelegentlich kommt es zu Zensur. Es gab Fälle, bei denen die Regierung private Fernsehsender schloss, und die Ausstrahlung bestimmter Programme blockierte. Die diesbezüglichen Gesetze sind laut den Sendeanstalten vage und lassen Raum für Missbrauch. Außerdem führen Drohungen, Gewalt und Tötungen dazu, dass Journalisten und Redakteure Selbstzensur praktizieren (USDOS 27.2.2014). Ernste Drohungen von Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen gab es in erster Linie in Belutschistan, Sindh und den nordwestlichen Stammesgebieten (AI 5.2013).

In Einzelfällen berichten Journalisten über Repressionen durch Regierungsstellen. Dies betrifft vor allem Reaktionen auf Fälle von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern. Auch die Kritik an der Institution des Militärs oder an den Sicherheitsdiensten wird nur in eingeschränktem Umfang geduldet. In diesen Fällen sehen sich Journalisten Repressionen ausgesetzt (AA 8.4.2014; vergleiche auch: AI 5.2013). Ein Klima von Angst erschwert somit die Berichterstattung über das Militär und über militante Gruppen. Journalisten berichten selten über vom Militär begangene Menschenrechtsverletzungen bei Anti-Terroroperationen (HRW 21.1.2014; vergleiche auch: USDOS 27.2.2014). Einschüchterungen oder Gewalt gehen auch von politischen Parteien aus (USDOS 27.2.2014).

Die Hauptgefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppen aus. Sie setzen Morde, Entführungen und Einschüchterungen, auch gegenüber Familienangehörigen, ein, um missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen. In von Taliban kontrollierten Gebieten ist eine Taliban-kritische Berichterstattung unmöglich, in den übrigen Landesteilen werden Taliban-kritische Journalisten gezielt bedroht und eingeschüchtert. Viele Journalisten aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder den FATA sind in die Städte Karatschi, römisch 40 oder Islamabad geflohen und arbeiten von dort aus. Auch in Belutschistan ist die freie Betätigung der Presse sehr eingeschränkt und sehen sich Journalisten Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Urheber sind zumeist nichtstaatliche bewaffnete Gruppen oder kriminelle Banden. Insgesamt wurden 2012 landesweit mindestens vierzehn Journalisten getötet, vor allem in Belutschistan, Khyber-Pakhtunkhwa und den Stammesgebieten (dort alleine sechzehn in den vergangenen zehn Jahren) (AA 8.4.2014; vergleiche auch: USDOS 19.4.2013; HRW 31.1.2013).

Das Committee to Protect Journalists gibt an, dass während des Jahres 2013 7 Journalisten in Pakistan getötet wurden weil sie über heikle Themen berichteten (USDOS 27.2.2014). Laut HRW wurden mindestens sechs Journalisten in Pakistan während des Jahres 2013 getötet (HRW 21.1.2014).

Artikel 19, der Verfassung garantiert die Meinungsfreiheit, stellt sie jedoch unter einen Gesetzesvorbehalt. Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind danach zulässig zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam ("in the interest of the glory of Islam") (AA 8.4.2014; vergleiche auch:

USDOS 27.2.2014). Die Blasphemie Gesetze schränken die Rechte des Individuums auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf religiöse Glaubenssätze ein. Politische Aktivitäten stehen unter Beobachtung der Regierung. Die Staatsbürger können die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, doch Kritik am Militär ist eingeschränkt. Mitglieder von Studierendenorganisationen mit Kontakten zu politischen Parteien erzeugen eine Atmosphäre der Gewalt und Intoleranz, welche die akademische Freiheit ihrer Kommilitonen beeinträchtigt (USDOS 27.2.2014). In Azad Kaschmir sind politische Dissidenten Objekt von Überwachung, Belästigung und manchmal auch von Verhaftungen durch pakistanische Sicherheitskräfte (FH 1.2.3013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 10.10.2014

FH - Freedom House 1.2013 Freedom in the World 2013, Pakistani Kashmir,

http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir, Zugriff 10.10.2014

HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/267806/395161_de.html, 10.10.2014

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html, Zugriff 10.10.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 10.10.2014

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert, kann aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten. Nach HRCP-Angaben, die auf Medienberichten beruhen, sollen bei der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei 2012 insgesamt 28 Menschen umgekommen und mehr als 300 verletzt worden sein. Allein während der Proteste gegen den Film "The Innocence of Muslims" starben 19 Menschen, mehr als 200 wurden verletzt (AA 8.4.2014). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 27.2.2014).

Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 8.4.2014).

Vereinigungsfreiheit ist durch die Verfassung gewährleistet. Sie ist jedoch durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt (USDOS 27.2.2014).

Eine Einschränkung der politischen Opposition findet nicht statt. Politische Auseinandersetzungen werden jedoch vor allem in Karatschi zum Teil gewalttätig ausgetragen. Dort kamen in diesem Zusammenhang allein 2013 222 Menschen ums Leben. (AA 8.4.2014).

Auch in Belutschistan gehen die politisch motivierten Gewalttaten unvermindert weiter. 2011 wurde der Geltungsbereich der Political Parties Act auf die "Stammesgebiete" ("Federally Administered Tribal Areas", FATA) ausgedehnt. Seitdem dürfen - erstmals in der Geschichte Pakistans - politische Parteien dort aktiv werden (AA 8.4.2014). Der Geheimdienst Inter-Services Intelligence Directorate führt in der pakistanisch verwalteten Kaschmir Region ausführliche Überwachung, insbesondere von Unabhängigkeitsgruppen durch. Die Polizei unterdrückte in Azad Jammu und Kaschmir in den letzten Jahren regelmäßig Demonstrationen gegen die Regierung, in manchen Fällen auch mit Gewalt (FH 1.2013).

Landesweite Wahlkämpfe waren begleitet von Terrordrohungen und Taliban-Angriffen, wobei mindestens 117 Menschen darunter auch politische Kandidaten getötet wurden. Die Taliban hat vor allem die Pakistan People's Party (PPP) und die Koalitionspartner, die Awami National Party (ANP) die Muttahida Qaumi Movement (MQM), bedroht, so dass diese sich zurückhalten mussten (Dawn 10.5.2013).

Nach einem Anschlag mit Schusswaffen und Sprengstoff auf ein Büro der ANP im Gulshan-e-Bunair Gebiet im Juli in Karatschi schloss die ANP ihre Büros in der ganzen Stadt. 2 ANP Aktivisten wurden getötet. Die ANP hatte angenommen, dass nach den Wahlen keine Anschläge mehr folgen würden und die Sicherheitsvorkehrungen herunter gefahren (TET 23.7.2013). Die ANP ist eine Partei, die auf paschtunisch-ethnischer Zugehörigkeit basiert. Sie war Juniorpartner in der vorigen Föderalregierung und hielt die Macht in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Über 100 ihrer Mitglieder wurden durch die Taliban seit 2008 getötet, sie ist das Hauptziel der Taliban unter den politischen Parteien (RFI 29.4.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

Dawn (10.5.2014): Pakistan's bloodiest election campaign comes to an end,

http://www.dawn.com/news/1010513/pakistans-bloodiest-election-campaign-comes-to-an-end, Zugriff 20.10.2014

FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Pakistani Kashmir,

http://www.ecoi.net/local_link/285836/417677_de.html, Zugriff 25.11.2014

FH - Freedom House (1.2013): Freedom in the World 2013, Pakistani Kashmir,

http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir, Zugriff 10.10.2014

RFI - Radio France International (29.4.2013): Awami National Party - Pashtun party seeks national role, http://www.english.rfi.fr/asia-pacific/20130429-awami-national-party, Zugriff 10.10.2014

TET - The Express Tribune (23.7.2013): Awami National Party shuts down offices across Karachi following attack, http://tribune.com.pk/story/580512/awami-national-party-shuts-down-offices-across-karachi-following-attack/, Zugriff 10.10.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 10.10.2014

Haftbedingungen

Das Verhältnis der Zahl der Strafgefangenen (75.444 Ende 2012) zur Gesamtbevölkerung (geschätzt auf 185 Mio.) liegt bei ca. 1:2440 und ist damit gering. Ungefähr 65% der Häftlinge sind nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer Untersuchungshäftlinge; Ende 2012 waren landesweit mehr als 1,4 Mio. unerledigte Strafverfahren anhängig. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß. (AA 8.4.2014).

Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind sehr schlecht. Dies gilt verstärkt für Strafgefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Nach Feststellung von UNODC und Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt (AA 8.4.2014). Menschenrechtsgruppen, welche die Haftbedingungen kontrollierten, fanden sexuellen Missbrauch, Folter und überlange Untersuchungshaft vor. Manchmal folterte und misshandelte die Polizei Personen in Haft und manchmal wurden außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 27.2.2014).

Unzureichende medizinische und Nahrungsversorgung in den Gefängnissen führte zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage waren, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. Einrichtungen für Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang waren inadäquat. Es existierte ein System für grundlegende medizinische Versorgung und Notfallversorgung aber dieses funktionierte nicht immer effektiv (USDOS 27.2.2014).

Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse im Punjab. Die landesweit 97 vorhandenen Einrichtungen sind für rund 44.500 Gefangene ausgelegt, tatsächlich waren dort aber rund 75.444 Personen (Ende 2012) untergebracht; die Belegungsquote liegt bei 169%. Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung, das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen. Eine deutliche Verbesserung der Lage war aber auch 2012 noch nicht festzustellen (AA 8.4.2014). Eine andere Quelle - SHARP, eine NGO für Gefängnisinsassen - schätzte, dass 94.000 Personen in Haft waren bei einer landesweiten Kapazität der Gefängnisse von 36.000. Zwar konnte die Zahl der Häftlinge durch Umsetzung der Justizpolitik von 2009 und die Abarbeitung von Fällen stark reduziert werden, allerdings blieb Überfüllung ein Problem (USDOS 27.2.2014).

Es gibt besondere Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt. Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich 2012 auf rund 1.100, von denen 422 in Untersuchungshaft und 151 zum Tode verurteilt waren. Wenn auch nicht in gleichem Grad wie bei den übrigen Haftanstalten, gibt es auch in den Einrichtungen für Frauen schlechte Haftbedingungen unter unzureichenden hygienischen Bedingungen und mangelhafter medizinischer Versorgung (AA 8.4.2014).

Jugendliche Straftäter waren oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen, wobei diese aber in Kontakt kamen und sie oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung wurden (USDOS 27.2.2014). Jugendgefängnisse existieren nicht. 2012 gab es rund 1.289 jugendliche Strafgefangene; davon waren nur 163 (12,6%) rechtskräftig verurteilt (AA 8.4.2014).

Rechtlich ungeklärt ist die Lage der ca. 2.500 Gefangenen aus den militärischen Operationen im Swat-Tal und in Süd-Wasiristan, die sich in der Gewalt des Militärs befinden. Zum einen fehlt es an einer eindeutigen auf ihren Fall anwendbaren Strafgesetzgebung, zum anderen gibt es weder ordentliche Strafanstalten noch ein funktionierendes Justizwesen in den vom Militär befreiten Gebieten. Das Militär hat im Swat Tal zur Rehabilitation radikaler Muslime vier "Deradikalisierungszentren", zwei für Männer und je eins für Frauen und Heranwachsende, eingerichtet. In dreimonatigen Kursen werden psychiatrische Behandlung und religiöse Unterweisung angeboten (AA 8.4.2014).

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einem in jeder Provinz. Obwohl ein Beschwerdesystem für Gefangene existierte, um Missstände aufzuzeigen, funktionierte dieses nicht effektiv. Nach einer Beschwerde muss der Beschwerdeführer im gleichen Gefängnis verbleiben, weshalb Gefangene schweigen. Inspektoren besuchen die Gefängnisse, allerdings nicht regelmäßig. Das Internationale Rote Kreuz durfte keine Gefängnisse in den Konfliktgebieten Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Belutschistan besuchen, die Regierungen von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben dem Roten Kreuz unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 13.10.2014

Todesstrafe

Bei Verwirklichung von 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden, darunter Mord, Anstiftung zum Mord, Hochverrat, Spionage, Blasphemie (falls der Tatbestand der Prophetenbeleidigung gegeben ist), Besitz von und Handel mit mehr als 1 kg Rauschgift, gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung, terroristischer Anschlag mit Todesfolge und Internet-Terrorismus ("cyber terrorism") mit Todesfolge. Zwingend vorgeschrieben ist sie bei Mord, Vergewaltigung und Blasphemie (falls der Tatbestand der Prophetenbeleidigung verwirklicht ist). Der unter die Todesstrafe gestellte Strafenkatalog geht weit über den nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus. Die Todesstrafe wird in Pakistan weiterhin verhängt, seit September 2008 ist sie wegen eines Moratoriums jedoch nicht mehr vollstreckt worden (AA 8.4.2014). Im November 2012 allerdings ließen Militärbehörden Muhammad Hussain hinrichten. Ihm wurden drei Morde zur Last gelegt. Gnadengesuche des Armeechefs und des Präsidenten waren abgelehnt worden. Damit wurde erstmals seit 2008 wieder ein Todesurteil in Pakistan vollstreckt. Die [damalige] Regierung distanzierte sich von der Entscheidung der Militärbehörden, das Todesurteil zu vollstrecken. Auch wenn es durch die Militärbehörden durchgeführt wurde, befürchten Aktivisten, dies könnte das Tor zur Wiederaufnahme von Hinrichtungen öffnen. Mehr als 8.300 Menschen saßen 2012 in der Todeszelle, einige von ihnen bereits seit zwei bis drei Jahrzehnten. Im Laufe des Jahres wurden 242 Todesurteile ausgesprochen (AI 5.2013). Jedoch nach Angaben der Human Rights Commission of Pakistan gab es in pakistanischen Gefängnissen Ende November 2013 7.119 zum Tode Verurteilte (AA 8.4.2014).

In Revisionsverfahren wird die Todesstrafe oft in lebenslange Freiheitsstrafen, die gesetzlich auf 25 Jahre begrenzt sind, umgewandelt, insbesondere bei Verurteilungen wegen Mordes bei Zustimmung der Familie des Opfers. Während sich insbesondere Menschenrechtsgruppen für die Abschaffung der Todesstrafe aussprechen, gibt es erhebliche Widerstände seitens islamischer Kleriker sowie aus Teilen der Bevölkerung (AA 8.4.2014).

Die [neue] Regierung unter Nawaz Sharif hatte Anfang August 2013 eine Wiederaufnahme von Exekutionen angekündigt. Nach Kritik durch NGOs und der EU wurden die geplanten Exekutionen offiziell ausgesetzt und damit das Moratorium, das im Land seit 5 Jahren besteht, bestätigt (AF 29.8.2013; vergleiche auch: AA 8.4.2014). Der Ministerpräsident hat das Moratorium für die Todesstrafe im Zusammenhang mit Terrorismusfällen aufgehoben. Dies erfolgte nach dem aktuellen Überfall auf eine vom Militär betriebene Schule in Peshawar, der zwischen 141 und 153 Todesopfer forderte (DS 17.12.2014; vergleiche auch: Dawn 17.12.2014).

2013 wurden mindestens 227 Personen zum Tode verurteilt, es wurden jedoch weiterhin keine Exekutionen durchgeführt (HRCP 3.2014 / FCO 10.4.2014). Derzeit befinden sich mehr als 8.300 Gefangene im Todestrakt (FCO 10.4.2014)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AF - Agenzia Fides (29.8.2013): Sharif's Pakistan stops the executioner,

http://www.fides.org/en/news/34186-ASIA_PAKISTAN_Sharif_s_Pakistan_stops_the_executioner, Zugriff 13.10.2014

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 13.10.2014

Dawn (17.12.2014): Nawaz removes moratorium on death penalty, http://www.dawn.com/news/1151408/nawaz-removes-moratorium-on-death-penalty, Zugriff 17.12.2014

DS - Der Standard (17.12.2014): Pakistan will nach Taliban-Angriff wieder Todesstrafe anwenden,

http://derstandard.at/2000009430579/Taliban-nehmen-500-Schueler-in-Pakistan-als-Geisel, Zugriff 17.12.2014

FCO - UK Foreign and Commonwealth Office (10.4.2014): Human Rights and Democracy Report 2013 - Section XI: Human Rights in Countries of Concern - Pakistan,

http://www.ecoi.net/local_link/273706/402743_de.html, Zugriff 8.10.2014

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2014): State of Human Rights in 2013, http://www.hrcp-web.org/hrcpweb/report14/AR2013.pdf, Zugriff 8.10.2014

Religionsfreiheit

Laut CIA World Factbook mit Stand Juli 2013 sind 96,4 % der rund 193 Millionen Pakistanis (Schätzung) offiziell Muslime, davon 85-90 % Sunniten und 10-15% Schiiten (CIA 20.6.2014; vergleiche auch: BFA 10.2014). Anhand der letzten Volkszählung von 1998 geben USDOS und BAMF die Aufteilung mit 75 % Sunniten und 25 % Schiiten an (USDOS 28.7.2014, BAMF 8.2011). Die restlichen 5 % machen Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und weitere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten aus (USDOS 28.7.2014; vergleiche auch:

BFA 10.2014).

Der Secretary des Ministerium für Nationale Harmonie geht von circa 10 Millionen Minderheitenangehörigen aus, vier Millionen Christen, drei Millionen Hindus, 20.000 Sikhs, dazu Bahais und Parsen sowie Ahmadis. Insgesamt ist die Zahl der Nicht-Muslime in Pakistan stark zurückgegangen, bei der Staatsgründung machten sie noch 29 % der Bevölkerung aus, 1970 10 % und bei der letzten Volkszählung 1998 waren dies nur noch 3 %. Es ist nicht klar, ob dies auf Konversionen, Abwanderungen oder unterschiedliches Bevölkerungswachstum zurückgeführt werden könnte. Möglich ist auch, dass bei der Volkszählung der Anteil der Minderheiten nach unten redigiert wurde, um diesen weniger politische Repräsentation zugestehen zu müssen (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch dezidierten Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (BFA 10.2014; vergleiche auch: Murad Ullah 1.-2.10.2012).

Obwohl die Verfassung die Einrichtung adäquater Regelungen zum Schutz der religiösen Minderheiten und der freien Ausübung ihrer Religionen verlangt, begrenzen andere Bestimmungen der Verfassung und weiterer Gesetze diese Rechte. Die Verfassung und andere Gesetze schränken somit die Religionsfreiheit ein. In der Praxis setzte die Regierung diese Einschränkungen auch durch, insbesondere gegenüber Ahmadis. Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion. Aufgrund einer diskriminierenden Gesetzgebung waren Minderheitenangehörige oft verängstigt, ihre Religion frei auszuüben und die Politik der Regierung bietet den Angehörigen der Minderheitenreligionen nicht denselben Schutz wie den Mehrheitsreligionsgruppen. Es gibt weiterhin Missbrauch der Blasphemie-Gesetzregelungen und anderer Gesetze, wie der "Anti-Ahmadiyya" genannten Gesetzesregelungen (USDOS 28.7.2014; vergleiche auch: BAMF 8.2011, BFA 10.2014). Diese Gesetze diskriminieren religiöse Minderheiten und bieten Anlass zur Strafverfolgung, wobei hier insbesondere die Strafandrohungen gegen die Ahmadiyya-Gemeinschaften zu nennen sind, die zudem auch bei der Ausübung ihres religiösen Glaubens behindert werden (BAMF 8.2011; vergleiche auch: BFA 10.2014). Religiöse Minderheiten waren überproportional von Vorfällen betroffen, in denen private Individuen versuchten, die vage formulierten Blasphemie Gesetze missbräuchlich gegen sie zu verwenden (AI 5.2013).

Es gibt keine offizielle Einschränkung zur Errichtung von Glaubensstätten, doch Behörden auf Distriktebene verweigerten regelmäßig die Genehmigung zur Errichtung von Glaubensstätten, insbesondere für Ahmadis. Minderheitenvertreter werfen Behörden Untätigkeit bei Übergriffen von Extremisten auf ihre Gebetsstätten vor. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 28.7.2014; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Angehörige religiöser Minderheiten wie Ahmadi, Hindu und Christen erfahren ein beträchtliches Risiko, wegen ihres Glaubens eingeschüchtert und gewaltsam angegriffen zu werden (AI 5.2013). Es gab viele Angriffe auf Versammlungen und religiöse Plätze von Ahmadis, Hindus, Sufis, Schiiten und Christen bei denen es zahlreiche Tote und große Zerstörungen gab. Es kam vermehrt zu Gewalt durch aufgebrachte Menschenmengen und Selbstjustiz (USDOS 28.7.2014). Die Lage der religiösen Freiheit hat sich im Berichtszeitraum verschlechtert (USCIRF 30.4.2014).

Minderheiten sind ein Ziel von Extremisten. Die Taliban haben eine repressive Interpretation des Islams, die Situation für Nicht-Muslime stuft die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) deshalb als kritisch ein. Kritischer sei sie allerdings für jene Muslime, bei denen die Taliban denken, dass sie vom Glauben abgefallen sind. Die terroristische Gewalt zielt besonders auf Schiiten. UNHCR nennt die Lage der religiösen Minderheiten als eines der gröbsten Menschenrechtsprobleme Pakistans, insbesondere die Lage der Hazara, unter anderem aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Schiitentum. Gezielte Tötungen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte. Durch die Anschläge der Terroristen entsteht Misstrauen zwischen den Religionen (BAA 6.2013; vergleiche auch: AA 10.2014a, BFA 10.2014).

Es gibt eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt - Zentren von Intoleranz, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessensgruppen, die sich ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten, führt der Vertreter der NCJP [National Commission for Justice and Peace] aus. Die NRJP geht davon aus, dass eigentlich Extremisten hinter Ausschreitungen stehen. Auch gibt es den Verdacht, dass hinter den Vorwürfen zu Blasphemie gegen Christen, Versuche einflussreicher Personen oder Gruppen stehen, sich Land anzueignen. Einige lokale Führer zündeln und hetzten eine Menschenmenge auf. Es ist ein System der "Checks and Balances", eine Kontrolle der Moscheen notwendig, aber es mangelt an politischem Willen (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Per Gesetz ist es Madrassen verboten interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. In der Praxis gibt es allerdings Kleriker, die Intoleranz predigen. Außerdem gibt es - wenige, aber einflussreiche - Madrassen, an welchen Gewalt oder Extremismus gepredigt werden. Um dies zu drosseln wurde vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden registrieren lassen müssen und keine Finanzierung aus dem Ausland annehmen dürfen (BFA 10.2014; vergleiche auch: USDOS 28.7.2014).

Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigen alle Interviewpartner. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil, so die Deutsche Botschaft. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Seit der Anwendung des Paragraph 295, C gegen Blasphemie traten zwei bis drei Vorfälle von Ausschreitungen auf, so wie im März 2013 gegen die christliche Gemeinde in römisch 40 . Die HRCP gibt an, dass trotz des grundsätzlich friedlichen Alltags die Gewaltvorfälle und die Spannungen zunehmen. Neben vereinzelten Ausschreitungen gegen christliche Siedlungen richten sich Demonstrationen mit Hetzkampagnen bestimmter extremistischer Gruppen immer wieder gegen Ahmadis. Es gäbe allerdings mehr Spannungen unter den Muslimen als zwischen Muslimen und den Minderheiten. Daneben kommt es auch immer wieder zu kleineren Gewaltakten gegen Einrichtungen und Glaubensstätten der Minderheiten. Die NCJP hat für 2012 für alle nicht-muslimische Minderheiten neun solcher Vorfälle gesammelt, in denen Gräber geschändet, sowie Kirchen, Tempel und Ahmadiyya Moscheen vandalisiert wurden, darunter die Brandstiftung an einer Kirche in Mardan, Khyber Pakhtunkhwa, im Zuge der Proteste gegen einen Mohammed beleidigenden US-Film (BAA 6.2013; vergleiche auch:

BFA 10.2014).

Bei Drohungen kümmert sich die Polizei oft nicht darum. Allgemein gibt es eine schlechte Performance der Polizei bei solchen Vorfällen, sie steht eher daneben, als dass sie eingreifen würde. Für die NCJP stellt sich die Lage so dar, dass Gewaltakte durch eine aufgebracht Menschenmenge ausbrechen können, da die Gewalttäter meistens nicht bestraft werden und damit eine abschreckende Wirkung fehlt. Das Rechtssystem ist für jeden gleich, meint allerdings HRCP, aber es gibt große Problemstellungen, die Polizei untersucht oft nicht genau. Bei Prozessionen, wie Palmsonntagprozessionen, werden als Prävention allerdings Polizeischutzmaßnahmen ergriffen (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Die begrenzte Kapazität und Willen der Regierung Täter der steigenden extremistischen Übergriffe gegen Minderheiten und Personen, die sich für Toleranz einsetzen, zu verfolgen, lässt ein Klima von Straflosigkeit zu (USDOS 28.7.2014).

Die religiöse Intoleranz hat zugenommen. Die Mehrheit befürwortet jedoch Toleranz und ist gegen Extremisten. Die Menschen wählen säkulare Parteien. Das Land hat auch positive Veränderungen in diesem Bereich gesehen. Bis vor einigen Jahren konnte man kaum über interreligiöse Toleranz sprechen. Schon Musharraf versuchte zu de-islamisieren, zwar nicht erfolgreich, doch der Prozess wurde durch die PPP forciert. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren, was vorher nicht ging. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten (BAA 6.2013, BFA 10.2014).

Im Alltag gibt es keinen aktiven Konflikt, aber es gibt Diskriminierung und Ungleichheit und dies ist die Basis für Disharmonie. Minderheiten treffen auf Diskriminierung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, in Bildung, Gesundheit und Regierung. Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014). Die meisten Minderheitengruppen, außer Schiiten, berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen. Auch der Karriere-Aufstieg von Minderheitenangehörigen im Staatsdienst ist anscheinend begrenzt, insbesondere für Ahmadis (USDOS 28.7.2014,).

Seit Juli 2013 ist das frühere eigenständige Nationale Ministerium für Interreligiöse Harmonie ein Teil des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten geworden (USDOS 28.7.2014; vergleiche auch: AA 8.4.2014, BFA 2014). Das zusammengeführte Budget des Ministeriums dient als finanzielle Assistenz zur Förderung ärmerer Minderheiten und die Renovierung von Glaubensstätten fällt ebenfalls in die Verantwortlichkeit des Ministeriums (USDOS 28.7.2014). Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 8.4.2014).

Die Bildungskampagne ist ein Fokus der NCJP und des damaligen Nationalen Ministerium für Harmonie. In der Lehrerausbildung, in den Lehrplänen und Schulbüchern wird versucht vorhandene Diskriminierung zu eliminieren und Toleranz zu fördern. Der Vertreter der PIL betont die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen, insbesondere muslimischen. Wenn ein bedeutender, muslimischer geistlicher Führer, wie der Vorsitzende des Pakistan Ulema Council, für interreligiöse Harmonie spricht, findet dies Gehör (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

2009 wurde in allen staatlichen Bereichen bei der Anstellung eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten eingeführt. Diese wurde allerdings noch nicht erreicht und wird im Land ungleich umgesetzt. Auch auf Distriktebene wurden Komitees zur Interreligiösen Harmonie zur Förderung von Toleranz zwischen den Religionen eingerichtet (USCIRF 30.4.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Das Gesetz sieht für die Einrichtung einer unabhängigen Nationalen Kommission für Menschenrechte vor, bestehend aus 10 Mitgliedern, mit einem Sitz für einen Vertreter der Minderheiten. Von den 342 Parlamentariern sind 10 Angehörige einer religiösen Minderheit. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen, drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan (USDOS 28.7.2014). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014; vergleiche auch: Murad Ullah 1.-2.10.2012).

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, Verletzungen der Rechte der Minderheiten fallen in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6.2013).

In Pakistan finden sich nicht nur unterschiedliche Religionen, sondern viele Variationen der muslimischen Identität und der religiösen Intensität. Religiöse Intoleranz findet sich auch zwischen den muslimischen Sekten und innerhalb der sunnitischen Konfession, z.B. zwischen der Barelvi Sekte [auch Ahle Sunnat wal Jama'at], die sehr viel Sufi-Einfluss aufweist, aufgeschlossener ist und die Mehrheit der Pakistanis ausmacht, und der Deobandi, die islamistisch geprägt ist (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014). Die sunnitischen hanafitischen Barelvi Muslime hängen traditionellen Glaubenspraktiken, darunter auch der Verehrung von Heiligen (Sufis) und deren Gräber, an. Die Hanafiten sind mit 50% Anteil an der islamischen Bevölkerung die zahlenstärkste muslimische Gruppe in Pakistan. Die Barelvi werden von den Deobandi und den Ahle Hadith, zwei weiteren sunnitischen Glaubensrichtungen, wegen der Verehrung von Sufi-Heiligen sowie sonstiger Praktiken abgelehnt und von Extremisten unter diesen bekämpft. Auch die Barelvi lehnen die Anschauungen der anderen sunnitischen Sekten ab. Angehörige der sunnitischen hanafitischen Barelvi Muslime und Schiiten werden vielfach Opfer sunnitischer Extremisten, wobei sich diese Vorfälle meist in Städten abspielten. Häufig wurden Selbstmordattentäter auf schiitische Prozessionen angesetzt (BAMF 8.2011; vergleiche auch: BFA 10.2014).

In Khyber Pakhtunkhwa kommt es zu interkonfessionellen Anschlägen auf Moscheen, in den Stammesgebieten zu Zusammenstößen zwischen schiitischen und sunnitischen Stämmen. In Karatschi setzen sich die Schiiten zur Wehr. Die Sipah-e-Muhammad Pakistan ist z.B. eine schiitische Gruppe, die in Karatschi in gezielte Tötungen an religiösen Führern und Aktivisten der verbotenen, terroristischen sunnitischen Sipah-e-Sahaba involviert ist. In Karatschi finden auch Schießereien zwischen schiitischen und sunnitischen Gangs statt. Im Sindh, außerhalb Karatschis, gibt es wenige interkonfessionelle Zwischenfälle. Im Punjab ebenfalls, aber es gibt dennoch vereinzelte Anschläge auf Schiiten (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014). In 2013 ist im Vergleich zu 2012 die Anzahl von sektiererischen Attacken gestiegen, allerdings ist Zahl der Opfer gesunken (BFA 10.2014). Schiiten leben vor allem in römisch 40 . In der Stadt sind die Kontrollen hoch und sie ist relativ unter Kontrolle der Sicherheitskräfte (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014). Klerikern, die als zur Gewalt anstiftend gesehen werden, wird während Muharram die Einreise in viele Distrikte des Punjabs und des Sindhs verwehrt (HRCP 3.2014; vergleiche auch: BFA 10.2014). Für schiitische Prozessionen wird Polizeischutz zur Verfügung gestellt, dennoch kommt es dabei zu Anschlägen (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Im Jahr 2013 sind bei 208 sektiererischen Attacken 687 Menschen gestorben. Mehr als die Hälfte dieser sektiererischen terroristischen Attacken waren gegen die schiitische Gemeinde gerichtet und 37% zielten auf die Sunniten. 471 Angehörige der schiitischen Gemeinde wurden getötet und 99 Sunniten starben. Anschläge und Zusammenstöße zusammengenommen wurden 220 Vorfälle von Gewalt zwischen den muslimischen Konfessionen mit 687 Todesopfern von PIPS registriert (PIPS 4.1.2014). Wie in den letzten Jahren sind circa 80 % aller Vorfälle sektiererischer Gewalt 2013, laut PIPS, gezielte Tötungen (PIPS 4.1.2014). HRW schätzt, dass 2013 über 400 Angehörige der schiitischen Bevölkerung in gezielten Anschlägen in Pakistan getötet wurden, mindestens 200 davon in Belutschistan, die meisten von diesen wiederum Hazara (HRW 21.1.2014). Allein in den ersten Wochen von 2013 starben über 200 Hazara in gezielten Anschlägen in Quetta (HRCP 3.2014).

2012 nahm die sektiererische Gewalt in Pakistan somit zu, obwohl sie 2011 zurückgegangen war. In 2013 gab es einen noch höheren Anstieg von Opfern der sektiererischen Gewalt (BFA 10.2014). In der Berichtszeit Juli 2013 bis Juni 2014 gab es 122 Vorfälle von sektiererischer Gewalt. Es gab 1.200 Opfer einschließlich 430 Todesfälle (USCIRF 8.2014). Karatschi, Quetta und Peschawar waren die Hotspots von sektiererischer Gewalt in 2013. Eine beträchtliche Zahl an Vorfällen von sektiererischer Gewalt wurde auch aus Hangu, Parachinar, Islamabad-Rawalpindi gemeldet. Aufgeschlüsselt fanden laut PIPS 84% aller Vorfälle von sektiererischer Gewalt in diesen sechs Städten statt. Weitere Schwerpunkte 2013 waren: Bolan in Belutschistan, Bhakkar, römisch 40 und Gujrat in Punjab. Vorfälle von sektiererischer Gewalt wurden in 29 Distrikten der vier Provinzen und aus dem FATA gemeldet. Dies bedeutet, dass die Verbreitung der sektiererischen Gewalt allmählich wächst und dass einige Regionen zu regelmäßigen Hotspots der sektiererischer Gewalt werden (PIPS 4.1.2014).

Auch die ersten beiden Monate 2013 waren, verbunden mit der Vorwahlzeit, von stark erhöhter interkonfessioneller Gewalt gezeichnet, in erster Linie in Karatschi und Quetta. Im Jänner und Februar 2013 wurden bei interkonfessionellen Anschlägen 238 Menschen getötet, ein Großteil davon bei zwei verheerenden Anschlägen in einem Viertel der schiitischen Hazara in Quetta. Nach diesem Höhepunkt nahm diese Art des Terrors in den nächsten beiden Monaten ab. Nichtsdestotrotz traf ein weiterer der größeren Anschläge der Vorwahlzeit am 3. März ebenfalls die schiitische Minderheit, diesmal in Karatschi, 48 Menschen starben bei einem Anschlag auf ein schiitisches Viertel (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014).

Verbotene Gruppen wie die Lashkar-e-Jhangvi übernahmen die Verantwortung für Anschläge auf Schiiten (HRCP 3.2014). Sunnitische militante Gruppen operierten mit weiter Straflosigkeit in Pakistan (HRW 21.1.2014). Die Reaktion der Regierung war Großteils unzureichend. In Anerkennung dieser Tatsache kritisierte der Oberste Gerichtshof die Regierung im Jahr 2012 aufgrund der unzureichenden Bemühungen, in Quetta Sicherheit zu gewährleisten. (USCIRF 30.4.2013, BFA 10.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (10.2014a): Pakistan, Staatsaufbau/Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 24.10.2014

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 28.10.2014

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (8.2011):

Informationszentrum Asyl und Migration: Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, http://edoc.bibliothek.uni-halle.de/servlets/MCRFileNodeServlet/HALCoRe_derivate_00005376/BAMF_lage-religionsgemeinschaft-islamische-laender-08-2011.pdf;jsessionid=F438EC5566A93C473403F084B5ACE101, Zugriff 17.10.2014

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

CIA (20.6.2014): The World Factbook Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 24.10.2014

HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (3.2014): State of Human Rights in 2013, http://www.hrcp-web.org/hrcpweb/report14/AR2013.pdf, Zugriff 23.10.2014

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2013): State of Human Rights in 2012,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf, Zugriff 23.10.2014

HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/267806/395161_de.html, Zugriff 23.10.2014

Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.- 2.10.2012):

Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2014): Pakistan Security Report 2013

USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (30.4.2014): 2014 Annual Report, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF%202014%20Annual%20Report%20PDF.pdf, Zugriff 23.10.2014

USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (30.4.2013): 2013 Annual Report, http://www.uscirf.gov/images/2013 USCIRF Annual Report (2).pdf, Zugriff 23.10.2014

USCIRF - US Commission on Internal Religious Freedom (8.2014):

Factsheet Pakistan, Violence Towards Religious Communities in Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1410180802_pakistan-factsheet.pdf Zugriff 24.10.2014

USDOS - US Department of State (28.7.2014): 2013 International Religious Freedom Report- Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/281968/412326_de.html, Zugriff 24.10.2014

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land und uneingeschränkte internationale Reisen, doch die Regierung beschränkt diese Rechte in der Praxis. Die Regierung schränkte den Zugang zu bestimmten Gebieten der FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch bei Studenten wird dies selten durchgesetzt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche ein Kriminalverfahren anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten. Allerdings ist keine gerichtliche Handlung notwendig, damit das Innenministerium einen Namen auf die Liste setzen kann. Sie wird manchmal benutzt, um Menschenrechtsaktivisten und Führer nationalistischer Parteien zu schikanieren. Personen auf der Liste haben das Recht, bei Gericht Einspruch einzulegen (USDOS 27.2.2014)

Die Reisefreiheit in Pakistan wurde 2012 und 2013 häufig eingeschränkt. Durch die interkonfessionelle Gewalt in Gilgit Batlisten und Belutschistan wurden einige Gegenden für einen nicht unbeachtlichen Teil der Bevölkerung zur "no go area". Durch die Sicherheitslage in vielen Agencies der FATA sind diese für Personen von außerhalb und manchmal auch für die Bewohner selbst zur "no go area" geworden. Sicherheitsmaßnahmen führten bei Terrordrohungen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit für alle Bürger. Gewalt zwischen ethnischen Gruppen machten bestimmte Teile Karatschis, die von einer ethnischen Gruppe dominiert wurden, zu einer "no go area" für die andere ethnische Gruppe. Ethnische Gewalt in Teilen Belutschistans schränkten auch hier - vor allem für Hazara - die Bewegungsfreiheit ein. Arbeiter in illegaler Schuldknechtschaft gehörten zu den Gruppen mit den stärksten Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Die Opfer wurden durch bewaffnete Wächter davon abgehalten zu fliehen und die Familien wurden als Geiseln gehalten (HRCP 3.2013; vergleiche auch: HRCP 3.2014).

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Basis mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, römisch 40 , Karatschi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (AA 8.4.2014).

Ahmadis bietet eine Flucht nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, keinen sicheren Schutz vor Repressionen (AA 1.7.2011), aber einen erheblichen. Sie sind dort weitgehend unter sich, doch für ihre Gegner sehr sichtbar (AA 8.4.2014). 95 % der Einwohner der Stadt Rabwah sind Ahmadis. In einer Antwort erklärte die Human Rights Commission of Pakistan, dass die Sicherheit in Rabwah für Ahmadis von der Art der Verfolgung und dem Einfluss der verfolgenden Person abhängt. Rabwah ist zwar sicherer für Ahmadis als die meisten anderen Orte in Pakistan, doch wenn jemand in ganz Pakistan verfolgt wird, dann wird er auch in Rabwah gefunden. In Rabwah zu leben zeigt, dass man Ahmadi ist, sollte man einen Ahmadi aufspüren wollen, würde man dort suchen (UKHO 9.8.2013).

Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen. Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile (AA 8.4.2014).

Zum Spruch des Europäischen Gerichtshofes, Deutschland gegen Y & Z [2012] EUECJ C-71/11 (05 September 2012): Es ist und war im Allgemeinen möglich für Ahmadis ihren Glauben auf einer eingeschränkten Basis sowohl im privaten Bereich als auch in der Gemeinschaft auszuüben, ohne das heimische pakistanische Gesetz zu verletzen. In Bezug auf eine volle Glaubensübung über die Einschränkungen des pakistanischen Strafgesetzes unter Sektion 298B und 298C hinaus, gilt das Gesetz landesweit [Anmerkung: die länderkundlichen Aspekte wurden verwendet, die diesbezüglichen Entscheidungsvorgaben der britischen Behörde wurden nicht miteinbezogen] (UKHO 1.2013).

Für jene Individuen, denen aufgrund schädlicher religiöser Normen oder traditioneller Praktiken Leid droht, wie Opfer von oder Personen in Gefahr von Zwangsheirat, Zwangskonversion oder Ehrenmorden und für die eine interne Relokation in einen anderen Teil des Landes relevant sein kann, muss die Anerkennung solcher Normen durch breite Teile der Gesellschaft und mächtige, konservative Elemente in der Verwaltung berücksichtigt werden (Murad Ullah o.D.).

Laut Bericht des Vertrauensanwaltes, kann eine Person, die von einem Konfliktherd mit Taliban flieht, relativ sicher in einer pakistanischen Stadt in den Provinzen Sindh oder Punjab leben. Hinsichtlich der Sicherheit existieren in Pakistan - schon aufgrund der Größe des Landes - interne Fluchtalternativen. Wenn die Taliban direkt eine Person verfolgen, ist es schwierig sich zu verstecken, Karatschi kann im allgemeinen eine Option für Sicherheit sein, wie weit dies sicher ist, hängt allerdings vom Profil der Person und von der Art des Konfliktes ab, von dem die Person flieht. Es muss sorgfältig auf einer Einzelfallbasis abgeklärt werden. Es hängt von der Ernsthaftigkeit des jeweiligen Konfliktes ab, ob diese Person durch die Taliban gesucht und gefunden werden wird. Paschtunen haben ein enges Familiennetz und da die meisten in Karatschi wieder in diesem Familiennetz bzw. "community" leben, kann man sie über diesen Weg finden. Doch es ist möglich sich aufgrund der Größe Pakistans aus dem Radar der Taliban begeben. Eine "low profile" Person, die z. B. nach Karatschi flüchtet, wird dort von den Taliban nicht aufgespürt werden, da es für die Taliban auch keine Priorität hat, "low profile" Personen zu suchen (ÖB 25.7.2013).

Nach Einschätzung des Vertreters des PIPS (Pakistan Institute for Peace Studies) ist es nicht die Strategie der Taliban, einzelne Personen durch das Land zu verfolgen. Eine Assistenzprofessorin erzählt von Fällen aus Karatschi - wo sich die Taliban im Zuge der durch die Militärinterventionen im Swat-Tal ausgelösten Wanderung in einigen Vororten etablieren konnten - in denen Personen, die gegen die Taliban im Swat-Tal agierten, in Karatschi getötet wurden. Der UNHCR betont, dass die Terrororganisationen zwar meist lokal agieren, einige aber teilweise vernetzt sind und zum Teil zusammen arbeiten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative kann somit nicht generell angenommen werden, sondern muss in jedem Fall einzeln geprüft werden (BAA 6.2013).

Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (1.7.2011): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2013): State of Human Rights in 2012,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf, Zugriff 20.10.2014

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2014): State of Human Rights in 2013, http://www.hrcp-web.org/hrcpweb/report14/AR2013.pdf, Zugriff 20.10.2014

Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (o.D.): Minorities in Pakistan - UNHCR Eligibility Guidelines and practical perspective from the field, Unterlage zu DACH Workshop 1.-2.10.2013

ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (25.7.2013):

Ermittlungsbericht des Vertrauensanwaltes, SLC/SIS/A-15887

UKHO - UK Home Office (9.8.2013): Pakistan Country of Origin Information (COI) Report Pakistan, https://contact-ukba.homeoffice.gov.uk/sitecontent/documents/policyandlaw/coi/pakistan/report-09082013.pdf?view=Binary, Zugriff 20.10.2014

UKHO - UK Home Office (1.2013): Operational Guidance Note Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1357734388_pakistanogn.pdf, Zugriff 20.10.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/270793/400683_de.html, Zugriff 20.10.2014

Grundversorgung/Wirtschaft

Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, einen vergleichsweise deregulierten Markt, niedrige Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten die prekäre Sicherheitslage und die unzureichende Energieversorgung. Mit 4,1 Prozent blieb das Wirtschaftswachstum auch im Haushaltsjahr 2013/14 (01.07.2013-30.06.2014) hinter den Möglichkeiten des Landes zurück und bewegte sich auf dem Niveau der Vorjahre (2010: 3,8 Prozent; 2011: 2,4 Prozent; 2012: 4,4 Prozent; 2013: 3,6 Prozent) (AA 10.2014b). Das Wirtschaftswachstum kann nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten (BAA 6.2013). Nach den Fluten 2010 und 2011 und der weltweiten Nahrungsmittelpreiskrise gab es eine merkbare Zunahme der absoluten Armut (BAA 6.2013). Die Überschwemmungen im September 2014 hatten wie in den Jahren zuvor gravierende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung durch Schäden in Milliardenhöhe und zerstören die Lebensgrundlage der in diesen Gebieten lebenden Bauern, die sich noch nicht gänzlich von den Überschwemmungen des Vorjahres erholt hatten (DW 17.9.2014).

Lag die Inflationsrate 2012 noch bei fast 14 Prozent, konnte sie sich 2013 bei 8 bis 9 Prozent halten. Das Haushaltsdefizit konnte von knapp 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Haushaltsjahr 2012/13 nach Angaben der Regierung auf 5,8 Prozent im vergangenen Haushaltsjahr gesenkt werden. Die Staatsverschuldung Pakistans liegt bei 62,2 Prozent des BIP. Nachdem die Devisenreserven Pakistans seit 2011 geschrumpft waren, ist seit Anfang 2014 wieder ein Aufwärtstrend zu verzeichnen. Die Währungsreserven liegen derzeit bei ca. 10 Mrd. US-Dollar. Defizitäre Staatsbetriebe belasten die öffentlichen Finanzen und benötigen regelmäßig staatliche Finanzspritzen. Pakistan wird seine Staatseinnahmen deutlich erhöhen müssen; mit knapp 9 % des BIP hat es eine der niedrigsten Steuerquoten der Welt (AA 10.2014b).

Es gibt eine Energiekrise, ein großer Teil der Bevölkerung hat keinen regelmäßigen Zugang zu Strom. Die Energiesituation hat sich in den letzten Jahren rapide verschlechtert, es ist jedoch schwer dies zu quantifizieren, da es in letzter Zeit keine Erhebungen gab. Der Stromausfall beträgt landesweit im Sommer bis zu 18 Stunden am Tag. Besonders betroffen ist der Punjab, in anderen Provinzen ist die Situation etwas besser Es gibt ein System des "load shedding shedule", ein öffentlicher Plan und Information, wann die Elektrizität wo abgeschaltet wird (BAA 6.2013; vergleiche auch: BFA 10.2014). Die Stromausfälle haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Lebensumstände der Bevölkerung. Sie führen auch zu einem um 1,5 bis 1,7 Prozentpunkte niedrigeren Wirtschaftswachstum. Die von der neuen Regierung im Juli 2013 vorgestellte Nationale Energiepolitik benennt als erste Priorität die Schließung der Lücke zwischen Stromangebot und -nachfrage (AA 10.2014b).

Die Landwirtschaft Pakistans ist mit einem Beitrag von rund 21 % zum BIP immer noch in vielerlei Hinsicht der wichtigste Sektor der pakistanischen Volkswirtschaft. Über 44 % der arbeitenden Bevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt; knapp 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (u.a. Getreideanbau u. Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit. Der Industriesektor trägt ebenfalls mit 21 % zum BIP bei. Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche, die ca. 60 % aller pakistanischen Exportgewinne ausmacht. Der Dienstleistungssektor hat sich zu einem wichtigen Wachstumsfaktor entwickelt, er trägt inzwischen mit über 50 % zum BIP bei. Wichtigste Bereiche sind hier v. a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen und der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat (AA 10.2014b). Die Telekommunikations- und die Baubranche haben ihre Expansion fortgesetzt und viele formelle und informelle Arbeitsplätze geschaffen. Diese Expansionen haben zu einem besseren Stellenangebot geführt (IOM 8.2013).

Die Gehaltsstruktur ist sehr unterschiedlich verteilt. In den Städten wie Multan, römisch 40 und Islamabad ist eine ausgeprägte Mittelschicht vorhanden, in den ländlichen Gebieten allerdings weniger. Laut IOM liegt das Einkommen der Mittelklasse bei ca. 20.000-30.000 Rupien (ca. € 152-227) im Monat. Durch die Inflation ist das bei einer Familie mit 2 Kindern gerade genug, um die wichtigsten Bedürfnisse zu befriedigen - im Fall eines eigenen Hauses und ohne private Schule. Muss man Miete zahlen, ist es schwieriger (BAA 6.2013).

Im niedrigen öffentlichen Dienst, als Tagelöhner oder Kleinstangestellter zeichnet sich ein Gehalt von 10.000-20.000 Rupien (ca. € 76-152) im Monat ab. Dies reicht kaum, um über die Runden zu kommen, 80 % der Haushaltsausgaben werden für Lebensmittel aufgewendet. Die geschätzte Arbeitslosigkeit ist gering, aber der Arbeitsmarkt ist durch eine Unterbeschäftigung bzw. Unterbezahlung gekennzeichnet. römisch 40 und Karatschi sind teurer, hier braucht man zwischen 30.000 und 35.000 Rupien (ca. € 227-265) im Monat, allerdings gibt es hier mehr Einkommensmöglichkeiten und ein stärker ausgeprägtes Mietwohnungswesen. Es sind zwar alle "irgendwie beschäftigt", aber die Löhne sind gering und reichen schlecht für das notwendigste Auskommen. In Karatschi, Rawalpindi und römisch 40 haben die Menschen eher ihre eigenen kleinen Geschäfte oder Kleinstunternehmen als eine Arbeitsstelle. In den ländlichen Gegenden ist der Großteil in der Land- oder Viehwirtschaft tätig (BAA 6.2013).

Die Organisation National Rural Support Programme erläutert, dass es aufgrund der großen Bevölkerung sehr viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis gibt, neue gut laufende Trends sind z.B. kleine Schönheitssalons oder Handyreparaturwerkstätten. Die Organisation SEPLAA spricht den Bereichen IT, Energie-Sektor, Training und Unterricht hohes Potential in Pakistan zu. Die Leiterin des Women Entrepreneurial Development Programme führt aus, dass es viele Möglichkeiten am Markt gibt, aber das Problem sei oft, das Individuum mit den Marktanforderungen zu verknüpfen (BAA 6.2013).

Nur rund 1.59 Millionen der 59 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2013 Zugang zum Sozialversicherungssystem. Die Zahl der Arbeitslosen nahm von 3,4 Millionen 2010/2011 auf 3,72 Millionen 2013 zu. Rund zwei Millionen Pakistani sind in verschiedenen Formen moderner Sklaverei tätig (HRCP 3.2014).

Es fehlen rund neun Millionen Wohneinheiten. Vertreibungen durch den bewaffneten Konflikt und Naturkatastrophen erschweren die Problematik zusätzlich. 2013 wurden mehr als 20.000 Häuser durch Überflutungen zerstört. 33% der Pakistani leben ohne Kanalisierung. Slumbewohner in Städten hatten kaum grundlegende städtische Infrastruktur zur Verfügung. Hunderte Menschen kamen bei Zusammenbrüchen schlecht gebauter Gebäude ums Leben (HRCP 3.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.2014b): Pakistan, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_C2C3DF892573C0A8B185C354561BDB9D/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Wirtschaft_node.html, Zugriff 9.10.2014

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

DW (17.9.2014): Pakistan's economy battered by floods and political unrest,

http://www.dw.de/pakistans-economy-battered-by-floods-and-political-unrest/a-17927741, Zugriff 29.10.2014

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2014): State of Human Rights in 2013, http://www.hrcp-web.org/hrcpweb/report14/AR2013.pdf, Zugriff 9.10.2014

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 9.10.2014

Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5% des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige. Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6.2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (IOM 8.2013). PBM hat ein Budget von 2 Milliarden Rupien (ca. 15.157.710 €). Es werden unterschiedliche Projekte und Hilfsschemen finanziert, einige Programme für Kinder sowie das Individuelle Finanzielle Unterstützungsprogramm. Das Individuelle-Finanz-Assistenz-Programm richtet sich an besonders bedürftige Personen und setzt sich aus drei Komponenten zusammen. Einerseits kann bedürftigen Antragsstellern eine allgemeine finanzielle Unterstützung bei Armut gewährt werden. Die zweite Komponente des Programms ist eine finanzielle Assistenz zur Förderung von Eigenerwerbsfähigkeit. Dabei wird einer Person finanzielle Unterstützung gewährt, um ein kleines Geschäft zu gründen. Die dritte Möglichkeit der finanziellen Unterstützung wird über die Finanzierung einer medizinischen Behandlung geboten (BAA 6.2013).

Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gibt 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogrammes beträgt ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6.2013).

Die Overseas Pakistanis Foundation (OPF) wurde 1979 im Rahmen des Emigrations Erlasses gegründet. Ihr Ziel ist die Unterstützung der im Ausland lebenden Pakistanis und ihrer in Pakistan gebliebenen Familien. Ihre Angebote umfassen ökonomische Hilfen, medizinische Versorgung und Hilfe (IOM 8.2012). Zielgruppe der OPF sind im Ausland arbeitende Pakistanis und ihre in Pakistan gebliebenen Familien, ein Ziel dabei sind auch Dienstleistungen für zurückkehrende Migranten. Die OPF untersteht dem Ministerium für Auslandspakistanis (OPF o.D.).

Arbeitsvermittlungsbüros von staatlicher Seite gibt es nicht. Es gibt private Arbeitsvermittlungsagenturen (BAA 6.2013).

Zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums wurden durch die Regierung verschiedene Maßnahmen getroffen. Eine Reihe initiierter Projekte soll eine positive Auswirkung auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze haben. Hierzu zählen unter anderem die Verbesserung der physischen Infrastruktur, die Ausweitung des landwirtschaftlichen Potenzials des Landes und die Anwendung neuer Ressourcen zur Bekämpfung der Armut. Das Tameer-e-Pakistan-Programm wurde als Maßnahme zur Verringerung der Armut initiiert und dient dazu, die Einkommensquellen für arme Menschen zu verbessern und Beschäftigungsmöglichkeiten im gesamten Land zu schaffen. Die SME Bank (kleine und mittelständische Unternehmen) wurde am 1. Jänner 2002 mit dem primären Ziel der finanziellen und geschäftlichen Unterstützung von SME gegründet (IOM 8.2013).

Die Aufgabe der Nationalen Kommission zur beruflichen und technischen Bildung ist es, politische Richtlinien für die berufliche und technische Bildung zu erarbeiten und in diesem Bereich regulierend tätig zu sein, damit der nationale und internationale Bedarf an Fachkräften besser gedeckt werden kann. In den folgenden Fachgebieten werden Ausbildungsmaßnahmen angeboten:

Dienstleistungen (Krankenpflege, Tourismus, IT und Telekommunikation); Baugewerbe; Landwirtschaft, Milchproduktion und Viehzucht; Feinmechanik; ähnlich arbeitet der Rat für Berufliche Ausbildung in Punjab (PVTC), der von der Provinzregierung getragen wird. Er bietet nachfrageorientierte Ausbildungen an und ist vor allem um die Vermittlung benachteiligter Jugendlicher bemüht. Die verschiedenen Institute des Rates bieten folgende Ausbildungen an:

Computerreparatur und Wartung, EDV-gestütztes Textildesign, Betriebswirtschaftliche EDV, Reparatur von Mobiltelefonen, Textilverarbeitung, Import / Export Dokumentation, EDV-gestütztes technisches Zeichnen, KFZ-Elektriker, KFZ-Mechaniker, Stickerei, Schneiderei, Kosmetik; Es gibt im privaten Sektor viele NGOs und Institute, die berufliche Aus- und Weiterbildungen anbieten (IOM 8.2013).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 26.11.2014

Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.-2.10.2012):

Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg

OPF - Overseas Pakistanis Foundation (o.D.): Startseite, http://www.opf.org.pk/home.aspx, Zugriff 26.11.2014

Wohlfahrt-NGOS

Private Einrichtungen wie der Edhi-Trust spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6.2013). Dieser bietet soziale Dienste, wie medizinische Versorgung, Notfallhilfe, Luftrettung, Bestattungen, Versorgung psychisch Kranker, Altenheime, Kinderhilfe, Frauenhäuser und Berufsbildung für benachteiligte Menschen an (IOM 8.2013).

Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung engagiert (IOM 8.2013). Er hat sich die Verbesserung der Situation auf dem Lande lebender Familien zur Aufgabe gemacht hat. Die Programme richten sich an Randgruppen, vor allem an Frauen und Kinder. Das Hauptaugenmerk der Bunyad Programme liegt auf Alphabetisierung und Bildung (IOM 8.2012).

Development, Education, Environment, Poverty Alleviation, & Population Welfare Organization (DEEPP) ist eine im südlichen Punjab aktive NGO, die mit benachteiligten und marginalisierten Menschen arbeitet (IOM 8.2013).

Weitere Bespiele sind: Community Development Network Organization, Jacobabad; District Development Association Tharparkar (DDAT); Social Aid for Education and Development (SAFE), Sukkur; Legal Aid and Welfare Society (LAWS), Peschawar; Sarhad Rural Support Corporation (SRSC), Peschawar; Society for Integrated Development (S.I.R.D.), Quetta; Khawra Development Organization Muzaffarabad (IOM 8.2013).

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Die Einheiten erörtern ihren Bedarf und beschließen ihre eigenen Projekte, Aufgabe von NRSP ist das Lukrieren von Finanzierungsmöglichkeiten. Eine weitere Hauptaufgabe ist der Aufbau der Qualifikationen und des Fachkönnens zur Erwerbstätigkeit. Trainings werden z.B. in den Bereichen Alphabetisierung, allgemeines Management, Finanzen, Nutztierhaltung, Forstwirtschaft, aber auch zur Führung kleinerer Geschäfte abgehalten. Das NRSP vergibt auch über die eigene Bank Mikrokredite mit einen Maximum von 30.000 Rupien (ca. € 227) pro Person. Speziell für arme Familien läuft das Social and Human Protection Programme zur Einkommensgenerierung (BAA 6.2013).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 26.11.2014

Rückkehrhilfe und -projekte

Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen (AA 8.4.2014). Kehren sie in ihren Familienverband zurück, ist ihre Grundversorgung im Rahmen dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gesichert (AA 1.7.2011).

IOM betreibt ein Freiwilliges Rückkehrprogramm für Pakistanis aus Österreich, das Projekt ist für das Jahr 2013 auf 30 Personen konzipiert, elf sind bis zum März bereits zurückgekehrt, darunter auch Familien. Bis auf zwei Personen, die ins Swat-Tal zurückgekehrt sind, kommen alle aus dem Punjab. Es wird eine finanzielle Rückkehrunterstützung sowie eine Reintegrationsunterstützung, u.a. durch berufliche Weiterbildung geboten. Die Situation bei der Rückkehr hängt von der Person und den Umständen sowie der Zeit, die sie außer Landes verbracht hat, ab (BAA 6.2013).

Im Rahmen dieses Projekts werden pakistanische Staatsangehörige, die in Österreich (i) Asylwerber/innen, (ii) asylberechtigt, (iii) subsidiär schutzberechtigt, oder (iv) nicht oder nicht mehr aufenthaltsberechtigt sind, bei ihrer freiwilligen Rückkehr und nachhaltigen Reintegration in ihrem Herkunftsland unterstützt. Die Maßnahmen werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen erarbeitet und sind auf deren individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt.

IOM implementiert folgende Aktivitäten: Finanzielle Unterstützungsleistung; Reintegrationsunterstützung; IOM unterstützt Reintegrationsmaßnahmen durch Sachleistungen bis zu einem Maximalwert von EUR 3.000,-, darunter fallen: Berufsberatung und Arbeitsvermittlung, Berufliche und schulische Aus- und Weiterbildungsangebote, z.B. als Mechaniker/in, Computertechniker/in, Frisör/in, Installateur/in, Elektriker/in, etc.; Unterstützung bei der Neugründung von Kleinbetrieben sowie Geschäftsgründungs- und Managementseminare; Unterstützung beim Ankauf von Werkzeugen und Ausrüstungen; Sonderunterstützung für Projektteilnehmer/innen mit besonderen Bedürfnissen (IOM o.D.).

Die Unterstützung zur Erwerbstätigkeit wird, laut IOM, an die Person angepasst. Bei der Aus- und Weiterbildung für den Arbeitsmarkt wird darauf aufgebaut, welche beruflichen Erfahrungen die Betroffenen mitbringen, und dies mit den Marktanforderungen abgeglichen. Die finanziellen Mittel sind auf kleine Geschäftsgründungen angelegt. Geschäfte, die so eröffnet wurden, sind z.B. kleine Kleider-, Lebensmittel-, Mobiltelefongeschäfte oder Schönheitssalons - diese sind derzeit erfolgreich (BAA 6.2013). IOM in Pakistan führt kontinuierliches Monitoring mit den Projektteilnehmer/innen vor Ort durch (IOM o.D.).

Auch die pakistanische NGO WELDO betreut Rückkehrprogramme. Es gibt unterschiedliche Programme für die freiwillige Rückkehr. Es werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Sie versuchen die Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und vermitteln Arbeitsplätze. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Meist sind jene Migranten nur schlecht ausgebildet. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird geboten. Die meisten Programme enthalten auch finanzielle Leistungen für die Betroffenen. Es gibt verschiedene Programme z.B. für vulnerable Personengruppen, unbegleitete Minderjährige und Menschen, die psychische Hilfe benötigen. WELDO kümmert sich ebenfalls und im gleichen Umfang um zwangsweise Abgeschobene (BAA 6.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (1.7.2011): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

IOM - Internationale Organisation für Migration (o.D.):

Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden nach Pakistan, Informationsblatt

Medizinische Versorgung

Pakistan verfügte mit Stand 2010 über 975 öffentliche (staatliche) Spitäler des tertiären und sekundären Sektors und insgesamt 13.051 staatliche medizinische Grundversorgungseinrichtungen. Laut einem Überblick von 2001 verfügte Pakistan über 73.000 private Einrichtungen - die meisten von diesen Einzelkliniken. Der Non-Profit und private Wohltätigkeitsbereich verzeichnete in einer Erhebung vom Jahr 2005 über 7.000 Betten. Pakistan hat ein Netz von mehr als 62.000 Apotheken, allerdings nur 2.000 qualifizierte Apotheker. Im Jahr 2009 gab es 109 Schulen für Krankenpflege sowie 141 für Hebammen (Lancet 17.5.2013).

In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden (AA 8.4.2014). Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind, laut IOM, in Pakistan behandelbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Organtransplantationen oder Dialysen werden durchgeführt. In sehr seltenen Fällen ist eine Behandlung nicht erhältlich. Doch es gibt Problemstellungen im Gesundheitssystem. Eines der gravierendsten Probleme ist die geringe Dichte an Humanressourcen im Gesundheitsbereich. 121.374 Ärzte sind derzeit, laut einer Lancet Studie, in Pakistan registriert. Daneben gibt es auch Engpässe bei anderem medizinischen Personal (BAA 6.2013). Auf 1.127 Personen kommt ein Arzt, auf 14.406 Personen ein Zahnarzt und auf 1.786 Personen ein Krankenhausbett (HRCP 3.2014).

Eine starke Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gebieten verstärkt die Situation, erläutert IOM. In den großen Städten gibt es eine relativ gute medizinische Versorgung. Insgesamt ist, so eine Führungsangestellte des privaten Kulsum Krankenhauses, in den städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser, während sie in den ländlichen Gebieten oft nicht abgedeckt ist. Doch auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede, in den ländlichen Gebieten des Sindh ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen. Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die von Aufständischen ausgehende Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte, besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen. Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört somit zu einer der höchsten weltweit. So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an (BAA 6.2013).

Die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, ist hoch, erläutert IOM. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gibt es 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern. Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme. Oft fehlen den Primärgesundheitsstationen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser überladen werden mit Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind. Jedoch auch im öffentlichen Bereich gibt es Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds (BAA 6.2013).

Einige Beispiele für Krankenhäuser in römisch 40 sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das römisch 40 General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karatschi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karachi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karachi. In Gujranwala gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2013). Das "Pakistan Medical and Dental Council" zertifiziert medizinische Einrichtungen. Eine Infektionskontrolle ist vorhanden, diese hat allerdings Schwächen. Ein konsistentes, umfassendes Gesundheitskontrollsystem ist noch nicht eingerichtet (BAA 6.2013).

Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind (AA 8.4.2014). Im Allgemeinen ist eine große Bandbreite an Medikamenten erhältlich. Im privaten Sektor ist alles erhältlich an Medikamenten. Es traten in der Vergangenheit Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurden 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde und ein entsprechendes Gesetz eingerichtet. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft, so eine Gesprächspartnerin des Kulsum Krankenhauses (BAA 6.2013).

70 % der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6.2013).

Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6.2013; vergleiche auch: auch AA 8.4.2014). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der Stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6.2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z.B. Organtransplantationen) zu (AA 8.4.2014).

Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6.2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten:

Psychosoziale Unterstützung, Medizinische Notversorgung, Familienplanung, Kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2013).

IOM nennt das von Imran Khan gegründete Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in römisch 40 als Beispiel, welches führend auf dem Gebiet der Krebsbehandlung ist und gleichzeitig über ein System der Gratisversorgung bei Bedürftigkeit verfügt. Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6.2013).

Die Edhi Foundation unterhält 335 Gesundheitszentren in ganz Pakistan mit 24 Stunden Service und 1.800 Ambulanzfahrzeuge sowie 250 Notfallambulanzen, 28 Rettungsbooten, 30 Apotheken, kostenlose Kliniken und Diagnosezentren in Karatschi und Hyderabad, zwei Geburtskliniken in Karatschi, ein Diabetes-Zentrum in Karatschi, Laboratorien in Karatschi und Hyderabad, zwei Krankenpflege-Ausbildungszentren in Karatschi, Rehabilitationszentren für Drogenkranke in Karatschi und einen Luftrettungsdienst. Sie verteilt auch notwenige medizinische Behelfe wie Rollstühle, Patientenbetten, Sauerstoffflaschen u.a. Die Einrichtungen der Edhi Foundation richten sich an Bedürftige und sind kostenlos (BAA 6.2013). Zentren der Edhi Foundation, der größten Wohlfahrtstiftung Pakistans werden sowohl in Großstädten als auch in entlegenen Gebieten unterhalten (IOM 8.2013).

Die Regierungskampagne zur Bekämpfung von Polio hat heftigen Widerstand von konservativen religiösen Gruppen insbesondere in KPK, FATA und Belutschistan ausgelöst, dem bereits mehrere Ärzte und Helfer zum Opfer gefallen sind (ÖB 1.2013). 2013 wurden 85 Poliofälle gemeldet, 60 davon in FATA. Somit gab es 2013 mehr Poliofälle als 2012. 20 Personen die für Polioimpfungen im Land unterwegs waren, wurden 2013 getötet, sowie neun Polizisten, die zu ihrem Schutz abgestellt waren. Zudem starben 2013 mehr als 300 Personen an Masern; bei mehr als 16.000 Patienten wurde Dengue diagnostiziert, viele Menschen starben daran, insbesondere im Swat-Bezirk in Khyber-Pakhtunkhwa (33 Todesfälle) (HRCP 3.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2014): State of Human Rights in 2013, http://www.hrcp-web.org/hrcpweb/report14/AR2013.pdf, Zugriff 9.10.2014

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 13.10.2014

Lancet (17.5.2013): Health Transitions in Pakistan 1 Pakistan's health system: performance and prospects after the 18th Constitutional Amendment,

http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)60019-7, Zugriff 9.10.2014

ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad (1.2013): Asylländerbericht Islamische Republik Pakistan

Behandlung nach Rückkehr und Dokumente

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Griechenland und Großbritannien, werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 8.4.2014). Rückkehrer sind, ebenso wie die restliche Bevölkerung, mit den alltäglichen Problemen des Landes konfrontiert. Dies betrifft in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit, Korruption, wirtschaftliche Aspekte, Strom- und Gasversorgung usw. Zum großen Teil werden diese Probleme jedoch durch die umfassende Einbindung in die großflächigen und weitverzweigen Familienstrukturen abgemildert und aufgefangen (ÖB 1.2013).

Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card - PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Die zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden (IOM 8.2013).

Pakistan Origin Card (POC): Eine Person kann eine POC erhalten, wenn sie ausländischer Staatsbürger ist und zu einem Zeitpunkt des Lebens ein Staatsbürger Pakistans gewesen ist. National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP: Die NADRA-Behörde stellt dieses Papier pakistanischen Arbeitern/Emigranten und Bürgern im Ausland aus, sowie Pakistanis, die die doppelte Staatsbürgerschaft haben und bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Die NICOP und auch die POC können wenn nötig auch anstelle der National Identity Card verwendet werden (IOM 8.2013).

Children Registration Certificate: Die NADRA-Behörde sieht vor, für jedes Kind unter 18 Jahren ein solches Meldezertifikat auszustellen. Das Zertifikat enthält Informationen wie Name, Meldenummer, Namen der Eltern und Nummer ihrer computerisierten Nationalen Ausweise, Geburtsdatum, Geburtsort und Geschlecht (IOM 8.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 9.10.2014

ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad (1.2013): Asylländerbericht Islamische Republik Pakistan

Individuell:

Die Identität der BF konnte festgestellt werden. Der Ermittler/untersuchende Beamte machte sich auf den Weg nach römisch 40 , römisch 40 und traf dort Ortsansässige. Sie kennen den BF und seine Familie. Sie gaben jedoch an, dass sich der BF gegenwärtig im Ausland aufhält. Sie bestätigten auch, dass der BF keinerlei Probleme in Pakistan hätte.

Es existiert absolut kein Beweis dafür, dass der BF jemals ein Mitglied der PTI gewesen ist. Ein lokaler Geschäftsmann und der echte Neffe des BF bestätigten, dass der BF in keiner politischen Beziehung besonders mit der PTI steht.

Es existiert kein Beweis dafür, dass der BF bei einer Parteiversammlung der PTI in römisch 40 am 01.06.2010 teilgenommen hat. Niemand erinnert sich an solch eine Aktivität. Der BF behauptete, dass er und zwei andere Personen diese Parteiversammlung vorbereitet haben, als plötzlich Parteimitglieder der PML-N kamen. Diese Menschen drohten den BF und die anderen zwei Personen zu töten und sie haben angeblich versucht ihn zu erschießen. Der BF behauptet, dass er nicht getroffen wurde und flüchten konnte. Der BF legte fünf Erste Informationsberichte vor (Kopien der Dokumente sind beigefügt). Zwei der Ersten Informationsberichte befassen sich mit dem oben angeführten Vorfall, als der BF angegriffen wurde. Die anderen FIRs wurden gegen den BF eingereicht, auch wenn er nicht mehr in Pakistan aufhältig war. Tatsache ist, dass alle diese Ersten Informationsberichte als falsch und gefälscht befunden wurden. Es kam nicht zu so einem Vorfall. Dementsprechend existiert kein Fall gegen den BF.

Alle vorgelegten Ersten Informationsberichte sind gefälscht. Die drei vorgebrachten FIRs der Polizeistation römisch 40 , sind gefälscht. Die Anklagepunkte in dem vorgelegten Ersten Informationsbericht mit der Nummer römisch 40 sind römisch 40 , römisch 40 wobei sie in den Originalaufzeichnungen römisch 40 lauten (siehe beigefügte Kopie des Original-Ersten Informationsberichts). Die Anklagepunkte im vorgelegen FIR mit der Nummer römisch 40 sind römisch 40 , wobei es jedoch in den Originalaufzeichnungen römisch 40 lautet (siehe beigefügte Kopie des Original-Ersten Informationsberichts). Die Anklagepunkte im vorgebrachten FIR mit der Nummer römisch 40 sind römisch 40 , römisch 40 wobei es jedoch in den Originalaufzeichnungen römisch 40 lautet (siehe beigefügte Kopie des Original FIRs). Auch die beiden vorgelegten Ersten Informationsberichte der Polizeistation römisch 40 sind gefälscht. Die Anklagepunkte in dem vorgelegten Ersten Informationsbericht mit der Nummer römisch 40 sind römisch 40 wobei sich in den Originalaufzeichnungen um ein offizielles römisch 40 handelt (siehe beigefügte Kopie des OriginalErsten Informationsberichts). Die Anklagepunkte im FIR mit der Nummer XXXXsind römisch 40 wobei es jedoch in den Originalaufzeichnungen römisch 40 (siehe beigefügte Kopie des Original-Ersten Informationsberichts).

Alle vorgebrachten Ersten Informationsberichte sind gefälscht. Der Ermittler/untersuchende Beamte hat sich auf den Weg zu der Polizeistation römisch 40 und der Polizeistation römisch 40 gemacht und die Originalaufzeichnungen überprüft. Nach der Überprüfung der Originaleinträge wurde befunden, dass die Taten in dem Original-Ersten Informationsbericht und die in den vorgebrachten Ersten Informationsberichten nicht miteinander übereinstimmen (siehe beigefügte Dokumente und Fotographien).

Quelle:

Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes der österreichischen Botschaft in Islamabad, eingelangt am 13.04.2015

IOM - International Organization for Migration: Information on medical treatment of treatment of diabetes mellitus and depressive episode in Pakistan, 10 April 2012

Eine Behandlung von Diabetes Mellitus und einer depressiven Episode ist in Pakistan möglich. Auch die benötigten Medikamente sind grundsätzlich kostenlos verfügbar, wobei jedoch die kostenlose Verfügbarkeit der Medikamente nicht immer gewährleistet ist. Die Patienten müssen dann die Behandlung aus eigener Tasche finanzieren. Bedürftigen Personen, welche sich den Kauf der Medikamente nicht leisten können, wird Unterstützung von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen angeboten (Details dazu im Originaltext unterhalb):

Quelle:

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.04.2012

römisch II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in seinem Heimatland Pakistan droht.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. eines sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworden zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdenden Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

römisch II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie Beschwerdeverhandlungen durchgeführt.

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlungen ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

römisch II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinem in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.

Aufgrund von Erhebungen vor Ort durch einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Islamabad konnte die Identität des BF festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF im Verfahren. Der BF gab zuletzt an, dass er an Diabetes leiden würde und nunmehr Tabletten nehme. Zuvor erörterte der BF, er habe bereits in Pakistan an Diabetes gelitten. Er sei in Pakistan in Behandlung gewesen und habe Medikamente genommen.

römisch II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen - allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen vergleiche Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, GZ. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vergleiche etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, GZ 2000/01/0348).

Der BF trat den aktuellen Quellen, die dem BF vom erkennenden Gericht mit Schreiben vom 23.04.2015 zur Kenntnis gebracht wurden und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen. Der BF führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, dass er dazu nichts sagen möchte.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht - wie vom BF im Rahmen seines Beschwerdeschreibens erwähnt - dass es Missstände im Justiz- und Polizeibereich gibt, in diesem Kontext ist aber auch darauf hinzuweisen, dass es keine Hinweise gibt, dass die pakistanischen Behörden grundsätzlich nicht fähig und nicht willens seien, Schutz vor derartigen vom BF vorgebrachten strafrechtswidrigen Übergriffen zu gewähren.

Aus der Berichtslage unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des BF kann nicht die Prognose stellen, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Pakistan einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung oder einer über die bloße Möglichkeit hinausgehende reale Gefährdung für hier maßgebliche Rechtsgüter ausgesetzt wäre, zumal die Justiz ihre Unabhängigkeit zurückgewonnen hat und sich bemüht, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken.

Zudem ist in diesem Kontext darauf hinzuweisen, dass es laut vorliegenden Berichten Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei gab. Die Regionalregierung des Punjab führt regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch. Die Islamabad Capital Police richtete eine Menschenrechtseinheit ein, um die Einwohner zu ermutigen, über Menschenrechtsverletzungen zu berichten (persönlich, per Telefon-Hotline oder Email). Außerdem wurden in allen Polizeistationen Menschenrechtsoffiziere bzw. Ansprechpartner aus der Gemeinde postiert. Diese können Polizeistationen jederzeit besuchen, Gefangene befragen und bei Berichten über Missbräuche disziplinäre Maßnahmen empfehlen. Rechtsdurchsetzungsorgane der föderalen und der Provinzebenen besuchten Trainings zu Menschen-, Opfer- und Frauenrechten. Zwischen 2008 und 2010 hat die "Society for Human Rights and Prisoners' Aid" mehr als 2.000 Polizeioffiziere in Menschenrechtsthemen fortgebildet

Anzumerken ist weiters in diesem Kontext, dass es keine glaubwürdigen Hinweise gibt, dass die Polizei tatsächlich untätig bzw. den BF nicht schützen könnte bzw. würde. Auch wenn das erkennende Gericht nicht verkennt, dass Bestechung und Korruption der Behörden in Pakistan vorkommen können, kann auf Basis der Länderberichte nicht erkannt werden, dass die Polizei systematisch in derartige Angelegenheiten nichts unternimmt und bei entsprechender Anzeige untätig bleiben würde. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der BF vorbrachte, nie den Schutz der Polizei gesucht zu haben. Anhand dieser Schilderung des BF kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass staatliche Organe vor allem die Polizei grundsätzlich nicht einschreiten würden, um einen Schaden vor allfälligen Übergriffen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit abzuwenden bzw. strafrechtswidrige Vorgänge aufzudecken.

Werden die Themenbereiche Grundversorgung, wirtschaftliche Lage, medizinische Versorgung in Pakistan betrachtet, so ist zu bemerken, dass einzelne Missstände vorliegen, außer Acht darf jedoch nicht gelassen werden, dass kontinuierlich Verbesserungen stattfinden bzw. Maßnahmen ergriffen werden, um mögliche unerträgliche Aspekte hintanzuhalten. Die allgemeine Lage in diesen Bereichen ist zudem nicht dergestalt sind, dass grundsätzlich eine derart unerträgliche Situation vorherrscht, die dazu führt, dass ein Rückkehrhindernis für den BF zu bejahen ist. So geht aus der Berichtslage hervor, dass die Grundversorgung in Pakistan gewährleistet ist. In Städten wie in Karatschi, Rawalpindi und römisch 40 haben die Menschen die Möglichkeit ihre eigenen kleinen Geschäfte oder Kleinstunternehmen als eine Arbeitsstelle zu gründen. In den ländlichen Gegenden ist der Großteil in der Land- oder Viehwirtschaft tätig. Zur Verringerung der Armut wurden zahlreiche Projekte ins Leben gerufen. Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind, laut IOM, in Pakistan behandelbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Es gibt NGO¿s, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte anbieten. Private Einrichtungen wie der Edhi-Trust spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung. Dieser bietet soziale Dienste, wie medizinische Versorgung, Notfallhilfe, Luftrettung, Bestattungen, Versorgung psychisch Kranker, Altenheime, Kinderhilfe, Frauenhäuser und Berufsbildung für benachteiligte Menschen an. Dass der BF durch individuelle Umstände in diesen Bereichen direkt betroffen ist, brachte der BF nicht vor. Zu bedenken ist ebenso, dass der BF ein arbeitsfähiger Mann ist, der bei seiner Rückkehr wenn auch zumindest vorübergehend seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten bestreiten kann. Zudem könnte der BF Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Er verfügt zudem über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan in Form seiner Familienangehörigen. Auch wenn er mit seinen Geschwistern zurzeit keinen Kontakt hat, gibt es keine Hinweise, dass er keine Möglichkeit hätte wieder Kontakt mit diesen aufzunehmen. Der BF leidet zudem an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung.

Es wird zwar dem BF insofern Folge gegeben, dass politische Auseinandersetzungen vor allem in Karatschi zum Teil gewalttätig ausgetragen werden, anhand der Berichtslage kann jedoch nicht erkannt werden, dass eine Einschränkung der politischen Opposition stattfindet.

Soweit der BF zur Bewegungsfreiheit ausführt, dass ihm diese nicht offen stehen würde, bzw. dass seine politischen Gegner ihn überall in Pakistan finden könnten, ist zu bedenken, dass anhand der Berichtslage ebenso feststeht, dass es für Angehörige aller Gruppen die Möglichkeit gibt in Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, römisch 40 , Karachi, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande zu leben, dies gilt auch für potentiell Verfolgte. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. Dass der BF derart exponiert sei, dass jene Personen, von denen die Gefahren ausgehen, über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, verfügen, ist im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich. Zudem handelt es sich beim BF um einen jungen arbeitsfähigen Mann, der wenn auch zumindest vorübergehend mit Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt bestreiten kann. Zudem könnte der BF bei seiner Rückkehr Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass die dem BF im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat Pakistan zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend und aktuell qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann. Es ist - bei einem Land wie Pakistan mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen - de facto unmöglich, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das erkennende Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.

römisch II.2.4. Das Vorbringen des BF - er habe seine Heimat verlassen, da seine politischen Gegner zusammen mit der Polizei ihn suchen würden, die Polizei ihn verhaften und umbringen könnte - wird als nicht der Wahrheit entsprechend angesehen.

Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach Paragraph 7, AsylG [numehr: Paragraph 3, AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es bei den in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylweber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der aufgrund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Der BF wurde im Rahmen seines Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.

Befragt zu seinen Fluchtgründen schilderte der BF in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde und in den mündlichen Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht eine Bedrohungssituation, die im Detail betrachtet, teilweise widersprüchlich, unschlüssig und in sich nicht nachvollziehbar ist und hat der BF versucht, dieses Vorbringen unter anderem mit Dokumenten zu untermauern, die mit Erhebungsergebnissen vor Ort nicht in Einklang zu bringen waren bzw. gefälscht sind.

So gab der BF - wie von der belangten Behörde zutreffend ausgeführt - unterschiedliche Angaben zu seinen letzten Aufenthaltsorten in Pakistan an. Während der BF am 28.07.2010 vor der belangten Behörde unmissverständlich erörterte, dass er, nachdem er seinen Heimatort verlassen habe, einen Tag in römisch 40 geblieben sei und dann dort einen Freund getroffen hat, welcher ihm geholfen habe das Land zu verlassen, schilderte der BF am 11.01.2011 dazu divergierend, er sei nur wenige Stunden in römisch 40 gewesen und sei noch am gleichen Tag in den Zug nach römisch 40 gestiegen. Davon, dass der BF in römisch 40 seinen Freund getroffen hätte, erwähnte der BF nichts. Sofern der BF nach Vorhalt dieser Unstimmigkeit vorbrachte, er habe damals gemeint, er habe in römisch 40 nicht mit seinem Freund sondern mit dem Schlepper gesprochen, mag diese Begründung nicht überzeugen.

Nicht unberücksichtigt darf weiters der Umstand bleiben, dass der BF ebenso bezüglich Einzelheiten des fluchtauslösenden Ereignisses einen unstimmigen Sachvortrag präsentierte. So gab der BF in seiner Einvernahme am 28.07.2010 an, er wäre nach dem Schussattentat nach Hause gelaufen. Zu Hause hätte dann ein Parteimitglied angerufen und ihn aufgefordert nicht zur Polizei zu gehen, da die Polizei eng mit der PML zusammenarbeiten würde. In der Einvernahme am 11.01.2011 schilderte der BF diese Umstände anders. So sprach der BF davon, dass er ca. 1 Kilometer entfernt auf der Straße einen Anruf von seinem Freund erhalten habe, welcher ihm geraten hätte das Land zu verlassen. Sofern der BF dazu ausführt, er habe damals gemeint, er sei nicht zu Hause gewesen, sondern auf dem Weg nach Hause bzw. nicht ein Parteimitglied sondern sein Freund habe ihn angerufen, trägt nicht dazu dabei, diese Ungereimtheit stimmig erscheinen zu lassen.

Zudem erscheint es nicht schlüssig zu sein, inwiefern der Freund des BF bereits eine Stunde nach dem Überfall Information über den Überfall gehabt hat. Die Argumentation des BF, wahrscheinlich habe die Polizei seinen Freund darüber Bescheid gegeben, ist angesichts des Vorbringens des BF, die Polizei würde der gegnerischen Partei des BF helfen und den BF verhaften wollen, nicht logisch. Wäre es doch nicht zielführend, wenn die Polizei einen Freund des BF über die Vorfälle informiert, da davon auszugehen ist, dass der Freund den BF Bescheid gibt, dass die Polizei bereits alles über den Vorfall weiß und der BF unverzüglich die Flucht ergreifen würde, da dieser davon ausgehe, dass die Polizei ihn verhaften wolle.

Folglich drängt sich der Eindruck auf, dass der BF bestimmte Umstände verschleiern bzw. nicht wahrheitsgemäß schildern möchte.

Dass der BF auch bezüglich nicht fluchtauslösender Umstände nicht die Wahrheit sagte, wird dadurch deutlich, dass der BF dahingehend befragt wurde, ob er im Besitz eines Schengen Visums ausgestellt von tschechischen Behörden, dies wurde jedoch vom BF verneint. Die tschechischen Asylbehörden gaben jedoch an, dass der BF vom römisch 40 bis römisch 40 im Besitz eines Schengenvisums war. Dass es sich hierbei um ein Versehen seitens der tschechischen Behörden handelt, kann dadurch ausgeschlossen werden, da nicht nur die Daten des BF, eine Wechselrechnung von Tschechien aus dem Jahre 2008, sondern auch ein Foto des BF bei der Anfrage übermittelt wurden.

Besondere Gewichtung kommt im gegenständlichen Fall den durchgeführten Recherchen vor Ort zu. So legte der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 30.06.2014 5 F.I.R. vor und gab dazu zusammengefasst an, eine Anzeige habe er selbst erstattet, zwei Anzeigen würden die Attacke gegen den BF betreffen, zwei weitere wären gegen den BF erstattet worden, obwohl er nicht mehr in Pakistan aufhältig gewesen sei.

Im gegenständlichen Fall wurden Recherchen vor Ort durchgeführt. Hierzu bediente man sich eines Vertrauensanwalts, welcher in einem schlüssigen und nachvollziehbaren Bericht das dem BF zur Kenntnis gebrachte Rechercheergebnis lieferte. In Zusammenhang mit den Recherchen vor Ort und dem daraus resultierenden Ermittlungsergebnis geht das ho. Gericht davon aus, dass dies kein Gutachten darstellt und somit der freien Beweiswürdigung unterliegt. Die Angaben stammen jedoch von einem Vertrauensanwalt, welcher von der ÖB Islamabad ausgewählt wurde und sich diese sichtlich vor Ort ein Bild über dessen Verlässlichkeit und persönliche, sowie fachliche Eignung zur Durchführung solcher Recherchen machte.

Beim Vertrauensanwalt handelt es sich um eine in Pakistan aufhältige Person, welche mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist und daher auch davon auszugehen ist, dass dieser in der Lage ist, die Aussage- bzw. Beweiskraft der von ihm herangezogenen Quellen entsprechend einzuschätzen. Ebenso hat der Vertrauensanwalt sichtlich kein Interesse am Ausgang des Verfahrens, in welche Richtung auch immer im Gegensatz zum BF, welcher ein veritables Interesse am Ausgang des Verfahrens in seinem Sinne hat.

Es ist letztlich dem schlüssigen Ermittlungsergebnis des Vertrauensanwalts, dem weder auf dem gleichen fachlichem Niveau entgegen getreten wurde, noch darin Ungereimtheiten aufgezeigt wurden bzw. die fachliche Qualifikation des Vertrauensanwalt auch vom BF nicht begründet und substantiiert angezweifelt wurde, höherer Beweiswert zuzumessen, als den Ausführungen des BF, auch wenn es mit dem Ermittlungsergebnis im Widerspruch steht.

Für die inhaltliche Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses spricht auch dessen Differenziertheit, indem es sich nicht auf eine einzige Quelle stützt, sondern der Vertrauensanwalt mit verschiedenen Personen in Kontakt trat.

Besonders ist darauf hinzuweisen, dass Ortsansässige bestätigten, dass der BF keinerlei Probleme in Pakistan hätte. Ein lokaler Geschäftsmann und der Neffe des BF bestätigten, dass der BF in keiner politischen Beziehung, besonders mit der PTI, stehe. Niemand erinnert sich an eine Parteiversammlung der PTI in römisch 40 am 01.06.2010 bei der Parteimitglieder der PML-N kamen und den BF und zwei Personen gedroht hätten diese zu töten und versucht hätte den BF zu erschießen. Zudem sind alle vorgelegten Ersten Informationsberichte gefälscht. So wurde nach Einsicht und Überprüfung der Originalaufzeichnungen dargelegt inwiefern die vom BF vorgelegten Dokumente mit den echten Ersten Informationsberichten nicht übereinstimmen.

Ergänzend darf ausgeführt werden, dass zwar gewisse Namen von befragten Personen und damit im Zusammenhang stehende Details, wie Fotos, sowie die Originalaufzeichnungen der F.I.R. gemäß Paragraph 17, Absatz 3, AVG aus der Akteneinsicht ausgenommen wurden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass berechtigte Interessen Dritter dadurch gefährdet werden. An der Schlüssigkeit der Recherchen und der Ermittlungsergebnisse ändert dies jedoch nichts.

Der BF trat zudem dem Ermittlungsergebnis nicht entgegen bzw. führte vielmehr aus, dass dies passen würde.

Abschließend darf angemerkt werden, dass die Vorlage von einzelnen Zeitungsartikeln und Internetlinks die oben angeführten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben des BF nicht in Zweifel ziehen können. So ist zu bedenken, dass die vorgelegten Beweismittel den BF nicht direkt betreffen und andererseits anhand der Berichtslage feststeht (wie bereits unter römisch II.2.3. erörtert), dass von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden Gefährdungssituation im Sinne des Artikel 3, EMRK nicht auszugehen ist.

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung muss davon ausgegangen werden, dass der BF keiner individuellen gegen den BF gerichteten Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt war.

römisch II.2.5. Abschließend darf darauf hingewiesen werden, dass die Angaben des BF bzgl. seiner Integration in Österreich der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

römisch II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

römisch II.3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 in der Fassung BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 144 aus 2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. Paragraphen 16, Absatz 6,, 18 Absatz 7, BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

römisch II.3.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.

Gem. Paragraph 75, Absatz 19, AsylG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen.

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Paragraph 75, Absatz 19, AsylG in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 4, des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 4, folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 7, aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 9, aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht gem. Paragraph 75, Ab. 20 AsylG in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Ziffer 5 und 6 darf kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegen.

Zu A)

römisch II.3.4. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 3, AsylG lauten:

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) ...

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat.

..."

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (Paragraph 4, AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (Paragraph 4 a, AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (Paragraph 5, AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.

Flüchtling im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund teilweise die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung im Hinblick auf dieser Asylgründe von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt vergleiche VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Soweit im gegenständlichen Fall die Angaben des BF in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang als wahr erachtet, darf Folgendes ausgeführt werden:

Zur Argumentation hinsichtlich des Bestehens des Willens und der Fähigkeit des Staates, Schutz zu gewähren und/oder der Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird Folgendes erwogen:

Unter richtlinienkonformer Interpretation (Artikel 6, der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004) kann eine Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden von nichtstaatlichen Akteuren (nur) dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Artikel 7, leg cit zu bieten (das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation der entsprechenden asylrechtlichen Bestimmungen entspricht auch dem Gesetzgeber vergleiche Wortlaut der Regierungsvorlage zum AsylG 2005: "...Mit dem

vorgeschlagenen Entwurf werden folgende Richtlinien umgesetzt ... :

Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 304 vom 30.09.2004 Sitzung 12, CELEX Nr. 32004L0083; ...".

Nach der Rsp des VwGH ist für die Annahme einer Tatsache als "erwiesen" vergleiche Paragraph 45, Absatz 2, AVG) allerdings keine "absolute Sicherheit" (kein Nachweis "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" erforderlich (VwGH 20.9.1990, 86/07/0091; 26.4.1995, 94/07/0033; 20.12.1996, 93/02/0177), sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht 2004, 168f: an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.4.1995, 94/07/0033; 19.11.2003, 2000/04/0175; vergleiche auch VwSlg 6557 F/1990; VwGH 24.3.1994, 92/16/0142; 17.2.1999, 97/14/0059; in Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, 2. Teilband, Rz 2 zu Paragraph 45,).

In Bezug auf diese Umstände - nämlich, dass der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "nicht in der Lage" oder "nicht willens" sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Artikel 7, leg cit zu bieten - besteht für den Berufungswerber somit ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde. Die (bloße) Glaubhaftmachung ist gem. Artikel 6, der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004 demnach als Beweismaß dafür nicht ausreichend. Es muss "erwiesen" werden. Gelingt dies nicht, ist davon auszugehen, dass sie dazu sowohl in der Lage als auch willens sind, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat. Diesfalls gilt gem. Artikel 7, Absatz 2, leg cit, dass "generell Schutz gewährleistet ist".

Im gegenständlichen Fall hat der BF weder glaubwürdig behauptet noch bescheinigt, dass das geschilderte Verhalten, jener Personen die gegen den BF vorgingen, in seinem Herkunftsstaat nicht pönalisiert wäre oder die Polizei oder auch andere für den Rechtsschutz eingerichtete Institutionen grds. nicht einschreiten würden, um einen Schaden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit abzuwenden. Darauf weisen auch die den Feststellungen der belangten Behörde bzw. des erkennenden Gerichts zu Grunde liegenden Quellen nicht hin, wenngleich die Berichte zu erkennen geben, dass durchaus auch noch erhebliche Defizite bestehen. Weiters ergibt sich aus den von der belangten Behörde bzw. vom erkennenden Gericht herangezogenen Quellen, dass im Herkunftsstaat des BF kein genereller Unwille bzw. die Unfähigkeit der Behörden herrscht, Schutz zu gewähren.

Der BF bescheinigte im Rahmen seiner Ausführungen zur Schutzfähigkeit nicht konkret und substantiiert den Unwillen und die Unfähigkeit des Staates, gerade in seinem Fall Schutz zu gewähren. Es kann dem Vorbringen auch nicht entnommen werden, dass er keinen Zugang zu den Schutzmechanismen hätte, bzw. dass gerade in seinem Fall ein qualifizierte Sachverhalt vorliege, der es als "erwiesen" erscheinen lässt, dass die im Herkunftssaat vorhandenen Behörden gerade im Fall des BF untätig blieben. Im Verfahren kam auch nicht konkret hervor, dass der Staat selbst der Verfolger wäre.

Im Ergebnis hat der BF letztlich im Verfahren kein derartiges Vorbringen konkret und substantiiert erstattet, welches hinreichende Zweifel am Vorhandensein oder an der Effektivität der Schutzmechanismen - dies wurde unbescheinigt und unsubstantiiert nicht glaubhaft gemacht vergleiche EGMR, Fall H.L.R. gegen Frankreich) noch kann dies als erweislich angesehen werden - verursacht hätte.

Zur Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird Folgendes erwogen:

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt vergleiche VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der älteren Rechtsprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun vergleiche etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der innerstaatlichen Fluchtalternative nimmt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich eine Beweislast der Asylbehörde an: Es müsse Sache der Behörde sein, die Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Möglichkeit einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen vergleiche VwGH 9.9.2003, Zl.2002/01/0497).

Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597, VwGH 19.10.200, 98/20/0430; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzliche ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427) Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative vergleiche weiter: Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1979), Rz 91; Artikel 8, der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtlinie); Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, Sitzung 357 ff.

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:

Der BF könnte - bei Wahrunterstellung seines Vorbringens - durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in eine andere Region Pakistans, beispielsweise in Großstädte wie Karachi, Islamabad, Rawalpindi oder Faisalabad, der behaupteten Verfolgung entgehen. Dass die angeblichen Verfolger so ein großes Interesse an den BF haben, dass sie ihn überall in Pakistan suchen würden, kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass sie ihn überall finden könnten, dies auch angesichts der Bevölkerungsdichte seines Herkunftslandes.

Im gegenständlichen Fall ist somit letztlich davon auszugehen, dass auf Grund der fehlenden Exponiertheit des BF, der Größe und des Bevölkerungsreichtums Pakistans und des Fehlens eines zentralen Einwohnermeldesystems nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit weiterer Gefährdung zu rechnen ist bzw. überhaupt nicht die Möglichkeit oder das Interesse besteht, den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden.

Ebenso ist ein derartiges Gebiet für de BF auf Grund der Vielzahl der Einreisemöglichkeiten nach Pakistan erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in der ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der BF noch in Pakistan aufhielt.

Die Möglichkeiten, sich in Pakistan eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler) seinen Lebensunterhalt zu sichern. Dass es möglich ist, sich auch als Neuankömmling z.B. in einer Stadt niederzulassen, zeigen die Zigtausend afghanischen Flüchtlinge, die sich dauerhaft in Karachi niedergelassen haben und aktiv am Wirtschaftsleben der Stadt teilnehmen vergleiche ho. Erk. Vom 16.11.2011, C7 314209-1/2008/4E). Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem BF auf Grund der Feststellungen zu seiner Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort seine dringendsten Lebensbedürfnissen auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird der BF somit auch an diesen Orten über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, erwachsenen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen jungen Mann, welcher seine Mobilität und seine Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden, bereits durch seine Reise nach Österreich unter Beweis stellte.

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

römisch II.3.5. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 8, AsylG lauten:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. ...

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung

nach Paragraph 3, ... zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.

..."

Bereits Paragraph 8, AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Artikel 2, EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Artikel 3, EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Artikel eins, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Artikel 3, EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Artikel 3, EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden vergleiche etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Artikel 3, EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des BF zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Artikel 3, EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt vergleiche Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Artikel 3, EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Artikel 3, EMRK führen vergleiche für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gem. der Judikatur des EGMR muss der BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, Sitzung 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus vergleiche EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: römisch zehn u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, Sitzung 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle vergleiche VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] Paragraph 8, Absatz eins, AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre vergleiche VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des BF (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiters festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen Mann. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für seine Existenzsicherung aufkommen kann.

Auch steht es dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Ebenso kam hervor, dass der BF im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Er stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und kann der BF daher Unterstützung durch seine Familie erwarten.

Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Vor allfälligen Übergriffen oder Bedrohungen seitens der Gegner des BF könnte, wie bereits ausgeführt, staatlicher Schutz bei den Behörden des Heimatlandes erlangt werden bzw. könnte der BF Drohungen oder Übergriffen durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Pakistans entgehen (siehe diesbezügliche Ausführungen unter Punkt

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Die Zumutbarkeit der Annahme einer - ggf. auch unattraktiven - Erwerbsmöglichkeit wurde bereits beispielsweise im Erk des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 mwN bejaht.

Soweit der BF seinen Gesundheitszustand thematisiert wird Folgendes erwogen:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einer Reihe von Erkenntnissen den gemäß Artikel 3, EMRK bei medizinischen Rückkehrhindernissen relevanten Maßstab dargelegt. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Schwelle, die überschritten sein muss, damit im Falle von Erkrankungen von einer Verletzung des Artikel 3, EMRK ausgegangen werden kann, in der Tat hoch: Das einzige Urteil, in dem eine Abschiebung (nach St. Kitts) aus medizinischen Gründen für unzulässig erklärt wurde, ist D. v United Kingdom Urteil vom 02.05.1997, Reports 1997-III, Paragraph 49, In diesem Fall litt der Antragsteller an AIDS im Endstadium und war eine adäquate Behandlung nicht garantiert. Bei körperlichen Erkrankungen sind im allgemeinen (sofern grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten bestehen; bejaht z. B. für AIDS in Tansania sowie Togo AMEGNIGAN v Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, NDANGOYA v Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03 und für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina HUKIC v Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05) nur Krankheiten im lebensbedrohlichen Zustand relevant vergleiche auch OVDIENKO v Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04). Nach EGMR vergleiche auch VwGH 28.06.2005, 2005/01/0080) hat sich die Prüfung auf die allgemeine Situation im Zielland als auch auf die persönlichen Umstände des Antragstellers zu erstrecken. Für die Prüfung der allgemeinen Situation wurden Berichte anerkannter Organisationen (z.B. der WHO), aus denen jedenfalls eine medizinische erreichbare Grundversorgung, wenn auch nicht kostenfrei, hervorgeht, als ausreichend angesehen. Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nach der Judikatur des EGMR nicht ausschlaggebend. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung geht auch der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass eine Abschiebung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zur Verletzung von Artikel 3, EMRK führt (VfGH 06.03.2008, B 2400/07 mwH).

Im gegenständlichen Fall leidet der BF an Diabetes. Der BF hat nicht vorgebracht, auch nicht belegt bzw. geht auch aus dem im Verfahren miteinbezogenen Länderberichten nicht hervor, dass es diese Erkrankungen in Pakistan nicht behandelt werden kann. Vielmehr brachte der BF vor, dass er bereits in Pakistan deshalb in Behandlung gewesen sei und Medikamente verordnet bekam. Laut Berichtslage müssen zudem die staatlichen Krankenhäuser die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei. Es gibt zudem ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht.

Der BF verfügt zudem über Verwandte in seiner Heimat, die ihn finanziell unterstützen könnten.

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass der BF nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in seinem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des Paragraph 8, AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

römisch II.3.6. Behebung von Spruchpunkt römisch III des angefochtenen Bescheides

Aufgrund Paragraph 10, AsylG in der Fassung des von der belangten Behörde zum Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden Bundesgesetzblatt Teil eins, 67 aus 2012, wurde die Ausweisung des BF in dessen Herkunftsstaat verfügt.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr aufgrund der Übergangsbestimmung gem. Paragraph 75, Absatz 20, AsylG zu entscheiden, ob im gegenständlichen Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig oder ob das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen ist.

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. ...

2. ...

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. ...

5. ...

und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Ziffer eins bis 5 kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegt.

Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz war abzuweisen. Es liegt daher ab Erlassung dieses Erkenntnisses kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.

Im gegenständlichen Fall kommt dem BF kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

Bei Ausspruch der Ausweisung könnte ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Artikel 8, Absatz eins, EMRK).

Zum Prüfungsumfang des Begriffes des 'Familienlebens' in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Artikel 8, EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Artikel 8, EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind vergleiche dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Artikel 8 ;, Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vergleiche auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vergleiche auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Artikel 8, EMRK fällt, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK", ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Artikel 8, EMRK vor vergleiche zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, römisch zehn ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Er möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit seiner Antragstellung am 26.07.2010 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Der BF befindet sich nicht in Grundversorgung. Der BF arbeitet als Zeitungszusteller. Der BF hat drei Jahre lang unter einem anderen Namen als Zeitungszusteller gearbeitet. Der BF wohnt mit einem Freund in einer Mietwohnung zusammen. Der BF hat Freunde aus der Arbeit, sonst hat er keine Freunde. Der BF hat einen Deutschkurs nur 2 Mal besucht und hat dann diesen abgebrochen. Der BF spricht Deutsch marginal. Der BF ist kein Mitglied in einem Verein. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Ausweisung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben.

Gem. Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK und ist der Eingriff in Paragraph 10, AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Artikel 8, EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Artikel 8, (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in der Form des AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt 29 aus 2009, entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Artikel 8, Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vergleiche auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124),

Auch

Bereits vor Inkrafttreten des durch Bundesgesetzblatt Teil eins, 38 aus 2011, in Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer 2, AsylG eingefügten Litera i,, welcher der nunmehrigen Bestimmung des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 9, BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, Sitzung 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Artikel 8, EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten der beschwerdeführenden Partei ergibt vergleiche hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

Der BF hält sich seit seiner Antragstellung am 26.07.2010 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig, mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein und konnte seinen Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätte er diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wäre er rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.

Der BF verfügt über die oben beschriebenen - dem erkennenden Gericht von dem BF beschriebenen - privaten Anknüpfungspunkte.

Die BF begründete sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages unsicher war. Auch war der Aufenthalt des BF zum Zeitpunkt der Begründung allf. privater Anknüpfungspunkte ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.

Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF arbeitet als Zeitungszusteller. Der BF hat drei Jahre lang unter einem anderen Namen als Zeitungszusteller gearbeitet. Der BF wohnt mit einem Freund in einer Mietwohnung zusammen. Der BF hat Freunde, die er aus der Arbeit kennt, sonst hat er keine Freunde. Der BF hat nur 2 Mal einen Deutschkurs besucht und hat dann diesen abgebrochen. Der BF spricht und versteht Deutsch marginal. Der BF ist kein Mitglied in einem Verein.

In diesem Zusammenhang sei auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Der BF verbrachte den überwiegenden Teil ihres Lebens in Pakistan, wurde dort sozialisiert und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Pakistan neben seinen dort noch lebenden Familienangehörigen auch andere Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundesund/oder Bekanntenkreises des BF existieren, da nichts darauf hindeutet, dass der BF vor seiner Ausreise in seinem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten des BF ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht vergleiche Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Der BF ist wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt worden

Der BF reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.

In Hinblick auf den gegenständlichen Fall ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Judikatur vergleiche U 145/2014-9 vom 06.06.2014) davon auszugehen, dass zwar ein einmaliges Vergehen in Form der illegalen Einreise zur Stellung eines Antrages auf internationalen Schutzes vorliegt, jedoch kann diese Verfehlung nicht maßgeblich bei einer Abwägung iSv Artikel 8, Absatz 2, EMRK sprechen. Faktoren der Einwanderungskontrolle und Erwägungen der öffentlichen Ordnung können zwar bei einer Abwägung iSv Artikel 8, Absatz 2, EMRK sprechen, dabei sind jedoch etwa zahlreiche Verfehlungen oder schwere bzw. beharrliche Vergehen gemeint.

Dem BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass dem BF die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass er in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätte.

Im gegenständlichen Fall ist vor dem Hintergrund der Auslastung des ho. Gerichts, des damaligen Asylgerichtshofes und der belangten Behörde zwar festzustellen, dass eine raschere Entscheidung bei Vorhanden entsprechender Ressourcen unter Umständen möglich gewesen wäre. Dennoch ist hierzu anzuführen, dass es sich bei der Frage des möglichen Organisationsverschuldens hinsichtlich der Verfahrensdauer um eines von mehreren Kriterien innerhalb der hier vorzunehmenden Interessensabwägung handelt - welchem zwar in der Vergangenheit besonderes Augenmerk geschenkt wurde- und das Ergebnis der Prüfung eines möglichen Organisationsverschuldens nicht für sie alleine und isoliert, sondern in einer Gesamtschau innerhalb sämtlicher abgewogener Kriterien zu sehen ist.

Der BF stellte einen Asylantrag über den von der belangten Behörde bescheidmäßig entschieden wurde. Die Angaben des BF basierten zumindest zum Teil auf einem tatsachenwidrigen Vorbringen, welches vom BF offensichtlich aufgrund Opportunitätserwägungen im Hinblick auf den Ausgang oder zumindest auf die Dauer des Verfahrens vorgetragen wurde. Gegen diesen Bescheid wurde eine Beschwerde eingebracht. In dieser wurde ein weiteres Vorbringen erstattet und Einwände gegen das Verfahren vor der belangten Behörde vorgebracht.

Aufgrund dieser Umstände ist im Rahmen einer letztlich Gesamtschau festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens beim Vorhandensein entsprechender Ressourcen denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF, sowie seinem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass ein Sachverhalt vorliegt, welcher wohl eher dem entspricht, der vom VfGH in seinem Verfahren Gz. U 613/10-10 zu prüfen war, als jenen in seinem Erkenntnissen B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, weshalb letztlich nicht davon auszugehen ist, dass die zeitliche Komponente dermaßen in den Vordergrund tritt, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Artikel 8, EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vergleiche auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Artikel 8, EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Artikel 8, (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Absatz 2, EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst vergleiche Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gem. Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privatund/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Absatz 2, leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich - abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG - seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. Paragraph 21, (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Ausweisung des Fremden bedarf.

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Der Rechtsprechung des EGMR folgend vergleiche aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen vergleiche dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vergleiche dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war vergleiche Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Artikel 8, EMRK bewirkt.

Der GH führte weiters - wiederum auf seine Vorjudikatur verweisend - aus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer getroffen, weil es der Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall Erstbeschwerdeführerin trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.

Weiters wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Artikel 8, EMRK entstanden ist.

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen und würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde vergleiche hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Standes des seitens des erkennenden Gerichts durchzuführenden Ermittlungsverfahrens kann nicht festgestellt werden, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und war daher das Verfahren gem. Paragraph 75, Absatz 20, AsylG zur (weiteren) Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz bzw. zum durch Artikel 8, EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtsache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte römisch eins und römisch II der angefochtenen Bescheide liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

In Bezug auf die Anwendung der Übergangsbestimmung des Paragraph 75, Absatz 18, - 20 AsylG kann ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erblickt werden. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine Anordnung des einfachen Gesetzgebers, wie mit einer überschaubaren Zahl von Bescheiden des Bundesasylamtes, welche in dem dort beschriebenen Zeitfenster erlassen wurden, im Beschwerdeverfahren umzugehen ist und ist auf den eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen zu verweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2015:L512.1417518.1.00