Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

22.04.2015

Geschäftszahl

W151 1423994-1

Spruch

W151 1423994-1/31E

Schriftliche Ausfertigung des am 09.03.2015 verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamt vom 16.12.2011, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

römisch eins. Das Verfahren wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins des angefochtenen Bescheides wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt.

römisch II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und römisch 40 , geb. römisch 40 , gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, wird römisch 40 , geb. römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.03.2016 erteilt.

römisch IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch III des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 13.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari, im Wesentlichen Folgendes an: Er sei am römisch 40 in Tschahar Darre in der Provinz Kundus in Afghanistan geboren. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, muslimischer Sunnit und verheiratet. Er spreche Dari. Er habe als Metallarbeiter gearbeitet.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der BF vor, dass er, ungefähr 20 Tage bevor er Afghanistan verlassen habe, einen Auftrag des Sicherheitskommandanten von Kundus, namens römisch 40 , bekommen habe, in dessen Haus einige Arbeiten zu erledigen. Einige fremde Leute seien dann zum BF nach Hause gekommen und hätten ihm gesagt, dass er eine Bombe im Haus des Kommandanten deponieren solle, da er durch seine Arbeit Zugang zum Haus hätte. Der BF habe sich geweigert. Deshalb sei ihm mit dem Tod gedroht worden. Darum habe der BF immer wieder bei Verwandten übernachtet. Eines Nachts seien fremde Leute in das Elternhaus des BF eingedrungen und hätten den schlafenden Bruder erschossen. Sie hätte ihn für den BF gehalten. Der BF habe nun Angst um sein Leben. Er habe Angst vor den Taliban. Diese hätten ihn mit dem Umbringen bedroht.

Zu seinem Fluchtweg brachte er vor, dass dieser ca. 1 Monat gedauert habe. Er sei von Tschahar Darre über ihm unbekannte Länder bis nach Österreich gereist. Er sei hier am 11.08.2011 angekommen und sei mit 4 Männern weiter nach Deutschland gefahren, wo er festgenommen (Schubhaft) und nach Österreich zurückgeschickt worden sei. Der Vater habe die Reise organisiert und bezahlt (ca. 4.500,-- USD).

Am 17.08.2011 sei der BF aus der Schubhaft entlassen worden.

Am 18.08.2011 wurde der BF vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West (im Folgenden EAST WEST), im Beisein eines beigegebenen Dolmetschers, welcher für den BF in die Sprache Dari übersetzte, niederschriftlich einvernommen. Der BF brachte dabei im Wesentlichen vor, dass er im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt habe. Dokumente könne er keine vorlegen. In der Heimat besitze er eine Geburtsurkunde und eine Heiratsurkunde. Der BF sei gesund und nehme auch keine Medikamente. Der BF habe den Entschluss zur Ausreise vor ca. 1 Monat in römisch 40 in der Provinz Kundus gefasst. Dort habe er mit seinen Eltern, 2 Brüdern, 2 Schwestern und seiner Ehefrau gelebt. Der 3. Bruder sei getötet worden. Eine Schwester sei verheiratet und würde woanders im Dorf leben. Der BF habe als Blecharbeiter in der elterlichen Fabrik gearbeitet. Vor 3 Tagen habe der BF den letzten Kontakt mit seiner Mutter gehabt. Erneut befragt zu seinen Fluchtgründen brachte der BF vor, dass er aus der Heimat geflohen sei, da er von den Taliban bedroht worden sei. Kurz vor seiner Ausreise habe der BF einen Arbeitsauftrag vom Sicherheitsdirektor des Distrikts erhalten. Der Name des Sicherheitsdirektors sei römisch 40 . Der BF habe in seinem Haus einiges zu erledigen gehabt. Eines Tages seien einige Leute in das Elternaus des BF gekommen. Es seien Taliban gewesen. Diese hätten vom BF verlangt, dass er eine Bombe und Sprengstoff in das Haus schmuggle. Sie hätten den Sicherheitsdirektor umbringen, sein Haus zerstören und ein Signal an die öffentlichen Behörden in Afghanistan senden wollen. Der BF habe sich aber geweigert, weswegen er von den Männern mit dem Tod bedroht worden sei. Ab dem Zeitpunkt sei der BF sehr vorsichtig gewesen und sei nur selten zuhause gewesen und habe sich bei Verwandten und Freunden versteckt. Einige Zeit später hätten die Taliban das Elternhaus gestürmt und einen Bruder des BF im Schlaf getötet. Die Taliban hätten den BF umbringen wollen, da der Bruder aber im Bett des BF geschlafen habe, hätten diese ihn erschossen. Das habe sich ca. 10 Tage nach den Drohungen ereignet; der BF habe ca. 20 Tage danach Afghanistan verlassen. Die Taliban hätten nicht versucht, den BF zu rekrutieren. Der BF habe dem Sicherheitsdirektor von der Bedrohung durch die Taliban erzählt. Dieser habe gesagt, dass die Sicherheitslage in der Provinz sehr kritisch sei und die Taliban in der Region sehr aktiv seien. Er könne dem BF keinen Schutz bieten. Der Sicherheitsdirektor habe für den BF eine offizielle Bestätigung ausgefüllt. Dieses Dokument befinde sich noch in der Heimat. Der BF könne in keinem anderen Teil Afghanistans Schutz vor den Taliban finden, da die Taliban so gut vernetzt seien.

Am 04.11.2011 langte eine Vollmachtsbekanntgabe inklusive Zustellvollmacht beim Bundesasylamt, Außenstelle Tirol, ein.

Am 11.11.2011 kam es zu einer erneuten Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz (im Folgenden BAG), im Beisein der rechtsfreundlichen Vertreterin des BF und eines beigegebenen Dolmetschers für die Sprache Dari. Der BF sei gesund, neige allerdings zur Vergesslichkeit. Der BF legte ein Konvolut an Dokumenten (Foto des ermordeten Bruders, Bestätigungsschreiben des Mullah über die Ermordung des Bruders, 2 Drohbriefe der Taliban, Vertrag zwischen der Firma römisch 40 und dem Kommandanten der Provinz römisch 40 , ein Schreiben des BF an die Regierung der Provinz römisch 40 , eine Tazkira, eine Heiratsurkunde und 2 Hochzeitsfotos) vor.

Zu seinen Lebensumständen befragt gab der BF an, dass er in der Provinz römisch 40 , in römisch 40 , im Dorf römisch 40 geboren sei. Der BF habe keine Schule besucht, sondern habe sein Geld damit verdient, dass er Heizkörper in seinem eigenen Geschäft gebaut und verkauft habe. Er habe ca. 10.000,-- Afghani verdient. Da der BF weder rechnen noch schreiben könne, habe er einen Vertrauten, römisch 40 , gehabt, der ihm Rechnungen und Verträge vorgelesen habe. Er selbst habe ein Stahlbaugeschäft betrieben.

Zum Fluchtweg könne der BF sonst keine weiteren Angaben machen. Der Vater habe das Geld für die Schleppung bereitgestellt. Der BF habe nicht weiter gefragt.

Weiters gab der BF an, dass er neben dem Verkauf von Heizkörpern auch auf dem Stahlbau tätig gewesen sei. Der BF habe bei dem Kommandanten der Sicherheitsbehörden gearbeitet. Eines Abends seien die Taliban zum BF nach Hause gekommen und hätten vom BF verlangt, im Haus des Kommandanten eine Bombe anzubringen. Wenn er dies nicht tun würde, würden sie ihn umbringen. Der BF aber habe ihnen gesagt, dass er dies nicht tun werde. Nach dieser Drohung habe der BF keine Nacht mehr zuhause verbracht. 10 Tage nach der Drohung hätten die Taliban den Bruder des BF, der in dessen Bett geschlafen habe, getötet. 20 Tage nach der Tat sei der BF geflüchtet. Der BF wurde ausführlich zu seiner Tätigkeit im Haus des Sicherheitsdirektors befragt. Die Taliban hätten gewollt, dass der BF im Haus des Sicherheitsdirektors aber auch in anderen Häuser Bomben deponiert. Anfangs habe der BF noch zugestimmt, weil er Angst hatte getötet zu werden. Daraufhin hätten ihn die Taliban dann angerufen und an sein Versprechen erinnert. Der BF habe dann aber abgelehnt, weswegen ein Drohbrief an ihn adressiert worden sei. Da der BF nicht lesen könne habe er sich den Brief vorlesen lassen müssen. Ca. 12 Tage später habe der BF einen weiteren Drohbrief erhalten. Daraufhin habe sich der BF bei seiner Schwester versteckt. Die vorgelegten Dokumente seien dem BF von seinem Vater geschickt worden. Das Schreiben an die Regierung habe der BF in römisch 40 bekommen, wo er sich beschwert habe. Das Schreiben sei dann dem Dorfkommandanten weiterübermittelt worden. Der BF habe aber Angst gehabt, dass es für Hilfe schon zu spät sei weshalb der BF geflüchtet sei. Das Schreiben sei dem Sicherheitskommandanten weitergeleitet worden und der BF habe ihm von dem Vorfall auch persönlich erzählt. Er habe dem BF gesagt, dass das niedergeschrieben und weitergeleitet werden müsse und erst danach könne er etwas für den BF tun. Anfangs dachte der BF nicht, dass es die Taliban wirklich ernst meinen würden; er habe es für eine reine Drohung gehalten. Der BF könne in keinem anderen Landesteil leben, die Taliban seien überall. Die Familie des BF würde weiterhin im Elternhaus leben. Der BF habe ca. 4-5mal die Woche telefonischen Kontakt mit seiner Familie.

Die Länderfeststellungen wurden der Vertreterin des BF unter einer Frist von 2 Wochen zur Stellungnahme ausgefolgt.

Am 28.11.2011 langte beim Bundesasylamt, Außenstelle Tirol, eine Stellungnahme zu den ausgefolgten Länderfeststellungen ab. Diese würden keine Rücksicht auf die aktuellen Entwicklungen der letzten Monate nehmen.

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 16.12.2011, Zl. römisch 40 , zugestellt am 30.12.2011, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), wies den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch II.) und wies den BF gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt römisch III.).

Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur Person des BF, zur Lage in seinem Herkunftsstaat, zur Situation im Fall der Rückkehr des BF in sein Herkunftsland sowie folgenden Feststellungen für das Verlassen des Herkunftslandes (Auszug aus den Bescheidfeststellungen, siehe S 21): "Fest steht, dass Sie in der Heimat nicht vorbestraft sind und von staatlicher Seite nicht gesucht werden. Fest steht auch, dass Sie von staatlicher Seite nicht wegen Ihrer politischen Gesinnung, Ihrer Nationalität, Ihrer Rasse, Ihrer Religion oder Ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt wurden oder im Falle Ihrer Rückkehr einer derartigen Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären. Im Übrigen waren die von Ihnen vorgetragenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes nicht glaubhaft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie die Heimat verlassen hätten, weil Sie von den Taliban dazu aufgefordert worden wären, eine Bombe im Haus des Sicherheitskommandanten von römisch 40 zu deponieren. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass Sie sich geweigert hätten und aus diesem Grund von den Taliban bedroht worden wären. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass die Taliban versehentlich Ihren Bruder umgebracht hätten, weil sie diesen für Sie gehalten hätten. Der von Ihnen zur Begründung des Asylantrages vorgebrachte Fluchtgrund konnte nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden." Das Bundesasylamt kam sohin zum Schluss, dass der BF der Gefahr einer aktuell drohenden Verfolgung aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen bzw. eine wohlbegründete Furcht vor einer solchen nicht glaubhaft gemacht habe. Es konnte keine Bedrohungssituation im Falle einer Rückkehr festgestellt werden.

Das Vorbringen betreffend die Fluchtgründe wurde als zu vage, zu wenig und darüber hinaus in wesentlichen Punkten als unplausibel erachtet. Für den wenig glaubhaften Charakter der Angaben des BF sprach in der Ersteinvernahme, dass er sich nicht dazu äußern konnte, wann die Taliban zu ihm gekommen seien (keine Angabe von Tag, Jahreszeit oder Monat möglich) ihm aber die Uhrzeit (23:00) im Gedächtnis geblieben sei. Es ist wenig nachvollziehbar, dass der BF sonst gar keine Daten nennen konnte. Der BF konnte auch keine näheren Angaben zu den Taliban machen. Eine annähernd konkrete oder detaillierte Beschreibung der Personen vermochte der BF auch auf Nachfrage nicht zu liefern. Wenig plausibel erscheint es außerdem, dass sich die Männer beim BF mit den Worten "Wir sind Taliban und der Dschihad." vorgestellt hätten. Dass sich Mitglieder der Taliban tatsächlich ausdrücklich als solche zu erkennen geben erscheint wenig realistisch. Der BF konnte ebenso kein Datum nennen, wann der Bruder getötet wurde. Bei der angeblichen Ermordung des eigenen Bruders handelt es sich um ein derart einschneidendes Erlebnis, dass man wohl auch ein konkretes Datum damit verbinden kann. Dies wäre umso eher zu erwarten gewesen, als der BF eigentlich umgebracht werden sollte. Auch unter Einbeziehung der mangelnden Bildung des BF sollte es ihm möglich sein, ein konkretes Datum nennen zu können. Es erscheint auch widersprüchlich, dass der BF nicht in der Lage gewesen ist, ein Datum zu nennen, wann die Taliban zu ihm nach Hause gekommen seien, obwohl er bei der Anzeigenerstattung sehr wohl ein Datum (18. auf den römisch 40 ) nennen habe können. Der angeblichen Anzeige bzw. Bestätigung ist auch kein Datum zu entnehmen, sodass nicht einmal ersichtlich ist, wann diese Anzeige genau erstattet wurde bzw. wann man dem BF diese Bestätigung ausgestellt habe. Die Behörde geht davon aus, dass sich der BF dieses Schriftstück nur organisiert hat, um seine Stellung im Asylverfahren zu stärken. Ebenso wäre es naheliegend gewesen, dass der BF die vorgelegten Unterlagen bereits bei seiner Ausreise mitgenommen hat. Alle weiteren vorgelegten Materialien haben keinen offiziellen Charakter und sind von Privatpersonen verfasst. Die vorgelegten angeblichen Drohbriefe der Taliban erscheinen nicht geeignet, das Vorbringen des BF zu unterstützen. Vor allem in Anbetracht des Inhaltes; es erscheint wenig glaubwürdig, dass die Taliban ein reines Aufforderungsschreiben/Bittschreiben mit höflichem Inhalt verschicken sollten. Weiters konnte der BF keine genauen Angaben zu seiner Tätigkeit im Haus des Sicherheitsdirektors (auch in Bezug auf die Gegebenheiten im Haus) machen. Auch aus den Angaben in Bezug auf das Vorgehen des Sicherheitskommandanten konnte der BF nur widersprüchliche Fakten wiedergeben.

Der BF konnte während des gesamten Asylverfahrens nicht den Eindruck erwecken, dass seine Angaben den Tatsachen entsprechen und wurden diese daher seitens des Bundesasylamtes als unglaubwürdig eingestuft.

Beim BF handelt es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen jungen Mann. Er war in seiner Heimat berufstätig und ihm ist im Fall seiner Rückkehr die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit möglich und auch zumutbar. Weiters leben noch Angehörige und weitere Verwandte in der Heimat, womit Anknüpfungspunkte vorliegen.

Mit Verfahrensanordnung vom 16.12.2011 wurde dem BF für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Am 20.12.2011 wurde die Vollmachtsauflösung bekannt gegeben.

Mit dem am 09.01.2012 beim Bundeasylamt eingebrachten Schriftsatz erhob der BF Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF Asyl gewehrt oder in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt oder der angefochtene Bescheid behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BAA zurückverwiesen werde.

Darin führte der BF aus, dass er all seine Fluchtgründe wahrheitsgetreu geschildert habe und dass er in Afghanistan massiver Verfolgung ausgesetzt sei. Das Bundesasylamt habe mit allen Mitteln versucht, den BF in Erklärungsnot zu bringen um seine Fluchtgründe als unglaubwürdig zu qualifizieren zu können. Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes sei unrichtig und stütze sich auf mangelnde Ermittlungen und veraltete Erkenntnisquellen. Ebenso stehe diese Entscheidung im krassen Widerspruch zu den derzeit getroffenen Afghanistanentscheidungen des Asylgerichtshofes.

Aufgrund der allgemeinen Situation sei es dem BF nicht zumutbar nach Afghanistan zurückzukehren.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Asylgerichtshof am 20.01.2012 vom Bundesasylamt vorgelegt.

Am 24.04.2013 wurde beim Asylgerichtshof eine Beschwerdeergänzung eingebracht. Darin brachte der BF vor, dass er aufgrund der Traumatisierung durch die Bedrohung durch die Taliban und aus Sorge um seine Familie an einer dissoziativen Bewegungsstörung leide und deswegen ständiger medikamentöser Behandlung bedürfe. Weiters brachte er vor, dass es die Behörde unterlassen habe, seine Angaben durch einen Vertrauensanwalt überprüfen zu lassen. Ebenso stellte er den Antrag, den vorgelegten Drohbrief auf seine Echtheit überprüfen zu lassen. Um die katastrophale Versorgungslage in Afghanistan zu untermauern zitierte der BF ausschnittsweise den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe "Afghanistan Update" vom 13.09.20112 Sitzung 19 ff) und weitere Berichte. Aufgrund seines Konfliktes mit den Taliban stünde dem BF eine interne Fluchtalternative nicht zur Verfügung. Ebenso führte der BF aus, dass seine Ehefrau über kein eigenes Einkommen verfüge und ihn nicht unterstützen könne. Dasselbe gelte für seine Eltern und nach römisch 40 könne der BF aufgrund der Bedrohungssituation durch die Taliban nicht zurückkehren. Somit habe der BF kein soziales Netzwerk, das ihn aufnehmen könnte.

Anbei legte der BF eine Ambulanzkarte, einen psychiatrischen Befund, einen Arztbrief und eine Aufnahmebestätigung vor.

Am 23.07.2013 langten 2 Arztbriefe und ein Konvolut an weiteren medizinischen Unterlagen beim Asylgerichtshof ein.

Mit Wirksamkeit 01.01.2014 wurde das nunmehr zur Behandlung der Beschwerde zuständige Bundesverwaltungsgericht eingerichtet und die Rechtssache am 08.01.2014 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Am 30.06.2014 langte eine Vollmachterklärung beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 02.07.2014 wurden beim Bundesverwaltungsgericht eine Deutschkursbestätigung und ein ärztlicher Befundbericht eingebracht.

Am 08.07.2014 erschien der BF beim Infopoint und begehrte Akteneinsicht. Es wurden ihm die Niederschriften vom 13.08.2011, 18.08.2011 und vom 11.11.2011 in Kopie ausgehändigt.

Am 06.08.2014 ergingen die Ladungen für die mündliche Verhandlung vom 23.09.2014 vor dem Bundesverwaltungsgericht, der BF erhielt mit dieser Ladung auch die aktuellen Länderberichte zur Lage in Afghanistan (Stand: März 2014) sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 6. August 2013 zwecks Erörterung in der Verhandlung.

Am 18.08.2014 langte ein Schreiben des BFA ein, in dem die Nichtteilnahme an der Verhandlung zur Kenntnis gebracht und die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wurde.

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.09.2014 brachte der BF vor, dass er einmal die Woche eine psychologische/psychotherapeutische Sitzung habe. Er könne sich aber an den Inhalt nur schwer erinnern und folgen. Er habe Kopfschmerzen und brauche regelmäßige Pausen. Dies sei auch in den Therapiestunden so. Diese Beschwerden würden erst seit Erteilung des negativen Bescheides auftreten. Er sei wie gelähmt und sei deshalb auch im Landeklinikum Graz stationär aufgenommen worden. Die Richterin erörterte mit dem BF die therapeutische Stellungnahme des Interkulturellen Beratungs- und Therapiezentrums ZEBRA vom 14.08.2014, in der dem BF eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert wurde. Weiters wurde der BF über die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens informiert.

Mit Beschluss vom 06.10.2014 wurde Frau DDr. Gabriele Wörgötter, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, zur Sachverständigen bestellt und mit der Beantwortung von Fragen zum Gesundheitszustand des BF und der Behandlungsmöglichkeiten bei einer allfälligen Abschiebung nach Afghanistan beauftragt. Am selben Tag erging die Verständigung über die Bestellung der Sachverständigen und die Anberaumung der Beweisaufnahme für den 23.10.2014.

Am 20.01.2015 langte das psychiatrisch/neurologische Sachverständigengutachten von DDr. Wörgötter beim Bundesverwaltungsgericht ein. Zusammenfassend wurde dargelegt, dass der BF an einer Anpassungsstörung und wiederkehrend auftretenden Gangstörungen leidet. Das vorliegende psychiatrische Krankheitsbild sei als reaktiv (auf die als belastend erlebten Lebensumstände) und krankheitswidrig zu interpretieren. Das psychische Leiden sei im Arztbrief des Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz vom 07.11.2012 erstmals dokumentiert worden. Die psychische Störung, die eng mit den derzeitigen als belastend erlebten Lebensumständen korreliert, sei nur eingeschränkt behandelbar. Der BF stehe in psychiatrisch/psychotherapeutischer Behandlung und sei auf eine neuroleptisch/antidepressive Kombinationstherapie eingestellt. Diese Behandlung könne zu einer gewissen psychischen Stabilisierung führen, es sei jedoch zu erwarten, dass die vorliegende Symptomatik so lange bestehen bleiben werde, so lange das Asylverfahren schwebe. Soweit beurteilbar, würde ein Behandlungsabbruch zu einer Verschlechterung der psychiatrischen Symptomatik führe, zu erwarten wäre vor allem das neuerliche Auftreten dissoziativer Symptome. Eine Abschiebung des BF nach Afghanistan, die seinen Wünschen und Intensionen entgegensteht, würde zu einer psychogenen Belastungsreaktion führen. Eine Überstellung in den Herkunftsstaat Afghanistan sei aus ärztlicher Sicht möglich und würde keine unzumutbare Verschlechterung bewirken. Der BF wäre in der Lage, in Afghanistan den Geschäften des täglichen Lebens nachzukommen. Selbst- oder Fremdgefährdung sei nicht feststellbar. Ebenso sei der BF in der Lage, an der Verhandlung teilzunehmen. Er sei einvernahmefähig. Der BF sei aus psychiatrischer Sicht prinzipiell in der Lage, das Erlebte wiederzugeben. Er sei geschäftsfähig und bedürfe keines Sachwalters.

Am 09.02.2015 ergingen die Ladungen für die mündliche Verhandlung vom 09.03.2015 vor dem Bundesverwaltungsgericht, der BF erhielt mit dieser Ladung auch die aktuellen Länderberichte zur Lage in Afghanistan sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 6. August 2013 und das Sachverständigengutachten von DDr. Wörgötter zwecks Erörterung in der Verhandlung.

Am 09.03.2015 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und des Sachverständigen Dr. Sarajuddin RASULY eine mündliche Verhandlung statt. Die Rechtsvertreter und ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erschienen nicht. (Auszug aus der Niederschrift, Schreibfehler nicht korrigiert):

"Eröffnung des Beweisverfahrens

R befragt BF, ob alle Beschwerdepunkte aufrechterhalten werden, BF bejaht.

R weist BF darauf hin, dass sämtliche getätigte Aussagen vertraulich behandelt werden und insbesondere nicht an den Herkunftsstaat weitergegeben werden.

R weist BF auf die Bedeutung dieser Verhandlung hin und ermahnt ihn, die Wahrheit anzugeben. BF wird aufgefordert, nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen, und belehrt, dass unrichtige Angaben bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind. Wenn er etwas nicht wisse, solle er das sagen; gleiches gelte für die Angabe spekulativer Angaben. BF wird darauf hingewiesen, dass sich die Glaubhaftmachung des Vorbringens zum einen aus hinreichend widerspruchsfreien Angaben und zum anderen aus der persönlichen Glaubwürdigkeit ergeben. BF wird schließlich über die Gründe für eine Aussageverweigerung gem. Paragraph 17, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 51, AVG in Verbindung mit Paragraph 49, AVG belehrt.

R erläutert den seit letzter mündlicher Verhandlung vom 23.09.2014 erweiterten Inhalt des Verwaltungsaktes; auf die Verlesung des Verwaltungsaktes wird verzichtet.

R weist auf die Mitwirkungspflicht des BF hin.

BF erklärt, alles verstanden zu haben und derzeit keine Fragen an das Gericht zu haben.

Zur Frage des psychischen Gesundheitszustandes wurde ein SV-GA von DDr. WÖRGÖTTER schriftlich erstattet, welches nunmehr vorgetragen und erörtert wird.

Auf Nachfrage R gibt BF bekannt, dass ihm der Inhalt des Gutachtens nicht bekannt ist.

R fasst das Ergebnis des Gutachtens zusammen, dies wird dem BF übersetzt.

R an BF: Möchten Sie etwas dazu ergänzen oder haben Sie weitere Anträge bzw. wollen ein Gegengutachten einholen?

BF: Ich möchte kein Privatgutachten noch weitere Anträge stellen. Ich möchte Ihnen nur sagen, dass ich vor zwei, drei Wochen sehr nachdenklich war und wenn ich nachdenklich bin, geht es mir nicht gut. Ich bin dann in der Nacht zum Spital gegangen. Sie haben mir eine

Infusion gegeben und es ging mir dann besser. Mein Schmerz hat sich dann gelindert. Bis heute sind mir die Ergebnisse nicht mitgeteilt worden. Ich war sehr nachdenklich, weil ich fünf Monate lang nicht wusste, wann die Verhandlung stattfindet.

R: Müssen Sie weiterhin Medikamente regelmäßig nehmen, sowie in der letzten Verhandlung angeführt?

BF: Ja, ich nehme weiterhin die Medikamente und befinde mich weiterhin in Behandlung. Ich habe auch einen Termin beim Kardiologen beim 22. März.

R: Ist das eine neue Symptomatik, die gekommen ist?

BF: Einmal im Jahr kommt ein Autobus in unsere Pension und sie haben mich geröntgt und haben festgestellt, dass mein Herz vergrößert ist. Dazu findet diese Untersuchung beim Kardiologen statt.

R: Wie geht es Ihnen heute? Fühlen Sie sich in der Lage, die Fragen des Gerichtes zu beantworten?

BF: Ja. ich bin in der Lage, die Fragen zu beantworten.

R: Wurden Ihnen die Niederschriften, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung und das Bundesasylamt mit Ihnen aufgenommen haben, rückübersetzt?

BF: Ja.

R: Haben Sie die Dolmetscher dabei gut verstanden?

BF: Ja.

R: Haben Sie verstanden, worum es dabei inhaltlich ging?

BF: Ich kann mich jetzt nicht so genau erinnern.

R: Aber damals hatten Sie das Gefühl, dass Sie wussten, was Sie unterschrieben haben?

BF: Ja, ich hatte ein gutes Gefühlt. Die psychischen Probleme fällt es mir schwer, mich an Dinge zu erinnern.

R: Haben Sie vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung und vor dem Bundesasylamt die Wahrheit gesagt?

BF: Ja.

R: Ich weise - so wie bereits in der letzten mündlichen Verhandlung - nochmals darauf hin, dass eine wissentliche Falschaussage vor dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der eigenen Identität oder Herkunft, um sich die Duldung der Anwesenheit im Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, eine Verwaltungsübertretung darstellt. Diese ist mit einer Geldstrafe zwischen € 1.000 und € 5.000 bedroht und wird gegebenenfalls von Amts wegen zur Anzeige gebracht. Nach dieser Belehrung frage ich Sie, ob der auf dem heute vorgelegten Ausweis nach dem AsylG angeführte Namen und das dort angeführte Geburtsdatum richtig sind, ob Sie diesen Namen seit Ihrer Geburt führen und ob Sie im Herkunftsland auch unter anderen Namen - wie Spitz- oder Kampfnamen - bekannt sind.

BF: Ja, ich habe verstanden.

R: Nennen Sie mir bitte Ihren Namen. Woher kommt der Alias-Name römisch 40 im BAA-AKT?

BF: Mein Name ist römisch 40 . Ich weiß nicht, warum im Akt der Alias-Name angeführt ist. Mein Vater heißt römisch 40 . Es kann sein, dass dies so protokolliert wurde.

SV bestätigt diese Angaben.

R: Sie haben eine Tazkira aus Ihrem Herkunftsland im BAA-Verfahren vorgelegt, das BAA hat Ihre Identität festgestellt. Ich bitte SV Angaben zur Tazkira zu machen.

SV: Die Tazkira kann echt sein, da dieses Formular entsprechend den Personalausweisvorgaben entspricht. Es kommen auch die Namen der ausstellenden Beamten vor. Es sind alle Formalkriterien erfüllt. Es handelt sich hier um einen der wenige Personalausweise, die richtig ausgefüllt sind. Als Geburtsort ist römisch 40 im Distrikt römisch 40 in der Provinz römisch 40 angeführt.

SV an BF: Wo haben Sie sich diese Tazkira ausstellen lassen?

BF: Den Antrag für diesen Ausweis hat mein Vater schon vorher gestellt gehabt. Ich persönlich habe dann diesen Ausweis beim Registeramt in römisch 40 abgeholt. Nachdem ich nach Österreich gekommen bin, hat mir mein Vater die Tazkira nachgeschickt.

R: Wann sind Sie geboren?

BF: Ich weiß nicht, in welchem Jahr ich geboren wurde. Ich bin im Alter von 18 Jahren nach Österreich gereist.

R: Es ist als Geburtsdatum der römisch 40 im BAA-Akt geführt.

R an SV: Können Sie anhand der Tazkira das Geburtsdatum herauslesen?

SV: Nein, in den afghanischen Tazkira wird in der Rubrik Geburtsdatum und Alter Folgendes eingetragen, so auch im Personalausweis des BF: Nach dem Äußerlichen ist (der Betreffende) 18 Jahre alt im Jahre römisch 40 (entspricht römisch 40 ). Dieses Datum bezieht sich auf den Ausstellungszeitpunkt. Die Tazkira wurde meiner Berechnung nach am römisch 40 ausgestellt.

R: Wann haben Sie die Tazkira beantragt und abgeholt?

BF: Das weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass es warm war. Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern.

R: War das in dem Jahr, in dem Sie Afghanistan verlassen haben oder war das schon davor?

BF: In dem Jahr.

R: Wie viel zeitlicher Abstand war vom Zeitpunkt, wo Sie sich die Tazkira abgeholt haben bis zu Ihrer Flucht?

BF: Die Tazkira habe ich mehr einige Monate vorher ausstellen lassen.

R: Welche Jahreszeit kann das gewesen sein?

BF: Das weiß ich nicht mehr.

R: Was war der Anlass, dass Sie sich eine Tazkira ausstellen lassen haben?

BF: Man muss sich eine Tazkira ausstellen lassen. Es ist wichtig, ein Dokument zu besitzen.

R: Das heißt, zu dem Zeitpunkt wo Sie aus Afghanistan geflohen sind, hatten Sie schon eine Tazkira.

BF: Ja.

R: Wieso haben Sie die Tazkira nicht auf der Flucht mitgenommen, wenn Sie heute sagen, dass es wichtig ist, ein Dokument zu besitzen?

BF: Ich habe die Tazkira damals nicht mitgenommen, weil ich mir gedacht habe, ich würde sie nicht benötigen. Erst in Österreich benötigte ich die Tazkira und habe sie mir zukommen lassen.

R: Nochmals auf das Geburtsdatum römisch 40 zurückkommend, wissen Sie wie das BAA auf das Geburtsdatum römisch 40 gekommen ist?

BF: Das weiß ich nicht, das steht so da.

R: Die Tazkira wurde am römisch 40 ausgestellt. Nach den Angaben, die Sie am BAA gemacht haben, sind Sie ungefähr zu diesem Zeitpunkt aus Afghanistan geflohen. Sie haben angegeben, Sie haben sich die Tazkira selbst abgeholt. Vorher haben Sie aber angegeben, dass Sie die Tazkira bereits einige Monate vor Ihrer Flucht beantragt haben. Können Sie mir das bitte erklären.

BF: Ich kann mich nicht so genau erinnern. Durch meine Krankheit hat sich mein Gedächtnis verschlechtert.

R: Kann es sein, dass Sie Ihre Tazkira knapp vor der Flucht geholt haben?

BF: Ja, so genau kann ich Ihnen das nicht sagen. Mein Gedächtnis hat sich verschlechtert. Es sind inzwischen vier Jahre vergangen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern.

R: Können Sie sich überhaupt noch an das ganze Fluchtgeschehen erinnern?

BF: Ja, die Schwierigkeiten, die ich in Afghanistan gehabt habe, fallen mir immer noch ein.

R: Nennen Sie Ihren heutigen Familienstand und den Familienstand, den Sie zum Zeitpunkt der Ausreise aus Ihrem Heimatland hatten. Sie haben nämlich angegeben, Sie sind verheiratet.

BF: Ich bin immer noch verheiratet. Zur Zeit meiner Ausreise war ich bereits ein Jahr verheiratet.

R: Sie haben mir zwei Fotos vorgelegt. Was sehe ich auf diesen beiden Fotos?

BF erklärt, dass sich darauf er befindet mit seiner Frau und Mutter bzw. Schwiegermutter.

Der BF bittet darum, dass ihm die Fotos zurückgegeben werden, auf denen seine Frau abgebildet ist.

Die Fotos werden kopiert und die Kopien zum Akt genommen. Die Originale werden dem BF ausgehändigt.

R: Wie alt waren Sie, als Sie in Afghanistan geheiratet haben?

BF: Ich war ca. 17 Jahre alt, als ich geheiratet habe.

R: Nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit.

BF: Meine Staatsangehörigkeit ist Afghanistan.

R: Nennen Sie die Volksgruppe und Konfession, der Sie angehören.

BF: Ich bin Tadschike und sunnitischer Moslem.

R: Hatten Sie in Afghanistan Probleme wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen Ihrer religiösen Überzeugung?

BF: Nein.

R: Was ist Ihre Muttersprache? Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie in diesen Sprachen lesen und schreiben?

BF: Meine Muttersprache ist Dari. Ich spreche etwas Paschtu und Deutsch. Ich kann nur etwas Deutsch schreiben. Im Dari habe ich nie lesen und schreiben gelernt. Ich konnte nur meinen Namen schreiben.

R: Im Akt habe ich die Namen Ihrer Familienangehöriger, hat sich daran etwas geändert (laut Niederschrift bei der Polizei vom 13.08.2011?

BF: Alle leben in meinem Heimatdorf bis auf meine Schwester römisch 40 , die verheiratet ist. Sie lebt in der Stadt römisch 40 .

Auf Wunsch des BF wird die Verhandlung unterbrochen.

Fortsetzung der Verhandlung um 10:52 Uhr.

SV: Ich revidiere mein Gutachten zur Echtheit der Tazkira wie folgt:

SV: Der Ausstellungsort des Personalausweises steht nicht fest. In der Rubrik, wo die Unterschrift des Distriktschefs oder Gouverneurs vorkommt, lese ich den Satz: "Gouverneur der Provinz XXXX". Demgemäß sollte die Unterschrift, die auf diesem Satz zu sehen ist, die Unterschrift des Gouverneurs sein, aber aufgrund der schlecht leserlichen Form der Schrift kann ich nicht mit 100%-iger Sicherheit sagen, ob das die Unterschrift des Gouverneurs oder des Distriktschefs ist und darauf folglich nicht abgeleitet werden kann, wo diese Tazkira ausgestellt ist, nämlich entweder im Registeramt im Distrikt römisch 40 oder im Registeramt in der Provinzhauptstadt römisch 40 . Normalerweise würde aus einer Tazkira klar hervorkommen, wo der Ausstellungsort ist. In der Rubrik, wo die Unterschrift des Inhabers des Personalausweises vorkommen sollte, ist der Satz zu lesen, "Gemäß der Bestätigung der vorhergehenden Daten der Person/des Inhabers". In dieser Rubrik kommt ein Fingerabdruck vor, normalerweise wird in dieser Rubrik unterschrieben, aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Inhaber seinen Fingerabdruck abgibt. Es ist die Frage, ob das der Fingerabdruck des BF ist.

R an BF: Was haben Sie beruflich in Afghanistan gemacht? Was war Ihr Beruf?

BF: Blechverarbeiter.

R: Haben Sie auch andere Berufe ausgeübt?

BF: Nein.

SV: Haben Sie einen Führerschein?

BF: Nein.

SV setzt das Gutachten fort.

SV: In der Rubrik, wo der Beruf des BF vorkommen sollte, ist angeführt "Fahrer", wenn er Blechverarbeiter war, sollte hier, wie er auf Dari sagt "Halabi Saz" stehen. In der Tazkira steht aber "Drewawr". Das bedeutet Fahrer (Chauffeur). Ich habe nach dem heutigen Sprachgebrauch des BF festgestellt, dass der BF möglicherweise keine Schule besucht hat. Er spricht, ich möchte hier ein Beispiel anführen, als hier vom Termin die Rede war, hat er dafür ein Dari-Wort verwendet, das gleich klingt wie Termin, nämlich Tarmim. Tarmim bedeutet Reparieren oder Reparatur. Die Personen, die keine Schule besucht haben, vergleichen oft gleichklingende Dari-Wörter mit dem Deutschen und sie übernehmen das in ihrem Sprachgebrauch. Ausgehend davon möchte ich darauf hinweisen, dass die Analphabeten und Handwerker im Normallfall mit der traditionellen Kleidung ein Foto machen lassen für die Tazkira und nicht mit einem Anzug und Krawatte in europäischer Kleidung. Dieses Foto mit europäischer Kleidung und gepflegtem Äußeren entspricht dem Foto einer Person, der eine Weile die Schule besucht hat und auch gelegentlich einen europäischen Anzug getragen hat. Die Blecharbeiter in römisch 40 , so wie ich sie kenne, sind einer harten Arbeit ausgesetzt und sie gehören zu jenen Personen, die der unteren Mittelschicht angehören. Ihr Verdienst reicht aus, gerade ihre Familie zu ernähren. Solche Personen würden keine Zeit haben, mit gepflegten Anzug und gepflegten Äußeren sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, so wie man auf diesem Foto sieht.

BF: Ich weiß, dass auf der Tazkira der Begriff Drewawr geschrieben ist. Ich bin Blechverarbeiter. Sie fragten mich, ob ich einen Führerschein besitze. Ich antwortete mit Nein. In Afghanistan besitzt kaum jemand einen Führerschein. Ich kann Autofahren und besaß auch ein privates Fahrzeug, aber ich hatte keinen Führerschein. Sie haben mich nur gefragt, ob ich einen Führerschein habe und nicht gefragt ob ich ein Auto fahre. Jetzt komme ich zu dem Foto. Ja, es stimmt, man hat sich mit den traditionellen Klamotten fotografieren lassen, aber inzwischen ist es nicht nötig, dass man sich mit der traditionellen Kleidung fotografieren lässt. Wenn sie sich Afghanistan ansehen, laufen 50% der Einheimischen mit europäischer Kleidung herum. Das hat nichts damit zu tun, ob man gebildet oder ungebildet ist. In Afghanistan kleiden sich auch die Ungebildeten genauso wie die Gebildeten. Sie ziehen die europäischen Klamotten an, weil es gut aussieht. Wenn Sie sich meine Hochzeitfotos ansehen, dort hätten ich dann auch traditionelle Klamotten anziehen müssen.

R: In welchem Amt wurde der Personalausweis ausgestellt?

BF: Beim Registeramt im Distrikt römisch 40 . Ich bin jung. Mir gefällt es, europäische, moderne Klamotten anzuziehen.

R: Warum haben Sie sich die Tazkira ausstellen lassen?

BF: Ohne Tazkira wird man nicht als Afghane in Afghanistan anerkannt.

R: Ist das für den Beruf wichtig bzw. war das für Ihren Beruf wichtig? Zeigt man das für einen Vertrag her, oder wenn man einen Auftrag bekommt, um zu beweisen, dass man auch diese Person ist?

BF: Nein, für meinen Beruf war es nicht wichtig. Ich habe mit Deutschen zusammengearbeitet am Flughafen von römisch 40 , auch mit Türken arbeitete ich zusammen. Ich arbeitete 8 Monate mit ihnen. Sie haben keine Tazkira von mir verlangt. Das ist aber sehr wichtig für einen Afghanen eine Tazkira zu besitzen.

R: Für welche Lebenssituationen ist es in Afghanistan wichtig, eine Tazkira zu besitzen?

BF: Man braucht eine Tazkira, wenn man nach Pakistan reisen möchte oder in den Iran. Dann benötigt man eine Tazkira.

R: Haben Sie Reisen nach Pakistan oder in den Iran gemacht?

BF: Nein.

R: Hatten Sie vor eine Reise nach Pakistan oder in den Iran zu machen?

BF: Nein.

R: Gab es andere Gründe, dass es notwendig war, eine Tazkira ausstellen zu lassen?

BF: Eine Tazkira ist ein Staatsbürgerschaftsnachweis von Afghanistan. Ich habe mir die Tazkira ausstellen lassen, weil es vorkommen kann, dass man plötzlich eine Tazkira benötigt. Man weiß ja nicht, wie lange man gesund bleibt. Es könnte sein, dass ich von einer Provinz in die andere Provinz reisen muss. Darum ist es wichtig, eine Tazkira zu besitzen.

R: Ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass alle Angaben, die in der Tazkira erfasst sind, auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen und richtig sind?

BF: Ja.

R: Warum haben Sie sich dann eine Tazkira ausstellen lassen, wo ein falscher Beruf angeführt ist?

BF: Ich bin auch mit dem Auto gefahren. Ich besaß einen privaten PKW. Die Tazkira ist echt. Sie können jemanden nach Afghanistan schicken, der dort nachfragen kann. Es macht keinen Unterschied, ob dort Blechverarbeiter liegt oder Fahrer.

R: Ich habe Sie vorhin nach Ihren Beruf gefragt und Sie haben geantwortet Blechverarbeiter. Warum haben Sie nicht auch gesagt, dass Sie Fahrer sind?

BF: Ich bin krank. Mir ist die Erinnerung nicht gekommen. Ich nehme Medikamente. Ich fühle mich jetzt auch schlecht. Mir ist schwindelig. Seit dem ich wöchentlich zu einem Therapeuten gehe, brauche ich Pausen. Ich kann manche Fragen nicht beantworten. Sie wissen, dass es mir nicht gut geht.

R hält fest, dass dies eingangs vom BF dargelegt wurde und daher aufgrund dieser Angaben jetzt eine Pause gemacht wird.

Die Verhandlung wird um 11:34 Uhr unterbrochen und um 11:43 fortgesetzt.

R: Wo haben Sie in Afghanistan gelebt?

BF: Ich habe in der Provinz römisch 40 im Distrikt römisch 40 im Dorf römisch 40 gelegt.

R: Beschreiben Sie mir, wie Ihr Dorf ausgesehen hat.

BF: Ich habe in diesen vier Jahren sehr viele Probleme gehabt und kann Ihnen das deswegen nicht genau erklären. Ich habe eine Bitte. Ich möchte nicht mehr so lange hier sitzen. Beim ersten Interview musste ich auch 16 Stunden lang sitzen. Ich bin einverstanden mit dem, was Sie mir geben. Auch mit dem subsidiären Schutz. Es ist sehr schwierig für mich. Ich zittere so. Mein Hinterkopf tut mir weh.

R weist auf die Möglichkeit hin, die Verhandlung zu erstrecken auf einen späteren Termin.

BF gibt an, dass er weiter verhandeln möchte.

R: Haben Sie ihr ganzes Leben in römisch 40 gelebt?

BF: Ja.

R: Daher noch einmal meine Fragen, wenn Sie Ihr ganzes Leben lang in römisch 40 gelebt haben, können Sie mir auch beschreiben, wie groß das Dorf war.

BF: Das war ein normales Dorf, wie jedes andere. Ich kann es Ihnen nicht beschreiben. Ich bin ungebildet.

R: Wie viele Familien haben dort ungefähr gewohnt?

BF: Viele Familien haben dort gewohnt.

R: Gab es im Dorf eine Moschee?

BF: Ja.

R: Wissen Sie den Namen der Moschee?

BF: Ja. römisch 40 .

SV hält fest, dass dies kein Name ist, sondern lediglich der Begriff, wo ein Freitagsgebet abgehalten wird.

BF: Den Namen kenne ich nicht.

R: Sind Sie in die Moschee gegangen zum Gebet?

BF: Ja.

R: Wie oft?

BF: Jede Woche, an anderen Tagen bin ich in die Geschäfte gegangen.

R: Jede Woche an einem bestimmten Tag?

BF: Jeden Freitag.

R: Gab es einen Mullah, der die Gebete gesprochen hat?

BF: Ja.

R: Wissen Sie den Namen des Mullahs?

BF: römisch 40 oder ich kann mich nicht mehr genau erinnern.

R: War es die ganze Zeit, in der Sie dort gewohnt haben, derselbe Mullah?

BF: Nein, es waren mehrere Mullahs, alle 5, 6 bis 12 Monate wurden die Mullahs gewechselt. Es ist ein neuer Mullah gekommen. Den Namen kenne ich nicht.

R: Wer war zuletzt der Mullah, als Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Ich weiß nicht, ob es römisch 40 war. Mein Hinterkopf brennt.

R: Gibt es eine genauere Adresse in dem Dorf, wo Sie gewohnt haben, eine Gasse, eine Nummer?

BF: In Afghanistan gibt es keine genauen Adressen, überhaupt in Dörfern.

R: Wie würde man Sie finden, wenn ich dort hinfahren würde und Ihre Familie finden möchte? Wen müsste ich fragen, um zu Ihrer Familie zu kommen, die ja noch dort lebt.

BF: Wenn man irgendwo hinfährt, dann geht man zu einer Person hin und fragt, wie finde ich die Familie soundso und diese Person zeigt einem dann den Weg.

R: Wen müsste ich fragen, wenn ich in Ihr Dorf komme?

BF: Meine Familie könnte man über die Mosche finden.

R: Dann müsste ich den Mullah nach Ihrer Familie fragen?

BF: Ja.

R: Wie hieß Ihre Nachbarfamilie?

BF: Die Namen meiner Nachbarn lauten römisch 40 , römisch 40 , römisch 40 .

R legt dem BF eine Skizze vor, wonach er die Moschee im Dorf einzeichnen soll und eine Markierung anführen soll, wo das Haus der Familie lag. Der Kreis würde das Dorf darstellen.

BF: Ich kann mich nicht erinnern, wo das Haus lag. Ich bin die ganze Zeit mit dem Auto gefahren.

R: Das ist nicht glaubhaft.

BF: Ich bin hierhergekommen und habe mein Gedächtnis verloren. Ich habe viele Probleme.

R: Aufgrund des psychiatrischen Gutachtens haben Sie Ihr Gedächtnis nicht verloren. Sie können Ihr Haus und die Moschee also nicht einzeichnen?

BF: Nein, kann ich nicht.

R: Sie haben gesagt, Sie haben ein Geschäft gehabt. Wo war denn das?

BF: Ja, ich hatte ein Geschäft. Es befand sich in der Provinzhauptstadt von römisch 40 , in der Gasse der Blechverarbeiter ("rasta-e halabesazi"). Dort befinden 70-80 Geschäfte. Sie können bei jedem einzelnen Geschäft fragen, wer römisch 40 ist. Das Geschäft ist unter dem Namen meines Vaters als römisch 40 bekannt.

R: Sind Sie von Ihrem Heimatdorf mit dem Auto auch zum Geschäft in die Provinzhauptstadt gefahren? Wenn ja, können Sie beschreiben, wie man dort hinkommt?

BF: Ja, ich bin mit meinem Auto und gelegentlich mit dem Motorrad in die Provinzhauptstadt gefahren. Könnte ich eine Pause haben, mir dreht sich alles.

R unterbricht die Verhandlung um 12:07 Uhr und setzt sie um 12:09 Uhr fort.

R wiederholt die Frage: Können Sie mir sagen, wie Sie von Ihrem Heimatdorf in die Provinzhauptstadt römisch 40 gefahren sind? Beschreiben Sie mir bitte den Weg.

BF: Ich fuhr durch den Distrikt römisch 40 und ich überquerte Gor Tepa (phonetisch). Das war's.

R: Wie lange ist man mit dem Auto normalerweise unterwegs?

BF: Ca. eineinhalb Stunden.

R: Was sind die Nachbardörfer von Ihrem Heimatdorf?

BF: Ich bin dort frühmorgens zum Geschäft gefahren und erst in der Nacht wieder zurück. Ich habe dort sonst keinen Kontakt. Ich habe Ihnen schon mehrere Namen genannt.

R: Ich habe Sie nach den Nachbardörfern gefragt.

BF: Ich kann keine angeben.

R: Sie haben angegeben, Ihre Familie, Ihre Eltern, Brüder und die Schwester, Ihre Ehefrau leben nach wie vor im Heimatdorf. Leben sie noch immer an derselben Adresse im selben Haus?

BF: Ja.

R: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren oben genannten Verwandten? Wenn ja, wann und in welcher Form erfolgte der letzte Kontakt?

BF: Nein, ich habe seit 9 Monaten keinen Kontakt mehr.

R: Warum nicht?

BF: Ich habe keinen Kontakt mehr, weil mein Vater sehr viel Druck auf mich ausgeübt hat. Er hat mir vorgeworfen, dass ich meine Ehefrau dort alleine gelassen habe und er alle Kosten für sie übernehmen muss. Durch seine Worte, ging es mir sehr schlecht. Ich ging dann zum Arzt und erzählte ihm, warum es mir schlecht geht. Er hat mir gesagt, wenn ich weiterhin so viel nachdenke, wird es sich negativ auf meinen Gesundheitszustand ausüben. Außerdem sagten sie mir, "Warte wie dein Interview abläuft und nachher kannst du deine Ehefrau hierher bringen."

R: Wer hat Ihnen das gesagt?

BF: Der Anwalt hat mir gesagt, wenn ich eine positive Antwort bekomme, dann kann ich meine Ehefrau herholen. Durch die Hilfe meines Therapeuten geht es mir inzwischen viel besser.

R: Hat Ihr Vater nach wie vor das Geschäft in der Provinzhauptstadt?

BF: Ja.

R: Haben Sie in anderen Landesteilen Afghanistans noch Angehörige? Besteht noch Kontakt?

BF: Nein.

R: Wenn Sie sich in die Situation zurückversetzen. Sie sind ungefähr Mitte 2011 aus Afghanistan geflohen. In dem Verfahren vor dem BAA haben Sie angegeben, dass die Familie, Ihr Vater und Ihre Brüder keine Probleme hatten nach Ihrer Flucht. Können Sie sich an die Angaben erinnern?

BF: Nein, ich kann mich nicht erinnern. Es gibt immer noch eine Gefahr für sie.

R: Welche?

BF: Der Tod.

R: Sie haben doch gesagt, Sie standen vor Ihrer Flucht regelmäßig mit Ihrer Familie in Kontakt.

BF: Ja.

VR: Haben Sie da gehört, dass die Familie Probleme mit den Taliban hatte. Sind sie noch einmalgekommen?

BF: Ja, sie haben gesagt, dass sie Probleme mit den Taliban haben.

R: Das ist aber neu, das haben Sie vorher nicht gesagt.

BF: Aber sie haben Probleme.

R: Können Sie das beschreiben?

BF: So genaue Informationen habe ich nicht. Sie sagten mir lediglich, dass ihr Leben in Gefahr sei.

R: Wer hat Ihnen das gesagt und wann?

BF: Mein Vater vor ca. eineinhalb Jahren.

R: Hat er gesagt, warum das Leben in Gefahr ist?

BF: Ja, er sagte mir, wegen meiner Arbeit ist das Leben von ihnen in Gefahr.

R: Gab es irgendwelche Probleme für Ihren Bruder oder Ihren Vater nach Ihrer Flucht?

BF: Ca. ein Jahr nach meiner Flucht bekamen sie Probleme.

R: Welche?

BF: Die Probleme mit den Taliban.

R: Sie können nicht im Detail schildern, was dann passiert ist?

BF: Die Probleme, die ich hatte mit den Taliban.

R: Haben Sie in Afghanistan eine Schule besucht, wenn ja, wo und wie lange?

BF: Ja, nur sehr wenig.

R: Wie lange?

BF: Ich weiß es nicht mehr.

R: Wie alt waren Sie, als Sie in die Schule gingen?

BF: So genau weiß ich das nicht, aber ich habe die Schule besucht.

R: Wo war denn die Schule?

BF: Die Schule heißt römisch 40 .

R: Wo war die Schule örtlich gesehen?

BF: Die Schule befindet sich in der Provinz römisch 40 , in der Provinzhauptstadt römisch 40 .

R: Wie sind Sie dorthin gekommen?

BF: Mein Vater fuhr in der Früh immer dorthin in die Arbeit und setzte mich bei der Schule ab. Nach der Schule ging ich zum Geschäft.

R: War das eine Koranschule oder eine staatliche Schule?

BF: Es war eine staatliche Schule.

R an SV: Zu den Angaben des BFs hinsichtlich der besuchten Schule, kann es sich bei dieser Schule um eine Art Volksschule handeln oder ist das eine weiterführende Schule im Sinne eines Gymnasiums?

SV: römisch 40 ist eine Art Gymnasium und liegt an der vom BF angegebenen Adresse in der Provinzhauptstadt von römisch 40 . In Afghanistan werden in manche Lyceen auch die Volks- und Mittelschulen integriert aufgrund der mangelnden Gebäude. Ich habe selbst ein Jahr diese Schule besucht, nämlich die 12. Klasse und dort die Schule abgeschlossen. Damals gab an diesem Standort in diesem Gebäude es keine Volksschule. Offensichtlich ist in den Bürgerkriegsjahren aufgrund von Platzmangel eine Volksschule integriert worden. Die Angaben des BF sind daher plausibel.

R: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt finanziert?

BF: Durch die Arbeit. Ich habe mein Leben durch die Arbeit als Blechverarbeiter finanziert.

R: Haben Sie dafür eine eigene Ausbildung gemacht?

BF: In Afghanistan ist das nicht wie in Europa, dass man einen Beruf erlernt. Man arbeitet dort vier, fünf, sechs Jahre lang, bis man sich das aneignet.

R: Ab welchem Alter haben Sie begonnen zu arbeiten?

BF: Ich war sehr jung, als mich mein Vater in das Geschäft mitgenommen hat.

R: Wie waren Ihre Lebensumstände in Afghanistan finanziell gesehen? Wie ging es Ihnen und Ihrer Familie?

BF: Wir hatten ein gutes Leben. Wir führten ein gutes Leben. Finanziell ging es uns gut. Wir besaßen ein Auto, ein Motorrad. Wir haben in einem Eigentumshaus gewohnt, das der Familie gehörte. Grundstücke haben wir nicht besessen. Mein Vater hatte keine Mitarbeiter, die er bezahlt hat, nur Lehrlinge. Das war unterschiedlich, zwischen 0 und 5 Personen.

R: Haben Sie einen Bezug in Österreich? Sind Sie in Österreich mit jemandem verwandt?

BF: Nein, ich habe hier keine Familie, Bekannte oder Verwandte, aber Österreich gefällt mir sehr, weil die österreichischen Mitbürger sehr höflich sind, sehr nett und freundlich. Ich bin auch nicht verheiratet in Österreich. Ich habe nur einmal in Afghanistan geheiratet.

R: Zu Ihrer Heirat in Afghanistan haben Sie eine Urkunde vorgelegt. Ist das die Urkunde, die Sie vorgelegt haben?

BF: Ja.

R: Können Sie Angaben machen, wo Sie geheiratet haben?

BF: Wir haben in römisch 40 geheiratet.

R: Wer war aller bei der Hochzeit anwesend?

BF: Wir haben traditionell geheiratet mit einem Mullah in römisch 40 . Erst nachdem ich in Österreich war, verlangten sie eine Heiratsurkunde von mir. Diese wurde erst dann ausgestellt. Die Moschee römisch 40 befindet sich vom Stadttor in der Richtung von römisch 40 . Es wurde die Heiratsurkunde in Afghanistan ausgestellt und mir zugeschickt. Es ist keine standesamtliche Hochzeit gewesen.

R: Wenn Sie sagen, Sie haben in römisch 40 geheiratet. Ist das im Distrikt römisch 40 oder in Ihrem Dorf gewesen?

BF: Im Heimatdorf römisch 40 habe ich geheiratet und dieses liegt im Distrikt römisch 40 .

SV: Die vom BF vorgelegte Urkunde ist eine traditionelle Heiratsurkunde. Wenn die Leute in Anwesenheit der Mullahs und Dorfältesten heiraten, wird handschriftlich eine solche Urkunde angefertigt. Am Ende befinden sich Namen und Fingerabdrücke des Mullahs und der Trauzeugen. Diese Urkunde ist am römisch 40 ausgestellt worden (entspricht römisch 40 ). Diese Angaben werden vom römisch 40 der Moschee römisch 40 bestätigt. Aber die Tatsache, dass die Heirat im Heimatdorf stattgefunden hat, wie der BF jetzt angegeben hat und diese Bestätigung im Nachhinein als der BF schon in Österreich war, in der Stadt römisch 40 ausgestellt wurde, ist das eine Gefälligkeitsbestätigung. Richtigerweise müsste die Urkunde von der Moschee ausgestellt werden, wo der BF tatsächlich geheiratet hat und nicht von einer fremden Moschee in der Provinzhauptstadt, von anderen Mullahs, die nicht bei der Hochzeit anwesend gewesen sind.

BF: Ja, ich war zu diesem Zeitpunkt in Österreich und sie verlangten von mir eine Heiratsurkunde. In unserem Heimatdorf sind die Taliban und der Mullah hat sich nicht getraut, diese Heiratsurkunde für mich auszustellen. Bei den Taliban sagt man, dass der Mullah eine Ehe traut und es seien keine Heiratsurkunden notwendig.

SV: Seit wann herrschen die Taliban in Ihrem Dorf?

BF: Das ist eine sehr gute Frage. Nach dem Sturz der Taliban, als Karzai Präsident wurde, ca. vier bis fünf Jahre später, sind die Taliban aufgetaucht.

SV: Herrschten die Taliban zum Zeitpunkt Ihrer Flucht immer noch in Ihrem Dorf, ja oder nein?

BF: Ja, als ich mich noch dort aufgehalten. Ich möchte mich noch einmal wiederholen. Ich habe noch dort gelebt, als die Taliban sehr viel Einfluss hatten. Aus diesem Grund bin ich dann geflohen.

R: Sie haben schon diverse Urkunden über Deutschkurse usw. vorgelegt. Wollen Sie ergänzendes vorlegen?

BF legt vor: Die Urkunde vom 05.03.2015 über Deutschkurs Elementar Punkt 2 welche als Beilage ./1 in Kopie zum Akt genommen wird. Das Original wird dem BF wieder ausgehändigt.

BF: Derzeit bemühe ich mich sehr viel. Es ist mir sehr wichtig, dass ich die deutsche Sprache lerne. Es ist mir sehr wichtig, Österreich zu dienen, weil dieses Land mir sehr viel gegeben hat.

R: Was würden Sie hier machen wollen, wenn Sie sich in Österreich weiter aufhalten dürften?

BF: Wenn ich Asyl bekomme, möchte ich in der Nacht arbeiten und tagsüber lernen und mich weiterbilden.

R: In welchem Beruf möchten Sie arbeiten?

BF: Ich kann leider nicht lesen und mein Gedächtnis hat sich verschlechtert. Ich versuche auf einer Baustelle zu arbeiten oder in einem Restaurant. Ich möchte jetzt auch arbeiten ohne Bezahlung, aber die Therapeutin hat mir gesagt, es sei nicht möglich.

R: Haben Sie einen Freundeskreis in Österreich?

BF: Ja, aber keine Österreicher, sondern meistens Afghanen. Einmal gehe ich zum Zebra, dort gibt es eine Bekannte namens römisch 40 . Sie half mir, die Sprache zu lernen.

R: Sind Sie legal in das Bundesgebiet eingereist?

BF: Nein.

SV: Kennen Sie irgendjemanden aus römisch 40 hier in Österreich?

BF: Ja, in Graz leben viele aus römisch 40 , auch die Familie von Dr. Rasuly stammt aus römisch 40 . Ich kenne sehr viele aus römisch 40 . Sie leben in Graz.

R: Seit wann sind Sie in Österreich?

BF: Seit dem 13.08.2011. Ich war einige Tage im Gefängnis in Salzburg. Von dort aus überführten sie mich nach Thalham.

R hält fest, dass im Strafregisterauszug vom 26.02.2015 keine Verurteilung aufscheint und erklärt diese Urkunde zum Aktenbestandteil.

R: Sind Sie legal in das Bundesgebiet eingereist?

BF: Ich bin illegal in das Bundesgebiet eingereist.

R fragt, ob der BF noch zum bisherigen Vorbringen Beweismittel vorlegen möchte.

BF: Nein.

SV: Haben Sie eine paschtunische Verwandtschaft?

BF: Nein.

Die Verhandlung wird um 13:00 Uhr unterbrochen und um 14:40 Uhr fortgesetzt.

R beauftragt SV folgenden Befund und Gutachten zu erstellen:

1. Zu den Angaben über Herkunft, Ethnie, Bildungsgrad und Wohnort des BF,

2. Sicherheitssituation in der Heimatregion des BF.

3. Wie sieht für Rückkehrer im Alter des BF, der noch Familie im Herkunftsland hat, welcher Analphabet ist, keine qualifizierte Ausbildung hat in Afghanistan im Allgemeinen und in Kabul die Arbeits- und Integrationsmöglichkeit aus? Kann sich der BF unter diesen Umständen eine menschenwürdige und wirtschaftliche Existenzgrundlage schaffen?

SV: Zur Frage 1: Die Angaben des BF betreffend seines Geburtsortes, das Dorf römisch 40 im Distrikt römisch 40 , sind nicht authentisch. Er kennt sich mit seinem Dorf und mit umliegenden Dörfern nicht aus. Wie es in Afghanistan üblich ist, kann jede Person, auch wenn sie Analphabet ist, wenn sie in einem Dorf aufgewachsen und von dort jeden Tag in eine andere Stadt zur Arbeit gefahren ist, genau die umliegenden Dörfer ihres Dorfes und die Straße, die zum Arbeitsort führt, beschreiben. Aufgrund meines Zweifels an der Echtheit des Personalausweises des BF, wie es oben ausführlich besprochen wurde, kann ich auch die Herkunft des BF aus dem Dorf römisch 40 im Distrikt römisch 40 nicht bestätigen. Der BF spricht einen Dari-Dialekt, der in römisch 40 und in Nordwest-Afghanistan, wie in römisch 40 und in römisch 40 gesprochen, wird. Der BF kennt sich in der Stadt römisch 40 sehr gut aus. Er hat seine Arbeitsstelle genau beschrieben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der BF in seinem Familienbetrieb, einem Blechverarbeitungsladen, tätig gewesen ist. Die Adresse seines Blechverarbeitungsladens ist authentisch, ist mir bekannt und liegt in der Stadt römisch 40 . Die letzten Äußerungen des BF zu seinem Bildungsstand waren spontan und authentisch. Der BF hat das Lyzeum genau beschrieben. Daher gehe ich davon aus, dass der BF in dieser Schule war. Wie lange er diese Schule besucht hat, kann ich im Augenblick nicht feststellen, denn der BF hat während der Verhandlung immer wieder versucht, sich verschieden auszudrücken. Diese Ausdrucksweisen machten manchmal den Eindruck, dass der BF eine gebildet Person wäre, manchmal den Eindruck, als ob der BF Analphabet wäre. Die ethnische Herkunft des BF kann ich nicht genau feststellen, aber er ist in einer Tajikisch- bzw. Dari-sprechenden Umgebung in der Stadt römisch 40 aufgewachsen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass er auch paschtunische verwandtschaftliche Beziehungen haben könnte, weil die Personen, die die Heiratsurkunde des BF bestätigt haben, teilweise paschtunische Namen haben. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass für einen Tajiken auch paschtunische Zeugen auftreten. Die Stadt römisch 40 ist eine multiethnische Stadt und so durchmischt, dass sich die Erledigung von gesellschaftlichen Angelegenheiten auf die jeweilige Ethnie nicht einschränkt, wenn es um die Angelegenheiten einer Person geht, die einer bestimmten Ethnie angehört.

Das Gutachten wird von D übersetzt.

BF: Ich stamme aus römisch 40 und ich verstehe nicht, warum man mir vorwirft, dass ich nicht aus römisch 40 stamme.

R: Der SV hat Ihnen nicht geglaubt, dass Sie aus dem Dorf römisch 40 stammen, aber sehr wohl aus der Stadt römisch 40 stammen könnten.

BF: Ich verstehe den SV, dass er seinen Auftrag erledigen muss, aber ich stamme aus der Provinz römisch 40 , aus dem Distrikt römisch 40 , aus dem Dorf

römisch 40 .

R: Wollen Sie noch weiteres anmerken?

BF: Welche Zeugen waren gemeint?

R: Die Zeugen, die auf der Heiratsurkunde unterschrieben haben.

BF: Diese Zeugen habe ich nicht gemeint. In römisch 40 leben Menschen aus allen möglichen Ethnien.

R: Das hat der SV eh gesagt. Wollen Sie noch etwas dazu sagen?

BF: Was soll ich tun? Wie soll ich es Ihnen beweisen, dass ich aus römisch 40 stamme?

SV: Ich habe dem BF bestätigt, dass er aus römisch 40 ist. Das scheint der BF jedoch nicht verstanden zu haben.

SV erläutert dem BF dasselbe in Dari.

BF nickt und hat es verstanden.

Zur Frage 2: Die Provinz römisch 40 gehört zu den unsichersten Provinzen Afghanistans. Die Taliban sind in der gesamten Provinz präsent. Sie kontrollieren mehr als 50% der Dörfer der Distrikte römisch 40 , Imam Sahib, Dasht-e Archi, römisch 40 und Aliabad. Von diesen Gebieten aus greifen die Taliban auch die Distriktzentren, die Provinzhauptstadt und die Regierungs- und ausländischen Stützpunkte an. Die Taliban können jederzeit in der Stadt römisch 40 Anschläge verüben, weil sie in der Stadt römisch 40 ein Netzwerk gebildet haben, über das sie die verschiedenen Stellen erreichen können. Im Jahr 2014 haben sie die Staatsanwaltschaft angegriffen und 6 Staatsanwälte und dutzende Soldaten getötet. Sie haben vor kurzem die Polizeistation in der Stadt römisch 40 angegriffen und dabei sind dutzende Sicherheitskräfte und Zivilisten ums Leben gekommen. Es wird täglich von Angriffen der Taliban auf die Zivilbevölkerung und auf die Behörden berichtet. Die Hauptstraßen zwischen den Distrikten und von römisch 40 Richtung Baghlan bzw. Kabul sind sehr unsicher und es wird täglich von tödlichen Angriffen der Taliban auf diesen Straßen berichtet.

Hierzu möchte ich auf folgende Internetquellen hinweisen, die auf die prekäre Sicherheitslage in der Provinz römisch 40 hinweisen, die Internetquellen werden dem Protokoll als Beilage angehängt.

Das Gutachten wird von D übersetzt.

BF: Keine weitere Erklärung.

Zu Frage 3: Die Versorgungslage der Provinz römisch 40 ist hauptsächlich von der Landwirtschaft abhängig. Da die Anzahl der Bevölkerung in Afghanistan wächst, kann die landwirtschaftliche Produktion nicht allen Afghanen das wirtschaftliche Überleben sichern, besonders nicht jenen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren. Jene Personen bzw. Familien, die kein Grundstück oder wenige Grundstücke haben, geraten in Armut, wenn ihre Familienmitglieder, als interne Flüchtlinge oder Flüchtlinge, die im Ausland leben, zum Familienverband zurückkehren müssten. Daher steigt die Arbeitslosenzahl der Jugendlichen. Nach meiner Schätzung, während meiner Reise Anfang dieses Jahres nach Afghanistan, sind derzeit mehr als 60% der jungen Menschen arbeitslos. Der Grund liegt auch unter anderem darin, dass die ausländischen NGOs und die ISAF-Stützpunkte geschlossen werden und tausende Afghanen, besonders junge Menschen, die in diesen Stellen gearbeitet haben, arbeitslos werden. Die afghanischen Investoren haben seit 2013 aufgrund des Streits der Präsidentschaftskandidaten und der Ankündigung des Abzuges der ISAF-Truppen aus Afghanistan allmählich ihr Kapital aus Afghanistan abgezogen, bzw. einen Teil ihrer Firmen stillgelegt. Auch diese Situation hat zur erhöhten Arbeitslosigkeit der Jugendlichen geführt. Nach meiner Einschätzung gehören die Personen, die bei einem Blechverarbeitungsladen arbeiten, nicht unbedingt zu den besser situierten Personen. Die Schließung der ausländischen Stützpunkte und Abzug der ausländischen NGOs aus Städten wie römisch 40 hat auch dazu geführt, dass die Handwerker ebenfalls zum Teil arbeitslos geworden sind oder keine Aufträge mehr bekommen. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass der BF im Falle seiner Rückkehr, wie viele andere junge Männer, von dieser prekären Wirtschaftslage betroffen sein wird. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Einkünfte aus dem Betrieb seines Vaters nicht ausreichen, dass er weiterhin im Falle seiner Rückkehr von seinem Vater finanziell unterstützt und in seinem Hause aufgenommen wird.

Das Gutachten wird von D übersetzt.

BF: Mir ist etwas schwindelig. Könnte ich zwei Minuten Pause haben?

Die Verhandlung wird um 15:00 Uhr unterbrochen und um 15:03 Uhr fortgesetzt.

BF stimmt dem Gutachten von SV zu.

Das Gericht beauftragte SV Dr. Rasuly im Verfahren W 151 1425643-1 mit Befund und Gutachten zu folgenden zusätzlichen Fragen:

1. Gibt es staatlichen Hilfs- und Integrationsprogramme für junge Rückkehrer im Alter des BF?

2. Bitte erstellen Sie Befund und Gutachten zur Frage der Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen und in Kabul in Hinblick auf den Abzug der ISAF-Truppen und den Verbleib der US-Amerikanischen Soldaten. Ist der Abzug bereits erfolgt? Hat sich die Sicherheitslage wesentlich zu der im Dezember 2014 verändert? Kann noch immer davon gesprochen werden - wie aus Ihren Gutachten vom September 2014 bis Dezember 2014, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Kabul unverändert schlecht ist und auch die Zivilbevölkerung einem starken Sicherheitsrisiko ausgesetzt ist?

Dieses wurde folgendermaßen beantwortet:

"Zur 1. Frage: Wie ich oben erwähnt habe, hat der Staat keine Integrationsmaßnahmen, die umfassend die Rückkehrer betreuen kann. Es gibt ein Sozialministerium und ein Ministerium für Flüchtlingsfragen, die sich eigentlich um die Rückkehrer kümmern sollten, aber dies ist nicht der Fall. Auf Grund der Korruption und Gleichgültigkeit der Verantwortlichen der Ministerien wird in diesem Bereich nicht investiert. Daher können die Rückkehrer auf keinen Fall auf die Unterstützung des Staates oder der NGO¿s zählen.

Zur 2. Frage: Betreffend die Sicherheitslage möchte ich ausführen, dass sich die Lage in Afghanistan im Allgemeinen weiterhin prekär gestaltet. Es wird im Nordosten Afghanistans, im Osten und Südosten des Landes, sowie im Süden verstärkt durch die Taliban versucht, die afghanische Behörde und die Ausländer einzuschüchtern. Deshalb gibt es immer wieder Bombenanschläge und Selbstmordanschläge in diesen Regionen. Die Taliban halten sogar viele Dörfer in den entlegenen Provinzen unter ihrer Kontrolle. Dabei kommen dutzende Zivilisten ums Leben. Es werden auch Privatveranstaltungen, wie Hochzeitsfeste, von den Taliban angegriffen. Bei diesen Angriffen der Taliban sind im letzten Jahr hunderte Menschen gestorben. Es wird berichtet, dass im Februar die Taliban auf den Hauptstraßen Autobusse anhalten und dutzende Menschen als Geisel mitnehmen. Es kommt auch vereinzelt vor, dass sie einzelnen Menschen den Hals abschneiden. In den Großstädten wie in Kabul war 2013 und 2014 große Unsicherheit zu verzeichnen. Die Taliban waren in diesen Städten aktiv. Sie haben Regierungsgebäude, Polizeistationen, Gasthäuser, wo die Ausländer gewohnt haben, angegriffen und viele Menschen getötet. Der Grund für diese Aktivitäten der Taliban lag darin, dass sie ihre Stärke demonstrieren wollten. Ein anderer Grund für die Unsicherheit in Kabul lag darin, dass die Präsidentschaftswahlen 2014 von großen Schwierigkeiten und Konflikten innerhalb der Kandidaten gekennzeichnet waren. Ein Teil der ehemaligen Mujaheddin haben sich inzwischen zu einer Art Bande entwickelt. Sie sind für Entführungen von Geschäftsleuten, Politikern usw. in den Städten verantwortlich. Diese haben auch Kabul und andere Großstädte wie Herat, in den Jahren 2013 und 2014 zu unsicheren Städten gemacht. Seit Jänner 2015 hat die Zahl der Taliban-Anschläge abgenommen, aber es kommt immer wieder vereinzelt in Kabul weiterhin zu Taliban-Anschlägen. Die Ankündigung der ISAF, ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen, hat selbstverständlich die Afghanen verunsichert und die Taliban und bestimmte Mujaheddin-Banden ermutigt. Nach meiner Einschätzung aber hat diese Ankündigung wenig Auswirkung auf die Verschlechterung oder die Verbesserung der Situation in Afghanistan. Es werden in Afghanistan mindestens 20.000 ISAF-Truppen stationiert bleiben. Die Amerikaner werden ihre Militärbasen beibehalten. Die Amerikaner und andere europäische Länder werden die Armee ausbilden und bei Bedarf auch sich im Rahmen der afghanischen Armee bei Militäroperationen beteiligen. Insgesamt möchte ich feststellen, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit von einer stabilen Sicherheitslage in Kabul ausgehen kann, da weiterhin vereinzelt Anschläge der Taliban zu verzeichnen sind und die Mujaheddin-Banden, vor allem in der Umgebung von Kabul, ihre Waffen nicht abgegeben haben. Sie drohen immer wieder dem neuen Präsidenten mit Gewalt, wenn ihre Forderungen nicht umgesetzt werden".

Dieses Gutachten wird dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt.

Das Gutachten wird von D übersetzt.

BF stimmt Dr. RASULY zu.

R: Das Gericht hat Ihnen mit der Ladung die aktuellen Länderberichte zur Stellungnahme zugeschickt, Sie haben sich dazu nicht bereits schriftlich geäußert, wollen Sie sich nun mündlich äußern dazu?

BF: Nein, es wurde alles schriftlich dargelegt.

Nach Belehrung des R über die weitere Vorgangsweise erklärt BF, dass er eine Entscheidung ohne seine anwaltliche Vertretung sofort trifft, nämlich Spruchpunkt römisch eins. zurückzieht."

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist afghanischer Staatsbürger, am römisch 40 in der Provinz römisch 40 , im Distrikt römisch 40 geboren, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt hat. Der BF ist zum Entscheidungszeitpunkt volljährig. Er ist muslimischer Sunnit und verheiratet. Er spricht Dari, etwas und Deutsch, er hat nur eine geringe Schulbildung. Er hat als Blecharbeiter gearbeitet und nur ein niedriges Einkommen erwirtschaftet. Der BF befindet sich seit spätestens 13.08.2011 in Österreich. Er ist illegal in das Bundesgebiet eingereist. Der BF ist unbescholten.

Der BF leidet an einer psychiatrischen Erkrankung.

Die Ehefrau, die Eltern, Brüder und Schwestern des BF leben weiterhin in Afghanistan.

Soweit im Übrigen in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum und Geburtsort) getroffen wurden, beruhen diese auf den vom Bundesasylamt in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen, denen in den gegenständlichen Beschwerden und auch später nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Personen der Beschwerdeführer im Asylverfahren.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden zugrunde gelegt:

nachstehende Länderberichte über die Lage/Sicherheitslage in Afghanistan,

die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 6. August 2013 und

das Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen, Dr. Sarajuddin RASULY, für Afghanistan, Univ.-Lekt. Dr. Sarajuddin Rasuly, aus der mündlichen Verhandlung im Verfahren W 151 1425643-1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie

das Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen, Dr. Sarajuddin RASULY, für Afghanistan, Univ.-Lekt. Dr. Sarajuddin Rasuly, aus der gegenständlichen mündlichen Verhandlung vom 09.03.2015 vor dem Bundesverwaltungsgericht

Ad a) Nachstehende Länderberichte wurden herangezogen:

Allgemeines:

Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht.

(Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013)

Der Präsident wird direkt gewählt. Die letzten Präsidentschafts- und Provinzratswahlen fan-den im August 2009 statt. Präsident Karzai ging abermals als Sieger aus den Wahlen hervor. Laut afghanischer Verfassung ist es Präsident Karzai nicht erlaubt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden am 5. April 2014 statt, die endgültige Kandidatenliste wurde im November 2013 veröffentlicht. An die Wahlen wird sich eine Phase der Regierungsbildung anschließen, die angesichts der noch ungefestigten Verfahren längere Zeit in Anspruch nehmen kann.

Die afghanische Nationalversammlung ("Shuraye Melli") besteht aus dem Unterhaus (Volksvertretung, "Wolesi Jirga") und dem Oberhaus (Ältestenrat/Senat, "Meshrano Jirga"), die nach dem Modell eines klassischen Zweikammersystems gleichberechtigt an der Gesetzgebung beteiligt sind. Die letzten Parlamentswahlen fanden am 18. September 2010 statt. Die Auseinandersetzung um die Ergebnisse bei den Parlamentswahlen hielt Monate an.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 10. Jänner 2012, Sitzung 7; United States, Country on Human Rights Practices 2012 - Afghanistan, vom 19. April 2013, Sitzung 1, Deutsches Auswär-tiges Amt, Innenpolitik, vom April 2013; derstandard.at, "Afghanische Wahlkommission bestätigt Liste für Präsidentschaftswahl", vom 20. November 2013; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan vom Januar 2014, S.

4)

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde. In der afghanischen Verfassung ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verankert und das Gesetz der Sharia wird nicht in dieser erwähnt. Jedoch wird Afghanistan als islamische Republik beschrieben, in welcher der Islam eine heilige Religion ist. Demzufolge darf es kein Gesetz geben, welches mit dem Glauben und der Religionspraxis im Islam in Konflikt gerät.

(IDEA [The International Institute for Democracy and Electoral Assistance]: Afghanistan: "An Electoral Management Body Evolves"; NDI [National Democratic Institute]: "Political Parties in Afghanistan - A Review of the State of Political Parties after the 2009 and 2010 Elections", vom Juni 2011; AREU [Afghanistan Research and Evaluation Unit]: "Women's Economic Empowerment in Afghanistan 2002-2012" vom Juli 2013)

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 11 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Die nationale Aussöhnung mit den Aufständischen sowie die Reintegration versöhnungswilliger Mitglieder der Insurgenz bleiben weiterhin eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines friedlichen und stabilen Afghanistans.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013, Sitzung 4)

Am Nato-Gipfeltreffen in Chicago im Mai 2012 wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012, Sitzung 2)

Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, Sitzung 12)

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 1)

Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012)

Sicherheitslage allgemein:

Die Zahl der im Afghanistan-Konflikt getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind 23 Prozent mehr Opfer gezählt worden. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang im Jahr 2012 gibt es nun eine Rückkehr zu den hohen Zahlen von getöteten und verletzten Zivilisten des Jahres 2011. Von Jänner bis Oktober 2013 wurden insgesamt 2.568 Zivilisten getötet und 4.826 Zivilisten verletzt. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2012.

Laut UNAMA sind 75 Prozent der Opfer durch Angriffe von Aufständischen getötet oder verletzt worden. In 10 Prozent der Fälle seien Regierungstruppen verantwortlich, weitere 13 Prozent seien bei Kämpfen zwischen beiden Seiten getötet oder verletzt worden. Die verbleibenden 4 Prozent der Fälle waren demnach keiner Konfliktpartei zuzuordnen und wurden in erster Linie durch Blindgänger verursacht.

(General Assembly/Security Council United Nations, "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" Rn. 24 vom 6. Dezember 2013; Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, Sitzung 15)

Die Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan vor dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis zum Ende 2014 alle Kampftruppen aus dem Land abziehen. Die Internationale Sicherheits Unterstützungstruppe (ISAF) wird wie bisher bis zum Ende der Übergangsphase (31. Dezember 2014) die Afghan National Security Forces (ANSF) ausbilden, beraten und unterstützen, jedoch wenn erforderlich auch Kampfunterstützung liefern.

Auf die Abzugspläne der deutschen Bundeswehr haben die veränderten Daten zur Sicherheitslage keine Auswirkungen. Es bleibt bislang auch bei den Absichten, von Ende 2014 an für eine Ausbildungs- und Trainingsmission der NATO zwischen 600 und 800 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung zu stellen.

(ORF-online: "Afghanistan: 2013 bereits über 1.300 zivile Opfer" vom 31. Juli 2013; NATO "International Security Assistance Force" vom 1. August 2013; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bundeswehr korrigiert Statistik über Sicherheit in Afghanistan" vom 31. Mai 2013)

Karzai versucht, Afghanistan vor der Präsidentenwahl und dem Abzug der NATO-Truppen in diesem Jahr zu stabilisieren. Die ausländischen Soldaten übertragen immer mehr der Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan auf die 350.000 Mitglieder der einheimischen Sicherheitskräfte.

(APA: "Afghanisches Parlament feuert Innenminister wegen Gewaltwelle" vom 22. Juli 2013)

Im Juni 2013, eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes, haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)

Der Konflikt in Afghanistan beeinflusst nun auch Provinzen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet wurden, wie etwa die Provinz Panjshir. Die Gewalt ist nicht auf Kabul oder allgemein auf städtische Zentren beschränkt. Die Aufständischen in ländlichen Gebieten gehen oft extrem gewalttätig vor.

Die Verbreitung von lokalen Milizen und bewaffneten Gruppen - sowohl pro- und anti-Regierung - im Norden, Nordosten und in zentralen Hochland-Regionen haben eine weitere negative Auswirkung auf die Sicherheitslage für Zivilisten.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, Sitzung 14)

Die Opfer unter den ISAF-Angehörigen gingen insbesondere aufgrund der Verringerung der Kräfte als auch des gewandelten militärischen Auftrages in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 121 auf 60 zurück. Infolge des nahezu abgeschlossenen Aufwuchs der ANSF, der hohen Operationslast als Folge der Übernahme der aktiven Sicherheitsverantwortung und der damit einhergehenden Zielauswahl durch die regierungsfeindlichen Kräfte stiegen die personellen Verluste der ANSF von 499 auf 1.070 in den ersten vier Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich an. Auch in Zukunft ist infolge der weiter fortschreitenden Transition mit hohen Verlustzahlen unter ANSF-Angehörigen zu rechnen. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude. Wie UNAMA weiters ausführt, hat eine sich verändernde politische und sicherheitsrelevante Dynamik in der ersten Jahreshälfte 2013 den Schutz von Zivilisten behindert und den Zugang zu Menschenrechten beschränkt. Auf die Übertragung der Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte und die Schließung von internationalen Militärbasen haben regierungsfeindliche Elemente mit zunehmenden Angriffen auf die afghanischen Sicherheitskräfte, hauptsächlich an Checkpoints, auf strategisch wichtigen Highways, in einigen Gebieten, die an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, und in Distrikten, die an Afghanistans Nachbarländer grenzen, reagiert.

(UNAMA, Mid-Year Report 2013, vom Juli 2013, Sitzung 1f)

Die Planungen der NATO für den ISAF Folgeeinsatz Resolute Support Mission schreiten voran. Die konditionierte Zusage Deutschlands für seinen Beitrag zu Resolute Support vom 18. April 2013 bildet den Rahmen für die weiteren Planungen. Deutschland ist - vorbehaltlich der auch künftig jährlich einzuholenden Zustimmung des Deutschen Bundestages - zur Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Norden von Afghanistan, Bereich Masar-e Scharif, für zunächst zwei Jahre bereit und will mit seinen multinationalen Partnern die Arbeit fortsetzen. Daneben wird ein deutscher Truppen-Beitrag im Großraum Kabul eingesetzt werden.

Aufbauend auf dem im Juni 2013 durch die NATO-Verteidigungsminister gebilligten Operati-onskonzept für Resolute Support wurde im Oktober mit der Verabschiedung des sog. Strategic Planning Assessment (SPA) eine weitere Weichenstellung für die Planung der ISAF-Folgemission vorgenommen. Das im November 2013 zwischen Afghanistan und den USA verhandelte, aber noch nicht unterzeichnete Bilaterale Sicherheitsabkommen dient als Grundlage für die bereits laufenden Verhandlungen zu einem umfassenden Stationierungsabkommen für die NATO und alle Partnernationen. Letzteres bildet auch eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für die neue deutsche Mission.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, Sitzung 16 f.)

Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 Polizisten getötet wurden - die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben.

(AlertNet: "Afghan police deaths double as foreign troops withdraw" vom 2. September 2013)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 5. März 2013)

In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16. Februar bis 15. Mai 2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 Prozent der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Im Osten des Landes ist es zu einem Zustrom von Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badachschan und einem 18-prozentigen Anstieg der Anzahl der Vorfälle gekommen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und Spreng- und Brandvorrichtungen machten weiterhin die Mehrzahl der Vorfälle aus.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 13. Juni 2013)

In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 1. Juli 2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Im selben Bericht wird angeführt, dass im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. August 2013 insgesamt 5.922 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen 21-prozentigen Rückgang im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2011 dar. Laut Bericht haben die Aufständischen ihren Schwerpunkt unter anderem auf Angriffe auf Sicherheitskontrollpunkte und Stützpunkte gelegt, die von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Generell wirkungsvoller Widerstand durch die afghanischen Sicherheitskräfte hat sich auf den Schutz von wichtigen städtischen Zentren, Verwaltungszentren von Distrikten und strategisch wichtigen Transportrouten fokussiert. Die Mehrheit der sicherheitsrelevanten Vorfälle (69 Prozent) ereignete sich weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)

Gemäss ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, in welchen die Übergabe in Phase drei erfolgt ist, sind zunehmende Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen, während die Aktivitäten der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen Gebieten zeitgleich zurückgegangen sind. Mit dem voranschreitenden Abzug der internationalen Truppen haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich von den internationalen Zielen weg auf afghanische Ziele fokussiert, d.h. auf die afghanischen Sicherheitskräfte sowie auf afghanische Regierungsangehörige. Dies widerspricht der erwarteten Logik, dass die sinkende internationale Präsenz zu einem Rückgang der militärischen Aktivitäten der regierungsfeindlichen Gruppierungen führen würde.

Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, die militärischen Operationen der Bewegung von Pakistan aus strategisch zu lenken sowie die notwendigen Ressourcen zur Unterstützung der operationellen Prioritäten zu beschaffen. Seit 2009 lassen sich drei Entwicklungen erkennen: Erstens wurden auf der strategischen Ebene beträchtliche Anstrengungen hin zu einer stärkeren Zentralisierung der Kommando- und Kontrollstrukturen unternommen, um einer Fragmentierung der Bewegung entgegenzuwirken. Zweitens zeichnet sich eine Militarisierung der Administration ab. Der militärische Druck seitens der ISAF zwang zahlreiche Schattengouverneure in den Untergrund oder zur Flucht nach Pakistan und führte dadurch zu einem verminderten Einfluss dieser. In der Konsequenz ist die Macht der Militärkommissionen gestiegen, die vor Ort präsent sind. Drittens lässt sich auf der taktischen Ebene eine Professionalisierung der Bewegung feststellen.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 5 f; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, Sitzung 12 und 17; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, Sitzung 11)

Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Im Süden und Osten finden die meisten extralegalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107 Prozent bzw. 114 Prozent massiv anstiegen. Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die am meisten umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10)

In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81 Prozent an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250 Prozent anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127 Prozent.

(ANSO, Quarterly Report ,vom April 2013)

Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen.

(ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14. August 2013)

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul und wird von regierungsfeindlichen Gruppen als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul genützt.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Im ersten Quartal haben sich die Vorfälle in Wardak um 187 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Auch in der Provinz Helmand, wo die Taliban in das soziale Gefüge eingebettet sind, und in der Provinz Kandahar, der traditionellen Hochburg der Taliban, nahm die Zahl der Vorfälle zu.

(ANSO, Quarterly Report, vom April 2013)

Helmand und Kandahar sind die Provinzen, wo mit Abstand die meisten Opfer von Bombenanschlägen zu beklagen sind.

(UNAMA-Annual Report vom Februar 2014)

Sicherheitslage im Westen und Norden des Landes:

Die Anschläge sind in den westlichen Provinzen im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um 72 Prozent in die Höhe geschnellt. In den westlichen Grenzprovinzen konnte beobachtet werden, wie es regierungsfeindlichen Gruppierungen gelungen ist, die entstehende Lücke der abziehenden internationalen Truppen zu füllen.

Im Norden sind enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bedeutsam. Während die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 mit Ausnahme der Provinzen Baghlan und Faryab abnahmen, wurde im ersten Quartal 2013 in den meisten Provinzen des Nordens eine Ver-schlechterung der Sicherheitslage verzeichnet. Grund dafür sind zahlreiche militärische Operationen der internationalen Truppen, zunehmende Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie die Aktivitäten lokaler Milizen. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (Faryab-Badhis-Ghor-Farah-Helmand). In der bisher als ruhig geltenden Provinz Badakhshan gewannen die regierungsfeindlichen Gruppierungen nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte ebenfalls an Einfluss. Ende September 2013 brachten die Taliban den Distrikt Keran-wa-Monjan der Provinz Badakhshan unter ihre Kontrolle.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10)

Auch die Zahl der Vorfälle in Ghor und Herat erhöhten sich vergleichsweise.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Die Sicherheitslage in römisch 40 ist angespannt und hat sich in den vergangenen Monaten verschlechtert.

(Der Spiegel: "Abzug aus Afghanistan", 6. Oktober 2013)

Sicherheitslage in ausgewählten Provinzen:

Provinz Baghlan:

Die Provinz Baghlan wird zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans gezählt. Jedoch haben die Taliban und die Kämpfer der Hezb-e-Islami in letzter Zeit ihre Aktivitäten in den unterschiedlichen Bezirken der Provinz Baghlan verstärkt.

(Khaama Press: "Gunmenkill five members of a family in Baghlan province" vom 24. August 2013)

Im August führten die Afghan National Security Forces (ANSF) eine Operation in Zentral Baghlan und anderen Teilen der Provinz durch, um Aufständische zu vertreiben. Dabei wurden laut offiziellen Angaben 17 Aufständische getötet und 9 verhaftet.

(Tolonews: "17 Insurgents Killed, 9 Detained in ANSF Baghlan Operation" vom 16. August 2013)

Provinz Bamyan:

Die Provinz Bamyan wird als die friedlichste Provinz des gesamten Landes angesehen. Obwohl die Provinz selbst keine Rebellenaktivitäten verzeichnet, kommt es nichtsdestotrotz manchmal zu Problemen mit den angrenzenden Provinzen Maidan Wardak, Sar-i-Pul und Parwan.

(Pajhwok Afghan News: "Bamyan seen most peaceful, secure province in country" vom 27. August 2013)

Die als sehr gut bezeichnete Sicherheitslage in Bamyan im Jahr 2012 setzt sich im Jahr 2013 fort.

(Neue Zürcher Zeitung: "In Afghanistan gibt es auch Erfolgsgeschichten" vom 31. Juli 2012)

Da die Provinz ethnisch relativ homogen ist und kaum Paschtunen hier leben, haben die Islamisten hier bisher kaum Unruhe stiften können. Die meisten Leute in Bamyan sagten, sie fühlten sich momentan sicher. Der Truppenabzug würde sie dennoch beunruhigen. Einige berüchtigte Warlords rühren bereits wieder die Kriegstrommel. Die große Mehrheit der Hazara scheint jedoch genug von bewaffneten Konflikten zu haben. Indirekt leidet Bamyan schon heute unter der zunehmenden Instabilität in den angrenzenden Provinzen.

In Baghlan, Parwan und Maidan Wardak haben die islamistischen Extremisten in den letzten Monaten stark an Einfluss gewonnen. Die für Bamyan lebenswichtige Verbindungsstraße nach Kabul ist dadurch unsicher geworden, was zu Versorgungsengpässen und massiven Preiserhöhungen geführt hat. Auch der Transport lokaler landwirtschaftlicher Produkte - vor allem Kartoffeln - nach Kabul ist schwierig geworden.

Vertreter des Distriktrats von Shibar erklären, die prekäre Sicherheitslage stelle heute das mit Abstand größte Problem dar. Shibar grenzt an alle drei unsicheren Nachbarprovinzen, und die Bevölkerung hier fühlt sich zunehmend eingekesselt. Die Tatsache, dass Bamyan zu einer friedlichen Insel in unsicheren Gewässern geworden ist, wirkt sich bereits auch negativ auf Hilfsprojekte aus. Seit über einem Jahr sind keine Vertreter von Hilfsorganisationen mehr in das Dorf gekommen.

Obwohl es den Menschen in Bamyan verhältnismäßig gut geht, ist überall in der Provinz die Klage zu hören, dass man gegenüber anderen Regionen vernachlässigt wird. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen bestätigen, dass Bamyan in den letzten Jahren viel weniger Geld bekommen habe als andere Provinzen.

Kriege, Massaker, Enteignungen und anhaltende politische und soziale Diskriminierung ließen Bamyan zu einer der ärmsten Regionen Afghanistans verkommen. Auch wenn heute eine demokratisch gewählte Regierung an der Macht ist, bleibt das Misstrauen gegenüber Kabul groß. Die Regierung leite kaum Gelder an Bamyan weiter, weil sie nicht wolle, dass die Hazara vom Wiederaufbau profitierten. Die ethnische und religiöse Minderheit werde in alter Manier vernachlässigt. Die ausländischen Geber wiederum seien am zentralen Hochland nicht interessiert, weil es hier relativ ruhig sei. Ihr Fokus sei ganz auf die unsicheren südlichen Provinzen gerichtet. Während im Süden 10 Millionen Dollar für ein einziges Hilfsprojekt ausgegeben würden, bekomme man hier im besten Fall 500 000 Dollar.

Allerdings sind der Provinz Bamyan aufgrund der geringeren Hilfsgelder Missmanagement und Korruption im großen Stil erspart geblieben. Mit kleineren Budgets habe man hier seit 2001 deutlich mehr erreicht als in vielen anderen Regionen.

(Neue Zürcher Zeitung: "In Afghanistan gibt es auch Erfolgsgeschichten" vom 31. Juli 2012)

Provinz Ghazni:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Die Provinz Ghazni bleibt eine der gewalttätigeren Gegenden des Landes. Im ersten Quartal des Jahres 2013 wurden 192 Vorfälle registriert. Damit haben sich die Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr um 100 Prozent erhöht. Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe.

(ANSO [Afghanistan NGO Safety Office]: Quarterly Data Report Q.1 2013, vom April 2013; New York Times: "Taliban Breach an International Base, Killing at Least" vom 28. August 2013).

Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle ausweiten. Ghazni ist ein bekannter Knotenpunkt für Taliban und al-Qaida. Es ist bekannt, dass hochrangige Taliban, al-Qaida und IMU Kommanders in der Provinz operieren.

(BBC: "Afghanistan's Nuristan province at mercy of the Taliban" vom 20. März 2013; The Long War Journal: "Taliban launch suicide assault on ISAF PRT in Ghazni" vom 28. August 2013)

Die Taliban töten Zivilisten und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.

(EASO: "Country of origin information report- Afghanistan Insurgent strategies - intimidation and targeted violence against Afghans" vom 2. Dezember 2012)

Im Berichtzeitraum gab es Widerstand gegen die Infiltrierung durch die Taliban. Dies wird als Zeichen gesehen, dass die Bevölkerung die Taliban ablehnt.

(Congressional Research Service: "Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy" vom 23. Oktober 2013).

Die Angriffe auf Frauen nehmen zu: Anfang August wurde eine Senatorin, Roh Gul Khairzad, von bewaffneten Angreifern in den Hinterhalt geführt. Bei dem Angriff wurden ihre Tochter und ihr Fahrer getötet (Security Council Report, 29. August 2013). Mitte August 2013 wurde eine Parlamentariern, Fariba Ahmadi Kakar, im Bezirk Ghazni von den Taliban entführt und einen Monat später durch die Vermittlung von Dorfältesten und Geistlichen im Austausch gegen fünf Taliban freigelassen.

(United Nations Security Council Report: "September 2013 Monthly Forecast" vom 29. August 2013; BBC News "Afghan MP Fariba Ahmadi Kakar freed by the Taliban" vom 8. September 2013)

Ghazni stellt für die Taliban eine strategisch wichtige Provinz dar, da die Straße Kabul - Kandahar durch den überwiegend von Paschtunen besiedelten westlichen Teil Ghaznis führt. Daher stellt sich der Weg von Kabul nach Ghazni als gefährlich dar; auf dieser Route kam es zu einer Zunahme der Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5. August 2013)

Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle in Ghazni ausweiten: Die Taliban töten gewöhnliche Menschen und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Provinz Helmand:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Sicherheitslage in Kabul

Kabul zählt zu jenen Gebieten, in denen infolge militärischer, überwiegend afghanisch geführter Operationen, starker Präsenz sowie politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen eine partielle Stabilisierung erzielt werden konnte und die Sicherheitslage überwiegend unter Kontrolle ist. Kabul bleibt unter der Führung der ANSF die sicherste Gegend Afghanistans.

(Auswärtiges Amt: Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013; Afghan Analyst Network: "After the 'operational pause': ‚How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013; Department of Defense: "Report on Progress Toward Security and Stability in Afghanistan" vom Dezember 2012)

Laut internationalen NGOs ist Kabul trotz Vorfällen und Angriffen einer der wenigen Orte Afghanistans, wo die Sicherheitssituation relativ gut und stabil ist. Dem Internationalen Polizei-Koordinierungsausschuss zufolge gehören Kabul und andere große Städten in Afghanistan zu den Orten, wo die Afghanische Nationalpolizei (ANP) bei der Gewährleistung von Sicherheit gut funktioniert. Laut IOM ist Kabul trotz einiger Selbstmordanschläge, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigen, sicherer und stärker unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die unabhängige Afghanistan Independent Human Rights Commission teilt diese Meinung.

(Danish Immigration Service: "Afghanistan Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process" vom Mai 2012)

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden. Die Taliban, einschließlich des Haqqani-Netzwerks, führen jedoch weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe in der afghanischen Hauptstadt durch und zeigen, dass sie überall im Land zuschlagen können und selbst den sog. "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden. Dies zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und damit möglicher "Financiers" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu schüren.

(Afghanistan Analyst Network: After the 'operational pause': "How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013; ACCORD [Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation]: "Ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan:

Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul vom 10. Jänner 2013, vergleiche auch Afghan Analyst Network: After the 'operational pause': How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013)

Im April 2013 kündigten die Taliban ihre Frühlingsoffensive "Khalid ibn al-Walid" [auch "Khaled ben Walid"] an. Größere Zwischenfälle in Kabul involvierten u.a. eine Explosion nahe des Verteidigungsministeriums in Kabul im März 2013, bei dem neun Zivilisten ums Leben kamen. Ein Beispiel für erfolgreiche Vereitelung war die Entdeckung eines größeren Waffenversteckes und die Festnahme von 5 Personen am 13. März 2013.

(U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 13. Juni 2014)

Weitere größere, sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul:

Im Mai 2013 bekannte sich die Hezb-e Islami Gulbuddin zu einem Attentat in Kabul, bei dem 9 Zivilisten, 2 ISAF Mitarbeiter und 4 Mitarbeiter eines ausländischen Unternehmens getötet wurden und im Juni tötete ein Selbstmordanschlag auf den Supreme Court mindestens 17 Zivilisten. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 13. Juni 2014)

Im Juni 2013 gab es einige Anschläge der Taliban in schwerbewachten Gebiete Kabuls, in denen sich viele wichtige Gebäude befinden, wie zum Beispiel die NATO-Zentrale und der Präsidentenpalast. (BBC News: "Afghan Taliban assault in Kabul secure zone" vom 25. Juni 2013)

Am 2. Juli 2013 kam es zu einem Anschlag nahe einer UN Einrichtung, bei dem 6 Personen getötet wurden. Insgesamt kam es im Berichtszeitraum zwischen 16. Mai und 15 August zu 7 Selbstmordanschlägen in Kabul. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)

Die Taliban attackierten mit Schüssen und einer Autobombe im Oktober 2013 einen Konvoi ausländischer Fahrzeuge in Kabul. Es war der erste größere Vorfall seit Juli. (Reuters: "Taliban attack breaks months of quiet in Kabul", vom 18. Oktober 2013). Agence France-Presse [AFP] berichtet, dass in den Monaten vor diesem Anschlag die afghanische Hauptstadt relativ friedlich gewesen ist, nachdem zuvor einige Selbstmordanschlägen und bewaffnete Angriffe stattgefunden hatten. (AFP: "Suicide bomb attack in Kabul outside foreign compound", vom 18. Oktober 2013)

Am 16. November 2013 tötete ein Anschlag nahe einer Einrichtung, die für die Loya Jirga vorbereitet wurde 8 Zivilisten. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 6. Dezember 2013)

Am 18. Jänner 2014 starben mindestens 24 Menschen bei dem Anschlag der Taliban auf ein unter Ausländern beliebtes und stark gesichertes Restaurant Restaurant in Kabul. (Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Entsetzen nach Taliban-Anschlag", vom 18. Jänner 2014)

Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Bus der afghanischen Armee sind am 26. Jänner 2014 in Kabul vier Menschen getötet worden, am 25. Jänner 2014 wurden bei einer Explosion zwei Personen verletzt. (Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Selbstmordanschlag auf Regierungsbus in Afghanistan" vom 26. Jänner 2014)

Provinz Kandahar:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Provinz Khost:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Lokale Beamte gaben an, dass in der Provinz Khost die Sicherheit verstärkt wurde und bis an die Grenzgegenden ausgeweitet wurde. Dies erlaubte der Regierung Kontrolle über abgelegene Gegenden zu gewinnen.

(Pajhwok: "Bolstered security spurs Khost business" vom 10. Juni 2013)

Seit Mitte Mai 2012 obliegt die Sicherheitsverantwortung für die Provinzhauptstadt Khost und die Provinz Khost den afghanischen Sicherheitskräften.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom 1. November 2012, Sitzung 13f)

Provinz Kunar:

Unter anderem sind die Hekmatyar Hezbe Islami und die Taliban als regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv. Diesen extremistischen Gruppen ist es ein Anliegen die Beziehungen mit Pakistan aufrecht zu erhalten. Die Grenzregion entwickelte sich im Laufe der letzten Jahre zum Rückzugsgebiet für Taliban und andere radikale Gruppen, wo sie sich für Kämpfe gegen die internationalen Truppen stärken und neu organisieren konnten. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 4 und 10; BAA/Staatendokumentation, "Afghanistan/Pakistan-Extremistische Gruppierungen im afghanischen Grenzgebiet", vom 31. Jänner 2011, Sitzung 3;

BAA/Staatendokumentation_D-A-CH, Kooperation Asylwesen, "Sicherheitslage in Afghanistan, Vergleich zweier afghanischer Provinzen (Ghazni und Nangarhar)", vom 1. März 2011, Sitzung 3)

Nationale und internationale Sicherheitskräfte bekämpfen gemeinsam die Aufstandsbewegung in der Provinz Kunar.

In der Provinz Kunar kommt es des Öfteren zu Bombardierungen durch die pakistanische Armee im Rahmen der Widerstandsbekämpfung. Betroffen sind vor allem die Grenzdistrikte Dangam und Nari. Aufgrund der Artillerie- und Raketenbeschüsse müssen Familien aus ihren Dörfern fliehen.

(APA: "Tausende Afghanen vor Angriffen aus Pakistan geflohen" vom 26. Juni 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 3. September 2012, Sitzung 10; Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage, vom 10. Jänner 2012, Sitzung 12)

Seit Mitte Mai 2012 obliegt die Sicherheitsverantwortung für die Provinzhauptstadt Asadabad sowie den Distrikten Nurgal, Chawkay und Narang den afghanischen Sicherheitskräften. Die im Juli 2011 begonnene Transition soll bis Ende 2014 für ganz Afghanistan abgeschlossen sein.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom 1. November 2012, Sitzung 13f)

Die Provinz Kunar im Osten des Landes an der Grenze zu Pakistan gilt als Hochburg der Taliban und anderer militanter Gruppen. Zivile Opfer von NATO-Luftangriffen sorgen immer wieder für Streit und schwere Spannungen zwischen der Führung in Kabul und der NATO.

(ARD: "Tote bei NATO-Luftangriff in Afghanistan" vom 8. September 2013)

Die Provinz ist eine Festung für bewaffnete Gruppen und viele Fremdkämpfer, unter anderem auch Araber, von denen angenommen wird, dass sie bei den afghanischen Taliban mitkämpfen. Manche werden verdächtigt, mit al-Qaida zusammenzuarbeiten.

(AlJazeera: "Afghan president condemns deadly NATO strike" vom 9. September 2013)

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Provinz Laghman:

Beamte geben zwischenzeitlich an, dass sich die Sicherheitslage in der Provinz im Vergleich zur Vergangenheit um 80 Prozent verbessert hat. Nun sind alle Straßen, die in die Bezirke führen, für den Verkehr geöffnet.

(Pajhwok: "Laghman security improved; problems in far-flung areas persist" vom 6. August 2013)

Provinz Logar:

Die Taliban sind besonders in der Provinz Logar aktiv. Die Taliban sperren Straßen, die nur dann wieder eröffnet werden, wenn die BewohnerInnen aufhören, Freiwilligenstreitkräfte zu bilden bzw. Milizen gegen sie zu mobilisieren.

(Pajhwok: "Taliban stage comeback, close Azra roads" vom 22. August 2013)

Laut einem Beamten wurden 32 Rebellen im Zuge einer einwöchigen Sicherheitsoperation im Zentralraum der Provinz Logar verhaftet und dabei eine große Menge an Sprengstoff beschlagnahmt. Mehrere Dörfer wurden im Zuge dieser Operation von den Aufständischen geräumt. Auch Waffen konnten beschlagnahmt werden. Die Taliban behaupteten jedoch, dass deren Kämpfer auch weiterhin die Kontrolle über diese Gebiete hätten, und dass es sich um falsche Propaganda handle.

(Pajhwok: "32 rebels held in Logar operation, Taliban deny" vom 10. September 2013)

Provinz Nangarhar:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September, Sitzung 10)

Eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen. Dies sagte Präsident Hamid Karzai am 18. Juni 2013 in der Militärakademie bei Kabul. Zuvor hatte ein Selbstmordattentäter in Kabul drei Zivilisten getötet. Karzai sprach von einer verbesserten Sicherheitslage, doch hat sich diese laut Experten verschlechtert.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)

Unter anderem sind Hekmatyars Hezb-e Islami, Taliban, das Haqqani-Netzwerk und die Al Qaida in Nangarhar als regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 4f)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council, The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, vom 5. März 2013)

Provinz Paktia:

Die Bewohner der Provinz Paktia bemerken eine Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage. Jedoch sind sie über die Straßenbomben und die nächtlichen militärischen Razzien überall in der Provinz besorgt. Manche Bezirke der Provinz wie zum Beispiel Zurmat, Shawak, Gardah Seria und Wazi Zadran zählen zu den unsicheren Gegenden, in denen die Rebellen des Haqqani Netzwerkes aktiv sind.

(Pajhwok: "Paktia residents express concern over growing insecurity" vom 29. August 2013)

Provinz Paktika:

Gemäß ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 5)

Provinz Panjshir:

In der Provinz Panjshir kam es im Jahr 2012 lediglich zu 5 Anschlägen und Angriffen durch regierungsfeindliche Gruppen.

(ANSO, 4. Quartalsbericht 2012, vom 13. Jänner 2013, Sitzung 16)

Provinz-Wardak:

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul. Wardak ist für die Aufständischen perfekt positioniert, welche die naheliegenden Bergdörfer unter Kontrolle haben, und sie als Basen für ihre Selbstmordattentate in die Stadt nützen. Rebellen greifen bereits hier amerikanische und afghanische Kräfte an und führen Selbstmordattentate durch. Es herrscht die Angst, dass der Abzug der amerikanischen Spezialeinheiten die Rebellen ermutigt.

(Reuters: Analysis: "Afghan security vaccum feared along gateway to Kabul" vom 13. März 2013)

Die Taliban-Rebellen und die al-Qaida-Kämpfer sehen Wardak als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul.

(BBC: "Taliban bombers hit Afghanistan Wardak intelligence HQ" vom 8. September 2013)

Die Provinz Herat

Die Stadt Herat liegt an der iranisch-afghanischen Grenze und wird als eine der besser entwickelten und sichereren Städte Afghanistans angesehen.

(The Guardian: "Afghanistan: Taliban attack US consulate in Herat with suicide bomb, gunfire", vom 13. September 2013)

Herat galt seit der Absetzung der Taliban durch die amerikanisch-geführten Kräfte als relativ friedlich. Als eine der best entwickeltsten und reichsten Provinzen Afghanistans ist sie traditionell auch weniger von Gewalt betroffen. Allerdings ist es den Taliban möglich, in den ländlichen Gegenden in der Umgebung zu operieren.

(Al Jazeera: "Taliban attacks US consulate in Afghanistan", vom 13. September 2013; BBC News: US withdrawal: "Views from Afghanistan", vom 9. Jänner 2013; BBC News: "Herat attack: Afghanistan Taliban target US consulate", vom 23. September 2013)

Der Trend bezüglich der Sicherheitslage ging im ersten Quartal des Jahres 2013 in Richtung einer Verschärfung: Es wurden im ersten Quartal des Jahres 2013 81 Vorfälle registriert. Damit haben sich die Vorfälle in der Provinz Herat im Vergleich zum Vorjahr um 103 Prozent erhöht.

(ANSO, Afghanistan NGO Safety Office: Quarterly Data Report, Q.1 2013, vom April 2013)

Menschenrechte und Menschenrechtsorganisationen:

Trotz beachtlicher Erfolge während der vergangenen elf Jahre bleibt die gesellschaftliche Verankerung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, eine große Herausforderung in Afghanistan. Das liegt zum einen an der Schwäche der afghanischen Institutionen und mangelnder Rechtskenntnis bei Bevölkerung und Behörden, zum anderen an der mangelnden Akzeptanz von Menschen- und Frauenrechten innerhalb der Gesellschaft. Nicht zuletzt spielt die fehlende Bereitschaft von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, geltende Gesetze zum Schutz von Menschen- und Frauenrechten umzusetzen, eine Rolle. In Umsetzung der Tokio-Verpflichtungen muss die afghanische Regierung weitere Anstrengungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung der Situation der Menschenrechte vorweisen. Mittlerweile haben sich die afghanische Regierung und die Staatengemeinschaft auf zwei messbare Hard Deliverables im Bereich der Menschenrechte geeinigt, anhand derer die internationale Gemeinschaft eine erste Bilanz der Reformfortschritte ziehen will:

1. Bericht aller beteiligten Regierungsinstitutionen zur landesweiten Umsetzung des Gesetzes zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen [EVAW] und 2. inklusiver Nominierungsprozess für die Kommissare der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission [AIHRC]).

Neben der afghanischen Verfassung selbst, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist, bedeutet insbesondere das per Präsidialdekret erlassene EVAW-Gesetz vom August 2009 eine signifikante Stärkung der Frauenrechte. Sowohl ein UNAMA-Bericht vom 11. November 2012 als auch die AIHRC bestätigen, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Fälle von Gewalt registriert und damit öffentlich geworden sind. Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung der Schuldigen erheblich besser geworden. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden jedoch noch weit entfernt.

Dies bestätigt auch der jüngste Bericht von Human Rights Watch zur Situation weiblicher Insassen afghanischer Hafteinrichtungen, denen sogenannte "Sittenverbrechen" nach der islamischen Scharia vorgeworfen werden. Derzeit seien rund 600 Frauen - also die Hälfte aller weiblichen Insassen - wegen solcher "moralischer Vergehen" inhaftiert. Den meisten dieser Frauen werde Flucht aus dem Elternhaus oder dem Haus des Ehemannes angelastet. Dies sei auch nach afghanischem Recht keine Straftat. Vielmehr seien gerade diese Frauen oft Opfer von häuslicher Gewalt, die nach dem EVAW-Gesetz unter besonderem Schutz der Behörden stehen müssten.

Mangelnde Kenntnis und Akzeptanz des EVAW-Gesetzes führen jedoch dazu, dass viele Fälle von Gewalt gegen Frauen nach wie vor an traditionelle Streitschlichtungsgremien überwiesen werden. Zudem haben auch Menschenrechtsorganisationen festgestellt, dass es der afghanischen Polizei und Justiz weiterhin nicht selten noch an hinreichender Qualifikation fehlt, um Mindeststandards der Rechtspflege konsequent einzuhalten.

Der UNAMA-Folgebericht zu Folter in afghanischen Haftanstalten vom Januar 2013 bestätigt ebenfalls, dass Defizite bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden die Durchsetzung der Menschenrechte in Afghanistan erschweren. Der Bericht konzentriert sich auf Inhaftierte, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen oder verurteilt wurden. Darin werden den Sicherheitskräften erneut Rechtsverstöße, vor allem Folter, vorgeworfen. Die Gebergemeinschaft, vor allem die EU und die UN, hat nach Veröffentlichung des UNAMA-Berichts die afghanische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die Menschenrechte einzuhalten und die Haftbedingungen zu verbessern.

Die afghanische Regierung zog die Ergebnisse des UNAMA-Berichts zunächst in Zweifel. Präsident Karzai beauftragte noch im Januar 2013 eine afghanische Untersuchungskommission, die Vorwürfe zu prüfen. Diese bestätigte die Feststellungen des UNAMA-Berichts. Die Kommission gab elf Handlungsempfehlungen an die Regierung, darunter eine minimale Gesundheitsversorgung für Inhaftierte und Videoaufzeichnungen bei Verhören. Der Präsident ordnete am 11. Februar 2013 die Umsetzung der Empfehlungen per Dekret an. Die AIHRC ist inzwischen wieder voll besetzt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 4f; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013, S.17ff; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, Sitzung 27ff.)

Allerdings hat die Ernennungen der neuen Mitglieder der Menschenrechtskommission im Juni 2013 Unmut unter Menschenrechtsorganisationen sowohl in Afghanistan, als auch im Ausland hervorgerufen.

(RFE-Radio Free Europe: "Human Rights Appointments Draw Fire In Afghanistan", vom 3. Juli 2013)

So beförderte Staatspräsident Karzai, unter anderem, einen früheren Talibanführer zum Kommissionär der AIHRC. Es gab auch andere kontroverse KandidatInnen.

(Afghan Analyst: AIHRC Commissioners Finally Announced, vom 16. Juni 2013; vergleiche Revolutionary Association of the Women of Afghanistan:

"Human Rights Commission Appointments Draw Fire In Afghanistan" vom 3. Juli 2013)

Meinungs- und Pressefreiheit:

Die afghanische Verfassung garantiert in Artikel 34, Meinungs- und Pressefreiheit. Die Freiheiten sind - zumal im regionalen Vergleich - in einem bemerkenswerten Maß verwirklicht.

Staatliche Medien wie der Fernsehsender RTA, die Nachrichtenagentur Baghda und die Tageszeitung Anis stehen unter starker inhaltlicher Einflussnahme der Regierung. Daneben gibt es eine Fülle privater Medien. Das Spektrum reicht von großen westlich orientierten und regierungskritischen Medien wie Tolo TV, der Tageszeitung Hasht-e-Sobh und der Nachrich-tenagentur Pajhwok bis hin zu kleinen Sendern und Zeitungen, die von lokalen Machthabern, Parteien, dem Ausland (insbesondere Pakistan und Iran) sowie religiösen Strömungen für die eigene Propaganda genutzt werden.

Wichtigstes Medium in den Provinzen ist das Radio, in den Städten das Fernsehen. Aufgrund einer hohen Analphabetenrate und schlechter Verfügbarkeit in den ländlichen Regionen sind Printmedien nur von nachrangiger Bedeutung. In Kabul und anderen Städten gibt es jedoch eine Vielzahl kleiner Zeitungen in niedriger Auflagezahl. Nur wenige dieser Medien können sich selbst finanzieren und sind auf (internationale) Unterstützung angewiesen. Zentral bleiben landesweit auch traditionelle Kommunikationswege: Sowohl lokale Versammlungen als auch Predigten in Moscheen werden von der Bevölkerung als wichtige Informationsquelle wahrgenommen.

Das Ministerium für Information und Kultur hat ein neues Mediengesetz entworfen, das mehr Spielraum für inhaltliche Einflussnahme der Regierung auf Berichterstattung bietet. Differen-zen zwischen dem liberaleren Vizeminister und dem konservativen Minister verhindern zur-zeit jedoch die Weitergabe an und Ratifikation durch das Parlament.

Es kommt zu zahlreichen Einschüchterungen und gewalttätigen Übergriffen gegen Journalis-ten, bis hin zu gezielten Ermordungen. Rasche Ermittlungen und staatsanwaltliche Verfol-gung dieser Vorfälle blieben oft nur gute Absicht. Journalisten beklagen zudem eine wach-sende Kontrolle des Staates über Berichterstattung betreffend Korruption, Sicherheitsvorfälle, und Aufständische. Für Sender tätige Personen, die "unislamische" Fernsehsendungen - insbesondere Musikvideos - ausstrahlen, werden zum Teil dem Staatsanwalt vorgeführt. Strafen reichen bis zum Entzug der Sendelizenz. Unter den afghanischen Journalisten ist da-her eine Kultur der Selbstzensur zu beobachten; die Berichterstattung bleibt oft oberflächlich. Einige Journalisten gehen jedoch bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern. Präsident Karzai sprach sich im Oktober 2012 explizit dafür aus, dass das Ministerium für Information und Kultur medial vermittelte Inhalte stärker kontrollieren solle, da "unislamische" Videos und kontroverse Fernsehdebatten das Potential hätten, die Gesellschaft zu entzweien.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 9)

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:

Die Versammlungsfreiheit ist in Afghanistan grundsätzlich gewährleistet (siehe auch Artikel 36 der afghanischen Verfassung). Es gibt regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen die Tötung von Zivilisten durch NATO-Truppen, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder gegen im Ausland verbreitete Karikaturen des Propheten Mohammed. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber teilweise oder werden von Einzelpersonen gezielt genutzt, um gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten.

Die afghanische Verfassung erlaubt in Artikel 35, die Gründung von Vereinen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen die afghanische Regierung auf Zusammenschlüsse wie Vereine, Gewerkschaften o.ä. Druck ausgeübt hätte. Das Gleiche gilt für die Gründung und Tätigkeit im Rahmen politischer Parteien.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013; United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)

Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans (Artikel 2 der Verfassung). Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht.

Nach offiziellen Schätzungen sind 84 Prozent der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 Prozent schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 Prozent der Bevölkerung aus.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 10)

Laut UNHCR schützt die afghanische Regierung religiöse Minderheiten nicht vor Übergriffen.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender, Sitzung 22, 44ff.; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, Sitzung 22f.)

Schiiten:

Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an. Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, der größten religiösen Min-derheit des Landes, hat sich seit dem Ende des Taliban Regimes wesentlich gebessert. Trotzdem war die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen sowie einer Verschlechterung der Beziehungen zu der sunnitischen Mehrheit konfrontiert. Die schiiti-schen Muslime konnten im Berichtzeitraum (31. Jänner 2012 bis 30. Jänner 2013) ihr tradi-tionelles Ashura Fest in Kabul öffentlich ohne Zwischenfälle feiern. Nichtsdestotrotz gab es sporadische Attacken gegen die schiitischen Hazara. Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt. Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten an-gewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind. Im Jahr 2009 wurde ein Gesetzestext durchgesetzt, der viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erb-schafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konserva-tiven schiitischen Autoritäten festgesetzt. Der Gesetzestext wurde im Parlament durchge-setzt, ohne ordentlich debattiert zu werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen und afghanischen Frauenorganisationen kritisierten, dass der Gesetzestext im Widerspruch zu Artikel 22 steht, der die Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz bekräftigt.

(U.S., Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30. April 2013; US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013; BBC: "Shia mosque attacked in Kabul by men in police uniforms" vom 5. September 2013; USAID, Shiite personal status law, vom April 2009; Freedom House, Freedom in the world 2013, vom Jänner 2013; Herizons, Afghan Women Stand Strong Against Shia law, vom September 2009)

Christen:

Die christliche Gemeinde wird auf 500 bis 8.000 Personen geschätzt. Die wenigen afghanischen Christen - Konvertiten vom Islam oder deren Kinder - sind seit langem gezwungen, ihre Religion zu verstecken und können diese nicht frei ausüben.

Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und ein Verbrechen gegen den Islam gesehen, das mit dem Tod bestraft werden könnte, sofern die Konversion nicht widerrufen wird.

Die einzige öffentliche Kirche in Afghanistan, die hauptsächlich von im Land lebenden Ausländern genutzt wurde, musste 2010 geschlossen werden, da der Besitzer einen Vertragsbruch im Zuge seines Mietvertrags begangen hatte. Die Behörden hielten den Mietvertrag nicht aufrecht, und das Gebäude wurde im März 2010 zerstört.

(US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013; U.S., Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30. April 2013)

Gemäß Weltverfolgungsindex 2013 werden Christen in Afghanistan weltweit am drittstärksten verfolgt.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2013, Sitzung 19; Open Doors, Weltverfolgungsindex 2013 "Wo Christen am stärksten verfolgt werden" vom Januar 2013, Sitzung 4f, 10, 13 und 15: www.opendoors.de/downloads/wvi/wvi_2013.pdf; UNHCR, Eligibility Guidelines, 6. August 2013, Sitzung 46)

Konversion wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht. Allerdings wurde die Todesstrafe wegen Konversion nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes nie vollstreckt. Gefahr droht Konvertiten oft auch aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Repressionen gegen Konvertiten sind in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften. Für christliche Afghanen gibt es allerdings keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NROs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013)

Hindus und Sikhs:

Genaue verlässliche Angaben über die Anzahl von Hindus und Sikhs in Afghanistan gibt es nicht. Die Zahlen variieren zwischen 3.000 und 15.000 landesweit. Im Vergleich zurzeit unter der Taliban-Herrschaft ist die staatliche Diskriminierung dieser Gruppen deutlich zurückge-gangen. Gelegentlich wird - was nach Ansicht der Deutschen Botschaft glaubhaft ist - von Diskriminierungen von Hindus und Sikhs im Hinblick auf den Zugang zu öffentlichen Ämtern berichtet, wenngleich einige Hindus und Sikhs solche Ämter bekleiden. Sie äußern sich jedoch nicht immer offen über ihre Glaubenszugehörigkeit. Hindus und Sikhs werden aber von großen Teilen der Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Kinder von Hindus und Sikhs, die afghanische Schulen besuchen, werden laut AIHRC oftmals "gehänselt". Die mus-limische Bevölkerung verurteilt die Feuerbestattungen, die im Hinduismus das zentrale Be-gräbnisritual darstellen. Die afghanische Regierung hat auf diesen Streitpunkt reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt hat.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013)

Die Sikhs sollen vor etwa 200 Jahren nach Afghanistan gekommen sein. In den 1990er Jah-ren stieg ihre Zahl auf bis zu 50.000, wobei sie sich vor allem in Jalalabad, Kabul, Kandahar und Ghazni ansiedelten. Aber jahrzehntelange Instabilität und Intoleranz haben Immigra-tionswellen verstärkt und dabei die Gemeinschaft auf 372 Familien landesweit reduziert.

(RAWA news: "Afghanistan Sikhs, already marginalized, are pushed to the brink" vom 17. Juni 2013)

Es gibt widersprüchliche Berichte, ob sich die Situation der kleinen afghanischen Hindu- und Sikh-Gemeinschaft seit dem Fall der Taliban verbessert hat. USCIRF geht davon aus, dass sich die Situation der kleinen afghanischen Sikh- und Hindu-Gemeinschaft seit dem Sturz des Taliban-Regimes verbessert. Es ist den Sikh und Hindus erlaubt, ihren Glauben auszuleben. Auch haben sie Orte, an denen sie öffentlich ihren Gottesdienst abhalten.

(US Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30. April 2013)

Sie sind jedoch auch weiterhin Ziel von Verfolgung und Diskriminierung. Die lokale Sikh- und Hindu-Gemeinschaft ist etwa Problemen ausgesetzt, wenn es um das Erwerben eines Grundstücks für Kremation geht, auch sind sie Belästigungen während größerer religiöser Festlichkeiten ausgesetzt.

(US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013)

Es gibt Schulen für Kinder von Sikhs in Ghazni, Helmand, und Kabul. Obwohl mehr als ein Viertel der Sikh-Bevölkerung in Jalalabad lebt, gibt es dort keine Schule für sie. Die Re-gierung unterstützt Schulen der Sikhs mit eingeschränkter Finanzierung, inklusive Lehrern für den Grundschullehrplan. Ein paar Kinder von Sikhs besuchen internationale Privatschulen.

Die Hindu- und Sikh- Gemeinschaften erhalten keinen Gratisstrom für ihre Mandirs und Gurdwaras, sondern sie müssen höhere Raten, wie etwa für Geschäftslokale zahlen. Bis zum Ende 2012 hatte die Regierung mehrere Anfragen der beiden Gemeinschaften, die glei-che Behandlung wie Moscheen zu erhalten, nicht beantwortet.

(US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013)

Vor drei Jahrzehnten noch gab es 64 Glaubensstätten landesweit, heutzutage existieren nur noch neun.

(Pajhwok: "Afghan news, Sikh throng temples to celebrate Vaisakhi" vom 11. April 2013)

Anarkali Kaur Honaryar ist die erste weibliche Abgeordnete, die aus der kleinen Hindu- und Sikh-Gemeinde stammt. Sie bekam im Jahr 2009 eine internationale Anerkennung für ihre Arbeit im Bereich der Frauenrechte und wurde von Staatspräsident Hamid Karzai gebeten, an den Wahlen 2010 für das Parlamentsunterhaus teilzunehmen. Allerdings verlor sie, wurde aber von Karzai zur Repräsentantin des Oberhauses der Hindu- und Sikh-Gemeinde ernannt.

(New Indian Express: "Afghan¿s only Sikh MP recounts her struggle" vom 15. Februar 2013)

Baha'i:

AnhängerInnen des Baha'i-Glaubens praktizieren seit ungefähr 150 Jahren ihren Glauben in Afghanistan. Die Gemeinschaft ist hauptsächlich in Kabul und mit wenigen Baha'is in Kanndahar vertreten. Es gibt keine klaren Zahlen über die Mitglieder der Baha'i-Gemeinschaft, da sie ihren Glauben nicht öffentlich praktizieren. Schätzungen zufolge besteht die Baha'i-Gemeinschaft aus etwa 2,000 Personen.

Im Mai 2007 befand das Generaldirektorat für Fatwas, dass der Glaube der Baha'i eine Abweichung vom Islam und eine Form der Blasphemie ist. Auch wurden alle Muslime, die zum Baha'i-Glauben konvertieren zu Abtrünnigen erklärt. Damit gefährdete es den rechtlichen Status der Gemeinschaft.

Lokale Baha'is bekunden ihren Glauben nicht öffentlich und versammeln sich auch aus Angst vor Diskriminierung, Verfolgung, Haft oder Tod nicht offen, um den Gottesdienst abzuhalten.

(USCIRF [U.S. Commission on International Religious Freedom], Annual Report - Afghanistan, vom 30. April 2013; USDOS [United States Department of States], International Religious Freedom Report for 2012, vom 20. Mai 2013; Freedom House, Freedom in the World 2013 - Afganistan, vom Jänner 2013)

Konversion:

Konversion wird als Apostasie betrachtet und mit dem Tode bestraft.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2013, Sitzung 19)

Ein Konvertit kann den Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion innerhalb von drei Tagen widerrufen, andernfalls kann ihm Tod durch Steinigung drohen, er kann enteignet und seine Ehe annulliert werden.

(International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20. Mai 2013)

Konvertiten riskieren ferner, von ihren eigenen Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen zu werden und ihre Arbeit zu verlieren. Wer vom Islam zum Christentum konvertiert, ist außerdem durch die Taliban gefährdet, die jeden mit dem Tode bedrohen, der sich zum Christentum bekehren lässt. Personen, die vermeintlich versuchen, andere zu einer Konversion zu bewegen, sind ebenfalls gefährdet, verhaftet und inhaftiert zu werden.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Dort, wo Apostasie nicht vor Gericht verhandelt wird - und das scheint die Mehrheit der Fälle zu sein -, erleidet der Konvertit häufig Verfolgung durch die eigene Familie und Gesellschaft, manchmal sogar den Tod durch Verwandte, die die Schande des Abfalls von der Familie abwaschen möchten. Konvertiten müssen damit rechnen, beschimpft und bloßgestellt oder geschlagen zu werden, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, ins Gefängnis zu kommen oder auch umgebracht zu werden.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13. Februar 2012)

Ein afghanischer Angestellter des IKRK wurde am 31. Mai 2010 infolge einer Fernsehreportage über afghanische Christen verhaftet und später der Apostasie angeklagt; aufgrund des Drucks der internationalen Gemeinschaft wurde der Konvertit von den afghanischen Behörden entlassen, woraufhin er das Land mit unbekanntem Ziel verließ.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13. Februar 2012)

Ethnische Minderheiten:

Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird in etwa wie folgt geschätzt: Paschtunen ca. 38 Prozent, Tadschiken ca. 25 Prozent, Hazara ca. 19 Prozent, Usbeken ca. 6 Prozent sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser an-deren Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbe-kisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage deut-lich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die ca. eine Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, leiden in besonde-rem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da ihre Mitglieder aufgrund ihres nomadi-schen Lebensstils als Außenseiter gelten und so Gefahr laufen, Opfer einer diskriminieren-den Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 9f)

Tadschiken

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Der erste Vizepräsident von Präsident Hamid Karzai ist ein Tadschike. Der Verteidigungsminister ist ebenfalls ein Tadschike. Tadschiken sind bei den Sicherheitskräften deutlich überrepräsentiert. Paschtunen und Tadschiken sind auch die größten ethnischen Gruppen in der Provinz Kabul, wobei die Tadschiken in der Hauptstadt Kabul eine knappe Mehrheit bilden. Ein Großteil der Tadschiken gehört dem sunnitischen Glauben an. Ethnische Spannungen bestehen schon seit vielen Jahren in Afghanistan; im September 2012 wurden bei einem Zusammenstoß von Hazara und Tadschiken in Kabul 5 bis 6 Hazara getötet.

Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) berichtete im Dezember 2010, dass in Afghanistan seit den 1970er Jahren keine Volkszählung mehr durchgeführt wurde. Die verfügbaren Informationen zeigen jedoch, dass die Provinz Kabul durch ethnische Vielfalt gekennzeichnet ist und einen großen Anteil an tadschikischer Bevölkerung hat. Es konnten im Zeitraum 2010/2011 keine Berichte über Attacken von Taliban gegenüber Tadschiken in Kabul gefunden werden. In den Quellen wurden auch keine weiteren Informationen bezüglich der aktuellen Situation der Tadschiken, einschließlich reicher Tadschiken in Kabul, gefunden. Ebenso wurden keine Berichte in Bezug auf staatlichen Schutz für Tadschiken in Kabul gefunden.

Die Mehrheit der Tadschiken gehört der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Die zweitgrößte ethnische Gruppe in Afghanistan stellen die Tadschiken mit ca. 30 Prozent dar. Im Vergleich zu den übrigen Volksgruppen sind die Tadschiken in gewisser Weise nur vage definiert; nach landläufigem afghanischen Verständnis sind "Tadschiken" alle diejenigen, die weder den Paschtunen noch irgendeiner anderen nicht primär persischsprachigen Gruppe angehören. Tadschiken im engeren Sinne besiedeln ein geschlossenes Gebiet in den nordöstlichen Provinzen (Badakhshan, Takhar, Baghlan, Parwan, Kapisa und Kabul), dieses Siedlungsgebiet leitet nach Norden, jenseits des Amu-Darja, nach Tadschikistan über, wo sie mit knapper Mehrheit das namensgebende Staatsvolk bilden. Häufig werden auch die persischsprechenden Bewohner Nordwestafghanistans, insbesondere der Flußoase von Herat als Tadschiken bezeichnet, da sich ihre in der Hauptsache städtische Kultur aber deutlich von der Lebensweise der nordostafghanischen tadschikischen Bergbauern abhebt und viele Gemeinsamheiten mit dem angrenzenden nordöstlichen Iran aufweist, ist es durchaus gerechtfertigt, stattdessen die Bezeichnung "Farsiwan" (Persischsprecher) zu verwenden. Ebenfalls einen Sonderfall stellen die häufig als "Pamir-Tadschiken" bezeichneten Bewohner der höheren Hindukusch-Täler Badakhshans (Wakhi, Ishkashami, Zebaki etc.) dar; sie sprechen im Gegensatz zu den eigentlichen Tadschiken altertümliche nordostiranische Dialekte, die nur weitläufig mit dem Persischen verwandt sind und werden daher in der neueren Literatur als "Pamiri" zusammengefasst. Außerhalb dieser tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan siedeln Tadschiken inselhaft in weiten Teilen Afghanistans, namentlich in den größeren Städten, in der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Wie bereits angedeutet, leben die Tadschiken entweder als sesshafte Bauern, im Hochgebirge häufig mit Almwirtschaft und den damit verbundenen saisonalen vertikalen Wanderungen; in den Städten stellen sie das Gros der Handwerker, kleinen und mittleren Händler, darüber hinaus findet man sie häufig in mittleren Positionen der staatlichen Verwaltung, etwa im Bildungswesen. Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken keine Stammesorganisation; sie definieren sich auf lokaler Ebene zumeist nach Dorf- oder Talschaften, wie etwa die Panjsheri, Andarabi etc.

Gemäß Minority Rights Group [MRG] stellen ethnische Spannungen zwischen Hazara und Tadschiken weiterhin ein Hauptproblem in Afghanistan dar. Im September 2012 wurde eine Anzahl von Menschen getötet, als zwischen Mitgliedern der beiden Gemeinschaften in Kabul Gewalt ausbrach.

Gemäß Human Rights Watch schürte die ethnische Gewalt zwischen Tadschiken und Hazara in Kabul im September [2012] erneut die Ängste vor ansteigenden religiösen Konflikten, welche das benachbarten Pakistan geplagt haben, aber in Afghanistan bisher weitgehend abgewendet werden konnten.

Tadschiken sind bei den Sicherheitskräften deutlich überrepräsentiert.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Die Tadschiken sind der Kern der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, die oft Karzai und seinem inneren paschtunischen Zirkel gegenübersteht, aber trotzdem mit ihm an den Strukturen der Regierung arbeitet. Der erste Vizepräsident von Präsident Hamid Karzai ist Muhammad Fahim, ein Tadschike. Der Verteidigungsminister, Bismillah Khan Mohammedi, ist ebenfalls ein Tadschike.

Gemäß UNHCR können Einzelpersonen, welche zu einer der bundesweit größten ethnischen Gruppen gehören, in ihrem Wohnort eine ethnische Minderheit darstellen und in ihrer Heimat aufgrund ihrer ethnischen Herkunft bestimmten Herausforderungen ausgesetzt sein. Umgekehrt ist ein Mitglied einer ethnischen Gruppe, welche auf nationaler Ebene eine Minderheit darstellt, aufgrund der Ethnizität in Bereichen, wo diese ethnische Gruppe die lokale Mehrheit darstellt, nicht gefährdet.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: "Informationen zur Lage von Tadschiken in Kabul, welche dem Glauben der Sunniten angehören" vom 15. November 2013)

Hazara

Die Hazara unterscheiden sich von anderen Minderheiten in Afghanistan, da diese sowohl eine ethnische als auch aufgrund ihres schiitischen Glaubens eine religiöse Minderheit dar-stellen. Sie können aufgrund ihrer ostasiatischen Gesichtszüge leicht von anderen Minder-heiten unterschieden werden. Ihr deutlich anderes Aussehen in Kombination mit dem Prakti-zieren des Schiitentums hat sie über viele Jahrhunderte zu Angriffszielen gemacht.

Besonders zu Zeiten der Taliban-Herrschaft wurde die Minderheit der Hazara verfolgt. Ihre Lage hat sich zwar deutlich verbessert, jedoch sind sie in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die schiitische Minderheit der Hazara verbessert sich ökonomisch und politisch durch Bil-dung. In der Vergangenheit wurden die Hazaras von den Paschtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustel-len. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive weiblicher Hazara, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie, Medizin oder andere Bereiche ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden.

Einer der zwei Vizepräsidenten von Präsident Hamid Karzai ist Karim Khalil. Er stammt der Minderheit der Hazara ab.

(Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation des Bundesasylamtes vom September 2013)

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten (mehrheitlich schiitischen) Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Kuchi-Nomaden, die unter ungeklärten Boden- und Wasserrechten in besonderem Maße leiden. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da sie aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so die Gefahr laufen, Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 9f)

In diesem Sinne sind Angehörige der Hazara weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und Berichten zufolge Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban sowie andere regierungsfeindliche Kräfte. Andererseits verbessert sich die Minderheit der Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung: Viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie oder Medizin ein.

(Congressional Research Service vom 22. November 2013)

Hazara werden Berichten zufolge weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und gezielt durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit und körperliche Misshandlung unter Druck gesetzt. Hazara sind Berichten zufolge außerdem weiterhin Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013; US State Department, 2012 Country Reports on Human Rights Practices - Afghanistan, 19. April 2013,

http://www.refworld.org/docid/517e6e73f.html)

Geschlechtsspezifische Verfolgung:

Die Situation der Frauen war bereits vor dem Taliban-Regime durch sehr strenge Scharia-Auslegungen und archaisch-patriarchalische Ehrenkodizes geprägt. So war die Burka auch vor der Taliban-Herrschaft bei der ländlichen weiblichen Bevölkerung ein übliches Kleidungs-stück. Viele Frauen tragen sie noch immer, weil sie sich damit vor Übergriffen sicher fühlen. Während Frauenrechte in der Verfassung und teilweise im staatlichen Recht gestärkt werden konnten, liegt ihre Verwirklichung für den größten Teil der afghanischen Frauen noch in weiter Ferne.

Die Lage der Frauen unterscheidet sich je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark. In weiten Landesteilen erlaubt es die unbefriedigende Sicherheitslage den Frauen nicht, die mit Überwindung der Taliban und ihrer frauenverachtenden Vorschriften erwarteten Freiheiten wahrzunehmen. Die meisten sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und im Islam vorgegebenen Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern bestimmt wird und in dem kaum qualifizierte Anwältinnen oder Anwälte zur Verfügung stehen, in den seltensten Fällen möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage - oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt -, Frauenrechte zu schützen.

Frauen werden weiterhin im Familien-, Erb-, Zivilverfahrens- sowie im Strafrecht benachtei-ligt. Dies gilt vor allem hinsichtlich des Straftatbestands "Ehebruch", wonach selbst Opfer von Vergewaltigungen bestraft werden können. Fälle, in denen Frauen wegen "Ehebruchs" von Ehemännern oder anderen Familienmitgliedern umgebracht werden (so genannte "Ehren-morde"), kommen besonders in den paschtunischen Landesteilen vor. Im August 2010 hat-ten Taliban in der Provinz Kundus ein unverheiratetes Liebespaar wegen "Ehebruchs" öffent-lich gesteinigt, was durch Präsident Karzai verurteilt wurde. Im August 2010 haben die Tali-ban in der Provinz Badghis eine Witwe wegen Ehebruchs gehängt, die vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes schwanger geworden war. Am 8. Dezember 2010 haben Taliban in der Provinz Takhar eine Frau wegen angeblichen Ehebruchs erschossen. Die AIHRC verurteilte die Tat.

Das durchschnittliche Heiratsalter von Mädchen liegt bei 15 Jahren, obwohl ein Mindesthei-ratsalter von 16 Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist. Zwangsheirat bereits im Kindesalter, "Austausch" weiblicher Familienangehöriger zur Beilegung von Stammesfehden sowie weit verbreitete häusliche Gewalt kennzeichnen die Situation der Frauen. Opfer sexueller Gewalt sind auch innerhalb der Familie stigmatisiert. Das Sexualdelikt wird in der Regel als "Ent-ehrung" der gesamten Familie aufgefasst. Sexualverbrechen zur Anzeige zu bringen hat auf-grund des desolaten Zustands des Sicherheits- und Rechtssystems wenig Aussicht auf Er-folg. Der Versuch endet u.U. mit der Inhaftierung der Frau, sei es aufgrund unsachgemäßer Anwendung von Beweisvorschriften oder zum Schutz vor der eigenen Familie, die eher die Frau oder Tochter eingesperrt als ihr Ansehen beschädigt sehen will.

Viele Frauen sind wegen sogenannter Sexualdelikte inhaftiert, weil sie sich beispielsweise einer Zwangsheirat durch Flucht zu entziehen versuchten, vor einem gewalttätigen Ehemann flohen oder weil ihnen vorgeworfen wurde, ein uneheliches Kind geboren zu haben.

Internationale Aufmerksamkeit erregte im Frühjahr 2009 die Verabschiedung des schiitischen Personenstandsgesetzes durch das Parlament. Es enthielt zahlreiche Frauen diskriminierende Bestimmungen. Nach massiven Protesten unterzeichnete Präsident Karzai am 19. Juli 2009 eine überarbeitete Fassung des Gesetzes, die er als Dekret in Kraft setzte. Bislang ist das Gesetz vom Parlament nicht wieder aufgenommen worden. Die Zivilgesell-schaft begrüßte die in Kraft getretene Fassung des Gesetzes mehrheitlich; mehr sei in Anbe-tracht der politischen Kräfteverhältnisse nicht zu erreichen. Das in Kraft getretene Gesetz stellt eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf dar. Gestrichen wurden unter anderem die höchst umstrittenen Passagen, die regeln sollten, wie häufig die Eheleute einander zu Geschlechtsverkehr verpflichtet sind. Zudem wurden einige Textstellen getilgt, die die Ehe mit/unter Minderjährigen bestrafen und diese damit implizit anerkannten sowie ein Artikel abgeändert, der das Verlassen des Hauses durch die Frau an die Zustim-mung des Mannes knüpfte.

Zahlreiche Bestimmungen stehen aber im Widerspruch zu völkerrechtlichen Verpflichtungen Afghanistans, vor allem zur Konvention zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen (CEDAW). Zwar erhält der Ehemann in der von Präsident Karzai in Kraft ge-setzten Fassung kein "Vetorecht" mehr, wenn seine Frau das Haus verlassen möchte, doch darf die Frau nur zu "legalen Zwecken" ausgehen, und auch dies nur "in dem Maße, wie örtliche Gewohnheit es zulässt". Problematisch sind daneben unter anderem Bestimmungen zum Vormundschaftsrecht von Vater und Großvater, zur Einschränkung des Rechts der Frau zu arbeiten, zur Polygamie, zur finanziellen Kompensation für Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen, zur Verweigerung des Unterhalts durch den Mann bei Verweigerung "ehelicher Rechte" durch die Frau und zu Unterschieden im Erbrecht zwischen Männern und Frauen, v.a. in Bezug auf Immobilien.

Die Situation der Frau in Afghanistan wird in der Theorie durch die Verabschiedung des "Ge-setzes zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen" (EVAWGesetz) ver-bessert, das am 19. Juli 2009 von Präsident Karzai unterzeichnet wurde. Das EVAWGesetz genießt nach seinem Schlussartikel Vorrang vor allen entgegenstehenden Normen. Es ent-hält zahlreiche Bestimmungen und hat zum Ziel, Gewalt gegen Frauen in allen Formen zu bekämpfen und zur Schaffung eines Bewusstseins von der Würde und den Rechten der Frau beizutragen. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden, die es nach einer UNAMA-Studie von Dezember 2010 zum Teil gar nicht kennen, weit entfernt.

Traditionell sind Mädchen und Frauen in der Region Herat in ihrer Bewegungs- und Hand-lungsfreiheit aufgrund eines ausgeprägt traditionellen Verhaltenskodex besonders stark ein-geschränkt. In dieser Region wird - mit abnehmender Tendenz - eine erhebliche Zahl von Selbstverbrennungen von Frauen verzeichnet. Überwiegend handelt es sich dabei um aus Iran zurückgekehrte Flüchtlingsfrauen, von denen angenommen wird, dass sie sich haupt-sächlich aus Verzweiflung wegen Zwangsverheiratung selbst verbrannt haben. Verlässliche Statistiken liegen nicht vor.

Frauen waren unter den Taliban (1996 bis 2001) von jeglicher Bildung ausgeschlossen. Die Alphabetisierungsrate bei Frauen liegt Schätzungen zufolge in der Größenordnung von 10 Prozent.

Nach Angaben von UNICEF können nur 18 Prozent der Mädchen und Frauen im Alter zwi-schen 15 und 24 Jahren lesen und schreiben. Für die wenigen hochqualifizierten Afghaninnen hat sich jedoch der Zugang zu adäquaten Tätigkeiten bei der Regierung verbessert. Die Entwicklungsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen bleiben durch die strenge Ausrichtung an Traditionen und fehlender Schulbildung weiterhin wesentlich eingeschränkt. Wiederholte Gasangriffe auf Mädchenschulen (zuletzt am 25. August 2010, Totja-Oberschule, Kabul - der fünfte mutmaßliche Gasangriff auf eine Mädchenschule in Kabul 2010; 2011 wurden keine derartigen Vorkommnisse bekannt) bestätigen, dass Schulbildung für Mädchen immer noch von einem Teil der Bevölkerung abgelehnt wird.

Im Juni 2008 wurde der mit Unterstützung von UNIFEM erarbeitete National Action Plan for Women of Afghanistan (NAPWA) von der Regierung gebilligt. NAPWA soll helfen, die Situa-tion der Frauen in Afghanistan zu verbessern, insbesondere ihre Diskriminierung zu beenden, die Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu ermöglichen und ihnen volle und gleichberechtigte Beteiligung in allen Lebensbereichen (Wirtschaft, Gesundheit, Bildung) zu gewähren. Die staatlichen Institutionen sind jedoch bisher nicht fähig, die Vorgaben des NAPWA wirksam durchzusetzen. Oft liegt dies auch an den weiterhin bestehenden, den Forderungen des NAPWA entgegenstehenden kulturell verankerten Traditionen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 10. Jänner 2012, S 20ff, und vom 4. Juni 2013, Sitzung 12f)

Derzeit steht ein vom afghanischen Parlament verabschiedeter Gesetzesentwurf in der Kritik der EU, westlicher Regierungen und von Menschenrechtsorganisationen. Dieser Entwurf soll das afghanische Strafrecht dahingehend abändern, dass ein "Verbot der Befragung von Personen als Zeugen" vorgesehen wird. Davon betroffen sind Verwandte, Kinder, Ärzte und Anwälte der mutmaßlichen Täter. Opfer und Zeugen von häuslicher Gewalt sind somit zum Schweigen verurteilt. Präsident Karzai und sein Kabinett haben eine Überarbeitung der umstrittenen Passage angeordnet. Die neue Formulierung ist bisher nicht bekannt. Auch bei einer geplanten Änderung ist zu befürchten, dass die Position der Frauen weiter geschwächt wird, da über das Vernehmungsverbot hinaus ein sehr weitreichendes Zeugnisentschlagungsrecht vorgesehen ist. Da der Begriff der Familie nicht definiert ist, kann dies künftig dazu führen, dass die Bewohner des gesamten Dorfs vom Zeugnisentschlagungsrecht profitieren.

(derstandard.at: Afghanistan: "Geplantes Gesetz schränkt Rechte der Frauen drastisch ein" vom 5. Februar 2014; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Afghanistan: Neues Gesetz beschneidet Frauenrechte drastisch" vom 5. Februar 2014, Statement by EU High Representative Catherine Ashton on the Criminal Procedure Code in Afghanistan vom 10. Februar 2014, The Guardian "Hamid Karzai orders changes to draft law amid fears for Afghan women" vom 17. Februar 2014, The Guardian:

"Campaigners welcome Hamid Karzai's intervention on domestic abuse law" vom 17. Februar 2014)

In der Provinz Balkh ist die Lage der Frauen laut der Frauenbeauftragten der Regionalregierung zwar besser als in anderen Provinzen. Allerdings wird gerade hier v.a. in den letzten beiden Jahren von einer Welle von Selbstmorden von jungen Frauen berichtet. Die meisten schlucken Rattengift oder Pestizide. Als Grund werden Zwangsheiraten oder das Verbot, die Ausbildung fortzusetzen, angenommen.

(Neue Züricher Zeitung: "Verliebte junge Frauen schlucken Rattengift" vom 6. Februar 2014)

Diskriminierung aufgrund sexueller Identität

Formen bisexuellen, homosexuellen oder transsexuellen Lebens werden von der Gesellschaft abgelehnt.

Laut Artikel 247, Absatz eins, des afghanischen Strafgesetzbuches werden nebst unehelichem Geschlechtsverkehr auch solche Sexualpraktiken, die üblicherweise mit Homosexualität in Verbindung gebracht werden, mit langjähriger Haftstrafe sanktioniert. Neben der sozialen Ächtung Bisexueller, Homosexueller und Transsexueller verstärken Bestimmungen und Auslegung des islamischen Rechts (der Scharia, die z. T. von noch konservativeren vorislamischen Stammestraditionen beeinflusst wird) mit Androhungen von Strafen bis hin zur Todesstrafe den Druck auf die Betroffenen. Eine systematische Verfolgung durch staatliche Organe ist nicht festzustellen, was allerdings seine Gründe auch in der vollkommenen Tabuisierung des Themas haben kann. Über die Durchführung von Strafverfahren wegen homosexueller und transsexueller Handlungen liegen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 13)

Außereheliche Beziehungen:

In Fällen außerehelicher Beziehungen kann den Beteiligten die Todesstrafe oder auch eine Haftstrafe drohen: In Afghanistan sind außereheliche Beziehungen (insbesondere auch Ehebruch) sowohl im Strafgesetz als auch gemäß der Scharia verboten und gelten als ehrverletzend - vor allem für die Familie der Frau. Deshalb kann es auch zu Ehrenmorden an der Frau wie auch am Mann kommen. Alle vor- oder außerehelichen Beziehungen gelten in Afghanistan als Zina-Vergehen. Sowohl in der Scharia wie auch im afghanischen Strafgesetz gilt Zina als schweres Verbrechen und wird bestraft. Zina bezeichnet im Islam den Geschlechtsverkehr zwischen Menschen, die nicht verheiratet sind. Sowohl Frauen als auch Männer werden wegen Zina strafrechtlich verfolgt und zu langen Haftstrafen verurteilt. Gemäß der Scharia reicht die Bestrafung für Zina von Auspeitschungen bis hin zur Steinigung. In Afghanistan gibt es viele Vorfälle und Morde aufgrund von Ehrverletzungen, in einigen Regionen kommt es zu Steinigungen. Ob der aussereheliche Geschlechtsverkehr freiwillig war oder nicht, ist meistens nicht von Bedeutung: Es wird kaum eine Differenzierung zwischen Vergewaltigung und einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gemacht.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 10. Juni 2013)

Justiz und (Sicherheits-)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheit-lichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig ein-gehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.

(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013)

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet.

Die Afghanische Nationale Polizei [ANP] gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35 Prozent der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen.

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hin-richtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegs-verbrechen eingestuft.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 12f)

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder poli-tischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus.

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Strafverfolgung, Strafbemessung und Strafvollstreckung:

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht erkennbar. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen.

Präsident Karzai verkündet in regelmäßigen Abständen zu besonderen Anlässen Amnestien, die insbesondere Frauen, Kinder und ältere Gefängnisinsassen betreffen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 11)

Haftbedingungen:

Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten werden von unterschiedlichen Organisationen verwaltet: Das "General Directorate of Prisons and Detention Centers" (GDPDC), ein Teil des Innenministeriums (MOI), ist verantwortlich für alle zivil geführten Gefängnisse sowohl für weibliche als auch männliche Häftlinge. Das MOI und das "Juvenile Rehabilitation Directorate" (JRD) sind verantwortlich für alle Jugendrehabilitationszentren und Zivilhaftanstalten. Die ANP (Afghan National Police) unter dem Innenministerium und dem NDS (National Directorate of Security) ist verantwortlich für Kurzhaftanstalten auf Provinz- und Bezirksebene. Das Verteidigungsministerium betreibt die nationalen Haftanstalten Afghanistans in Parwan und Pul-e-Charki.

(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)

Folter und Misshandlungen werden nach wie vor in den Gefängnissen in Afghanistan praktiziert und stellen ein ernstzunehmendes und weitverbreitetes Problem in den Haftanstalten Afghanistans dar.

(United Nations Assistance Mission in Afghanistan "Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghan Custody" vom Jänner 2013; Afghanistan Independent Human Rights Commission "Torture, Transfers, and Denial of Due Process" vom 17. März 2012; TAZ: "Kabul räumt erstmals Folter ein" vom 11. Februar 2013)

AIHRC und andere Beobachter berichteten, dass es in den Gefängnissen kein adäquates Essen oder Wasser gebe. Außerdem seien die Sanitäranlagen schlecht und es seien nicht genügend Decken vorhanden. Infektiöse Krankheiten seien verbreitet.

(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)

Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards. Sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel und Trinkwasser sowie Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet. Die begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten führen dazu, dass Gefangene in Untersuchungshaft und bereits verurteilte Gefangene nicht getrennt festgehalten werden. Im März 2012 führten etwa 100 Gefangene im Pul-e-Charkhi-Gefängnis wegen Misshandlungen einen Hungerstreik durch. Für Kinder verurteilter Mütter wurden spezielle Unterstützungszentren geschaffen.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 12f; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, Sitzung 3f.)

Todesstrafe:

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte (Mord, Entführung und gewisse Straftaten gegen die nationale Sicherheit) vorgesehen. Unter dem Einfluss der Scharia wird die Todesstrafe aber auch bei anderen Delikten verhängt (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen und kann nur mit Einwilligung des Präsidenten vollstreckt werden. Allgemein sind keine Bestrebungen seitens der Regierung zu erkennen, ein Moratorium zu erlassen oder die Todesstrafe gar abzuschaffen. Zuletzt wurde die Todesstrafe im November 2012 vollstreckt, als 14 wegen Vergewaltigung und Mordes Verurteilte exekutiert wurden. Landesweit sind momentan über 100 Personen zu Tode verurteilt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 16; vergleiche, Amnesty International, Amnesty Report 2013, vom 21. Mai 2013)

Gemäß Amnesty International wurden in Afghanistan am 20. und 21. November 2012 14 Gefangene hingerichtet. Der Oberste Gerichtshof soll zudem 30 Todesurteile bestätigt haben. Zehn Todesurteile wurden in Haftstrafen umgewandelt. Ende November 2012 befanden sich mehr als 250 Personen in Todeszellen.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 12f; Amnesty International, Report 2013, vom 23. Mai 2013. USDOS, Human Right Practices 2012, vom 19. April 2013, Sitzung 3)

Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden - eigentlich die "Kornkammer" - des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben zur Folge, dass ca. 1 Mio. oder 29,5 Prozent aller Kinder als akut unterernährt gelten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 18)

Medizinische Versorgung:

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit (die Anzahl der Gesundheitseinrichtungen hat sich seit 2002 vervierfacht) aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Dies führt dazu, dass Afghanistan weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate der Welt gehört. Die Lebenserwartung der Frauen liegt bei 51, Männer werden im Schnitt 48 Jahre alt.

Durch die überdurchschnittlich gute ärztliche Versorgung im French Medical Institute in Kabul können Kinder auch mit komplizierteren Krankheiten in Kabul behandelt werden. Afghanische Staatsangehörige mit guten Kontakten zum ausländischen Militär oder Botschaften, können sich unter Umständen auch in Militärkrankenhäusern der ausländischen Truppen behandeln lassen. Die Militärkrankenhäuser können Zivilisten (jeglicher Staatsangehörigkeit) allerdings nur in beschränktem Maße aufnehmen, da Betten für Mitglieder der internationalen Streitkräfte vorgehalten werden müssen.

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen stellt Afghanistan nach wie vor große Herausforderungen. Die wenigen Kliniken, die es in einigen größeren Städten gibt, sind klein und überfüllt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 18)

Während sich der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen für die städtische Bevölkerung verbessert hat, hat sich dieser für die ländliche Bevölkerung sowie für Nomaden verschlechtert. Insbesondere für Personen, welche in Gebieten unter der Kontrolle regierungsfeindlicher Gruppierungen leben, sind medizinische Einrichtungen schwer zu erreichen. 10 Prozent der Kinder sterben, bevor sie das 5. Lebensjahr erreichen und die Müttersterblichkeit gehört noch immer zu den weltweit höchsten.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 21)

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.

(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, Sitzung 16)

Rückkehrfragen:

Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienange-hörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, Sitzung 28)

Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der Schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich, in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik, die sich jedoch dabei stellt, ist, dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.

(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Kabul, vom 29. Mai 2012)

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausge-wählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fach-personal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.

(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, Sitzung 16)

Ausweichmöglichkeiten:

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 14)

Nach Ansicht von UNHCR besteht in umkämpften Gebieten keine interne Fluchtmöglichkeit. Da regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban, das Haqqani-Netzwerk oder Hek-matyars Hezb-e Islami über operationelle Kapazitäten verfügen, Personen im ganzen Land zu verfolgen, existiert für von diesen Gruppierungen bedrohte Personen auch in Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, keine Fluchtalternative. Die afghanische Re-gierung hat in zahlreichen Gebieten des Landes die effektive Kontrolle an regierungsfeindliche Gruppierungen verloren und ist dort daher nicht mehr schutzfähig. Betreffend der Verletzung sozialer Normen muss in Betracht gezogen werden, dass konservative Akteure auf allen Regierungsstufen Machtpositionen innehaben und das weite Segmente der afghanischen Gesellschaft konservative Wertvorstellungen vertreten. UNHCR schließt für alleinerziehende Frauen ohne nahe männliche Angehörige eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.

(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom August 2013, Sitzung 72 bis 78)

Dokumente:

Echte Dokumente unwahren Inhalts gibt es in erheblichem Umfang. So werden Pässe und Personenstandsurkunden von afghanischen Ministerien und Behörden offenkundig ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Ursachen sind ein nach 23 Jahren Bürgerkrieg lückenhaftes Registerwesen, mangelnde administrative Qualifikation sowie weit verbreitete Korruption.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, Sitzung 30)

Weniger als zehn Prozent der afghanischen Bevölkerung haben ein Geburtszertifikat. Auch besitzen die wenigsten Kinder eine Geburtsurkunde.

(United States Department of State, Trafficking in Persons Report 2012, vom 19. Juni 2012; UNICEF: "Children on the Move" vom Februar 2010)

Die Tazkira ist die übliche ID-Karte in Afghanistan. Dort sind persönliche und familienbezogene Informationen des Inhabers festgehalten wie Wohn- und Geburtsort, Beruf und Militärdienst. Es gibt keine weiteren Identitätskarten, mit denen die Angaben einer Tazkira zusätzlich legitimiert werden könnten. Das Immigration and Refugee Board of Canada (IRBC) geht davon aus, dass es kein Standardverfahren zur Verifizierung der Identität des Antragsstellers und zur Ausstellung der Tazkira gibt. Tazkiras werden für den Schul- oder Universitätseintritt oder für die Beantragung eines Reisepasses gebraucht. Viele beantragen eine Tazkira erst, wenn sie eine benötigen. UNHCR beschrieb, dass jeder Mann eine Tazkira haben sollte, für die Frauen ist die Beantragung freiwillig.

(Brooking Institution University of Bern: "Realizing National, Responsibility for the Protection of Internally Displaced Persons in Afghanistan: A Review of Relevant Laws, Policies, and Practices" vom November 2010; Immigration and Refugee Board of Canada:

"Afghanistan: The Issuance of Tazkira Certificates; Whether Individuals Can Obtain Tazkiras While Abroad" vom 16. Dezember 2011)

Risikogruppen:

In seinen "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asyl-suchender vom August 2013" geht UNHCR von folgenden "[m]öglicherweise gefährdete[n] Personenkreise[n] in Afghanistan" aus:

• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen

• Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen

• Männer und Burschen im wehrfähigen Alter

• Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden

• Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben

• Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstoßen

• Frauen

• Kinder

• Opfer von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind

• lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Personen (LGBTI)

• Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen

• an Blutfehden beteiligte Personen

• Familienangehörige von Geschäftsleuten und anderen wohlhabende Personen

Die Aufzählung ist nicht notwendigerweise abschließend. Je nach den spezifischen Umstän-den des Falls können auch Familienangehörige oder andere Mitglieder des Haushalts von Personen mit diesen Profilen aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person inter-nationalen Schutzes bedürfen.

Überdies können nach den genannten UNHCR-Richtlinien "Menschenrechtsverletzungen einzeln oder zusammen eine Verfolgung darstellen, wie etwa:

• die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte einschließlich der Einführung paralleler Justizstrukturen und der Verhängung ungesetzlicher Strafen sowie der Bedrohung und Einschüchterung der Zivilbevölkerung, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Einsatz von Erpressungen und illegalen Steuern

• Zwangsrekrutierung

• die Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation in Form von Ernährungsunsicherheit, Armut und Vernichtung von Lebensgrundlagen

• steigende organisierte Kriminalität und die Möglichkeit von lokalen Machthabern ("Warlords") und korrupten Beamten, in von der Regierung kontrollierten Gebieten straflos zu agieren

• die systematische Beschränkung des Zugangs zu Bildung und zu grundlegender Ge-sundheitsversorgung

• die systematische Beschränkung der Teilnahme am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen

b) Zum den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 6. August 2013:

Abrufbar unter: http://www.refworld.org

c) Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen für Afghanistan, Univ.- Lekt. Dr. Sarajuddin Rasuly, aus der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, GZ: W 151 1425643-1:

"Gibt es staatlichen Hilfs- und Integrationsprogramme für junge Rückkehrer im Alter des BF?

Der Staat hat keine Integrationsmaßnahmen, die umfassend die Rückkehrer betreuen kann. Es gibt ein Sozialministerium und ein Ministerium für Flüchtlingsfragen, die sich eigentlich um die Rückkehrer kümmern sollten, aber dies ist nicht der Fall. Auf Grund der Korruption und Gleichgültigkeit der Verantwortlichen der Ministerien wird in diesem Bereich nicht investiert. Daher können die Rückkehrer auf keinen Fall auf die Unterstützung des Staates oder der NGO¿s zählen.

Erstellung von Befund und Gutachten zur Frage der Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen und in Kabul in Hinblick auf den Abzug der ISAF-Truppen und den Verbleib der US-Amerikanischen Soldaten. Ist der Abzug bereits erfolgt? Hat sich die Sicherheitslage wesentlich zu der im Dezember 2014 verändert? Kann noch immer davon gesprochen werden, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Kabul unverändert schlecht ist und auch die Zivilbevölkerung einem starken Sicherheitsrisiko ausgesetzt ist?

Die Sicherheitslage in Afghanistan gestaltet sich im Allgemeinen weiterhin prekär. Es wird im Nordosten Afghanistans, im Osten und Südosten des Landes, sowie im Süden verstärkt durch die Taliban versucht, die afghanische Behörde und die Ausländer einzuschüchtern. Deshalb gibt es immer wieder Bombenanschläge und Selbstmordanschläge in diesen Regionen. Die Taliban halten sogar viele Dörfer in den entlegenen Provinzen unter ihrer Kontrolle. Dabei kommen dutzende Zivilisten ums Leben. Es werden auch Privatveranstaltungen, wie Hochzeitsfeste, von den Taliban angegriffen. Bei diesen Angriffen der Taliban sind im letzten Jahr hunderte Menschen gestorben. Es wird berichtet, dass im Februar die Taliban auf den Hauptstraßen Autobusse anhalten und dutzende Menschen als Geisel mitnehmen. Es kommt auch vereinzelt vor, dass sie einzelnen Menschen den Hals abschneiden. In den Großstädten wie in Kabul war 2013 und 2014 große Unsicherheit zu verzeichnen. Die Taliban waren in diesen Städten aktiv. Sie haben Regierungsgebäude, Polizeistationen, Gasthäuser, wo die Ausländer gewohnt haben, angegriffen und viele Menschen getötet. Der Grund für diese Aktivitäten der Taliban lag darin, dass sie ihre Stärke demonstrieren wollten. Ein anderer Grund für die Unsicherheit in Kabul lag darin, dass die Präsidentschaftswahlen 2014 von großen Schwierigkeiten und Konflikten innerhalb der Kandidaten gekennzeichnet waren. Ein Teil der ehemaligen Mujaheddin haben sich inzwischen zu einer Art Bande entwickelt. Sie sind für Entführungen von Geschäftsleuten, Politikern usw. in den Städten verantwortlich. Diese haben auch Kabul und andere Großstädte wie Herat, in den Jahren 2013 und 2014 zu unsicheren Städten gemacht. Seit Jänner 2015 hat die Zahl der Taliban-Anschläge abgenommen, aber es kommt immer wieder vereinzelt in Kabul weiterhin zu Taliban-Anschlägen. Die Ankündigung der ISAF, ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen, hat selbstverständlich die Afghanen verunsichert und die Taliban und bestimmte Mujaheddin-Banden ermutigt. Diese Ankündigung hat aber wenig Auswirkung auf die Verschlechterung oder die Verbesserung der Situation in Afghanistan. Es werden in Afghanistan mindestens 20.000 ISAF-Truppen stationiert bleiben. Die Amerikaner werden ihre Militärbasen beibehalten. Die Amerikaner und andere europäische Länder werden die Armee ausbilden und bei Bedarf auch sich im Rahmen der afghanischen Armee bei Militäroperationen beteiligen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann nicht mit Sicherheit von einer stabilen Sicherheitslage in Kabul ausgegangen werden, da weiterhin vereinzelt Anschläge der Taliban zu verzeichnen sind und die Mujaheddin-Banden, vor allem in der Umgebung von Kabul, ihre Waffen nicht abgegeben haben. Sie drohen immer wieder dem neuen Präsidenten mit Gewalt, wenn ihre Forderungen nicht umgesetzt werden".

d) Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen für Afghanistan, Univ.- Lekt. Dr. Sarajuddin Rasuly, aus der gegenständlichen mündlichen Verhandlung vom 09.03.2015 vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Zur Sicherheitssituation in der Heimatregion des BF:

Die Provinz römisch 40 gehört zu den unsichersten Provinzen Afghanistans. Die Taliban sind in der gesamten Provinz präsent. Sie kontrollieren mehr als 50% der Dörfer der Distrikte römisch 40 , Imam Sahib, Dasht-e Archi, römisch 40 und Aliabad. Von diesen Gebieten aus greifen die Taliban auch die Distriktzentren, die Provinzhauptstadt und die Regierungs- und ausländischen Stützpunkte an. Die Taliban können jederzeit in der Stadt römisch 40 Anschläge verüben, weil sie in der Stadt römisch 40 ein Netzwerk gebildet haben, über das sie die verschiedenen Stellen erreichen können. Im Jahr 2014 haben sie die Staatsanwaltschaft angegriffen und 6 Staatsanwälte und dutzende Soldaten getötet. Sie haben vor kurzem die Polizeistation in der Stadt römisch 40 angegriffen und dabei sind dutzende Sicherheitskräfte und Zivilisten ums Leben gekommen. Es wird täglich von Angriffen der Taliban auf die Zivilbevölkerung und auf die Behörden berichtet. Die Hauptstraßen zwischen den Distrikten und von römisch 40 Richtung Baghlan bzw. Kabul sind sehr unsicher und es wird täglich von tödlichen Angriffen der Taliban auf diesen Straßen berichtet.

Zur Situation für Rückkehrer im Alter des BF, der noch Familie im Herkunftsland hat, welcher Analphabet ist, keine qualifizierte Ausbildung hat in Afghanistan im Allgemeinen und in Kabul - Arbeits- und Integrationsmöglichkeit? Kann sich der BF unter diesen Umständen eine menschenwürdige und wirtschaftliche Existenzgrundlage schaffen?

Die Versorgungslage der Provinz römisch 40 ist hauptsächlich von der Landwirtschaft abhängig. Da die Anzahl der Bevölkerung in Afghanistan wächst, kann die landwirtschaftliche Produktion nicht allen Afghanen das wirtschaftliche Überleben sichern, besonders nicht jenen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren. Jene Personen bzw. Familien, die kein Grundstück oder wenige Grundstücke haben, geraten in Armut, wenn ihre Familienmitglieder, als interne Flüchtlinge oder Flüchtlinge, die im Ausland leben, zum Familienverband zurückkehren müssten. Daher steigt die Arbeitslosenzahl der Jugendlichen. Nach Schätzungen sind derzeit mehr als 60% der jungen Menschen arbeitslos. Der Grund liegt auch unter anderem darin, dass die ausländischen NGOs und die ISAF-Stützpunkte geschlossen werden und tausende Afghanen, besonders junge Menschen, die in diesen Stellen gearbeitet haben, arbeitslos werden. Die afghanischen Investoren haben seit 2013 aufgrund des Streits der Präsidentschaftskandidaten und der Ankündigung des Abzuges der ISAF-Truppen aus Afghanistan allmählich ihr Kapital aus Afghanistan abgezogen, bzw. einen Teil ihrer Firmen stillgelegt. Auch diese Situation hat zur erhöhten Arbeitslosigkeit der Jugendlichen geführt. Personen, die bei einem Blechverarbeitungsladen arbeiten, gehören nicht unbedingt zu den besser situierten Personen. Die Schließung der ausländischen Stützpunkte und Abzug der ausländischen NGOs aus Städten wie römisch 40 hat auch dazu geführt, dass die Handwerker ebenfalls zum Teil arbeitslos geworden sind oder keine Aufträge mehr bekommen. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass der BF im Falle seiner Rückkehr, wie viele andere junge Männer, von dieser prekären Wirtschaftslage betroffen sein wird. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Einkünfte aus dem Betrieb seines Vaters nicht ausreichen, dass der BF weiterhin im Falle seiner Rückkehr von seinem Vater finanziell unterstützt und in seinem Hause aufgenommen wird.

2. Beweiswürdigung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesasylamtes unter zentraler Berücksichtigung der darin enthaltenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, den eingebrachten Dokumenten, des bekämpften Bescheides, der Beschwerde sowie den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben, insbesondere durch die dort getätigten Aussagen des BF und die Gutachten der beigezogenen Sachverständigen.

2.1. Zum Vorbringen des BFs zu seiner Herkunft, der Ethnie, zum Wohnort des BF, zum Bildungsstand des BF:

Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Religionszugehörigkeit, zur Herkunft und zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat und in Österreich stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem Bundesasylamt, in der Beschwerde, sowie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari. Obwohl der Beschwerdeführer zwar keine Angaben zu seinem Heimatdorf machen konnte, war er insgesamt für das Gericht glaubwürdig, da diese Lücken aus Sicht des Gerichtes in Zusammenschau mit der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers gesehen werden müssen.

Die Authentizität der sonstigen Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere der Herkunftsregion römisch 40 , wurde durch das Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen bestätigt, bei ihm handelt es sich um einen mit ausgewiesener Fach- und Landeskunde ausgestatteten Experten, der selbst Afghane ist und aufgrund regelmäßiger Vorort-Recherchen in Afghanistan über die dementsprechenden Orts- und Sprachkenntnisse verfügt. Es bestanden daher aus Sicht des erkennenden Gerichtes keine Anhaltspunkte, dem Gutachten nicht zu folgen und folgte das Gericht vielmehr diesem Gutachten in diesen Bereichen.

2.2. Zur derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan und der Heimatregion des BF:

Diese Feststellungen stützen sich auf die oben angeführten Quellen. Das Bundesverwaltungsgericht bediente sich hierbei einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprunges, um sich so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer machen zu können. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität dieser Aussagen, der die belangte Behörde weder mündlich noch schriftlich substantiiert entgegengetreten ist, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Zuverlässigkeit und Richtigkeit dieser Quellen zu zweifeln.

Andererseits stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf ein Vorgutachten des mit ausgewiesener Fach- und Landeskunde ausgestatteten länderkundigen Sachverständigen für Afghanistan, Univ.- Lekt. Dr. Sarajuddin Rasuly, das in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, GZ: W 151 1425643-1 zur Sicherheitslage, insbesondere in der Hauptstadt Kabul, erstattet wurde und dieses aktuell beurteilte. Ebenso stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf das aktuell in der Verhandlung vom 09.03.2015 erstattete Gutachten zur Sicherheitslage.

2.3 Zum psychiatrisch/neurologischen Gesundheitszustand des BF:

Hinsichtlich der Feststellungen zum psychiatrisch/neurologischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers stützt sich das Gericht gänzlich auf das Gutachten der beigezogenen Gerichtsgutachterin, die ein in sich völlig schlüssiges, plausibles und widerspruchsfreies Gutachten erstattete. Aus Sicht des Gerichtes ergaben sich keine Anhaltspunkte am Ergebnis der Gutachten zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, zuletzt geändert mit Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß Paragraph 6, des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 10 aus 2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung der nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. römisch eins 2013/33 i.d.F. BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-VG, BGBl römisch eins 2012/87 in der Fassung BGBl römisch eins 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß Paragraphen 16, Absatz 6 und 18 Absatz 7, BFA-VG sind die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß Paragraph 75, Absatz 19, AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen.

Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2013, in Verbindung mit Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG kann eine mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I:

Auf Grund der Zurückziehung der Beschwerde zu Spruchpunkt römisch eins in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ist das Verfahren hinsichtlich dieses Spruchpunktes römisch eins einzustellen. Angesichts dieses Umstandes ist auch auf die vom BF im bisherigen Verfahren erstatteten Fluchtgründe nicht mehr weiter einzugehen.

Zu Spruchpunkt römisch II (subsidiärer Schutz):

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Ziffer eins,), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Ziffer 2,), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückverweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht war somit zu klären, ob im Fall der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechts ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des Paragraph 8, Absatz , AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 17.9.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen vergleiche VwGH 8.6.2000, 99/20/0203).

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG gegeben sind:

Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt variiert, insgesamt aber die Sicherheitslage sehr prekär ist. Aus dem Gutachten des beigezogenen länderkundlichen Sachverständigen folgt weiters, dass der BF in seiner Heimatregion einem sehr großem Sicherheitsrisiko ausgesetzt ist und auch ein wirtschaftliches Überleben trotz Familienanschluss aus Sicht des Gerichtes nicht gegeben wäre, dies jedenfalls nicht in einer menschenwürdigen Form. Des Weiteren ergab das SV-Gutachten und das dem Verfahren zugrunde gelegten Vorgutachten, dass die Sicherheitslage in ganz Afghanistan nach wie vor als prekär einzustufen ist, es zu Anschlägen der Taliban in weiten Regionen des Landes kommt, wovon auch die Zivilbevölkerung betroffen ist und nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit eine Prognose abgegeben werden kann, ob in Kabul die Sicherheitslage in den nächsten Monaten ausreichend gegeben sein wird.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Wirtschafts- und Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zur Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalbe des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

Eine innerstaatliche Schutzalternative (Paragraph 8, Absatz 3, in Verbindung mit Paragraph 11, AsylG) würde dem BF unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen.

Die Rückkehr des BF nach Afghanistan erscheint daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar. Durch die Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in Rechten nach Artikel 3, EMRK verletzt zu werden.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt römisch III (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung)

Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Daher war gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu Spruchpunkt römisch IV des angefochtenen Bescheides (Paragraph 10, AsylG, Ausweisung):

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Statuts des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt.

Da im gegenständlichen Fall dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG nicht (mehr) vor.

Daher war die von der belangten Behörde in Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides angeordnete Ausweisung des BF gemäß Paragraph 28, Absatz , VwGVG ersatzlos zu beheben.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2015:W151.1423994.1.00