Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

20.01.2015

Geschäftszahl

W158 1413843-1

Spruch

W158 1413843-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.05.2010, Zl. 09 09.235-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.12.2014, zu Recht erkannt:

A)

römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

römisch II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. wird gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

römisch III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des bekämpften Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria gemäß Paragraph 10, Absatz 5 und Absatz 2, Ziffer 2, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 idgF auf Dauer unzulässig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Nigeria stellte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 03.08.2009. Zur Begründung dieses Antrages brachte er am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor, Mitte Mai 2009 illegal und ohne Pass von römisch 40 ausgehend ca. einen Monat per Schiff und anschließend ca. drei Wochen per LKW geflohen zu sein. Als Fluchtgrund gab er an, der lokale Führer der römisch 40 in römisch 40 gewesen zu sein. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten wäre er Anfang Mai 2009 von der dortigen Polizei verhaftet und ca. 1-2 Wochen in einer Zelle festgehalten worden. Seine Mutter habe die Polizisten bestochen, ihn freizulassen. Anschließend wurde das Verfahren zugelassen.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 07.10.2009 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Ibo niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, bei einer Demonstration in der zweiten Maiwoche 2009 gewesen zu sein. Er wiederholte, dass er der Führer der lokalen XXXX-Bewegung in römisch 40 sei und nannte zwei weitere Mitglieder. Er gab an, dass bei der Demonstration viele Polizisten aufgetaucht und er verhaftet worden sei. Er sei zwei Wochen festgehalten und von drei Männern dreimal besucht worden. Auch seine Mutter habe ihn besucht. Die drei Männer hätten nach einem Gespräch mit seiner Mutter mit den Polizisten gegen Geld seine Freilassung ausgehandelt, widrigenfalls er getötet worden wäre. Er sei mit mindestens 15 anderen in der römisch 40 Police station festgehalten und letztlich mit drei anderen zusammen freigelassen worden. Ob bei der Demonstration jemand getötet worden sei, könne er nicht sagen, jedoch dass es Verletzte gegeben habe. Vor diesem Vorfall habe er noch nie Probleme wegen seiner Mitgliedschaft bei römisch 40 gehabt. Dass er der lokale Führer von römisch 40 sei, sei bekannt gewesen.

Daraufhin unterbrach das Bundesasylamt die Befragung zur Einholung von Informationen hinsichtlich der Demonstration im Mai 2009. Die Anfrage bei der Staatendokumentation ergab mit Antwort vom 12.01.2010, dass ein Dorf namens römisch 40 nicht bekannt sei, es aber eine römisch 40 Police station gäbe, man dort jedoch nichts von einer Demonstration im Mai 2009 wisse.

In einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen am 05.05.2010 gab der Beschwerdefüher an, seit 05.04.2010 traditionell mit einer Amerikanerin namens römisch 40 verheiratet zu sein, wobei die Eheschließung in Abwesenheit der Brautleute in Nigeria vollzogen worden sei. Er fotografiere als gelernter Fotograf gerne in der Kirche. Als seine letzte nigerianische Adresse gab der Beschwerdeführer römisch 40 römisch 40 - römisch 40 , römisch 40 römisch 40 , Imo State an. Er habe dort von seiner Geburt bis zu seiner Flucht aus Nigeria gelebt. Bei dieser Einvernahme wurde der Beschwerdeführer detailliert zur XXXX-Bewegung befragt. Zu den Rechercheergebnissen der Staatendokumentation vom 12.01.2010 gab er an, dass diese falsch seien. Er könne eine Herkunftsbescheinigung und eine Geburtsurkunde vorlegen. Unmittelbar bei seiner Flucht habe er keine Dokumente mitbringen können. Bei seiner Rückkehr befürchte er, getötet zu werden. Befragt gab der Beschwerdeführer die Namen seiner drei Mitgefangenen an. Weiters befragt gab er die Namen umliegender Dörfer von römisch 40 an.

Am 19.05.2010 legte der Beschwerdeführer ein Identification Certificate, eine eidesstaatliche Erklärung seiner Schwester hinsichtlich seines Geburtstages und ihres Verwandtschaftsverhältnisses und eine Geburtsurkunde, ausgestellt am 26.10.2010, vor.

2. Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 27.05.2010 ab und stellte unter einem fest, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt werde. Gleichzeitig wurde der Antragsteller aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. In den Bescheid aufgenommen wurden teilweise (nämlich ab AS 140 2. Absatz bis Seite 146 vorletzter Absatz) andere als die im Akt befindlichen Originalprotokolle der Einvernahmen vom 07.10.2009 und 05.05.2010. In der Beweiswürdigung wurde nur auf die Originalprotokolle Bezug genommen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingelangte und mit 14.06.2010 datierte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer sein Vorbringen wiederholte, die falsch zitierten Passagen rügte und eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens bzw. eine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragte.

4. Mit Fax vom 23.11.2010 langte ein Schreiben zur Bestätigung der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der XXXX-Bewegung ein.

5. Am 26.04.2012 langten folgende nachgereichten Beschwerdeunterlagen beim Asylgerichtshof ein:

6. Am 17.01.2014 langte eine Beschwerdeergänzung des Beschwerdeführers ein, in welcher er seine Beschwerdegründe im Wesentlichen wiederholte und Berichte zu polizeiliche Festnahmen und Misshandlungen von XXXX-Mitgliedern aus Zeitungsartikeln zitierte. Gemeinsam mit der Beschwerdeergänzung legte er eine rund 500 Unterschriften umfassende Unterstützungssammlung von Freunden und Bekannten vor sowie den Nachweis der Annullierung seiner Ehe.

7. Am 04.07.2014 langte eine Anfrage der Volksanwaltschaft zur Verfahrensdauer an.

8. Mit 25.08.2014 ging der Akt zuständigkeitshalber auf die Gerichtsabteilung W158 des Bundesverwaltungsgerichtes über und dem Beschwerdeführer die aktuellen Länderfeststellungen mit Schreiben vom 11.09.2014 zur Stellungnahme übermittelt. In der Stellungnahme vom 24.09.2014 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er aufgrund seiner Führungsposition besonders gefährdet sei, gefasst und inhaftiert zu werden. Er zitierte Informationen des kanadischen Immigration and Refugee Board, demzufolge 2010 über 1000 XXXX-Mitglieder, sowohl gewöhnliche als auch solche in Führungspositionen, verhaftet worden seien. Festgehaltene XXXX-Mitglieder würden gefoltert und/oder getötet werden. Der Beschwerdeführer befürchte das gleiche im Fall seiner Rückkehr. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative meinte er, er sei in der Igbo-Volksgruppe verwurzelt und es sei ihm unmöglich ohne seine Familie und seinen Stamm in einem anderen Teil Nigerias ein Leben aufzubauen. Als überzeugter Christ wäre es ihm auch nicht möglich, in den Norden des Landes, der mit Boko Haram in Verbindung gebracht werde, zu ziehen. Eine Rückkehrentscheidung sei unzulässig, da er in Österreich gut integriert sei, die Sprache spreche und zahlreiche Freunde hätte. Der Stellungnahe angehängt war ein Auszug aus dem Pfarrblatt seiner Pfarrgemeinde römisch 40 in römisch 40 und ein aktueller Strafregisterauszug.

9. Mit Schreiben vom 17.10.2014 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.12.2014 geladen.

10. Am 09.12.2014 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Beschwerdeführers aber in Abwesenheit des BFA statt, die im Wesentlichen folgenden

Verlauf nahm:

R: Erinnern Sie sich noch daran, was Sie in den Einvernahmen gesagt haben?

BF: Ja, ich weiß es noch.

Der BF legt noch zwei Dokumente vor: einen Bericht von TV/C News über die Gerichtsverhandlung des XXXX-Führers und einen Bericht von Amnesty International mit dem Titel "Welcome zu Hell Fire -Torture and other Ill-treatment in Nigeria". Der BF bringt dazu vor, dass er aufgrund der neuen Unterlagen große Angst hat, in sein Heimatland zurückzukehren.

R: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt nach Nigeria zurückkehren müssten?

BF: Ich habe 100% Angst. Ich berufe mich auf das vorgelegte Dokument. Mir würde das Gleiche passieren.

R: Sie sagen in der Stellungnahme vom 17.01.2014, dass das BFA in ihrem Bescheid teilweise aus der Vernehmung einer anderen Person zitiert hat. Was meinen Sie damit genau?

BF: Ich kann es mir nicht vorstellen, wie es dazu gekommen ist. Ich habe alle Interviews vom BFA mitgebracht. Im Bescheid des BFA ist ab Seite 4, 2. Absatz, bis zum Ende des im Bescheid aufgenommenen Interviews die Aussage einer anderen Person verwendet worden. Diese Aussagen sind nicht meine.

R: Wovon leben Sie derzeit?

BF: Ich bin Straßenzeitungsverkäufer in römisch 40 .

R: Haben Sie sonst noch Einkünfte?

BF: Nein.

R: Wo wohnen Sie?

BF: Ich wohne im Pfarrhof der Pfarre "XXXX" in römisch 40 .

R: Möchten Sie noch etwas zu Ihrer Integration vorbringen?

BF: Ich bin ganz zufrieden hier. Ich möchte in Zukunft auch zur Universität gehen. Ich möchte Leuten helfen. Ich habe sehr viel gelernt in der Kirche. Ich möchte vielleicht auch bei der Caritas Leuten helfen. Vielleicht wenn ich arbeite, kann ich auch anderen helfen.

R: Ins Protokoll aufgenommen wird, dass der BF alle Fragen auf Deutsch beantwortet.

R: Möchten Sie sonst noch etwas vorbringen?

BF: Ich habe schon fast alles gesagt. Die Leute denken meistens nicht, dass ich Asylwerber bin, so integriert bin ich. Ich bin fast jeden Tag in der Kirche.

Der BF legt vor: die Zeitschrift römisch 40 und zeigt darin ein Foto mit römisch 40 und ihm selbst.

Bei der Verhandlung sagten auch zwei Zeugen zur Integration des Beschwerdeführers und dessen Engagement in der Kirchengemeinde aus.

11. Zum Beweis seiner Integration legt der Beschwerdeführer im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung folgende Dokumente vor:

Eine Bestätigung der Straßenzeitung XXXX; ein Unterstützungsschreiben von Mitgliedern seiner Pfarrgemeinde; ein Unterstützungsschreiben des Priors der römisch 40 XXXX; eine Teilnahmebetätigung über einen Vortrag in einer neuen Mittelschule, den der BF gehalten hat; ein Empfehlungsschreiben der Caritas; einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag; Fotografien, die den Beschwerdeführer mit römisch 40 und an verschiedenen Sehenswürdigkeiten, wie Parlament und Rathaus zeigen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß Paragraph 6, des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 10 aus 2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 144 aus 2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. Paragraphen 16, Absatz 6,, 18 Absatz 7, BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß Paragraph 75, Absatz 19 AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 144 aus 2013, sind alle mit Ablauf des 31. Dezember beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen.

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Absatz 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes, jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes, den zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 4, des Bundesasylamtes, jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 4, folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes, den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 7, aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 9, aberkannt wird, so hat das Bundesverwaltungsgericht gem. Paragraph 75, Ab. 20 AsylG in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Ziffer 5 und 6 darf kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegen.

Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.

Gemäß Paragraph 28, Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß Paragraph 28, Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß Paragraph 28, Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Absatz 2, nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gegenständlich liegen die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vor.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Situation in Nigeria:

Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert, die von direkt gewählten Gouverneuren regiert werden (AA 28.8.2013; vergleiche AA 10.2013; vergleiche GIZ 10.2013a). Die Bundesstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente. Die PDP (People's Democratic Party) stellt derzeit 23 [Anm.: bzw. 16 siehe unten] Gouverneure, der ACN (Action Congress) 6, die ANPP (All Nigeria People's Party) 3, die APGA (All Progressives Grand Alliance) 2, die LP (Labour Party) und der CPC (Congress for Progressive Change) je einen Gouverneur (AA 10.2013).

Mit der Wahl Olusegun Obasanjos im Jahr 1999 war Nigeria zur Demokratie zurückgekehrt und verfügt seitdem über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Dem starken Präsidenten, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 28.8.2013; vergleiche AA 10.2013). Es dominieren der direkt gewählte Präsident und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Finanzverfassung ist trotz der bundesstaatlichen Gliederung zentralistisch. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 28.8.2013).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung. Die einzige große überregionale Partei ist die Regierungspartei PDP. Die größten Oppositionsparteien waren bisher jeweils nur in bestimmten Regionen eine ernsthafte Konkurrenz für die PDP. Der CPC und die ANPP haben vor allem im Norden ihre Hochburgen, während der ACN im Südwesten (insbesondere in Lagos) eine starke Position hat (AA 28.8.2013).

Im Hinblick auf die 2015 stattfindenden Präsidentschaftswahlen haben sich die vier Oppositionsparteien CPC, ACN, ANPP und APGA jüngst zu einer neuen Oppositionspartei namens "All Progressive Congress" (APC) zusammengeschlossen (GIZ 10.2013a; vergleiche AA 28.8.2013). Damit formierte sich erstmals seit 1999 eine ernstzunehmende Konkurrenz zur PDP (AA 28.8.2013). Die APC verfolgt das Ziel, 2015 die Regierung unter Goodluck Jonathan und die PDP als Regierungspartei abzulösen. Darüber hinaus gab es in letzter Zeit zunehmend Flügelkämpfe innerhalb der PDP, in Folge dessen sich sieben von 23 PDP-Gouverneuren (der insgesamt 36 Gouverneure Nigerias) von der Partei abgespalten haben. Sie beabsichtigen nun eine "neue PDP" zu gründen, da sie mit der aktuellen Politik Jonathans unzufrieden sind. Sie kritisieren v.a., dass dieser das Problem mit Boko Haram bislang nicht in den Griff bekommen und auch in Bezug auf die im Land vorherrschende Armut und den ausgeprägten Analphabetismus keine adäquaten politischen Maßnahmen eingeleitet habe (GIZ 10.2013a).

Bei den Wahlen vom April 2011 wurden neun Parteien ins Bundesparlament gewählt. Die PDP verfügt in beiden Häusern über die absolute Mehrheit (Senat: 75 Sitze, Abgeordnetenhaus: 204). Die APC verfügt über 30 Sitze im Senat und 135 Sitze im Abgeordnetenhaus. Fünf weitere Parteien sind aufgrund des Mehrheitswahlsystems nur mit wenigen Abgeordneten vertreten (AA 10.2013).

Der Wahlsieg von Präsident Goodluck Jonathan im April 2011 wurde von internationalen und nationalen Wahlbeobachtern übereinstimmend als weitgehend zufriedenstellend und transparent gewertet. Die EU sprach von den "bisher glaubwürdigsten Wahlen seit Rückkehr zur Demokratie 1999" (AA 28.8.2013; vergleiche AA 10.2013). Allerdings gab es bei den Wahlen zu Parlament und Gouverneuren Hinweise auf stärkere Manipulationen, die in manchen Regionen auch das Wahlergebnis beeinflusst haben dürften (AA 28.8.2013).

Staatspräsident Goodluck Jonathan bekennt sich grundsätzlich zur Rechtsstaatlichkeit und strebt eine nachhaltige, reformorientierte Wirtschaftspolitik an. Bisher gibt es jedoch keine greifbare Verbesserung der Lage der Bevölkerung (AA 28.8.2013). Die ersten Monate im Amt gelang es Präsident Jonathan, die angespannte Situation im Nigerdelta etwas zu beruhigen. Darüber hinaus engagierte er sich dafür, die Wirtschaft anzukurbeln, indem er u.a. den Kontakt mit den wirtschaftlich starken Länder Europas intensivierte (GIZ 10.2013a).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen großen - weitgehend informellen - Einfluss. Sie gelten als moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 10.2013).

Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.2.2014; BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Nigeria Country Report,

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI%202014%20Nigeria.pdf, Zugriff 18.2.2014; GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 19.2.2014

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 28.8.2013). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta. Während Spannungen und Gewalt im Nordosten und im Middle Belt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, gingen sie im Nigerdelta seit 2009 zurück (DACH 2.2013).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 27.3.2014).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi, in den nördlichen Teil von Plateau State (Jos und Umgebung) sowie nach Kano, Kaduna, Katsina, Gombe, Jigawa, Zamfara, Kebbi, Sokoto und Kogi (AA 27.3.2014). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 27.3.2014). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie in die Stadt Warri (UKFCO 18.2.2014).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlichXXXX und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 27.3.2014). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Sokoto, Zamfara, Kebbi, die Stadt Jos und die LGAs Riyom und Barkin (Plateau), die Region Okene (Kogi), die restlichen Gegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers und Akwa Ibom sowie in nach Abia (UKFCO 18.2.2014). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 27.3.2014).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 27.3.2014) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet. Nach den Wahlen 2011 kam es in weiten Gebieten Nord- und Zentralnigerias zu gewaltsamen Unruhen, bei denen mehrere hundert Menschen ums Leben kamen. Besonders betroffen waren die Bundesstaaten Kaduna und Bauchi. In Wahlkampfzeiten kommt es regelmäßig zu teilweise massiven Vorfällen (Einschüchterung und Bedrohung des politischen Gegners bis hin zu Körperverletzung und Totschlag, Störung von Wahlkampfveranstaltungen) (AA 28.8.2013).

Als stellvertretendes Beispiel hinsichtlich der Sicherheitslage in Nigeria sei der 25.3.2014 genannt. An diesem Tag wurden bei kommunalen Angriffen von Fulani im Bundesstaat Benue mindestens 25 Menschen getötet. Bei diesen Auseinandersetzungen wurden im Bundesstaat Nasarawa 20 Menschen getötet, mehrere Häuser und Fahrzeuge wurden niedergebrannt; im Bundesstaat Plateau kamen zwei Menschen ums Leben, zahlreiche wurden verletzt. In Maiduguri im Bundesstaat Borno rammten Selbstmordattentäter einen Polizeiwagen. Fünf Polizisten, drei Zivilisten und die beiden Attentäter wurden getötet, zahlreiche Personen verletzt. Derweil konnte die Polizei im Bundesstaat Kaduna einen Sprengsatz entschärfen (ALL 26.3.2014b).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AA - Auswärtiges Amt (27.3.2014): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise

(Teilreisewarnung),http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 27.3.2014; ALL - All Africa/Leadership (26.3.2014b): Benue, Borno, Nasarawa, Plateau - Five Policemen, 52 Others Killed in Attacks, http://allafrica.com/stories/201403260187.html?viewall=1, Zugriff 26.3.2014; BMEIA - Außenministerium (27.3.2014):

Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 18.2.2014; DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013): D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 18.2.2014; UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (18.2.2014): Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 18.2.2014

Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013). Von 2000 bis 2010 entwickelten sich im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen. Die wichtigsten Gruppierungen wurden die Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) und die Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND) (AA 28.8.2013). Bis zum Amnestieangebot im Jahr 2009 hat vor allem die MEND in der Region den bewaffneten Kampf gegen die Regierung geführt. Die MEND war verübte selbst noch im Oktober 2010 Angriffe und Attentate (DACH 2.2013).

Mit dem im Juli 2009 vom damaligen Präsidenten Yar'Adua verkündeten Amnestieangebot für die Militanten im Nigerdelta ist seiner Regierung bei der Lösung des Konflikts ein bedeutender Schritt und ein überraschender Erfolg gelungen: Alle bekannten Milizenführer nahmen das Amnestieangebot an. Ein Reintegrationsprogramm für 20.000 ehemalige Kämpfer hat Mitte 2010 begonnen. Präsident Jonathan, selbst aus dem Ölstaat Bayelsa stammend, setzt das Amnestieprogramm fort. Allerdings kündigten die Milizenführer Henry Okah und John Togo die Amnestie 2010 wieder auf. Der mutmaßliche MEND-Führer Henry Okah, sitzt derzeit in Südafrika in Haft und wurde dort im Januar 2013 verurteilt. Als Reaktion auf seine Verurteilung drohte MEND in drastischen Worten mit Anschlägen in ganz Nigeria (AA 28.8.2013). Bislang wird die Amnestievereinbarung aber weitgehend eingehalten, so dass Kriminalität und Gewalt im Süden merklich zurückgegangen sind - wiewohl in letzter Zeit wieder ein Anstieg zu verzeichnen ist (AA 10.2013). Bis Ende 2012 haben 26.368 ehemalige Militante vom Amnestieprogramm profitiert. Viele der ehemaligen Militanten haben eine Arbeitsausbildung oder Stipendien erhalten (USDOS 19.4.2013).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 28.8.2013).

Das kostspielige Amnestieprogramm im Nigerdelta hat zwar die Gewalt reduziert, die strukturellen Probleme (Armut, Korruption, Umweltverschmutzung, Straffreiheit bei politischer Gewalt) wurden aber nicht angegangen (BS 2014; vergleiche HRW 21.1.2014). Im Juni 2013 hat die Regierung angekündigt, dass das Amnestieprogramm im Jahr 2015 endgültig beendet werde. Sie hat auch zugegeben, dass ihre eigene Unfähigkeit, für die ausgebildeten ehemaligen Rebellen eine Arbeit zu finden oder einen anderen Plan zu erstellen, die Region potentiell gefährlicher machen werde (HRW 21.1.2014). Gemäß den Aussagen vieler Experten bleibt die Situation im Nigerdelta instabil. Es ist nicht ausgeschlossen, dass frustrierte Militante früher oder später wieder zu den Waffen greifen (DACH 2.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.2.2014; BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Nigeria Country Report,

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI%202014%20Nigeria.pdf, Zugriff 18.2.2014; DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013): D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 18.2.2014; HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria,

http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html, Zugriff 18.2.2014; USDOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 18.2.2014

Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen (AA 10.2013). Die Vorkommnisse werden zwar oft als ethnisch-religiöse Kon-flikte aufgrund von Spannungen zwischen muslimischen und christlichen Einwohnern interpretiert. Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013).

Obwohl kommunale Auseinan¬dersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gra¬vierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaa¬ten Kaduna und Plateau, wo zahllose Men¬schen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht-indigene" Bürger, oder "Gastgeber" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013).

In einzelnen Fällen fordern Ausschreitungen dort mehrere hundert Tote (AA 10.2013). Derartige Gewalt führte im Jahr 2013 im Middle Belt, namentlich in den Bundesstaaten Plateau, Taraba, Benue und Nasarawa zu mehr als 400 Todesopfern. Die dafür Verantwortlichen wurden nicht zur Rechenschaft gezogen, weswegen ethnische und religiöse Gruppen in der Region damit begonnen haben, eigene Milizen aufzustellen. Die Diskriminierung von "nicht-Indigenen" durch Bundesstaats- und Lokalregierungen fördert die Unzufriedenheit (HRW 21.1.2014).

Zuletzt kamen am Wochenende zum 16.3.2014 im Bundesstaat Kaduna bei einem Überfall moslemischer Hirten auf christliche Bauern mindestens hundert Menschen ums Leben. Die Opfer waren verbrannt oder zerhackt worden. Über 2.000 Menschen wurden infolgedessen vertrieben (AFP 16.3.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.2.2014; AFP - Agence France Presse (16.3.2014): 100 killed in Nigeria attacks as gunmen storm villages, http://reliefweb.int/report/nigeria/100-killed-nigeria-attacks-gunmen-storm-villages, Zugriff 25.3.2014; DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013): D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 18.2.2014; HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria,

http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html, Zugriff 18.2.2014; KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria,

http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 18.2.2014

Nordnigeria - Boko Haram

Im Nordosten und im Zentrum Nigerias kommt es seit Mitte 2010 gehäuft zu Anschlägen der islamistischen Gruppe Boko Haram. Seit Anfang 2011 hat sich die Lage im Nordosten und in Teilen Zentralnigerias deutlich zugespitzt und im Jahr 2012 und 2013 noch einmal verschärft. (AA 28.8.2013). Die Rebellion der militanten Sekte Boko Haram (auch Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati Wal-Jihad) dauert also weiter an. Zwar hat Präsident Jonathan im April 2013 ein Komitee für einen Dialog mit den Rebellen gegründet, diese lehnen jedoch Gespräche oder eine Amnestie ab (USDOS 27.2.2014; vergleiche AA 10.2013). In der Folge wurde im Mai 2013 über die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa der Ausnahmezustand verhängt, dieser dauert bis heute an (USDOS 27.2.2014; vergleiche AA 27.3.2014). Seither kommt es zu militärischen Operationen (UKFCO 18.2.2014). Anfangs ging die Gewalt kurzfristig zurück. Seit August 2013 haben sich die Angriffe auf Polizei, Sicherheitskräfte und zivile Ziele (Banken, Bars, Restaurants, religiöse Zentren, Schulen, Regierungsgebäude) im Norden jedoch verstärkt. In Maiduguri kommt es wöchentlich, manchmal auch täglich zu Schießereien und Anschlägen (USDOS 27.2.2014; vergleiche AA 28.8.2013).

Boko Haram verübt immer wieder Anschläge aus dem Untergrund (Schuss- und Sprengstoffattentate) (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014). Die Gruppierung operiert zwar überwiegend im Nordosten (insbesondere Borno und Yobe), zunehmend aber auch im Zentrum des Landes (auch im Großraum Abuja) (AA 28.8.2013). Möglicherweise breiten sich die Aktivitäten von Boko Haram aus bzw. fusionieren kommunale und terroristische Gewalt. Bei einem Angriff von Fulani auf mehrere Dörfer im Bundesstaat Benue sollen etwa auch Kämpfer der Boko Haram beteiligt gewesen sein (ALL 26.3.2014a). Boko Haram tötet Sicherheitskräfte und Zivilisten, darunter lokale Behördenvertreter, religiöse Führer und Politiker. Es kommt zu Anschlägen auf Polizeistationen, Armeeeinrichtungen, Gefängnisse, Banken und Schulen (USDOS 27.2.2014), auch Kirchen und Moscheen sowie traditionelle religiöse Führer sind ins Fadenkreuz der Islamisten geraten. Zugenommen haben Anschläge auf Angehörige der christlichen Minderheit im Zentrum und im Nordosten Nigerias (AA 28.8.2013). Ebenfalls ins Visier der Boko Haram geraten sind die Mitglieder der Bürgerwehr Civilian Joint Task Force (HRW 21.1.2014). Boko Haram forciert auch Entführungen, diese treffen vermehrt Frauen. Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 27.2.2014).

Die Gewalttaten der Boko Haram werden dabei immer extremer. Die Gruppe greift Menschen schon alleine aufgrund der Religion oder eines Berufes an, tötet oder verletzt andere völlig willkürlich. Die Gruppe hat Häuser, Kirchen, Krankenhäuser (OHCHR 14.3.2014) und seit 2012 mindestens 300 Schulen niedergebrannt (HRW 21.1.2014). Sie haben Kinder in ihren Betten ermordet, Frauen und Mädchen verschleppt und vergewaltigt. Eine halbe Million Menschen wurden vertrieben (OHCHR 14.3.2014). Seit Jänner ist Boko Haram für den Tod von 500 Menschen verantwortlich, fast täglich kommt es zu Angriffen auf Dörfer in Borno und Adamawa (IRIN 14.3.2014). Die Angreifer der Boko Haram kommen üblicherweise schwer bewaffnet in die Dörfer, plündern die Vorräte und zünden dann die Häuser an. Folglich sind dutzende Dörfer in Borno und Adamawa verlassen worden. Dies wirft auch ein Licht auf die möglicherweise bevorstehende Nahrungsmittelknappheit, da die Landwirtschaften nicht mehr betrieben werden (IRIN 14.3.2014; vergleiche OHCHR 14.3.2014).

Alleine die Selbstmordattentate führten im Jahr 2013 zu hunderten Todesopfern. Die Anzahl an Opfern stieg im Vergleich zum Jahr 2012 im Jahr 2013 massiv an (USDOS 27.2.2014). Insgesamt ist es der Regierung trotz wichtiger Teilerfolge (AA 10.2013) nicht gelungen, die Gewalt einzudämmen und die Zivilbevölkerung zu beschützen (HRW 21.1.2014; vergleiche AA 10.2013). Die Gesamtzahl der Todesopfer bei über 700 Anschlägen seit 2010 liegt zwischen 4.000 (AA 28.8.2013; vergleiche AA 10.2013) und 5.000 Personen (HRW 21.1.2014).

Die verfügbare Literatur zu Boko Haram gibt über das ei¬gentliche Motiv für deren Gründung, Existenz und Herkunft keinen Aufschluss (KAS 12.7.2013). Insgesamt wollen die Islamisten eine strikte Auslegung der Scharia durchsetzen und die Korruption in Nigeria beenden (HRW 21.1.2014). Auch wenn offensichtlich ist, dass Boko Haram eine ernste Bedrohung für die Sicherheit in Nord- und Zentralnigeria darstellt, ist es schwierig herauszufinden, wer heute überhaupt diesem Namen agiert und welche Bedrohungsarten von der Gruppe ausgehen. Die Gruppe ist weder homogen, noch verfügt sie über eine klare Hierarchie (DACH 2.2013).

Während des Jahres 2013 unternahmen die Joint Task Forces (JTF), die sich aus Elementen der Armee, der Polizei und anderer Sicherheitskräfte zusammensetzen, Offensiven gegen militante Gruppen und Kriminelle in den Bundesstaaten Adamawa, Bauchi, Borno, Gombe, Kano, Kaduna, Kogi, Plateau, Sokoto, Taraba, Katsina, Jigawa und Yobe (USDOS 27.2.2014). Schwere Menschenrechtsverletzungen werden den dort agierenden Sicherheitskräften angelastet (USDOS 27.2.2014). Die Reaktion der Sicherheitsbehörden auf die Terroranschläge von Boko Haram verschärfte in Wirklichkeit das Problem. Berichte aus verschiedenen Quellen, einschließlich Human Rights Watch, sagen aus, dass die JTF an übermäßigem Einsatz von Gewalt, körperlicher Miss¬handlung, geheimen Inhaftierungen, Erpressung, Brand¬anschlägen, Gelddiebstahl während Razzien und außergerichtlichen Hinrichtungen von Verdächtigen beteiligt war. Dies hat letztendlich seit 2009 zum Tod von mehr als 2.800 Menschen geführt (KAS 12.7.2013). Insbesondere seit Verhängung des Ausnahmezustands im Mai 2013 gehen die Sicherheitskräfte gegen mutmaßliche Terroristen mit äußerster Härte vor. Die Bewohner der betroffenen Bundesstaaten und der sich zwischenzeitlich im Norden des Landes aufhaltenden Menschen aus den benachbarten Staaten Nigerias fliehen vor diesen Auseinandersetzungen in Tausenden in den Niger, Tschad und nach Kamerun (AA 28.8.2013). Trotz verschiedener Berichte in sowohl lokalen als auch in¬ternationalen Medien über die Vorwürfe des weit verbreite¬ten Missbrauchs der Sicherheitskräfte wurde diesbezüglich kaum jeman¬d strafrechtlich verfolgt (KAS 12.7.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.2.2014; AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria;

ALL - All Africa/This Day (26.3.2014a): Yet Another Bloody Herdsmen Attack Claims 25 Lives,

http://allafrica.com/stories/201403260277.html, Zugriff 26.3.2014;

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 18.2.2014; HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria,

http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html, Zugriff 18.2.2014; IRIN - Integrated Regional Information Network (14.3.2014): Humanitarian response gap grows in northern Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271781/400460_de.html, Zugriff 25.3.2014; KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria,

http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 18.2.2014; OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 25.3.2014; UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (18.2.2014): Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 18.2.2014; USDOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 18.2.2014

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 28.8.2013; vergleiche HRW 21.1.2014). Sie unterscheidet zwischen Bundesgerichten, Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten. Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen. Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten haben die staatlichen Schariagerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten. Bundesgerichte, die nur staatlich kodifiziertes Recht anwenden, sind der Federal High Court (Gesetzgebungsmaterie des Bundes, Steuer-, Körperschafts- und auch Verwaltungssachen), der Court of Appeal (Berufungssachen u.a. der State Court of Appeal und der State Sharia and Customary Court of Appeal) sowie der Supreme Court (Revisionssachen, Organklagen). Der Rechtsweg von der ersten Instanz (Magistrate Court) bis zum Supreme Court ist grundsätzlich eröffnet (AA 28.8.2013). Für Militärangehörige gibt es eigene Militärgerichte (USDOS 27.2.2014).

Die höheren Gerichte sind relativ kompetent und unabhängig. Doch selbst sie bleiben politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt (FH 9.5.2013). In der Realität ist die Justiz der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen und der Wirtschaft ausgesetzt. Unterbesetzung, Unterfinanzierung und Ineffizienz verhindern, dass die Justiz ausreichend funktionieren kann. Außerdem fehlt es den Gerichten oftmals an Ausrüstung, Ausbildung und Motivation, um den eigenen Aufgaben nachzukommen. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 27.2.2014). Zusätzlich ist die Justiz von endemischer Korruption geprägt (HRW 21.1.2014; vergleiche USDOS 27.2.2014). Wohl gibt es auf Bundesebene strikte Voraussetzungen und Ansprüche für Richter. Allerdings fehlt es auf Bundesstaats- und Bezirksebene an Aufsichtsmöglichkeiten, und dies führt zu Korruption und Misswirtschaft in der Justiz (USDOS 27.2.2014).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Auch der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 28.8.2013). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; NHRC; Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 28.8.2013).

Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird zwar von der Verfassung garantiert, ist jedoch kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 28.8.2013).

Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet. Über 70 Prozent der in nigerianischen Gefängnissen inhaftierten Personen sind Untersuchungshäftlinge, die auf ihren Prozess warten (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014). Die Untersuchungshaft ist oftmals länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils in Frage stehenden Delikts (AA 28.8.2013). Darüber hinaus bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014). Mehrmals kündigte die Regierung an, Aktionen zur Überprüfung der Inhaftierten durchzuführen und Gefängnisinsassen ohne ersichtlichen Inhaftierungsgrund freizulassen, allerdings ohne messbaren Erfolg (AA 28.8.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; FH - Freedom House (9.5.2013): Freedom in the World 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5194a2f418.html, Zugriff 19.2.2014; HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html, Zugriff 18.2.2014; IOM - International Organization for Migration (8.2013):

Nigeria - Country Fact Sheet 2013, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=%2Fmilop%2Flivelink%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26objId%3D16800759%26objAction%3Dbrowse%26viewType%3D1, Zugriff 18.2.2014; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014):

Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Scharia

In neun nördlichen Bundesstaaten sowie in den mehrheitlich muslimischen Gebieten dreier weiterer Bundesstaaten erhielten erstinstanzliche Scharia-Gerichte auch strafrechtliche Befugnisse (z.B. Verhängung von Körperstrafen bis hin zu Todesurteilen wie Steinigung); dies gilt allerdings grundsätzlich nur für Muslime (AA 28.8.2013). Christen, die in den zwölf Bundesstaaten leben, steht es frei, sich einem Scharia- oder staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Meist wird das Schariagericht gewählt, da diese schneller zu einem Urteil kommen (AA 10.2013). Bestimmte, im Koran explizit genannte Vergehen (die sog. Hudud-Straftatbestände wie außerehelicher Geschlechtsverkehr, Verleumdung wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, Diebstahls, Straßenraubs, Alkoholgenusses), können mit zum Teil drakonischen Strafen (Amputation, Prügelstrafe, Tod durch Steinigung etc.) belegt werden. Neben den genannten Körperstrafen kann der das Scharia-Strafrecht anwendende Richter auch auf "Maßnahmen" erkennen, die auf eine Art Aberkennung der Ehre hinauslaufen, z.B. "tasheer" (öffentliche Bekanntmachung von Straftat und Strafmaß) oder "hajar" (Aufruf zum sozialen Boykott) (AA 28.8.2013).

Den rigorosen Strafandrohungen der Scharia stehen allerdings ebenso rigorose Beweisanforderungen gegenüber. Zuletzt erregten Ermittlungen und Anklagen wegen so genannter Hudud-Straftatbestände weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit als zuvor, da man mittlerweile davon ausgehen kann, dass entsprechende Verurteilungen im Rechtsmittelverfahren aufgehoben und korrigiert werden (AA 28.8.2013). Die Scharia-Berufungsgerichte wandeln konsistent Steinigungs- und Amputationsurteile in andere Strafen um. Prügelstrafen werden regelmäßig ausgeführt, manchmal kommt es zur Zahlung von Ersatzstrafen (USDOS 27.2.2014). Der Scharia-Instanzenzug endet auf der Ebene eines Landesberufungsgerichts, gegen dessen Urteile Rechtsmittel zu dem (säkularen) Bundesberufungsgericht in Abuja statthaft sind (AA 28.8.2013). Urteile von Scharia-Gerichten können also auch im formalen Rechtssystem angefochten werden (USDOS 27.2.2014). Durch eine bessere Ausbildung der Richterschaft und Entpolitisierung des strafrechtlichen Aspekts der Scharia sind spektakuläre Fälle in den letzten Jahren nicht mehr zu verzeichnen (AA 10.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.2.2014; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014):

Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Sicherheitsbehörden

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF) (AA 28.8.2013). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 27.2.2014). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein (AA 28.8.2013).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, State Security Service (SSS) sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 28.8.2013). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des SSS, das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die NPF, das SSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 27.2.2014). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 11.2011).

Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖBA 11.2011). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 28.8.2013). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Zum Beispiel wurden Armee sowie Joint Task Force- bzw. Special Task Force-Einheiten entsandt:

in den Middle Belt, um der Gewalt im Konflikt zwischen Indigenen und Siedlern zu begegnen; in den Bundesstaat Nassarawa, um den Ausbruch ethno-religiöser Gewalt einzudämmen; in die Bundesstaaten Bauchi, Borno, Kano, Kaduna, Plateau und Yobe, um den Angriffen der Boko Haram zu entgegnen (USDOS 27.2.2014; vergleiche AA 28.8.2013). Im Norden wurde mittlerweile die bis August 2013 maßgebliche Joint Task Force Restore Order (JTF-RO) überhaupt durch die 7. Nigerianische Armeedivision abgelöst (USDOS 27.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Vigilante Gruppen, Bürgerwehren, Hisbah

In verschiedenen Regionen des Landes haben sich bewaffnete Organisationen in Form von ethnischen Vigilantegruppen gebildet, z. B. der Odua People's Congress (OPC) im Südwesten oder die Bakassi Boys im Südosten. Bei diesen Gruppen kann man sich gegen Zahlung eines Schutzgeldes "Sicherheit" erkaufen. Die Behörden reagieren unterschiedlich auf die "Vigilantes": Im Bundesstaat Lagos ging die Polizei gegen den OPC vor, im Osten des Landes wurde die Existenz dieser Gruppen dagegen von einigen Gouverneuren begrüßt. Die Polizei arbeitet zum Teil mit ihnen zusammen. Generell scheint die Bedeutung der Vigilantes in Städten etwas abzunehmen, in einigen ländlichen Regionen haben sie aber weiterhin eine dominante Machtposition (AA 28.8.2013).

Im Jahr 2013 wurde von der Regierung und mit Unterstützung der Armee im Nordosten im Zuge des Kampfes gegen Boko Haram die sogenannte Civilian Joint Task Force (C-JTF) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine Art Bürgerwehr, die laut NGOs und Medien für Menschenrechtsvergehen verantwortlich ist (USDOS 27.2.2014).

In fünf Bundesstaaten (Zamfara, Niger, Kaduna, Kano, Bauchi) werden Schariawächter wie die Hisbah unterhalten. Diese überwachen die Umsetzung der Scharia aber nur inkonsistent und sporadisch, führen aber auch Verhaftungen durch. Z.B. verhafteten sie im August 2012 in Kano zwanzig Personen, die sich nicht an das Fastengebot im Ramadan hielten (USDOS 20.5.2013). In Kano wird die Hisbah direkt durch den Bundesstaat betrieben, während sie in anderen Bundesstaaten ähnlich den nichtstaatlichen Bürgerwehren organisiert ist. Die Hisbah wurde vom Obersten Gericht zwar als verfassungswidrig bezeichnet, da polizeiliche Aufgaben ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sie hat ihre Tätigkeit jedoch bisher nicht eingestellt, sondern wurde lediglich umorganisiert. An sich sollte von der Hisbah keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung ausgehen, da sie der regulären Polizei untergeordnet und in der Regel unbewaffnet ist. Allerdings kommt es immer wieder zu Kompetenzüberschreitungen sowie zur nicht zulässigen Anwendung islamischer Gesetze und Verhaltensregeln auf Nichtmuslime. In Kano ist die Hisbah beispielsweise bei Homosexuellen wegen ihrer gewaltsamen Übergriffe gefürchtet (AA 28.8.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; USDOS - U.S. Department of State (20.5.2013): 2012 International Religious Freedom Report - Nigeria,

http://www.ecoi.net/local_link/247445/371030_de.html, Zugriff 18.2.2014;USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Folter und unmenschliche Behandlung

Sicherheitskräfte sind korrupt und in den vergangenen Jahren für mehrere tausend Todesopfer sowie für massenhafte willkürliche Verhaftungen und andere Menschenrechtsvergehen verantwortlich. Folterung und Misshandlung von Gefangenen sind weit verbreitet (FH 9.5.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014), extra-legale Tötungen seitens der Sicherheitskräfte an der Tagesordnung. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) geht von mindestens 5.000 Tötungen jährlich aus, etwa die Hälfte wird der Polizei angelastet. Die Schätzungen einiger NGOs liegen deutlich höher. Die meisten Fälle werden aus dem Südosten und dem Nordosten berichtet. Insbesondere bei Raubüberfällen werden Verdächtige regelmäßig systematisch durch die Polizei getötet (AA 28.8.2013). Auch im Jahr 2013 kam es seitens der Regierung zu zahlreichen willkürlichen oder ungesetzlichen Tötungen. Dies betrifft die JTF-RO, die 7. Armeedivision, die NPF, den SSS und andere. So kam es etwa am 16.4.2013 in Baga (Bundesstaaten Borno) zu einem Zwischenfall, bei welchem nach Angaben des Stabschefs der Armee 36, nach Angaben des für die betroffene Region zuständigen Senators jedoch 228 Personen (v.a. Zivilisten) getötet worden waren (USDOS 27.2.2014). Hauptbetroffene sind jedoch üblicherweise Personen, die eines Gewaltverbrechens verdächtig sind. Sie werden nach dem Ablegen eines (häufig durch Folter erlangten) Geständnisses oft noch im Polizeigewahrsam "exekutiert". Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Sicherheitskräfte an von ihnen errichteten Straßensperren unvermittelt das Feuer eröffnen, etwa wenn sich jemand weigert, ein gefordertes Schmiergeld zu zahlen (AA 28.8.2013).

Dabei handeln die Täter in der Gewissheit weitgehender Straflosigkeit, da es nur in den seltensten Fällen zu unabhängigen Untersuchungen, geschweige denn zu disziplinar- oder gar strafrechtlichen Konsequenzen kommt (AA 28.8.2013). Die Kultur der Straflosigkeit ist an einem Punkt angelangt, an dem fast niemand für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird (KAS 12.7.2013). Wenn Polizisten beschuldigt werden, an extra-legalen Tötungen beteiligt zu sein, werden sie durch ihre Vorgesetzten gedeckt und oft bewusst in andere Regionen versetzt, um eine Klärung der Vorwürfe zu verhindern (AA 28.8.2013). Die NHRC und das Komitee gegen Folter hätten das Mandat, Tötungen durch Sicherheitskräfte zu untersuchen und Täter den Gerichten zuzuführen. Sie wurden diesbezüglich aber nicht aktiv. Es gab im Jahr 2013 keinen verifizierten Fall, in welchem ein Mitglied der JTF-RO für ein Menschenrechtsvergehen zur Verantwortung gezogen worden wäre (USDOS 27.2.2014).

Polizei und Militär gehen bei der Bekämpfung der islamistischen Gruppe Boko Haram häufig mit unverhältnismäßiger Härte vor (AA 28.8.2013). Die Sicherheitskräfte sind in diesem Zusammenhang in zahlreiche Menschenrechtsvergehen involviert. Angebliche Unterstützer oder Mitglieder der Boko Haram werden willkürlich verhaftet, es kommt zu Folter und extralegalen Tötungen. Sicherheitskräfte zerstören auch Gebäude in Gemeinden, wo vermutet wird, dass Boko Haram Unterschlupf findet (HRW 21.1.2014; vergleiche AI 23.5.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014). Allein in der Stadt Baga (Bundesstaat Borno) zerstörten die Sicherheitskräfte mehr als 2.000 Häuser (HRW 21.1.2014).

Der National Security Adviser hat gegenüber der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte zugesichert, dass humanitäre Kräfte und Menschenrechtsbeobachter Zugang zu den betroffenen Gebieten erhalten werden - auch die NHRC. Dies wird als wichtige Zusage erachtet, um Gewaltexzesse und Straffreiheit zu bekämpfen (OHCHR 14.3.2014).

Allen Hinweisen zufolge gehört auch die Folter zum weit verbreiteten Handlungsrepertoire staatlicher Sicherheitsorgane, unter denen insbesondere die ärmere Bevölkerungsschicht zu leiden hat (AA 28.8.2013). Auch wenn die Verfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, wird Folter nicht kriminalisiert (USDOS 27.2.2014). Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Straftatverdächtigen und Gefangenen durch Sicherheitskräfte sind weit verbreitet (AI 23.5.2013). Sicherheitsbeamte foltern, schlagen und misshandeln regelmäßig Demonstranten, Verdächtige, Militante und Personen in Haft. Die Polizei versuchte mittels Misshandlungen auch Geld zu erpressen. Oft wurde Folter angewendet, um Geständnisse zu erpressen (USDOS 27.2.2014). Zu den häufigsten Foltermethoden zählten dabei Auspeitschung, Stock- und Machetenschläge, Schüsse in den Fuß, Scheinhinrichtungen, Aufhängen in verschiedenen Positionen sowie Vorenthalten von Nahrung, Wasser und Medikamenten (AA 28.8.2013).

Die Gründe für dieses Verhalten liegen zum einen in der nur schwach ausgeprägten Menschenrechtskultur der Sicherheitskräfte, zum anderen in der mangelhaften Ausrüstung, Ausbildung und Ausstattung insbesondere der Polizei, was sie in vielen Fällen zu dem illegalen Mittel der gewaltsamen Erpressung von Geständnissen als einzigem erfolgversprechenden Weg der "Beweisführung" greifen lässt. Die große Zahl glaubhafter und übereinstimmender Berichte über die Anwendung von Folter in Gefängnissen und Polizeistationen im ganzen Land, die von forensischen Befunden gestützt und von der Polizei teilweise zugegeben wurden, bestätigen den Eindruck, die Anwendung von Folter sei ein integraler Bestandteil der Arbeit der Sicherheitsorgane (AA 28.8.2013).

Verfassung und Gesetze verbieten willkürliche Verhaftungen, doch halten sich Polizei und Sicherheitskräfte nicht daran (USDOS 27.2.2014; vergleiche AA 28.8.2013). Nigerianische Menschenrechtsgruppen werfen insbesondere der Polizei regelmäßig das Verschwindenlassen von Untersuchungshäftlingen und anderen sich in Polizeigewahrsam befindenden Personen vor. Human Rights Watch und Amnesty International erheben diesen Vorwurf auch gegen die im Norden Nigerias agierenden Sicherheitskräfte der Joint Task Force (AA 28.8.2013). Bei der Anwendung exzessiver Gewalt durch Joint Task Force, Polizei und andere Sicherheitskräfte (v.a. im Norden und im Rahmen des Vorgehens gegen militante Gruppen) kommt es zu Verletzungen, Gruppenvergewaltigungen, Vertreibungen, ungesetzlichen Inhaftierungen und anderen Menschenrechtsvergehen. NPF und Militär bleiben bei Verhaftungen, illegalen Inhaftierungen und Exekutionen von Verdächtigen weitgehend straffrei (USDOS 27.2.2014; vergleiche FH 9.5.2013). Folglich ist das Vertrauen der Bevölkerung in den Sicherheitsapparat unterentwickelt (ÖBA 11.2011).

Die Regierung ist sich der Problematik grundsätzlich bewusst, spielt das Ausmaß des Problems aber herunter. Nur im Bundesstaat Lagos, wo nun jeder Todesfall in Polizeigewahrsam automatisch zu einer Obduktion führt, hat sich die Situation deutlich gebessert. Ein ähnliches Gesetz ist im Bundesstaat Cross River in Vorbereitung. Auch die Polizeiführung versucht in begrenztem Maße gegenzusteuern und veranstaltet zusammen mit NGOs Menschenrechtskurse und Fortbildungsmaßnahmen. Im Jänner 2013 wurde im Beisein des nigerianischen Präsidenten ein sogenannter Code of Conduct verabschiedet, der u.a. auf professionellere Standards und Verhaltensweisen der Polizei hinwirken soll (AA 28.8.2013). Im Dezember 2013 hat die NHRC ein eigenes Komitee eingerichtet, um Fällen von willkürlicher und ad-hoc-Verhaftungen nachzugehen (USDOS 27.2.2014).

Insgesamt mangelt es der Regierung an effektiven Mechanismen, um Amtsmissbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. In manchen Fällen bringen Bürger oder die Regierung Anzeigen gegen Täter ein. Die meisten Fälle bleiben aber bei Gericht liegen oder verschwinden nach anfänglichen Untersuchungen. Die Armee hat um internationale Unterstützung angefragt, um Ausbildungsprogramme zum Schutz von Zivilisten und der Menschenrechte entwickeln zu können (USDOS 27.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013

http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 18.2.2014; ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011):
Asylländerbericht Nigeria; OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria,
http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 25.3.2014; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Korruption

Das Gesetz sieht für Korruption Strafen vor (AA 28.8.2013). Trotzdem bleibt Korruption weit verbreitet (FH 9.5.2013) und damit ein wichtiges Entwicklungshindernis Nigerias. In der Bekämpfung der Korruption sind seit 1999 nur wenige Erfolge zu verzeichnen (GIZ 10.2013a). Korruption ist allgegenwärtig (AA 28.8.2013). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegt Nigeria Rang 144 von 175 untersuchten Staaten (TI 2013).

Die Regierung setzt die Gesetze gegen Korruption nicht effektiv um, und Beamte gehen oft straffrei aus. Die massive, weitverbreitete und tiefgreifende Korruption betrifft alle Ebenen in den Behörden und bei den Sicherheitskräften; Korruption herrscht auch in der Justiz. Es gibt die weitverbreitete Auffassung, dass Richter leicht zu bestechen sind und Prozessparteien sich daher nicht auf Gerichte verlassen sollten, um ein unparteiisches Urteil zu erhalten. Die Bürger mussten sich auf lange Verzögerungen einstellen und berichteten davon, dass Justizangestellte für eine Beschleunigung der Fälle oder genehme Urteile Schmiergeld forderten (USDOS 27.2.2014).

Die Regierung Nigerias hat den notwendigen Kampf gegen Korruption zu einem Teil ihrer Wirtschaftspolitik erklärt. Eine weitere wichtige Maßnahme war die Einrichtung der Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen und Korruption. Als Ergebnis der Bemühungen der EFCC wurde Nigeria 2006 aus der von der Financial Action Task Force der G8 geführten Liste der bei der Bekämpfung von Geldwäsche nicht-kooperierenden Staaten gestrichen (AA 6.2013a).

Teilerfolge bei der Korruptionsbekämpfung sind insgesamt sichtbar. Allerdings ist die Verfolgung von aktiven bzw. ehemaligen Amtsträgern trotz zahlreicher Anklagen schwierig, Gerichtsurteile gegen hochrangige Politiker sind seltene Ausnahmen (AA 28.8.2013). Die Bemühungen der EFCC und der Independent Corrupt Practices and Other Related Offenses Commission (ICPC) sind größtenteils ineffektiv (USDOS 27.2.2014). Seit 2002 hat die EFCC dreißig Prominente wegen Korruption angeklagt. Es kam aber insgesamt nur zu vier Verurteilungen mit keinen oder nur geringen Haftstrafen (FH 9.5.2013). Die EFCC hat beim Kampf gegen Korruption nur geringe Fortschritte erzielt. Der verurteilte ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Bayelsa wurde vom Präsidenten amnestiert - ein tragischer Rückschritt. Auch der ICPC ist es im Jahr 2013 nicht gelungen, relevante Anklagen zu erheben oder Verurteilungen zu erreichen (HRW 21.1.2014). Die ICPC hält ein breites Mandat bezüglich der Verfolgung aller Formen von Korruption, während erstere auf Finanzdelikte beschränkt ist. Trotz ihres breiten Mandats hat die ICPC seit ihrer Gründung im Jahr 2000 erst 68 Verurteilungen erreicht. Immerhin führt der Vorsitzende der EFCC, Ibrahim Lamorde, Untersuchungen gegen zwölf prominente öffentlich Bedienstete. Allerdings halten die Beschuldigungen an, dass die EFCC nur solche Personen ins Visier nimmt, die bei der Regierung in Missgunst gefallen sind (USDOS 27.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AA - Auswärtiges Amt (6.2013a): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_3F520728A4894ACD7F861F33D62DF9E8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 18.2.2014; FH - Freedom House (9.5.2013): Freedom in the World 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5194a2f418.html, Zugriff 19.2.2014; GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 19.2.2014; HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html, Zugriff 18.2.2014; TI - Transparency International (2013):

Corruption Perceptions Index 2013, http://cpi.transparency.org/cpi2013/results/, Zugriff 27.3.2014; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014). Sie beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (USDOS 27.2.2014). Sie sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv (AA 28.8.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria,

http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Ombudsmann

Die Aufgaben der National Human Rights Commission (NHRC) sind Förderung und Schutz der Menschenrechte sowie Menschenrechtserziehung; und die Beobachtung der Menschenrechtslage (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014). Derzeit konzentriert sie sich u. a. auf Polizeigewalt, Diskriminierung im Wirtschaftsleben, Gewalt gegen Frauen sowie Menschenrechtsbildung und -aufklärung. Soweit sich die Kommission Einzelschicksalen annimmt, hat ihre Arbeit lediglich empfehlenden Charakter (AA 28.8.2013). Die NHRC verfügt über Niederlassungen in den sechs politischen Zonen des Landes. Sie veröffentlicht periodische Berichte über spezifische Menschenrechtsverletzungen (u.a. Folter oder Haftbedingungen) (USDOS 27.2.2014). Die Kommission hat ihre Arbeit in den letzten Jahren intensiviert und verbessert und zuletzt etwa mit der öffentlichen Schätzung von jährlich ca. 5.000 extra-legalen Hinrichtungen wachsende Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein bewiesen (AA 28.8.2013). Die Kommission ist mit einem eigenen Gesetz legitimiert und ihre Unabhängigkeit gesetzlich festgeschrieben (USDOS 27.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria,

http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Wehrdienst

Die nigerianischen Streitkräfte bestehen aus Berufssoldaten. Es gibt keine allgemeine Wehrpflicht (AA 28.8.2013). Ein paramilitärisch organisiertes einjähriges "Civil Service" ist für Universitätsabgänger möglich jedoch nicht verpflichtend. Die Absolvierung ist Voraussetzung für die Erlangung der meisten Positionen im Öffentlichen Dienst (ÖBA 11.2011).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtssituation hat sich seit 1999 erheblich verbessert. Die Regierung bekennt sich ausdrücklich zum Schutz der Menschenrechte, die auch in der Verfassung als einklagbar verankert sind (AA 10.2013). Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Artikel 33, der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat (AA 28.8.2013).

Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst sind. Der Schutz von Leib und Leben der Bürger vor Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht ist nicht verlässlich gesichert. Insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Boko Haram werden den Sicherheitsbehörden zahlreiche extra-legale Tötungen vorgeworfen. Auch das hohe Maß an Korruption wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (AA 10.2013).

Nigeria hat folgende internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (einschließlich Fakultativprotokoll); Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;

Übereinkommen über die Rechte des Kindes (einschl.

Fakultativprotokolle zu Kindern in bewaffneten Konflikten und zu Kinderhandel, -prostitution und -pornografie); ILO-Übereinkommen über die schlimmsten Formen von Kinderarbeit; (Afrikanische) Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker; Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention); Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs; Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes; Internationales Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen; Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 28.8.2013).

Diese völkerrechtlichen Verpflichtungen wurden zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Staaten, die grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist häufig die Durchsetzung der garantierten Rechte nicht gewährleistet (AA 28.8.2013). In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 28.8.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.2.2014

Meinungs- und Pressefreiheit

Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die Verfassung von 1999 garantiert und finden sich auch in der Verfassungswirklichkeit grundsätzlich wieder (AA 28.8.2013; vergleiche FH 9.5.2013). Zivile Medien können die Regierung und ihre Politik offen kritisieren (HRW 21.1.2014).

Die nigerianischen Medien sind die vielfältigsten in Afrika (AA 6.2013b; vergleiche FH 5.9.2013). Die Medienlandschaft Nigerias ist durch eine Fülle privater Tageszeitungen und Wochenmagazine, Radiostationen und auch Fernsehsender geprägt, die insgesamt breit und relativ frei zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen berichten (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014; vergleiche FH 9.5.2013). Sie tragen wesentlich dazu bei, dass alle politischen Fragen des Landes offen und kritisch diskutiert werden können. Das Radio ist das wichtigste Medium in Nigeria. Qualität und Wirkungskreis von Presse und Medien werden allerdings durch schwierige Rahmenbedingungen beeinträchtigt (AA 6.2013b; vergleiche FH 5.9.2013).

Es kam auch zu Fällen der Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit durch die Regierung (USDOS 27.2.2014). Staatliche und private Akteure versuchen immer wieder, politische Kritik zu unterbinden oder Journalisten einzuschüchtern. Es kann zu Verhaftungen kommen (HRW 21.1.2014) - etwa in Zusammenhang mit der Berichterstattung zu sensiblen Themen wie Korruption und Sicherheit (USDOS 27.2.2014; vergleiche FH 9.5.2013). Es kommt immer wieder zur Verurteilung von Journalisten wegen "Diffamierung". Bundesgerichte versuchen, den Rechtsschutz für Journalisten auszubauen (FH 5.9.2013). Im Mai 2011 ist das bereits im April 2007 verabschiedete Gesetz zur Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Kraft getreten. Es garantiert jeder Person das Recht, auf Antrag Zugang zu amtlichen Informationen durch die Behörden zu erhalten. Praktische Erfahrungen mit der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben liegen bislang nicht vor (AA 28.8.2013).

Journalisten werden auch durch Boko Haram bedroht, die Medienvertreter und Journalisten einschüchtert. Es kam auch zu Attentaten (FH 5.9.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014).

Journalisten praktizieren Selbstzensur (USDOS 27.2.2014). Auch Bestechung und Korruption bleiben in der Medienindustrie ein Problem. Eine Studie aus dem Jahr 2009 in Lagos hatte ergeben, dass 61 Prozent der 184 befragten Journalisten regelmäßig im Dienst "braune Umschläge" erhalten haben. Allerdings gaben 74 Prozent der Befragten an, dass derartige Geschenke nicht zu voreingenommener Berichterstattung führen würden. Dies könnte darin wurzeln, dass diese Form der Korruption derart verbreitet ist (FH 5.9.2013). Journalisten müssen grundsätzlich "motiviert" werden, um zu berichten. Reporter von Lokalzeitungen wie dem "Pointer" verlangen in der Regel Bargeld für Artikel (zwischen 50 und 100 Euro) (ÖBA 25.4.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AA - Auswärtiges Amt (6.2013b): Nigeria - Kultur und Bildung, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Kultur-UndBildungspolitik_node.html, Zugriff 19.2.2014; FH - Freedom House (5.9.2013): Freedom of the Press 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5229988322.html, Zugriff 19.2.2014; FH - Freedom House (9.5.2013): Freedom in the World 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5194a2f418.html, Zugriff 19.2.2014; HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria,

http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html, Zugriff 18.2.2014; ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (25.4.2013):

Ergänzungsbericht per E-Mail; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Verfassung und Gesetze gewährleisten Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert dieses Recht auch weitgehend in der Praxis. Dies hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahllosen NGOs geführt (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014).

Auch die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Allerdings wird die Versammlungsfreiheit tatsächlich oft nur eingeschränkt gewährleistet (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014), da die Sicherheitsorgane häufig gegen politisch unliebsame Versammlungen einschreiten (AA 28.8.2013; vergleiche FH 9.5.2013). Die Regierung verbietet z.B. Versammlungen, welche ihrer Ansicht nach zu Unruhen führen könnten. In Gebieten mit Gewaltausbrüchen entscheiden Polizei und Sicherheitskräfte die Genehmigung von öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen von Fall zu Fall. Bei der Auflösung von Demonstrationen wenden Sicherheitskräfte übermäßige Gewalt an, welche auch zu Todesopfern und Verletzten führt (USDOS 27.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; FH - Freedom House (9.5.2013): Freedom in the World 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5194a2f418.html, Zugriff 19.2.2014; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Opposition inkl. XXXX

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen (AA 28.8.2013). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien. Die Präsidentschafts-, Gouverneurs- und Parlamentswahlen im Jahr 2011 waren insgesamt glaubwürdig. 37 Parteien nahmen an den Parlamentswahlen teil. Bei den Gouverneurswahlen wurde nur ein Drittel der Amtsinhaber wiedergewählt. Oppositionsparteien konnten viele Mandate erringen (USDOS 27.2.2014).

Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen (AA 28.8.2013). Manchmal verhaftet die Polizei willkürlich Oppositionsführer oder Dissidenten innerhalb der staatstragenden Partei PDP (USDOS 27.2.2014). Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 28.8.2013).

Gegen die Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (römisch 40 ), deren Mitglieder der Ethnie der Igbo angehören und die größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes reklamiert, gehen die Sicherheitsorgane teilweise massiv vor. römisch 40 propagiert keinen bewaffneten Kampf; Zeitungen berichteten allerdings von Waffenfunden bei Razzien der Sicherheitskräfte. Teilnehmer an XXXX-Veranstaltungen wurden wegen des Verdachts auf landesverräterische Aktivitäten vor ordentlichen Gerichten angeklagt. Laut Medienberichten wurden viele Angeklagte vorzeitig gegen Kaution bzw. Ehrenerklärung freigelassen, in anderen Fällen endeten Verfahren mit Freispruch (AA 28.8.2013). Am 6.8.2013 wurden sechs Mitglieder der römisch 40 verhaftet. Ihnen wurden illegale Aktivitäten vorgeworfen, da sie im Besitz von 114 Biafra-Flaggen und 129 Biafra-Pfund waren. Von den im Mai 2012 im Bundesstaaten Delta zu Haftstrafen verurteilten XXXX-Mitgliedern befanden sich Ende 2013 noch einige in Haft (USDOS 27.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria,

http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Haftbedingungen

Die Bedingungen in den Haftanstalten bleiben hart und lebensbedrohlich. Die Gefangenen, von denen viele noch gar nicht verurteilt wurden (70 Prozent sind Untersuchungshäftlinge), sind extralegalen Tötungen, Folter, Überbelegung, Nahrungs- und Wasserengpässen, inadäquater medizinischer Versorgung, harten klimatischen Bedingungen, und absolut inadäquaten sanitären Bedingungen ausgesetzt (USDOS 27.2.2014). Die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten muss oft über Angehörige und karitative Einrichtungen sichergestellt werden; immer wieder wird berichtet, dass es aufgrund dieser Verhältnisse zu Todesfällen kommt (AA 28.8.2013). Das schlecht bezahlte Gefängnis- und Wachpersonal nutzt seine Stellung aus, um von den Gefangenen Geld zu erpressen (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014). Zumindest in einigen Gefängnissen sind Männer, Frauen und Minderjährige zusammen inhaftiert (AA 28.8.2013; vergleiche USDOS 27.2.2014). Weibliche Gefangene sind der Gefahr einer Vergewaltigung ausgesetzt (USDOS 27.2.2014).

Gemäß den Angaben von Menschenrechtsorganisationen gibt es auch inoffizielle Gefängnisse des Militärs, etwa in Maiduguri (Borno) und Damaturu (Yobe). Aus diesen Anstalten kommen Meldungen über extralegale Tötungen, Folter, Schläge und unmenschliche Behandlung von Gefangenen. Laut Amnesty International sind in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 950 Personen in Militärgewahrsam ums Leben gekommen (USDOS 27.2.2014).

Zwar erhalten Beobachter ausländischer Menschenrechtsorganisationen seit Veröffentlichung eines Berichts von Amnesty International über die Haftbedingungen 2008 keinerlei Zugang mehr zu Gefängnissen, jedoch wurden der Deutschen Botschaft in Abuja und Vertretern einer lokalen und später einer deutschen NRO Besuche in mehreren Gefängnissen ermöglicht (AA 28.8.2013). Monitoring-Besuche durch die National Human Rights Commission (NHRC) finden statt. Die NHRC stellte Listen über Menschenrechtsthemen zusammen, der Jahresbericht 2013 lässt noch auf sich warten. Prinzipiell verfolgt die NHRC auch glaubwürdige Vorbringen hinsichtlich inhumaner Bedingungen. Auch das Justizministerium überprüft die Gefängnisse. Die Regierung gestattete externes Monitoring von Haftanstalten, allerdings gelang es dem nigerianischen Roten Kreuz nicht, regelmäßige Besuche durchzuführen. Die inoffiziellen Haftanstalten können nicht beobachtet werden (USDOS 27.2.2014).

Die Regierung unternahm im Jahr 2013 kaum Verbesserungen bei den Haftanstalten, lokale Staatsanwälte bemühten sich aber teilweise um Verbesserungen. Allerdings versuchten einzelne Gefängnisverwaltungen Geld von NGOs und religiösen Organisationen zu sammeln (USDOS 27.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria,

http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Todesstrafe

Die Todesstrafe kann durch ordentliche Gerichte und erstinstanzliche Scharia-Gerichte für bestimmte Tatbestände (Mord, Hochverrat, Verrat, Quälerei mit Todesfolge, schwerer Raub) verhängt werden. Besorgniserregend ist der gegenwärtig zu beobachtende Trend in einigen südlichen Bundesstaaten, den Anwendungsbereich der Todesstrafe auf weitere Straftatbestände (v. a. Entführung) auszuweiten. Die 2012 angenommene Änderung zum sog. Terrorism (Prevention) Act 2011 sieht die Todesstrafe als Strafmaß für terroristische Verbrechen vor (AA 28.8.2013).

Nigeria hält also weiterhin an der Todesstrafe fest. Allerdings besteht ein faktisches Vollstreckungsmoratorium, das zuletzt im Februar 2009 durch den Außenminister gegenüber dem UN-Menschenrechtsrat bestätigt worden ist, jedoch 2010 und 2013 durchbrochen wurde. Die Gouverneure der Bundesstaaten, die rechtlich für die Vollstreckung bzw. Umwandlung von Todesurteilen zuständig sind, erklärten im April 2010 ihre Absicht, Hinrichtungen wieder aufzunehmen. Die Bundesregierung wies die Gouverneure auf das international verkündete Moratorium hin. Der Gouverneur des Bundesstaats Edo hob im November 2012 eine Verurteilung zum Tod auf, unterschrieb aber zwei Exekutionserlasse. Im März 2013 bestätigte die Bundesregierung gegenüber der EU das Moratorium erneut (AA 28.8.2013). Am 24.6.2013 wurden dennoch in Edo vier Exekutionen durchgeführt, eine fünfte wurde vorerst aufgeschoben. Aktuelle Schätzungen von Menschenrechtsorganisation gehen davon aus, dass zwischen 870 und 1000 zum Tode Verurteilte in Todeszellen einsitzen. Offizielle Statistiken dazu liegen nicht vor (AA 28.8.2013; vergleiche BBC 25.6.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; BBC (25.6.2013): Nigeria executes prisoners for first time since 2006, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-23041746, Zugriff 25.6.2013

Religionsfreiheit

Verfassung, Gesetze und Richtlinien sehen Religionsfreiheit vor. Die Regierung respektierte diese Rechte (USDOS 20.5.2013). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, zum Beispiel bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 28.8.2013).

Die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit gestaltet sich schwierig (GIZ 10.2013b). Einzelne Bundesstaatsregierungen, Einzelpersonen und Gruppen außerhalb der Regierung verletzten manchmal das Gebot der Religionsfreiheit (USDOS 20.5.2013). Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist lokal unterschiedlich stark ausgeprägt. Insbesondere im Südwesten leben Christen und Muslime seit Jahrhunderten friedlich zusammen. Mischehen kommen häufig vor. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch. Beispiel hierfür sind die Auseinandersetzungen zwischen alteingesessenen christlichen Gruppen und seit 1900 zugezogenen muslimischen Gruppen im zentralnigerianischen Jos vom November 2008 und erneut seit Januar 2010, die zu blutigen Konfrontationen mit insgesamt über 1.000 Toten und mehreren hundert Verletzten führten. Hier wie anderswo liegen den lokalen religiösen Auseinandersetzungen jedoch vor allem wirtschaftliche, soziale und ethnische Konflikte zugrunde (AA 28.8.2013). Insgesamt gelingt es der Regierung nicht, kommunale Gewalt effektiv einzudämmen, Vergehen zu untersuchen und Schuldige zu verurteilen. Es herrscht diesbezüglich ein Klima der Straffreiheit (USDOS 20.5.2013).

Es gibt Berichte über gesellschaftliche Vergehen oder Diskriminierung aufgrund der religiösen Orientierung, des Glaubens oder aufgrund der Religionsausübung. Es kann zur Ächtung aber auch zur Bedrohung von Konvertiten - sowohl Christen als auch Muslime - kommen (USDOS 20.5.2013).

Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 12.2013). Eine aktuelle und auf das gesamte Bundesgebiet von Nigeria bezogene Verfolgungsgefahr kann keinesfalls festgestellt werden (BVwG 25.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; BVwG - Bundesverwaltungsgericht (25.2.2014): Erkenntnis 1438671-1, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20140225_1438671_1_00/BVWGT_20140225_1438671_1_00.html, Zugriff 26.3.2014; GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 19.4.2014; UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/52a5b1ea4.html, Zugriff 19.2.2014; USDOS - U.S. Department of State (20.5.2013):

2012 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/247445/371030_de.html, Zugriff 18.2.2014

Religiöse Gruppen

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen (CIA 11.2.2014; vergleiche GIZ 10.2013b). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch" (AA 28.8.2013). Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Im Middle Belt, in Abuja und in den südwestlichen Yoruba-Bundesstaaten halten sich die Anteile an Muslimen und Christen die Waage (USDOS 20.5.2013).

Die Moslems sind größtenteils sunnitisch bzw. sufitisch. Die Minderheiten an Schiiten und Salafisten wachsen stetig (USDOS 20.5.2013). Zwei Strömungen des Islam sind vertreten: die Bruderschaft der Qadiriyya in Sokoto und der Tijaniyya, der alteingesessenen Hausa in Kano. Beide sind Varianten des sunnitischen Islam. Seit der nigerianischen Unabhängigkeit sind viele islamische Gemeinschaften entstanden, d.h. wie bei den Christen auch, passte sich der Islam den afrikanischen Traditionen u. a. mit der Entstehung neuer islamischer Sekten an (GIZ 10.2013b).

Das Christentum unterteilt sich in Katholiken (13 Prozent), Protestanten (15 Prozent) und synchretistische afrikanische Kirchengemeinschaften (17 Prozent) - einer Vermischung von traditionellen Religionen und Freievangelisten, meistens Mitglieder evangelikaler und pentekostaler Kirchen. Über tausend dieser neuen afrikanischen Kirchengemeinden mit mehreren Millionen Mitgliedern gibt es bereits in Nigeria, Tendenz steigend. Dabei sind die meisten dieser Kirchen stark profitorientiert (GIZ 10.2013b).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; CIA - Central Intelligence Agency (11.2.2014): The World Factbook - Nigeria,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html, Zugriff 19.2.2014; GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 19.4.2014; USDOS - U.S. Department of State (20.5.2013): 2012 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/247445/371030_de.html, Zugriff 18.2.2014

Spannungen zwischen Muslimen und Christen

Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen (Pogrome). Diese gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 1999 sprechen die offiziellen Zahlen von über 10.000 Toten aufgrund von religiösen Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen (GIZ 10.2013b). In der Kategorie "physische Gewalt" gegen Christen aufgrund der Glaubenszugehörigkeit gehört Nigeria zu den erstgereihten Ländern. Der Islamische Extremismus ist in Nigeria die wesentliche Triebkraft für Verfolgung. Obwohl mit der Verfolgung der Christen in Nordnigeria meistens Boko Haram in Verbindung gebracht wird, ist das Schema der Verfolgung viel komplizierter als lediglich die gewaltsamen Übergriffe und die Ermordung von Christen - und auch gemäßigten Muslimen - durch die militante islamistische Gruppe. Das trifft besonders auf die 12 nördlichen Scharia Staaten zu, in denen die örtlichen Behörden und die Gesellschaft den Christen kaum zugestehen ihren eigenen Lebensstil zu führen (OD 2014).

Auch wenn sich die meisten religiösen Führer beider Seiten für Toleranz und Mäßigung aussprechen (USDOS 20.5.2013), fürchten sich viele Christen vor einer Eskalation der Gewalt im Zuge der Wahlen im Jahr 2015 (OD 2014).

Besonders in den Scharia Staaten birgt die Hinwendung vom Islam zum Christentum große Gefahren und kann schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Doch die Verfolgung beschränkt sich nicht nur auf Christen mit muslimischem Hintergrund, sondern betrifft alle Kategorien von Christen in vielen nördlichen Staaten. Christen werden in den Ausbildungseinrichtungen oft als Bürger zweiter Klasse betrachtet und dementsprechend behandelt. Christliche Mädchen stehen ständig in der Gefahr, entführt und zwangsverheiratet zu werden. In Kano zum Beispiel, wurden in einem Haus über 40 christliche Mädchen entdeckt, die nach ihrer Entführung dort festgehalten, islamisiert und für die Zwangsverheiratung mit Muslimen vorbereitet wurden (OD 2014).

Das Ausmaß der Gewalt in Nigeria bleibt extrem hoch. Laut Medienuntersuchungen durch die Forschungsgruppe World Watch, wurden im Berichtszeitraum 612 nigerianische Christen getötet, Hunderte von Fällen physischer Gewalt registriert und fast 300 Kirchen zerstört. Zehntausende nigerianische Christen sahen sich angesichts massiver Drohungen gezwungen ihre Häuser zu verlassen. Sexuelle Übergriffe wurden von Boko Haram als Waffe eingesetzt, um Christen einzuschüchtern (OD 2014). Es gibt glaubhafte Berichte über die Flucht von Christen aus z.B. den Bundesstaaten Yobe und Borno. Die Menschen nennen als Gründe die Unsicherheit und die Gewalt (USDOS 20.5.2013). Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch Boko Haram fürchten, sollten in der Lage sein, Schutz bei Behörden zu suchen oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit außerhalb Nordnigerias in Anspruch zu nehmen (UKHO 12.2013).

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, die in den Jahren 2000/2001 die strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia wiedereingeführt haben, was zu einer nicht unerheblichen Zunahme von Spannungen zwischen Christen und Muslimen geführt hatte, kann es zur Anwendung von Scharia-Vorschriften (Verbot des gemischten Schulunterrichts, Verbot des Alkoholgenusses, Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln etc.) auch auf Nicht-Muslime kommen. Der Bundesstaat Kano führte im Mai 2007 die Pflicht zum Tragen islamischer Schulkleidung für alle Schülerinnen und Schüler, also auch für Angehörige der christlichen Minderheit, ein. Grundsätzlich gilt allerdings das Scharia-Recht nur für Muslime (AA 28.8.2013). Personen, die Angst vor der Scharia-Gerichtsbarkeit haben, haben auch das verfassungsmäßige Recht, dass ihre Fälle im formalen Rechtssystem behandelt werden. Personen, die Angst vor Hisbah-Gruppen (lokale Scharia-Gruppen in Nordnigeria) haben, können eine innerstaatliche Fluchtalternative in Gebieten in Anspruch nehmen, wo diese Gruppen nicht tätig sind oder keinen Einfluss haben (UKHO 12.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b):

Nigeria - Gesellschaft,

http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 19.4.2014; OD - Open Doors (2014): Weltverfolgungsindex 2014 - Wo Christen am stärksten verfolgt werden,

http://www.opendoors.de/downloads/wvi/wvi_2014_bericht, Zugriff 21.2.2014; UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,

http://www.refworld.org/docid/52a5b1ea4.html, Zugriff 19.2.2014; USDOS - U.S. Department of State (20.5.2013): 2012 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/247445/371030_de.html, Zugriff 18.2.2014

Ethnische Minderheiten

Diskriminierungen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie sind durch die Verfassung verboten (AA 28.8.2013). Um die nationale Einheit zu fördern, besagt das Gesetz, dass bei der Besetzung von Regierungen auf allen Ebenen (Bund, Bundesstaat, LGA) die Diversität berücksichtigt werden soll (USDOS 27.2.2014). Die Zusammensetzung der Regierung spiegelt einen fein austarierten Proporz zwischen den verschiedenen Ethnien wider (AA 28.8.2013). Allerdings gestaltet sich die Berücksichtigung aller Gruppen als schwierig (USDOS 27.2.2014).

Außerdem unterscheidet die Verfassung bei der Bevölkerung in den Bundesstaaten zwischen "Einheimischen" ("indigenous") und "Zuwanderern" ("settlers"). Diese Unterscheidung sollte ursprünglich die einheimische Bevölkerung schützen, hat aber angesichts der wachsenden Mobilität auch in der nigerianischen Bevölkerung immer weniger Sinn (AA 28.8.2013). Zwar hätten nämlich alle Staatsbürger prinzipiell das Recht in jedem Teil des Landes zu leben, doch diskriminieren Bundes- und Bundesstaatsgesetze jene ethnischen Gruppen, die an ihrem Wohnsitz nicht eigentlich indigen sind (USDOS 27.2.2014). In einigen Bundesstaaten ist die Lage von Minderheiten deshalb problematisch, zumal selbst den Nachfahren der Zuwanderer, die häufig gleichzeitig einer anderen Ethnie als die einheimische Bevölkerung angehören, regelmäßig die Teilnahme an Wahlen (aktiv wie passiv) verwehrt wird und sie nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen wie etwa Subventionen und öffentlichen Aufträgen, Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätzen haben (AA 28.8.2013). Manchmal werden Einzelpersonen sogar dazu veranlasst, in die ursprüngliche Heimat ihrer Ethnie zurückzukehren, obwohl sie dorthin keinerlei persönliche Verbindungen mehr haben. Fallweise werden derartige Rückkehrbewegungen durch Drohungen seitens Bundesstaats- und LGA-Regierungen ausgelöst, durch Diskriminierung am Arbeitsmarkt oder durch die Zerstörung von Häusern. Jene, die trotzdem am Wohnort verbleiben, sind manchmal weiterer Diskriminierung ausgesetzt (Verweigerung von Stipendien, Ausschluss einer Anstellung beim öffentlichen Dienst). Dies betrifft beispielsweise die Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau (USDOS 27.2.2014).

Angehörige aller ethnischen Gruppen praktizieren Diskriminierung, vor allem hinsichtlich der Anstellung im privaten Sektor und bezüglich der Trennung in urbanen Gebieten. Zwischen einigen Gruppen existieren historisch verwurzelte Spannungen (USDOS 27.2.2014). Nigeria hat eine lange und traurige Geschichte kommunaler Konflikte und ethnisch-religiöser Gewalt. Seit der Rückkehr der Demokratie im Jahr 1999 gibt es beispielsweise im Plateau State in Nigerias "Middle Belt? regelmäßig Ausbrüche blutiger Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen. Ebenso gibt es Unruhen in den nördlichen Städten Kaduna und Kano und seit mehreren Jahrzehnten wiederkehrende Konflikte im Tafawa Balewa District in Bauchi (KAS 12.7.2013). Das häufige Aufflackern von gewalttätigen Auseinandersetzungen ist also kennzeichnend für das oft schwierige Zusammenleben von Mehrheitsethnie und Minderheiten, insbesondere in Plateau State. Die Konflikte sind vordergründig religiös, tatsächlich aber häufig ethnisch, politisch bzw. wirtschaftlich motiviert (AA 28.8.2013). Vorfälle kommunaler Gewalt zwischen ethnischen Gruppen im Middle Belt führten im Jahr 2013 zu zahlreichen Todesopfern und Verletzten sowie zur Vertreibung tausender Menschen und zur Zerstörung von Eigentum. Ethno-religiöse Gewalt wird oft durch Landstreitigkeiten ausgelöst. So kamen z.B. im Mai 2013 im Bundesstaat Benue mehr als 50 Personen ums Leben. Konflikte über Landnutzungsrechte gibt es auch zwischen den Tiv, Kwalla, Jukun, Fulani und Azara in den Bundesstaaten Nasarawa, Benue und Taraba. Die Regierung reagiert auf Spannungen zwischen Ethnien üblicherweise mit einer Konzentration an Sicherheitskräften. Die National Orientation Agency organisiert Konferenzen, um die Toleranz zu fördern (USDOS 27.2.2014).

Im Niger-Delta ist die Lage der Minderheiten seit Beginn der Ölförderung vor 50 Jahren kritisch. Die dortige Bevölkerung klagt über jahrzehntelange Benachteiligung sowie kaum vorhandene Infrastruktur und Bildungseinrichtungen. Korruption, insbesondere auf Ebene der Bundesstaaten, hat zu einer besorgniserregenden Vernachlässigung der Region geführt (AA 28.8.2013).

Diskriminiert werden auch Albinos, die als Unglück erachtet werden. Sie werden manchmal bei der Geburt weggelegt, andere für Hexerei-Zwecke ermordet (USDOS 27.2.2014; vergleiche OHCHR 14.3.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 18.2.2014; OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 25.3.2014; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Minderheitengruppen

In Nigeria gibt es je nach Schätzung mehr als 250 (AA 28.8.2013) oder sogar mehr als 500 Ethnien (IOM 8.2013). Keine dieser Gruppen stellt landesweit eine Mehrheit. Die drei größten ethnischen Gruppen, die in der Summe rund zwei Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Eine vierte große, durch den Konflikt im Niger-Delta ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückte Ethnie, die Ijaw, der auch Präsident Jonathan angehört, lebt überwiegend in den ölreichen Regionen des Deltas (AA 28.8.2013). Zu den weiteren großen Gruppen zählen Tiv, Ibibio, Kanuri, Nupe, Gwari, Igala, Jukun, Idoma, Fulani, Itsekiri, Edo, Urhobo und Ljaw (IOM 8.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria;IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet

2013,https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=%2Fmilop%2Flivelink%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26objId%3D16800759%26objAction%3Dbrowse%26viewType%3D1, Zugriff 18.2.2014

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft v.a. die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Auch in den Bundesstaaten Bauchi, Kano, Kaduna, Kogi und Plateau wird durch Ausgangssperren die Bewegungsfreiheit immer wieder eingeschränkt. Es gibt auch weiterhin illegale Straßensperren und Kontrollpunkte, bei welchen Polizisten Geld von Reisenden verlangen. Sicherheitsbeamte wenden weiterhin übermäßige Gewalt an Kontrollpunkten und Straßensperren an (USDOS 27.2.2014).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 27.2.2014). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 12.2013). Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben: Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen praktisch unmöglich, an Orten, in denen kein solches soziales Netz besteht, erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten. Mit dem Umzug geht regelmäßig ein weitreichender Verlust der Bürgerrechte einher, da die meisten Bundesstaaten Zuwanderer aus anderen Gebieten von politischer Teilhabe und staatlichen Unterstützungen ausschließen (AA 28.8.2013).

Lokale Regierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt. Bundesstaats- und Lokalregierungen bedrohen und diskriminieren manchmal Angehörige nicht indigener Ethnien, damit diese wegziehen. Es kommt auch zur Zerstörung von Wohngebäuden (USDOS 27.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/52a5b1ea4.html, Zugriff 19.2.2014; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Meldewesen

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 28.8.2013; vergleiche ÖBA 11.2011). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind (ÖBA 11.2011).

Im "Sheriffs and Civil Process Act" Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖBA 11.2011).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Chaos herrscht hinsichtlich der Zahl an IDPs - vor allem in Nordnigeria. Es gibt keine nationale Erfassung von IDPs und auch keine genauen Zahlen. Im Juni 2013 schätzte die National Commission for Refugees (NCFR) die Zahl auf rund 258.350 Personen (USDOS 27.2.2014). Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte gibt die Zahl an IDPs im Zuge der Auseinandersetzungen in Nordnigeria im März 2014 mit ca. 500.000 an. 57.000 seien zudem in Nachbarländer geflohen (OHCHR 14.3.2014). IRIN wiederum berichtet von mindestens 350.000 Vertriebenen, davon 290.000 IDPs. UNHCR schätzt die Zahl der IDPs alleine schon auf 470.000. Allerdings gibt es keine Berichte über IDP-Lager, viele Flüchtlinge werden von der Lokalbevölkerung absorbiert (IRIN 14.3.2014) Die staatliche Agentur NEMA hingegen stellt nach einer Erhebung fest, dass im Norden 249.446 Menschen vertrieben worden sind. Diese leben entweder bei Gastgemeinden oder aber in Lagern. Den Erhebungen zufolge waren alleine im Zeitraum Jänner bis März 2014 über drei Millionen Menschen von den Auswirkungen der Gewalt im Norden betroffen. Die NEMA hat derweil um Unterstützung bei der Versorgung gebeten. Der Repräsentant des nigerianischen Roten Kreuzes stellt fest, dass es noch nie zuvor dermaßen viele Vertriebene aufgrund eines Konfliktes in Nigeria gegeben hat (ALL 25.3.2014).

Jedenfalls gab es aufgrund der anhaltenden Attacken der Boko Haram und der daraus resultierenden Reaktionen der Regierungskräfte Fluchtbewegungen innerhalb des Nordens und aus dem Norden in den Süden. Aus den Städten Maiduguri, Kano und Damaturu gab es einen Exodus. Die Flüchtlinge suchen meist bei Familie oder anderen Gemeinden Unterschlupf und werden nicht von der Regierung unterstützt. Hinsichtlich der genauen Zahl an Flüchtlingen aufgrund der Gewalt im Norden gibt es keine verlässlichen Schätzungen. Ethnische Streitigkeiten über Land und politische Macht führten zu Gewalt in Benue, Taraba und Nasarawa und damit auch zur Vertreibung von hunderten Personen (USDOS 27.2.2014).

Gemäß UN OCHA versuchen das nigerianische Rote Kreuz, das IKRK, der UN Bevölkerungsfonds und die Regierungsagenturen NEMA und SEMA (State Emergency Management Agency) die IDPs zu unterstützen. Das IKRK, das in Maiduguri, Jos und Kano über Stützpunkte verfügt, hat seit August 2013 an 18.000 aus dem Bundesstaat Borno Vertriebene Materialien für Hilfsunterkünfte, Decken und andere Notwendigkeiten verteilt. Über 1.500 Witwen, die ihre Männer im Konflikt verloren haben, wurden mit Nahrung versorgt (IRIN 14.3.2014).

Für Vertreibungen gibt es in Nigeria zahlreiche Ursachen:

Grenzstreitigkeiten, ethnische und kommunale Gewalt, lokale politische Gewalt, Enteignungen, Konflikte im Nigerdelta und in Plateau, Angriffe der Boko Haram im Norden, den Kampf der Regierung gegen Extremisten, die Verschiebung der nomadischen Weidegebiete im Zuge des Klimawandels, Überschwemmungen in den Zonen Süd-Süd und Südwest; die Reaktionen der Regierung sind ungleich und vom betroffenen Bundesstaat abhängig. Die NCFR hat aber nicht ausreichend Budget, um den Bedürfnissen nachzukommen. Auch die entsprechenden Ressourcen von Bundes- und Bundesstaatseinrichtungen sind unzureichend (USDOS 27.2.2014).

Der UNHCR unterstützte zudem rund 39.000 IDPs in elf Bundesstaaten, die im Jahr 2012 von Überschwemmungen betroffen waren (USDOS 27.2.2014).

Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen, um Flüchtlinge und Asylwerber zu unterstützen (USDOS 27.2.2014; vergleiche AA 28.8.2013). Die zuständige Behörde ist die National Commission for Refugees (NCFR), deren Bundeskommissar und die National Emergency Management Agency (NEMA). Das Eligibility Committee, in welchem der UNHCR als Beobachter vertreten ist, ist für die Gewährung des Flüchtlingsstatus', für Asyl und Rückführung zuständig. Laut UNHCR beherbergt Nigeria 1.865 anerkannte Flüchtlinge und 1.662 Asylwerber. Die Personen stammen hauptsächlich aus Kamerun und der DR Kongo. Einigen hunderten weiteren Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt (USDOS 27.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; ALL - All Africa/Premium Times (25.3.2014): Boko Haram Crisis Displaces 250,000 Nigerians in Three Months - NEMA, http://allafrica.com/stories/201403260278.html?viewall=1, Zugriff 26.3.2014; IRIN - Integrated Regional Information Network (14.3.2014): Humanitarian response gap grows in northern Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271781/400460_de.html, Zugriff 25.3.2014; OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 25.3.2014; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Grundversorgung/Wirtschaft

Das solide Wirtschaftswachstum der letzten Jahre (6 bis 8 Prozent) war neben den positiven Entwicklungen in den Banken-, Telekommunikations- und Agrarsektoren auch auf die hohen Öleinnahmen zurückzuführen. Die Regierung legt einen Teil der Einnahmen aus dem Ölexport auf ein Sonderkonto, dem sogenannten Excess Crude Oil Account, der Zentralbank fest, um damit eine stabilere Fiskalpolitik zu erzielen, einen Inflationsschub zu verhindern und Reserven für schlechtere Zeiten anzulegen. Im Mai 2011 hat die Regierung außerdem einen Staatsfonds geschaffen, der sich ebenfalls aus Öleinnahmen speist und zur Finanzierung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen dienen soll (AA 6.2013a). Ab 2004 nutzte Nigeria den Ölgewinn, um seine Schulden zu bezahlen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Reformen der Regierung Obasanjo konnte das Land 2005 mit dem Pariser Club, also den internationalen Gläubigern einen Schuldenerlass um 18 Mrd. US-Dollar von insgesamt 30 Mrd. US-Dollar aushandeln. Im Gegenzug zahlte die nigerianische Regierung 12 Mrd. US-Dollar zurück. Damit ist Nigeria das erste afrikanische Land, das gegenüber dem Pariser Club schuldenfrei geworden ist (GIZ 10.2013c).

Nigeria ist nach Südafrika die zweitwichtigste Volkswirtschaft Afrikas. Dies verdankt das Land vor allem seinen reichhaltigen Bodenschätzen wie bspw. Zinn, Eisen-, Blei-, Zinkerz, Kohle und Kalk. Die nigerianische Wirtschaft wird dabei von der Erdöl- und Erdgasförderung dominiert. Über 80 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen, 90 Prozent der Exporterlöse (GIZ 10.2013c; vergleiche AA 6.2013a) und 15 Prozent des Bruttoinlandprodukts generieren sich aus den Erdölgeschäften (AA 6.2013a).

Neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 28.8.2013). Der Reichtum Nigerias ist das Öl, doch über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. In ländlichen Gegenden beträgt der Anteil über 90 Prozent (AA 6.2013a). Der Sektor erwirtschaftete 2011 etwa 42,2 Prozent des BIP. Produziert werden Nahrungsmittel für den Eigenbedarf sowie Kakao, Erdnüsse, Kautschuk, Cassava, Yam für den Export (GIZ 10.2013c). Nigeria ist Afrikas größter Yam- und Augenbohnenproduzent und der weltweit größte Produzent von Maniok (Kassava) (AA 6.2013a).

Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen - in der Regel in Subsistenzwirtschaft - mit Größen von einem bis 5 Hektar (AA 6.2013a). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 10.2013c). Die Maisproduktion wurde - durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 6.2013a).

Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) macht nur 23,7 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert (GIZ 10.2013c). Haupthindernis für die industrielle Entfaltung ist die unzureichende Infrastrukturversorgung (Energie und Transport) (GIZ 10.2013c; vergleiche AA 28.8.2013). Von insgesamt 200.000 Straßenkilometer landesweit sind ca. 50 Prozent instandsetzungsbedürftig. Mit der Eisenbahnnetzmodernisierung Lagos-Kano (ca. 1.300 km) wurde bereits 2006 begonnen (GIZ 10.2013c).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2014). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2014; vergleiche AA 28.8.2013) und vom informellen Handel sowie (Subsistenz-) Landwirtschaft. Die Wirtschaftsreformen der letzten Jahre haben zwar zu einer makroökonomischen Konsolidierung geführt, aber die Lage der breiten Bevölkerung noch nicht verbessert. Die Reduzierung der Benzinsubventionen Anfang 2012 verursacht bei weiten Teilen der Bevölkerung zusätzliche Härten (AA 28.8.2013). Von Arbeitslosigkeit und mangelnden Perspektiven vor allem für die jüngere Generation sind mehr noch als der Süden die nördlichen Regionen Nigerias betroffen (AA 10.2013).

Mindestens 20 Millionen junge Menschen sind arbeitslos. Der Staat und die Bundesstaaten haben nur zögerlich damit begonnen, diesbezüglich Programme umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2014). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 10.2013b).

Verschiedene Studien haben ergeben, dass mehr als 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Nigerias arbeitslos sind und dass 60 Prozent der Arbeitslosen Abgänger der Haupt- oder Mittelschule ohne Berufsausbildung sind (IOM 8.2013). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann und keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird, ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 11.2011).

Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Bis September 2012 waren nur 5,2 Millionen Nigerianer beim Contributory Pension System registriert, lediglich 55.000 Pensionisten erhielten Auszahlungen (BS 2014).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt (GIZ 10.2013c). Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat. Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 28.8.2013; vergleiche GIZ 10.2013c).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe. Kooperative Verbände, Finanzinstitutionen der Regierung (Mikrokredite der NACRDB, NAPEP etc.) und nichtstaatliche Organisationen sowie SME [Small and medium enterprises] -freundliche Handels- und Gemeinschaftsbanken bieten finanzielle und administrative Unterstützung bei der Existenzgründung in Nigeria (IOM 8.2013).

Programm zur freiwilligen Rückkehr nach Nigeria von IOM:

Ansprechpartner: Abteilung für Unterstützte Freiwillige Rückkehr und Reintegration (AVRR): Andrea Götzelmann - Abteilungsleiterin; agoetzelmann@iom.int; 01-585 3322 22; AVRR Nigeria Evelyn Rainer erainer@iom.int; 01-585 33 22 12. Einerseits leistet IOM Lagos Einsatz am Flughafen, um Rückkehrer aus Ländern wie Österreich, der Schweiz, Norwegen, und Israel zu empfangen, andererseits fahren sie mit den Projektteilnehmer auf lokale Märkte, um mit ihnen gemeinsam Material für ihre Kleinbetriebe zu besorgen. In Lagos (wohin 50 Prozent der freiwilligen Rückkehrer gehen) sind die Mietpreise sehr hoch. Mietobjekte werden nur vergeben, wenn die Miete ein bis drei Jahre im Vorhinein entrichtet wird. Dieser Umstand war einer der Hauptgründe, dass für das Projekt "AVRR Nigeria V" die Reintegrationsunterstützung pro Teilnehmer auf 4.000 Euro angehoben wurde (IOM 29.11.2013). 90 Prozent der Befragten freiwilligen Rückkehrer gaben an, dass sie seit der Rückkehr ihre sozialen Kontakte zu Freunden und Verwandten wieder aufbauen konnten. Von den 21 befragten Projektteilnehmer/innen gaben 95 Prozent an, dass das IOM Reintegrationsprojekt sehr hilfreich bzw. hilfreich für ihre individuelle Reintegration in Nigeria war (IOM 24.5.2013).

Auch wenn die Lage in Nigeria regional instabil ist, kann im Sinn der maßgeblichen Rechtsprechung keineswegs von einer realen Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK für Rückkehrer nach Nigeria schlechthin - etwa aufgrund eines Bürgerkrieges oder einer Hungersnot - gesprochen werden (BVwG 25.2.2014).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AA - Auswärtiges Amt (6.2013a): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_3F520728A4894ACD7F861F33D62DF9E8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 18.2.2014; AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.2.2014; BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Nigeria Country Report,

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI%202014%20Nigeria.pdf, Zugriff 18.2.2014; BVwG - Bundesverwaltungsgericht (25.2.2014):

Erkenntnis 1438671-1,

http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20140225_1438671_1_00/BVWGT_20140225_1438671_1_00.html, Zugriff 26.3.2014; GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 19.4.2014; GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013c): Nigeria - Wirtschaft und Entwicklung, http://liportal.giz.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung.html, Zugriff 19.2.2014; IOM - International Organization for Migration (8.2013):

Nigeria - Country Fact Sheet 2013, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=%2Fmilop%2Flivelink%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26objId%3D16800759%26objAction%3Dbrowse%26viewType%3D1, Zugriff 18.2.2014; IOM - International Organization for Migration (29.11.2013): AVRR Newsletter Herbst 2013, Ausgabe 9; IOM - International Organization for Migration (24.5.2013): AVRR Newsletter Frühling 2013, Ausgabe 7; ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Medizinische Versorgung

Das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium. Das Gesundheitsministerium ist für die Koordination aller Aktivitäten im Bereich Gesundheitswesen im gesamten Land verantwortlich. Medizinische und Gesundheitsdienste sind ebenfalls Aufgabe der Regierung, die Krankenhäuser in den großen Städten unterhält. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2013).

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt. Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2013).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In einigen der Privatkliniken in den großen Städten ist der Standard besser (AA 27.3.2014). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2013).

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 10.2013b).

Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten. In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (SFH 22.1.2014; vergleiche AA 28.8.2013). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba mit seinem neuen medizinischen Direktor Dr. Rahman Abolore Lawal bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Nach Rücksprache mit Dr. Lawal belaufen sich die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen auf ca. 25.000 Naira (ca. 115 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 28.8.2013). Die Kosten einer Hospitalisierung in einer psychiatrischen Einrichtung variieren zwischen den verschiedenen Regionen Nigerias. In Lagos betragen sie im Lagos State University

Teaching Hospital: Zulassungsgebühr (admission deposit): 15.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 5.000 Naira; Am Lagos

University Teaching Hospital: Zulassungsgebühr 23.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 20.000 Naira (SFH 22.1.2014).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianerinnen und Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (AA 28.8.2013). Gemäß einem Bericht von 2013 vom Health Policy Project (HPP) erreicht das nigerianische Krankenversicherungswesen momentan nur gerade fünf Millionen Menschen. Dies entspricht 3 Prozent der gesamten nigerianischen Bevölkerung. Auf der Webseite des NHIS steht, dass die Krankenversicherung bis ins Jahr 2015 30 Prozent der nigerianischen Bevölkerung erreichen soll (SFH 22.1.2014). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 28.8.2013). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 10.2013b).

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 28.8.2013). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2013). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2013; vergleiche AA 28.8.2013). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 27.2.2014).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2013). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 28.8.2013). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 11.2011).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 28.8.2013).

Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2013). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 28.8.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; AA - Auswärtiges Amt (27.3.2014): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.htm l, Zugriff 27.3.2014; GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 19.4.2014; IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet 2013,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=%2Fmilop%2Flivelink%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26objId%3D16800759%26objAction%3Dbrowse%26viewType%3D1, Zugriff 18.2.2014; ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011):

Asylländerbericht Nigeria; SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (22.1.2014): Nigeria: Psychiatrische Versorgung, http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1391265297_document.pdf, Zugriff 18.2.2014; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014):

Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.2014

Behandlung nach Rückkehr

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen vor allem aus Spanien, Italien, Irland (bestehende Rückübernahmeabkommen) sowie Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Schweden, meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 28.8.2013).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 28.8.2013). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen keine Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 11.2011).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die Drogenpolizei (NDLEA) überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33". Vor dem Hintergrund, dass die Sicherheitskräfte Verdächtige misshandeln oder extra-legal töten, statt sie vor Gericht zu stellen, lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass Polizei und Militär auch Dekret 33 noch als Legitimationsgrundlage für Repressalien sehen, trotz dessen offizieller Nichtanwendung (AA 28.8.2013).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 28.8.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Dokumente und Staatsangehörigkeit

Aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ist es ohne weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist. Die Beantragung eines Passes bei den nigerianischen Passbehörden folgt nicht europäischen Standards. Es ist einfach, einen neuen Pass unter Vorlage eines nationalen, nicht auf Echtheit und inhaltliche Richtigkeit überprüften Dokuments (z.B. Geburtsurkunde) zu erhalten. Damit ist es für jede Person möglich, ihre wahre Identität zu verschleiern und mit gefälschten Personaldaten nach Europa zu gelangen (AA 28.8.2013; vergleiche BAA 11.8.2011).

Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden sowie Zeugnisse von Schulen und Universitäten), die aber oft nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, sind in Lagos, aber auch in anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Diese Fälschungen sind professionell ausgestaltet und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Auch inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte Bescheinigungen (Gefälligkeitsbescheinigungen) sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. In der Vergangenheit vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden waren in der Form oftmals fehlerhaft oder enthielten falsche Darstellungen der behördlichen Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Auch Aufrufe von Kirchengemeinden, namentlich genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren, waren oftmals gefälscht (AA 28.8.2013; vergleiche ÖBA 11.2011).

Die Verfassung knüpft die Staatsangehörigkeit an die Geburt in Nigeria oder - im Ausland - an die Abstammung von einem nigerianischen Elternteil (Artikel 25,). Mit Dekret 69/92 vom 14.12.1992 wurde die Registrierung von Geburten der Nationalen Bevölkerungskommission (National Population Commission, NPC) übertragen. Die Registrierungspraxis ist landesweit unterschiedlich und weist zum Teil erhebliche Lücken auf (AA 28.8.2013). Es ist nicht vorgeschrieben, Geburten registrieren zu lassen (USDOS 27.2.2014). So wird landesweit nur jede dritte Geburt ordnungsgemäß registriert. Der Verzicht auf die nigerianische Staatsangehörigkeit ist theoretisch möglich (Artikel 29, der Verfassung), jedoch nur nach Registrierung durch den Präsidenten wirksam. Praktisch macht diese Durchführungsvorschrift den Verzicht unmöglich, da der Präsident die Registrierung nicht vornimmt und eine Delegierung auf eine andere staatliche Stelle nicht vorgesehen ist (AA 28.8.2013).

Quellen: AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria; BAA - Bundesasylamt/Staatendokumentation (11.8.2011): Analyse Nigeria - Dokumente; ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011):

Asylländerbericht Nigeria; USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html, Zugriff 4.3.20141.1.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria, Zugehöriger der christlichen Religion und stammt aus römisch 40 , Nigeria. Er hält sich seit August 2009 ununterbrochen im österreichischen Bundesgebiet auf. Es handelt sich bei dem Asylantrag um dessen einzigen Asylantrag; Folgeanträge wurden nicht gestellt und kam der Beschwerdeführer auch seiner Mitwirkungspflicht im Asylverfahren nach. Die Verfahrensdauer ist ihm daher nicht anzulasten.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe werden der Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen hat bzw. eine solche im Falle seiner Rückkehr zu befürchten hätte.

Der Beschwerdeführer leidet zur Zeit an keiner existenzbedrohenden, behandlungsbedürftigen Erkrankung.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über ein weites Netz an österreichischen Freunden durch sein Engagement in der Kirchengemeinde. Der Beschwerdeführer integrierte sich in all den Jahren seines Aufenthalts sowohl in beruflicher, sprachlicher und sozialer Hinsicht in Österreich.

Er absolvierte mehrere Deutschkurse und bringt seine Kenntnisse als Fotograf regelmäßig in der Kirchengemeinde und bei Hochzeiten ein. Er arbeitet als Straßenzeitungsverkäufer. Er verfügt über hervorragende Kenntnisse der deutschen Sprache. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Die oben unter Punkt römisch eins. getroffenen Ausführungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl).

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen persönlichen Verhältnissen ergeben sich aus dem Vorbringen im Zusammenhang mit der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

Im Rahmen der Verhandlung vermochte sich das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der hervorragenden Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers selbst zu überzeugen.

Bezüglich seiner Beschäftigung bei der Zeitschrift "XXXX" liegt eine Bestätigung der Zeitschrift vor. Beweis für sein Engagement in der Kirche und als Fotograf lieferten die Aussagen der Zeugen sowie zahlreiche Fotografien und Unterstützungserklärungen von kirchlichen Würdenträgern.

Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers resultiert aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

Laut eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 09.12.2014 ist die Behandlung der Hepatitis A-Erkrankung abgeschlossen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation für den Fall einer Rückkehr beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt sowie auf den Ausführungen in der Beschwerde und der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 09.12.2014.

Aus einer Gesamtschau der oben angeführten Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren ergibt sich jedoch, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht im Stande war, eine im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Es konnte weder eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete, anhaltende Verfolgungsgefahr festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat im ausreichendem Maße für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

Die speziell angeforderten Anfragen an die Staatendokumentation (AS 65-77) ergaben keine Bestätigung der vom Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Fluchtgründe aufgestellten Behauptungen. Zudem meint der Beschwerdeführer selbst, er sei nach zwei Wochen der polizeilichen Festhaltung wieder freigelassen worden und berichtet von keinen ihn betreffenden Misshandlungen. Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Zeitungsartikel aus "The Sun" betrifft exponierte Führer der XXXX-Bewegung. Dass er zu diesem Kreis gehört, behauptet auch der Beschwerdeführer nicht. Er gibt an, Führer einer kleinen regionalen Gruppe gewesen zu sein. Der von ihm vorgelegte Bericht von Amnesty International nimmt nicht Bezug auf speziell Mitglieder der XXXX-Bewegung treffende Misshandlungen. Von einer aktuellen Verfolgungsgefahr kann daher nicht ausgegangen werden. Auch die Informationen des kanadischen Immigration and Refugee Boards geben keinen Hinweis darauf, dass einmal entlassene Mitglieder eine erneute Festnahme zu befürchten hätten. Wie der Beschwerdeführer selbst in seiner Einvernahme vom 07.10.2009 angab, hatte er nie zuvor Schwierigkeiten wegen seiner Mitgliedschaft und es gibt keine Hinweise, dass er solche nach seiner Rückkehr erwarten müsste.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, zuletzt geändert mit Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 144 aus 2013,) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974, (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (in der Folge: VwGH) die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" vergleiche VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Artikel eins, Abschnitt C Ziffer 5, GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht festgestellt werden.

Konkrete Hinweise auf eine Gefahr der Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat sind im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht somit nicht hervorgekommen. Schließlich sind im Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des Paragraph 11, offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Absatz eins, oder aus den Gründen des Absatz 3, oder 6 abzuweisen, so hat gemäß Paragraph 8, Absatz 3 a, AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der VwGH hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zahl 95/18/0049;

05.04.1995, Zahl 95/18/0530; 04.04.1997, Zahl 95/18/1127;

26.06.1997, Zahl 95/18/1291; 02.08.2000, Zahl 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zahl 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zahl 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, Zahl 98/01/0122; 25.01.2001, Zahl 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zahl 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. Gesetzgebungsperiode zu Paragraph 8, AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikel 3, EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zahl 95/21/0294; 25.01.2001, Zahl 2000/20/0438; 30.05.2001, Zahl 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des Paragraph 57, Absatz eins, FrG (nunmehr: Paragraph 50, Absatz eins, FPG bzw. Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach Paragraph 8, AsylG 1997 in Verbindung mit Paragraph 57, Absatz eins, FrG (nunmehr: Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich, Zahl 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zahl 44599/98; vergleiche auch VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Artikel 3, EMRK in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 bzw. Paragraph 50, Absatz eins, FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vergleiche VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443;

13.11.2001, Zahl 2000/01/0453; 09.07.2002, Zahl 2001/01/0164;

16.07.2003, Zahl 2003/01/0059).

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Artikel 3, EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zahl 2001/21/0137).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG nicht gegeben sind:

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Selbst wenn im Herkunftsstaat die Todesstrafe als gesetzliche Strafsanktion für besonders schwere Straftaten vorgesehen ist, so hat sich auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens kein reales Risiko ergeben, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat einer dem 6. bzw. 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen werden würde.

Aus den herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Nigeria unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer verfügt über eine mehrjährige Schul- sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung. Er wird daher im Herkunftsstaat in der Lage sein, sich mit der bislang ausgeübten Tätigkeit oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.

Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Nigeria herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Artikel 3, EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Nigeria entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage in Nigeria reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028)

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde vergleiche VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958, idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Nr. 138 aus 1985, idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, Bundesgesetzblatt Teil 3, Nr. 22 aus 2005, idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt römisch III des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig):

Die relevanten Übergangsbestimmungen des Paragraph 75, Absatz 19,, 20 und 23 AsylG 2005 idgF lauten wie folgt:

"§ 75. (...)

(19) Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen.

(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Absatz 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 4, des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 4, folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 7, aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 9, aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Ziffer 5 und 6 darf kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegen.

(...)

(23) Ausweisungen, die gemäß Paragraph 10, in der Fassung vor dem Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012,."

Da es sich hier um einen Übergangsfall im Sinne des Paragraph 75, Absatz 19, AsylG 2005 handelt, ist nunmehr nach Maßgabe des Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückverwiesen wird.

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a

zurückgewiesen wird, der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5,

zurückgewiesen wird, der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Ziffer eins bis 5 kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegt.

Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird, dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Ausweisungen nach Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 in der Fassung vor dem Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, gelten gemäß Paragraph 75, Absatz 23, AsylG 2005 idgF als aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Geltung als Rückkehrentscheidung nach Paragraph 52, Absatz 2, FPG.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG).

Gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Artikel 8, Absatz 2, EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihres Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in eine Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen vergleiche VfGH vom 29.9.2007, B 1150/07-9).

Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bereits die Ausweisung, nicht erst deren Vollzug einen Eingriff in das durch Artikel 8, Absatz eins, gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt vergleiche die bei Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S 344 zitierte Judikatur des VfGH).

Entsprechend der Rechtsprechung des EGMR als auch jener des Verfassungsgerichtshofes muss der Eingriff hinsichtlich des verfolgten legitimen Ziels verhältnismäßig sein.

Die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung (Ausweisung) des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Nigeria einen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Artikel 8, EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellen würde:

Der Beschwerdeführer legte seinen Integrationswillen durch positive soziale Kontakte in seiner Kirchengemeinde, den Vortrag an einer Schule und der hervorragenden Deutsch-Kenntnisse, der nicht selbst verschuldeten langen Aufenthaltsdauer und der strafgerichtlichen Unbescholtenheit dar. Die nach wie vor bestehende Bindung zum Herkunftsstaat und das mangelnde Familienleben in Österreich treten in Anbetracht dieser Umstände in den Hintergrund.

Schließlich ergibt sich aus den dargelegten Umständen, dass der Beschwerdeführer zahlreiche der oben angeführten Kriterien, die bei der Abwägung der betroffenen Interessen maßgeblich zu berücksichtigen sind, erfüllt und diese besonders intensiven privaten Interessen auch die öffentlichen Interessen an einer Rückkehrentscheidung gerade noch überwiegen. So hat der Beschwerdeführer gezeigt, dass er stets um eine möglichst umfassende und auf Dauer angelegte persönliche Integration in Österreich bemüht war und gerade deshalb auch einen entsprechend hohen Grad der Integration in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht erreicht hat. Belegt wird dieser nachhaltige Integrationswille des Beschwerdeführers weiters durch diverse, vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Empfehlungsschreiben.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften einer Güterabwägung grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch ist im gegenständlichen Fall aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das private Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich dennoch höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an einer Rückkehrentscheidung.

Eine Aufgabe seines Lebensmittelpunktes in Österreich ist für den Beschwerdeführer daher nicht zumutbar und steht zu den öffentlichen Interessen außer Verhältnis.

Abschließend ist auch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, weshalb im Fall seines Verbleibens im Bundesgebiet auch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu erkennen ist.

Da im Hinblick auf die oben dargelegten Abwägungen zum Entscheidungszeitpunkt das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung des Privatlebens in Österreich im konkreten Fall die in Artikel 8, Absatz 2, EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt, erweist sich die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung (Ausweisung) aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat als unzulässig.

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und festzustellen, dass die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria gemäß Paragraph 75, Absatz 20, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), Bundesgesetzblatt Nr. 10 aus 1985, idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2015:W158.1413843.1.00