BVwG
27.01.2015
L512 1433080-1
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gerhard Mory, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.02.2013, Zl. 12 07.953-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.11.2014, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraphen 3 und 8 Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005, BGBl römisch eins 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.
Gemäß Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 idgF wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
römisch eins. Verfahrensgang:
römisch eins.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt) brachte nach illegaler Einreise am 28.06.2012 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 28.06.2012 Folgendes vor:
Er sei in Pakistan geboren, sei leidig und Ahmedi. Er habe 5 Jahre lang die Grundschule namens römisch 40 in XXXXbesucht. Er habe sich ca. 2 1/2 Jahre in Griechenland aufgehalten. Die Zustände dort seien sehr schlecht. Ausländer würden dort schikaniert werden. Es sei sehr schwierig dort Arbeit zu finden.
Zum Fluchtgrund führte der BF an, er gehöre der Religionsgemeinschaft Ahmedis an. Deswegen wäre er von den Lakshare Taiba schikaniert und mit dem Umbringen bedroht worden. Diese hätten den BF auch einmal im Jahr 2008 angegriffen. Deshalb habe er Pakistan verlassen. Im Falle seiner Rückkehr habe er Angst, dass er von den Lakshare Taiba umgebracht werde [Aktenseite (AS) 11 ff.].
Vor einem Organwalter der belangten Behörde gab der BF am 04.02.2013 zusammengefasst Folgendes an:
Er sei gesund, es gehe ihm gut. Die Angaben, die er nach seiner Einreise in Österreich im Rahmen des Asylverfahrens gemacht habe, seien nicht richtig. Er wolle hier in Österreich arbeiten. Er wolle auch seine Familie nachholen. Er würde anders heißen.
Zum bisher vorgebrachten Fluchtgrund befragt, erörterte der BF, der Schlepper hätte ihm das eingeredet. Er habe keine Identitätsdokumente bei sich, aber eine Bestätigung über die Ahmadiyya Muslim Gemeinde.
Der BF habe bis zu seiner Ausreise aus Pakistan in der Nähe von römisch 40 in einer Werkstatt als Autolackierer gearbeitet. Er habe einen Reisepass gehabt. Er sei mit dem Bus nach römisch 40 und dann mit dem Bus in den römisch 40 . Die Grenze habe er normal passiert. Dort gebe es keine Kontrollen. Er gehöre keiner Minderheit an. Er sei Pakistani und gehöre den Ahmadis an. In römisch 40 würden viele Ahmadis leben. Die Geschwister des BF, zwei Brüder und zwei Schwestern, würden im Heimatdorf des BF in Pakistan leben. Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen habe der BF auch noch in Pakistan. In Österreich habe der BF keine Verwandte. Er sei im dritten Monat des Jahres 2007 aus Pakistan ausgereist und habe sich bis 2012 in Griechenland aufgehalten. Er habe in keinem anderen Staat um Asyl angesucht. Er befinde sich in Bundesbetreuung. Er sei kein Mitglied einer Partei oder parteiähnlichen oder terroristischen Organisation. In seiner Heimat sei kein Gerichtsverfahren gegen den BF anhängig. Er habe auch in seiner Heimat keine Straftat begangen, würde nicht polizeilich gesucht oder behördliche verfolgt werden. Er sei nie in Haft gewesen oder sei nie festgenommen worden. Der BF habe auch mit den Behörden oder der Polizei keine Probleme.
Er habe in Österreich um Asyl angesucht, da er Ahmadi sei. Er wolle hier arbeiten. Auf die Fragen, ob dem BF in Pakistan konkret etwas passiert sei, gab der BF an, dass seine Familie einmal im Jahr 2004 geschlagen worden sei. Das sei das einzige Mal gewesen. Es wären Unbekannte gewesen. Er könne dazu keine konkreten Angaben machen. Es wisse nichts. 2005 seien sie noch einmal geschlagen worden. Wieder seien es Unbekannte gewesen. Sonst hätte es nichts gegeben. Der BF sei dann im Jahr 2007 weggegangen. Sonst habe er keine Fluchtgründe bzw. wäre ihm sonst nichts passiert. Im Falle der Abschiebung des BF in seine Heimat drohe ihm keine staatliche Verfolgung. Diese Unbekannten könnten den BF wieder schlagen. Er könne in keiner Großstadt wie Karachi oder Islamabad leben bzw. arbeiten, da es dort keine Sicherheit geben würde. Kein einziger Ahmadi könne dort in Frieden leben. Er habe keine Anzeige bei der Polizei erstattet, da diese einem sofort schlagen würden.
Der BF besuche einen Deutschkurs, spreche aber noch kein Deutsch.
Zu den im Verfahren einbezogenen und dem BF rückübersetzen Länderfeststellungen gab der BF an, dass diese stimmen würden (AS 45 ff.).
römisch eins.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gem. Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt römisch III.).
römisch eins.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF - aus wirtschaftlichen Gründen seine Heimat verlassen zu haben - als glaubwürdig. Eine asylrelevante individuelle Verfolgung habe der BF jedoch nicht glaubhaft machen können. Der BF habe sich bei der Asylantragstellung als eine völlig andere Person ausgegeben und behauptet im Jahr 2008 wegen der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Ahmadi angegriffen worden zu sein und deshalb Pakistan verlassen zu haben. Im Widerspruch dazu habe der BF am 04.02.2013 vor dem Bundesasylamt angeführt, dass der BF und seine Familie im Jahr 2004 und 2005 von Unbekannten geschlagen worden wären. Der BF wäre schon im Jahr 2007 ausgereist. Der BF sei zudem nicht in der Lage gewesen eine Bedrohungssituation zu konkretisieren. Der BF habe laufend Angaben gemacht, wie "Ich weiß nichts..., Ich kann keine konkreten Angaben machen... Ich kann keine Datum angeben." Zu den Personen, von denen er geschlagen worden sei, habe der BF angeführt, dass er über diese nichts wisse, es seien "Kriminelle", "Unbekannte" gewesen. Er könne nichts konkretisieren, ihm sei sonst nichts passiert. Gerade im Asylverfahren sei das Vorbringen des Asylwerbers oft das einzige Beweismittel das zur Verfügung stehe. Bei der Beurteilung des Vorbringens des BF muss jedenfalls mitberücksichtigt werden, dass der Asylwerber - menschlich verständlich - ein gravierendes Interesse am positiven Ausgang seines Asylverfahrens hat, was auch zur verzerrten Darstellungen tatsächlicher Geschehnisse oder zu gänzlich falschem Vorbringen führen könne. Der BF habe angeführt, dass er bis zum Tage seiner Ausreise als Autolackierer gearbeitet und bis zum Tag der Ausreise mit seinen Angehörigen in der Nähe der Stadt römisch 40 zusammen gewohnt habe. Der BF habe eine Bestätigung der Ahmadiyya Muslim Gemeinde vorgelegt, mit der er die Zugehörigkeit zu der Religionsgemeinschaft der Ahmadis bestätigte. Eine asylrelevante Verfolgung in diesem Zusammenhang konnte der BF jedoch nicht glaubhaft vorbringen. Der Verbleib an der Wohnadresse, dem Nachgehen einer Beschäftigung sowie der Umstand, dass die gesamten Angehörigen (ebenfalls Ahmadi) nach wie vor in Pakistan deren Wohnsitz haben, führen dazu, dass eine generelle Verfolgung zu verneinen ist und auch der Person des BF eine glaubhaft religiöse Verfolgung nicht passiert sein kann. Aufgrund der Feststellungen zur Religionsfreiheit und zur Situation der Ahmadis werde festgehalten, dass für Ahmadis in Krisengebieten die Möglichkeit bestehe in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Fälle handle, die überregional bekannt worden sind. Im konkreten Fall würde dieser Schutz unter Berücksichtigung der individuellen Umstände vorliegen (AS 180 ff.).
römisch eins.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde Feststellungen.
römisch eins.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Artikel 8, EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF dar.
römisch eins.3. Mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz wurde von der nunmehr gewillkürten Vertretung des BF Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde erhoben.
Es wurden die Anträge gestellt,
Der Bescheid wurde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts bekämpft.
De BF habe wahrheitsgetreu und gleichbleibend geschildert, dass er Angehöriger der religiösen Minderheit der Ahmadiyya, welche in Pakistan staatlich diskriminiert und verfolgt werde, sei. Die Verfolgung von Ahmadis werde nicht nur vom pakistanischen Staat aufgrund dessen mangelnder Schutzfähigkeit und vor allem Schutzwilligkeit geduldet und sei ihm in Folge zurechenbar, sie gehe auch von diesem Staat aus. Es wurde ein Erkenntnis des Asylgerichtshofes zitiert. Die staatlichen Sanktionen gegen Ahmadis in Pakistan und die davon abgeleitete Unmöglichkeit ihren Glauben sanktionsfrei privat bzw. öffentlich auszuleben, würden die Grundlage des EUGH-Urteils vom 05.09.2012 darstellen.
Im Rahmen der Ermittlungspflicht sei die Behörde angehalten gewesen Zweifel über den Inhalt und die Bedeutung des Vorbringens des Asylwerbers durch entsprechende Erhebungen, insbesondere ergänzende Befragung zu beseitigen. Auf die Probleme des BF, welche sich von seiner religiösen Überzeugung ableiten, sei nicht eingegangen worden. Daher sei das Verfahren grob mangelhaft. Es seien keinerlei Fragen zur Ausübung des Glaubens des BF in Pakistan, wie im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.12.2012, E13 427.311-1/2012-10E angeführt, gestellt worden. Die Beweiswürdigung sei aktenwidrig und unnachvollziehbar. Das Urteil des EuGH vom 05.09.2012 sei nicht beachtet worden. Daraus gehe hervor, dass keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe, sodass die verwendeten Länderberichte aktenwidrig seien. Weiters wurde auf einzelne Erkenntnisse des Asylgerichtshofes verwiesen und diesbezüglich ausgeführt, dass daraus ableitbar sei, dass das Handeln radikaler Sunniten dem Staat Pakistan aufgrund der mangelnden Fähigkeit der pakistanischen Behörden Schutz zu bieten, zuzurechnen sei. Angehörigen der Amadiyya sei der Status des Flüchtlings wegen Verfolgung aus religiösen bzw. politischen Gründen zuzuerkennen. Unter Bezugnahme einzelner Quellen, die auszugsweise zitiert wurden, wurde dargelegt, dass aufgrund der Sicherheitslage und der damit verbundenen Gefahr der Verletzung der Schutzgüter der Artikel 2,, 3 EMRK subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei. Der Bf sei Mitglied des Vereins "Ahmadiyya Muslim Gemeinde Österreich e.V.", der ihn auch unterstützt und habe dort viele Leute kennengelernt. Der BF absolviere momentan einen Deutschkurs (AS 203 ff.).
römisch eins.4. Für den 11.11.2014 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.
römisch eins.5. Mit Schreiben vom 20.10.2014 wurde dem BF eine Aufforderung zur Mitwirkung im Beschwerdeverfahren und zur Vorlage von Dokumenten und Beweismitteln übermittelt. Den Verfahrensparteien wurden zudem mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls vom 20.10.2014 aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.
römisch eins.6. Mit Schreiben vom 21.10.2014 teilte die belangte Behörde mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Ungeachtet dessen wurde aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung gegenständlicher Beschwerde beantragt und um Übersendung des aufgenommen Verhandlungsprotokolls ersucht.
römisch eins.7. Mit Schriftsatz vom 03.11.2014 teilte die gewillkürte Vertretung des BF mit, dass mit sofortiger Wirkung die bestehende Vollmacht gekündigt werde.
römisch eins.8. Mit Schriftsatz vom 10.11.2014 wurde mitgeteilt, dass der BF nunmehr rechtsfreundlich vertreten werde. Zudem wurde das Vorbringen des BF erneut dargelegt. Es wurde weiters erörtert, dass die Befragung bei der belangten Behörde einseitig und mangelhaft gewesen sei bzw. wurde eine umfassende Beschwerdeergänzung in Bezug auf die Lebenssituation des BF und seiner Familie sowie den einzelnen Verfolgungsereignissen vorgenommen. Die Länderfeststellungen seien zwar grundsätzlich zutreffend aber nicht ausreichend. In den Jahren 2013 und 2014 sei die Gewalt gegen Ahamdis fortgesetzt worden. Hass- und Gewaltkampagnen gegen Ahmadis würden von radikalen Gruppen ausgehen, welche ohne die Hassideologie, welche von Mullahs gepredigt werden, nicht denkbar wären. Es gebe keinerlei Möglichkeit vor Übergriffen effektiven Schutz bei den staatlichen Behörden zu finden. Die potentiellen Verfolger würden sich in einer erdrückenden Überzahl befinden. Es würde für Ahmadis keinen sicheren Zufluchtsort geben, dies gelte auch für die Stadt Rabwah. Der BF habe sich vor seiner Flucht aus Pakistan in einer Gruppenverfolgungssituation befunden. Allein aufgrund der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Ahmadis wären der BF und seine Familienangehörigen körperlichen Übergriffen in den Jahren 2004 und 2005 ausgesetzt gewesen. Es wurde ein länderkundliches Sachverständigengutachten für die Lage der Ahmadis in Pakistan beantragt, da die Staatendokumentation des BFA derart spezifische Forschungen nicht durchführen könne. Gemäß dem Ahmadi-Urteil des EuGH C 71/11 und C 99/11 vom 05.09.2012 sei es Ausfluss der Religion der Ahmadis, dass diese die Möglichkeit haben müssen, ihren Glauben öffentlich auszuüben und auch zu bekennen. Weiters wurden Auslandserhebungen zum individuellen Gefährdungsvorbringen des BF beantragt. Vorgelegt wurden 3 Internetberichte.
römisch eins.9. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung (OZ 10) bestätigte der BF seine dem bisherigen Verfahren zugrunde gelegte Identität und dass er verhandlungsfähig sei. Zum Gesundheitszustand befragt führte der BF an, er sei gesund.
Zur Einvernahmesituation im bisherigen Verfahren führte der BF an, dass er sehr nervös gewesen sei. Der Einvernehmende hätte sich nicht korrekt verhalten bzw. hätten den BF eingeschüchtert. Er habe keine Möglichkeit gehabt, detailliert über seine Probleme zu sprechen.
Der BF hatte zudem die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.
römisch eins.10. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
römisch II.1.1. Der Beschwerdeführer
Bei dem BF handelt es sich um einen männlichen, pakistanischen Staatsbürger, welcher die Sprachen punjabi und urdu spricht. Der BF gehört der Religionsgemeinschaft der Ahmadis an. Der BF ist ein lediger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit privaten Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Er stammt aus der Provinz Punjab.
Die Identität des BF steht nicht fest.
Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Er möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit seiner Antragstellung am 28.06.2012 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Der BF erhält staatliche Unterstützung. Der BF wohnt privat. Der BF hat Freunde in Österreich. Der BF besucht einen Deutschkurs. Der BF beherrscht die deutsche Sprache ein wenig. Der BF arbeitet freiwillig in einem Altersheim und verrichtet dort Reinigungsarbeiten oder Arbeiten im Garten. Der BF ist unterstützendes Mitglied beim Roten Kreuz. Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Der BF hat in Österreich den Mopedführerschein gemacht.
römisch II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan:
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:
Politische Lage
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in den FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bislang von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2013a).
Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2013 auf über 193 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 11.9.2013).
Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2013a).
Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2013a).
Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen am 11. Mai 2013 war überraschend hoch. In vielen Wahlkreisen blieben die Lokale wegen des großen Ansturms länger offen. Unter den Wartenden befanden sich ungewöhnlich viele junge Wähler und Frauen. Eine Wahlhelferin in einer zum Wahllokal umfunktionierten Mädchenschule in Rawalpindi, erklärte, eine so hohe Beteiligung habe sie in ihrer langen Karriere noch nie gesehen. Die Tehrik-e Taliban Pakistan hatten am Freitag einmal mehr zum Wahlboykott aufgerufen (NZZ 11.5.2013). Die mit der Al-Kaida verbündete TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hält die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Selbstmordanschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Polizisten, Paramilitärs und Soldaten waren im Einsatz (Die Zeit 11.5.2013). Rund ein Drittel der Wahlkreise wurde als riskant eingestuft. Noch nie war eine Parlamentswahl in Pakistan so blutig wie diese. Doch die Wähler haben bewiesen, dass ihnen die Demokratie wichtig ist und sie sich von Extremisten nicht einschüchtern lassen (NZZ 11.5.2013).
Drohungen der Taliban hatten die Wahlkampagnen der ANP, der PPP (Pakistan People's Party), und der MQM (Muttahida Qaumi Movement) geschwächt. Ein Sprecher der Taliban warnte pakistanische Wähler, Veranstaltungen dieser säkularen Parteien fern zu bleiben. Alle drei Parteien sind säkular und waren in der Regierungskoalition. Die ANP, welche die Regierung in Khyber Pakhtunkhwa führte, war am stärksten betroffen. Die durch die Drohungen eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten zu den Wählern erschwerten es für diese Parteien die Unbeliebtheit, die sie während ihrer Regierungszeit erlangten, wieder auszugleichen (BBC 5.4.2013).
Insgesamt starben zwischen 1. Jänner und 15.Mai laut Daten des Sicherheitsinstituts PIPS bei 148 Anschlägen, die spezifisch politische Führer, politische Aktivisten, Kandidaten, Parteibüros und Wahllokale betrafen, 170 Menschen in Pakistan. Die Hauptlast der Anschläge entfiel auf die bis zur Übergangsregierung in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa regierende und an der nationalen Regierungskoalition beteiligte ANP, mit 37 Anschlägen, gefolgt von unabhängigen Kandidaten, der PPP und der in Karatschi regierenden MQM. Die konservativen Parteien blieben allerdings nicht verschont, Aktivisten und Kandidaten der Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N), der Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), der islamistischen Jamiat Ulema-e-Islami, Jamaat-e-Islami, belutschische nationalistische Parteien sowie einige kleinere Parteien waren, etwas seltener, ebenfalls von Attacken betroffen (PIPS 5.2013).
Bei den Wahlen wurde die bisherige Regierungspartei Pakistan Peoples Party (PPP) von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karachi und Hyderabad, stellt jetzt die viertstärkste Fraktion im Parlament. Am 5. Juni 2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 - 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief (AA 10.2013a). Erst im Herbst 2008 war Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurückgekehrt, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen (AA 2.11.2012).
Ebenfalls am 11. Mai 2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50% der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird nunmehr von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2013a).
Am 30. Juli 2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente mit großer Mehrheit den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9. September 2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari im Amt des Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts hat die Demokratie in Pakistan erheblich gestärkt (AA 10.2013a).
Ministerpräsident Nawaz Sharif hat wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit erklärt. Bereits wenige Monate nach seinem Amtsantritt rückt allerdings auch die Sicherheitslage in Pakistan, und insbesondere die Bedrohung durch die islamistischen Extremisten der pakistanischen Taliban (TTP), wieder in den Vordergrund. Eine Allparteienkonferenz am 9. September 2013 hat die Regierung einvernehmlich mandatiert, mit den Taliban in Gespräche einzutreten. Dieser Dialogansatz wurde allerdings bereits wenige Tage nach der Konferenz durch mehrere blutige Taliban-Anschläge in Frage gestellt (AA 10.2013a).
Sicherheitslage
Pakistan ist mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben (AA 2.11.2012). Die pakistanischen Taliban, die Lashkar-e-Jhangvi, die Belutschistan Liberation Army und andere bewaffnete Gruppen zielen auf Sicherheitskräfte und Zivilisten, unter anderem Mitglieder religiöser Minderheiten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Aktivisten und Journalisten (AI 5.2013; vergleiche USDOS 19.4.2013). Die westlichen Grenzgebiete zu Afghanistan - Belutschistan, die FATA (Federal Administered Tribal Areas) und Khyber Pakhtunkhwa - leiden seit Jahren an Gewalt zwischen Militanten und Regierungskräften (Reuters 11.4.2013).
In den vergangenen Jahren hatten Taliban-Gruppen in Teilen der Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchgesetzt. Wesentliche Menschenrechte und Grundfreiheiten werden in diesen Gebieten verletzt. Dabei kommt es auch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Lashkars (Bürgerwehren der Stämme) (AA 2.11.2012). Das Heranziehen von Stammesmilizen, die die Menschenrechte verletzten, um militärische Ziele zu erreichen, ging auf Kosten der Rechte von IDPs und anderer Bürger (Brookings Institution 11.2011).
Das Hauptaugenmerk der Armee liegt mehr und mehr auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen. Seit Ende April 2009 haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den Taliban verschärft. Zuvor hatten die Taliban eine Vereinbarung mit der Provinzregierung von Khyber-Pakhtunkhwa im Februar 2009 genutzt, um die Herrschaft im Swat-Tal zu übernehmen und anschließend in zwei Nachbardistrikte vorzurücken. Mit einer Offensive im April 2009 beendete die Armee die Taliban-Herrschaft im Swat-Tal. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war (AA 10.2013a; vergleiche Reuters 11.4.2013). Die meisten Taliban-Kämpfer sind in entlegenere Gebiete der sog. "Stammesgebiete" ausgewichen. Gleichzeitig haben sie Pakistan im Jahr 2009 mit einer Welle von Terroranschlägen überzogen, die sich zumeist gegen Einrichtungen der Sicherheitskräfte richtete (Armee, Polizei und ISI), der aber auch viele unbeteiligte Zivilisten zum Opfer fielen (AA 2.11.2012).
Die pakistanische Regierung steht in dieser Auseinandersetzung vor großen Herausforderungen: Einerseits müssen, um die militärischen Erfolge zu konsolidieren und einer Rückkehr der Taliban vorzubeugen, in den zurück gewonnenen Gebieten funktionierende zivile Verwaltungsstrukturen etabliert werden, das gilt v.a. für das Rechtssystem. Außerdem muss die große Zahl der Binnenvertriebenen bewältigt und die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gebiete vorangetrieben werden (AA 10.2013a). Schließlich wird die Verbreitung der Taliban in den Grenzgebieten auf Jahre der Vernachlässigung und schlechter Regierungsführung sowie auf die Unsicherheit in Afghanistan zurückgeführt (Reuters 11.4.2013).
In Teilen der FATA finden darüber hinaus weiterhin immer wieder Gefechte statt (AA 10.2013a). Die Armee führt hier Militäroperationen durch, um die Taliban und al Qaida Militante zu vertreiben. Dies vertreibt weiterhin Menschen aus der FATA, auch aus Gebieten, die offiziell als von Militanten befreit erklärt wurden (Reuters 11.4.2013).
Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6.2013).
Die Taliban reagieren auf die Militäroperationen weiterhin mit Terroranschlägen, von denen v.a. Khyber-Pakhtunkhwa und die FATA betroffen sind, die sich aber auch gegen Ziele in pakistanischen Großstädten wie z.B. Karachi, Lahore und Faisalabad richten (AA 10.2013a; vergleiche Reuters 11.4.2013). Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge liegt allerdings sehr deutlich in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan; dort sind auch die meisten Opfer zu beklagen (AA 24.10.2013; vergleiche Reuters 11.4.2013). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Scharia-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 10.2013a).
Insgesamt gab es im Jahr 2011 in Pakistan 1.966 terroristische Anschläge mit 2.391 Todesopfern. Terroristischen Anschläge, militärische Operationen, Drohnen, ethno-politische Gewalt, Gewalt zwischen verschiedenen Stämmen und grenzüberschreitende Gewalt zusammen genommen, wurden im Jahr 2011 in Pakistan bei 2.985 Zwischenfällen 7.107 Menschen getötet. Die Gewaltvorfälle gingen damit um 12% im Vergleich zu 2010 zurück (22% im Vergleich zu 2009), die Zahl der Todesopfer um 29% (PIPS 4.1.2012).
2012 führten militante nationalistisch und konfessionell motivierte Gruppen in Pakistan 1.577 Terrorattacken aus, welche 2.050 Menschen töteten, bei 501 Anschlägen gab es keine Opfer. In 202 sektiererischen - gegen andere muslimische Konfessionen gerichteten -Terrorakten verschiedener Gruppen, wie der TTP (Tehreek-i Taliban) wurden 537 Menschen getötet (PIPS 4.1.2013).
Terroranschläge, Operationen durch die Sicherheitskräfte und deren Zusammenstöße mit Militanten, ethnopolitische Gewalt, Drohnenangriffe, Gewalt zwischen den Stämmen und zwischen den Militanten, interreligiöse Zusammenstöße, religiös-kommunale Gewalt, grenzübergreifende Zusammenstöße und Attacken sowie Zusammenstöße zwischen kriminellen Banden bzw. zwischen diesen und der Polizei zusammengerechnet, wurden 2012 5.047 Menschen bei 2.217 solchen Gewaltvorfällen getötet. Der Trend eines Rückgangs der Anzahl der Vorfälle von Gewalt und Todesopfer, der 2010 begann, hielt 2011 und 2012 an (PIPS 4.1.2013).
Zielgerichtete Anschläge auf Personen oder Gruppen, die sich gegen die TTP aussprechen, hielten an. Neben Trauerumzügen wurden vermehrt auch Moscheen zu Anschlagszielen, die von Mitgliedern von Pro-Regierungsmilizen aufgesucht werden. Die Anschläge konzentrieren sich auf die Provinz Khyber-Paschtunistan (KPK) und die FATA (HSS 5.4.2012). Im dritten Quartal 2012 weitete die TTP ihre Angriffe auf pakistanische Sicherheitskräfte und ihre Einrichtungen aus. Nicht nur in der vorwiegend betroffenen Provinz Khyber-Pakhtunkhwa, sondern auch in anderen Landesteilen kommt es zu Anschlägen. Schiiten sind weiterhin Ziel von Angriffen (HSS 10.10.2012).
Die Taktiken der Terroristen waren divers, der größte Anteil aller Anschläge, 587 bzw. 37 Prozent, waren gezielte Tötungen (in diesem Wert sind 177 Fälle politisch motivierter gezielter Tötungen nicht inkludiert). Andere signifikante Taktiken waren u.a. improvisierte Sprengsätze (375) und ferngezündete Bomben (139) (PIPS 4.1.2013).
Bis Ende 2012 sind die Vorfälle von Terror und Gewalt, Terroranschläge und Opferzahlen insgesamt zurückgegangen. So führten staatliche Maßnahmen in einigen kritischen Regionen zur Verbesserung der Lage. Im Swat-Tal und in Südwasiristan ist ein Erfolg der Militäroperationen sichtbar. Den Drohnenangriffen der USA im Grenzgebiet zu Afghanistan fielen einige hohe Führer der Taliban zum Opfer, dies schadete besonders den strategischen Kapazitäten der Extremisten. Die Bevölkerung hat die Militanten satt. Der Staat geht gegen die Militanten vor, für eine substantielle Verbesserung der Unsicherheiten fehlt eine breitere, konsistente Strategie. Die distriktweise Auswertung der digitalen Datenbank zeigt allerdings, dass die roten Zonen, jene Distrikte, die von einer hohen Anzahl sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle betroffen sind, über die letzten Jahre zurückgegangen sind (BAA 6.2013).
Die Sicherheitsstruktur, die lange nicht den wachsenden Einfluss von Extremisten auf das Land erkennen wollte, sieht diesen nun formal als Bedrohung. Zwischen den einzelnen Behörden mangelt es jedoch an Koordination und Vertrauen. Die öffentliche Meinung ist noch geteilt, wie mit den Terroristen in den Stammesgebieten umgegangen werden soll. Trotzdem reduzierten die militärischen Offensiven im Swat und in Südwasiristan die Terror-Bedrohung. Ernste Sicherheitsherausforderungen bleiben der Anstieg der Gewalt zwischen den muslimischen Glaubensrichtungen; die verstärkten ethnopolitischen Spannungen in Karatschi; die TTP und ihre Verbündeten; die Situation in Belutschistan (PIPS 4.1.2013).
Die Regierung ergreift zum Schutz der Bevölkerung einige Maßnahmen. Das pakistanische Militär führte in der FATA Anti-Terrorismus Maßnahmen durch (USDOS 19.4.2013). 107 operative Militärschläge wurden im Jahr 2012 in dieser Region durchgeführt. 79 Suchoperationen gegen Terroristen verzeichnet PIPS für 2012 im ganzen Land, 27 in Khyber Pakhtunkhwa, 24 in der FATA, elf in Belutschistan und vier im Sindh. Dabei wurden hohe Mengen an Sprengstoff, Selbstmordjacken und Waffen gefunden. 1.287 mutmaßliche Militante wurden 2012 verhaftet, allerdings nur wenige davon verurteilt. Oft werden Verdächtige ohne Verfahren verhaftet oder aufgrund mangelnder Beweise wieder freigelassen (PIPS 4.1.2013). Es wurden auch Maßnahmen ergriffen um die Verbindungen zwischen den Terroristen zu schwächen und Rekrutierungen durch militante Organisationen zu verhindern. Große Waffenarsenale wurden in städtischen Gebieten, wie Islamabad und Karatschi, ausgehoben, Gang-Mitglieder und TTP Kommandanten, die logistische Unterstützung für Militante in Stammesgebieten boten, wurden in Karatschi verhaftet, Selbstmordattentäter wurden vor der Tat verhaftet und Anschlagspläne vereitelt (USDOS 19.4.2013). Mindestens 14 Anschläge konnten z.B. auch im August 2013 vereitelt werden (PIPS 11.9.2013). Ein weiterer Weg der Bekämpfung ist die Kontrolle und Beschneidung des internationalen Geldflusses zu diesen Organisationen (BAA 6.2013).
Die Vorwahlzeit war allerdings von überdurchschnittlich stark ausgeprägter terroristischer Gewalt geprägt. Militante Kräfte versuchten die politische Lage zu destabilisieren, um die Wahlen zu verhindern. Bereits zum Jahresende 2012 kulminierten Anschläge und Attentate in einer Gewaltwelle. Obwohl Ende November landesweit die Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des Aschura-Festes in einem außergewöhnlich starken Ausmaß erhöht wurden, kam es zu zahlreichen Anschlägen, bei denen dutzende Menschen starben (BAA 6.2013). In einer landesweiten Welle der Gewalt starben in der vorletzten Woche des Jahres 2012 mindestens 75 Menschen durch Anschläge. Beobachter verbinden die drastische Zunahme der Gewalt mit den Parlamentswahlen. Auch im 4. Quartal 2012 standen viele Attentate im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Die meisten Angriffe ereigneten sich in Karatschi, doch auch in der Provinz Belutschistan starben zahlreiche Menschen (HSS 17.1.2013).
Der Anstieg der Gewalt hielt 2013 weiter an. Die ersten beiden Monate 2013 verzeichneten darüber hinaus einen außergewöhnlich hohen Anstieg der interkonfessionellen Gewalt (BAA 6.2013). Mindestens 92 Tote, davon 86 Angehörige der schiitischen Hazara Minderheit, forderte ein Doppelanschlag in einer Billardhalle in einem Hazara-Viertel der belutschischen Provinzhauptstadt Quetta am 10. Jänner. Der Anschlag, zu dem sich die sunnitische Extremistengruppe Lashkar-i-Jhangvi bekannte, war der schwerste seit fast zwei Jahren und der blutigste Anschlag auf die schiitische Minderheit in Pakistan bisher (BAA 6.2013; vergleiche Spiegel 11.1.2013, Dawn 11.1.2013b). Insgesamt wurden im Jänner von PIPS 215 Anschläge mit 321 Toten verzeichnet (PIPS 13.2.2013; Anmerkung; wissenschaftliches Institut - zur Methodik siehe BAA 6.2013). Von der NGO CRSS wird nach ihrer endgültigen Auswertung die Zahl der Toten durch verschiedene Arten sicherheitsrelevanter Gewalt für Jänner mit 591 angegeben (CRSS 25.9.2013).
Für Februar 2013 verzeichnete PIPS 129 Terroranschläge mit 247 Toten, sowie insgesamt 492 Tote bei 183 unterschiedlichen relevanten Gewaltvorfällen in Pakistan. Sektiererische Anschläge stiegen im Februar, hauptsächlich in Quetta und Karatschi (PIPS 11.3.2013). Von CRSS wird nach der endgültigen Auswertung die Zahl der Toten durch sicherheitsrelevante Gewalt für Februar mit 454 angegeben (CRSS 25.9.2013). Allein bei einem erneuten Anschlag in einer überwiegend von schiitischen Hazara bewohnten Enklave in Quetta starben am 16. Februar mindestens 84 Personen. Es kam zu weiten Protestaktionen (BAA 6.2013; vergleiche NYT 17.2.2013).
Nach dem Höhepunkt im Jänner und Februar nahm diese interkonfessionelle Kategorie des Terrors in den nächsten beiden Monaten ab, im April sank die Zahl signifikant. Nichtsdestotrotz traf ein weiterer der größeren Anschläge der Vorwahlzeit am 3. März ebenfalls die schiitische Minderheit, diesmal in Karatschi, 48 Menschen starben bei einem Anschlag auf ein schiitisches Viertel (BAA 6.2013). Insgesamt wurden im März laut PIPS 152 Terroranschläge in ganz Pakistan durchgeführt mit 220 Toten, zusammengenommen gab es 206 berichtete Vorfälle von Gewalt mit 504 Toten. Der Zuwachs geht hauptsächlich auf die nationalistische Gewalt in Belutschistan und die Taliban in Khyber Pakhtunkhwa zurück (PIPS 11.4.2013). Von CRSS wird nach der endgültigen Auswertung die Zahl der Toten durch Gewaltvorfälle für März mit 570 angegeben (CRSS 25.9.2013).
Im April verzeichnete PIPS 198 Anschläge mit 183 Toten, insgesamt starben bei 253 relevanten Sicherheitsvorfällen 404 Personen in Pakistan. Entsprechend der Vorwahlzeit war ein hoher Anteil (56 Anschläge) auf politische Ziele - politische Parteien, Kandidaten, Wahlkampfbüros und Wahlveranstaltungen (PIPS 8.5.2013). Von CRSS wird die Zahl der Toten durch Gewalt für April mit 429 angegeben (CRSS 25.9.2013).
Im Mai wurden vom PIPS 197 Terroranschläge in ganz Pakistan berichtet mit 242 Toten, alle sicherheitsrelevante Gewaltvorfälle zusammen forderten 514 Todesopfer (PIPS 13.6.2013). CRSS spricht für Mai von 622 Toten durch Gewalt (CRSS 25.9.2013). Unter den zivilen Opfern befand sich eine hohe Zahl politischer Kandidaten, politischer Aktivisten und Unterstützern aller Parteien (CRSS 18.6.2013; vergleiche PIPS 13.6.2013).
Zwischen 1. Jänner und 15. Mai starben insgesamt bei 148 spezifisch auf politische Führer, politische Aktivisten, Kandidaten, Parteibüros und Wahllokale gerichtete Anschlägen, laut Daten des Sicherheitsinstituts PIPS, 170 Menschen in Pakistan, die meisten davon im April und Mai. Zusätzlich zu terroristischen Anschlägen wurden 97 Vorfälle von Gewalt und Zusammenstöße zwischen den Aktivisten und Anhänger verschiedener Parteien im selben Zeitraum aufgezeichnet, bei denen 128 Menschen starben (PIPS 5.2013).
Im Juni zählte PIPS 130 Anschläge mit 283 Toten und insgesamt 202 Gewaltvorfälle mit 510 Toten (PIPS 8.7.2013). CRSS gibt für Juni 616 Todesopfer durch Gewalt an (CRSS 25.9.2013).
Für Juli verzeichnete PIPS 122 Anschläge, die 208 Todesopfer forderten. Insgesamt gab es bei 179 verschiedensten Gewaltvorkommnissen 399 Tote (PIPS 8.8.2013). Nach der Auswertung wird die Zahl der Toten durch Gewalt von CRSS für Juli mit 572 angegeben (CRSS 25.9.2013).
Für August berichtet PIPS von insgesamt 124 terroristischen Anschlägen mit 171 Todesopfern. Alle sicherheitsrelevante Gewalt zusammen genommen starben in 227 Gewaltvorfällen 272 Menschen (PIPS 11.9.2013). CRSS verzeichnete im August 432 Todesopfer in verschiedenen Arten der Gewalt (CRSS 25.9.2013). Es gab insgesamt einen starken Rückgang der Gewaltvorfälle im August 2013, der Rückgang der im Wahljahr stark angestiegenen Gewalt begann ab Juni. In Khyber Pakhtunkhwa und FATA fiel die Gewalt stark, in Belutschistan und Sindh (Karatschi) nahm sie allerdings stark zu (CRSS 25.9.2013; vergleiche PIPS 11.9.2013).
Im September stiegen aufgrund zweier großer Anschläge in Peschawar die Opferzahlen in Khyber Pakhtunkhwa stark an. Insgesamt wurden im September landesweit 135 Anschläge mit 270 Toten verzeichnet, bei allen 219 Gewaltvorfällen zusammen 380 Tote (PIPS 14.10.2013). Von CRSS wurden 493 Todesopfer recherchiert (CRSS 21.10.2013).
Es werden 2013 immer wieder auch Schulen und andere Infrastruktureinrichtungen in der FATA, in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zerstört (z.B. CRSS 11.2.2013). Außerdem kommt es in Teilen von Khyber Pakhtunkhwa, FATA, Belutschistan und Karatschi 2013 immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Militanten (z.B. PIPS 8.5.2013).
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Regionale Verteilung der Gewalt
Die verschiedenen Provinzen leiden an unterschiedlichen Formen und Intensitäten der Gewalt. Die Aktivitäten der Talibangruppen beschränken sich hauptsächlich auf den Nordwesten Pakistans, allerdings wurden sie in den letzten Jahren auch in der Wirtschaftsmetropole Karatschi sichtbar (CRSS 13.7.2013). Die westlichen Grenzgebiete sind geplagt von Gewalt. Die Gebiete, die in erster Linie betroffen sind, sind Khyber Pakhtunkhwa und die FATA, die eine starke Talibanpräsenz aufweisen, sowie Belutschistan, in dem militante Stammesgruppen aufständische Gewaltakte verüben. Der Rest von Pakistan ist von sporadischen terroristischen Attacken betroffen, indem sich etwas der militanten Gewalt auch in andere Teile Pakistans ergießt mit Selbstmordanschlägen in den Städten und bewaffneten Attacken auf das Militär (Reuters 11.4.2013 vergleiche AA 24.10.2013).
Insgesamt divergiert somit die Sicherheitslage stark zwischen und innerhalb einzelner Provinzen. Der Vertreter des PIPS erläutert, dass die - mit um die 90 Millionen Einwohner bevölkerungsreichste Provinz Punjab als sicher eingestuft werden kann, auch Sindh ist sicher, mit Ausnahme von Karatschi, das ein Hotspot der Gewalt ist, außerdem versuchen terroristische Gruppen den Inneren Sindh zu infiltrieren. Islamabad gilt ebenfalls als relativ sicher. Doch Anschläge kommen auch in diesen Gebieten vor. Die paschtunischen Gebiete in Belutschistan sind relativ sicher, die belutschischen stark unsicher. In Khyber Pakhtunkhwa ist die Sicherheitslage kritisch - nur wenige Distrikte sind sicher, während andere schwer von Anschlägen gezeichnet sind. Belutschistan, die FATA, Khyber Pakhtunkhwa und die Metropole Karatschi sind somit die kritischen Gebiete Pakistans (BAA 6.2013). Auf Belutschistan, die FATA und Khyber Pakhtunkhwa entfielen im Jahr 2011 1.827 von insgesamt 1.966 terroristischen Anschlägen. Khyber Pakhtunkhwa wies dabei mit 890 die höchste Zahl an Todesopfern auf, die FATA mit 675 die höchste Zahl an terroristischen Anschlägen (612 Tote). In Belutschistan gab es 640 Anschläge (710 Tote), in Karatschi 58, in den anderen Teilen der Provinz Sindh 21, im Punjab 30, in Gilgit-Baltistan 26, in Islamabad 4 und in Azad Jammu und Kaschmir keine (PIPS 4.1.2012).
2012 wurde mit 474 die höchste Anzahl an Terroranschlägen aus Belutschistan berichtet. Die durch die Taliban und Militante heimgesuchten Khyber Pakhtunkhwa und die FATA waren die zweit- und drittbrisantesten Regionen des Landes mit 456 respektive 388 Terroranschlägen. 187 Terroranschläge wurden aus Karatschi gemeldet und 28 aus anderen Teilen Sindhs, 26 aus Gilgit Baltistan, 17 aus dem Punjab, einer aus Islamabad und keiner aus Azad Jammu und Kaschmir. Die meisten Todesopfer gab es dabei in den FATA und in Belutschistan (je 631 Tote). In Khyber Pakhtunkhwa gab es 2012 401 Tote, in Karatschi 272, im inneren Sindh 17, im Punjab 75, in Gilgit Baltistan 22, in Islamabad bei einem Anschlag einen Toten (PIPS 4.1.2013). In 28 von 36 Distrikten des Punjabs wurden 2012 keine Anschläge verzeichnet (BAA 6.2013).
Die regionale Differenzierung ist auch in der mit den Wahlen verbundenen gestiegenen Gewalt 2013 erkennbar. Stark betroffen waren die FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, sowie Karatschi (BAA 6.2013).
Im Zeitraum zwischen Jänner und September 2013 verzeichnete PIPS im Punjab Anschläge und Todesopfer, in Islambad, Sindh -Karatschi, Khyber Pkt. Belut-schistan, FATA, Azad Kaschmir, Giligt-Balt.
Juni zählte PIPS 130 Anschläge mit 283 Toten und insgesamt 202 Gewaltvorfälle mit 510 Toten (PIPS 8.7.2013). CRSS gibt für Juni 616 Todesopfer durch Gewalt an (CRSS 25.9.2013). verzeichnete PIPS 122 Anschläge, die 208 Todesopfer forderten. Insgesamt gab es bei 179 verschiedensten Gewaltvorkommnissen 399 Tote (PIPS 8.8.2013). Nach der Auswertung wird die Zahl der Toten durch Gewalt von CRSS für Juli mit 572 angegeben (CRSS 25.9.2013).
Auch von den spezifischen, auf politische Aktivisten, Kandidaten oder Wahllokale durch PIPS vom 1. Jänner bis 15. Mai 2013 aufgezeichneten Anschlägen entfiel mit 50 die höchste Anzahl auf Khyber Pakhtunkhwa (55 Tote). 49 solcher Anschläge betrafen Belutschistan (19 Tote), 30 den Sindh (25 davon in Karatschi; 60 Tote), 12 die FATA (33 Tote), 7 den Punjab (3 Tote). Die ANP und die PPP wurden in fast jeder Region angegriffen, die MQM in Karatschi. Von den 97 zusätzlichen Vorfällen von Gewalt und Zusammenstößen zwischen Aktivisten und Anhängern verschiedener Parteien vom 1. Jänner bis 15. Mai 2013 betraf der überwiegende Anteil Karatschi (70 Vorfälle/ 90 Tote). 3 Zusammenstöße mit 7 Toten wurden aus dem übrigen Sindh, 9 mit 4 Toten aus Khyber Pakhtunkhwa, 9 mit 11 Toten aus dem Punjab und 6 mit 16 Toten aus Belutschistan gemeldet (PIPS 5.2013).
Quellen:
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Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 21.9.2013
Wichtige Terrorgruppen
Taliban und andere militante Organisationen in Pakistan sind in inneren Konflikten, in regionalen Kämpfen (Afghanistan, Kaschmir) und im globalen Jihad aktiv. Sie sind lose koordiniert, teilen sich aber oftmals Ressourcen und Rekruten. Verschiedene militante Gruppen haben sich zur Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), den pakistanischen Taliban, zusammengeschlossen (Reuters 11.4.2013). Die TTP ist der Hauptakteur von Instabilität im Land. Ziele der TTP sind neben Sicherheitskräften nunmehr auch die politische Führung und Friedensaktivisten. Die TTP kämpft mit internen Krisen. Ihre Stärke liegt in der Verbindung von externen und internen Terrorgruppen. Sie fungiert auch als Brücke zwischen internationalen (z.B. Al Qaeda) und lokalen Terrorgruppen - von den Punjabi Taliban bis zur Lashkar-e-Jhangvi (PIPS 4.1.2013).
Die TTP verfügt über eine Stärke von mindestens 30.000 Mitgliedern (Reuters 11.4.2013). Der Vertreter des PIPS erläutert, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen. Die von der TTP ausgehende Gewalt konzentriert sich regional auf die Stammesgebiete, thematisch auf Parteien, Pro-Regierungsstämme, regierende Politiker, auf Pro-Regierungs-Älteste, Sicherheitskräfte, Moscheen, die von Sicherheitskräften aufgesucht werden oder in denen Imame oder Mullahs die Regierung unterstützen, Friedensaktivist/innen (wie Malala Yousafzai), Einrichtungen des Militärs und der Polizei, Minderheiten sowie Muslime, die nicht ihrer Scharia-Auslegung folgen. Ursprünglich waren Schiiten in den Stammesgebieten nicht Ziel der Taliban, dies hat sich geändert (BAA 6.2013). Die Awami National Party war das Hauptziel von TTP-Gewalt, einige Anschläge richteten sich gegen Führungspersonen und Aktivisten (PIPS 4.1.2013). Die Aktivitäten der Taliban beschränken sich hauptsächlich auf den Nordwesten Pakistans, allerdings wurden sie in den letzten Jahren auch in der Wirtschaftsmetropole Karatschi sichtbar (CRSS 13.7.2013, vergleiche Reuters 11.4.2013). Einige Taliban Gruppen haben Basen in Belutschistan (Reuters 11.4.2013).
Die TTP benutzt seit 2009 auch Entführungen von "high profile" Personen (u.a. reiche Geschäftsmänner, Akademiker, westliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Angehörige von Militärs) in den großen pakistanischen Städten, um Geldmittel zu lukrieren (Reuters 11.4.2013). Drei Mitglieder der TTP wurden im Juli in Islamabad festgenommen, da sie dort und in Khyber Pakhtunkhwa Geschäftsleute erpressten. Dies zeigt das Verschwimmen zwischen kriminellen Syndikaten und religiösen Militanten (CRSS 13.7.2013).
Außerhalb der TTP agieren lokale Taliban-Gruppen, die entweder mit der TTP in loser Verbindung stehen oder mit ähnlichen Zielen formiert wurden. Die meisten dieser Gruppen agieren in Khyber Pakhtunkhwa, hauptsächlich in Charsadda, Swabi, Nowshera und der Peripherie von Peschawar. Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).
Es gibt auch im Punjab sunnitische Terrorgruppen. Eine von diesen, die Lashkar-e-Jhangvi, zielt darauf ab, Schiiten aus Pakistan zu vertreiben (Reuters 11.4.2013). Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderem unterscheiden. Sie ist eine lokal orientierte Gruppe, ihre Zielsetzung auf Schiiten richtet sich z.B. in Belutschistan vor allem gegen Hazara. Höhepunkt waren die Anschläge in Quetta im Jänner und im Februar 2013 (ca. 200 Tote) (BAA 6.2013) Die Punjabi Taliban sind eine eigene, von der TTP gesonderte Gruppe, doch unterhalten sie zu dieser Verbindungen. Ihre Ziele sind hauptsächlich Sicherheitskräfte und Schiiten. Sie agieren im Punjab wie terroristische Zellen, derzeit sind sie allerdings wenig aktiv (BAA 6.2013).
Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army. Sie ist in Belutschistan aktiv, vereinzelt auch in Karatschi und in den Stammesgebieten des angrenzenden Südpunjabs. Weitere Beispiele belutschischer Terrororganisationen sind Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. 2012 verübten auch Sindhi nationalistische Gruppen im Inneren Sindh Terrorakte (BAA 6.2013).
Quellen:
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
BAA - Bundesasylamt (31.1.2011): Analyse der Staatendokumentation - Afghanistan / Pakistan - Extremistische Gruppierungen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet
CRSS - Center for Research and Security Studies Pakistan (13.7.2013): Conflict Tracker Monthly Report (June 2013), http://crss.pk/?p=4555, Zugriff 18.9.2013
PIPS - Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2012, 4.1.2013,
http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1, Zugriff 13.10.2013
Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 21.9.2013
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Justiz hat ihre Unabhängigkeit zurückgewonnen und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken (AA 2.11.2012). Das pakistanische Justizwesen behauptete auch 2012 weiterhin seine Unabhängigkeit von der Regierung (HRW 31.1.2013).
Erhebliche Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich. Teil römisch VII der Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Judikative, die zwar eine politische Stärkung erfahren hat, die aber insgesamt gesehen nach wie vor ineffizient und vor allem in den unteren Gerichtsinstanzen auch weitgehend wirkungslos ist (AA 2.11.2012). In der Praxis ist die Justiz oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen bei Fällen von Terrorismus, beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und Opfer des Drucks prominenter wohlhabender, religiöser und politischer Akteure. Die politische Ernennung von Richtern erhöht den Einfluss der Regierung auf die Justiz (USDOS 19.4.2013).
Die erwähnte weitverbreitete Korruption vor allem unterer Gerichtsinstanzen in Zusammenhang mit einem veralteten Prozessrecht sowie überlasteten und überforderten Strafverfolgungsbehörden führen zu einer Vielzahl unerledigter Fälle, langen Inhaftierungen ohne gerichtliches Verfahren oder nach Fehlurteilen, da Beweissicherungen nicht möglich sind (AA 2.11.2012; vergleiche USDOS 19.4.2013). Laut dem Obersten Richter gab es 1,6 Millionen ausstehende Verfahren (USDOS 19.4.2013). Trotz der Annahme der "National Judicial Policy" 2009 blieb der Rückstand an Fällen auf allen Ebenen hoch, die Probleme der Korruption und Inkompetenz in den Gerichten weiterhin verbreitet (HRW 31.1.2013) und der Zugang zur Gerichtsbarkeit kostenintensiv und schwierig (AA 2.11.2012; vergleiche HRW 31.1.2013). Schließlich ist der Aufbau der Judikative mit unterschiedlichen Sondergerichten (z.B. Militär, Scharia, zur Bekämpfung des Terrorismus usw.) komplex und wird als nicht jedermann zugänglich empfunden (AA 2.11.2012).
Im Januar 2010 wurde der "Public Defender and Legal Aid Office Act (PDLAOA) 2009" verabschiedet. Das Gesetz soll insbesondere sicherstellen, dass alle Angeklagten unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten gleichermaßen Zugang zu einem Rechtsbeistand vor Gericht und, soweit notwendig, Anspruch auf Armenrecht haben. Eine Implementierung des Gesetzes steht allerdings bislang noch aus (AA 2.11.2012).
Bei der Bearbeitung von unpolitischen Fällen werden der Hohe Gerichtshof und der Oberste Gerichtshof durch Medien und Öffentlichkeit generell als zuverlässig eingestuft (USDOS 19.4.2013). Der in den vergangenen Jahren durch die hartnäckige Verfolgung von Korruptionsvorwürfen aufgefallene Oberste Richter am Supreme Court of Pakistan, Justice Iftikar Chaudhry, scheint inzwischen auch ranghohe Angehörige des pakistanischen Militärs und Geheimdienstes nicht mehr zu schonen. Erstmals in der facettenreichen Justizgeschichte Pakistans wird die de facto Immunität von Armee- und Militärvertretern aufgehoben und - mit dem früheren Chef des pakistanischen Geheimdienstes (ISI) sowie dem früheren Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee - Generälen in aller Öffentlichkeit der Prozess gemacht (HSS 10.10.2012). Im Juni 2012 entließ der Oberste Gerichtshof in einer kontroversen Entscheidung darüber hinaus Premierminister Gilani aufgrund der Weigerung an die Schweizer Behörden einen Aufruf zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen gegen Präsident Zardari zu übermitteln. Der Supreme Court war im Aufgreifen der Thematik von Regierungsmissbräuchen in Belutschistan aktiv. Allerdings wurde kein hoher Militär dafür zur Verantwortung gezogen. Der Gebrauch von suo motu [auf eigene Veranlassung] Gerichtsverfahren durch den Supreme Court war exzessiv. Der Oberste Gerichtshof und die Oberen Provinzgerichte begegneten Medienkritik mit Androhungen eines "Missachtung des Gerichts" Verfahrens (HRW 31.1.2013).
Im Zivil-, Kriminal- und Familiengerichtssystem gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 19.4.2013).
Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemiefällen, und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 19.4.2013).
In Pakistan, insbesondere in feudalen und von Stämmen bewohnten Gebieten, existiert ein informelles, paralleles Rechtssystem, das Jirga und Panchayat System [Informelle Versammlungen von Älteren, welche über Dispute entscheiden]. Es hat keine rechtliche Deckung und man kann dagegen verfassungsrechtlich vorgehen. Viele Menschen in ländlichen Gegenden machen aber davon Gebrauch, da sie den Gerichten oder der Polizei misstrauen (Dawn 29.3.2013). Die Panchayats oder Jirgas werden von feudalen Landherren und lokalen Führern in Sindh und Punjab und Stammesführer in paschtunischen und belutschischen Gebieten, manchmal auch in Missachtung des Rechtssystems, abgehalten (USDOS 19.4.2013).
Die Gesetzeslage hinsichtlich der Jirgas ist jedoch unklar. Erkenntnisse des Supreme Courts und anderer Gerichte haben sie für illegal erklärt. Sie haben jedoch nicht definiert, was eine Jirga ausmacht und keine Strafen für die Teilnahme an einer solchen Ratssitzung festgelegt. Im pakistanischen Gesetzbuch existiert kein spezifisches Gesetz, das Jirgas verbieten würde. Jirgas sprechen regelmäßig Urteile aus, die selbst ein Verbrechen darstellen, wie die Erlaubnis, jemanden zu töten. Trotzdem scheuen sich die Behörden oft, gegen diese Räte vorzugehen, weil sie Stammesgemeinschaften in ihren Traditionen nicht verärgern wollen. Menschenrechtsaktivisten treten stark für eine Strafbarkeit der Teilnahme an Jirgas, die widerrechtliche Urteile und Strafen aussprechen, ein. Im März 2012 hielt der Oberste Richter des Verfassungsgerichtshofs die Führung der Provinzpolizei an, gegen Jirgas vorzugehen, die Zwangsheiraten als Kompensation anordneten (LAT 1.8.2012).
Zunehmend geht die Justiz gegen die Jahrhunderte alte Tradition der Jirgas oder Panchayats vor. Im Großteil des Landes werden Jirgas toleriert, aber nicht anerkannt durch die formalen Gerichte. Jirga Entscheidungen sind rechtlich nicht bindend - außer in den Stammesregionen an der afghanischen Grenze [FATA], solange sie nach den Gesetzen dieser Region gefällt werden - aber werden für gewöhnlich durch die Dorfgemeinschaft umgesetzt. Jirga Entscheidungen werden meist besser befolgt als solche von Gerichten. Wenn man nicht gehorcht, muss man das Dorf verlassen. In den letzten Jahren haben Richter begonnen, die Entscheidungen der meistens konservativen und nur von Männern abgehaltenen Jirgas zu untersuchen, allen voran Bestrafungen wie Tod, Vergewaltigung oder erzwungene Kinderheiraten. Richter gehen immer öfter gegen Jirgas vor, auch weil Medien sehr viel darüber berichten. Außerdem wenden sich immer mehr Menschen auch an die Gerichte, weil sie von erfolgreichen Verfahren gegen Jirgas hören. Seit 2005 wurden 60 Fälle der seit 2004 verbotenen, allerdings weiterhin verbreiteten Zwangsehen aufgehoben. Da viele Pakistanis allerdings Jirgas unterstützen, weil sie diesen eher vertrauen als den Gerichten, meinen einige NGOs, man müsste deren System verbessern und die Strafmöglichkeiten einschränken, anstatt sie zu verbieten (Reuters 14.3.2013).
Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der Hohen Gerichte ist für einige Gebiete, die andere juristische Systeme haben, nicht zuständig (USDOS 19.4.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012
Dawn (29.3.2013): Jirga system and plight of women, http://dawn.com/2013/03/29/jirga-system-and-plight-of-women/, Zugriff 23.9.2013
HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html, Zugriff 15.10.2013
HSS - Hanns-Seidel-Stiftung (10.10.2012): Quartalsbericht, Pakistan III/2012,
http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf, Zugriff 27.8.2013
LAT - Los Angeles Times (1.8.2012): Pakistan's tribal justice system: Often a vehicle for revenge, http://articles.latimes.com/2012/aug/01/world/la-fg-pakistan-jirga-justice-20120801, 23.9..2013
Reuters (14.3.2013): In Pakistan, ancient and modern justice collide,
http://in.reuters.com/article/2013/03/13/pakistan-jirgas-idINDEE92C0HM20130313, Zugriff 23.9.2013
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
Sicherheitsbehörden, inkl. Dokumente
Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung; organisierte Kriminalität; Interpol; Terrorismus- und Rauschgiftbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die Rauschgiftbekämpfungsbehörde ANF untersteht einem eigenen Ministerium, dem Ministry for Narcotics Control. Bei der Rauschgiftbekämpfung wirken allerdings auch andere Behörden (z.B. Custom oder Frontier Corps) mit, wobei die Kompetenzen nicht immer klar abgegrenzt sind. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 2.11.2012).
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient. Einige Mitglieder der Polizei verübten Menschenrechtsverletzungen oder ließen sich von politischen Interessen beeinflussen (USDOS 19.4.2013). Die Menschenrechtsverletzungen, derer die Sicherheitskräfte werden sind weitreichend (AI 5.2013). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein Ansehen. Dazu trägt die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie häufige unrechtmäßige Übergriffe (2011 wurden bei 254 Polizeieinsätzen 337 Verdächtige getötet und 71 verletzt) und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam - 2010 wurden 174 Fälle bekannt - und Misshandlungen durch die Polizei gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die inhaftierte Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen. Die Polizeikräfte sind oftmals in lokale Machtstrukturen eingebunden und daher nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 2.11.2012). Neben diesen Vorwürfen gibt es auch solche des "Verschwinden Lassens". In den Stammesgebieten im Nordwesten des Landes verzerren Sicherheitskräfte Gesetze um Gerichte zu umgehen (AI 5.2013). Bei Anti-Terror-Operationen verletzen Sicherheitskräfte regelmäßig Grundrechte, Verdächtige werden oft ohne Anklage verhaftet oder ohne fairen Prozess verurteilt. Die Armee verweigert Anwälten, Verwandten, unabhängigen Beobachtern und humanitärem Personal weiterhin den Zugang zu Personen, die bei Militäroperationen verhaftet wurden (HRW 31.1.2013).
Die Polizei versagt häufig dabei, Minderheitenangehörige, wie Christen, Ahmadis und Schiiten vor Attacken zu schützen. Das häufige Versagen darin, Missbräuche zu bestrafen, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Missbräuchen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte können in solchen Fällen auch Kriminalstrafverfolgung empfehlen, und die Gerichte können eine solche anordnen. Diese Mechanismen werden in der Praxis auch manchmal eingesetzt. Es gab Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Wie im Jahr zuvor führte die Regionalregierung des Punjab regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 19.4.2013).
Die Islamabad Capital Police richtete eine Menschenrechtseinheit ein, um die Einwohner zu ermutigen, über Menschenrechtsverletzungen zu berichten (persönlich, per Telefon-Hotline oder Email). Außerdem wurden in allen Polizeistationen Menschenrechtsoffiziere bzw. Ansprechpartner aus der Gemeinde postiert. Diese können Polizeistationen jederzeit besuchen, Gefangene befragen und bei Berichten über Missbräuche disziplinäre Maßnahmen empfehlen. Rechtsdurchsetzungsorgane der föderalen und der Provinzebenen besuchten Trainings zu Menschen-, Opfer- und Frauenrechten. Zwischen 2008 und 2010 hat die "Society for Human Rights and Prisoners' Aid" mehr als 2.000 Polizeioffiziere in Menschenrechtsthemen fortgebildet (USDOS 8.4.2011).
Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Die Befähigung der Polizei, selbst einen FIR zu initiieren, ist begrenzt. Oft muss eine andere Person dies tun. Dabei ist es gleichgültig, ob plausible Beweise vorliegen. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einen Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Einige halten sich nicht an diese Beschränkung. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld (USDOS 19.4.2013).
Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente ist hoch. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 2.11.2012).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 2.9.2013
HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html, Zugriff 15.10.2013
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
USDOS - US Department of State (8.4.2011): Country Report on Human Rights Practices 2010 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/4da56d9c8e.html, Zugriff 15.10.2013
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlung, aber es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft folterten und misshandelten. Gelegentlich führte Folter zum Tod oder zu schweren Verletzungen (USDOS 19.4.2013). So ist zu vermuten, dass bei den 2011 in Haft verstorbenen 92 Strafgefangenen in der Mehrzahl der Fälle Folter zum Tod beigetragen hat oder sogar die Todesursache gewesen ist. Folter ist im Polizeigewahrsam, aber auch in Gefängnissen weit verbreitet. Sie findet u.a. auch Anwendung, um bei polizeilichen Ermittlungen Geständnisse oder Kooperation zu erzwingen. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig; sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen; dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren. 2010 wurden 521 Fälle bekannt, in denen Frauen Opfer von Misshandlungen in Polizeigewahrsam wurden (AA 2.11.2012).
Im Gesetz gibt es keinen speziellen Abschnitt gegen Folter; es sanktioniert nur "Verletzen" und enthält keine Hinweise auf eine Bestrafung von Folterern. Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen eines angemessenen Beschwerdezentrums und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zur Verbreitung bei (USDOS 19.4.2013). Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten (AA 2.11.2012).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
Korruption
Die Korruption in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen ist weiterhin endemisch (AA 2.11.2012). Im Transparency International Corruption Perceptions Index 2012 nimmt Pakistan den 139. Platz von 174 Ländern ein (TI 5.12.2012).
Korruption ist bei den unteren Ebenen der Polizei üblich. Eine Umfrage von Tranparency International vom Juli 2010 besagt, dass der Hauptgrund für Korruption ein Mangel an Rechenschaftspflicht, gefolgt von niedrigen Gehältern, war. Einige Polizeiangehörige verlangen für die Annahme von Beschwerden Gebühren, oder sie nehmen falsche Beschwerden gegen Bestechungsgeld auf. Die Zahlung von Bestechungsgeld zur Vermeidung von Strafen ist üblich. Es gibt auch Einzelberichte zu Korruption im Gerichtssystem, wie etwa zu kleineren Zahlungen an Angestellte zur Beschleunigung von Verfahren. Die Gerichte unterer Instanzen sind korrupt. Korruption ist bei Politikern und in der Regierung weit verbreitet, verschiedene Politiker sind mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert (USDOS 19.4.2013).
Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für Korruption von Staatsangestellten vor, jedoch wurde das Gesetz im Berichtszeitraum nicht effektiv umgesetzt und Behördenvertreter waren häufig ungestraft in korrupte Praktiken verstrickt. Die Nationale Rechenschaftsbehörde (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit einem Mandat um Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 19.4.2013).
Nachdem eine noch unter Musharraf eingeführte Amnestie aus dem Jahr 2007 unter anderem für Korruptionsanschuldigungen für die Zeit zwischen 1986 und 1999 vom Obersten Gerichtshof 2009 aufgehoben wurde, eröffnete dieser 8000 Fälle, unter anderem gegen [bis zu den Wahlen amtierende] Präsidenten, Minister und Parlamentarier. Im November 2012 kam die Regierung der Anordnung des Obersten Gerichts nach, an die Schweizer Behörden ein Amtshilfeersuchen über verschobene Gelder zu richten (USDOS 19.4.2013). Im Juni 2012 entließ der Oberste Gerichtshof in einer kontroversen Entscheidung Premierminister Zardari aufgrund der Weigerung an die Schweizer Behörden einen Aufruf zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen in Bezug auf Präsident Gilani zu übermitteln (HRW 31.1.2013).
Der durch die hartnäckige Verfolgung von Korruptionsvorwürfen aufgefallene Oberste Richter am Supreme Court of Pakistan, Justice Iftikar Chaudhry, eröffnete auch gegen den früheren Chef des pakistanischen Geheimdienstes (ISI) bzw. den früheren Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee den Prozess (HSS 10.10.2012).
Das Gesetz erlaubt den Bürgern Zugang zu allen öffentlichen Berichten der föderalen Regierung und Behörden, nicht inkludiert sind Provinzregierungen und staatliche Firmen. Einige Berichte sind davon ausgenommen (USDOS 19.4.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html, Zugriff 15.10.2013
HSS - Hanns-Seidel-Stiftung (10.10.2012): Quartalsbericht, Pakistan III/2012,
http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf, Zugriff 27.8.2013
TI - Transparency International (5.12.2012): Corruption Perceptions Index 2012, http://www.transparency.org/cpi2012/results, Zugriff 26.8.2013
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
Menschenrechtsorganisationen können sich in Pakistan betätigen (AA 2.11.2012). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren ohne Behinderung seitens staatlicher Stellen, führen Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch und veröffentlichen deren Ergebnisse. Andere Gruppen, die über Themen in Zusammenhang mit Regierung, Militär oder Geheimdienste berichten, sind in ihren Aktivitäten mit Restriktionen konfrontiert (USDOS 19.4.2013).
In den letzten Jahren sind die Aktivitäten der Zivilgesellschaft wieder aufgeblüht und haben viel Aufmerksamkeit erhalten. Die Anzahl von lokalen, nationalen und internationalen NGOs ist stark angewachsen. Es gibt ein breites Spektrum - von international vernetzten Frauenrechts- bis zu eher konservativ-religiösen Organisationen. Bereits die Musharraf Administration suchte aktiv die Hilfe von Frauenrechtsorganisationen wie der Aurat Foundation oder der Shirkat Gah, um fortschrittlichere Gesetze wie die Frauenschutzverordnung von 2006 zu entwickeln. Lokale religiöse Gruppen intervenieren aber auch gegen Änderungen in den Blasphemiegesetzen (FH 4.11.2011). Laut dem aufgelösten Ministerium für soziale Wohlfahrt und Sonderpädagogik gibt es in Pakistan über 100.000 aktive NGOs. Die genaue Zahl ist aber unklar (USDOS 19.4.2013).
Weiblichen Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen wird in vielen Teilen des Landes vorgeworfen, sich nicht an die kulturellen Normen zu halten, weil sie z.B. keinen Schleier tragen, andere Frauen zum Arbeiten ermutigen oder zusammen mit Männern arbeiten. Organisationen, welche sich für die Rechte der Frauen einsetzen sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert (USDOS 19.4.2013). In der pakistanisch verwalteten Kaschmirregion (Azad Kaschmir und Gilgit-Baltistan) können Nichtregierungsorganisationen, die zu humanitären Themen arbeiten, im allgemeinen frei agieren, während jene, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren mehr Kontrolle und gelegentlich auch Belästigungen erfuhren (FH 1.2013).
Visa für regierungskritische ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert oder blockiert. Nur wenige NGOs hatten Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Teilen Belutschistans. Regierungsstellen sind manchmal kooperativ, reagieren aber nur wenig auf die Ansichten dieser Gruppen. Sicherheitsbedrohungen sind für NGOs in FATA und Khyber Pakhtunkhwa ein Problem. Militante töteten zwischen 2009 und Ende 2012 mindestens 19 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und entführten mehr als 20 (USDOS 19.4.2013).
Die Situation unterscheidet sich in Pakistan sowohl regional, als auch für die einzelnen Menschenrechtsorganisationen, je nachdem wie groß ihr Bekanntheitsgrad ist. Die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) ist international stark vernetzt und bekannt, sie genießt auch in Pakistan Anerkennung, und damit Schutz. Die Arbeit ist somit für sie leichter. Kleine, unbekanntere Organisationen sind verletzlicher. An und für sich können Menschenrechtsorganisationen, insbesondere große wie HRCP, und Medien frei schreiben und tun dies auch. Es gibt viele Menschenrechtsorganisationen in Pakistan. In den Konfliktgebieten ist die Arbeit allerdings schwierig, hier erhalten Organisationen Drohungen von Militanten und es kommt auch in Einzelfällen zu Morden an Menschenrechtsaktivisten und Journalisten. 3 Mitarbeiter der HRCP wurden 2012 getötet, 2 in Belutschistan und 1 in Khyber Pakhtunkhwa (BAA 6.2013). Auch 2011 wurden drei Mitarbeiter der HRCP ermordet. Aufgabe der angesehenen NGO HRCP ist die Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Speziell für bessere Haftbedingungen und die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich z.B. der im Jahre 1980 gegründete Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA 2.11.2012).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
FH - Freedom House (4.11.2011): Countries at the Crossroads 2011 - Pakistan,
http://www.freedomhouse.org/sites/default/files/inline_images/Pakistan%20final.pdf, Zugriff 15.10.2013
FH - Freedom House 1.2013 Freedom in the World 2013, Pakistani Kashmir,
http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir, Zugriff 24.10.2013
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
Ombudsmann
Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einem in jeder Provinz. Obwohl ein Beschwerdesystem für Gefangene existiert, um Missstände aufzuzeigen, funktioniert dieses nicht effektiv (USDOS 19.4.2013).
Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, diese wurden in den letzten Jahren erweitert. Durch das neue Gesetz gegen sexuelle Belästigung wurde auch eine Ombudsperson gegen die Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz eingerichtet, mit Büros in jeder Provinz (BAA 6.2013).
Quellen:
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
Allgemeine Menschenrechtslage
Pakistan hat im Juni 2010 den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Konvention gegen Folter ratifiziert. Nach der Ratifikation des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im April 2008 hat Pakistan damit eine Reihe wichtiger menschenrechtlicher Kodifikationen ratifiziert (AA 10.2013a).
Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil römisch II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Artikel 4, Paragraphen eins und 2 der Verfassung garantieren den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Artikel 9, der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Artikel 24, Absatz 2, garantiert den Schutz vor willkürlicher Enteignung persönlichen Eigentums und Artikel 25, Paragraph eins, die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Artikel 25, Paragraph 2, der Verfassung verbietet Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Zwischen Verfassungsanspruch und Wirklichkeit besteht eine erhebliche Diskrepanz (AA 2.11.2012, vergleiche AA 10.2013a).
Seit der Rückkehr zur Demokratie 2008 hat sich die Menschenrechtslage in Pakistan leicht verbessert, bleibt aber kritisch. Menschenrechtsverletzungen werden vom Staat in der Regel nicht angeordnet oder initiiert, die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Es gelingt ihr aber aufgrund schwacher staatlicher Institutionen, auch im Justizbereich, oftmals nicht, Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen und gefährdete Personengruppen zu schützen (AA 2.11.2012). Auch die seit dem Ende der Militärherrschaft wiedererstarkte Judikative ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In jüngerer Zeit bildet sich in den Städten eine bürgerliche Mittelschicht heraus, die zunehmend politisches Selbstbewusstsein entfaltet. Es ist dieser Teil der Gesellschaft, der die Anwaltsbewegung getragen hat, die sich schließlich erfolgreich für die Wiedereinsetzung des unter Präsident Musharraf 2007 abgesetzten Obersten Richters Iftikhar Chaudhry und eine unabhängige Justiz eingesetzt und damit den Rückzug Musharrafs eingeleitet hat (AA 10.2013a).
In der Menschenrechtsgesetzgebung ist es seit Ende 2011 v.a. im Bereich der Frauenrechte zu erkennbaren Fortschritten gekommen, diese wurden bislang aber nur teilweise umgesetzt (AA 10.2013a). Im Dezember 2008 wurde von der Regierung ein Gesetzentwurf zur Wiedereinrichtung einer staatlichen Menschenrechtskommission eingebracht. Am 4. Mai 2012 wurde das Gesetz zur Gründung der (unabhängigen, staatlich finanzierten) National Commission for Human Rights im Parlament verabschiedet (AA 2.11.2012). Das Gesetz sieht eine Kommission von 10 Mitgliedern vor, denen ein Richter vom Obersten Gerichtshof oder ein Menschenrechtsexperte vorsteht, ein Sitz ist für Frauen, einer für religiöse Minderheiten reserviert (USDOS 19.4.2013). Die Kommission soll die Kompetenz bekommen jede Institution für Menschenrechtsverbrechen zur Verantwortung ziehen zu können (USDOS 20.5.2013). Die Kommission ist zwar staatlich finanziert, soll aber unabhängig agieren können. Ihre Aufgabe ist die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen; die Kommission soll zudem Empfehlungen an die zuständigen Regierungsbehörden oder Gerichte aussprechen (AA 2.11.2012).
Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte stellen extralegale Tötungen, "Verschwinden lassen" von Personen und Folter durch Sicherheitskräfte dar. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem schlechte Haftbedingungen, außergerichtliche Haft, ein schwaches Kriminalstrafsystem, ein Mangel an juristischer Unabhängigkeit in den Gerichten unterer Instanzen, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit der Minderheiten, verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, wie Ehrverbrechen sowie Diskriminierung. Gewalt und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen tragen in einigen Teilen des Landes - in erster Linie Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und FATA - zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei (USDOS 19.4.2013).
Fälle von "Verschwinden lassen" (Journalisten, Aktivisten, Terrorverdächtige oder Stammesführer) durch die Sicherheitskräfte stammen überwiegend aus der Zeit der Militärdiktatur, kommen aber immer noch vor. 2011 hat die Menschenrechtskommission 62 neue Fälle registriert, davon 35 in Belutschistan und 20 in Sindh. Die im Jahre 2011 eingesetzte Commission on Missing Persons gibt an, dass 83 Personen wieder aufgefunden werden konnten (AA 2.11.2012).
Regierung und vor allem Justiz bemühen sich, Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit der Militärherrschaft aufzuklären. Der Oberste Gerichtshof hat sich seit Anfang Januar 2010 der Thematik der "verschwundenen Personen" angenommen und damit Regierung und Sicherheitskräfte unter Druck gesetzt, die Aufklärung der ungeklärten Fälle zu beschleunigen (AA 2.11.2012). Der Oberste Gerichtshof erreichte durch ein beispielloses Vorgehen, 2012 einen noch nie dagewesenen Zugang zu einigen Opfern des Verschwinden Lassens. Ab Februar 2012 erschienen einige Entführte aus Belutschistan vor Gericht. Der Präsident des Obersten Gerichtshofs drohte den Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden mit Haft, sollten sie keine rechtlichen Grundlagen für die Inhaftierungen in Belutschistan vorweisen können. Das Obere Gericht in Peschawar übte Druck auf die Behörden aus, die genauen Daten aller Häftlinge anzugeben, die in den nordwestlichen Stammesgebieten in "Sicherheitshaft" gehalten wurden. Kein aktiver oder ehemaliger Angehöriger der Sicherheitskräfte wurde wegen mutmaßlicher Verwicklung in diese oder andere Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt. Es gab allerdings weiterhin Berichte von Fällen von "Verschwinden lassen" im Land, insbesondere in Belutschistan und den nord-westlichen Stammesgebieten, wofür niemand vor Gericht gestellt wurde. Die UN Arbeitsgruppe zu erzwungenen Verschwinden durfte ihren ersten Besuch im Land abhalten, allerdings weigerten sich wichtige Amtsträger sich mit ihr zu treffen (AI 5.2013). Berichte zu außergerichtlichen Verhaftungen, in einigen Fällen mit Folter und Todesfällen sowie Fälle von "Verschwinden lassen" gibt es auch aus der pakistanisch verwalteten Kaschmir Region (FH 1.2013).
Außergerichtliche Tötungen kommen vor allem in Form der so genannten "police encounters" vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern und der Polizei, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemiefälle. Die Regierung des Punjab hat verstärkt Haftprüfungen in den Gefängnissen der Provinz durchführen lassen, um bei Bagatelldelikten und überlanger Untersuchungshaft Abhilfe zu schaffen. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 2.11.2012).
Der Senat und die Ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen ab. Sie dienten als nützliches Forum, um das öffentliche Bewusstsein für solche Probleme zu wecken, doch ihre Tätigkeit war nicht viel mehr als eine breite Übersicht über die Problematiken (USDOS 19.4.2013).
Die Wahlen vom Mai 2013 brachten einen historischen Übergang von einer demokratisch gewählten Regierung zu einer anderen. Pakistan hat beeindruckende Fortschritte unter herausfordernden Umständen seit der Wiedererrichtung der Demokratie erreicht, um diese Fortschritte zu halten, so Human Rights Watch, muss Menschenrechtsverletzungen Einhalt geboten werden (HRW 23.8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012, Stand: September 2012
AA - Auswärtiges Amt (10.2013a): Pakistan, Staatsaufbau/Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 14.10.2013
AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 2.9.2013
HRW - Human Rights Watch (23.8.2013): Pakistan: 10 Steps to Improve Human Rights,
http://www.hrw.org/news/2013/08/23/pakistan-10-steps-improve-human-rights, Zugriff 23.9.2013
FH - Freedom House 1.2013 Freedom in the World 2013, Pakistani Kashmir,
http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir, Zugriff 24.10.2013
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
USDOS - US Department of State (20.5.2013): International Religious Freedom Report for 2012 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/247481/371066_de.html, Zugriff 15.10.2013
Meinungs- und Pressefreiheit
Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch. In den letzten Jahren haben sich 75 private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue online-Magazine und neue Radiostationen. Selbst in den FATA an der Grenze zu Afghanistan gab es Ende 2011 trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mindestens zwölf Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern. Die zahlreichen Medien können weitgehend frei berichten, Kritik an der Regierung ist möglich und verbreitet (AA 2.11.2012). Unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an Ansichten Ausdruck, Journalisten kritisieren oft die Regierung. Themen, über die früher nicht berichtet wurde (z.B. Verfolgung von Minderheiten), werden behandelt. Es gibt eine Vielzahl von unabhängigen englisch-, urdu- und regionalsprachigen Zeitung und Magazinen. Private Kabel- und Satellitenkanäle strahlen heimische Nachrichten aus und sind gegenüber der Regierung kritisch. Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und des Ministeriums für Kaschmir Angelegenheiten (USDOS 19.4.2013).
Das Gesetz gewährt Rede- und Pressefreiheit, aber es gibt etwas Zensur. Es gab Fälle, bei denen die Regierung private Fernsehsender schloss, und die Ausstrahlung bestimmter Programme blockierte. Die diesbezüglichen Gesetze sind laut den Sendeanstalten vage und lassen Raum für Missbrauch. Außerdem führen Drohungen, Gewalt und Tötungen dazu, dass Journalisten und Redakteure Selbstzensur praktizieren (USDOS 19.4.2013). Ernste Drohungen von Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen gab es in erster Linie in Belutschistan, Sindh und den nordwestlichen Stammesgebieten (AI 5.2013). In Einzelfällen berichten Journalisten über Repressionen durch Regierungsstellen, dies betrifft vor allem Reaktionen auf Fälle von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern. Nicht geduldet wird auch eine ein bestimmtes Maß überschreitende Kritik an der Institution des Militärs oder den Sicherheitsdiensten. In diesen Fällen sehen sich Journalisten Repressionen ausgesetzt (AA 2.11.2012; vergleiche AI 5.2013). Ein Klima von Angst erschwert somit die Berichterstattung über das Militär und über militante Gruppen. Journalisten berichten selten über vom Militär begangene Menschenrechtsverletzungen bei Anti-Terroroperationen (HRW 31.1.2013; vergleiche USDOS 19.4.2013). Einschüchterungen oder Gewalt gehen auch von politischen Parteien aus (USDOS 19.4.2013).
Die Hauptgefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppen aus. Sie setzen Morde, Entführungen und Einschüchterungen, auch gegenüber Familienangehörigen, ein, um missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen. In von Taliban kontrollierten Gebieten ist eine Taliban-kritische Berichterstattung unmöglich, in den übrigen Landesteilen werden Taliban-kritische Journalisten gezielt bedroht und eingeschüchtert. Viele Journalisten aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder den FATA sind in die Städte Karachi, Lahore oder Islamabad geflohen und arbeiten von dort aus. Auch in Belutschistan ist die freie Betätigung der Presse sehr eingeschränkt und sehen sich Journalisten Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Urheber sind zumeist nichtstaatliche bewaffnete Gruppen oder kriminelle Banden. Insgesamt wurden 2011 landesweit mindestens zehn Journalisten getötet, vor allem in Belutschistan, Khyber-Pakhtunkhwa und den FATA (dort zwölf in den vergangenen zehn Jahren) (AA 2.11.2012; vergleiche USDOS 19.4.2013; HRW 31.1.2013).
Laut dem Committee to Protect Journalists wurden 2012 7 Journalisten in Pakistan getötet, laut Reportern ohne Grenzen 10, laut Asia Media Commission 13 (USDOS 19.4.2013). Laut HRW wurden acht Journalisten in Pakistan während des Jahres 2012 getötet. Dahingegen ging die Zahl an Einflussnahmen durch Behördenvertreter gegenüber regierungskritischen Journalisten auch dieses Jahr, wie jedes seit der Rückkehr zu einer Zivilregierung, weiter zurück (HRW 31.1.2013).
Artikel 19, der Verfassung garantiert die Meinungsfreiheit, stellt sie jedoch unter einen Gesetzesvorbehalt. Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind danach zulässig zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam ("in the interest of the glory of Islam") (AA 2.11.2012; vergleiche USDOS 19.4.2013). Die Blasphemiegesetze schränken die Rechte des Individuums auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf religiöse Glaubenssätze ein. Politische Aktivitäten stehen unter Beobachtung der Regierung. Die Staatsbürger können die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, doch Kritik am Militär ist eingeschränkt. Mitglieder von Studierendenorganisationen mit Kontakten zu politischen Parteien erzeugen eine Atmosphäre der Gewalt und Intoleranz, welche die akademische Freiheit ihrer Kommilitonen beeinträchtigt (USDOS 19.4.2013). In Azad Kaschmir sind politische Dissidenten Objekt von Überwachung, Belästigung und manchmal auch von Verhaftungen durch pakistanische Sicherheitskräfte (FH 1.2.3013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 2.9.2013
FH - Freedom House 1.2013 Freedom in the World 2013, Pakistani Kashmir,
http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir, Zugriff 24.10.2013
HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html, Zugriff 15.10.2013
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition
Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert, kann aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten. 2011 richtete sich eine wachsende Zahl von Demonstrationen gegen die sich ausweitende Energiekrise, einige Demonstrationen schlugen in Gewalt um. Nach Angaben der HRCP (Human Rights Commission of Pakistan) sollen bei der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei 2011 mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen und 343 verletzt worden sein (AA 2.11.2012). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 19.4.2013).
Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 2.11.2012).
Eine Einschränkung der politischen Opposition findet nicht statt. Politische Auseinandersetzungen werden jedoch vor allem in Karachi zum Teil gewalttätig ausgetragen (AA 2.11.2012).
Ein Maßnahmenpaket der Regierung zur Verbesserung der Situation in Belutschistan beinhaltet auch die Bereitschaft zum Dialog mit belutschischen Nationalisten. Dennoch ist es bislang noch zu keiner grundlegenden Verbesserung der politischen Situation in Belutschistan gekommen; die politisch motivierten Gewalttaten gehen weiter. 2011 wurde der Geltungsbereich der Political Parties Act auf die "Stammesgebiete" ("Federally Administered Tribal Areas", FATA) ausgedehnt. Seitdem dürfen - erstmals in der Geschichte Pakistans - politische Parteien dort aktiv werden (AA 2.11.2012). Der Geheimdienst Inter-Services Intelligence Directorate führt in der pakistanisch verwalteten Kaschmir Region ausführliche Überwachung, insbesondere von Unabhängigkeitsgruppen durch. Die Polizei unterdrückte in Azad Jammu und Kaschmir in den letzten Jahren regelmäßig Demonstrationen gegen die Regierung, in manchen Fällen auch mit Gewalt (FH 1.2013).
Die TTP (Pakistanische Taliban) warnte in der Vorwahlzeit vor Anschlägen auf "säkulare Parteien", wie das Muttahida Qaumi Movement (MQM), die Pakistan People's Party (PPP) und die Awami National Party (ANP) (Dawn 14.4.2013). Drohungen der Taliban schwächten die Wahlkampagnen von ANP, PPP, und MQM. Ein Sprecher der Taliban warnte in der Vorwahlzeit, dass pakistanische Wähler den Veranstaltungen dieser säkularen Parteien fern bleiben sollten. Die ANP, welche die Provinzregierungskoalition in Khyber Pakhtunkhwa führte, war am stärksten betroffen. Sie hat ihre Hauptbasis in Khyber Pakhtunkhwa, aber auch große Unterstützung in Karatschi. Alle drei Parteien waren in der Regierungskoalition. Die eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten zu den Wählern machten es für diese Parteien schwierig ihre Unbeliebtheit, die sie während ihrer Regierungszeit erlangten, auszugleichen. Schränkte früher bei den Wahlen 2002 die Militärherrschaft säkulare Parteien ein - übernahmen dies bei den Wahlen 2013 die Taliban (BBC 5.4.2013). Die ANP musste herbe Verluste hinnehmen und errang nur einen Sitz in der Nationalen Versammlung, während es bei den Wahlen 2008 10 Sitze waren (TNI 14.5.2013). Durch die Nachwahl in einigen Distrikten gewann sie einen weiteren hinzu (Geo.Tv 23.8.2013).
Nach einem Anschlag mit Schusswaffen und Sprengstoff auf ein Büro der ANP im Gulshan-e-Bunair Gebiet im Juli in Karatschi schloss die ANP ihre Büros in der ganzen Stadt. 2 ANP Aktivisten wurden getötet. Die ANP hatte angenommen, dass nach den Wahlen keine Anschläge mehr folgen würden und die Sicherheitsvorkehrungen herunter gefahren (TET 23.7.2013). Die ANP ist eine Partei, die auf paschtunisch-ethnischer Zugehörigkeit basiert. Sie war Juniorpartner in der vorigen Föderalregierung und hielt die Macht in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Über 100 ihrer Mitglieder wurden durch die Taliban seit 2008 getötet, sie ist das Hauptziel der Taliban unter den politischen Parteien (RFI 29.4.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
BBC (5.4.2013): Pakistan election: Taliban threats hamper secular campaign, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-22022951, Zugriff 16.9.2013
Dawn (14.4.2013): TTP attack kills ANP leader in Swat, injures candidate in Charsadda,
http://dawn.com/2013/04/14/anp-candidate-killed-in-swat-ied-blast/, Zugriff 30.9.2013
Geo.Tv (23.8.2013): By-polls - PML-N wins five NA seats, PPP three, PTI two,
http://www.geo.tv/article-114897-By-polls-PML-N-wins-five-NA-seats-PPP-three-PTI-two, Zugriff 9.10.2013
RFI - Radio France International (29.4.2013): Awami National Party - Pashtun party seeks national role, http://www.english.rfi.fr/asia-pacific/20130429-awami-national-party, Zugriff 16.9.2013
TET - The Express Tribune (23.7.2013): Awami National Party shuts down offices across Karachi following attack, http://tribune.com.pk/story/580512/awami-national-party-shuts-down-offices-across-karachi-following-attack/, Zugriff 16.9.2013
TNI - The News International (14.5.2013): Election results shock ANP workers and leaders alike,
http://www.thenews.com.pk/Todays-News-2-177237-Election-results-shock-ANP-workers-and-leaders-alike, Zugriff 8.10.2013
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
Haftbedingungen
Das Verhältnis der Zahl der Strafgefangenen zur Gesamtbevölkerung (geschätzt auf 164,6 Mio.) liegt bei 50:100.000 und ist damit gering. Ungefähr 74% der Häftlinge sind nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer Untersuchungshäftlinge; Mitte 2011 waren landesweit rund 1,35 Mio. unerledigte Strafverfahren anhängig. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß. Von der Möglichkeit, Untersuchungshäftlinge auf Kaution frei zu lassen, wird selten Gebrauch gemacht. Viele Untersuchungshäftlinge verfügen nicht über die finanziellen Möglichkeiten zur Stellung einer Kaution. Abhilfe soll hier der am 18.4.2011 vom Staatspräsidenten unterzeichnete Code of Criminal Procedure (Amendment) Act 2011 schaffen, der die Möglichkeiten der Entlassung von Untersuchungsgefangenen sowie von Strafgefangenen in überlangen Berufungsverfahren auf Kaution regelt (AA 2.11.2012).
Die Haftbedingungen sind oft sehr schlecht und entsprechen nicht internationalen Standards. Dies gilt verstärkt für Strafgefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Nach Feststellung von UNODC und Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Menschenrechtsgruppen, welche die Haftbedingungen kontrollierten, fanden sexuellen Missbrauch, Folter und überlange Untersuchungshaft vor. Manchmal folterte und misshandelte die Polizei Personen in Haft und manchmal wurden außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 19.4.2013). 2011 wurden mindestens 92 Todesfälle bei Strafgefangenen verzeichnet; mindestens 99 Strafgefangene wurden verletzt. Es gibt glaubhafte Berichte über Folterung und über erniedrigende Behandlung von Strafgefangenen. Entsprechend zahlreich waren auch 2011 Gefängnisrevolten; die pakistanische Menschenrechtskommission verzeichnet in ihrem Jahresbericht für 2011 sechs größere Gefängnisrevolten landesweit. Eine leichte Verbesserung gab es 2011 lediglich bei den Ausbildungsprogrammen für Strafgefangene. Gefangene, soweit sie nicht durch Bestechung des extrem korruptionsanfälligen Wachpersonals ihre Haftbedingungen verbessern können, sind in Blöcken mit ca. 50 Personen pro Schlafsaal inhaftiert. Betten und Matratzen sind nicht vorhanden und dürfen auch nicht mitgebracht werden. Die Gefangenen schlafen in Wolldecken eingewickelt auf dem Betonboden (AA 2.11.2012).
Unzureichende medizinische und Nahrungsversorgung in den Gefängnissen führte zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage waren, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. Einrichtungen für Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang waren inadäquat. Es existierte ein System für grundlegende medizinische Versorgung und Notfallversorgung aber dieses funktionierte nicht immer effektiv (USDOS 19.4.2013).
Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse im Punjab. Die landesweit 97 vorhandenen Einrichtungen sind für rund 42.000 Gefangene ausgelegt, tatsächlich waren dort aber rund 83.000 Personen (Stand Oktober 2009) untergebracht; die Überbelegungsquote liegt bei 194%. Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen; eine deutliche Verbesserung der Lage war aber auch 2011 noch nicht festzustellen. (AA 2.11.2012). Eine andere Quelle - SHARP, eine NGO für Gefängnisinsassen - schätzte, dass 97.850 Personen in Haft waren bei einer landesweiten Kapazität der Gefängnisse von 36.000. Zwar konnte die Zahl der Häftlinge durch Umsetzung der Justizpolitik von 2009 und die Abarbeitung von Fällen stark reduziert werden, allerdings blieb Überfüllung ein Problem (USDOS 19.4.2013).
Es gibt eigene Frauengefängnisse, bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt. Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich 2011 auf rund 900, von denen 408 in Untersuchungshaft und 149 zum Tode verurteilt waren. Wenn auch nicht in gleichem Grad wie bei den übrigen Haftanstalten, gibt es auch in den Einrichtungen für Frauen schlechte Haftbedingungen unter unzureichenden hygienischen Bedingungen und mangelhafter medizinischer Versorgung (AA 2.11.2012).
Jugendliche Straftäter waren oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen, wobei diese aber in Kontakt kamen und sie oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung wurden (USDOS 19.4.2013). Jugendgefängnisse existieren nicht. 2011 gab es rund 1.200 jugendliche Strafgefangene; davon waren nur 125 (8,3%) rechtskräftig verurteilt (AA 2.11.2012).
Rechtlich ungeklärt ist die Lage der ca. 2.500 Gefangenen aus den militärischen Operationen im Swat-Tal und in Süd-Wasiristan, die sich in der Gewalt des Militärs befinden. Zum einen fehlt es an einer eindeutigen auf ihren Fall anwendbaren Strafgesetzgebung, zum anderen gibt es weder ordentliche Strafanstalten noch ein funktionierendes Justizwesen in den vom Militär befreiten Gebieten. Das Militär hat im Swat Tal zur Rehabilitation radikaler Moslems vier "Deradikalisierungszentren", zwei für Männer und je eins für Frauen und Heranwachsende, eingerichtet. In dreimonatigen Kursen werden psychiatrische Behandlung und religiöse Unterweisung angeboten (AA 2.11.2012).
Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einem in jeder Provinz. Obwohl ein Beschwerdesystem für Gefangene existierte, um Missstände aufzuzeigen, funktionierte dieses nicht effektiv. Nach einer Beschwerde muss der Beschwerdeführer im gleichen Gefängnis verbleiben, weshalb Gefangene schweigen. Inspektoren besuchen die Gefängnisse, allerdings nicht regelmäßig. Das Internationale Rote Kreuz durfte keine Gefängnisse in den Konfliktgebieten Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Belutschistan besuchen, die Regierungen von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben dem Roten Kreuz unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen, im Punjab stellte das Rote Kreuz die Kontrolle der Gefängnisse ein, da der Zugang nicht regelmäßig war. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 19.4.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
Todesstrafe
Bei Verwirklichung von 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden, darunter Mord, Anstiftung zum Mord, Hochverrat, Spionage, Blasphemie (falls der Tatbestand der Prophetenbeleidigung gegeben ist), Besitz von und Handel mit mehr als 1 kg Rauschgift, gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung, terroristischer Anschlag mit Todesfolge und Internet-Terrorismus ("cyber terrorism") mit Todesfolge. Zwingend vorgeschrieben ist sie bei Mord, Vergewaltigung und Blasphemie (falls der Tatbestand der Prophetenbeleidigung verwirklicht ist). Der unter die Todesstrafe gestellte Strafenkatalog geht weit über den nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus. Die Todesstrafe wird in Pakistan weiterhin verhängt, seit September 2008 ist sie wegen eines Moratoriums jedoch nicht mehr vollstreckt worden. (AA 2.11.2012) Im November 2012 allerdings ließen Militärbehörden Muhammad Hussain hinrichten. Ihm wurden drei Morde zur Last gelegt. Gnadengesuche des Armeechefs und des Präsidenten waren abgelehnt worden. Damit wurde erstmals seit 2008 wieder ein Todesurteil in Pakistan vollstreckt. Die [damalige] Regierung distanzierte sich von der Entscheidung der Militärbehörden, das Todesurteil zu vollstrecken. Auch wenn es durch die Militärbehörden durchgeführt wurde, befürchten Aktivisten, dies könnte das Tor zur Wiederaufnahme von Hinrichtungen öffnen. Mehr als 8.300 Menschen saßen 2012 in der Todeszelle, einige von ihnen bereits seit zwei bis drei Jahrzehnten. Im Laufe des Jahres wurden 242 Todesurteile ausgesprochen (AI 5.2013).
In Revisionsverfahren wird die Todesstrafe oft in lebenslange Freiheitsstrafen, die gesetzlich auf 25 Jahre begrenzt sind, umgewandelt, insbesondere bei Verurteilungen wegen Mordes bei Zustimmung der Familie des Opfers. Während sich insbesondere Menschenrechtsgruppen für die Abschaffung der Todesstrafe aussprechen, gibt es erhebliche Widerstände seitens islamischer Kleriker sowie aus Teilen der Bevölkerung (AA 2.11.2012).
Die [neue] Regierung unter Nawaz Sharif hatte Anfang August 2013 eine Wiederaufnahme von Exekutionen angekündigt. Nach Kritik durch NGOs und der EU wurden die geplanten Exekutionen offiziell ausgesetzt und damit das Moratorium, das im Land seit 5 Jahren besteht, bestätigt (Agenzia Fides 29.8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
Agenzia Fides (29.8.2013): Sharif's Pakistan stops the executioner, http://www.fides.org/en/news/34186-ASIA_PAKISTAN_Sharif_s_Pakistan_stops_the_executioner, Zugriff 12.9.2013
AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 2.9.2013
Religionsfreiheit
Laut CIA World Factbook mit Stand Juli 2013 sind 96,4 % der rund 193 Millionen Pakistanis (Schätzung) offiziell Muslime, davon 85-90 % Sunniten und 10-15% Schiiten (CIA 11.9.2013). Anhand der letzten Volkszählung von 1998 geben USDOS und BAMF die Aufteilung mit 75 % Sunniten und 25 % Schiiten an (USDOS 20.5.2013, BAMF 8.2011). Weniger als 5 % machen Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und weitere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten aus (USDOS 20.5.2013).
Der Secretary des Ministerium für Nationale Harmonie geht von circa 10 Millionen Minderheitenangehörigen aus, vier Millionen Christen, drei Millionen Hindus, 20.000 Sikhs, dazu Bahais und Parsen sowie Ahmadis. Insgesamt ist die Zahl der Nicht-Muslime in Pakistan stark zurückgegangen, bei der Staatsgründung machten sie noch 29 % der Bevölkerung aus, 1970 10 % und bei der letzten Volkszählung 1998 waren dies nur noch 3 %. Es ist nicht klar, ob dies auf Konversionen, Abwanderungen oder unterschiedliches Bevölkerungswachstum zurückgeführt werden könnte. Möglich ist auch, dass bei der Volkszählung der Anteil der Minderheiten nach unten redigiert wurde, um diesen weniger politische Repräsentation zugestehen zu müssen (BAA 6.2013).
Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch dezidierten Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Murad Ullah 1.-2.10.2012, vergleiche USDOS 20.5.2013).
Obwohl die Verfassung die Einrichtung adäquater Regelungen zum Schutz der religiösen Minderheiten und der freien Ausübung ihrer Religionen verlangt, begrenzen andere Bestimmungen der Verfassung und weiterer Gesetze diese Rechte. Die Verfassung und andere Gesetze schränken somit die Religionsfreiheit ein. In der Praxis setzte die Regierung diese Einschränkungen auch durch, insbesondere gegenüber Ahmadis. Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion. Aufgrund einer diskriminierenden Gesetzgebung waren Minderheitenangehörige oft verängstigt, ihre Religion frei auszuüben und die Politik der Regierung bietet den Angehörigen der Minderheitenreligionen nicht denselben Schutz wie den Mehrheitsreligionsgruppen. Es gibt weiterhin Missbrauch der Blasphemie-Gesetzregelungen und anderer Gesetze, wie der "Anti-Ahmadiyya" genannten Gesetzesregelungen (USDOS 20.5.2013, vergleiche BAMF 8.2011). Diese Gesetze diskriminieren religiöse Minderheiten und bieten Anlass zur Strafverfolgung, wobei hier insbesondere die Strafandrohungen gegen die Ahmadiyya-Gemeinschaften zu nennen sind, die zudem auch bei der Ausübung ihres religiösen Glaubens behindert werden (AA 2.11.2012). Religiöse Minderheiten waren überproportional von Vorfällen betroffen, in denen private Individuen versuchten, die vage formulierten Blasphemiegesetze missbräuchlich gegen sie zu verwenden (AI 5.2013).
Es gibt keine offizielle Einschränkung zur Errichtung von Glaubensstätten, doch Behörden auf Distriktebene verweigerten regelmäßig die Genehmigung zur Errichtung von Glaubensstätten, insbesondere für Ahmadis. Minderheitenvertreter werfen Behörden Untätigkeit bei Übergriffen von Extremisten auf ihre Gebetsstätten vor. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 20.5.2013).
Angehörige religiöser Minderheiten wie Ahmadi, Hindu und Christen erfahren ein beträchtliches Risiko, wegen ihres Glaubens eingeschüchtert und gewaltsam angegriffen zu werden (AI 5.2013). Es gab viele Angriffe auf Versammlungen und religiöse Plätze von Ahmadis, Hindus, Sufis, Schiiten und Christen bei denen es zahlreiche Tote und große Zerstörungen gab. Es kam vermehrt zu Mobgewalt und Selbstjustiz (USDOS 20.5.2013). Die Lage der religiösen Freiheit hat sich im Berichtszeitraum verschlechtert (USCIRF 30.4.2013).
Minderheiten sind ein Ziel von Extremisten. Die Taliban haben eine repressive Interpretation des Islams, die Situation für Nicht-Muslime stuft die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) deshalb als kritisch ein. Kritischer sei sie allerdings für jene Muslime, bei denen sie denken, dass sie vom Glauben abgefallen sind. Die terroristische Gewalt zielt besonders auf Schiiten. UNHCR nennt die Lage der religiösen Minderheiten als eines der gröbsten Menschenrechtsprobleme Pakistans, insbesondere die Lage der Hazara, unter anderem aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Schiitentum. Gezielte Tötungen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte. Durch die Anschläge der Terroristen entsteht Misstrauen zwischen den Religionen (BAA 6.2013, vergleiche AA 10.2013a).
Es gibt eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt - Zentren von Intoleranz, Organisationen die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessensgruppen, die sich ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten, führt der Vertreter der NCJP [National Commission for Justice and Peace] aus. Die NRJP geht davon aus, dass eigentlich Extremisten hinter Ausschreitungen stehen. Auch gibt es den Verdacht, dass hinter den Vorwürfen zu Blasphemie gegen Christen, Versuche einflussreicher Personen oder Gruppen stehen, sich Land anzueignen Einige lokale Führer zündeln und hetzten eine Menschenmenge auf. Es ist ein "Checks and Balance", eine Kontrolle der Moscheen notwendig, aber es mangelt an politischem Willen (BAA 6.2013).
Per Gesetz ist es Madrassen verboten interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. In der Praxis gibt es allerdings Kleriker, die Intoleranz predigen. Außerdem gibt es - wenige, aber einflussreiche - Madrassen, an welchen Gewalt oder Extremismus gepredigt werden. Um dies zu drosseln wurde 2002 vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden registrieren lassen müssen und keine Finanzierung aus dem Ausland annehmen dürfen (USDOS 20.5.2013).
Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigen alle Interviewpartner. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil, so die Deutsche Botschaft. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Seit der Anwendung des Paragraph 295, C gegen Blasphemie traten zwei bis drei Vorfälle von Ausschreitungen auf, so wie im März 2013 gegen die christliche Gemeinde in Lahore. Die HRCP gibt an, dass trotz des grundsätzlich friedlichen Alltags die Gewaltvorfälle und die Spannungen zunehmen. Neben vereinzelten Ausschreitungen gegen christliche Siedlungen richten sich Demonstrationen mit Hetzkampagnen bestimmter extremistischer Gruppen immer wieder gegen Ahmadis. Es gäbe allerdings mehr Spannungen unter den Muslimen als zwischen Muslimen und den Minderheiten. Daneben kommt es auch immer wieder zu kleineren Gewaltakten gegen Einrichtungen und Glaubensstätten der Minderheiten. Die NCJP hat für 2012 für alle nicht-muslimische Minderheiten neun solcher Vorfälle gesammelt, in denen Gräber geschändet, sowie Kirchen, Tempel und Ahmadiyya Moscheen vandalisiert wurden, darunter die Brandstiftung an einer Kirche in Mardan, Khyber Pakhtunkhwa, im Zuge der Proteste gegen einen Mohammed beleidigenden US-Film (BAA 6.2013).
Bei Drohungen kümmert sich die Polizei oft nicht darum. Allgemein gibt es eine schlechte Performance der Polizei bei solchen Vorfällen, sie steht eher daneben, als dass sie eingreifen würde. Für die NCJP stellt sich die Lage so dar, dass Gewaltakte durch eine aufgebracht Menschenmenge ausbrechen können, da die Gewalttäter meistens nicht bestraft werden und damit eine abschreckende Wirkung fehlt. Das Rechtssystem ist für jeden gleich, meint allerdings HRCP, aber es gibt große Problemstellungen, die Polizei untersucht oft nicht genau. Bei Prozessionen, wie Palmsonntagprozessionen, werden als Prävention allerdings Polizeischutzmaßnahmen ergriffen (BAA 6.2013).
Gewalttäter gehen aufgrund von Korruption, lokalen Feudalstrukturen und der Ineffizienz der Justiz häufig straffrei aus (AA 10.2013a). Die begrenzte Kapazität und Willen der Regierung Täter der steigenden extremistischen Übergriffe gegen Minderheiten und Personen, die sich für Toleranz einsetzen, zu verfolgen, ließ ein Klima von Straflosigkeit zu (USDOS 20.5.2013).
Die religiöse Intoleranz hat zugenommen. Die Mehrheit befürwortet jedoch Toleranz und ist gegen Extremisten. Die Menschen wählen säkulare Parteien. Das Land hat auch positive Veränderungen in diesem Bereich gesehen. Bis vor einigen Jahren konnte man kaum über interreligiöse Toleranz sprechen. Schon Musharraf versuchte zu de-islamisieren, zwar nicht erfolgreich, doch der Prozess wurde durch die PPP forciert. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren, was vorher nicht ging. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten (BAA 6.2013).
Im Alltag gibt es keinen aktiven Konflikt, aber es gibt Diskriminierung und Ungleichheit und dies ist die Basis für Disharmonie. Minderheiten treffen auf Diskriminierung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, in Bildung, Gesundheit und Regierung. Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung (BAA 6.2013). Die meisten Minderheitengruppen, außer Schiiten, berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen. Auch der Karriere-Aufstieg von Minderheitenangehörigen im Staatsdienst ist anscheinend begrenzt, insbesondere für Ahmadis (USDOS 20.5.2013).
Die [bis März amtierende] Regierung unternahm einige Schritte um die interreligiöse Toleranz zu fördern (USCIRF 30.4.2013).
Das Nationale Ministerium für Interreligiöse Harmonie bzw. sein Vorgänger das Ministerium für Minderheiten wurde eigens für religiöse Minderheiten eingerichtet. Für die religiösen Belange der Muslime (Sunniten und Schiiten, die als Muslime nicht als Minderheit, sondern Teil der Mehrheit gelten) ist das Ministerium für religiöse Angelegenheiten zuständig. Hauptanliegen des Ministeriums für Harmonie ist die Förderung der Minderheiten und der interreligiösen Toleranz. Als spezielles Programm für Minderheiten gibt es ein eigenes Budget für die soziale Wohlfahrt und finanzielle Assistenz zur Förderung ärmerer Minderheiten. Der Erhalt und die Renovierung von Glaubensstätten der Minderheiten fallen ebenfalls in die Verantwortlichkeit des Ministeriums. Auf Provinzebene gibt es eigene "Departments of Interfaith". Die meisten funktionieren allerdings noch nicht, die Aufgaben werden noch vom nationalen Ministerium für Harmonie, dem Nachfolger des Minderheitenministeriums ausgeführt. Als Dialogforum zwischen den Religionsgemeinschaften wurde das "National Council of Interfaith Harmony" eingerichtet (BAA 6.2013, vergleiche USDOS 20.5.2013).
Die Bildungskampagne ist ein Fokus der NCJP und des Nationalen Ministerium für Harmonie. In der Lehrerausbildung, in den Lehrplänen und Schulbüchern wird versucht vorhandene Diskriminierung zu eliminieren und Toleranz zu fördern. Der Vertreter der PIL betont die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen, insbesondere muslimischen. Wenn ein bedeutender, muslimischer geistlicher Führer, wie der Vorsitzende des Pakistan Ulema Council, für interreligiöse Harmonie spricht, findet dies Gehör (BAA 6.2013).
2009 wurde in allen staatlichen Bereichen bei der Anstellung eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten eingeführt. Diese wurde allerdings noch nicht erreicht und wird im Land ungleich umgesetzt. Auch auf Distriktebene wurden Komitees zur Interreligiösen Harmonie zur Förderung von Toleranz zwischen den Religionen eingerichtet (USCIRF 30.4.2013).
Im Mai wurde das Gesetz zu Einrichtung einer Nationalen Kommission für Menschenrechte vom Präsidenten unterzeichnet, ein Sitz von 10 in der Kommission soll für einen Vertreter der Minderheiten reserviert sein. Von den 342 Parlamentariern sind 13 Angehörige einer religiösen Minderheit. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen, drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (USDOS 20.5.2013, vergleiche Murad Ullah 1.-2.10.2012).
Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, Verletzungen der Rechte der Minderheiten fallen in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6.2013).
In Pakistan finden sich nicht nur unterschiedliche Religionen, sondern viele Variationen der muslimischen Identität und der religiösen Intensität. Religiöse Intoleranz findet sich auch zwischen den muslimischen Sekten und innerhalb der sunnitischen Konfession, z.B. zwischen der Barelvi Sekte [auch Ahle Sunnat wal Jama'at], die sehr viel Sufi-Einfluss aufweist, aufgeschlossener ist und die Mehrheit der Pakistanis ausmacht, und der Deobandi, die islamistisch geprägt ist (BAA 6.2013). Die sunnitischen hanafitischen Barelvi Muslime hängen traditionellen Glaubenspraktiken, darunter auch der Verehrung von Heiligen (Sufis) und deren Gräber, an. Die Hanafiten sind mit 50% Anteil an der islamischen Bevölkerung die zahlenstärkste muslimische Gruppe in Pakistan. Die Barelvi werden von den Deobandi und den Ahle Hadith, zwei weiteren sunnitischen Glaubensrichtungen, wegen der Verehrung von Sufi-Heiligen sowie sonstiger Praktiken abgelehnt und von Extremisten unter diesen bekämpft. Auch die Barelvi lehnen die Anschauungen der anderen sunnitischen Sekten ab. Angehörige der sunnitischen hanafitischen Barelvi Muslime und Schiiten werden vielfach Opfer sunnitischer Extremisten, wobei sich diese Vorfälle meist in Städten abspielten. Häufig wurden Selbstmordattentäter auf schiitische Prozessionen angesetzt (BAMF 8.2011).
In Khyber Pakhtunkhwa kommt es zu interkonfessionellen Anschlägen auf Moscheen, in den Stammesgebieten zu Zusammenstößen zwischen schiitischen und sunnitischen Stämmen. In Karatschi setzen sich die Schiiten zur Wehr. Die Sipah-e-Muhammad Pakistan ist z.B. eine schiitische Gruppe, die in Karatschi in gezielte Tötungen an religiösen Führern und Aktivisten der verbotenen, terroristischen sunnitischen Sipah-e-Sahaba involviert ist. In Karatschi finden auch Schießereien zwischen schiitischen und sunnitischen Gangs statt. Im Sindh, außerhalb Karatschis, gibt es wenige interkonfessionelle Zwischenfälle. Im Punjab ebenfalls, aber es gibt dennoch vereinzelte Anschläge auf Schiiten. Interkonfessionelle Gewaltvorfälle sind im Punjab auch zurückgegangen. Schiiten leben vor allem in Lahore. In der Stadt sind die Kontrollen hoch und sie ist relativ unter Kontrolle der Sicherheitskräfte (BAA 6.2013). Klerikern, die als zur Gewalt anstiftend gesehen werden, wird während Muharram die Einreise in viele Distrikte des Punjabs und des Sindhs verwehrt (HRCP 3.2013). Für schiitische Prozessionen wird Polizeischutz zur Verfügung gestellt, dennoch kommt es dabei zu Anschlägen (BAA 6.2013).
Im Jahr 2011 wurden mindestens 389 Personen bei Gewalttaten gegen verschiedene muslimische Konfessionen getötet (HRCP 3.2012).
2012 wurden laut HRCP insgesamt mindestens 531 Menschen bei sektiererischen terroristischen Attacken zwischen den verschiedenen muslimischen Sekten getötet. Hauptsächlich waren davon Schiiten betroffen (HRCP 3.2013). Von den 202 interkonfessionellen terroristischen Akten, die von PIPS im Jahr 2012 aufgezeichnet wurden, zielten um die 60 % auf die schiitische Gemeinde, 30 % auf Sunniten. 395 Angehörige der schiitischen Gemeinde wurden getötet - 73 % aller Opfer interkonfessioneller Gewalt. Anschläge und Zusammenstöße zusammengenommen wurden 213 Vorfälle von Gewalt zwischen den muslimischen Konfessionen mit 563 Todesopfern von PIPS registriert (BAA 6.2013). Circa 85 % aller Vorfälle sektiererischer Gewalt 2012 waren, laut PIPS, gezielte Tötungen (PIPS 4.1.2013). HRW schätzt, dass 2012 mindestens 325 Angehörige der schiitischen Bevölkerung in gezielten Anschlägen in Pakistan getötet wurden, mehr als 100 davon in Belutschistan, die meisten von diesen wiederum Hazara (HRW 31.1.2013). 119 Hazara wurden 2012 in Quetta in gezielten Anschlägen getötet. Die Hazara meinen, die Behörden hätten keinen Willen sie zu beschützen. Aus Sicherheitsgründen haben sich die Hazara in zwei Enklaven in der Stadt zurückgezogen (HRCP 3.2013).
2012 nahm die sektiererische Gewalt in Pakistan somit zu, obwohl sie 2011 zurückgegangen war. Einen starken Zuwachs verzeichneten die Provinzhauptstädten Quetta und Karatschi sowie Teile Belutschistans. Aufgeschlüsselt fanden laut PIPS 85 % aller Vorfälle zwischen muslimischen Konfessionen 2012 in Karatschi, Quetta, Gilgit und der Kurram Agency (FATA) statt. Diese sind auch im Mehrjahresvergleich 2010-2012 Hotspots sektierischer Gewalt, wohingegen sporadische Vorfälle in diesen Jahren auch von anderen Teilen des Landes berichtet werden, insbesondere Zentral- und Süd-Punjab, Hangu und Dera Ismail Khan in Khyber Pakhtunkhwa (KP), Khyber und Orakzai in der FATA und Mastung in Belutschistan. (BAA 6.2013; vergleiche PIPS 4.1.2013). Weitere Schwerpunkte 2012 waren: Diamer in Gilgit Baltistan, die Distrikte Kohistan und Mansehra in KP (HRCP 3.2013); sowie weiters Hangu, Kohat, Tank, - ebenfalls in KP, Dera Ghazi Khan im [Süd-] Punjab (USDOS 20.5.2013). Zwei größere Anschläge mit jeweils um die 20 Toten ereigneten sich im Punjab 2012 im südlichen Distrikt Rahimyar Khan und in Rawalpindi (HRCP 3.2013). 2011 waren außerdem auch Lahore (Punjab), Nowshera (KP), und Khyber (FATA) Schwerpunkte (HRCP 3.2012).
Auch die ersten beiden Monate 2013 waren, verbunden mit der Vorwahlzeit, von stark erhöhter interkonfessioneller Gewalt gezeichnet, in erster Linie in Karatschi und Quetta. Im Jänner und Februar 2013 wurden bei interkonfessionellen Anschlägen 238 Menschen getötet, ein Großteil davon bei zwei verheerenden Anschlägen in einem Viertel der schiitischen Hazara in Quetta. Nach diesem Höhepunkt nahm diese Art des Terrors in den nächsten beiden Monaten ab. Nichtsdestotrotz traf ein weiterer der größeren Anschläge der Vorwahlzeit am 3. März ebenfalls die schiitische Minderheit, diesmal in Karatschi, 48 Menschen starben bei einem Anschlag auf ein schiitisches Viertel (BAA 6.2013).
Verbotene Gruppen wie die Pakistanischen Taliban und die Lashkar-e-Jhangvi übernahmen die Verantwortung für Anschläge auf Schiiten (HRCP 3.2013). Sunnitische militante Gruppen operierten mit weiter Straflosigkeit in Pakistan (HRW 31.1.2013). Die Reaktion der Regierung war großteils unzureichend. Dies anerkennend gab der Oberste Gerichtshof eine Kritik an der Regierung aufgrund der unzureichenden Bemühungen in Quetta Sicherheit zu gewährleisten ab. Im Jänner wurde in Belutschistan nach den großen Bombenanschlägen die Kontrolle auf die von der Provinz auf die Bundesregierung übertragen und damit den Forderungen der Hinterbliebenen nachgekommen (USCIRF 30.4.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
AA - Auswärtiges Amt (10.2013a): Pakistan, Staatsaufbau/Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 14.10.2013
AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013, Zugriff 2.9.2013
BAA - Bundesasylamt (15.4.2013): Analysen Pakistan, Ahmadiyya - Entstehung und Glauben
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (8.2011):
Informationszentrum Asyl und Migration: Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern
CIA (11.9.2013): The World Factbook Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 9.10.2013
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2013): State of Human Rights in 2012,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf, Zugriff 2.9.2013
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2012): State of Human Rights in 2011,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2011-A.pdf, Zugriff 10.10.2013.
HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html, Zugriff 15.10.2013
HRW - Human Rights Watch (23.8.2013): Pakistan: 10 Steps to Improve Human Rights,
http://www.hrw.org/news/2013/08/23/pakistan-10-steps-improve-human-rights, Zugriff 23.9.2013
Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.- 2.10.2012):
Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2013): Pakistan Security Report 2012,
http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1, Zugriff 13.9.2013
USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (30.4.2013): 2013 Annual Report, http://www.uscirf.gov/images/2013 USCIRF Annual Report (2).pdf, Zugriff 15.10.2013
USDOS - US Department of State (20.5.2013): International Religious Freedom Report for 2012 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/247481/371066_de.html, Zugriff 15.10.2013
Ahmadis
Es gibt zwei verschiedene Zweige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Pakistan, eine Qadiani-Gruppe (Ahmadiyya Muslim Jamaat) und eine Lahore-Gruppe (Ahmadiyya Anjuman Ischat-i-Islam Lahore). Die erste Bezeichnung bezieht sich auf Qadian, einen Ort, der im jetzigen Indien liegt und die andere auf Lahore in Pakistan, an dem die kleinere der beiden Glaubensgemeinschaften ihren Hauptsitz und Schwerpunkt hat. Die Lahore-Gruppe hat weltweit etwa 30.000 Mitglieder. Davon befinden sich 5.000 bis 10.000 in Pakistan. Ihre Siedlungsschwerpunkte in Pakistan sind Lahore, Karachi, Rawalpindi, Peschawar und kleinere Orte in den Provinzen Punjab und Sindh. Die Ahmadiyya Gemeinde der Qadiani-Gruppe hat derzeit ihr Hauptquartier in London. Der pakistanische Zweig der Ahmadiyya Muslim Community soll um die 600.000 Mitglieder haben. Nach anderen Angaben, die auf Aussagen der Mitglieder der Gemeinschaft beruhen, soll die Mitgliederstärke in Pakistan 2 bis 5 Millionen betragen. Die abweichenden Angaben werden damit erklärt, dass die Ahmadis sich als Nicht-Muslime registrieren lassen müssen, was von der Mehrheit in Pakistan lebender Gemeindemitglieder aber abgelehnt wird, weil sie sich als Muslime betrachten. Ein Zentrum der Gemeinde befindet sich in Chenab Nagar, vormals Rabwah. Im Übrigen sind Angehörige der Qadiani-Gruppe an den gleichen Orten zu finden, wie die der Lahore-Gruppe. Beispielhaft sind Khewra, Sargodha, Pind Thatha, Bhalwal, Khushub, Shahpur, Lahore, Karachi und Gujaranwala zu nennen (BAMF 8.2011).
Die Glaubensinhalte der Ahmadiyya, die sich selbst als Muslime sehen, weichen in einigen Kernaspekten stark vom breiteren muslimischen Konsens ab (BAA 15.4.2013 - siehe zu Glaubensinhalten).
Das Hauptproblem für die Mehrheit der Muslime in Pakistan hinsichtlich der Ahmadis der Qadiani-Richtung besteht darin, dass diese Mohammed nicht als letzten Propheten (Siegel der Propheten), sondern den Gründer ihrer Glaubensgemeinschaft Mirza Ghulam Ahmad als weiteren Propheten ansehen (BAMF 8.2011).
Die islamische Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya wird von den meisten muslimischen Geistlichen in Pakistan nicht als muslimisch anerkannt. Durch Änderung der Verfassung im Jahre 1974 wurde diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz. Ahmadis wird zwar vom Gesetz der Status einer religiösen Minderheit eingeräumt, allerdings werden sie durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert (AA 2.11.2012). Diese auf Betreiben des islamischen Aktivismus erlassenen Gesetzesmechanismen werden häufig als Anti-Ahmadi-Gesetze bezeichnet. Der Constitutional (Second Amendment) Act von 1974 - die zweite Novellierung der Verfassung - zählte Ahmadis als nicht-muslimische Minderheit auf und definierte sie somit als Nicht-Muslime, obwohl sie selbst sich als Muslime sehen. Paragraph 298 c, des pakistanischen Strafgesetzbuches macht es für Ahmadis strafbar, sich selbst Muslime zu nennen und ihren Glauben zu bewerben oder zu missionieren. Außerdem dürfen sie sich nicht durch ihr Verhalten als Muslime ausgeben und dürfen somit ihre Gebetsstätten nicht Moscheen nennen; nicht die traditionelle muslimische Form des Grußes verwenden; ihren Gebetsruf nicht Adhan, wie er im Islam genannt wird, nennen; den Koran öffentlich nicht zitieren oder islamische Riten öffentlich durchführen (Murad Ullah 1.-2.10.2012, vergleiche USDOS 20.5.2013). Paragraph 298 c, Pakistanischen Strafgesetzbuch wird mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (AA 2.11.2012).
Der öffentliche Verkauf von religiöser Literatur der Ahmadis ist verboten, doch der Dachverband der Ahmadis veröffentlicht religiöse Literatur, die nur innerhalb der Ahmadi-Gemeinde zirkuliert. Die Regierung setzt existierende rechtliche und politische Restriktionen der religiösen Freiheit um, besonders bei Ahmadis. Im Prinzip schränkt die Regierung religiöse Gruppen nicht dabei ein, Glaubensstätten einzurichten, auch bei Ahmadis gibt es keine offiziellen Einschränkungen im Bau von Glaubensstätten. In der Praxis verweigerten lokale Behörden regelmäßig die Genehmigung zum Bau von Glaubensstätten der Minderheiten, insbesondere der Ahmadis und der Bahai und nannten als Grund die Erhaltung der öffentlichen Ordnung (USDOS 20.5.2013).
Die Gesetzgebung schränkt in der Praxis Elemente des Ausdrucks des religiösen Glaubens der Ahmadis, wie offene Diskussionen über Religion mit Nicht-Ahmadis ein (UK Home Office 1.2013). Da es für eine Reihe religiöser Praktiken der Ahmadis die Androhung von Strafsanktionen gibt, ist eine vollständige Ausübung des Glaubens der Ahmadis gesetzlich eingeschränkt (USCIRF 30.4.2013). Die Ahmadis unterliegen somit von allen religiösen Minderheiten Pakistans den stärksten rechtlichen Einschränkungen und offiziell sanktionierter Diskriminierung, auch wenn es mehr Christen und Hindus als Ahmadis gibt (Murad Ullah 1.-2.10.2012).
Es gibt klare Belege, dass diese Gesetzgebung durch nicht-staatliche Akteure benutzt wird, um Ahmadis zu schikanieren und zu bedrohen, u. a. durch das Einreichen eines First Information Reports (FIRs; Sachverhaltsdarlegung), der in einer Untersuchungshaft resultieren kann (UK Home Office 1.2013).
Strafverfahren gegen Ahmadis werden in der Regel von islamistischen Gruppierungen der Khatm-e-Nabuwwat ("Siegel der Prophetenschaft") in Gang gebracht. Ähnlich wie gegenüber Christen wird die Blasphemie-Gesetzgebung dazu benutzt, die Angehörigen dieser Minderheit aus den verschiedensten Motiven unter Druck zu setzen, die nur zum Teil einen religiösen Hintergrund haben. Oft geht es auch nur um Misshelligkeiten zwischen Nachbarn, Streitigkeiten zwischen Geschäftsleuten und vor allem um Auseinandersetzungen um Grundbesitz. Bei den gegen sie gerichteten Strafverfahren sind die Aussichten der Ahmadis auf ein faires Gerichtsverfahren zumindest in der ersten Instanz gering, da die Richterinnen und Richter in vielen Fällen von extremistischen religiösen Gruppierungen unter Druck gesetzt werden. Es kommt nur selten zu Freisprüchen. Wohlmeinende Richter tendieren eher dazu, die Verfahren unendlich in die Länge zu ziehen, um einer Entscheidung aus dem Weg zu gehen. Dies hat zur Folge, dass die Angeklagten immer wieder zu Gerichtsterminen geladen werden, die dann aber kurzfristig entfallen (AA 2.11.2012).
2010 wurden 67 Strafverfahren gegen Ahmadis nach Paragraph 298 c, eingeleitet. In den meisten dieser Fälle befinden sich die Angeklagten gegen Kaution auf freiem Fuß. Es besteht allerdings immer die Gefahr, dass ein gegen Ahmadis gerichtetes Verfahren um den Vorwurf der Blasphemie nach Paragraph 295 c, erweitert wird (AA 2.11.2012). Dabei besteht das Risiko der Verhängung der Todesstrafe, die dafür noch nicht durchgeführt wurde, wobei bei Verhängung der Strafe dennoch die Gefahr einer langen Haftstrafe besteht (UK Home Office 1.2013). In der Berufungsinstanz erfolgt häufig eine Abänderung des Strafvorwurfs (z.B. Entweihung des Korans, Paragraph 295 b,), so dass die für Blasphemie zwingend vorgesehene Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe (die auf 25 Jahre begrenzt ist) umgewandelt wird. 2011 wurden in insgesamt 27 Fällen Strafverfahren wegen (angeblicher) Blasphemie eingeleitet, drei gegen Ahmadis (AA 2.11.2012).
Insgesamt 56 Ahmadis wurden laut Führern der Ahmadis zwischen Jänner und Dezember 2012 angezeigt, die meisten davon in Verbindung zu den Anti-Ahmadi Gesetzen. 26 Ahmadis wurden aufgrund der Glaubensausübung verhaftet und verbrachten einige Zeit im Gefängnis, bevor sie auf Kaution entlassen wurden, zu Jahresende befand sich kein Ahmadi im Gefängnis (USDOS 20.5.2013). Andererseits verzeichnete USCIRF im Zeitraum 31.1.2012-31.1.2013 nur zehn Fälle von Ahmadis, die aufgrund Paragraph 298, angezeigt worden sind. In vielen dieser Fälle wurde auf die Polizei Druck von lokalen religiösen Führern ausgeübt. Viele der Angezeigten wurden auf Kaution freigelassen, aber werden wahrscheinlich Jahre im pakistanischen Gerichtssystem ihre Fälle verhandeln müssen (USCIRF 30.4.2013).
Ahmadis sind auch mit steigender gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert, da militante Gruppen Artikel des Gesetzes verwendeten um Ahmadis davon abzuhalten sich als "Muslime auszugeben" sowie Ahmadis davon abhielten ihre Moschee in Rawalpindi zu benutzen, den Abbruch von Ahmadi Moscheen in Lahore erzwangen und Gräber der Ahmadis in der Punjab Provinz beschädigten (HRW 31.1.2013). Ahmadis sind auch Ziel von gewaltsamer Attacken durch nicht-staatliche Akteure von Teilen der mehrheitlich sunnitisch-muslimischen Bevölkerung (UK Home Office 1.2013).
Insbesondere die islamistische Gruppierung Khatm-e-Nabuwwat bekämpft die Ahmadis. Die von dieser Gruppe und anderen extremen religiösen Gruppierungen ausgehenden Maßnahmen gegen Ahmadis, die von regelmäßigen Belästigungen bis hin zu Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit reichen, werden von staatlichen Stellen in der Regel tatenlos hingenommen. Der weitaus größte Teil der Ahmadis lebt friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen; berichtet wird aber weiterhin über einzelne Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis (AA 2.11.2012).
Hasskampagnen und Gewalt gegen Ahmadis hielten 2012 an. 20 Ahmadis wurden getötet, 10 davon in Karatschi, zwei weitere im Sindh, drei in Belutschistan, vier im Punjab und einer in Khyber Pakhunkhwa. 11 wurden bei Attacken verletzt (HRCP 3.2013, vergleiche USDOS 20.5.2013). Dies ist eine signifikante Zunahme gegenüber dem Vorjahr. Bis Jahresende wurde von den Behörden wegen dieser Morde niemand inhaftiert (USDOS 20.5.2013). USCIRF berichtet zum Jahr 2012 von 44 verschiedenen Attacken auf Ahmadis, in denen 23 Personen starben. Die schwache rechtliche Stellung der Ahmadis durch die Regelungen im Strafgesetz und der Verfassung fördert ein Klima von Straflosigkeit (USCIRF 30.4.2013).
2011 wurden in Faisalabad im Punjab Flugblätter verteilt, in denen die Namen und Adressen von 50 prominenten Ahmadis aufgelistet waren mit dem Aufruf diese zu töten und sich damit einen Platz im Himmel zu sichern. Der Staat steht auch unter dem Druck islamischer Fundamentalisten (Murad Ullah 1.-2.10.2012).
USCIRF sammelte Berichte zu neun Vorfällen, in denen die Polizei von Ahmadis verlangte, die Kalima (islamisches Glaubensbekenntnis) von ihren Moscheen zu entfernen. An Zerstörungen an Friedhöfen gibt es mindestens sieben Fälle. Einige davon wurden durch die Polizei nach Aufforderungen islamischer Führer durchgeführt, da sich oft Koran-Inschriften auf den Gräbern finden (USCIRF 30.4.2013). Das Gesetz verbietet es Ahmadis die Kalima zu rezitieren (USDOS 20.5.2013).
Viele Ahmadis registrieren sich aus Angst nicht bei der NADRA (National Database & Registration Authority). Auf der ID Karte wird zwar die Religion nicht abgedruckt, allerdings muss man diese am Antragsformular angeben. Ahmadis sehen sich als Muslime, jedoch müssen alle, die Muslim als Religionszugehörigkeit angeben, am Antrag eine Erklärung unterschreiben, dass sie an die Finalität Mohammeds als letzten Propheten glauben, nicht dem Glauben der Ahmadis folgen und dessen Begründer als falschen Propheten sehen. Für Kinder müssen dies die Eltern stellvertretend unterschreiben. Dieser Prozess ist folglich auch für die Ausstellung eines Passes notwendig, da hierfür die Registrierung Voraussetzung ist. Auf dem Pass ist die Religionszugehörigkeit angegeben (Murad Ullah 1.-2.10.2012, vergleiche USDOS 20.5.2013). In den letzten Jahren weigerten sich Personen die Klausel mit den religiösen Beteuerungen für die Passausstellung zu unterzeichnen und haben dennoch den Pass erhalten (USCIRF 30.4.2013).
Die Identitätskarten braucht ein Bürger um wählen zu können. Diese Regelung behindert Ahmadis somit dabei, legale Dokumente zu erwerben und in ihrem Recht zu wählen (USDOS 20.5.2013). Ahmadis waren die einzige Gruppe, die auf einer eigenen Wählerliste, auch für die Wahlen 2013 eingetragen waren (HRCP 3.2013).
Ahmadis sind derzeit nicht im Parlament vertreten, weil sie nicht für die Listenplätze der Parteien für nichtmuslimische Minderheiten kandidieren (AA 2.11.2012; vergleiche BAA 6.2013). Die Gemeinde nennt sich international Ahmadiyya Muslim Jamaat, hat aber in Pakistan mit Blick auf Paragraph 298 c, das Wort "Muslim" entfernt (AA 2.11.2012).
Für Ahmadis ist die Situation schwieriger als für andere Gruppen, sie haben keine politische Vertretung, da sie sich weigern die Regelungen für nicht-muslimische Minderheiten in Anspruch zu nehmen. Allerdings verfügt die Gemeinde über höhere finanzielle Mittel, z.B. für rechtlichen Schutz. (BAA 6.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (8.2011):
Informationszentrum Asyl und Migration: Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2013): State of Human Rights in 2012,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf, Zugriff 2.10.2013
HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html, Zugriff 15.10.2013
Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.- 2.10.2012):
Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg
UK Home Office (1.2013): Operational Guidance Note Pakistan, http://ukba.homeoffice.gov.uk/sitecontent/documents/policyandlaw/countryspecificasylumpolicyogns/pakistanogn?view=Binary, Zugriff 2.9.2013
USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (30.4.2013): 2013 Annual Report, http://www.uscirf.gov/images/2013 USCIRF Annual Report (2).pdf, Zugriff 15.10.2013
USDOS - US Department of State (20.5.2013): International Religious Freedom Report for 2012 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/247481/371066_de.html, Zugriff 15.10.2013
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land und ungehinderte internationale Reisen, doch die Regierung beschränkte diese Rechte in der Praxis. Die Regierung schränkte den Zugang zu bestimmten Gebieten der FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch bei Studenten wurde dies selten durchgesetzt. Personen auf der Exit Control List war es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche ein Kriminalverfahren anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten. Allerdings war keine gerichtliche Handlung notwendig, damit das Innenministerium einen Namen auf die Liste setzen konnte. Sie wurde manchmal benutzt, um Menschenrechtsaktivisten und Führer nationalistischer Parteien zu schikanieren. Personen auf der Liste haben das Recht, bei Gericht Einspruch einzulegen (USDOS 19.4.2013)
Die Reisefreiheit in Pakistan wurde 2012 häufig eingeschränkt. Durch die interkonfessionelle Gewalt in Gilgit Batlisten und Belutschistan wurden einige Gegenden für einen nicht unbeachtlichen Teil der Bevölkerung zur "no go area". Durch die Sicherheitslage in vielen Agencies der FATA sind diese für Personen von außerhalb und manchmal auch für die Bewohner selbst zur "no go area" geworden. Sicherheitsmaßnahmen führten bei Terrordrohungen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit für alle Bürger. Kämpfe zwischen kriminellen Banden bedrohten die Bewegungsfreiheit der Bürger Karatschis. Gewalt zwischen ethnischen Gruppen machten bestimmte Teile Karatschis, die von einer ethnischen Gruppe dominiert wurden, zu einer "no go area" für die andere ethnische Gruppe. Ethnische Gewalt in Teilen Belutschistans schränkten auch hier - vor allem für Hazara - die Bewegungsfreiheit ein. Arbeiter in illegaler Schuldknechtschaft gehörten zu den Gruppen mit den stärksten Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Die Opfer wurden durch bewaffnete Wächter davon abgehalten zu fliehen und die Familien wurden als Geiseln gehalten (HRCP 3.2013).
Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Basis mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (AA 2.11.2012).
Ahmadis bietet eine Flucht nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, keinen sicheren Schutz vor Repressionen (AA 1.7.2011), aber einen erheblichen. Sie sind dort weitgehend unter sich, doch für ihre Gegner sehr sichtbar (AA 2.11.2012). 95 % der Einwohner der Stadt Rabwah sind Ahmadis. In einer Antwort erklärte die Human Rights Commission of Pakistan, dass die Sicherheit in Rabwah für Ahmadis von der Art der Verfolgung und dem Einfluss der verfolgenden Person abhängt. Rabwah ist zwar sicherer für Ahmadis als die meisten anderen Orte in Pakistan, doch wenn jemand in ganz Pakistan verfolgt wird, dann wird er auch in Rabwah gefunden. In Rabwah zu leben zeigt, dass man Ahmadi ist, sollte man einen Ahmadi aufspüren wollen, würde man dort suchen (UK Home Office 9.8.2013).
Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen. Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile (AA 2.11.2012).
Zum Spruch des Europäischen Gerichtshofes, Deutschland gegen Y & Z [2012] EUECJ C-71/11 (05 September 2012): Es ist und war im Allgemeinen möglich für Ahmadis ihren Glauben auf einer eingeschränkten Basis sowohl im privaten Bereich als auch in der Gemeinschaft auszuüben, ohne das heimische pakistanische Gesetz zu verletzen. In Bezug auf eine volle Glaubensübung über die Einschränkungen des pakistanischen Strafgesetzes unter Sektion 298B und 298C hinaus, gilt das Gesetz landesweit [Anmerkung: die länderkundlichen Aspekte wurden verwendet, die diesbezüglichen Entscheidungsvorgaben der britischen Behörde wurden nicht miteinbezogen] (UK Home Office 1.2013).
Für jene Individuen, denen aufgrund schädlicher religiöser Normen oder traditioneller Praktiken Leid droht, wie Opfer von oder Personen in Gefahr von Zwangsheirat, Zwangskonversion oder Ehrenmorden und für die eine interne Relokation in einen anderen Teil des Landes relevant sein kann, muss die Anerkennung solcher Normen durch breite Teile der Gesellschaft und mächtige, konservative Elemente in der Verwaltung berücksichtigt werden (Murad Ullah o.D.).
Laut Bericht des Vertrauensanwaltes, kann eine Person, die von einem Konfliktherd mit Taliban flieht, relativ sicher in einer pakistanischen Stadt in den Provinzen Sindh oder Punjab leben. Hinsichtlich der Sicherheit existieren in Pakistan - schon aufgrund der Größe des Landes - interne Fluchtalternativen. Wenn die Taliban direkt eine Person verfolgen, ist es schwierig sich zu verstecken, Karatschi kann im allgemeinen eine Option für Sicherheit sein, wie weit dies sicher ist, hängt allerdings vom Profil der Person und von der Art des Konfliktes ab, von dem die Person flieht. Es muss sorgfältig auf einer Einzelfallbasis abgeklärt werden. Es hängt von der Ernsthaftigkeit des jeweiligen Konfliktes ab, ob diese Person durch die Taliban gesucht und gefunden werden wird. Paschtunen haben ein enges Familiennetz und da die meisten in Karatschi wieder in diesem Familiennetz bzw. "community" leben, kann man sie über diesen Weg finden. Doch es ist möglich sich aufgrund der Größe Pakistans aus dem Radar der Taliban begeben. Eine "low profile" Person, die z. B. nach Karatschi flüchtet, wird dort von den Taliban nicht aufgespürt werden, da es für die Taliban auch keine Priorität hat, "low profile" Personen zu suchen (ÖB Islamabad 25.7.2013).
Nach Einschätzung des Vertreters des PIPS (Pakistan Institute for Peace Studies) ist es nicht die Strategie der Taliban, einzelne Personen durch das Land zu verfolgen. Eine Assistenzprofessorin erzählt von Fällen aus Karatschi - wo sich die Taliban im Zuge der durch die Militärinterventionen im Swat-Tal ausgelösten Wanderung in einigen Vororten etablieren konnten - in denen Personen, die gegen die Taliban im Swat-Tal agierten, in Karatschi getötet wurden. Der UNHCR betont, dass die Terrororganisationen zwar meist lokal agieren, einige aber teilweise vernetzt sind und zum Teil zusammen arbeiten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative kann somit nicht generell angenommen werden, sondern muss in jedem Fall einzeln geprüft werden (BAA 6.2013).
Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
AA - Auswärtiges Amt (1.7.2011): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2013): State of Human Rights in 2012,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf, Zugriff 2.9.2013
Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (o.D.): Minorities in Pakistan - UNHCR Eligibility Guidelines and practical perspective from the field, Unterlage zu DACH Workshop 1.-2.10.2013
ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (25.7.2013):
Ermittlungsbericht des Vertrauensanwaltes, SLC/SIS/A-15887
UK Home Office (9.8.2013): Pakistan Country of Origin Information (COI) Report Pakistan,
https://contact-ukba.homeoffice.gov.uk/sitecontent/documents/policyandlaw/coi/pakistan/report-09082013.pdf?view=Binary, Zugriff 8.9.2013
USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html, Zugriff 15.10.2013
Grundversorgung/Wirtschaft
Die schweren Fluten drei Jahre hintereinander haben der pakistanischen Wirtschaft ernsten Schaden zugefügt und ihr potentielles Wachstum halbiert. Sie erhöhten auch Inflation und Arbeitslosenrate, unterbrachen Versorgungsketten, zerstörten die Saat und behinderten die industrielle Produktion. Die stärker werdenden Engpässe in der Energieversorgung und die schwache Recht- und Ordnungssituation sowie strukturelle Hindernisse zügeln ebenfalls Investitionen und Wachstum (TRF 9.9.2013, vergleiche AA 10.2013b; World Bank 16.11.2011). Nach den Fluten 2010 und 2011 und der weltweiten Nahrungsmittelpreiskrise gab es eine merkbare Zunahme der absoluten Armut (BAA 6.2013). Mit geschätzten 3,6 % blieb das Wirtschaftswachstum im Haushaltsjahr 2013 (1.7.2012-30.6.2013) hinter den Möglichkeiten des Landes zurück und bewegte sich auf dem Niveau der Vorjahre (2010: 3,8 %; 2011: 2,4 %; 2012: 4,4 %) (AA 10.2013b). Das Wirtschaftswachstum kann nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten (BAA 6.2013).
Die Inflation entwickelte sich zuletzt positiv. Sie ging von fast 14 % im Vorjahr auf 7,5 % im Sommer 2013 zurück und ist damit erstmals seit sechs Jahren wieder im einstelligen Bereich angesiedelt. Das Haushaltsdefizit liegt derzeit bei fast 9 % des BIP, die gesamten öffentlichen Schulden bei 63,5 %. Die Devisenreserven Pakistans sind gegenüber Sommer 2012 (10,8 Mrd. US-Dollar) auf zuletzt 6,27 Mrd. US-Dollar deutlich geschrumpft. Defizitäre Staatsbetriebe belasten die öffentlichen Finanzen und benötigen regelmäßig staatliche Finanzspritzen. Pakistan wird seine Staatseinnahmen deutlich erhöhen müssen; mit knapp 9 % des BIP hat es eine der niedrigsten Steuerquoten der Welt (AA 10.2013b).
Es gibt eine Energiekrise, ein großer Teil der Bevölkerung hat keinen regelmäßigen Zugang zu Strom. Die Energiesituation hat sich in den letzten Jahren rapide verschlechtert, es ist jedoch schwer dies zu quantifizieren, da es in letzter Zeit keine Erhebungen gab. Der Stromausfall beträgt landesweit im Sommer bis zu 18 Stunden am Tag. Besonders betroffen ist der Punjab, in anderen Provinzen ist die Situation etwas besser Es gibt ein System des "load shedding shedule", ein öffentlicher Plan und Information, wann die Elektrizität wo abgeschaltet wird (BAA 6.2013). Die Stromausfälle haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Lebensumstände der Bevölkerung. Sie führen auch zu einem um 3 bis 4 Prozentpunkte niedrigeren Wirtschaftswachstum. Die von der neuen Regierung im Juli 2013 vorgestellte Nationale Energiepolitik benennt als erste Priorität die Schließung der Lücke zwischen Stromangebot und -nachfrage (AA 10.2013b).
Die Landwirtschaft Pakistans ist mit einem Beitrag von rund 21 % zum BIP immer noch in vielerlei Hinsicht der wichtigste Sektor der pakistanischen Volkswirtschaft. Über 44 % der arbeitenden Bevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt; knapp 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (u.a. Getreideanbau u. Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit. Der Industriesektor trägt mit 25,4 % zum BIP bei. Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche, die ca. 60 % aller pakistanischen Exportgewinne ausmacht. Der Dienstleistungssektor hat sich zu einem wichtigen Wachstumsfaktor entwickelt, er trägt inzwischen mit ca. 53 % zum BIP bei. Wichtigste Bereiche sind hier v.a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen und der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat (AA 10.2013b). Die Telekommunikations- und die Baubranche haben ihre Expansion fortgesetzt und viele formelle und informelle Arbeitsplätze geschaffen. Diese Expansionen haben zu einem besseren Stellenangebot geführt (IOM 8.2013).
Die Gehaltsstruktur ist sehr unterschiedlich verteilt. In den Städten wie Multan, Lahore und Islamabad ist eine ausgeprägte Mittelschicht vorhanden, in den ländlichen Gebieten allerdings weniger. Laut IOM liegt das Einkommen der Mittelklasse bei ca. 20.000-30.000 Rupien (ca. € 152-227) im Monat. Durch die Inflation ist das bei einer Familie mit 2 Kindern gerade genug, um die wichtigsten Bedürfnisse zu befriedigen - im Fall eines eigenen Hauses und ohne private Schule. Muss man Miete zahlen, ist es schwieriger (BAA 6.2013).
Im niedrigen öffentlichen Dienst, als Tagelöhner oder Kleinstangestellter zeichnet sich ein Gehalt von 10.000-20.000 Rupien (ca. € 76-152) im Monat ab. Dies reicht kaum, um über die Runden zu kommen, 80 % der Haushaltsausgaben werden für Lebensmittel aufgewendet. Die geschätzte Arbeitslosigkeit ist gering, aber der Arbeitsmarkt ist durch eine Unterbeschäftigung bzw. Unterbezahlung gekennzeichnet. Lahore und Karatschi sind teurer, hier braucht man zwischen 30.000 und 35.000 Rupien (ca. € 227-265) im Monat, allerdings gibt es hier mehr Einkommensmöglichkeiten und ein stärker ausgeprägtes Mietwohnungswesen. Es sind zwar alle "irgendwie beschäftigt", aber die Löhne sind gering und reichen schlecht für das notwendigste Auskommen. In Karatschi, Rawalpindi und Lahore haben die Menschen eher ihre eigenen kleinen Geschäfte oder Kleinstunternehmen als eine Arbeitsstelle. In den ländlichen Gegenden ist der Großteil in der Land- oder Viehwirtschaft tätig (BAA 6.2013).
Die Organisation National Rural Support Programme erläutert, dass es aufgrund der großen Bevölkerung sehr viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis gibt, neue gut laufende Trends sind z.B. kleine Schönheitssalons oder Handyreparaturwerkstätten. Die Organisation SEPLAA spricht den Bereichen IT, Energie-Sektor, Training und Unterricht hohes Potential in Pakistan zu. Die Leiterin des Women Entrepreneurial Development Programme führt aus, dass es viele Möglichkeiten am Markt gibt, aber das Problem sei oft, das Individuum mit den Marktanforderungen zu verknüpfen (BAA 6.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.2013b): Pakistan, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_C2C3DF892573C0A8B185C354561BDB9D/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Wirtschaft_node.html, Zugriff 14.10.2013
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):
Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 14.10.2013
TRF - Thomas Reuters Foundation (9.9.2013): Floods have halved Pakistan's economic growth - expert, http://www.trust.org/item/20130909134725-rm708/, Zugriff 22.9.2013
World Bank (16.11.2011): Country Partnership Strategy Progress Report for The Islamic Republic Of Pakistan For The Period Fy2010-14,
http://siteresources.worldbank.org/PAKISTANEXTN/Resources/293051-1298387688762/CPSPRNov21.pdf, Zugriff 2.9.2013
Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme
Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5% des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige. Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6.2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (IOM 8.2013). PBM hat ein Budget von 2 Milliarden Rupien (ca. 15.157.710 €). Es werden unterschiedliche Projekte und Hilfsschemen finanziert, einige Programme für Kinder sowie das Individuelle Finanzielle Unterstützungsprogramm. Das Individuelle-Finanz-Assistenz-Programm richtet sich an besonders bedürftige Personen und setzt sich aus drei Komponenten zusammen. Einerseits kann bedürftigen Antragsstellern eine allgemeine finanzielle Unterstützung bei Armut gewährt werden. Die zweite Komponente des Programms ist eine finanzielle Assistenz zur Förderung von Eigenerwerbsfähigkeit. Dabei wird einer Person finanzielle Unterstützung gewährt, um ein kleines Geschäft zu gründen. Die dritte Möglichkeit der finanziellen Unterstützung wird über die Finanzierung einer medizinischen Behandlung geboten (BAA 6.2013).
Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gibt 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogrammes beträgt ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6.2013).
Die Overseas Pakistanis Foundation (OPF) wurde 1979 im Rahmen des Emigrations Erlasses gegründet. Ihr Ziel ist die Unterstützung der im Ausland lebenden Pakistanis und ihrer in Pakistan gebliebenen Familien. Ihre Angebote umfassen ökonomische Hilfen, medizinische Versorgung und Hilfe (IOM 8.2012). Zielgruppe der OPF sind im Ausland arbeitende Pakistanis und ihre in Pakistan gebliebenen Familien, ein Ziel dabei sind auch Dienstleistungen für zurückkehrende Migranten. Die OPF untersteht dem Ministerium für Auslandspakistanis (OPF o.D.).
Arbeitsvermittlungsbüros von staatlicher Seite gibt es nicht. Es gibt private Arbeitsvermittlungsagenturen (BAA 6.2013).
Zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums wurden durch die Regierung verschiedene Maßnahmen getroffen. Eine Reihe initiierter Projekte soll eine positive Auswirkung auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze haben. Hierzu zählen unter anderem die Verbesserung der physischen Infrastruktur, die Ausweitung des landwirtschaftlichen Potenzials des Landes und die Anwendung neuer Ressourcen zur Bekämpfung der Armut. Das Tameer-e-Pakistan-Programm wurde als Maßnahme zur Verringerung der Armut initiiert und dient dazu, die Einkommensquellen für arme Menschen zu verbessern und Beschäftigungsmöglichkeiten im gesamten Land zu schaffen. Die SME Bank (kleine und mittelständische Unternehmen) wurde am 1. Jänner 2002 mit dem primären Ziel der finanziellen und geschäftlichen Unterstützung von SME gegründet (IOM 8.2013).
Die Aufgabe der Nationalen Kommission zur beruflichen und technischen Bildung ist es, politische Richtlinien für die berufliche und technische Bildung zu erarbeiten und in diesem Bereich regulierend tätig zu sein, damit der nationale und internationale Bedarf an Fachkräften besser gedeckt werden kann. In den folgenden Fachgebieten werden Ausbildungsmaßnahmen angeboten:
Dienstleistungen (Krankenpflege, Tourismus, IT und Telekommunikation); Baugewerbe; Landwirtschaft, Milchproduktion und Viehzucht; Feinmechanik; ähnlich arbeitet der Rat für Berufliche Ausbildung in Punjab (PVTC), der von der Provinzregierung getragen wird. Er bietet nachfrageorientierte Ausbildungen an und ist vor allem um die Vermittlung benachteiligter Jugendlicher bemüht. Die verschiedenen Institute des Rates bieten folgende Ausbildungen an:
Computerreparatur und Wartung, EDV-gestütztes Textildesign, Betriebswirtschaftliche EDV, Reparatur von Mobiltelefonen, Textilverarbeitung, Import / Export Dokumentation, EDV-gestütztes technisches Zeichnen, KFZ-Elektriker, KFZ-Mechaniker, Stickerei, Schneiderei, Kosmetik; Es gibt im privaten Sektor viele NGOs und Institute, die berufliche Aus- und Weiterbildungen anbieten (IOM 8.2013).
Quellen:
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):
Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 14.10.2013
Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.-2.10.2012):
Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg
OPF - Overseas Pakistanis Foundation (o.D.): Startseite, http://www.opf.org.pk/home.aspx, Zugriff 11.9.2013
Wohlfahrt-NGOs
Private Einrichtungen wie der Edhi-Trust spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6.2013). Dieser bietet soziale Dienste, wie medizinische Versorgung, Notfallhilfe, Luftrettung, Bestattungen, Versorgung psychisch Kranker, Altenheime, Kinderhilfe, Frauenhäuser und Berufsbildung für benachteiligte Menschen an (IOM 8.2013).
Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung engagiert (IOM 8.2013). Er hat sich die Verbesserung der Situation auf dem Lande lebender Familien zur Aufgabe gemacht hat. Die Programme richten sich an Randgruppen, vor allem an Frauen und Kinder. Das Hauptaugenmerk der Bunyad Programme liegt auf Alphabetisierung und Bildung (IOM 8.2012).
Development, Education, Environment, Poverty Alleviation, & Population Welfare Organization (DEEPP) ist eine im südlichen Punjab aktive NGO, die mit benachteiligten und marginalisierten Menschen arbeitet (IOM 8.2013).
Weitere Bespiele sind: Community Development Network Organization, Jacobabad; District Development Association Tharparkar (DDAT); Social Aid for Education and Development (SAFE), Sukkur; Legal Aid and Welfare Society (LAWS), Peschawar; Sarhad Rural Support Corporation (SRSC), Peschawar; Society for Integrated Development (S.I.R.D.), Quetta; Khawra Development Organization Muzaffarabad (IOM 8.2013).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Die Einheiten erörtern ihren Bedarf und beschließen ihre eigenen Projekte, Aufgabe von NRSP ist das Lukrieren von Finanzierungsmöglichkeiten. Eine weitere Hauptaufgabe ist der Aufbau der Qualifikationen und des Fachkönnens zur Erwerbstätigkeit. Trainings werden z.B. in den Bereichen Alphabetisierung, allgemeines Management, Finanzen, Nutztierhaltung, Forstwirtschaft, aber auch zur Führung kleinerer Geschäfte abgehalten. Das NRSP vergibt auch über die eigene Bank Mikrokredite mit einen Maximum von 30.000 Rupien (ca. € 227) pro Person. Speziell für arme Familien läuft das Social and Human Protection Programme zur Einkommensgenerierung. (BAA 6.2013).
Quellen:
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):
Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 14.10.2013
Rückkehrhilfe und -projekte
Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen (AA 2.11.2012). Kehren sie in ihren Familienverband zurück, ist ihre Grundversorgung im Rahmen dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gesichert (AA 1.7.2011).
IOM betreibt ein Freiwilliges Rückkehrprogramm für Pakistanis aus Österreich, das Projekt ist für das Jahr 2013 auf 30 Personen konzipiert, elf sind bis zum März bereits zurückgekehrt, darunter auch Familien. Bis auf zwei Personen, die ins Swat-Tal zurückgekehrt sind, kommen alle aus dem Punjab. Es wird eine finanzielle Rückkehrunterstützung sowie eine Reintegrationsunterstützung, u.a. durch berufliche Weiterbildung geboten. Die Situation bei der Rückkehr hängt von der Person und den Umständen sowie der Zeit, die sie außer Landes verbracht hat, ab (BAA 6.2013).
Im Rahmen dieses Projekts werden pakistanische Staatsangehörige, die in Österreich (i) Asylwerber/innen, (ii) asylberechtigt, (iii) subsidiär schutzberechtigt, oder (iv) nicht oder nicht mehr aufenthaltsberechtigt sind, bei ihrer freiwilligen Rückkehr und nachhaltigen Reintegration in ihrem Herkunftsland unterstützt. Die Maßnahmen werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen erarbeitet und sind auf deren individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt.
IOM implementiert folgende Aktivitäten: Finanzielle Unterstützungsleistung; Reintegrationsunterstützung; IOM unterstützt Reintegrationsmaßnahmen durch Sachleistungen bis zu einem Maximalwert von EUR 3.000,-, darunter fallen: Berufsberatung und Arbeitsvermittlung, Berufliche und schulische Aus- und Weiterbildungsangebote, z.B. als Mechaniker/in, Computertechniker/in, Frisör/in, Installateur/in, Elektriker/in, etc.; Unterstützung bei der Neugründung von Kleinbetrieben sowie Geschäftsgründungs- und Managementseminare; Unterstützung beim Ankauf von Werkzeugen und Ausrüstungen; Sonderunterstützung für Projektteilnehmer/innen mit besonderen Bedürfnissen (IOM o.D.).
Die Unterstützung zur Erwerbstätigkeit wird, laut IOM, an die Person angepasst. Bei der Aus- und Weiterbildung für den Arbeitsmarkt wird darauf aufgebaut, welche beruflichen Erfahrungen die Betroffenen mitbringen, und dies mit den Marktanforderungen abgeglichen. Die finanziellen Mittel sind auf kleine Geschäftsgründungen angelegt. Geschäfte, die so eröffnet wurden, sind z.B. kleine Kleider-, Lebensmittel-, Mobiltelefongeschäfte oder Schönheitssalons - diese sind derzeit erfolgreich (BAA 6.2013). IOM in Pakistan führt kontinuierliches Monitoring mit den Projektteilnehmer/innen vor Ort durch (IOM o.D.).
Auch die pakistanische NGO WELDO betreut Rückkehrprogramme. Es gibt unterschiedliche Programme für die freiwillige Rückkehr. Es werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Sie versuchen die Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und vermitteln Arbeitsplätze. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Meist sind jene Migranten nur schlecht ausgebildet. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird geboten. Die meisten Programme enthalten auch finanzielle Leistungen für die Betroffenen. Es gibt verschiedene Programme z.B. für vulnerable Personengruppen, unbegleitete Minderjährige und Menschen, die psychische Hilfe benötigen. WELDO kümmert sich ebenfalls und im gleichen Umfang um zwangsweise Abgeschobene (BAA 6.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
AA - Auswärtiges Amt (1.7.2011): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
IOM - Internationale Organisation für Migration (o.D.):
Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden nach Pakistan, Informationsblatt
Medizinische Versorgung
Pakistan verfügte mit Stand 2010 über 975 öffentliche (staatliche) Spitäler des tertiären und sekundären Sektors und insgesamt 13.051 staatliche Grundversorgungseinrichtungen. Laut einem Überblick von 2001 verfügte Pakistan über 73.000 private Einrichtungen - die meisten von diesen Einzelkliniken. Der Non-Profit und private Wohltätigkeitsbereich verzeichnete in einer Erhebung vom Jahr 2005 über 7.000 Betten. Pakistan hat ein Netz von mehr als 62.000 Apotheken, allerdings nur 2.000 qualifizierte Apotheker. Im Jahr 2009 gab es 109 Schulen für Krankenpflege sowie 141 für Hebammen (Lancet 17.5.2013).
In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden (AA 2.11.2012). Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind, laut IOM, in Pakistan behandelbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Organtransplantationen oder Dialysen werden durchgeführt. In sehr seltenen Fällen ist eine Behandlung nicht erhältlich. Doch es gibt Problemstellungen im Gesundheitssystem. Eines der gravierendsten Probleme ist die geringe Dichte an Humanressourcen im Gesundheitsbereich. 121.374 Ärzte sind derzeit, laut einer Lancet Studie, in Pakistan registriert. Daneben gibt es auch Engpässe bei anderem medizinischen Personal (BAA 6.2013). Nach Regierungsangaben kommen auf einen Arzt 1.222, auf einen Zahnarzt 16.854 und auf ein Krankenhausbett 1.701 Einwohner (HRCP 3.2012).
Eine starke Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gebieten verstärkt die Situation, erläutert IOM. In den großen Städten gibt es eine relativ gute medizinische Versorgung. Insgesamt ist, so eine Führungsangestellte des privaten Kulsum Krankenhauses, in den städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser, während sie in den ländlichen Gebieten oft nicht abgedeckt ist. Doch auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede, in den ländlichen Gebieten des Sindh ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen. Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die aufständische Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte, besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen. Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört somit zu einer der höchsten weltweit. So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an (BAA 6.2013).
Die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, ist hoch, erläutert IOM. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gibt es 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern. Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme. Oft fehlen den Primärgesundheitsstationen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser überladen werden mit Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind. Jedoch auch im öffentlichen Bereich gibt es Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds. (BAA 6.2013).
Einige Beispiele für Krankenhäuser ind Lahore sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das Lahore General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karachi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karachi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karachi. In Gujranwala gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2013). Das "Pakistan Medical and Dental Council" zertifiziert medizinische Einrichtungen. Eine Infektionskontrolle ist vorhanden, diese hat allerdings Schwächen. Ein konsistentes, umfassendes Gesundheitskontrollsystem ist noch nicht eingerichtet (BAA 6.2013).
Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind (AA 2.11.2012). Im Allgemeinen ist eine große Bandbreite an Medikamenten erhältlich. Im privaten Sektor ist alles erhältlich an Medikamenten. Es traten in der Vergangenheit Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurden 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde und ein entsprechendes Gesetz eingerichtet. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft, so eine Gesprächspartnerin des Kulsum Krankenhauses (BAA 6.2013).
70 % der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6.2013).
Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6.2013; vergleiche auch AA 2.11.2012). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der Stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6.2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z.B. Organtransplantationen) zu (AA 2.11.2012).
Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6.2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten:
Psychosoziale Unterstützung, Medizinische Notversorgung, Familienplanung, Kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2013).
IOM nennt das von Imran Khan gegründete Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in Lahore als Beispiel, welches führend auf dem Gebiet der Krebsbehandlung ist und gleichzeitig über ein System der Gratisversorgung bei Bedürftigkeit verfügt. Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6.2013).
Die Edhi Foundation unterhält 335 Gesundheitszentren in ganz Pakistan mit 24 Stunden Service und 1.800 Ambulanzfahrzeuge sowie 250 Notfallambulanzen, 28 Rettungsbooten, 30 Apotheken, kostenlose Kliniken und Diagnosezentren in Karatschi und Hyderabad, zwei Geburtskliniken in Karatschi, ein Diabetes-Zentrum in Karatschi, Laboratorien in Karatschi und Hyderabad, zwei Krankenpflege-Ausbildungszentren in Karatschi, Rehabilitationszentren für Drogenkranke in Karatschi und einen Luftrettungsdienst. Sie verteilt auch notwenige medizinische Behelfe wie Rollstühle, Patientenbetten, Sauerstoffflaschen u.a. Die Einrichtungen der Edhi Foundation richten sich an Bedürftige und sind kostenlos (BAA 6.2013). Zentren der Edhi Foundation, der größten Wohlfahrtstiftung Pakistans werden sowohl in Großstädten als auch in entlegenen Gebieten unterhalten (IOM 8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2013): State of Human Rights in 2012,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf, Zugriff 2.9.2013
IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):
Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 14.10.2013
Lancet (17.5.2013): Health Transitions in Pakistan 1 Pakistan's health system: performance and prospects after the 18th Constitutional Amendment,
http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)60019-7, Zugriff 11.9.2013
Behandlung nach Rückkehr und Dokumente
Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Griechenland und Großbritannien, werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 2.11.2012).
Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card - PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Die zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden (IOM 8.2013).
Pakistan Origin Card (POC): Eine Person kann eine POC erhalten, wenn sie ausländischer Staatsbürger ist und zu einem Zeitpunkt des Lebens ein Staatsbürger Pakistans gewesen ist. National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP: Die NADRA-Behörde stellt dieses Papier pakistanischen Arbeitern/Emigranten und Bürgern im Ausland aus, sowie Pakistanis, die die doppelte Staatsbürgerschaft haben und bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Die NICOP und auch die POC kann wenn nötig auch anstelle der National Identity Card verwendet werden (IOM 8.2013).
Children Registration Certificate: Die NADRA-Behörde sieht vor, für jedes Kind unter 18 Jahren ein solches Meldezertifikat auszustellen. Das Zertifikat enthält Informationen wie Name, Meldenummer, Namen der Eltern und Nummer ihrer computerisierten Nationalen Ausweise, Geburtsdatum, Geburtsort und Geschlecht (IOM 8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan
IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):
Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 14.10.2013
römisch II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat
Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in seinem Heimatland Pakistan droht.
Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. eines sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworden zu werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdenden Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.
Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.
2. Beweiswürdigung:
römisch II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.
Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
römisch II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinem in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.
Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des BF als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd Paragraph 38, AVG bedeutet.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF im Verfahren.
römisch II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen - allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen vergleiche Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, GZ. E10 414843-1/2010).
Der BF trat den aktuellen Quellen, die dem BF vom erkennenden Gericht zur Kenntnis gebracht wurden, nicht qualifiziert entgegen, vielmehr führte er dazu aus, dass diese grundsätzlich zutreffend seien, Ahmadis würden verfolgt werden. Sofern im Schriftsatz vom 10.11.2014 moniert wird, dass die Staatendokumentation des BFA nicht geeignet sei, die Lage der Ahmadis in Pakistan beurteilen zu können bzw. in diesem Kontext ein Sachverständigengutachten beantragt wird, darf Folgendes in Betracht gezogen werden:
Die dem BF im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat Pakistan können zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben, jedoch werden diese als so umfassend und aktuell qualifiziert, sodass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann. Es ist - bei einem Land wie Pakistan mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen - de facto unmöglich, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das erkennende Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient. Sämtliche Themenbereiche die der BF bzw. seine rechtsfreundliche Vertretung angesprochen haben wie Gewaltvorfälle, radikale Gruppierungen und die Gefährdungslage der Ahmadis im Allgemeinen finden sich in der Berichtslage wieder.
Zur Lage der Ahmadiyya allgemein ist festzuhalten, dass sich aus den getroffenen Feststellungen zwar ergibt, dass es zu Übergriffen kommen kann, es ergibt sich hieraus jedoch auch, dass die überwiegende Zahl der Ahmadis in Pakistan unbehelligt lebt. Es ist letztlich daher im Rahmen eines Vergleichs der Anzahl der Ahmadis in Relation zu den dokumentierten Übergriffen festzuhalten, dass Übergriffe zwar möglich, aber nicht maßgeblich wahrscheinlich sind.
In diesem Zusammenhang kann auch aus den seitens des BF vorgelegten Internetberichten, in denen Ahmadis Verfolgungen erlitten haben, nicht erkannt werden, dass die getroffenen Länderfeststellung die Lage der Ahmadis tatsachenwidrig darstellen. Derartige Übergriffe gegen Ahmadis finden auch in der im gegenständlichen Fall herangezogenen Berichtslage ihren Niederschlag. Zudem muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass aus den vorgelegten Quellen nichts Zusätzliches gewonnen werden kann. Dass es derartige Sachlagen im Herkunftsstaat des BF im Allgemeinen geben kann, wird nicht bestritten, jedoch ist ebenso zu berücksichtigten, dass der BF eine persönliche Involvierung nicht vorbrachte.
Auch kann aus den seitens des BF zitierten Entscheidungen, in denen Ahmadis Asyl gewährt wurde, keine anderslautende Sichtweise abgeleitet werden, da in diesen Entscheidungen stets behauptete, stattgefundene und deshalb auch zukünftig zu befürchtende Verfolgungshandlungen angenommen wurden, was im gegenständlichen Fall aufgrund des Ergebnisses der Beweiswürdigung (siehe unter römisch II.2.4.) nicht möglich war. Ein direkter Vergleich dieser Entscheidungen kommt daher nicht in Betracht.
In Bezug auf den gestellten Beweisantrag, ein länderkundliches Sachverständigengutachten für die Lage der Ahmadis erstellen zu lassen, muss folgendes in Betracht gezogen werden:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich wie bereits oben angeführt im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vergleiche etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, GZ 2000/01/0348). Wie bereits oben angeführt handelt es sich aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage der Ahmadis im Herkunftsstaat zu machen.
Zudem ist anzumerken, dass der Sachverhalt bezüglich der Lage der Ahmadis in Pakistan als geklärt anzusehen ist, weshalb nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu Paragraph 52, AVG).
Das Bundesverwaltungsgericht darf zudem ein angebotenes Beweismittel dann ablehnen, wenn dieses an sich, also objektiv nicht geeignet ist, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (VwGH 15.11.1983, 82/11/0084; 16.12.1992, 92/02/0257; 28.11.1995, 93/05/0173).
Im Falle des BF wird anhand der verwendeten Quellen die Lage der Ahmadis in Pakistan umfassend dargestellt. Der BF hat nicht schlüssig dargelegt, welche weiteren Themenbereiche konkrete Erhebungen erforderlich machen würden. Der diesbezügliche Antrag des BF war daher abzuweisen.
Im Übrigen käme dies auch einem Antrag auf einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis gleich. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht nicht iSd Paragraphen 37, in Verbindung mit 39 Absatz 2, AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu Paragraph 46, mwN).
Da die allgemeine Lage der Ahmadis erhoben wurde, wird in Bezug auf den in der Beschwerdeschrift gestellten Beweisantrag, festgehalten, dass die seitens des erkennenden Gerichts verwendete Berichtslage ausreichend tragfähig ist und nicht mehr weiterer Ermittlungen bedürfe.
Die oben angeführten Ausführungen finden ebenso ihre Anwendung, soweit der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht beantragt, ein Video über die Unterdrückung der Ahmadis anzusehen. Dazu befragt gab der BF an, dass man hier die Probleme der Ahmadis sehe, Ahmadis hätten mit der Regierung und auch mit den Moslems Probleme. Der BF sei auf dem Video nicht zu sehen. Dem Beweisantrag das Video anzusehen, war abzuweisen, da sich das erkennenden Gericht anhand der verwendeten Quellen über die Lage der Ahmadis in Pakistan sich ein umfassenden Bild machen konnte. Der BF hat nicht schlüssig dargelegt, welche weiteren Themenbereiche auf dem Video zu sehen seien. Der diesbezügliche Antrag des BF war daher abzuweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht - wie vom BF im Beschwerdeschreiben angeführt - die schwierige Sicherheitslage in Pakistan und dass Pakistan mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische bzw. religiös motivierter Gruppen, wie der Laskar-e-Tayewa konfrontiert ist. Generell ist die Sicherheitslage in Pakistan als wenig stabil zu bezeichnen, die Regierung ergreift jedoch zum Schutz der Bevölkerung bzw. zur Bekämpfung dieser Gruppen zahlreiche Maßnahmen. Dies zeigt sich auch darin, dass Maßnahmen ergriffen um die Verbindungen zwischen den Terroristen zu schwächen und Rekrutierungen durch militante Organisationen zu verhindern. Große Waffenarsenale wurden in städtischen Gebieten, wie Islamabad und Karatschi, ausgehoben, Gang-Mitglieder und TTP Kommandanten, die logistische Unterstützung für Militante in Stammesgebieten boten, wurden in Karatschi verhaftet, Selbstmordattentäter wurden vor der Tat verhaftet und Anschlagspläne vereitelt (USDOS 19.4.2013). Zu besonderen Feiertagen der Glaubensgemeinschaften setzt die Polizei große Kontingente ein, um Übergriffe zu verhindern.
In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass es keine Hinweise gibt, dass die pakistanischen Behörden grundsätzlich nicht fähig und nicht willens seien, Schutz vor derartigen strafrechtswidrigen bzw. terroristischen und religiös motivierten Übergriffen zu gewähren. Ein lückenloser Schutz ist in Pakistan ebenso wie in allen anderen Ländern der Erde aber nicht möglich. Vor Übergriffen radikaler Gruppen durch diese, ist man nirgends auf der Welt sicher. Von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden, Gefährdungssituation im Sinne des Artikel 3, EMRK ist aber nicht auszugehen.
Soweit der BF zur Bewegungsfreiheit ausführt, dass ihm diese nicht offen stehen würde, ist zwar zu bedenken, dass anhand der Berichtslage feststeht, dass Ahmadis eine Flucht nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, grundsätzlichen keinen sicheren Schutz vor Repressionen bietet, da die Sicherheit in Rabwah für Ahmadis von der Art der Verfolgung und dem Einfluss der verfolgenden Person abhängt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen.
Dass der BF derart exponiert sei, dass jene Personen, von denen die Gefahren ausgehen, über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, verfügen, ist im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich. Zudem handelt es sich beim BF um einen arbeitsfähigen Mann, der wenn auch zumindest vorübergehend mit Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt bestreiten kann. Zudem könnte der BF bei seiner Rückkehr Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Soweit moniert wird, dass der BF bei seiner Rückkehr bei einer Verlegung seines Wohnsitzes in einem anderen Teil Pakistans bzw. in Großstädten keine existentielle Grundlage hätte, muss dem entgegnet werden, dass es sich beim BF um einen arbeitsfähigen Mann handelt, der bei seiner Rückkehr - wenn auch nur vorübergehend - mit Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt bestreiten kann. Zudem steht ihm die Möglichkeit offen, Rückkehrhilfe zu beantragen.
römisch II.2.4. Das Vorbringen des BF - er sei aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Ahmadis bei seiner Rückkehr in Pakistan einer Verfolgung ausgesetzt - wird als nicht der Wahrheit entsprechend angesehen.
Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).
Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach Paragraph 7, AsylG [numehr: Paragraph 3, AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es bei den in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylweber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der aufgrund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Der BF wurde im Rahmen seines Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.
Befragt zu seinen Fluchtgründen schilderte der BF in seinen Einvernahmen vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht eine Bedrohungssituation, die im Detail betrachtet teilweise widersprüchlich, unschlüssig und in sich nicht nachvollziehbar ist. Zudem hat der BF versucht sein vor der belangten Behörde äußerst vage erstattetes Vorbringen nachträglich im Rahmen einer Beschwerdeergänzung bzw. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Gericht detailliert erscheinen zu lassen. Dieses Verhalten war jedoch nicht geeignet, das Vorbringen des BF in Bezug auf eine individuelle Bedrohungslage zu unterstützen. Der BF hat somit ein individuelles Verfolgungsschicksal nicht substantiiert und glaubhaft geltend gemacht.
So gab der BF vor der belangten Behörde nach Befragung durch den Organwalter, ob seine bisherigen niederschriftlichen Angaben der Wahrheit entsprechen, an, dass diese Angaben nicht stimmen würden. Er möchte hier in Österreich arbeiten und auch seine Familie nachholen. Er habe falsche Angaben zu seiner Identität gemacht und möchte diese richtig stellen. Zu seinem Sachvortrag im Rahmen der Erstbefragung befragt - hier gab der BF zum Fluchtgrund an, er sei von der Laskare Taiba schikaniert und mit dem Umbringen bedroht worden - erörterte der BF, der Schlepper hätte ihn das so eingeredet. Deshalb habe er gelogen.
In Laufe der Einvernahme wurde der BF ausführlich dazu befragt, aus welchem Grund dieser in Österreich um Asyl angesucht habe. Nach Aufforderung die Flucht- und Asylgründe zu schildern, schilderte der BF, er sei Ahmadi. Er wolle hier arbeiten. Weitere konkrete Beweggründe für seine Flucht erörterte der BF von sich aus in keinster Weise.
Erst nach weitergehender Befragung durch den zuständigen Organwalter gab der BF äußerst vage und oberflächlich an, dass seine Familie 2004 einmal geschlagen worden sei. Das wäre das einzige Mal gewesen, als dem BF konkret etwas passiert sei. Er könne aber diesbezüglich keine konkreten Angaben machen, er wisse nichts. Es seien Unbekannte gewesen, die die Familie schlugen. Dazu gänzlich widersprüchlich ergänzte der BF, dass seine Familie auch 2005 einmal geschlagen worden sei, sonst sei ihm nichts passiert.
Wird der Sachvortrag des BF in Bezug auf die Vorfälle im Jahr 2004 und 2005 betrachtet, fällt auf, dass dieser äußerst vage und oberflächlich ist. Der BF wurde bspw. vom Organwalter der belangten Behörde befragt, ob er wisse, wer seine Familie geschlagen habe bzw. warum. Darauf gab der BF an, es wären Unbekannte gewesen. Er könne keine konkreten Angaben machen. Er wisse nichts. Dezidiert dahingehend befragt, ob er bezüglich der beiden Vorfälle seine Angaben konkretisieren könne, gab der BF an, nein, das könne er nicht. Es wären Kriminelle, Unbekannte gewesen, die die Familie geschlagen hätten.
Der BF war folglich nicht in der Lage eine Bedrohung oder Verfolgung detailliert glaubhaft zu machen. Eine solche Glaubhaftmachung setzt nämlich voraus, dass der BF unter Beachtung des Einzelfalles, insbesondere auch seines angegebenen Herkommens, Bildungsstand und des Alters, im Kern des vor der belangten Behörde in der Einvernahme manifestierten Vorbringens wesentlich gleichbleibende und nicht abweichende und möglichst detaillierte und konkrete Angaben macht. Dies ist hier nach Überzeugen des erkennenden Gerichtes aber nicht gegeben. Der BF ist ein junger, gesunder Mann mit mehrjähriger Schulausbildung, im Verfahren kamen keine Hinweise hervor, dass der BF nicht in Lage sei, die Bedrohungslage umfassend darzulegen, sodass aufgrund der oben angeführten Schilderung vor der belangten Behörde nur der Schluss gezogen werden kann, dass der BF nicht tatsächlich Erlebtes seinem Vorbringen zu Grunde legt.
Der belangten Behörde ist folglich beizupflichten, dass sich das Vorbringen des BF im Rahmen seiner freien Schilderung - und auch darüber hinaus - als vage und allgemein gehalten darstellt. Es ist davon auszugehen, dass der BF sich auf wenige allgemein gehaltene Ausführungen beschränkte, welche nicht den Anforderungen der Realkennzeichen eines den Tatsachen entsprechenden Vorbringens erfüllen. So zeichnet sich doch die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich -wie im gegenständlichen Fall objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weitschweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung, Zeit-Ort-Verknüpfungen und an auch oft unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten.
Im konkreten Fall vermochte der BF jedoch diesen Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes nicht zu entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen ist festzustellen, dass die präsentierte Fluchtgeschichte wenig detailreich und zu oberflächlich dargelegt wurde, um sie als glaubhaft zu qualifizieren.
Die seitens der belangten Behörde verfasste Niederschrift weist alle im Paragraph 14, Absatz 2, AVG geforderten Merkmale (Ort, Zeit und Gegenstand der Verhandlung; Benennung der Behörde und Name des Leiters der Amtshandlung, des Asylwerber und des Dolmetschers, eigenhändige Unterschrift des Leiters der Amtshandlung) auf und ist außerdem nicht nur vom Leiter der Amtshandlung und dem Dolmetsch, sondern auch vom Asylwerber bzw. nunmehr Beschwerdeführer unmittelbar nach dem Satz "mir wurde der Inhalt der Niederschrift vom Dolmetsch zur Kenntnis gebracht und ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen" - eigenhändig gefertigt. Die Niederschrift macht damit gemäß Paragraph 15, AVG vollen - durch Gegenbeweis widerleglichen Beweis.
Der BF hat weder unmittelbar nach Abfassung der Niederschrift Einwendungen gegen dieselbe erhoben noch in seiner Beschwerde vom 20.02.2013 die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift in Frage gestellt bzw. Umstände geltend gemacht, die ihn daran gehindert hätten seine Fluchtgründe umfassend und detailliert darzulegen. Der BF hat zwar im Rahmen seines Beschwerdeschreibens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, somit die nochmalige Einvernahme des BF, aber nicht zum Beweis der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der erfolgten Protokollierung, ansonsten wäre dies vermerkt worden.
Wenn der BF nunmehr in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 10.11.2014 bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht zusammengefasst vorbringt, dass er im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde seine Fluchtgründe nicht umfassend darlegen konnte, werden diese Angaben des BF als Schutzbehauptung und somit nicht als der Wahrheit entsprechend gewertet.
Die rechtsfreundliche Vertretung führte in der Stellungnahme vom 10.11.2014 aus, dass der BF in einem Gespräch mit dieser anführte, er sei im Rahmen seiner Einvernahme durch den Beamten eingeschüchtert worden. Der Organwalter sei immer wieder laut und heftig geworden und deshalb sei der BF verwirrt geworden und habe deshalb seine eigene Geschichte nicht erzählen können. Seine Angaben seien zudem nicht richtig niedergeschrieben worden. So habe er mit Sicherheit nicht angegeben, dass er keine konkreten Angaben bezüglich des Vorfalles im Jahr 2004 machen könne, auch habe er nicht gesagt, dass "wir 2005 noch einmal geschlagen" wurden, da der damalige Angriff von den Angreifern abgebrochen worden sei und diese die Flucht ergriffen hätten. Der Beamte hätte nur fragen müssen, wie das damals alles passiert sei. Im Protokoll stehe, dass die Täter "unbekannte Kriminelle" gewesen seien und der BF diese Angaben "nicht konkretisieren" könne, dass stimme so nicht. Es wären keine normalen Kriminellen, sondern religiöse Extremisten gewesen.
Wie bereits oben angeführt, liefert die Niederschrift im gegenständlichen Verfahren gemäß Paragraph 15, AVG vollen Beweis. Nach ständiger Judikatur hat derjenige, der die Unvollständigkeit und Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsachen konkrete Gründe zur Entkräftung der Beweiskraft der Niederschrift vorzubringen (zB dass seine Einwendungen nicht protokolliert worden seien) und entsprechende Beweisanträge zu stellen (VwGH 25.5.2000, 98/07/2007/0027; 18.10.2001, 2001/07/0074; vergleiche auch VwGH 27.6.2013, 2010/07/0183), während bloß auf Mutmaßungen gegründete Zweifel an der Vollständigkeit der Protokollierung für den Gegenbeweis nicht genügen (VwGH 31.8.1999, 99/05/0055; 26.5.2004, 2001/08/0026).
Der BF hat in diesem Kontext kein konkretes, glaubwürdiges Vorbringen erstattet, welches geeignet war die behauptete unterlassene bzw. unrichtige Protokollierung bzw. das vorgebrachte Verhalten des Organwalters zu bestätigen. Die Behauptungen sollen offenbar lediglich dazu dienen ein Fluchtvorbringen zu erstatten, welches geeignet ist, den Aufenthalt des BF in Österreich zu sichern.
Es ist auch darauf hinzuweisen, dass es dem BF bereits im Rahmen der Einvernahme durch einen Organwalter bekannt war, dass es ihm obliegt, sein Vorbringen möglichst genau zu schildern und ist gerade auch im Asylverfahren auf die Mitwirkung des Asylwerbers besonders Bedacht zu nehmen und traf der Gesetzgeber auch entsprechende rechtliche Anordnungen (Paragraphen 15,, 18 Absatz 2, AsylG 2005 [RV zu Paragraph 18, Absatz 2, leg cit: "... Wer Interesse an einer Schutzgewährung hat, wird auch am Verfahren zur Erlangung des Schutzes mitwirken; wer hingegen die Asylbehörden über Tatsachen zu täuschen versucht, glaubt zumindest keine echten Schutzgründe zu haben. ..."]) und im Rahmen der Beweiswürdigung - und damit auch bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung - zu berücksichtigen (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 385 mwN auf die Judikatur des VwGH).
Auch wurde dem BF im Rahmen der durchgeführten Manuduktion auf die Wichtigkeit der Mitwirkung im Verfahren und die Gewichtung ihrer Angaben hingewiesen. So wurde ihm im am Beginn des Verfahrens ausgefolgten Merkblatt ua. Folgendes mitgeteilt:
"Sie sind verpflichtet und es liegt in Ihrem Interesse, Ihr Anliegen wahrheitsgemäß und vollständig zu erzählen. ...
Begründen Sie ohne unnötige Verzögerung Ihren Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden kurz als Asylantrag bezeichnet). Legen Sie alle zur Begründung nötigen Anhaltspunkte bei Nachfrage wahrheitsgemäß dar!
...
Machen Sie wahrheitsgemäße Angaben zu den Asylgründen und zu Vorkommnissen, nach denen die Behörde ausdrücklich fragt.
...
Bei dieser Einvernahme müssen Sie Ihren Asylantrag begründen. Tragen Sie bitte vor, aus welchen Gründen Sie Furcht vor Verfolgung haben. Führen Sie auch an, welche sonstigen Tatsachen und Umstände Sie an einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat hindern.
...
Es ist sehr wichtig, dass Sie Ihr persönliches Schicksal und die Ihnen konkret drohenden Gefahren vollständig, detailliert und nachvollziehbar darlegen. ...
Die Einvernahme ist der wichtigste Teil Ihres Asylverfahrens. Sie bildet die Grundlage für die Entscheidung der Behörde, ob Ihnen Asyl gewährt werden kann.
..."
Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sich der BF über seine Obliegenheit, sein Vorbringen wahrheitsgemäß, vollständig und detailreich zu schildern im Bilde war, dieser Schilderung die Stellung einer zentralen Erkenntnisquelle im Verfahren zukommt und ist in diesem Zusammenhang auch festzuhalten, dass in aller Regel das Vorbringen des BF den Rahmen amtswegiger Ermittlungspflicht absteckt. Darüber hinausgehende Ermittlungen würden in aller Regel nicht zulässige Erkundungsbeweise darstellen (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu Paragraph 46, mwN). Der BF wurde auch zu Beginn seiner Einvernahme vor der belangten Behörde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es unumgänglich ist die Wahrheit zu sagen und dass alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbstständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.
Dass dem BF die Bedeutung seiner Angaben vor der belangten Behörde bewusst war, zeigt der Umstand, dass der BF zu Beginn seiner Einvernahme klarstellte, dass er bisher - gemeint ist im Rahmen seiner Erstbefragung - nicht die Wahrheit gesagt habe. Er stellte seine Identität richtig und verdeutlichte, warum er bisher nicht korrekte Angaben machte. So schilderte der BF, der Schlepper hätte ihm das so eingeredet. Davon dass der BF Angst vor dem Organwalter gehabt hätte, ist aus diesem Verhalten des BF in keinster Weise ableitbar. Vielmehr zeigt das Verhalten des BF - er gab von sich aus an, dass er im Rahmen der Erstbefragung nicht die Wahrheit gesagt habe, dass der BF Vertrauen zum Organwalter hatte, ansonsten hätte er diesen Sachvortrag nicht getätigt.
Wenn der BF im Schriftsatz vom 10.11.2014, welche durch Unterstützung der rechtsfreundlichen Vertretung erfolgte - sein Vorbringen erstmals konkretisiert bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht dieses Vorbringen erneut erstattet, ist zudem festzuhalten, dass ihm die Erstattung eines dermaßen konkreten Vorbringens - falls es sich tatsächlich zugetragen hätte - auch bereits in der Einvernahme vor der belangten Behörde möglich gewesen wäre. Auffallend und nicht irgendwie verständlich ist, dass der BF im Rahmen seines Beschwerdeschreibens - obwohl der BF damals bereits durch eine gewillkürte Vertretung unterstützt wurde - derartiges nicht vorbrachte. Die nachträglichen umfassenden Ergänzungen weisen aus Sicht des erkennenden Gerichtes vielmehr daraufhin, dass der BF versucht nachträglich sein vages Vorbringen wahrheitswidrig detailreich erscheinen zu lassen. In diesem Kontext muss nämlich berücksichtigt werden, dass der BF ab dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Argumente der belangten Behörde kannte und ist der BF in der Formulierung der Stellungnahme bzw. auch im Rahmen seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht bestrebt, diese Argumente zu relativieren.
Es wird darauf hingewiesen, dass dem BF im vorliegenden Fall im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde ausreichend Gelegenheit eingeräumt wurde, alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände anzuführen. Und obwohl der BF seitens des Bundesasylamtes aufgefordert wurde, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen (Mitwirkungspflicht), wurde die Fluchtgeschichte vom BF in äußerst unschlüssiger und somit unglaubwürdiger, Art und Weise geschildert.
Das Bundesasylamt beließ es bei den Einvernahmen nicht bei offenen Fragen, sondern versuchte auch durch konkrete Fragestellung den Ausreisegrund und zu erwartende Rückkehrprobleme zu erhellen, was nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch hinreichend geschehen ist. Die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlungspflicht geht aber nicht so weit dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen, z.B. im Heimatland des BF, durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/199)) dazu Veranlassung geben (VwGH 04.04.2002, 2002/08/022).
Wenn der BF nunmehr ausführliche Angaben betreffend der Vorfälle im Jahr 2004 und 2005 tätigt und dezidiert angibt, dass die Angreifer vermutlich religiöse Personen gewesen wären, die der Laskar-e-Taeba angehören, hat der BF nicht darlegen können, warum er diese Details erst so spät im Verfahren tätigt bzw. ist dem Gericht auch nicht ersichtlich, inwiefern der BF wissen konnte, dass es sich bei den ihm nicht bekannten Personen um Angehörige dieser Organisation handeln sollte.
Dass der BF offensichtlich versucht sein Vorbringen irgendwie schlüssig zu gestalten, wird auch dadurch deutlich, dass der BF befragt, warum dieser im Rahmen seiner Erstbefragung eine falsche Identität preis gab und anführte, dass er die römisch 40 besuchte, vor dem erkennenden Gericht angab, er habe Angst gehabt, dass weitere Personen, die mit ihm aufgegriffen wurden, erfahren, dass er ein Ahmadi sei. Vor der belangten Behörde hingegen gab der BF an, er habe deshalb einen falschen Namen angegeben, da der Schlepper ihm das so eingeredet habe. Nicht verständlich ist zudem dass der BF entgegen seinen Ausführungen vor der belangten Behörde in Bezug auf seine beruflichen Tätigkeiten vor dem erkennenden Gericht anderslautende Angaben machte. So schilderte der BF, dass er bis zu seiner Ausreise als Autolackierer in einer Werkstatt in der Nähe von römisch 40 tätig war, während der BF vor dem erkennenden Gericht anführte, dass er seit 2005 privat Autos reparierte. Er habe auch Geld bzw. Ersparnisse gehabt. Nach Vorhalt seiner Angaben vor der belangten Behörde änderte der BF seinen bisherigen Sachvortrag dahingehend ab, indem er ausführte, er habe zwar - vor dem erkennenden Gericht - das Wort Mechaniker verwendet, er habe aber als Autolackierer gearbeitet. Er habe privat gearbeitet. Vor dem Jahr 2005 sei er in einer Werkstatt beschäftigt gewesen, nachher nicht mehr durchgehend. Er habe nur ab und zu dort gearbeitet. Eine derartige Abänderung des Vorbringens in Bezug auf nichtasylrelevante Umstände deutet daraufhin, dass der BF offensichtlich bestimmte Umstände verschleiern möchte.
Bezugnehmend auf den Sachvortrag des BF, er habe in Pakistan seinen Glauben nicht öffentlich ausüben können, muss diese Schilderung als nicht der Wahrheit entsprechend angesehen werden. Hier sei etwa auf den Sachvortrag des BF vor dem erkennenden Gericht hinzuweisen. Der BF erörterte nach entsprechender Befragung, dass er seinen Glauben in Pakistan insofern ausgeübt habe, indem er wie die Ahmadis gefastet und gebetet habe. Etwaige Probleme oder Hindernisse im Zusammenhang mit seiner Glaubensausübung brachte der BF von sich aus in keinster Weise vor. Erst als der BF befragt wurde, ob er jemals konkret aufgrund seiner Glaubensrichtung Probleme in Pakistan gehabt hätte, erörterte der BF er könne in Pakistan seinen Glauben nicht öffentlich ausüben, denn auf den Wänden, auf den Straßen überall habe man geschrieben, tötet die Ahmadi. Nachgefragt inwiefern der BF seinen Glauben nicht ausüben konnte, schilderte der BF, er könne nichts öffentlich machen, weder fasten noch beten noch die Rituale der Ahmadis ausüben. Zu diesem Sachvortrag ist anzuführen, dass der BF anfänglich in keinster Weise vorbrachte, dass er seine Religion nicht öffentlich ausüben konnte, sodass das erkennende Gericht davon ausgeht, dass der BF erst auf etwaigen Probleme im Rahmen seiner Glaubensausübung angesprochen, Umstände preis gab, die offenbar lediglich dazu dienen sollten, seine Rückkehrsituation in Pakistan dergestalt darzulegen, sodass ein Rückkehrhindernis entstehen sollte.
Derartige Probleme brachte der BF zudem im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde nicht vor. Vielmehr legte er dar, dass er ein Pakistani sei, er gehöre keiner Minderheit an. Er gehöre den Ahmadis an. In römisch 40 würden viele Ahmadis leben. Dass Ahmadis bzw. der BF Probleme aufgrund der Religionsausübung hätten, erwähnte der BF nicht. Er brachte vielmehr vor, dass es in Pakistan für Ahmadis keine Sicherheit gebe. Unbekannte könnten den BF immer wieder schlagen. Es sei keine staatliche Verfolgung. Es gebe dort keinen Frieden. Im gegenständlichen Fall ist somit in diesem Zusammenhang besonders darauf hinzuweisen, dass der BF sein Vorbringen insbesondere im Hinblick auf die allgemeine Lage der Ahmadis in Pakistan bzw. seiner Rolle erheblich steigerte.
Soweit das im Beschwerdeschreiben seitens des BF angeführte Urteil des EuGH vom 05.09.2012 sowie Erkenntnisse des Asylgerichtshofes zu berücksichtigen sind, kann das erkennenden Gericht dadurch keine anderslautende Schlussfolgerung treffen.
Im Urteil vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C-71/11 und Z C-99/11, BRD vs Y und Z äußerte sich der Gerichtshof der Europäischen Union (Große Kammer) in einem Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der Artikel 2, Litera c,, Artikel 4,, Artikel 9, Absatz eins und Artikel 10, Absatz eins, Litera b, der Statusrichtlinie, Richtlinie 2004/83/EG im Zusammenhang mit der Lage der religiösen Minderheit der Ahmadis aus Pakistan ("...- Artikel 2, Buchst. c - Flüchtlingseigenschaft - Artikel 9, Absatz eins, - Begriff "Verfolgungshandlungen" - Artikel 10, Absatz eins, Buchst. b - Religion als Verfolgungsgrund - Verknüpfung zwischen diesem Verfolgungsgrund und den Verfolgungshandlungen - Pakistanische Staatsangehörige, die Mitglieder der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft sind - Handlungen der pakistanischen Behörden, mit denen das Recht, seine Religion öffentlich zu bekennen, ausgeschlossen wird - Handlungen, die so gravierend sind, dass der Betroffene die begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion haben kann - Individuelle Prüfung der Ereignisse und Umstände - Artikel 4 ", ;, siehe hierzu auch Pressemitteilung des EuGH vom 5.9.2012 Nr. 108/12). Um den dort durch Auslegung der betreffenden Bestimmungen, welche bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides schon Bestandteil des Acquis coummunautaire waren und im innerstaatliche Recht umgesetzt wurden, beschriebenen Erwägungen bzw. Anforderungen im Asylverfahren gerecht werden zu können, bedarf es in jenen Fällen, in denen der Asylwerber ein Ahmadi aus Pakistan ist, sichtlich eines hohen Ermittlungs- und Feststellungsaufwandes.
Im gegenständlichen Verfahren kann vor dem Hintergrund der Ausführungen des EuGH im Urteil vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C-71/11 und Z C-99/11, BRD vs Y und Z davon ausgegangen werden, dass seitens der belangten Behörde bzw. nunmehr durch das erkennenden Gericht ausreichend konkrete Feststellungen zur Lage der Ahmadis getroffen wurden bzw. die individuelle Lage des BF in seinem Herkunftsstaat ausreichend konkret erfragt wurde, um die durch das genannte Urteil aufgeworfenen Fragen zur Lage der Ahmadis im Allgemeinen und des BF im Besonderen ausreichend beantworten zu können.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass der BF zwar den Ahamdis angehört, jedoch keinen individuell gegen ihn gerichteten Übergriffen aufgrund seiner Religionszugehörigkeit ausgesetzt war.
Zur Lage der Ahmadiyya allgemein ist festzuhalten, dass sich aus den getroffenen Feststellungen zwar ergibt, dass es zu Übergriffen kommen kann, es ergibt sich hieraus jedoch auch, dass die überwiegende Zahl der Ahmadis in Pakistan unbehelligt lebt. Es ist letztlich daher im Rahmen eines Vergleichs der Anzahl der Ahmadis in Relation zu den dokumentierten Übergriffen festzuhalten, dass Übergriffe zwar möglich, aber nicht maßgeblich wahrscheinlich sind.
Etwaige beantragte Erhebungen vor Ort waren nicht erforderlich. Bezugnehmend auf den Antrag des BF einen länderkundigen Sachverständigen zum Beweis der Richtigkeit der Angaben des BF und dem Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhaltes zu bestellen, ist festzustellen, dass derartige Schritte nicht erforderlich waren, zumal die Schlüssigkeit und Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Beweiswürdigung nicht substantiiert entkräftet wurde und durch erneute Befragung durch das erkennende Gericht der asylrelevante bzw.entscheidungsrelevante Sachverhalt erhoben werden konnte. Der Sachverhalt bezüglich dieser Frage ist auf Grund der obigen Ausführungen als geklärt anzusehen, weshalb nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu Paragraph 52, AVG).
Im Übrigen käme dies auch einem Antrag auf einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis gleich. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht nicht iSd Paragraphen 37, in Verbindung mit 39 Absatz 2, AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu Paragraph 46, mwN).
römisch II.2.6. Abschließend darf darauf hingewiesen werden, dass die Angaben des BF bzgl. einer Integration in Österreich der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
römisch II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter
Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
römisch II.3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 in der Fassung BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Paragraph eins, BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 144 aus 2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gem. Paragraphen 16, Absatz 6,, 18 Absatz 7, BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
römisch II.3.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen
Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.
Gem. Paragraph 75, Absatz 19, AsylG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen.
Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Paragraph 75, Absatz 19, AsylG in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz
1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,
2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,
3. den zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 4, des Bundesasylamtes,
4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 4, folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,
5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 7, aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder
6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 9, aberkannt wird,
so hat das Bundesverwaltungsgericht gem. Paragraph 75, Ab. 20 AsylG in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Ziffer 5 und 6 darf kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegen.
Zu A)
römisch II.3.4. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 3, AsylG lauten:
"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) ...
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat.
..."
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (Paragraph 4, AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (Paragraph 4 a, AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (Paragraph 5, AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.
Flüchtling im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt vergleiche VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).
Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben des BF in Bezug auf die oben angeführten Vorfälle als wahr. Die von der BF behauptete individuelle Bedrohung konnte jedoch nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Auch konnte im Rahmen einer Prognoseentscheidung vergleiche Putzer - Rohrböck, Leitfaden Asylrecht (2007) [48]) nicht festgestellt werden, dass der BF nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr von Übergriffen zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194). Hier wird auf die bereits getroffenen Feststellungen verwiesen.
Im gegenständlichen Fall ist auch darauf hinzuweisen, dass die sich aus der allgemeinen Berichtslage ergebenden Beeinträchtigung der Ahmadiyya nicht die zur Gewährung von Asyl erforderliche Intensität erreichen. So reichen etwa unspezifizierbare Verfolgungshandlungen von nur geringer Schwere nach ständiger Judikatur des VwGH nicht aus, solange sie nicht eine derartige Intensität erreichen, dass deshalb ein weiterer Aufenthalt des BF im Herkunftsstaat als unerträglich anzusehen wäre (VwGH 7. 10. 1993, 93/01/0942; 7. 10. 1993, 93/01/0872; 7. 11. 1995, 95/20/0080; 25. 4. 1995, 94/20/0762). "(...) Benachteiligungen (allgemeine Geringschätzung, Benachteiligung und Schikanen)(erreichen) insgesamt noch nicht eine derartige Intensität (...), dass deshalb ein weiterer Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin in ihrem Heimatland als unerträglich oder unzumutbar anzusehen wäre" (VwGH 23. 5. 1995, 92/20/0808). Weiters führte der VwGH aus, "dass auch aus allgemeinen Verhältnissen im Heimatland eines Asylwerbers nach den Umständen des Einzelfalles ... auf die konkrete Verfolgung einer Person rückgeschlossen werden
kann. ... Erst aus einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles
kann abgeleitet werden, inwieweit Intensität und Qualität der befürchteten Verfolgung Asylrelevanz aufweisen oder nicht" (VwGH 6. 3. 1996, 95/20/0210) und "dass bei wirtschaftlichen Maßnahmen, wie etwa bei Enteignungen, das in diesem Zusammenhang für die Annahme einer Verfolgungsgefahr erforderliche Ausmaß an Intensität der staatlichen Maßnahme nur bei Bedrohung der (wirtschaftlichen) Existenz des Beschwerdeführers erreicht wäre" (VwGH 27. 7. 1995, 95/19/0048; vergleiche auch VwGH 23. 2. 1994, 93/01/0586; 27. 4. 1994, 93/01/0487; 19. 5. 1994, 94/19/0716; 25. 4. 1995, 94/20/0762; 25. 4. 1995, 94/20/0790; 30. 4. 1997, 95/01/0529; 8. 9. 1999, 98/01/0614).
Zum notorisch bekannten Urteil des EuGH vom 5.9.2012, C-71/11, C-99/11 ist festzustellen, dass in dieser Entscheidung zum Ausdruck gebracht wird, dass ein solches Glaubensverbot nur dann eine für die Verfolgungshandlung erforderliche objektive Schwere darstellt, wenn der BF durch Ausübung seiner Religion mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Diese geforderten Voraussetzungen sind jedoch nach den oa. Feststellungen im gegenständlichen Fall nicht gegeben, sodass der genannten Entscheidung nicht näher nachzugehen ist. Dass es dem BF nicht möglich war, seinen Glauben in seinem Herkunftsdorf nicht im gewünschten Umfang im Wesentlichen auszuüben, geht sowohl aus seinen Aussagen als auch aufgrund der vorliegenden - objektiven - Dokumentation der vorherrschenden Verhältnisse nicht glaubwürdig hervor. Somit ist auch nicht erkennbar, inwiefern hier der BF individuelle Sanktionen (Diskriminierung bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung) bei offener Religionsausübung in seinem Heimatland drohen würden. Dass der BF auch in der Lage ist, seinen Glauben öffentlich auszuleben wird auch dadurch deutlich, dass er anfänglich angab, er habe gefastet und gebet wie die Ahmadis. Dem erkennenden Gericht erscheint es in diesem Zusammenhang jedoch auch noch wichtig, festzustellen, dass diese Glaubensfreiheit nicht nur auf das Heimatdorf des BF beschränkt sondern auch in anderen Teilen Pakistans gegeben ist. So stellen zB in Rabwah die Ahmadis die Glaubensmehrheit und leben überwiegend in Eintracht mit anderen Religionen und von den Behörden unbehelligt.
Die Mitgliedschaft bei der Ahmadiyya-Gemeinde ist laute Berichtslage nicht mit Strafe bedroht. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Pakistan nicht bloß die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde von den Blasphemiegesetzen betroffen sind, sondern handelt es sich hierbei um generell-abstrakte Normen, welche sich in Pakistan an jedermann, auch den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften richten und die nicht zielgerichtet ausschließlich oder überwiegend gegen die Ahmadis gerichtet sind.
Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.
römisch II.3.5. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 8, AsylG lauten:
"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. ...
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung
nach Paragraph 3, ... zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
..."
Bereits Paragraph 8, AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Artikel 2, EMRK lautet:
"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Artikel 3, EMRK lautet:
"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Artikel eins, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Artikel 3, EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Artikel 3, EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden vergleiche etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Artikel 3, EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:
VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des BF zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Artikel 3, EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt vergleiche Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Artikel 3, EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Artikel 3, EMRK führen vergleiche für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gem. der Judikatur des EGMR muss der BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, Sitzung 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus vergleiche EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: römisch zehn u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, Sitzung 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle vergleiche VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] Paragraph 8, Absatz eins, AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre vergleiche VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des BF (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiters festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, erwachsenen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen jungen Mann. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für seine Existenzsicherung aufkommen kann.
Auch steht es dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.
Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
Die Zumutbarkeit der Annahme einer - ggf. auch unattraktiven - Erwerbsmöglichkeit wurde bereits beispielsweise im Erk des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 mwN bejaht.
Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass der BF nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in seinem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des Paragraph 8, AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.
römisch II.3.6. Behebung von Spruchpunkt römisch III des angefochtenen Bescheides
Aufgrund Paragraph 10, AsylG in der Fassung des von der belangten Behörde zum Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden Bundesgesetzblatt Teil eins, 67 aus 2012, wurde die Ausweisung des BF in dessen Herkunftsstaat verfügt.
Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr aufgrund der Übergangsbestimmung gem. Paragraph 75, Absatz 20, AsylG zu entscheiden, ob im gegenständlichen Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig oder ob das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen ist.
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. ...
2. ...
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. ...
5. ...
und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Ziffer eins bis 5 kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegt.
Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:
"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre."
Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz war abzuweisen. Es liegt daher ab Erlassung dieses Erkenntnisses kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.
Im gegenständlichen Fall kommt dem BF kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht zu.
Bei Ausspruch der Ausweisung könnte ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Artikel 8, Absatz eins, EMRK).
Zum Prüfungsumfang des Begriffes des 'Familienlebens' in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Artikel 8, EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Artikel 8, EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind vergleiche dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Artikel 8 ;, Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vergleiche auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vergleiche auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Artikel 8, EMRK fällt, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK", ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Artikel 8, EMRK vor vergleiche zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).
Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, römisch zehn ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).
Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Er möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit seiner Antragstellung am 28.06.2012 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Der BF erhält staatliche Unterstützung. Der BF wohnt privat. Der BF hat Freunde in Österreich. Der BF besucht einen Deutschkurs. Der BF beherrscht die deutsche Sprache ein wenig. Der BF arbeitet freiwillig in einem Altersheim und verrichtet dort Reinigungsarbeiten oder Arbeiten im Garten. Der BF ist unterstützendes Mitglied beim Roten Kreuz. Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Der BF hat in Österreich den Mopedführerschein gemacht.
Die Ausweisung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben.
Gem. Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK und ist der Eingriff in Paragraph 10, AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Artikel 8, EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Artikel 8, (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.
Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in der Form des AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt 29 aus 2009, entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Artikel 8, Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:
Auch
Bereits vor Inkrafttreten des durch Bundesgesetzblatt Teil eins, 38 aus 2011, in Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer 2, AsylG eingefügten Litera i,, welcher der nunmehrigen Bestimmung des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 9, BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, Sitzung 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Artikel 8, EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).
Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten der beschwerdeführenden Partei ergibt vergleiche hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:
Der BF hält sich seit seiner Antragstellung am 28.06.2012 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig, mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein und konnte seinen Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätte er diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wäre er rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.
Der BF verfügt über die oben beschriebenen - dem erkennenden Gericht von dem BF beschriebenen - privaten Anknüpfungspunkte.
Die BF begründete sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages unsicher war. Auch war der Aufenthalt des BF zum Zeitpunkt der Begründung allf. privater Anknüpfungspunkte ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.
Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Der BF erhält staatliche Unterstützung. Der BF wohnt privat. Der BF hat Freunde in Österreich. Der BF besucht einen Deutschkurs. Der BF beherrscht die deutsche Sprache ein wenig. Der BF arbeitet freiwillig in einem Altersheim und verrichtet dort Reinigungsarbeiten oder Arbeiten im Garten. Der BF ist unterstützendes Mitglied beim Roten Kreuz. Der BF hat in Österreich den Mopedführerschein gemacht.
In diesem Zusammenhang sei auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
Der BF verbrachte den überwiegenden Teil ihres Lebens in Pakistan, wurde dort sozialisiert und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Pakistan neben seinen dort noch lebenden Familienangehörigen auch andere Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundesund/oder Bekanntenkreises des BF existieren, da nichts darauf hindeutet, dass der BF vor seiner Ausreise in seinem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten des BF ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht vergleiche Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).
Der BF reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.
In Hinblick auf den gegenständlichen Fall ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Judikatur vergleiche U 145/2014-9 vom 06.06.2014) davon auszugehen, dass zwar ein einmaliges Vergehen in Form der illegalen Einreise zur Stellung eines Antrages auf internationalen Schutzes vorliegt, jedoch kann diese Verfehlung nicht maßgeblich bei einer Abwägung iSv Artikel 8, Absatz 2, EMRK sprechen. Faktoren der Einwanderungskontrolle und Erwägungen der öffentlichen Ordnung können zwar bei einer Abwägung iSv Artikel 8, Absatz 2, EMRK sprechen, dabei sind jedoch etwa zahlreiche Verfehlungen oder schwere bzw. beharrliche Vergehen gemeint.
Dem BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass dem BF die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass er in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätte.
Ein derartiges Verschulden ist anhand der Aktenlage nicht ersichtlich.
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Artikel 8, (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Absatz 2, EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).
Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst vergleiche Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).
Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.
Gem. Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privatund/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Absatz 2, leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich - abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG - seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. Paragraph 21, (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Ausweisung des Fremden bedarf.
Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.
Der Rechtsprechung des EGMR folgend vergleiche aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen vergleiche dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vergleiche dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war vergleiche Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.
Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.
In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Artikel 8, EMRK bewirkt.
Der GH führte weiters - wiederum auf seine Vorjudikatur verweisend - aus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer getroffen, weil es der Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall Erstbeschwerdeführerin trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.
Weiters wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:
Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Artikel 8, EMRK entstanden ist.
Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.
Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.
Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen und würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde vergleiche hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).
Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Standes des seitens des erkennenden Gerichts durchzuführenden Ermittlungsverfahrens kann nicht festgestellt werden, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und war daher das Verfahren gem. Paragraph 75, Absatz 20, AsylG zur (weiteren) Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz bzw. zum durch Artikel 8, EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.
Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtsache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte römisch eins und römisch II der angefochtenen Bescheide liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.
In Bezug auf die Anwendung der Übergangsbestimmung des Paragraph 75, Absatz 18, - 20 AsylG kann ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erblickt werden. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine Anordnung des einfachen Gesetzgebers, wie mit einer überschaubaren Zahl von Bescheiden des Bundesasylamtes, welche in dem dort beschriebenen Zeitfenster erlassen wurden, im Beschwerdeverfahren umzugehen ist und ist auf den eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen zu verweisen.
ECLI:AT:BVWG:2015:L512.1433080.1.00