BVwG
05.05.2015
I407 1400156-1
I407 1400156-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Tunesien, vertreten durch Rechtsanwalt Edward DAIGNEAULT, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.05.2008, Zl. 05 17.990-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 09.04.2015 zu Recht erkannt:
A)
römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 28, VwGVG als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Gemäß Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 wird das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer wurde am 23.10.2005 wegen Verdachtes der Körperverletzung von Beamten des Stadtpolizeikommandos J[...] festgenommen und stellte in der darauffolgenden niederschriftlichen Einvernahme am 25.10.2005 unter Angabe des im Spruch genannten Namens einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Seinen Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1992 verlassen und habe seit diesem Zeitpunkt immer im Ausland gelebt. Am 15.06.2003 sei er mit dem Zug aus der Slowakei kommend - wo er die beiden vorangegangenen Jahre ohne aufrechten Aufenthaltstitel gelebt habe - illegal in das Bundesgebiet eingereist. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe führte er im Wesentlichen aus, dass er sich in Tunesien bis 1992 politisch betätigt habe. Konkret habe er sich während seiner Studienzeit für Oppositionelle und Inhaftierte eingesetzt. In Tunesien würde er deshalb vom Staat und vom Regime verfolgt werden.
3. Im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme vom 03.11.2005 brachte der Beschwerdeführer nähere Angaben zu seiner Fluchtroute vor. Befragt nach seinen Fluchtgründen konkretisierte der Beschwerdeführer seine bisherigen Angaben wie folgt:
4. Der Beschwerdeführer sei seit seiner Gymnasiumszeit politisch aktiv und habe sich für die "Meinungs- und Parteifreiheit" sowie die Menschenrechte in seinem Herkunftsstaat eingesetzt. Während seiner Studienzeit an der Universität in Al Manuba habe er an vielen Demonstrationen und Seminaren teilgenommen, Studenten mobilisiert und auch eng mit seinem Professor J[...] B[...] zusammengearbeitet, der zugleich auch Generalsekretär der römisch 40 gewesen sei. Dieser Professor sei gegen Ende der 1990 verhaftet worden. Nach seiner Verhaftung sei auch der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise im Jahr 1992 regelmäßig verhaftet worden. Bei den Festnahmen sei er jedes Mal zu den Demonstrationen befragt und in weiterer Folge erniedrigt und beschimpft worden. Zudem sei auch der Chef der Menschenrechtskommission, Herr M [...] im Jahr 1991/1992 festgenommen worden und der Beschwerdeführer habe an Demonstrationen für dessen Freilassung eingesetzt. Befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er politisch aktiv, jedoch kein Parteimitglied gewesen sei. Er habe lediglich für die römisch 40 und die römisch 40 gearbeitet. Im Falle einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer seine neuerliche Verhaftung.
5. Im Zuge seiner neuerlichen niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 22.10.2007 wurde der Beschwerdeführer neuerlich ausführlich zu seiner politischen Tätigkeit in Tunesien befragt und er bestätigte dabei im Wesentlichen seine bisherigen Aussagen. Im Rahmen seiner Einvernahme legte der Beschwerdeführer drei Schulzeugnisse, eine Inskriptionsbestätigung des Studienjahres 1989/1990 an der Universität Tunis, Fragmente einer Geburtsurkunde sowie einen Personalausweise vor.
6. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß Paragraph 7, AsylG 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003,, abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tunesien gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 festgestellt (Spruchpunkt römisch II.) und der Beschwerdeführer gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG nach Tunesien ausgewiesen (Spruchpunkt römisch III.).
7. Das Bundesasylamt begründete seine Entscheidung damit, dass es ihm trotz seines Persönlichkeitsprofiles nicht gelungen sei, ein fundiertes und nachvollziehbares Vorbringen darzulegen. Nachdem er sich auf Vorfälle berufe, die in den Jahren 1991 bzw. 1992 stattgefunden hätten, sei es kaum mehr möglich, seine dargebotenen Behauptungen einer Prüfung auf deren inhaltliche Glaubwürdigkeit zu unterziehen. Das Bundesasylamt werte es zudem als widersprüchlich, wenn er einerseits aus seinen oppositionellen Demonstrationsteilnahmen unzählige Festnahmen und Schikanen behaupte, er andererseits jedoch seinen Herkunftsstaat im Jahr 1992 völlig ungehindert verlassen habe können. Würden die Angaben des Beschwerdeführers der Realität entsprechen, hätte der Beschwerdeführer bei seiner versuchten Ausreise aus Tunesien mit konkreten Problemen von Seiten der tunesischen Behörden zu rechnen gehabt. Überdies sei es für Bundesasylamt nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer als selbst behaupteter Oppositioneller und vielfachen negativen Erfahrungen mit den tunesischen Sicherheitsbehörden erst im Jahr 2005 den gegenständlichen Asylantrag stelle, wenn er bereits im Jahr 1992 ausreist sei. Das Bundesasylamt werte auch seine diesbezügliche Aussage des Beschwerdeführers, wonach er sich in "einfachen Kreisen" bewegt hätte, als nicht glaubwürdig, zumal es sich beim Beschwerdeführer laut eigener Aussage um einen Absolventen einer höheren Schule mit Studien- und Demonstrationserfahrung handle. Von Personen mit derartigen Persönlichkeitsstrukturen sei zu erwarten, dass sie sehr wohl wüssten, welche Schritte sie bei einer erzwungenen Ausreise bei den ausländischen Asylbehörden zu setzen hätten. Das Bundesasylamt erachte es als augenscheinlich, dass sich der Beschwerdeführer seine Fluchtangaben ausschließlich über Dritte angeeignet habe. Der Beschwerdeführer beschränke sich in seinen Schilderungen auf völlig inhaltsleere Behauptungen und Schilderungen, bringe diese jedoch in einer Art und Weise vor, als seien sie erst gestern geschehen. Aussagekräftige Beweismittel hiezu seien keine in Vorlage gebracht worden, lediglich veraltete Internetauszüge, die nichts mit der Person des Beschwerdeführers zu tun hätten.
8. Gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung. Begründend verwies der Beschwerdeführer auf die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen und führte aus, dass er sich berechtigterweise vor einer Rückkehr nach Tunesien fürchte. Zwar seien seit den oppositionellen Tätigkeiten des Beschwerdeführers bereits eineinhalb Jahrzehnte vergangen, aber verfüge der tunesische Staat immer noch über einen großen und gut durchorganisierten Geheimdienst, der seine Bürger nicht vergesse. Deshalb habe der Beschwerdeführer auch derzeit noch mit Repressalien seitens der tunesischen Staatsmacht zu rechnen. Hinsichtlich der scheinbar nicht selbst erlebten Fluchtgeschichte, lege das Bundesasylamt nicht dar, aus welchen konkreten Gründen sie zu diesem Schluss komme. Es werde ihm auch völlig zu Unrecht vorgeworfen, dass er sich auf abstrakte und inhaltsleere Behauptungen beschränke. Seine Angaben können schon deshalb nicht abstrakt gewesen sein, da er diese Ereignisse auch heute noch so vortragen könne, als wären sie erst gestern passiert. Tatsächlich habe er sehr detaillierte Angaben zu den damaligen Ereignissen machen können und habe das Bundesasylamt zu Unrecht die Unglaubwürdigkeit erkannt. Der Behörde sei auch vorzuwerfen, dass sie entgegen ihrer Pflicht zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes nicht nachgefragt habe. Hinsichtlich der ihr nicht ausreichend erschienenen und erläuterten Vorbringensteile habe sie auch nicht weiter nachgefragt. Hätte der Beschwerdeführer diesbezüglich die Gelegenheit zu einer näheren Erläuterung erhalten, wären seine Antworten vor dem Bundesasylamt glaubwürdig erschienen. Insofern sei der Beschwerdeführer auch vom Vorwurf überrascht, wonach er abstrakt und inhaltsleer geantwortet habe. Das Bundesasylamt habe auch nicht konkret dargelegt, weshalb es aufgrund seiner Aussagen zur Auffassung gelange, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtereignisse aus dem Internet erlangt habe. Derart detaillierte Angaben zu Ereignissen aus dem Anfang der 1990er Jahre ließen sich aus dem Internet alleine nicht entnehmen. Zudem seien die zumeist in arabischer Sprache gehaltenen Ausdrucke vom Bundesasylamt auch nicht übersetzt worden. Des Weiteren sei die Argumentation des Bundesasylamtes, wonach er trotz seiner oppositionellen Tätigkeit keine Probleme bei der legalen Ausreise gehabt hätte, unlogisch und falsch. Handlungen eines Geheimdienstes, der möglicherweise gar nicht unglücklich darüber sei, dass regimekritische Menschen freiwillig das Land verlassen, ließen sich selten an einer Normlogik messen. Die Tatsache, dass er aus Angst vor einer Abschiebung nach Tunesien erst nach einer Inschubhaftnahme einen Asylantrag gestellt habe, spreche auch nicht gegen seine Glaubwürdigkeit. Er sei nicht in einem freien, demokratischen Land aufgewachsen und wisse, dass es zwischen Österreich bzw. der EU und Tunesien sehr gute Beziehung gäbe. Er hatte Angst, dass die tunesischen Behörden bei Kenntnis seines Aufenthaltsortes seine Heimholung betreiben würden. Deshalb habe er sich solange im Verborgenen gehalten und sei ständig herumgereist, um dadurch das Risiko einer Heimschaffung zu minimieren. Erst nachdem ihm Herr Z [...] eine dauerhafte Unterkunft angeboten habe, sei er sesshaft geworden und gehofft, dort bleiben zu können, bis sich die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland verbessert hätten. Ebenso habe das Bundesasylamt verkannt, dass er schon mehrere Jahre lang mit einem Österreicher zusammenlebe. In der "kostenlosen" Unterkunftgewährung wohne tatsächlich eine intensive Lebensgemeinschaft inne sodass die Ausweisung aus Österreich gemäß Artikel 8, EMRK verstosse. Diesbezüglich habe das Bundesasylamt den Grad und den Ausmaß seiner persönlichen Beziehung zu Herrn Z [...] nicht hinterfragt und seien derartige Lebensgemeinschaften unter Männern in Tunesien verpönt und unter Strafe gestellt.
9. Mit Schreiben vom 17.06.2014 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer die aktuellen Länderberichte zu seinem Herkunftsstaat und ihm wurde im Rahmen des Parteiengehörs zugleich die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt.
10. Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers informierte das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 10.07.2011, dass sich der Beschwerdeführer derzeit nicht in Österreich aufhalte und er ihm seinen derzeitigen Aufenthaltsort nicht bekannt gebe. Der Beschwerdeführer beabsichtige in etwa einem Jahr wieder zurückzukommen und dann wieder bei seinem Freund Z [...] zu wohnen. Der Beschwerdeführer rege in der Zwischenzeit die Einstellung des Verfahrens an.
11. Eine für 17.07.2014 anberaumte Verhandlung wurde in weiterer Folge abberaumt.
12. Das Bundesverwaltungsgericht beauftragte die Polizei mit Erhebungsersuchen vom 27.11.2014 mit der Durchführung einer Nachschau. Mit Aktenvermerk vom 17.12.2014 informierte die Polizei das Bundesverwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführer laut Auskunft des ZMR seit 10.11.2005 aufrecht an der dem Bundesverwaltungsgericht bekannten Adresse wohnhaft sei. Bei der Nachschau habe festgestellt werden können, dass es sich auch um eine tatsächliche Wohnadresse handle. Diese müsse überdies bewohnt sein, da keinerlei Werbung aufscheine und der Briefkasten auch ständig entleert werden würde. Von Seiten der Polizei sei mehrmals zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten an der gegenständlichen Adresse Nachschau gehalten worden, allerdings sei die Türe nie geöffnet worden. Nach Rücksprache mit Nachbarn seien die Beamten der Polizei informiert worden, dass der Beschwerdeführer sehr wohl im Haus bekannt sei und dort auch noch wohnhaft sei. Zumal habe ihn ein Nachbar dort erst vor einigen Tagen gesehen. Die Kontaktaufnahme mit dem Unterkunftgeber, Herrn Z [...], verlief ebenfalls negativ.
13. Am 18.02.2015 erfolgte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck, bei der die beiden einschreitenden Beamten der Polizeiinspektion Deutschmeisterplatz das Ergebnis ihrer Nachschau bestätigten. Der Beschwerdeführer und sein rechtsfreundlicher Vertreter sind nicht erschienen.
14. Am 09.04.2015 erfolgte eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck, zu der der Beschwerdeführer und sein rechtsfreundlicher Vertreter wieder nicht erschienen sind.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Auf Grundlage des verfahrenseinleitenden Antrags, der Niederschriften über die Erstbefragung des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt, das Beschwerdevorbringen, der Einsichtnahme in die Akten des Verwaltungsverfahrens und in das Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seiner individuellen Rückkehrsituation
Der Beschwerdeführer weist den im Spruch genannten Namen und Geburtsdatum auf. Er ist tunesischer Staatsbürger, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, bekennt sich zum moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung und ist ledig.
Der Beschwerdeführer ist im gegenständlichen Verfahren rechtsfreundlich vertreten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer unter körperlichen Beschwerden leidet und sich daher in einem derart schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem in Tunesien nicht behandelbaren Zustand der Erkrankung befindet, dass dadurch seine Verpflichtung zur Rückkehr nach Tunesien im Lichte von Artikel 3, EMRK unzulässig erschiene.
Die Familienverhältnisse des Beschwerdeführers sowie seine bisherige Situation stellen sich laut seinen Angaben wie folgt dar: Der Beschwerdeführer wurde an dem von ihm im Spruch genannten Geburtsdatum in Tunesien geboren, besuchte dort auch sieben Jahre lang die Grundschule, sieben Jahre lang eine höhere Schule sowie drei Jahre lang die Universität. Die Eltern sowie ein Bruder und drei Schwestern leben noch im Herkunftsland. Der Beschwerdeführer hat noch keinen Militärdienst abgeleistet. Er ist seit spätestens 23.10.2005 in Österreich aufhältig und unterrichtet der Beschwerdeführer hier zeitweilig Französisch. Einer Beschäftigung ist der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht nachgegangen. Den eigenen Angaben nach hat der Beschwerdeführer nur mehr sporadischen Kontakt zu seinen Verwandten in seinem Herkunftsland.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Tunesien das Opfer einer Verfolgung maßgeblicher Intensität werden würde. Ferner bestünde im Fall seiner Rückkehr nach Tunesien für ihn weder das reale Risiko einer existenzgefährdenden Notlage noch der Entzug der notdürftigste Lebensgrundlage, zumal er über eine sehr gute Ausbildung und verwandtschaftliche Beziehungen in seinem Herkunftsstaat verfügt.
Daher ist im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
Weitere, in der Person des Beschwerdeführers begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer muss nicht vernünftiger Weise damit rechnen, dass ihm in seinem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit hinausgehenden Wahrscheinlichkeit einer Verletzung in seinem Recht auf Leben oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung drohen oder für ihn als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes droht.
Es besteht insbesondere kein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt ist oder darauf, dass eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) vorliegt.
Der Strafregisterauszug weist keine Eintragung über den Beschwerdeführer auf.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers
Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung in Tunesien droht.
1.3. Zur Wirksamkeit der Ladung zur mündlichen Verhandlung
Der Beschwerdeführer wurde während des Beschwerdeverfahrens an seinem Wohnsitz von Nachbarn gesehen. Der Beschwerdeführer ist in seinem Beschwerdeverfahren rechtsfreundlich vertreten, alle Ladungen zu den Verhandlungen wurden auch seinem Rechtsanwalt zugestellt. Die beiden Beschwerdeverhandlungen erfolgten in Abwesenheit des Beschwerdeführers und seines rechtsfreundlichen Vertreters. Der rechtsfreundliche Vertreter wurde zu den beiden Verhandlungen ordnungsgemäß geladen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer freiwillig in seinen Herkunftsstaat ausgereist ist oder das Bundesgebiet verlassen hat.
1.4. Zur Situation in Tunesien
Allgemeine und Politische Lage
Tunesien war gemäß der Verfassung von 1959 eine Präsidialrepublik. Artikel eins, der Verfassung beschrieb es als freien, unabhängigen und souveränen Staat, dessen Religion der Islam, dessen Sprache das Arabische und dessen Regierungsform die Republik ist. Der Staat war zentralistisch aufgebaut und hatte 24 Gouvernorate. Nach der Revolution vom 14. Januar 2011 mit der Flucht des bisherigen Präsidenten Ben Ali wurde die Verfassung suspendiert und das Parlament aufgelöst. Eine aus Technokraten gebildete Übergangsregierung führte das Land bis zu den Wahlen der Verfassungsgebenden Nationalversammlung am 23. Oktober 2011, die seit ihrer Konstituierung am 22. November 2011 als demokratisch legitimiertes Verfassungsorgan das Land führt.
Aus den ersten freien und geheimen Wahlen vom 23. November 2011 ging die islamisch-konservative Partei Ennahdha ("Wiedergeburt") mit 41 Prozent der Sitze als stärkste Partei hervor und bildete sie mit zwei kleineren mitte-links Parteien eine Koalitionsregierung. Die politischen Führungspositionen wurden unter den drei Koalitionsparteien aufgeteilt. Präsident der Nationalversammlung wurde Moustapha Ben Jaafar (sozialdemokratisches Forum "Ettakattol"), Premierminister der Übergangsregierung Hamadi Jebali (seit März 2013 durch Ali Laarayedh ersetzt, beide islamisch-konservative Ennahdha) sowie Übergangspräsident Moncef Marzouki (linksliberale CPR, Kongress für die Republik). (Auswärtiges Amt: Tunesien: Innenpolitik, Stand: August 2013)
Im Februar 2013 wurde der Oppositionspolitiker Chokri Belaid ermordet. (APA: Artikel "Erneut bekannter Oppositionspolitiker in Tunesien erschossen" vom 25.Juli 2013) Nach der immer noch ungeklärten Ermordung des Oppositionspolitikers Chokri Belaid am 06. Februar 2013 trat Premierminister Jebali zurück, nachdem er mit dem Versuch einer Regierungsumbildung gescheitert war. Schließlich bildete der bisherige Innenminister Ali Laarayedh ein neues Kabinett aus Mitgliedern der Koalition und parteilosen Technokraten, das am 13. März 2013 vom Parlament bestätigt wurde. (Auswärtiges Amt: Tunesien: Innenpolitik, Stand: August 2013)
Am 25. Juli 2013 wurde der Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi vor seinem Haus in Ariana nahe der Hauptstadt Tunis erschossen. In diesem Zusammenhang kam es zu Unruhen, die am 09. Jänner 2014 zum Rücktritt des Premierminister Ali Laarayedh führten. Ende Jänner 2014 kam es zu einem Kompromiss: Der parteilose Kompromisskandidat Mehdi Jomaa wurde mit der Regierungsbildung beauftragt. Die aus parteilosen Experten zusammengesetzte Regierung soll das Land im Laufe des Jahres 2014 in geordnete Neuwahlen führen.
Die am 26. Jänner 2014 von der Nationalversammlung verabschiedete neue tunesische Verfassung ist durch die Veröffentlichung im Amtsblatt am 10.02.2014 in Kraft getreten. Zahlreiche Bestimmungen der neuen Verfassung treten allerdings erst später in Kraft, wie z. B.: jene Bestimmungen die mit der Wahl eines neuen Parlaments und eines neuen Präsidenten sowie der Einrichtung neuer Institutionen wie dem Verfassungsgericht in Zusammenhang stehen. Die Revolutionen in der arabischen Welt hatten zum Jahreswechsel 2010/2011 in Tunesien ihren Anfang genommen. Im Januar 2011 wurde die damalige Verfassung Tunesiens im Zuge der Umbrüche suspendiert, das Parlament aufgelöst und eine Übergangsregierung eingesetzt. Nunmehr nach mehr als zweijährigen intensiven und äußerst kontroversen Debatten zwischen den islamistischen und kontroversen Kräften des Landes wurde die neue Verfassung beschlossen und kann diese durchaus als demokratischste, rechtsstaatlichste und fortschrittlichste Verfassung innerhalb der arabischen Welt bezeichnet werden, zumal Grundlegende Punkte wie z.B. die Geltung der universellen Menschenrechte, die freie Gedanken-, Meingungs- und Pressefreiheit oder aber auch die Gleichheit von Mann und Frau in der Verfassung garantiert und verankert sind. In Tunesien folgten damit weitere vielversprechende Schritte in Richtung eines demokratischen Übergangs. (hss - Hanns Seidel Stiftung, Politischer Sonderbericht Tunesien vom 27.01.2014; Auswärtiges Amt: Tunesien, Pressemitteilung vom 27.01.2014,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_3EB2061E02BE7928C6C4BDBFC8D35DBC/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2014/140127-BM_TUN.html?nn=389500 [abgerufen am 11.02.2014]; Jeuneafrique: La nouvelle Constitution tunisienne entre en vigueur, vom 11.02.2014, http://www.jeuneafrique.com/Article/ARTJAWEB20140211085510/tunisie-constitution-tunisienne-tunisie-la-nouvelle-constitution-tunisienne-entre-en-vigueur.html, [abgerufen am 06.05.2014])
Eine weitere Beruhigung der Situation wird durch die Festnahme des für den Mord an dem Oppositionspolitikers Brahmi Verdächtigen erwartet. Vgl dazu die Newsmeldung vom 10. Februar 2014:
"In der Nähe von Tunis haben Sicherheitskräfte einen der Mörder des tunesischen Oppositionspolitikers Mohamed Brahmi festgenommen. Laut Informationen des Innenministeriums wurden bei einem Einsatz gegen eine "Terrorgruppe" in der Nacht zu Sonntag vier Menschen festgenommen. Darunter der Verdächtige, der an der Ermordung Brahmis im Juli 2013 beteiligt gewesen sein soll. Erst vor kurzem wurde der mutmaßliche Mörder eines zweiten tunesischen Oppositionellen bei einer Polizeirazzia getötet.
Die beiden Morde an den Oppositions-Politikern hatten 2013 eine schwelende politische Krise eskalieren lassen. Viele Tunesier gingen auf die Straße und protestierten gegen die islamistische Regierung. Der Regierungspartei Ennahda wurde eine Mitverantwortung an den von Extremisten verübten Attentaten angelastet. Im Rahmen eines nationalen Dialogs willigte die Partei daraufhin ein, die Regierungsverantwortung abzugeben. Ende Januar wurde eine neue Verfassung verabschiedet und eine Übergangsregierung aus parteilosen Experten eingesetzt. Sie soll Tunesien Parlamentswahlen führen."
(Euronews vom 10.02.2014;
http://de.euronews.com/2014/02/09/mutmasslicher-moerder-von-brahmi-in-tunesien-gefasst/?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&
utm_campaign=Feed%3A+euronews%2Fde%2Fnews+(euronews+-+news+-+de
[abgerufen am 11.02.2014])
Tunesien kämpft auch nach der Revolution mit massiven wirtschaftlichen und sozialen Problemen; insbesondere die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und soziale Forderungen der Bevölkerung, u.a. nach Beschäftigung, setzen die Regierung unter Druck. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand: 30.09.2013)
Sicherheitslage
Aufgrund der Ermordungen hochrangiger Oppositionspolitiker in Tunis - Chokri Belaid am 06.02.2013 und Mohamed Brahmi am 25.07.2013 - fanden jeweils in den darauffolgenden Tagen Großdemonstrationen in mehreren Städten statt, das Stadtzentrum von Tunis wurde abgeriegelt. Im Zuge beider Ermordungen kam es zu Generalstreiks, die von weiteren Ausschreitungen begleitet waren. Vor allem in großen Städten kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. (Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten: Tunesien, Stand: 30.09.2013) Aufgrund der neuen Regierung und der Festnahme eines Verdächtigen in Zusammenhang mit dem Mord an Brahmi wird von einer Beruhigung der Lage ausgegangen.
Rechtsschutz
Nach der Revolution im Jahr 2011 spielt das Militär eine größere Rolle für die innere Sicherheit. Die Polizei untersteht dem Innenministerium, die Garde National (Gendarmerie) hat die Hauptverantwortung für die Strafverfolgungsbehörden, die Grenzsicherung und Sicherheit für kleine Städte und Gemeinden unterstehen der Generaldirektion für die nationale Sicherheit. Im Laufe des Jahres 2012 kam es wiederholt zu gewaltsamen Angriffen von Demonstranten und Salafisten auf Polizisten und Sicherheitskräfte und zu Zerstörungen von Polizeistationen. Die Sicherheitskräfte gehen bei Angriffen von Salafisten auf private Personen gegen diese nicht immer wirksam vor. Führende Polizeibeamte führen laufend Schulungen durch, um die Polizeiarbeit zu verbessern. (U.S.
Department of State: Tunisia 2012 Human Rights Report, Stand:
01.04.2013)
Es wurden bereits erste Schritte eingeleitet, um die tunesischen Sicherheitskräfte zu reformieren. Die politische Polizei, die unter Ben Ali Informationen über die Opposition sammelte, wurde aufgelöst. Auch die Ausbildung der Polizeikräfte im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte hat begonnen. Center for Security Studies (CSS) - ETH Zürich: Analysen zur Sicherheitspolitik: Artikel Tunesien:
Hürden des Übergangsprozesses, Stand: Juni 2013)
Der Sicherheitsapparat war unter dem Ben Ali-Regime allgegenwärtig und sicherte dessen Machterhalt. In der Folge des Umsturzes nach dem 14.01.2011 und den sich anschließenden, teilweise noch mit übertriebener Gewalt aufgelösten Demonstrationen gegen die ersten beiden Interimsregierungen wurde der Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber den Sicherheitsorganen, insbesondere der Polizei und Sondereinheiten des Innenministeriums, deutlich.
Die Kluft zwischen Innenbehörden und Bevölkerung konnte auch durch die Auflösung der Geheimpolizei ("police politique"), die Symbol der staatlichen Repression war, nicht wieder geschlossen werden. Die Demonstranten forderten u.a. den Austausch von führenden Mitarbeitern im Innenministerium, dem dieses zunächst nicht im erhofften Maße nachkam. Das Innenministerium der neuen demokratischen Regierung hat aber, insbesondere in den letzten Monaten, weitreichende personelle Konsequenzen gezogen und eine Vielzahl früherer Verantwortlicher entlassen oder in den Vorruhestand versetzt. Überdies wurden sämtliche Gouverneure und die Mehrzahl der in den Regionen für den Sicherheitsbereich zuständigen Verantwortlichen ausgetauscht. Die Einsetzung eines delegierten Ministers im Kabinettsrang, der die Reform der Innenbehörden vorantreiben soll und die Bemühungen des Innenministers um verstärkte internationale Zusammenarbeit (z.B. durch Besuche in Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien und Großbritannien) sind deutliche Zeichen des Wandels. Das Militär hat in der entscheidenden Phase der Revolution um den 14.01.2011 eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Es hat sich zwischen Polizei und Demonstranten gestellt und in der unübersichtlichen Situation Stellung zugunsten des tunesischen Volkes und gegen die einstigen Machthaber bezogen, welche die Revolution mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern wollten. Das Ansehen der Armee in der Bevölkerung ist hierdurch, wie auch durch ihre Rolle bei der Bewältigung des Zustroms von Schutzsuchenden an der libysch-tunesischen Grenze, deutlich gestiegen. In der Zeit von Mitte Januar bis Ende März 2011 war die Armee durch personelle Präsenz an strategisch wichtigen Punkten (staatliche Einrichtungen, Rundfunk/Fernsehen, Versorgungseinrichtungen, Häfen und Flughäfen, Supermärkte) Garant der inneren Stabilität des Landes, an einigen dieser Punkte besteht auch heute noch Militärpräsenz. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand: 30.09.2013)
Justizwesen
Die wichtigste Aufsichtsbehörde, der Oberstenrat der Richterkammer, die für die Ernennung, Beförderung und Beaufsichtigung der Richter zuständig ist, wurde unter Ben Ali direkt von der Exekutive kontrolliert. Diese Behörde wurde aber nur in Teilen reformiert. (Center for Security Studies (CSS) - ETH Zürich: Analysen zur Sicherheitspolitik: Artikel Tunesien: Hürden des Übergangsprozesses, Stand: Juni 2013)
Eine Reihe hochrangiger Staatsbediensteter, die unter Präsident Ben Ali im Amt gewesen waren, wurden im Zusammenhang mit den Tötungen von Demonstrierenden während der Proteste im Dezember 2010 und Januar 2011 schuldig gesprochen und erhielten lange Haftstrafen. Einige ehemalige Beamte auf unterer und mittlerer Ebene wurden verurteilt und inhaftiert, weil sie persönlich für die Erschießung von Protestierenden verantwortlich waren. Der ehemalige Präsident Ben Ali wurde im Juli von einem Militärgericht in Tunis in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. (Amnesty International: Tunesien, Amnesty Report 2013 vom 01.06.2013)
Die Regierung hat für den Zeitraum 2012-2016 einen strategischen Plan für die Durchführung einer Reform der Justiz angenommen und einen Gesetzesentwurf zur Schaffung eines unabhängigen Justizrates in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung eingereicht. Das Militärgericht ist auch für zivilrechtliche und strafrechtliche Verfahren zuständig.
Mit der neuen Verfassung wurde auch - die bis dahin umstrittene - Unabhängigkeit der Justiz als gewaltenteilende Kontrollinstanz gegenüber der Staatsmacht gestärkt. In ihr wird nunmehr die Rolle der Justiz als Beschützer der Verfassungsrechte betont. Die Richter können nun nicht mehr durch den Justizminister ernannt werden, sondern werden auf Vorschlag des "Hohen Rates der Richterschaft" vom Staatspräsidenten ernannt. Entscheidungen über das Rügen, Versetzen oder Entlassen von Richtern sind nunmehr vom Hohen Rat der Richterschaft zu begründen. Der Hohe Rat der Richterschaft selbst besteht zu zwei Drittel aus Richtern, von denen die Hälfte von der Richterschaft selbst gewählt wird. Auch beim nichtrichterlichen Drittel wird die Hälfte von den entsendenden Organen gewählt. Durch diese Konstruktion soll der direkte Einfluss der politischen Macht auf die Unabhängigkeit der Justiz und Richterschaft beschränkt werden. ((hss - Hanns Seidel Stiftung, Politischer Sonderbericht Tunesien vom 27.01.2014)
Zivilgerichtliche Verfahren sind in Tunesien analog den europäischen Gerichtsverfahren. So gelten für Angeklagte die Grundsätze der Unschuldsvermutung, der Öffentlichkeit des Verfahrens und der der Schwurgerichtsverhandlung. Die Angeklagten können sich durch einen Anwalt vertreten lassen bzw. haben bei gewissen Voraussetzungen auch das Recht auf einen Pflichtverteidiger. Sie könne mit Zeugen und Beweismittel konfrontiert werden und solche auch selbst beantragen. Berufungen und Einsprüche gegen Gerichtsurteile sind möglich. Die Angeklagten sind unverzüglich und detailliert über die Anklagepunkte zu informieren und sind ihnen eine angemessene Frist für die Vorbereitung der Verteidigung einzuräumen. Zwangsgeständnisse sind unzulässig. Im Allgemeinen entsprechen die Gerichtsverfahren den gesetzlichen Vorgaben, auch wenn es vereinzelt zu Beschwerden von Angeklagten gibt. (USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2013 - Tunesia vom 27.02.2014)
Korruption
Im November 2011 wurde ein Dekret zu Schaffung eines "Internationalen Gremiums zur Bekämpfung der Korruption" beschlossen. Im Jahr 2012 ernannte die Regierung einen Minister für "Staatsführung und Bekämpfung der Korruption", der Maßnahmen gegen die Korruption im öffentlichen Dienst einleiten soll und für die Schaffung einer unabhängigen Justiz zuständig ist. (Europäische Kommission: Bericht über die Umsetzung der Maßnahmen und Fortschritte in Tunesien im Jahr 2012)
Menschenrechte
Die Verfassung von 1959 garantierte die Menschenrechte und eine unabhängige Justiz. In der Regierungszeit des am 14. Januar 2011 gestürzten Präsidenten Ben Ali gab es jedoch in der Praxis erhebliche Defizite. Seit der Revolution sind die Menschen-, Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit faktisch gewährleistet sowie die Versammlungsfreiheit wiederhergestellt und wurden diese nunmehr auch in der neuen Verfassung vom 26.01.2014 verfassungsmäßig verankert. (Auswärtiges Amt: Tunesien: Innenpolitik, Stand: August 2013; hss - Hanns Seidel Stiftung, Politischer Sonderbericht Tunesien vom 27.01.2014)
Die tunesische Regierung hat die Ratifizierung wichtiger menschenrechtsbezogener VN-Konventionen beschlossen. Zudem ratifizierte Tunesien Anfang Juli 2011 u.a. das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Das Statut ist für Tunesien zum 01.09.2011 in Kraft getreten.
Tunesien ist an folgende Menschenrechtsabkommen gebunden:
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte;
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte;
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau; am 23.9.2008
ratifizierte Tunesien auch das Zusatzprotokoll zur 1979 verabschiedeten UN-Konvention für
die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW);
Übereinkommen über die Rechte des Kindes;
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung;
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die
Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten;
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend
Kinderhandel, -prostitution und -pornographie;
Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge;
Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge;
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;
Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Genozids;
Fakultativprotokoll zur UN-Antifolterkonvention;
Internationale Konvention zum Schutz gegen willkürliches Verschwindenlassen von Personen;
Beide Fakultativprotokolle zum internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte;
Römisches Statut des IStGH.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand: 30.09.2013)
Im Januar 2012 schuf die Regierung ein Ministerium für Menschenrechte und Übergangsjustiz. Es soll Strategien zur Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit entwickeln und den Schutz der Menschenrechte in der Zukunft sicherstellen. Im Mai 2012 wurde die sogenannte Bouderbala-Kommission, eine Untersuchungskommission für Menschenrechte gegründet. Diese soll Menschenrechtsverstöße aufklären, die ab dem 17. Dezember 2010 begangen worden waren. Der Bericht schilderte die Ereignisse während der Massenproteste, die zum Sturz der Regierung von Präsident Ben Ali führten, und verzeichnete die Namen der Getöteten und Verletzten. Die Behörden boten den Angehörigen der Getöteten und den Verletzten Entschädigungszahlungen und medizinische Behandlung an. (Amnesty International: Tunesien, Amnesty Report 2013 vom 01.06.2013)
Bürger haben das Recht, Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte anzuzeigen. Fälle von Wiedergutmachungen behaupteter Übergriffe durch Sicherheitskräfte, die aufgrund von Weigerungen der Zusammenarbeit der Behörden von zivilen Gerichten nicht bearbeitet werden, werden von den Militärgerichten durchgeführt. (U.S. Department of State: Tunisia 2012 Human Rights Report vom 01.04.2013) Die Arbeit unabhängiger Menschenrechtsorganisationen und -verteidiger ist nach Jahren staatlicher Behinderung und Verfolgung nunmehr möglich. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand: 30.09.2013)
Strafverfolgungs-und Strafzumessungspraxis
Die Behörden unternahmen Schritte, um das Justizwesen zu reformieren und die Unabhängigkeit der Gerichte zu stärken. Im Mai 2012 entließ der Justizminister 82 Richter wegen Korruptionsvorwürfen. Mehr als 700 Richter erhielten im September vom Obersten Justizrat (Conseil Supérieur de la Magistrature - CSM) neue Aufgabenbereiche zugeteilt oder wurden versetzt bzw. befördert. (Amnesty International: Tunesien, Amnesty Report 2013 vom 01.06.2013)
Während das Gesetz eine unabhängige Justiz vorsieht, werden in der Praxis die gerichtlichen Verfahren stark von der Exekutive beeinflusst, insbesondere bei Klagen gegen Dissidenten und Oppositionelle. Diese führen oft zu langwierigen Gerichtsverhandlungen und harten Urteilen, während religiöse Extremisten bei diversen Vergehen oft keiner Strafverfolgung ausgesetzt sind. Im zivilen Gerichtsverfahren gilt für Angeklagte die Unschuldsvermutung. Sie haben das Recht auf einen öffentlichen Prozess, auf unabhängige Geschworene, auf Beistellung eines Rechtsanwaltes und auf das Rechtsmittel der Berufung. Militärgerichte sind dem Verteidigungsministerium unterstellt und haben die Befugnis, Fälle in denen Soldaten und Zivilisten Verbrechen gegen die nationale Sicherheit vorgeworfen werden, abzuurteilen. (U.S. Department of State: 2012 Human Rights Report vom 01.04.2013)
Seit 2005 besteht eine Vereinbarung zwischen der Regierung und dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK), die es dem IKRK ermöglicht, die Haftanstalten zu besuchen und der Regierung periodisch zu berichten; diese Möglichkeit wird seither auch regelmäßig genutzt. Die IKRK-Berichte werden Dritten nicht zugänglich gemacht. Die Interimsregierung hat auch Human Rights Watch und AI den Zugang zu Gefangenen ermöglicht. Der Präsident verfügt über das Gnadenrecht, von dem Staatspräsident Marzouki anlässlich des ersten Jahrestags der Revolution und des Unabhängigkeitstages umfassend Gebrauch gemacht hat: Die tunesische Regierung entließ am 14.01.2012 9.000 Gefangene vorzeitig aus der Haft und wandelte 122 Todesstrafen in lebenslange Haftstrafen um. Am 20.03.2012 wurden weitere 2.470 Gefangene begnadigt. Seither gab es auch zu den hohen religiösen Feiertagen weitere Begnadigungsaktionen. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand:
30.09.2013)
Todesstrafe
Die Todesstrafe kann bei Mord, Vergewaltigung mit Todesfolge und Landesverrat Anwendung finden und wurde auch nach Ende des Ben Ali-Regimes verhängt (nach Angaben von Human Rights Watch vor dem Zusammenbruch des Regimes 136 Verurteilungen); zu einer Vollstreckung ist es aber zuletzt 1992 gekommen. Im Februar 2013 verhängte das Amtsgericht Tunis die Todesstrafe gegen zwei Personen wegen des Mordes an einem jungen Mann im Frühjahr 2011. Laut Amnesty International wurden 122 frühere Todesurteile am 14.01.2012 in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. In der am 22.10.2011 gewählten verfassungsgebenden Versammlung findet sich keine Mehrheit für eine Abschaffung der Todesstrafe, entsprechende Bestrebungen kamen daher im Rahmen des verfassungsgebenden Prozesses nicht zum Zuge. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand: 30.09.2013)
Religionsfreiheit
Am 26. Jänner 2014 wurde eine neue Verfassung beschlossen, zu der auch Österreich gratulierte. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gratulierte schriftlich dazu und meinte "das tunesische Volk [könne] stolz auf die Annahme der Verfassung sein, der modernsten in der Arabischen Welt. So hat der demokratische Geist, der zur Revolution im Land geführt hat schließlich einen historischen Sieg errungen, der ein äußerst wichtiges Signal an die ganze Region aussendet". Der Staat sieht sich als Hüter der Religion, aber in einer in der arabischen Welt einmaligen Garantie der Religionsfreiheit wird in Artikel 6, die Religions- und die Gewissensfreiheit, also auch das Recht keiner Religion anzugehören, garantiert. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau werden ebenfalls verfassungsmäßig festgeschrieben. (Parlamentskorrespondenz Nr. 41 vom 27.01.2014; hss - Hanns Seidel Stiftung, Politischer Sonderbericht Tunesien vom 27.01.2014)
Die Regierung unternahm bereits Schritte, um die interreligiöse Toleranz für andere religiöse Vereinigungen nicht zu beschränken, sondern zu fördern. Die Mehrheit der Bevölkerung sind sunnitische Muslime, ein Prozent der Bevölkerung sind Christen, Juden, Schiiten und Bahai.
In Tunesien leben rund 25.000 Christen, mehrheitlich (22.000) ausländische Katholiken. Der rechtliche Status der katholischen Kirche ist seit 1964 durch einen konkordatsähnlichen Vertrag zwischen der tunesischen Regierung und dem Heiligen Stuhl geregelt. Dieser Vertrag garantiert den Bestand von sieben Kirchenbauten im Land und ermöglicht es auch, bei Bedarf weitere Kirchen zu bauen. Das Missionieren und das Verteilen von religiösem Material sind der katholischen Kirche durch die Vertragsbestimmungen jedoch verboten. Es ist rechtlich möglich, vom Islam zum Christentum zu konvertieren. Tunesische Konvertiten (einige Hundert im Land) werden innerhalb ihres sozialen Umfelds häufig zunächst aufgrund des Übertritts geächtet, mittelfristig aber gesellschaftlich wieder akzeptiert und integriert. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand:
30.09.2013)
Repressionen Dritter
In der Folge der Ereignisse im Januar 2011 gab es zunächst vereinzelte Berichte zu Plünderungen, Brandstiftungen und zivil gekleideten, vandalisierenden Schlägertrupps. Dieses Phänomen hörte allerdings wenige Wochen nach der Revolution auf. Es wurde vermutet, dass der Auftrag für solche Aktionen von Anhängern des Ben Ali-Regimes kam, die Unruhe stiften und die Rückkehr Ben Alis ermöglichen wollten. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand:
30.09.2013)
Der Polizei wurde vorgeworfen, mehrfach nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben, als Künstler, Schriftsteller und andere Personen von religiösen Extremisten gewaltsam attackiert wurden. Die Angreifer waren dem Vernehmen nach zumeist Salafisten (Sunniten, die eine Rückkehr zu den ihrer Meinung nach fundamentalen Prinzipien des Islam fordern). Die Angriffe richteten sich sowohl gegen mutmaßliche Alkoholhändler als auch gegen Kunstausstellungen, Kulturveranstaltungen und andere Anlässe. Berichten zufolge wurden zahlreiche Salafisten nach diesen Übergriffen in Gewahrsam genommen. (Amnesty International: Tunesien, Amnesty Report 2013 vom 01.06.2013)
Verfolgung von ehemaligen staatlichen Funktionsträgern und RCD-Mitgliedern
Ehemalige staatliche Funktionsträger und Mitglieder der Staatspartei RCD unterliegen nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts keiner spezifischen staatlichen Verfolgung durch die Übergangsregierung. Gezielte Übergriffe durch nichtstaatliche Akteure erfolgten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit den Ereignissen des 14.01.2011 und waren gegen die Mitglieder der Familien Ben Ali und Trabelsi gerichtet. Zu körperlichen Übergriffen auf andere staatliche Funktionsträger oder Mitglieder der RCD und deren Familien wie auch deren Eigentum liegen keine Erkenntnisse vor. Im Zusammenhang mit den Entwicklungen in der Umsturzphase war festzustellen, dass zwischen den Mitgliedern des "Clans Ben Ali - Trabelsï" und anderen Anhängern sowie Parteimitgliedern und Mitläufern differenziert wurde. Allein an der Zahl von zuletzt ca. 2,5 Mio. Parteimitgliedern der RCD wird deutlich, dass es nicht zu persönlicher Verfolgung aller Mitglieder dieser Gruppe gekommen sein kann. Auch eine Vielzahl von führenden Persönlichkeiten und Entscheidungsträgern des früheren Regimes erfahren rechtsstaatliche Behandlung. Eine Ausnahme hiervon bildet eine Gruppe von früheren Ministern (Innen-, Verteidigungs- und Außenminister) wie auch Parteikadern (Generalsekretäre), die seit mehr als 2 Jahren inhaftiert bzw. vorläufig festgenommen sind und auf ihr Verfahren warten. Geschäftspartner der Familien Ben Ali - Trabelsi unterliegen keiner staatlichen Verfolgung; ein Ausreiseverbot gegen eine Vielzahl von ihnen wie auch Familienmitglieder besteht jedoch fort. Informationen zu einer nichtstaatlichen Verfolgung dieses Personenkreises liegen nicht vor. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand: 30.09.2013)
Minderheiten
Diskriminierungen aufgrund der Rasse, des Geschlechts, der Behinderung, der Sprache oder des sozialen Status sind gesetzlich verboten. Die Regierung achtet diese Gesetze. Minderheiten unterliegen in Tunesien keinen besonderen Beschränkungen. Allerdings ist die tunesische Bevölkerung sehr homogen; nur ein kleiner Teil beruft sich auf seinen berberischen Ursprung. (U.S. Department of State: 2012 Human Rights Report vom 01.04.2013)
Homosexualität
Artikel 230 des tunesischen Strafgesetzbuches kennt den Straftatbestand der "Sodomie, der eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht. Dahingehend gab es im Jahr 2014 keine einzige Verurteilung. Lesbisch, schwule sowie bi- und transsexuelle Personen sind in der Öf-fentlichkeit oftmals Diskriminierungen ausgesetzt. Offen bekennende homosexueller Perso-nen berichten davon, dass sie von der Polizei belästigt und schikaniert wurden. Demgegen-über stehen zahlreiche gleichgeschlechtlich-orientiere Webseiten, wie z. B. das Onlinemaga-zin Gayday, die nicht zensiert und täglich aktualisiert werden. (USDOS - US. Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2013 - Tunisia, vom 27.02.2014, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2013&dlid=220378 [Zugriff 10.04.2015]; Freedom House: Freedom in the World 2014, http://freedomhouse.org/report/freedom-world/2014/tunisia-0 [Zugriff 10.04.2015])
Grundversorgung/Wirtschaft
Tunesien verfügt über eine moderne Wirtschaftsstruktur auf marktwirtschaftlicher Basis. Den größten Anteil am BIP erwirtschaftet der Dienstleistungssektor (2010: 60 Prozent), gefolgt von der Industrie (32 Prozent) und der Landwirtschaft (8 Prozent). Das Land hat sich durch die Förderung des privaten Sektors und die Integration in die Weltwirtschaft eine gute Position in der Region erarbeitet. Die wirtschaftliche Öffnung hat Tunesien ein solides Wachstum und hohe Direktinvestitionen aus dem Ausland beschert. Die 1995 erfolgte Assoziation mit der EU war ein wichtiger Meilenstein im Aufstieg des Landes in den Kreis der Industrieländer. Am 19. November 2012 wurde Tunesien der Status einer "Privilegierten Partnerschaft" mit der EU gewährt. 2012 konnte sich die tunesische Wirtschaft wieder deutlich erholen (BIP: +3,5 Prozent). Die größten Herausforderungen liegen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungsförderung, der Verbesserung der arbeitsmarktorientierten Aus- und Fortbildung, sowie der Erhöhung des Investitionsniveaus im privaten und öffentlichen Sektor.
Die Arbeitslosigkeit wird auf 18 Prozent geschätzt, wobei junge Menschen, Akademiker und die benachteiligten Regionen im Binnenland überproportional betroffen sind. Um regionalen Ungleichheiten zu begegnen, hat Tunesien ein ambitioniertes Programm zur Regionalentwicklung vorgelegt. Durch die Konzentration auf spezifische Sektoren und die Verbesserung der Infrastruktur und Vernetzung sollen private Investitionen in allen Regionen gefördert werden. (Auswärtiges Amt: Tunesien: Wirtschaft, Stand: August 2013)
Die Grundversorgung der Bevölkerung gilt als gut. Neben Libyen hat Tunesien das höchste jährliche pro Kopf-Einkommen in Nordafrika (aktuellster Stand (2010): ca. 2.600 Euro/Jahr). Es existiert ein an das Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNSS). Die mit Arbeitslosigkeit verbundenen Lasten werden überwiegend durch den traditionellen Verband der Großfamilie aufgefangen, deren Zusammenhalt allerdings schwindet. Es gibt keine speziellen Hilfsangebote für Rückkehrer. Die Interimsregierung hat zur Verbesserung der Grundversorgung der Bevölkerung in den armen Gegenden des Südens und des Landesinnern eine Umwidmung der staatlichen Ausgabenprogramme weg vom gut entwickelten Küstenstreifen hin zu den rückständigeren Regionen vorgenommen. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand:
30.09.2013).
Das Arbeitsgesetz regelt eine Reihe von Mindestlöhnen. Die Regierung konnte nach einigen Verhandlungen einen Anstieg des Mindestlohns, vor allem im Bereich der Industrie und im Agrarbereich, erwirken. Trotzdem leben, nach einem Bericht Sozialministers, 24,7% der Bevölkerung mit weniger als € 2,-- pro Tag. (U.S. Department of State: 2012 Human Rights Report vom 01.04.2013)
Situation von Frauen
Frauen sind spätestens seit den 60er Jahren Männern rechtlich weitgehend gleichgestellt und wurde diese Gleichstellung von Mann und Frau abermals in der neuen tunesischen Verfassung vom 26.01.2014 verankert. Die Vielehe ist abgeschafft. Frauen können die Scheidung einreichen und Unterhaltsansprüche gerichtlich geltend machen. Dies gilt auch für das Sorgerecht, mit der Einschränkung, dass minderjährige tunesische Kinder das Land nur mit ausdrücklicher Zustimmung ihres Vaters oder des Vormundschaftsgerichts verlassen können. Die Stimme einer Frau als Zeugin in einem Gerichtsverfahren hat dasselbe Gewicht wie die eines Mannes. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand: 30.09.2013)
Frauen werden weiterhin durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert. Der UN-Menschenrechtsrat empfahl im Rahmen der universellen regelmäßigen Überprüfung, Gesetze abzuschaffen, die Frauen in Bezug auf das Erbrecht und das Sorgerecht für Kinder benachteiligten. Dies wurde von der Regierung jedoch zurückgewiesen. Das Strafgesetzbuch enthielt nach wie vor zahlreiche diskriminierende Regelungen. So konnte ein Täter, der eine minderjährige Frau entführt oder vergewaltigt hatte, der Strafverfolgung entgehen, indem er das Opfer heiratete. (Amnesty International: Tunesien, Amnesty Report 2013 vom 01.06.2013)
Das Strafgesetzbuch verbietet ausdrücklich Vergewaltigung einschließlich Vergewaltigung in der Ehe. Auch häusliche Gewalt durch einen Ehepartner oder einem Familienmitglied sind strafbar. Die Durchsetzung dieser Gesetze gelingt nur teilweise, weil Frauen diese Gewalttaten aus Furcht vor Repressalien selten zur Anzeige bringen. (U.S. Department of State: 2012 Human Rights Report vom 01.04.2013)
Es wird abzuwarten sein, wieweit die neue Verfassung vom 26.01.2014, welche die Gleichberechtigung von Mann und Frau festlegt, zu Verbesserungen im Alltag führen wird.
Öffentliches Gesundheitssystem
Die medizinische Versorgung (einschließlich eines akzeptabel funktionierenden staatlichen Gesundheitswesens) hat das für ein Schwellenland übliche Niveau, d.h. es kann in Einzelfällen, insbesondere bei der Behandlung mit speziellen Medikamenten, Versorgungsprobleme geben. Ein Import dieser Medikamente ist grundsätzlich möglich, wenn auch nur auf eigene Kosten der Patienten. Eine weitreichende Versorgung ist in den Ballungsräumen (Tunis, Sfax, Sousse) gewährleistet; Probleme gibt es dagegen in den entlegenen Landesteilen. Auch die Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglich. Die medizinische Behandlung von HIV-Infizierten bzw. AIDS-Kranken ist sichergestellt; es handelt sich aber um ein gesellschaftlich tabuisiertes Thema. In Einzelfällen ist eine konkrete Nachfrage bezüglich der Verfügbarkeit der benötigten Medikamente erforderlich, in den allermeisten Fällen sind sie vor Ort problemlos erhältlich. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Tunesischen Republik, Stand: 30.09.2013)
In der Stadt Tunis herrscht kein Mangel an praktischen Ärzten und an Fachärzten mit guter Ausbildung. Die Ärzteschaft erreicht fast immer europäischen Standard. In größeren Städten sind an die Spitäler Kliniken aller Fachrichtungen angeschlossen. (Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten: Tunesien, Stand:
30.09.2013)
Behandlung von Rückkehrern
An der zugrundeliegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich nach Kenntnis des Auswärtigen Amts nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in Paragraph 35, des Gesetzes Nr. 40 vom 14.05.1975 zu rechnen (Arbeitsübersetzung des Auswärtigen Amtes):
"Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 DT und 120 DT (ca. 15 bzw. 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Die in diesem Paragraphen aufgeführten Strafen kommen jedoch nicht zur Anwendung bei Personen, die das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten."
Die meisten Rückkehrwilligen reisen nach Tunis (30 %), Sfax (28 %), Mahdia (7 %) und Kairouan (7 %). Die Regierung in Tunesien hat 27 Projekte für Rückkehrer anerkannt. Die Projektbereiche sind:
Agrarbereich, Eröffnungen diverser Kleinbetriebe, Fischereibereich und Aufbau einer Infrastruktur. Alle Teilnehmer, die solche Projekte in Angriff nehmen möchten, sind zudem verpflichtet, an einer einwöchigen Schulung der Arbeitsagentur ANETI (Agence Nationale de l'Emploi et du Travail Indépendant) teilzunehmen. (Bundesamt für Migration und Flüchtlingshilfe und IOM: Schweizerische Rückkehrhilfe, Newsletter vom Dezember 2012)
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seiner individuellen Rückkehrsituation
Die Feststellungen zu Identität, Alter, Herkunft und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf seinen eigenen Angaben und der Vorlage seiner nationalen Identitätskarte im Verfahren vor dem Bundesasylamt (AS 175). Die Behauptung, dass der "kostenlosen" Unterkunftgewährung durch seinen Unterkunftgeber eine derart intensive Lebensgemeinschaft innewohne, dass Artikel 8, EMRK die Ausweisung verbiete, wurde erstmals unsubstantiiert in der Beschwerde vorgebracht. Daher konnte diesem Vorbringen nicht geglaubt werden, weil es nachgeschoben wurde. Durch die mangelnde Mitwirkung im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kam der Beschwerdeführer auch seiner Mitwirkungspflicht nicht nach. Die Angaben zu seinen Familienverhältnissen sowie zu seiner Schulbildung ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Aussagen im Verfahren.
Die Feststellung, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden, arbeitsfähigen und in Tunesien selbsterhaltungsfähigen Menschen handelt, resultiert aus seinen Aussagen in den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt. Dazu ist festzuhalten, dass diese Feststellung sich lediglich auf die allfällige Situation des Beschwerdeführers in Tunesien bezieht, nicht jedoch auf eine allfällige Abschiebung.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers leitet sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich ab. Einsicht wurde genommen in das Zentrale Melderegister, die Datenbank der Grundversorgung sowie in das Zentrale Fremdenregister.
2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers
Das Bundesasylamt hat dem Beschwerdeführer ausreichend rechtliches Gehör gewährt und Gelegenheit eingeräumt, seine Fluchtgründe darzulegen sowie ihn aktiv nach dem Vorliegen von GFK-relevanten Fluchtgründen befragt. Damit hat es im angefochtenen Bescheid die Fluchtgründe vollständig und in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und festgestellt, dass das im Verfahren vor dem Bundesasylamt entscheidungswesentliche Vorbringen zum Fluchtgrund nicht glaubwürdig ist. Der Beschwerdeführer hat erst im Zuge seiner Festnahme wegen des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Diese Tatsache vermag nicht die Glaubhaftigkeit dieses Antrags zu untermauern. Der Beschwerdeführer wurde zu zwei Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht wirksam geladen, um seine Fluchtgründe darzulegen, nahm diese seine Verpflichtung am Verfahren mitzuwirken aber nicht wahr. Eben so wenig trug sein rechtsfreundlicher Vertreter bei. Der Beschwerdeführer machte in seiner Ersteinvernahme und in der niederschriftlichen Einvernahme geltend, dass er in seiner Studienzeit in seiner Heimat wegen politisch-oppositionellen Gründen verfolgt worden sei. Da er dem Beschwerdeverfahren bei den mündlichen Beschwerdeverhandlungen ohne Angabe von Gründen ferngeblieben ist, vermochte er sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft zu machen. Das Bundesverwaltungsgericht folgte den beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesasylamts.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation in Tunesien
Die Feststellungen zum Herkunftsstaat stützen sich auf die der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegten Länderberichte. Da diese Berichte auf einer Vielzahl unterschiedlicher, voneinander unabhängigen und aktuellen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Situationsdarstellung zu zweifeln. Hinzu kommt, dass den Auskünften in der Regel Recherchen von vor Ort tätigen Personen oder Organisationen zu Grunde liegen, welche auf Grund der Ortsanwesenheit am besten zur Einschätzung der Lage fähig sind. Die Feststellungen zur Lage in Tunesien wurden dem Beschwerdeführer im Wege des Parteiengehörs zur Stellungnahme übermittelt, wovon dieser aber keinen Gebrauch machte.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zum Verfahren und zur Zuständigkeit:
Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 i.d.F. BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgaben-ordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinn-gemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Paragraph eins, BFA-VG, BGBl römisch eins 2012/87 in der Fassung BGBL römisch eins 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Paragraph 16, Absatz 6 und Paragraph 18, Absatz 7, BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
3.2. Zur Verhandlung:
Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer persönlich oder durch seinen Rechtsvertreter Gelegenheit gegeben, seine Beschwerde vor dem Gericht in einer mündlichen öffentlichen Verhandlung darzulegen. Der Beschwerdeführer und sein rechtsfreundlicher Vertreter haben den Ladungen ohne Angabe von Gründen nicht Folge geleistet. Der rechtsfreundliche Vertreter hat dem Gericht lediglich lapidar mitgeteilt, dass sich der Beschwerdeführer im Ausland befinde und nach seiner Rückkehr das Asylverfahren weiterführen möchte; einstweilen rege er eine Einstellung des Asylverfahrens an.
Da der Beschwerdeführer rechtsanwaltlich vertreten ist, war es die Pflicht des rechtsfreundlichen Vertreters, den Beschwerdeführer über sein Asylverfahren und die stattfindenden Verhandlungstermine zu informieren. So auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 10.03.1994 zu 94/19/0233: "Die Mitteilung des Rechtsvertreters des Asylwerbers, er könne die Ladung an diesen mangels Kenntnis seines Aufenthaltes bzw seiner Adresse nicht weiterleiten, stellt keine "vorhergehende Entschuldigung" iSd Paragraph 19, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 1991 dar. Denn es werden mit diesem Vorbringen zwar Schwierigkeiten des Rechtsvertreters des Asylwerbers in der Kontaktnahme mit diesem, nicht aber Umstände iSd Paragraph 19, Absatz 3, AVG dargetan, die den Asylwerber abgehalten hätten, zum Termin der Amtshandlung bei der Behörde persönlich zu erscheinen (Hinweis E 27.1.1994, 93/01/1319)."
Da der Beschwerdeführer damit rechnen muss, dass Verfahrenshandlungen in seinem Asylverfahren gesetzt werden und dass er zu einer Verhandlung geladen wird, reicht ein bloßer, lapidarer Verweis auf einen Auslandsaufenthalt nicht aus, um einen triftigen Verhinderungsgrund für die Nichtteilnahme an einer Verhandlung überprüfbar darzutun.
Das Bundesverwaltungsgericht ist durch die wirksame Anberaumung zweier mündlicher seiner Verhandlungspflicht nach Paragraph 24, VwGVG nachgekommen, das Beschwerdeverfahren war nicht einzustellen. Der vorliegende Beschwerdefall war entscheidungsreif.
Zu A)
Gemäß Paragraph 75, Absatz eins, AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 144 aus 2013, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu führen.
Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides)
3.3. Gemäß Paragraph 7, AsylG 1997 ist Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.4. Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).
Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein vergleiche VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine "konkret" gegen den Asylwerber gerichtete drohende Verfolgungshandlung vorliegen muss; zudem muss eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH 19.4.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334).
3.5. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne des Paragraph 274, ZPO zu verstehen (VwGH 15.03.2001, 2001/16/0136; 25.06.2003, 2000/04/0092). Ausgehend von Paragraph 274, Absatz 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (siehe dazu VwGH 25.06.2003, 2000/04/0092 unter Hinweis auf OGH 23.03.1999, 4 Ob 26/99y, in ÖBl 1999, 240; sowie OGH 23.09.1997, 4 Ob 251/97h, in ÖBl 1998, 225), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung offenkundig abweicht. Mit der Glaubhaftmachung ist aber auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus vergleiche dazu VwGH 24.02.1993, 92/03/0011; 01.10.1997, 96/09/0007; 25.06.2003, 2000/04/0092; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG 2. Teilband [2005], Paragraph 45, Rz 3 mit Hinweisen auf die Judikatur). (AsylGH 22.10.2008, E2 221.979-0/2008, Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch VfGH 10.12.2008, U 731/08-3)
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Nach der Judikatur ist die Wahrscheinlichkeit dann gegeben, wenn die für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Erscheinungen, wenn auch noch so geringfügig, gegenüber den im entgegen gesetzten Sinn verwertbaren Erscheinungen überwiegen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht 8, Rz 355 mit Hinweisen auf die Judikatur). Hat die Partei ein Ereignis glaubhaft zu machen, trifft die Partei die "Beweislast", dh. kann das Ereignis durch die - von der Partei anzubietenden - Beweise (iS. von Bescheinigungsmitteln) nicht glaubhaft gemacht werden, so ist ihr Antrag abzuweisen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht 10, Rz 634 mit Hinweisen auf die Judikatur und das Schrifttum, AsylGH 15.12.2008, E2 244.479-0/2008).
Der Antragsteller hat das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (u.a. VwGH 26.06.1997, 95/18/1291; 17.07.1997, 97/18/0336; 05.04.1995, 93/18/0289).
3.5.1. Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen vergleiche VwGH 12.07.1990, 89/16/0069).
Eine "erhöhte Mitwirkungspflicht" (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279) besteht, wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.02.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601] oder finanzielle [VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78).
3.6. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm in Tunesien eine reale Gefahr einer Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen gedroht oder er eine asylrechtlich relevante Bedrohung aktuell zu gewärtigen hat. Hier ist ihm insbesondere das Nichterfüllen seiner Mitwirkungspflichten vorzuhalten. Da gegenüber dem Beschwerdeführer eine zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Tunesien bestehende und eine aktuelle asylrelevante Verfolgung aus Gründen der GFK im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen ist, somit ein asylrechtlich relevanter Verfolgungsgrund nicht bestanden hat und besteht, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 7, AsylG 1997) als unbegründet abzuweisen.
Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen
Bescheides)
3.7. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 ist zu entscheiden, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 verweist auf Paragraph 57, Fremdengesetz 1997 Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 75 aus 1997,), zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung Paragraph 50, Fremdenpolizeigesetz 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008, gemäß der Verweisungsnorm des Paragraph 124, Absatz 2, Fremdenpolizeigesetz 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,.
Paragraph 50, Fremdenpolizeigesetz verbietet die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat, wenn diese Maßnahmen eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würden oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gefahr im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würden.
3.8. Der mit "Recht auf Leben" betitelte Artikel 2, EMRK lautet wie folgt:
"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."
Während durch das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Der mit "Verbot der Folter" titulierte Artikel 3, EMRK lautet:
"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."
Es ist daher zu prüfen, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.
3.9. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist vergleiche die Erk. des VwGH vom 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; vom 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461; u.v.a.). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann vergleiche das Erk. des VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
3.10. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen vergleiche das Erk. des VwGH vom 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche die Erk. des VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
3.11. Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen vergleiche das Erk. des VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen vergleiche die Erk. des VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; vom 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu vergleiche die Erk. des VwGH vom 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588).
3.11.1. Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde vergleiche die Erk. des VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe auch die Urteile des EGMR vom 20.07.2010, N. v. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52 ff; vom 13.10.2011, Husseini v. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81 ff).
3.11.2. Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen vergleiche die Urteile des EGMR vom 02.05.1997, D. v. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; vom 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vergleiche auch das Erk. des VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (z. B. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Artikel 3, EMRK in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind vergleiche das Urteil des EGMR vom 02.05.1997, D. v. Vereinigtes Königreich; die Erk. des VwGH vom 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Artikel 3, EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären vergleiche das Erk. des VwGH vom 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
3.11.3. Wie bereits ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation für sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten ausgesetzt wäre. Dass ihm gegenständlich in Tunesien Gefahren für Leib und Leben in einem Maße drohen, dass die Abschiebung im Lichte des Artikel 3, EMRK unzulässig wäre, konnte nicht festgestellt werden.
3.11.4. Ebenso ergaben sich keine Hinweise, dass der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat einer existenzbedrohenden Notlage ausgesetzt wäre, zumal er angegeben hat, in den letzten Jahren außerhalb Tunesiens als Französischlehrer tätig gewesen zu sein. In Tunesien mangelt es ihm auch nicht an der notdürftigsten Lebensgrundlage. Weder aus seinen Angaben zu den Gründen, die für die Ausreise maßgeblich gewesen sein sollen, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass die gemäß der Judikatur des EGMR geforderten außerordentlichen und außergewöhnlichen Umstände vorliegen, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Artikel 3, EMRK erscheinen zu lassen vergleiche das Erk. des VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443 mit Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR).
3.12. Es kommt somit entscheidend darauf an, ob die Abschiebung den Beschwerdeführer in eine "unmenschliche Lage" versetzen würde. Eine solche Zwangslage ist im gesamten Asylverfahren nicht hervorgekommen. Es ist auch die Annahme gerechtfertigt, dass er den notwendigen Lebensunterhalt in seiner Heimat durch die Aufnahme einer (seinen Fähigkeiten entsprechenden) Erwerbstätigkeit oder zumindest einer einfachen Tätigkeit wieder wird bestreiten können. Der Beschwerdeführer ist überdurchschnittlich gut ausgebildet und hat in Tunesien auch Familie (zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung seine Eltern sowie ein Bruder und drei Schwestern), bei denen er Unterstützung finden kann. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Grundversorgung der tunesischen Bevölkerung - wie es sich aus den dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten und unverändert gebliebenen Länderfeststellungen ergibt - gesichert ist.
3.13. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat wird der Beschwerdeführer somit nicht in seinen Rechten nach Artikel 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt. Weder droht ihm im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Damit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des bekämpften Bescheides (Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 in seinen Herkunftsstaat) als unbegründet abzuweisen.
Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides)
3.14. Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 1997 bestimmt: "Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß Absatz eins, ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden."
Paragraph 75, Absatz 19, AsylG 2005 lautet:
"Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen."
Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 lautet:
"Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Absatz 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz
1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,
2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Be-scheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,
3. den zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 4, des Bundesasylamtes,
4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 4, folgenden zurück- weisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,
5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten ge- mäß Paragraph 7, aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder
6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberech- tigten gemäß Paragraph 9, aberkannt wird,
so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Ziffer 5 und 6 darf kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegen."
Verfahren, nach denen die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 geprüft wird, dienen denselben Rechtsschutzinteressen, wie Verfahren, nach denen die Zuerkennung des subsidiären Schutzes geprüft werden und sind daher wie Entscheidungen gemäß Paragraph 75, Absatz 20, Ziffer 5, AsylG 2005 zu behandeln.
Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:
"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Auf- enthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Frem- denpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."
3.15. Mit der vorliegenden Entscheidung wird der abweisende Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt.
3.16. Unter ein Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK fällt zunächst eine Ehe sowie die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Ein solches schützenswertes Familienleben in Österreich liegt beim Beschwerdeführer nicht vor.
3.17. Der Beschwerdeführer ist seit spätestens 23.10.2005 in Österreich aufhältig. Seit diesem Zeitpunkt ist ein schützenswertes Privatleben entstanden, weshalb zu prüfen ist - wie im gegenständlichen Bescheid des Bundesasylamtes auch bereits auch schon erfolgt ist, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Artikel 8, EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Artikel 8, Absatz 2, EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
3.17.1. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Absatz 2, EMRK) ein hoher Stellenwert zu vergleiche dazu die Erk. des VwGH vom 09.09.2013, Zl. 2013/22/0220, und vom 10.12.2013, Zl. 2012/22/0267).
3.17.2. Das schützenswerte Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich besteht seit etwa zehn Jahren und entstand zu einem Zeitpunkt, in welchem der Antrag auf Internationalen Schutz des Beschwerdeführers bereits erstmalig abgelehnt wurde und sich der Beschwerdeführer daher seines ungewissen Aufenthalts bewusst sein musste. Weiters ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Oktober 2005 illegal nach Österreich einreiste und ein Aufenthaltsrecht lediglich aufgrund eines - letztlich unbegründeten - Antrages auf Internationales Schutz hatte. Der Beschwerdeführer war und ist durchgehend gemeldet. Zudem hat der Beschwerdeführer durch seine Nichtteilnahme an den beiden Beschwerdeverhandlungen seine Mitwirkungspflicht verletzt.
3.17.3. Was seine integrative Bindung im Bundesgebiet betrifft, so konnte keine intensive, soziale Verfestigung in und zu Österreich festgestellt werden. Es gibt es keinen Nachweis, dass der Beschwerdeführer einer allfälligen Erwerbstätigkeit nachgeht. Kurszeugnisse über den Abschluss eines Deutschkurses liegen nicht vor. Nachweise über sonstige Aus- oder Fortbildung in Österreich sind nicht ersichtlich.
3.18. Schließlich hat der Beschwerdeführer bei einem Aufenthalt von zehn Jahren in Österreich sein überwiegendes Leben in Tunesien verbracht. Weiters beherrscht der Beschwerdeführer nach wie vor die arabische Sprache und befindet sich sämtliche Mitglieder seiner leiblichen Familie nach wie vor in Tunesien, auch wenn er zu diesen nur mehr sporadischen Kontakt hat. Insofern ist jedenfalls noch von einer Bindung des Beschwerdeführers an seinen Heimatstaat auszugehen.
Aufgrund dieser Ausführungen ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verhältnismäßig und war daher nicht festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
Da sich im gegenständlichen Fall daher nicht ergeben hat, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre, war gemäß Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 idgF das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher nach der nunmehr geltenden Rechtslage die Erlassung einer Rückkehrentscheidung neu zu prüfen haben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr hing die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von der Beurteilung reiner Tatfragen ab. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
ECLI:AT:BVWG:2015:I407.1400156.1.00