Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

12.12.2014

Geschäftszahl

W151 1429530-1

Spruch

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamt vom 14.09.2012, Zl. 11 13.946-BAG, wegen Paragraphen 3,, 8 und 10 AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und Herrn römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, wird Herrn römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 12.09.2015 erteilt.

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 18.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari/Farsi, im Wesentlichen Folgendes an: Er sei am römisch 40 in der Provinz Daikundi in Afghanistan geboren. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Hazare, muslimischer Schiit und ledig. Er spreche Dari/Farsi. Er habe als Landarbeiter gearbeitet.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der BF vor, dass er im Dorf römisch 40 gewohnt habe. Dieses läge neben dem Dorf römisch 40 , wo viele Paschtunen und Taliban wohnen würden. Der BF als Hazare habe immer wieder seit Jahren Grundstücksstreitigkeiten mit den Bewohnern aus dem benachbarten Dorf gehabt. Da es für den BF zu gefährlich gewesen sei, habe er beschlossen, Afghanistan zu verlassen. Er habe nach Österreich gewollt und habe hier um Asyl angesucht. Er habe Angst vor den Taliban.

Mit Verfahrensanordnung vom 22.11.2011 wurde dem BF mitgeteilt, dass die Behörde beabsichtige, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Dublin Konsultationen mit Ungarn seit 21.11.2011 geführt werden.

Am 30.11.2011 wurde ein Einzelauftrag zur Erstellung einer medizinischen Altersdiagnose an das Ludwig Boltzmann Institut übermittelt.

Am 19.12.2011 langte die Meldung aus Ungarn ein, dass der BF dort nicht bekannt sei.

Mit Aktenvermerk vom 04.01.2012 wurde festgehalten, dass der BF am selben Tag über die Altersfeststellung informiert wurde. Trotz mehrfacher Nachfrage und auch dem Vorhalt deutlich älter auszusehen, hielt der BF die Angaben zu seiner Minderjährigkeit aufrecht.

Am 10.02.2012 langte das Ergebnis des Altersschätzungsgutachtens ein, aus dem sich ergab, dass sich für den BF zum Zeitpunkt der Untersuchungen am 20.01.2012 ein wahrscheinlichstes Lebensalter von ca. 19-22 Jahren feststeht. Unter der Berücksichtigung einer Schwankungsbreite von 2 Jahren ergibt sich ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 18 Jahren. Somit liegt Volljährigkeit vor.

Am 17.02.2012 wurde der BF vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen (im Folgenden BAT), im Beisein eines beigegebenen Dolmetschers, welcher für den BF in die Sprache Dari übersetzte, niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde ihm das Ergebnis der Altersfeststellung (Volljährigkeit) mitgeteilt. Dazu gab der BF an, dass er das erzählt habe, was ihm seine Eltern gesagt hätten. Er respektiere aber die Entscheidung. Weiters brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt habe. Dokumente könne er keine vorlegen. Erneut befragt zu seinen Fluchtgründen brachte der BF vor, dass er aus der Heimat geflohen sei, da es Grundstücksstreitigkeiten mit Personen sunnitischen Glaubens gegeben habe. Die Sunniten seien in der Überzahl gewesen. Es sei für den BF persönlich so gefährlich gewesen, da sein Vater der Älteste der Schiiten in der Gegend sei. Die Feinde hätten dies gewusst und deshalb den BF bedroht. Dabei sei es auch zu Übergriffen gekommen. Der Vater des BF sei einige Male verletzt worden; der BF sei dabei nicht zu Schaden gekommen. Das Hauptproblem bestünde darin, dass der BF einer Minderheit angehöre, die sich auch nirgends beschweren könne und der keiner zuhöre. Es gäbe eine Anzeige gegen die Feinde der Familie. Diese habe der Vater des BF bei der Distriktsbehörde erstattet.

Am 13.09.2012 kam es zu einer erneuten Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz (im Folgenden BAG), im Beisein eines beigegebenen Dolmetschers für die Sprache Dari. Der BF könne keine identitätsbezeugenden Dokumente oder sonstigen Beweismittel vorlegen. Das Heimatdorf des BF XXXXbefände sich im Distrikt römisch 40 in der Provinz Daykundi. Weiters wurde der BF erneut detailliert zu seinem Fluchtweg befragt. Seine ganze Familie (Vater, Mutter, 1 Bruder, 2 Schwestern) lebe noch in Afghanistan. Der BF habe sich vor ca. 1 Jahr und 1 Monat dazu entschlossen, die Heimat zu verlassen. In der Heimat habe der BF als Bauer gearbeitet. Er habe Weizen angebaut und die Familie habe Obstbäume besessen. Der Vater sei auch Tischler. Er habe Möbel hergestellt und diese dann verkauft. Weiters halte der BF alle seine bisherigen Fluchtgründe aufrecht. Sein Dorf habe der BF wegen Grundstücksstreitigkeiten verlassen. Schon die Taliban hätten der Familie Grundstücke weggenommen. Als Karzai an die Macht gekommen sei, habe die Familie die Grundstücke zurück haben wollen; sie habe diese aber nicht bekommen. Deshalb habe es mit dem benachbarten Dorf eine Auseinandersetzung gegeben. Im Zuge der Streitigkeiten sei der Vater des BF verletzt worden. Der BF selbst wurde nie verletzt. In einem anderen Teil Afghanistans könne er nicht leben. Auch nicht bei der Schwester des Vaters in römisch 40 . Dort würde er keine Arbeit finden. Bei einer Rückkehr drohe dem BF wegen der andauernden Grundstücksstreitigkeiten Gefahr.

Der BF verzichtete auf eine vollständige Übersetzung der Länderberichte. Ihm werden die Feststellungen zur Sicherheitslage, Minderheit der Hazare in Afghanistan zur Kenntnis gebracht. Dazu gab der BF an, dass er Hazare sei, die Grundstücksstreitigkeiten seien aber private Streitigkeiten.

In Österreich besuche der BF einen Deutschkurs. Er habe telefonischen Kontakt mit seinen Eltern.

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 14.09.2012 Zl. 11 13.946-BAG, zugestellt am 18.09.2012, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), wies den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch II.) und wies den BF gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt römisch III.).

Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur Person des BF, zur Lage in seinem Herkunftsstaat, zur Situation im Fall der Rückkehr des BF in sein Herkunftsland sowie folgenden Feststellungen für das Verlassen des Herkunftslandes (Auszug aus den Bescheidfeststellungen, siehe AS 216): "Ihre behaupteten Fluchtgründe stehen in keinem Zusammenhang mit der aktuellen politischen Situation bzw. der daraus resultierenden Sicherheitslage in Ihrem Herkunftsstaat; insbesondere nicht mit den Auseinandersetzungen zwischen der Staatsmacht und den Taliban oder anderen radikalen islamischen Gruppierungen. Eine staatliche Verfolgung oder eine Verfolgung aufgrund einer politischen, religiösen oder ethnischen Merkmales haben Sie ebenfalls nicht geltend gemacht. Die von Ihnen genannten Fluchtgründe resultieren ausschließlich aus einer behaupteten Bedrohung durch Drittpersonen (unbekannte Personen). Diese verwirklichen mangels Asylrelevanz nicht die Qualität einer unter der GFK subsumierenden Verfolgung bzw. sind auch nicht glaubwürdig. Ihre Flüchtlingseigenschaft war daher nicht feststellbar. Es konnte keine Bedrohungssituation im Falle einer Rückkehr festgestellt werden." Das Bundesasylamt kam sohin zum Schluss, dass der BF der Gefahr einer aktuell drohenden Verfolgung aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen bzw. eine wohlbegründete Furcht vor einer solchen nicht glaubhaft gemacht habe.

Die vom BF geltend gemachten Umstände sind nicht unter die Bestimmungen der GFK zu subsumieren. Das mangelnde Vorliegen eines GFK-Motivs schließt daher die Gewährung von Asyl von vornherein aus. Ebenso konnte der BF keine Beweise hinsichtlich des tatsächlichen Besitzes von Grundstücken vorlegen. Auch auf weiteres Nachfragen konnte der BF keine genauen Angaben zu den Grundstücken tätigen. Der BF konnte während des gesamten Asylverfahrens nicht den Eindruck erwecken, dass seine Angaben den Tatsachen entsprechen und wurden diese daher seitens des Bundesasylamtes als unglaubwürdig eingestuft.

Beim BF handelt es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen jungen Mann. Er war in seiner Heimat berufstätig und ihm ist im Fall seiner Rückkehr die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit möglich und auch zumutbar. Weiters leben noch Angehörige und weitere Verwandte in der Heimat, womit Anknüpfungspunkte vorliegen.

Mit Verfahrensanordnung vom 14.09.2012 wurde dem BF für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Mit dem am 27.09.2012 beim Bundeasylamt eingebrachten Schriftsatz erhob der BF Beschwerde gegen den oben genannten Bescheides. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF Asyl gewährt oder in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt oder der angefochtene Bescheid behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BAA zurückverwiesen werde.

Darin führte der BF aus, dass er all seine Fluchtgründe wahrheitsgetreu geschildert habe und dass er in Afghanistan massiver Verfolgung ausgesetzt sei. Er als Hazare sei in seiner Region einer Minderheit angehörig. Der BF sei von den Feinden bedroht worden. Der BF verwies weiters auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 23.08.2011 zur Situation in Afghanistan. Dazu führte der BF aus, dass er keine innerstaatliche Fluchtalternative habe, da es in keinem Teil des Landes Schutz vor der von ihm angegeben Verfolgung gäbe. Aufgrund der allgemeinen Situation sei es dem BF nicht zumutbar nach Afghanistan zurückzukehren. Anbei legte der BF ein Dokument vor, welches seine Probleme in Afghanistan nachweisen könne.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Asylgerichtshof am 02.10.2012 vom Bundesasylamt vorgelegt.

Am 30.08.2013 wurden 2 Sprachdiplome und 1 Deutschkurs-Teilnahmebestätigung vorgelegt.

Mit Wirksamkeit 01.01.2014 wurde das nunmehr zur Behandlung der Beschwerde zuständige Bundesverwaltungsgericht eingerichtet und die Rechtssache am 08.01.2014 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Am 24.07.2014 langte ein Schreiben des BFA ein, in dem die Nichtteilnahme an der Verhandlung zur Kenntnis gebracht und die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wurde.

Am 12.09.2014 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie eines länderkundlichen Sachverständigen für Afghanistan, Univ.- Lekt. Dr. Sarajuddin Rasuly, statt, an welcher der BF teilnahm. Die belangte Behörde erschien entschuldigt nicht zur Verhandlung. Der BF brachte wie folgt vor (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll, nicht schreibfehlerkorrigiert):

"R: Wie geht es Ihnen heute? Sind Sie gesund oder befinden Sie sich derzeit in medizinischer Behandlung oder nehmen Sie regelmäßig Medikamente?

BF: Nein, ich habe keine Probleme ganz gesund.

R: Fühlen Sie sich in der Lage der heutigen Verhandlung zu folgen?

BF: Ja.

R: Wurden Ihnen die beiden Niederschriften, die im Rahmen der Erstbefragung mit Ihnen aufgenommen wurden, rückübersetzt und hatten Sie bei den Protokollen Probleme?

BF: Bei der zweiten Einvernahme war der Dolmetsch ein Iraner. Ich verstand die Sprache nicht gut. Er hat mich auch nicht verstanden, z. B. den afghanischen Begriff für Jahreszeiten nicht gekannt. Die Übersetzungsmängel wurden nicht korrigiert, weil mich der D nicht verstanden hat. Das war soweit ich mich erinnere die einzige Problematik.

R: Haben Sie vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung und der weiteren Befragung vor dem BAA die Wahrheit gesagt?

BF: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt.

R: Haben Sie Identitätsdokumente aus Ihrem Herkunftsland, die Ihre Identität bestätigen? Etwa eine Tazkira?

BF: Nein, habe ich nicht. Auch als ich noch in Afghanistan gelebt habe, hatte ich keine Tazkira.

R: Warum hatten Sie keine Tazkira?

BF: Wir leben weit weg von der Hauptstadt in der Provinz Daikundi. Es gab keinen Bedarf oder Notwendigkeit eine Tazkira zu besorgen. Wir hatten ja auch kein Auto, womit im Falle einer polizeilichen Kontrolle es nicht notwendig gewesen wäre, ein Dokument vorzuweisen.

R: Haben Sie je ein anderes Identitätsdokument besessen?

BF: Nein.

R: Wie heißen Sie?

BF: Ich heiße römisch 40 .

R: Wie alt sind Sie?

BF: Ich bin römisch 40 geboren. Tag und Monat weiß ich nicht.

R: Laut BAA wurde Ihr Geburtsdatum mit römisch 40 festgelegt. Was sagen Sie dazu?

BF: Damals vor dem BAA sagte ich bereits, dass ich römisch 40 geboren bin. Mir wurde nicht geglaubt, ich wurde zu einer Untersuchung geschickt. Mir wurde gesagt, dass ich älter sei, als ich angegeben habe.

R befragt SV: Welchem Jahr entspricht das afghanische Jahr römisch 40 im gregorianischen Kalender?

SV: römisch 40 .

BF erklärt zu römisch 40 dazu:

BF: Nach dieser Altersfeststellung wurde mir die weiße Karte ausgehändigt und man hat mir gesagt, dass ich römisch 40 Jahre alt bin.

R: Wissen Sie in welcher Jahreszeit Sie geboren sind? Hat Ihre Mutter Ihnen das gesagt?

BF: Ich bin im Frühling geboren. Das Monat weiß ich nicht. Mit Frühling meine ich, das erste Monat im neuen afghanischen Jahr.

R fragt SV: Die Angabe "im Frühling" ist das ident mit dem europäischen Begriff "Frühling" Jänner bis April?

SV: Dieser Begriff bedeutet nach den afghanischen Gegebenheiten einerseits das meteorologische Frühjahr mit dem Zeitraum Jänner bis April im engeren Sinne. Im weiteren Sinne wird Frühling mit dem Beginn des afghanischen Neujahrs assoziiert. Dieses beginnt am 21. März.

SV: Nach den Angaben des BF ergibt sich, dass der BF ab dem römisch 40 geboren ist. Das ist der erste Hamal, der erste afghanische Monat im neuen Jahr.

R stellt somit die Volljährigkeit des BF fest.

R: Nennen Sie Ihren heutigen Familienstand und den Familienstand, den Sie zum Zeitpunkt der Ausreise aus Afghanistan hatten.

BF: Ich bin ledig.

R: Woher kommt Ihr Nachname, ist es ein Stammesname?

BF: Es ist ein ganz einfacher Name, kein Stammesname.

R: Aus welchem Ort kommen Sie in Afghanistan?

BF: Provinz Daikundi, Distrikt römisch 40 . Seit mriner Geburt habe ich dort gelebt bis zum Zeitpunkt meiner Flucht. Woanders, befragt zu Pakistan oder Iran, habe ich nicht gelebt. .

R: Können Sie lesen und schreiben?

BF: Ja, ich habe lesen und schreiben in Dari gelernt. Befragt zur Muttersprache gebe ich an, dass Dari meine Muttersprache ist. Ich spreche aber auch Hazaragi, das ist eine Dialektform von Dari. In weiteren Sprache habe ich nicht lesen und schreiben gelernt. Vor einem Jahr habe ich mit der Volkshochschule begonnen.

BF legt R diverse Diplome und Teilnahmebestätigung vor, welche als Beilage römisch eins bis römisch VI in Kopie zum Akt genommen werden. Die Originale werden dem BF wieder ausgehändigt.

R: Nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit.

BF: Meine Staatsangehörigkeit ist Afghanistan.

R: Wann sind Sie nach Österreich eingereist?

BF: Am 18.11.2011.

R: Können Sie mir Ihr Ausreisedatum aus Afghanistan im afghanischen Kalender angeben?

BF: Genau kann ich es nicht angeben. Es könnte zwischen dem 6 und 7 Monat 1380 sein.

R: Nennen Sie die Volksgruppe und Konfession, der Sie angehören.

BF: Ich bin Hazara, Muslim, Schiit.

R: Hatten Sie in Afghanistan Probleme wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen Ihrer religiösen Überzeugung?

BF: Ja, sehr wohl. Da wo wir leben verläuft die Grenze zwischen Schiiten und Sunniten. Als Beispiel bringe ich, dass es eine Abkürzung, eine schnellere Straße zwischen meinem Heimatdorf und römisch 40 . Da verläuft eine kürze Straße die über das sunnitische Gebiet führt. Ich muss aber immer den längeren Weg benützen. Da ich Hazara bin ist die kürze Straße für mich nicht sicher. Es gibt auch Taliban auf dieser Straße und viele Diebe.

R: Hatte Ihre Familie wegen der Volkgruppenzugehörigkeit oder wegen der Religion Probleme?

BF: Auch meine Familie kann nicht in Ruhe und Frieden leben. Das Leben ist sehr schwer.

R: Können Sie mir Nachbardörfer und Nachbardistrikte Ihrer Heimatregion aufzählen?

BF: römisch 40 . Das waren die umliegenden Dörfer. Zu den Distrikten gebe ich an, römisch 40 , die Distrikte die zu unserem Staat gehören, kenne ich. Die anderen Distrikte die zur Provinz römisch 40 gehören kenne ich nicht.

R: Können Sie mir sagen, ob in der Nähe Ihres Dorfes paschtunische Stämme wohnen? Wenn ja, welche?

BF: Die Paschtunen leben dort nicht. Sie haben nur Felder. Es leben aber dort Aimaq, die Tadschiken sind. Mehr kann ich nicht angeben, ob dort noch andere Stämme leben.

R fordert den BF auf, über die Familienverhältnisse aufzuklären:

die Vor- und Zunamen und das Geburtsdatum seiner Eltern und derzeitiges Alter, allfälliger Geschwister, sowie die letzte Wohnadresse im Herkunftsstaat.

Name des Vaters (phonetisch): römisch 40 , wie alt er ist weiß ich nicht. Mein Vater lebt noch.

Name der Mutter (phonetisch): römisch 40 , kann sein, dass sie ca 45 Jahre ist, Sie lebt noch.

2 Brüder: XXXXist der ältere.

Schwester: römisch 40 , sie ist jetzt ca 12 Jahre alt.

R: Haben Sie noch weitere Familienmitglieder?

BF: Ich habe keine Onkel väterlicherseits, mütterlicherseits habe ich Onkel. Es sind 3. Diese leben in meinem Heimatdorf, einer lebt in Pakistan.

R: Wo lebt Ihre Familie jetzt?

BF: Die ganze Familie lebt im Heimatdorf. Der älteste Bruder römisch 40 lebt im Iran und zwar seit langer Zeit. Ich weiß nicht genau, wann er die Heimat verlassen hat. Es war aber schon vor meiner Flucht.

R: Können Sie mir den Namen Ihres Großvaters nenn?

BF: Väterlicherseits heißt er römisch 40 . Er ist schon verstorben. Mütterlicherseits römisch 40 er ist auch schon verstorben.

R: Welche Berufe hatten Ihre Großväter?

BF: Da sie schon lange tot sind, kann ich die Frage nicht beantworten.

R: Hatten die Großväter Grundstücke in Ihrem Heimatdorf oder waren sie beruflich ganz anders tätig?

BF: Ja, sie waren in der Landwirtschaft tätig und hatten die Grundstücke in meinem Heimatdorf.

R: Bitte nennen Sie den Beruf Ihres Vaters.

BF: Mein Vater ist Tischler und arbeitet auch in der Landwirtschaft. Die Grundstücke die man Vater bewirtschaftet befinden sich im Eigenbesitz. Wie viele Grundstücke mein Vater besitzt, weiß ich nicht genau. Ich kann nicht die Größe des Grundstückes angeben, aber den Ertrag des Weizens. Mein Vater hat angegeben, dass jährlich ca 220 "Zer" aus der Hälfte der Felder der Ernteertrag ist. Befragt von R, gebe ich an, 1 Zer entspricht 16 kg. Auf der zweiten Feldhälfte haben wir anderes angebaut, z.B. Kartoffel. Die Familie konnte davon leben. Es hat auch die Tätigkeit meines Vaters als Tischler zum Familieneinkommen beigetragen.

R: Lebt außer der Kernfamilie und den beiden obgenannten Onkeln noch jemand von Ihrer Familie im Heimatdorf?

BF: Ich habe 5 Tanten mütterlicherseits. Eine davon lebt im Pakistan, die anderen im Heimatdorf.

R:Haben Sie zu der Kernfamilie und den weiteren Familienmitgliedern in Ihrem Heimatdorf noch Kontakt?

BF: Nein, in Kontakt bin ich nicht mit ihnen. Dort wo meine Familie in Afghanistan wohnt, gibt es kein Telefon. Die Möglichkeit mit der Familie telefonischen Kontakt aufzunehmen, gibt es nur, wenn diese in die Stadt fahren. D.h. die Familie muss mich anrufen, weil ich sie nicht erreichen kann. Den letzten Kontakt mit der Familie hatte ich vor ca 6 bis 7 Monaten. Ich habe mit meinem Vater gesprochen, als er in die Stadt fuhr um mit mir zu telefonieren.

R: Ist es richtig, dass Ihre Familie zum damaligen Letztkontakt, also 6 bis 7 Monate von heute aus zurückgerecht, noch im Heimatdorf gelebt? Oder sind sie verzogen?

BF: Sie haben immer nur dort gelebt.

R: Hat Ihr Vater Ihnen erzählt, wie der letzte Ernteertrag war und ob sie davon leben können bzw. wurde seit Ihrer Flucht nach Österreich, von Ihrem Vater erzählt, wie es mit der Bewirtschaftung der Grundstücke läuft?

BF: Nein, darüber haben wir nicht gesprochen. Telefonieren ist teuer.

R: Gehen Sie davon aus bzw. wissen Sie, ob Ihr Vater die Grundstücke noch bewirtschaftet?

BF: Nein, dass kann ich nicht angeben. Wir haben darüber nicht gesprochen.

R: Ich frage Sie im Hinblick, auf Ihre Angaben, dass es zu Grundstücksstreitigkeiten kam, möchte ich von Ihnen wissen, ob Sie angeben können, ob diese Grundstücke noch im Besitz Ihrer Familie sind?

BF: Die Probleme existieren nach wie vor.

R: Führen Sie aus, welche he Probleme Sie meinen.

BF: Als die Taliban an der Macht waren, wurden uns die Felder weggenommen und den Kutschis übertragen. Als Karasi an die Macht kam konnten die Kutschis nicht mehr zu uns kommen und weder die Kutschis noch wir die Felder benützen.

R: Warum konnten die Kutschis damals nicht zu Ihren kommen?

BF: Wir verteidigten uns selbst.

SV: Wie heißt die Provinzhauptstadt von Daikundi?

BF: Nili.

SV: Wer war der Gouverneur zur Zeit Ihrer Flucht in der Provinz Daikundi?

BF: Mit dem Familiennamen Shahristani. Den Vornamen kann ich nicht nennen.

R:Gibt es in Afghanistan noch weitere Verwandte in Afghanistan? Leben diese Verwandten noch?

BF: Ich habe eine Tante väterlicherseits die in römisch 40 lebt, eine Tante lebt in Pakistan. Sie sind auch jetzt am Leben.

R: Geben Sie mr bitte an, ob Sie eine schulische Ausbildung in Afghanistan absolviert haben?

BF: Von meinem 7. Bis zum 10. Lebensjahr ging ich in einen Koranschule wo ich im Koran unterrichtet wurde. Das war in unserem Dorf. Der Unterricht erfolgte vom Mullah. Danach habe ich keine Schule besucht.

R: Haben Sie eine Berufsausbildung?

BF: Ich habe von meinem Vater die Tischlerei gelernt.

R: Wie waren Ihre Lebensumstände in Afghanistan von Ihnen und Ihrer Familie? Wovon haben Sie gelebt?

BF: Ich würde es als mittelmäßige Umstände bezeichnen, wir waren nicht reich und nicht arm. Die Familie lebte von der Tischlerei des Vaters und der Landwirtschaft. Seit meinem 12.Lebensjahr habe ich mit meinem Vater in der Tischlerei als auch in der Landwirtschaft gearbeitet.

R: Haben Sie Arbeit in Österreich?

BF: Nein, weil ich nicht darf.

R: Besuchen Sie in Österreich Kurse, Vereine, eine Schule oder Universität?

BF: Ich habe Unterlagen bereits vorgelegt über diverse Weiterbildungen, wie etwa auch Deutschkurse, außerdem besuche ich einen Taek-wan doo Kurs.

R: Haben Sie einen Freundeskreis in Österreich?

BF: Ja.

R: Sind Sie legal in das Bundesgebiet eingereist?

BF: Illegal.

R: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht verurteilt oder mit einem Aufenthaltsverbot oder einer Ausweisung belegt?

BF: Nein.

R: Haben Sie eine andere, besondere Bindung an Österreich?

BF: Ich lebe seit 3 Jahren in Österreich und habe diverse Kontakte geknüpft.

R: Ich beziehe mich auf Ihr Schreiben an das Gericht vom 05.11.2012 (AS 11= Übersetzung, darin geben Sie an, dass Sie direkt und indirekt von den Feinden Ihres Vaters bedroht wurden, was letztendlich zur Fluchtentscheidung führte. Können Sie mir sagen, welche Feinde des Vaters Sie da ansprechen bzw. von welchen Feindschaften Sie ausgehen?

BF: Wenn ich von Feinden spreche, dann meine ich die Kutschis und die Feindschaften betrafen die Felder.

R ersucht BF dies näher zu schildern.

BF: Es geht um diese Felder. Die weder die Kutschis noch wir nicht benützen können und zwar jetzt auch nicht. 2,3mal kam es zum Streit, wobei mein Vater zweimal verletzt wurde.

R: Diese angesprochene Feindschaft mit den Kutschis, hat das nur Ihre Familie und die Kutschis betroffen und war das ein Streit der gesamten Bevölkerung mit den Kutschis?

BF: Dieses Problem hat nur unsere Familie betroffen, die anderen nicht. Mein Vater ist der Dorfälteste.

Nachgefragt gebe ich an, dass die anderen Dorfeinwohner keine Probleme mit en Kuchis hatten.

R: Gab es zwischen der anderen Bevölkerung und den Kuchis deswegen keine Probleme weil es keinen Streitpunkt z.B. Grundstücke gab, oder weil Ihr Vater als Dorfältester die Probleme der anderen mitgelöst hat?

BF: Die anderen haben auch Grundstücke. Unseres ist aber besser als die Grundstücke der anderen, für die Tiere. Mein Vater hat als Dorfältester die Probleme der Dorfbewohnen untereinander gelöst, die anderen Dorfbewohner hatten aber mit den Kutschis aber keine Probleme."

"R: Erzählen Sie bitte genau Ihre Fluchtgründe ursprünglich aus Afghanistan nach Österreich.

BF: Wir werden bedroht, wenn wir die Grundstücke nicht den Kuchis überlassen. Sie werden mich entführen oder töten. Ich wollte nicht mehr mit dieser Angst leben und dort bleiben.

R: Wie kommen Sie darauf, dass die Kuchis Sie entführen oder töten würden?

BF: Wir haben über AIMAQ diese Information bekommen.

SV: AIMAQ ist ein türkisch stämmiges Volk, welches im Laufe der Jahrhunderte die Farsi-Sprache angenommen hat, so dass ein Teil sich selbst als Tadschike verstehen und auch Außenstehende sie als solche bezeichnen.

R: Erklären Sie näher wie Sie die Informationen von AIMAQ bekommen haben.

BF: Wir leben miteinander und sind auch in Kontakt miteinander. Sie haben diese Information von den Kuchis bekommen. Sie haben uns die Information dann weiter gegeben.

R: Wann war das?

BF: Es ist mehrmals passiert. Man kann kein fixes Datum nennen.

R: Wann haben Sie erstmals von dieser Information erfahren?

BF: Ich weiß das nicht genau.

R: Wann ist diese Bedrohungssituation für Sie persönlich entstanden? Zumal die Streitigkeiten zwischen Ihnen und den Kuchis über viele Jahre gegangen sind, wie Sie oben angegeben haben.

BF: Ich kenne diese Problematik seit meiner Kindheit. Schon ca. seit meinem 10. Lebensjahr.

R: Sind Sie jemals persönlich in Afghanistan angegriffen oder bedroht worden?

BF: Persönlich wurde ich nicht angegriffen. Aber ich habe über andere mitbekommen, falls es zu einem direkten Auseinandersetzung käme, könnte es meines Erachtens aber passieren.

R: Sie haben vorhin angegeben, dass Ihre Familie die ganze Zeit über und bis jedenfalls 6 -7 Monate von heute aus gerechnet (das war der Zeitpunkt des letzten telefonischen Kontaktes) im Heimatdorf lebt. Ist das richtig?

BF: Ja.

R: Hat Ihre Familie während des ganzen Zeitraumes immer im selben Haus gewohnt?

BF: Ja, die Familie hat den gesamten Zeitraum immer im selben Haus gewohnt.

R: Befragt BF ob er zum Fluchtgrund alles vorgebracht hat oder ob er noch ergänzende Angaben machen möchte bzw. ob er insgesamt noch ein weiteres Vorbringen hat, über Angaben de er dem Gericht noch mitteilen möchte.

BF erklärt: Ich habe die Wahrheit gesagt, ich habe nichts mehr zu sagen. Ich möchte doch noch etwas dazu sagen, und zwar das ich aufgrund meiner ethnischen Zugehörigkeit zu den Hazara, z.B. im 27. Monat Ramadan wurden 16 Hazara getötet, und zwar wurden diese Personen die in zwei Autos unterwegs nach Ghor waren getötet, wobei aber die sunnitischen Insassen freigelassen wurden.

R: Was befürchten Sie, wenn Sie theoretisch nach Afghanistan zurückgehen müssten?

BF: Ich habe genauso Angst wie früher. Es könnte passieren, dass ich getötet oder entführt werde."

Die Richterin beauftragt den länderkundlichen Sachverständigen Befund und Gutachten zu folgenden Fragen zu erstellen:

Bitte erstellen Sie Befund und Gutachten zur Frage, inwieweit aufgrund des bisherigen Vorbringens des BF zu dessen Herkunft aus Afghanistan und dessen Volkgruppenzugehörigkeit und dessen Angaben zum Wohnort und zum Bildungsstand Angaben gemacht werden können?

Zur Situation der Hazara und den Kuchi- Auseinandersetzungen und die daraus folgende Gefährdungslage des BF:

Wie ist nunmehr die Sicherheitslage in der Heimatprovinz/Heimatdorf des BF, in Kabul und im Allgemeinen?

Wie sieht für junge Rückkehrer im Alter des BF, die keine qualifizierte Ausbildung haben und über keine familiären oder sonstige Anbindungen verfügen, in Afghanistan im Allgemeinen und in der Provinz des BF und in Kabul die Arbeits- und Integrationsmöglichkeit aus? Kann unter diesem Umständen eine wirtschaftliche Existenzgrundlage für den BF geschaffen werden?

Das Sachverständigengutachten, welches dem BF zur Gänze übersetzt wurde, wird zur Gänze (nichtschreibfehlerkorrigiert) wiedergegeben:

"Ad 1: Die Angaben des BF betreffend seine Herkunft entsprechen den Tatsachen in Afghanistan. Der BF hat seinen Herkunftsdistrikt und sein Dorf entsprechend authentisch beschrieben. Ich gehe davon aus, dass seine Familie aus dieser Region stammt. Der BF ist ein Hazara aus Afghanistan und in seiner Dari-Sprache ist Hazaragi-Dialekt aus seiner Heimatregion zu erkennen. Der BF ist auch in einer gebildeten Umgebung aufgewachsen, so dass in seinen Äußerungen und Sprachausdrücken Begriffe zu erkennen sind, die von Personen verwendet werden, die einen schulischen Bildungsgrad aufweisen. In Afghanistan gibt es sowohl moderne Schulen als auch traditionelle religiöse Schulen. Bedingt durch den Krieg haben viele, besonders in der Herrschaftszeit der Taliban, die religiöse Schule besucht. Auch im iranischen und pakistanischen Flüchtlingslager werden die Kinder sowohl in modernen als auch in religiösen Fächern unterrichtet. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass der BF eine religiöse Schule genossen hat, welche ihn befähigt, sich intellektuell auszudrücken.

BF: Die Angaben kann ich nur bestätigen. Ich bin nicht in eine offizielle Schule gegangen. Die gab es nicht.

Ad.2: In Afghanistan gibt es mehr als 2 Millionen Kuchis=Nomaden, die von Viehzucht leben und ihr Leben saisonal bedingt gestalten. Im Winter ziehen sie sich in ihren Hauptwohnsitz zurück und im Frühling und Sommer treiben sie ihre Tiere auf die Weidegebiete. Diese Weidegebiete waren großteils staatliche Ressourcen. Diese Weidegebiete liegen teilweise am Rande der Wohngebiete der nichtpaschtunischen Ethnien. Während des Bürgerkriegs wurden diese Weidegebiet von diesen Ethnien untereinander aufgeteilt und erlaubten den Kuchis nicht mehr dorthin zu kommen. Mit dem Aufkommen der Taliban sind die Kuchis wieder zu diesen Weidegebiete gekommen. Nach dem Sturz der Taliban haben die nichtpaschtunischen Ethnien in ihren Gebieten wieder Einfluss gewonnen und sie wehren sich nunmehr gegen die Versuche der Kuchis, diese Weidegebiete zu benützen. Seit 2005 kommt es immer wieder zwischen den Kuchis und Hazaras zu Auseinandersetzungen. Diese Auseinandersetzungen sind keine ethnischen Konflikte, sondern Konflikte, die die Knappheit der Ressourcen in Afghanistan zum Ausdruck bringen. Denn die Wohngebiete der Hazaras sind karge Gebiete, sie sind arm und sie brauchen auch diese Weidegebiete. Der Streit zwischen den Hazaras und Kuchis ist kein Streit zwischen bestimmten einzelnen Personen, sondern zwischen Gruppen, nämlich den Kuchis und z.B. den Hazaras, die am Rande eines Weidegebietes leben, welches den Streitpunkt bildet. Daher kann es nicht sein, dass der Vater des BF alleine gegen die Kuchis gekämpft hat, während die anderen Hazaras keine Probleme mit den Kuchis gehabt hätten. Es gibt auch in den paschtunischen Gebieten Probleme zwischen den Kuchis und Paschtunen.

BF: Dieses aufgezeigte Probleme betrifft nur meine Familie, da mein Vater der Dorfälteste ist.

Ad 3. Die Sicherheitslage in der Herkunftsregion des BF ist sehr prekär. Die Provinz Daikundi wurde aus der Provinz Oruzgan getrennt und besteht hauptsächlich aus der Ethnie Hazara, während in Oruzgan hauptsächlich Paschtunen wohnen. Obwohl die Hazaras in Daikundi die Mehrheit sind und es für die Taliban nicht leicht ist, dort einzudringen, machen sie es den Hazaras aus Daikundi schwer, aus ihren Regionen auszureisen und den täglichen Geschäften nachzugehen bzw. zu reisen. Wie der BF gesagt hat, wurden vor einiger Zeit 16 Hazaras aus zwei Autos in der Provinz Ghor von den Taliban herausgezerrt und getötet. Seit dem Sturz der Taliban sind die Hazaras an der Staatsmacht beteiligt. Sie kontrollieren ihre Gebiete und sind auch bewaffnet. Aber es passiert, dass Hazaras auf der Reise auf den Hauptstraßen mehr im Blickpunkt der Taliban stehen, als andere Ethnien. Ich möchte mit einem Beispiel verdeutlichen, dass die Talibanangriffe auf Hazaras nicht direkt mit einem ethnischen Konflikt zu tun haben, sondern die alte diskriminierenden Gedanken die Taliban gegen die Hazaras weiterhin pflegen. Die Taliban sind auch gegen Tadschiken. Auch die Tadschiken werden in dieser Weise abgeschlachtet, wenn die Taliban den Verdacht haben, dass diese tajkischen Reisenden mit der Regierung zusammenarbeiten und sie in den Kriegsjahren als Tadschiken gegen die Taliban gekämpft haben und gegen die Taliban eingestellt waren. Die Taliban haben auch manchmal Konvois von Paschtunen, Usbeken und Tadschiken in Nordafghanistan auf ihrer Reise, sogar zu Hochzeitsfesten, angehalten und sie geköpft. Aufgrund der veränderten Lage seit dem Sturz der Taliban sind die Hazaras im Stande sich kollektiv zu verteidigen, sodass die Taliban in Hazarawohngebieten nicht ohne weiteres eindringen können. Außer, dass bestimmte Hazaras auf der Reise auf den Hauptstraßen in den Blickpunkt der Taliban geraten können. In der Heimatprovinz des BF streiten manche Hazarakommandanten untereinander und der unterlegene Kommandant schließt sich den Taliban an und gefährdet seine Region durch die Taliban insofern, dass er sein eigenes Hazaragebiet angreift. Die Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen ist der prekär. Der Grund liegt darin, dass die ISAF demnächst ihre Truppen abzieht. Viele Geschäftsleute verlassen mit ihrem Kapital Afghanistan. Auch junge Leute wandern ab, weil die Ankündigung der ISAF ihre Truppen abzuziehen, haben die Bewohner Angst, dass es zu bürgerkriegsähnliche Situation kommen wird. Die Taliban nutzen die Situation aus. Sie haben ihre Bomben- und Selbstmordanschläge verstärkt, sogar sie versuchen in den dörflichen Ebenen bestimmter Regionen anzugreifen und diese unter ihre Kontrolle zu bringen.

BF zu Ad 3: Es stimmt dass die Mehrheit in meiner Provinz Hazara sind, ein Teil Paschtunen. Wir leben an der Grenze.

Ad4. Der BF hat offensichtlich keine Fachausbildung, mit der er sich in Kabul niederlasen kann und wirtschaftlich ein menschenwürdiges Leben zu führen. Zudem hat der BF in Kabul keinen familiären Rückhalt. Ohne familiären Rückhalt ist es für einen jugendlichen Rückkehrer auch in den Großstädten kaum möglich, sich dort niederzulassen und ein menschwürdiges Leben zu führen, zumal sie auch aus Sicherheitsgründen nicht im Stande sind, sich im Falle von Angriffen von Banden und im Falle von Raubüberfällen zu schützen. Von den Angaben des BF konnte ich entnehmen, dass möglicherweise die Familie des BF aus seiner Heimatregion abgewandert ist und das der BF auch dort keinen familiären Rückhalt hat. In seiner Heimatregion ist es besonders wichtig, dass er familiären Rückhalt hat, sonst ist seine Sicherheit gefährdet. Zum Schluss möchte ich auf folgende Internetquellen hinweisen, die die ethnische Herkunft des BF verdeutlichen und sie betreffend auch die Sicherheitslage Afghanistans.

http://en.wikipedia.org/wiki/Daykundi_Province

http://www.berliner-zeitung.de/archiv/in-der-mitte-afghanistans-liegt-die-provinz-daikundi--noch-ist-es-hier-friedlich--aber-seit-kurzem-suchen-taliban-kaempfer-unterschlupf-in-den-bergen-im-hinterland,10810590,10655954.html

www.elections.pajhwok.com/en/content/daikundi-control-amed-groups-backed-local-mps-officials-residents

www.khaama.com/heavy-clashes-repored-in daikundi-province-afghanistan-2206"

Der BF beantragte kein Gegengutachten und stellte keine weiteren Anträge, zu den vom Gericht übermittelten Länderberichten gab er keine Stellungnahme ab.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Zur Person des BF:

Der BF ist afghanischer Staatsbürger und er ist zum Entscheidungszeitpunkt volljährig. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazare, er ist muslimischer Schiit und ledig. Er spricht Dari und Hazaragi, hat 3 Jahre eine Koranschule besucht, danach keine weitere Schulbindung genossen, er arbeitete als Tischler bei seinem Vater mit und hat seinen Lebensunterhalt auch durch landwirtschaftliche Arbeit verdient. Der BF befindet sich seit spätestens 18.11.2011 in Österreich. Er ist illegal in das Bundesgebiet eingereist. Er ist gesund, ist nicht in medizinischer Behandlung und leidet an keiner behandlungsbedürftigen Krankheit. Er wurde in Afghanistan, in der Provinz Daikundi im Distrikt römisch 40 , geboren und lebte bis zu seiner Ausreise dort. Die Familie des BF hat jedenfalls bis zur Flucht des BF dort gelebt, der BF hat nunmehr keinen Kontakt mehr mit der Familie. Dokumente konnte er keine vorlegen.

Soweit im Übrigen in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum und Geburtsort) getroffen wurden, beruhen diese auf den vom Bundesasylamt in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen, denen in den gegenständlichen Beschwerden und auch später nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Personen der Beschwerdeführer im Asylverfahren.

Zum vom BF vorgebrachten Fluchtgrund:

Es konnte keine asylrelevante Verfolgungssituation des BF festgestellt worden. Der BF ist aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen aus Afghanistan geflohen, er ist nie persönlich bedroht worden. Die vom BF vorgebrachten Grundstücksstreitigkeiten zwischen den Kuchis und den Hazaras begründen keinen asylrelevanten Verfolgungsgrund für den BF.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden zugrunde gelegt:

nachstehende Länderberichte über die Lage/Sicherheitslage in Afghanistan,

die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 6. August 2013 und

Gutachten des in der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht beigezogenen länderkundlichen Sachverständigen für Afghanistan

Ad a) Nachstehende Länderberichte wurden herangezogen:

"Allgemeines:

Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht.

(Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013)

Der Präsident wird direkt gewählt. Die letzten Präsidentschafts- und Provinzratswahlen fan-den im August 2009 statt. Präsident Karzai ging abermals als Sieger aus den Wahlen hervor. Laut afghanischer Verfassung ist es Präsident Karzai nicht erlaubt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden am 5. April 2014 statt, die endgültige Kandidatenliste wurde im November 2013 veröffentlicht. An die Wahlen wird sich eine Phase der Regierungsbildung anschließen, die angesichts der noch ungefestigten Verfahren längere Zeit in Anspruch nehmen kann.

Die afghanische Nationalversammlung ("Shuraye Melli") besteht aus dem Unterhaus (Volksvertretung, "Wolesi Jirga") und dem Oberhaus (Ältestenrat/Senat, "Meshrano Jirga"), die nach dem Modell eines klassischen Zweikammersystems gleichberechtigt an der Gesetzgebung beteiligt sind. Die letzten Parlamentswahlen fanden am 18. September 2010 statt. Die Auseinandersetzung um die Ergebnisse bei den Parlamentswahlen hielt Monate an.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 10. Jänner 2012, Sitzung 7; United States, Country on Human Rights Practices 2012 - Afghanistan, vom 19. April 2013, Sitzung 1, Deutsches Auswär-tiges Amt, Innenpolitik, vom April 2013; derstandard.at, "Afghanische Wahlkommission bestätigt Liste für Präsidentschaftswahl", vom 20. November 2013; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan vom Januar 2014, S.

4)

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde. In der afghanischen Verfassung ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verankert und das Gesetz der Sharia wird nicht in dieser erwähnt. Jedoch wird Afghanistan als islamische Republik beschrieben, in welcher der Islam eine heilige Religion ist. Demzufolge darf es kein Gesetz geben, welches mit dem Glauben und der Religionspraxis im Islam in Konflikt gerät.

(IDEA [The International Institute for Democracy and Electoral Assistance]: Afghanistan: "An Electoral Management Body Evolves"; NDI [National Democratic Institute]: "Political Parties in Afghanistan - A Review of the State of Political Parties after the 2009 and 2010 Elections", vom Juni 2011; AREU [Afghanistan Research and Evaluation Unit]: "Women's Economic Empowerment in Afghanistan 2002-2012" vom Juli 2013)

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 11 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Die nationale Aussöhnung mit den Aufständischen sowie die Reintegration versöhnungswilliger Mitglieder der Insurgenz bleiben weiterhin eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines friedlichen und stabilen Afghanistans.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013, Sitzung 4)

Am Nato-Gipfeltreffen in Chicago im Mai 2012 wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012, Sitzung 2)

Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, Sitzung 12)

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 1)

Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012)

Sicherheitslage allgemein:

Die Zahl der im Afghanistan-Konflikt getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind 23 Prozent mehr Opfer gezählt worden. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang im Jahr 2012 gibt es nun eine Rückkehr zu den hohen Zahlen von getöteten und verletzten Zivilisten des Jahres 2011. Von Jänner bis Oktober 2013 wurden insgesamt 2.568 Zivilisten getötet und 4.826 Zivilisten verletzt. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2012.

Laut UNAMA sind 75 Prozent der Opfer durch Angriffe von Aufständischen getötet oder verletzt worden. In 10 Prozent der Fälle seien Regierungstruppen verantwortlich, weitere 13 Prozent seien bei Kämpfen zwischen beiden Seiten getötet oder verletzt worden. Die verbleibenden 4 Prozent der Fälle waren demnach keiner Konfliktpartei zuzuordnen und wurden in erster Linie durch Blindgänger verursacht.

(General Assembly/Security Council United Nations, "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" Rn. 24 vom 6. Dezember 2013; Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, Sitzung 15)

Die Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan vor dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis zum Ende 2014 alle Kampftruppen aus dem Land abziehen. Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) wird wie bisher bis zum Ende der Übergangsphase (31. Dezember 2014) die Afghan National Security Forces (ANSF) ausbilden, beraten und unterstützen, jedoch wenn erforderlich auch Kampfunterstützung liefern.

Auf die Abzugspläne der deutschen Bundeswehr haben die veränderten Daten zur Sicherheitslage keine Auswirkungen. Es bleibt bislang auch bei den Absichten, von Ende 2014 an für eine Ausbildungs- und Trainingsmission der NATO zwischen 600 und 800 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung zu stellen.

(ORF-online: "Afghanistan: 2013 bereits über 1.300 zivile Opfer" vom 31. Juli 2013; NATO "International Security Assistance Force" vom 1. August 2013; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bundeswehr korrigiert Statistik über Sicherheit in Afghanistan" vom 31. Mai 2013)

Karzai versucht, Afghanistan vor der Präsidentenwahl und dem Abzug der NATO-Truppen in diesem Jahr zu stabilisieren. Die ausländischen Soldaten übertragen immer mehr der Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan auf die 350.000 Mitglieder der einheimischen Sicherheitskräfte.

(APA: "Afghanisches Parlament feuert Innenminister wegen Gewaltwelle" vom 22. Juli 2013)

Im Juni 2013, eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes, haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)

Der Konflikt in Afghanistan beeinflusst nun auch Provinzen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet wurden, wie etwa die Provinz Panjshir. Die Gewalt ist nicht auf Kabul oder allgemein auf städtische Zentren beschränkt. Die Aufständischen in ländlichen Gebieten gehen oft extrem gewalttätig vor.

Die Verbreitung von lokalen Milizen und bewaffneten Gruppen - sowohl pro- und anti-Regierung - im Norden, Nordosten und in zentralen Hochland-Regionen haben eine weitere negative Auswirkung auf die Sicherheitslage für Zivilisten.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, Sitzung 14)

Die Opfer unter den ISAF-Angehörigen gingen insbesondere aufgrund der Verringerung der Kräfte als auch des gewandelten militärischen Auftrages in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 121 auf 60 zurück. Infolge des nahezu abgeschlossenen Aufwuchs der ANSF, der hohen Operationslast als Folge der Übernahme der aktiven Sicherheitsverantwortung und der damit einhergehenden Zielauswahl durch die regierungsfeindlichen Kräfte stiegen die personellen Verluste der ANSF von 499 auf 1.070 in den ersten vier Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich an. Auch in Zukunft ist infolge der weiter fortschreitenden Transition mit hohen Verlustzahlen unter ANSF-Angehörigen zu rechnen. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude. Wie UNAMA weiters ausführt, hat eine sich verändernde politische und sicherheitsrelevante Dynamik in der ersten Jahreshälfte 2013 den Schutz von Zivilisten behindert und den Zugang zu Menschenrechten beschränkt. Auf die Übertragung der Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte und die Schließung von internationalen Militärbasen haben regierungsfeindliche Elemente mit zunehmenden Angriffen auf die afghanischen Sicherheitskräfte, hauptsächlich an Checkpoints, auf strategisch wichtigen Highways, in einigen Gebieten, die an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, und in Distrikten, die an Afghanistans Nachbarländer grenzen, reagiert.

(UNAMA, Mid-Year Report 2013, vom Juli 2013, Sitzung 1f)

Die Planungen der NATO für den ISAF Folgeeinsatz Resolute Support Mission schreiten voran. Die konditionierte Zusage Deutschlands für seinen Beitrag zu Resolute Support vom 18. April 2013 bildet den Rahmen für die weiteren Planungen. Deutschland ist - vorbehaltlich der auch künftig jährlich einzuholenden Zustimmung des Deutschen Bundestages - zur Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Norden von Afghanistan, Bereich Masar-e Scharif, für zunächst zwei Jahre bereit und will mit seinen multinationalen Partnern die Arbeit fortsetzen. Daneben wird ein deutscher Truppen-Beitrag im Großraum Kabul eingesetzt werden.

Aufbauend auf dem im Juni 2013 durch die NATO-Verteidigungsminister gebilligten Operationskonzept für Resolute Support wurde im Oktober mit der Verabschiedung des sog. Strategic Planning Assessment (SPA) eine weitere Weichenstellung für die Planung der ISAF-Folgemission vorgenommen. Das im November 2013 zwischen Afghanistan und den USA verhandelte, aber noch nicht unterzeichnete Bilaterale Sicherheitsabkommen dient als Grundlage für die bereits laufenden Verhandlungen zu einem umfassenden Stationierungsabkommen für die NATO und alle Partnernationen. Letzteres bildet auch eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für die neue deutsche Mission.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, Sitzung 16 f.)

Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 Polizisten getötet wurden - die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben.

(AlertNet: "Afghan police deaths double as foreign troops withdraw" vom 2. September 2013)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 5. März 2013)

In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16. Februar bis 15. Mai 2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 Prozent der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Im Osten des Landes ist es zu einem Zustrom von Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badachschan und einem 18-prozentigen Anstieg der Anzahl der Vorfälle gekommen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und Spreng- und Brandvorrichtungen machten weiterhin die Mehrzahl der Vorfälle aus.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 13. Juni 2013)

In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 1. Juli 2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Im selben Bericht wird angeführt, dass im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. August 2013 insgesamt 5.922 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen 21-prozentigen Rückgang im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2011 dar. Laut Bericht haben die Aufständischen ihren Schwerpunkt unter anderem auf Angriffe auf Sicherheitskontrollpunkte und Stützpunkte gelegt, die von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Generell wirkungsvoller Widerstand durch die afghanischen Sicherheitskräfte hat sich auf den Schutz von wichtigen städtischen Zentren, Verwaltungszentren von Distrikten und strategisch wichtigen Transportrouten fokussiert. Die Mehrheit der sicherheitsrelevanten Vorfälle (69 Prozent) ereignete sich weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)

Gemäss ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, in welchen die Übergabe in Phase drei erfolgt ist, sind zunehmende Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen, während die Aktivitäten der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen Gebieten zeitgleich zurückgegangen sind. Mit dem voranschreitenden Abzug der internationalen Truppen haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich von den internationalen Zielen weg auf afghanische Ziele fokussiert, d.h. auf die afghanischen Sicherheitskräfte sowie auf afghanische Regierungsangehörige. Dies widerspricht der erwarteten Logik, dass die sinkende internationale Präsenz zu einem Rückgang der militärischen Aktivitäten der regierungsfeindlichen Gruppierungen führen würde.

Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, die militärischen Operationen der Bewegung von Pakistan aus strategisch zu lenken sowie die notwendigen Ressourcen zur Unterstützung der operationellen Prioritäten zu beschaffen. Seit 2009 lassen sich drei Entwicklungen erkennen: Erstens wurden auf der strategischen Ebene beträchtliche Anstrengungen hin zu einer stärkeren Zentralisierung der Kommando- und Kontrollstrukturen unternommen, um einer Fragmentierung der Bewegung entgegenzuwirken. Zweitens zeichnet sich eine Militarisierung der Administration ab. Der militärische Druck seitens der ISAF zwang zahlreiche Schattengouverneure in den Untergrund oder zur Flucht nach Pakistan und führte dadurch zu einem verminderten Einfluss dieser. In der Konsequenz ist die Macht der Militärkommissionen gestiegen, die vor Ort präsent sind. Drittens lässt sich auf der taktischen Ebene eine Professionalisierung der Bewegung feststellen.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 5 f; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, Sitzung 12 und 17; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, Sitzung 11)

Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Im Süden und Osten finden die meisten extralegalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107 Prozent bzw. 114 Prozent massiv anstiegen. Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die am meisten umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10)

In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81 Prozent an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250 Prozent anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127 Prozent.

(ANSO, Quarterly Report ,vom April 2013)

Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen.

(ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14. August 2013)

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul und wird von regierungsfeindlichen Gruppen als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul genützt.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Im ersten Quartal haben sich die Vorfälle in Wardak um 187 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Auch in der Provinz Helmand, wo die Taliban in das soziale Gefüge eingebettet sind, und in der Provinz Kandahar, der traditionellen Hochburg der Taliban, nahm die Zahl der Vorfälle zu.

(ANSO, Quarterly Report, vom April 2013)

Helmand und Kandahar sind die Provinzen, wo mit Abstand die meisten Opfer von Bombenanschlägen zu beklagen sind.

(UNAMA-Annual Report vom Februar 2014)

Sicherheitslage im Westen und Norden des Landes:

Die Anschläge sind in den westlichen Provinzen im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um 72 Prozent in die Höhe geschnellt. In den westlichen Grenzprovinzen konnte beobachtet werden, wie es regierungsfeindlichen Gruppierungen gelungen ist, die entstehende Lücke der abziehenden internationalen Truppen zu füllen.

Im Norden sind enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bedeutsam. Während die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 mit Ausnahme der Provinzen Baghlan und Faryab abnahmen, wurde im ersten Quartal 2013 in den meisten Provinzen des Nordens eine Verschlechterung der Sicherheitslage verzeichnet. Grund dafür sind zahlreiche militärische Operationen der internationalen Truppen, zunehmende Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie die Aktivitäten lokaler Milizen. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (Faryab-Badhis-Ghor-Farah-Helmand). In der bisher als ruhig geltenden Provinz Badakhshan gewannen die regierungsfeindlichen Gruppierungen nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte ebenfalls an Einfluss. Ende September 2013 brachten die Taliban den Distrikt Keran-wa-Monjan der Provinz Badakhshan unter ihre Kontrolle.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10)

Auch die Zahl der Vorfälle in Ghor und Herat erhöhten sich vergleichsweise.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Die Sicherheitslage in Kunduz ist angespannt und hat sich in den vergangenen Monaten verschlechtert.

(Der Spiegel: "Abzug aus Afghanistan", 6. Oktober 2013)

Sicherheitslage in ausgewählten Provinzen:

Provinz Baghlan:

Die Provinz Baghlan wird zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans gezählt. Jedoch haben die Taliban und die Kämpfer der Hezb-e-Islami in letzter Zeit ihre Aktivitäten in den unterschiedlichen Bezirken der Provinz Baghlan verstärkt.

(Khaama Press: "Gunmenkill five members of a family in Baghlan province" vom 24. August 2013)

Im August führten die Afghan National Security Forces (ANSF) eine Operation in Zentral Baghlan und anderen Teilen der Provinz durch, um Aufständische zu vertreiben. Dabei wurden laut offiziellen Angaben 17 Aufständische getötet und 9 verhaftet.

(Tolonews: "17 Insurgents Killed, 9 Detained in ANSF Baghlan Operation" vom 16. August 2013)

Provinz Bamyan:

Die Provinz Bamyan wird als die friedlichste Provinz des gesamten Landes angesehen. Obwohl die Provinz selbst keine Rebellenaktivitäten verzeichnet, kommt es nichtsdestotrotz manchmal zu Problemen mit den angrenzenden Provinzen Maidan Wardak, Sar-i-Pul und Parwan.

(Pajhwok Afghan News: "Bamyan seen most peaceful, secure province in country" vom 27. August 2013)

Die als sehr gut bezeichnete Sicherheitslage in Bamyan im Jahr 2012 setzt sich im Jahr 2013 fort.

(Neue Zürcher Zeitung: "In Afghanistan gibt es auch Erfolgsgeschichten" vom 31. Juli 2012)

Da die Provinz ethnisch relativ homogen ist und kaum Paschtunen hier leben, haben die Islamisten hier bisher kaum Unruhe stiften können. Die meisten Leute in Bamyan sagten, sie fühlten sich momentan sicher. Der Truppenabzug würde sie dennoch beunruhigen. Einige berüchtigte Warlords rühren bereits wieder die Kriegstrommel. Die große Mehrheit der Hazara scheint jedoch genug von bewaffneten Konflikten zu haben. Indirekt leidet Bamyan schon heute unter der zunehmenden Instabilität in den angrenzenden Provinzen.

In Baghlan, Parwan und Maidan Wardak haben die islamistischen Extremisten in den letzten Monaten stark an Einfluss gewonnen. Die für Bamyan lebenswichtige Verbindungsstraße nach Kabul ist dadurch unsicher geworden, was zu Versorgungsengpässen und massiven Preiserhöhungen geführt hat. Auch der Transport lokaler landwirtschaftlicher Produkte - vor allem Kartoffeln - nach Kabul ist schwierig geworden.

Vertreter des Distriktrats von Shibar erklären, die prekäre Sicherheitslage stelle heute das mit Abstand größte Problem dar. Shibar grenzt an alle drei unsicheren Nachbarprovinzen, und die Bevölkerung hier fühlt sich zunehmend eingekesselt. Die Tatsache, dass Bamyan zu einer friedlichen Insel in unsicheren Gewässern geworden ist, wirkt sich bereits auch negativ auf Hilfsprojekte aus. Seit über einem Jahr sind keine Vertreter von Hilfsorganisationen mehr in das Dorf gekommen.

Obwohl es den Menschen in Bamyan verhältnismäßig gut geht, ist überall in der Provinz die Klage zu hören, dass man gegenüber anderen Regionen vernachlässigt wird. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen bestätigen, dass Bamyan in den letzten Jahren viel weniger Geld bekommen habe als andere Provinzen.

Kriege, Massaker, Enteignungen und anhaltende politische und soziale Diskriminierung ließen Bamyan zu einer der ärmsten Regionen Afghanistans verkommen. Auch wenn heute eine demokratisch gewählte Regierung an der Macht ist, bleibt das Misstrauen gegenüber Kabul groß. Die Regierung leite kaum Gelder an Bamyan weiter, weil sie nicht wolle, dass die Hazara vom Wiederaufbau profitierten. Die ethnische und religiöse Minderheit werde in alter Manier vernachlässigt. Die ausländischen Geber wiederum seien am zentralen Hochland nicht interessiert, weil es hier relativ ruhig sei. Ihr Fokus sei ganz auf die unsicheren südlichen Provinzen gerichtet. Während im Süden 10 Millionen Dollar für ein einziges Hilfsprojekt ausgegeben würden, bekomme man hier im besten Fall 500 000 Dollar.

Allerdings sind der Provinz Bamyan aufgrund der geringeren Hilfsgelder Missmanagement und Korruption im großen Stil erspart geblieben. Mit kleineren Budgets habe man hier seit 2001 deutlich mehr erreicht als in vielen anderen Regionen.

(Neue Zürcher Zeitung: "In Afghanistan gibt es auch Erfolgsgeschichten" vom 31. Juli 2012)

Provinz Ghazni:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Die Provinz Ghazni bleibt eine der gewalttätigeren Gegenden des Landes. Im ersten Quartal des Jahres 2013 wurden 192 Vorfälle registriert. Damit haben sich die Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr um 100 Prozent erhöht. Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe.

(ANSO [Afghanistan NGO Safety Office]: Quarterly Data Report Q.1 2013, vom April 2013; New York Times: "Taliban Breach an International Base, Killing at Least" vom 28. August 2013).

Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle ausweiten. Ghazni ist ein bekannter Knotenpunkt für Taliban und al-Qaida. Es ist bekannt, dass hochrangige Taliban, al-Qaida und IMU Kommanders in der Provinz operieren.

(BBC: "Afghanistan's Nuristan province at mercy of the Taliban" vom 20. März 2013; The Long War Journal: "Taliban launch suicide assault on ISAF PRT in Ghazni" vom 28. August 2013)

Die Taliban töten Zivilisten und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.

(EASO: "Country of origin information report- Afghanistan Insurgent strategies - intimidation and targeted violence against Afghans" vom 2. Dezember 2012)

Im Berichtzeitraum gab es Widerstand gegen die Infiltrierung durch die Taliban. Dies wird als Zeichen gesehen, dass die Bevölkerung die Taliban ablehnt.

(Congressional Research Service: "Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy" vom 23. Oktober 2013).

Die Angriffe auf Frauen nehmen zu: Anfang August wurde eine Senatorin, Roh Gul Khairzad, von bewaffneten Angreifern in den Hinterhalt geführt. Bei dem Angriff wurden ihre Tochter und ihr Fahrer getötet (Security Council Report, 29. August 2013). Mitte August 2013 wurde eine Parlamentariern, Fariba Ahmadi Kakar, im Bezirk Ghazni von den Taliban entführt und einen Monat später durch die Vermittlung von Dorfältesten und Geistlichen im Austausch gegen fünf Taliban freigelassen.

(United Nations Security Council Report: "September 2013 Monthly Forecast" vom 29. August 2013; BBC News "Afghan MP Fariba Ahmadi Kakar freed by the Taliban" vom 8. September 2013)

Ghazni stellt für die Taliban eine strategisch wichtige Provinz dar, da die Straße Kabul - Kandahar durch den überwiegend von Paschtunen besiedelten westlichen Teil Ghaznis führt. Daher stellt sich der Weg von Kabul nach Ghazni als gefährlich dar; auf dieser Route kam es zu einer Zunahme der Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5. August 2013)

Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle in Ghazni ausweiten: Die Taliban töten gewöhnliche Menschen und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Provinz Helmand:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Sicherheitslage in Kabul

Kabul zählt zu jenen Gebieten, in denen infolge militärischer, überwiegend afghanisch geführter Operationen, starker Präsenz sowie politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen eine partielle Stabilisierung erzielt werden konnte und die Sicherheitslage überwiegend unter Kontrolle ist. Kabul bleibt unter der Führung der ANSF die sicherste Gegend Afghanistans.

(Auswärtiges Amt: Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013; Afghan Analyst Network: "After the 'operational pause': ‚How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013; Department of Defense: "Report on Progress Toward Security and Stability in Afghanistan" vom Dezember 2012)

Laut internationalen NGOs ist Kabul trotz Vorfällen und Angriffen einer der wenigen Orte Afghanistans, wo die Sicherheitssituation relativ gut und stabil ist. Dem Internationalen Polizei-Koordinierungsausschuss zufolge gehören Kabul und andere große Städten in Afghanistan zu den Orten, wo die Afghanische Nationalpolizei (ANP) bei der Gewährleistung von Sicherheit gut funktioniert. Laut IOM ist Kabul trotz einiger Selbstmordanschläge, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigen, sicherer und stärker unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die unabhängige Afghanistan Independent Human Rights Commission teilt diese Meinung.

(Danish Immigration Service: "Afghanistan Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process" vom Mai 2012)

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden. Die Taliban, einschließlich des Haqqani-Netzwerks, führen jedoch weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe in der afghanischen Hauptstadt durch und zeigen, dass sie überall im Land zuschlagen können und selbst den sog. "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden. Dies zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und damit möglicher "Financiers" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu schüren.

(Afghanistan Analyst Network: After the 'operational pause': "How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013; ACCORD [Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation]: "Ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan:

Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul vom 10. Jänner 2013, vergleiche auch Afghan Analyst Network: After the 'operational pause': How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013)

Im April 2013 kündigten die Taliban ihre Frühlingsoffensive "Khalid ibn al-Walid" [auch "Khaled ben Walid"] an. Größere Zwischenfälle in Kabul involvierten u.a. eine Explosion nahe des Verteidigungsministeriums in Kabul im März 2013, bei dem neun Zivilisten ums Leben kamen. Ein Beispiel für erfolgreiche Vereitelung war die Entdeckung eines größeren Waffenversteckes und die Festnahme von 5 Personen am 13. März 2013.

(U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 13. Juni 2014)

Weitere größere, sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul:

Im Mai 2013 bekannte sich die Hezb-e Islami Gulbuddin zu einem Attentat in Kabul, bei dem 9 Zivilisten, 2 ISAF Mitarbeiter und 4 Mitarbeiter eines ausländischen Unternehmens getötet wurden und im Juni tötete ein Selbstmordanschlag auf den Supreme Court mindestens 17 Zivilisten. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 13. Juni 2014)

Im Juni 2013 gab es einige Anschläge der Taliban in schwerbewachten Gebiete Kabuls, in denen sich viele wichtige Gebäude befinden, wie zum Beispiel die NATO-Zentrale und der Präsidentenpalast. (BBC News: "Afghan Taliban assault in Kabul secure zone" vom 25. Juni 2013)

Am 2. Juli 2013 kam es zu einem Anschlag nahe einer UN Einrichtung, bei dem 6 Personen getötet wurden. Insgesamt kam es im Berichtszeitraum zwischen 16. Mai und 15 August zu 7 Selbstmordanschlägen in Kabul. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)

Die Taliban attackierten mit Schüssen und einer Autobombe im Oktober 2013 einen Konvoi ausländischer Fahrzeuge in Kabul. Es war der erste größere Vorfall seit Juli. (Reuters: "Taliban attack breaks months of quiet in Kabul", vom 18. Oktober 2013). Agence France-Presse [AFP] berichtet, dass in den Monaten vor diesem Anschlag die afghanische Hauptstadt relativ friedlich gewesen ist, nachdem zuvor einige Selbstmordanschlägen und bewaffnete Angriffe stattgefunden hatten. (AFP: "Suicide bomb attack in Kabul outside foreign compound", vom 18. Oktober 2013)

Am 16. November 2013 tötete ein Anschlag nahe einer Einrichtung, die für die Loya Jirga vorbereitet wurde 8 Zivilisten. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 6. Dezember 2013)

Am 18. Jänner 2014 starben mindestens 24 Menschen bei dem Anschlag der Taliban auf ein unter Ausländern beliebtes und stark gesichertes Restaurant Restaurant in Kabul. (Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Entsetzen nach Taliban-Anschlag", vom 18. Jänner 2014)

Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Bus der afghanischen Armee sind am 26. Jänner 2014 in Kabul vier Menschen getötet worden, am 25. Jänner 2014 wurden bei einer Explosion zwei Personen verletzt. (Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Selbstmordanschlag auf Regierungsbus in Afghanistan" vom 26. Jänner 2014)

Provinz Kandahar:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Provinz Khost:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Lokale Beamte gaben an, dass in der Provinz Khost die Sicherheit verstärkt wurde und bis an die Grenzgegenden ausgeweitet wurde. Dies erlaubte der Regierung Kontrolle über abgelegene Gegenden zu gewinnen.

(Pajhwok: "Bolstered security spurs Khost business" vom 10. Juni 2013)

Seit Mitte Mai 2012 obliegt die Sicherheitsverantwortung für die Provinzhauptstadt Khost und die Provinz Khost den afghanischen Sicherheitskräften.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom 1. November 2012, Sitzung 13f)

Provinz Kunar:

Unter anderem sind die Hekmatyar Hezbe Islami und die Taliban als regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv. Diesen extremistischen Gruppen ist es ein Anliegen die Beziehungen mit Pakistan aufrecht zu erhalten. Die Grenzregion entwickelte sich im Laufe der letzten Jahre zum Rückzugsgebiet für Taliban und andere radikale Gruppen, wo sie sich für Kämpfe gegen die internationalen Truppen stärken und neu organisieren konnten. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 4 und 10; BAA/Staatendokumentation, "Afghanistan/Pakistan-Extremistische Gruppierungen im afghanischen Grenzgebiet", vom 31. Jänner 2011, Sitzung 3;

BAA/Staatendokumentation_D-A-CH, Kooperation Asylwesen, "Sicherheitslage in Afghanistan, Vergleich zweier afghanischer Provinzen (Ghazni und Nangarhar)", vom 1. März 2011, Sitzung 3)

Nationale und internationale Sicherheitskräfte bekämpfen gemeinsam die Aufstandsbewegung in der Provinz Kunar.

In der Provinz Kunar kommt es des Öfteren zu Bombardierungen durch die pakistanische Armee im Rahmen der Widerstandsbekämpfung. Betroffen sind vor allem die Grenzdistrikte Dangam und Nari. Aufgrund der Artillerie- und Raketenbeschüsse müssen Familien aus ihren Dörfern fliehen.

(APA: "Tausende Afghanen vor Angriffen aus Pakistan geflohen" vom 26. Juni 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 3. September 2012, Sitzung 10; Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage, vom 10. Jänner 2012, Sitzung 12)

Seit Mitte Mai 2012 obliegt die Sicherheitsverantwortung für die Provinzhauptstadt Asadabad sowie den Distrikten Nurgal, Chawkay und Narang den afghanischen Sicherheitskräften. Die im Juli 2011 begonnene Transition soll bis Ende 2014 für ganz Afghanistan abgeschlossen sein.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom 1. November 2012, Sitzung 13f)

Die Provinz Kunar im Osten des Landes an der Grenze zu Pakistan gilt als Hochburg der Taliban und anderer militanter Gruppen. Zivile Opfer von NATO-Luftangriffen sorgen immer wieder für Streit und schwere Spannungen zwischen der Führung in Kabul und der NATO.

(ARD: "Tote bei NATO-Luftangriff in Afghanistan" vom 8. September 2013)

Die Provinz ist eine Festung für bewaffnete Gruppen und viele Fremdkämpfer, unter anderem auch Araber, von denen angenommen wird, dass sie bei den afghanischen Taliban mitkämpfen. Manche werden verdächtigt, mit al-Qaida zusammenzuarbeiten.

(AlJazeera: "Afghan president condemns deadly NATO strike" vom 9. September 2013)

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 10f)

Provinz Laghman:

Beamte geben zwischenzeitlich an, dass sich die Sicherheitslage in der Provinz im Vergleich zur Vergangenheit um 80 Prozent verbessert hat. Nun sind alle Straßen, die in die Bezirke führen, für den Verkehr geöffnet.

(Pajhwok: "Laghman security improved; problems in far-flung areas persist" vom 6. August 2013)

Provinz Logar:

Die Taliban sind besonders in der Provinz Logar aktiv. Die Taliban sperren Straßen, die nur dann wieder eröffnet werden, wenn die BewohnerInnen aufhören, Freiwilligenstreitkräfte zu bilden bzw. Milizen gegen sie zu mobilisieren.

(Pajhwok: "Taliban stage comeback, close Azra roads" vom 22. August 2013)

Laut einem Beamten wurden 32 Rebellen im Zuge einer einwöchigen Sicherheitsoperation im Zentralraum der Provinz Logar verhaftet und dabei eine große Menge an Sprengstoff beschlagnahmt. Mehrere Dörfer wurden im Zuge dieser Operation von den Aufständischen geräumt. Auch Waffen konnten beschlagnahmt werden. Die Taliban behaupteten jedoch, dass deren Kämpfer auch weiterhin die Kontrolle über diese Gebiete hätten, und dass es sich um falsche Propaganda handle.

(Pajhwok: "32 rebels held in Logar operation, Taliban deny" vom 10. September 2013)

Provinz Nangarhar:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September, Sitzung 10)

Eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen. Dies sagte Präsident Hamid Karzai am 18. Juni 2013 in der Militärakademie bei Kabul. Zuvor hatte ein Selbstmordattentäter in Kabul drei Zivilisten getötet. Karzai sprach von einer verbesserten Sicherheitslage, doch hat sich diese laut Experten verschlechtert.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)

Unter anderem sind Hekmatyars Hezb-e Islami, Taliban, das Haqqani-Netzwerk und die Al Qaida in Nangarhar als regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 4f)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council, The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, vom 5. März 2013)

Provinz Paktia:

Die Bewohner der Provinz Paktia bemerken eine Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage. Jedoch sind sie über die Straßenbomben und die nächtlichen militärischen Razzien überall in der Provinz besorgt. Manche Bezirke der Provinz wie zum Beispiel Zurmat, Shawak, Gardah Seria und Wazi Zadran zählen zu den unsicheren Gegenden, in denen die Rebellen des Haqqani Netzwerkes aktiv sind.

(Pajhwok: "Paktia residents express concern over growing insecurity" vom 29. August 2013)

Provinz Paktika:

Gemäß ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 5)

Provinz Panjshir:

In der Provinz Panjshir kam es im Jahr 2012 lediglich zu 5 Anschlägen und Angriffen durch regierungsfeindliche Gruppen.

(ANSO, 4. Quartalsbericht 2012, vom 13. Jänner 2013, Sitzung 16)

Provinz-Wardak:

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul. Wardak ist für die Aufständischen perfekt positioniert, welche die naheliegenden Bergdörfer unter Kontrolle haben, und sie als Basen für ihre Selbstmordattentate in die Stadt nützen. Rebellen greifen bereits hier amerikanische und afghanische Kräfte an und führen Selbstmordattentate durch. Es herrscht die Angst, dass der Abzug der amerikanischen Spezialeinheiten die Rebellen ermutigt.

(Reuters: Analysis: "Afghan security vaccum feared along gateway to Kabul" vom 13. März 2013)

Die Taliban-Rebellen und die al-Qaida-Kämpfer sehen Wardak als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul.

(BBC: "Taliban bombers hit Afghanistan Wardak intelligence HQ" vom 8. September 2013)

Die Provinz Herat

Die Stadt Herat liegt an der iranisch-afghanischen Grenze und wird als eine der besser entwickelten und sichereren Städte Afghanistans angesehen.

(The Guardian: "Afghanistan: Taliban attack US consulate in Herat with suicide bomb, gunfire", vom 13. September 2013)

Herat galt seit der Absetzung der Taliban durch die amerikanisch-geführten Kräfte als relativ friedlich. Als eine der best entwickeltsten und reichsten Provinzen Afghanistans ist sie traditionell auch weniger von Gewalt betroffen. Allerdings ist es den Taliban möglich, in den ländlichen Gegenden in der Umgebung zu operieren.

(Al Jazeera: "Taliban attacks US consulate in Afghanistan", vom 13. September 2013; BBC News: US withdrawal: "Views from Afghanistan", vom 9. Jänner 2013; BBC News: "Herat attack: Afghanistan Taliban target US consulate", vom 23. September 2013)

Der Trend bezüglich der Sicherheitslage ging im ersten Quartal des Jahres 2013 in Richtung einer Verschärfung: Es wurden im ersten Quartal des Jahres 2013 81 Vorfälle registriert. Damit haben sich die Vorfälle in der Provinz Herat im Vergleich zum Vorjahr um 103 Prozent erhöht.

(ANSO, Afghanistan NGO Safety Office: Quarterly Data Report, Q.1 2013, vom April 2013)

Menschenrechte und Menschenrechtsorganisationen:

Trotz beachtlicher Erfolge während der vergangenen elf Jahre bleibt die gesellschaftliche Verankerung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, eine große Herausforderung in Afghanistan. Das liegt zum einen an der Schwäche der afghanischen Institutionen und mangelnder Rechtskenntnis bei Bevölkerung und Behörden, zum anderen an der mangelnden Akzeptanz von Menschen- und Frauenrechten innerhalb der Gesellschaft. Nicht zuletzt spielt die fehlende Bereitschaft von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, geltende Gesetze zum Schutz von Menschen- und Frauenrechten umzusetzen, eine Rolle. In Umsetzung der Tokio-Verpflichtungen muss die afghanische Regierung weitere Anstrengungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung der Situation der Menschenrechte vorweisen. Mittlerweile haben sich die afghanische Regierung und die Staatengemeinschaft auf zwei messbare Hard Deliverables im Bereich der Menschenrechte geeinigt, anhand derer die internationale Gemeinschaft eine erste Bilanz der Reformfortschritte ziehen will:

1. Bericht aller beteiligten Regierungsinstitutionen zur landesweiten Umsetzung des Gesetzes zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen [EVAW] und 2. inklusiver Nominierungsprozess für die Kommissare der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission [AIHRC]).

Neben der afghanischen Verfassung selbst, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist, bedeutet insbesondere das per Präsidialdekret erlassene EVAW-Gesetz vom August 2009 eine signifikante Stärkung der Frauenrechte. Sowohl ein UNAMA-Bericht vom 11. November 2012 als auch die AIHRC bestätigen, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Fälle von Gewalt registriert und damit öffentlich geworden sind. Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung der Schuldigen erheblich besser geworden. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden jedoch noch weit entfernt.

Dies bestätigt auch der jüngste Bericht von Human Rights Watch zur Situation weiblicher Insassen afghanischer Hafteinrichtungen, denen sogenannte "Sittenverbrechen" nach der islamischen Scharia vorgeworfen werden. Derzeit seien rund 600 Frauen - also die Hälfte aller weiblichen Insassen - wegen solcher "moralischer Vergehen" inhaftiert. Den meisten dieser Frauen werde Flucht aus dem Elternhaus oder dem Haus des Ehemannes angelastet. Dies sei auch nach afghanischem Recht keine Straftat. Vielmehr seien gerade diese Frauen oft Opfer von häuslicher Gewalt, die nach dem EVAW-Gesetz unter besonderem Schutz der Behörden stehen müssten.

Mangelnde Kenntnis und Akzeptanz des EVAW-Gesetzes führen jedoch dazu, dass viele Fälle von Gewalt gegen Frauen nach wie vor an traditionelle Streitschlichtungsgremien überwiesen werden. Zudem haben auch Menschenrechtsorganisationen festgestellt, dass es der afghanischen Polizei und Justiz weiterhin nicht selten noch an hinreichender Qualifikation fehlt, um Mindeststandards der Rechtspflege konsequent einzuhalten.

Der UNAMA-Folgebericht zu Folter in afghanischen Haftanstalten vom Januar 2013 bestätigt ebenfalls, dass Defizite bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden die Durchsetzung der Menschenrechte in Afghanistan erschweren. Der Bericht konzentriert sich auf Inhaftierte, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen oder verurteilt wurden. Darin werden den Sicherheitskräften erneut Rechtsverstöße, vor allem Folter, vorgeworfen. Die Gebergemeinschaft, vor allem die EU und die UN, hat nach Veröffentlichung des UNAMA-Berichts die afghanische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die Menschenrechte einzuhalten und die Haftbedingungen zu verbessern.

Die afghanische Regierung zog die Ergebnisse des UNAMA-Berichts zunächst in Zweifel. Präsident Karzai beauftragte noch im Januar 2013 eine afghanische Untersuchungskommission, die Vorwürfe zu prüfen. Diese bestätigte die Feststellungen des UNAMA-Berichts. Die Kommission gab elf Handlungsempfehlungen an die Regierung, darunter eine minimale Gesundheitsversorgung für Inhaftierte und Videoaufzeichnungen bei Verhören. Der Präsident ordnete am 11. Februar 2013 die Umsetzung der Empfehlungen per Dekret an. Die AIHRC ist inzwischen wieder voll besetzt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 4f; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013, S.17ff; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, Sitzung 27ff.)

Allerdings hat die Ernennungen der neuen Mitglieder der Menschenrechtskommission im Juni 2013 Unmut unter Menschenrechtsorganisationen sowohl in Afghanistan, als auch im Ausland hervorgerufen.

(RFE-Radio Free Europe: "Human Rights Appointments Draw Fire In Afghanistan", vom 3. Juli 2013)

So beförderte Staatspräsident Karzai, unter anderem, einen früheren Talibanführer zum Kommissionär der AIHRC. Es gab auch andere kontroverse KandidatInnen.

(Afghan Analyst: AIHRC Commissioners Finally Announced, vom 16. Juni 2013; vergleiche Revolutionary Association of the Women of Afghanistan:

"Human Rights Commission Appointments Draw Fire In Afghanistan" vom 3. Juli 2013)

Meinungs- und Pressefreiheit:

Die afghanische Verfassung garantiert in Artikel 34, Meinungs- und Pressefreiheit. Die Freiheiten sind - zumal im regionalen Vergleich - in einem bemerkenswerten Maß verwirklicht.

Staatliche Medien wie der Fernsehsender RTA, die Nachrichtenagentur Baghda und die Tageszeitung Anis stehen unter starker inhaltlicher Einflussnahme der Regierung. Daneben gibt es eine Fülle privater Medien. Das Spektrum reicht von großen westlich orientierten und regierungskritischen Medien wie Tolo TV, der Tageszeitung Hasht-e-Sobh und der Nachrichtenagentur Pajhwok bis hin zu kleinen Sendern und Zeitungen, die von lokalen Machthabern, Parteien, dem Ausland (insbesondere Pakistan und Iran) sowie religiösen Strömungen für die eigene Propaganda genutzt werden.

Wichtigstes Medium in den Provinzen ist das Radio, in den Städten das Fernsehen. Aufgrund einer hohen Analphabetenrate und schlechter Verfügbarkeit in den ländlichen Regionen sind Printmedien nur von nachrangiger Bedeutung. In Kabul und anderen Städten gibt es jedoch eine Vielzahl kleiner Zeitungen in niedriger Auflagezahl. Nur wenige dieser Medien können sich selbst finanzieren und sind auf (internationale) Unterstützung angewiesen. Zentral bleiben landesweit auch traditionelle Kommunikationswege: Sowohl lokale Versammlungen als auch Predigten in Moscheen werden von der Bevölkerung als wichtige Informationsquelle wahrgenommen.

Das Ministerium für Information und Kultur hat ein neues Mediengesetz entworfen, das mehr Spielraum für inhaltliche Einflussnahme der Regierung auf Berichterstattung bietet. Differenzen zwischen dem liberaleren Vizeminister und dem konservativen Minister verhindern zur Zeit jedoch die Weitergabe an und Ratifikation durch das Parlament.

Es kommt zu zahlreichen Einschüchterungen und gewalttätigen Übergriffen gegen Journalisten, bis hin zu gezielten Ermordungen. Rasche Ermittlungen und staatsanwaltliche Verfolgung dieser Vorfälle blieben oft nur gute Absicht. Journalisten beklagen zudem eine wach-sende Kontrolle des Staates über Berichterstattung betreffend Korruption, Sicherheitsvorfälle, und Aufständische. Für Sender tätige Personen, die "unislamische" Fernsehsendungen - insbesondere Musikvideos - ausstrahlen, werden zum Teil dem Staatsanwalt vorgeführt. Strafen reichen bis zum Entzug der Sendelizenz. Unter den afghanischen Journalisten ist da-her eine Kultur der Selbstzensur zu beobachten; die Berichterstattung bleibt oft oberflächlich. Einige Journalisten gehen jedoch bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern. Präsident Karzai sprach sich im Oktober 2012 explizit dafür aus, dass das Ministerium für Information und Kultur medial vermittelte Inhalte stärker kontrollieren solle, da "unislamische" Videos und kontroverse Fernsehdebatten das Potential hätten, die Gesellschaft zu entzweien.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 9)

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:

Die Versammlungsfreiheit ist in Afghanistan grundsätzlich gewährleistet (siehe auch Artikel 36 der afghanischen Verfassung). Es gibt regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen die Tötung von Zivilisten durch NATO-Truppen, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder gegen im Ausland verbreitete Karikaturen des Propheten Mohammed. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber teilweise oder werden von Einzelpersonen gezielt genutzt, um gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten.

Die afghanische Verfassung erlaubt in Artikel 35, die Gründung von Vereinen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen die afghanische Regierung auf Zusammenschlüsse wie Vereine, Gewerkschaften o.ä. Druck ausgeübt hätte. Das Gleiche gilt für die Gründung und Tätigkeit im Rahmen politischer Parteien.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013; United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)

Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans (Artikel 2 der Verfassung). Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht.

Nach offiziellen Schätzungen sind 84 Prozent der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 Prozent schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 Prozent der Bevölkerung aus.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 10)

Laut UNHCR schützt die afghanische Regierung religiöse Minderheiten nicht vor Übergriffen.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender, Sitzung 22, 44ff.; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, Sitzung 22f.)

Schiiten:

Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an. Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, der größten religiösen Minderheit des Landes, hat sich seit dem Ende des Taliban Regimes wesentlich gebessert. Trotzdem war die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen sowie einer Verschlechterung der Beziehungen zu der sunnitischen Mehrheit konfrontiert. Die schiitischen Muslime konnten im Berichtzeitraum (31. Jänner 2012 bis 30. Jänner 2013) ihr traditionelles Ashura Fest in Kabul öffentlich ohne Zwischenfälle feiern. Nichtsdestotrotz gab es sporadische Attacken gegen die schiitischen Hazara. Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt. Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten an-gewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind. Im Jahr 2009 wurde ein Gesetzestext durchgesetzt, der viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erb-schafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt. Der Gesetzestext wurde im Parlament durchgesetzt, ohne ordentlich debattiert zu werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen und afghanischen Frauenorganisationen kritisierten, dass der Gesetzestext im Widerspruch zu Artikel 22 steht, der die Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz bekräftigt.

(U.S., Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30. April 2013; US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013; BBC: "Shia mosque attacked in Kabul by men in police uniforms" vom 5. September 2013; USAID, Shiite personal status law, vom April 2009; Freedom House, Freedom in the world 2013, vom Jänner 2013; Herizons, Afghan Women Stand Strong Against Shia law, vom September 2009)

Christen:

Die christliche Gemeinde wird auf 500 bis 8.000 Personen geschätzt. Die wenigen afghanischen Christen - Konvertiten vom Islam oder deren Kinder - sind seit langem gezwungen, ihre Religion zu verstecken und können diese nicht frei ausüben.

Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und ein Verbrechen gegen den Islam gesehen, das mit dem Tod bestraft werden könnte, sofern die Konversion nicht widerrufen wird.

Die einzige öffentliche Kirche in Afghanistan, die hauptsächlich von im Land lebenden Ausländern genutzt wurde, musste 2010 geschlossen werden, da der Besitzer einen Vertragsbruch im Zuge seines Mietvertrags begangen hatte. Die Behörden hielten den Mietvertrag nicht aufrecht, und das Gebäude wurde im März 2010 zerstört.

(US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013; U.S., Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30. April 2013)

Gemäß Weltverfolgungsindex 2013 werden Christen in Afghanistan weltweit am drittstärksten verfolgt.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2013, Sitzung 19; Open Doors, Weltverfolgungsindex 2013 "Wo Christen am stärksten verfolgt werden" vom Januar 2013, Sitzung 4f, 10, 13 und 15: www.opendoors.de/downloads/wvi/wvi_2013.pdf; UNHCR, Eligibility Guidelines, 6. August 2013, Sitzung 46)

Konversion wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht. Allerdings wurde die Todesstrafe wegen Konversion nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes nie vollstreckt. Gefahr droht Konvertiten oft auch aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Repressionen gegen Konvertiten sind in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften. Für christliche Afghanen gibt es allerdings keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NROs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013)

Hindus und Sikhs:

Genaue verlässliche Angaben über die Anzahl von Hindus und Sikhs in Afghanistan gibt es nicht. Die Zahlen variieren zwischen 3.000 und 15.000 landesweit. Im Vergleich zurzeit unter der Taliban-Herrschaft ist die staatliche Diskriminierung dieser Gruppen deutlich zurückgegangen. Gelegentlich wird - was nach Ansicht der Deutschen Botschaft glaubhaft ist - von Diskriminierungen von Hindus und Sikhs im Hinblick auf den Zugang zu öffentlichen Ämtern berichtet, wenngleich einige Hindus und Sikhs solche Ämter bekleiden. Sie äußern sich jedoch nicht immer offen über ihre Glaubenszugehörigkeit. Hindus und Sikhs werden aber von großen Teilen der Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Kinder von Hindus und Sikhs, die afghanische Schulen besuchen, werden laut AIHRC oftmals "gehänselt". Die mus-limische Bevölkerung verurteilt die Feuerbestattungen, die im Hinduismus das zentrale Be-gräbnisritual darstellen. Die afghanische Regierung hat auf diesen Streitpunkt reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt hat.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013)

Die Sikhs sollen vor etwa 200 Jahren nach Afghanistan gekommen sein. In den 1990er Jahren stieg ihre Zahl auf bis zu 50.000, wobei sie sich vor allem in Jalalabad, Kabul, Kandahar und Ghazni ansiedelten. Aber jahrzehntelange Instabilität und Intoleranz haben Immigrationswellen verstärkt und dabei die Gemeinschaft auf 372 Familien landesweit reduziert.

(RAWA news: "Afghanistan Sikhs, already marginalized, are pushed to the brink" vom 17. Juni 2013)

Es gibt widersprüchliche Berichte, ob sich die Situation der kleinen afghanischen Hindu- und Sikh-Gemeinschaft seit dem Fall der Taliban verbessert hat. USCIRF geht davon aus, dass sich die Situation der kleinen afghanischen Sikh- und Hindu-Gemeinschaft seit dem Sturz des Taliban-Regimes verbessert. Es ist den Sikh und Hindus erlaubt, ihren Glauben auszuleben. Auch haben sie Orte, an denen sie öffentlich ihren Gottesdienst abhalten.

(US Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30. April 2013)

Sie sind jedoch auch weiterhin Ziel von Verfolgung und Diskriminierung. Die lokale Sikh- und Hindu-Gemeinschaft ist etwa Problemen ausgesetzt, wenn es um das Erwerben eines Grundstücks für Kremation geht, auch sind sie Belästigungen während größerer religiöser Festlichkeiten ausgesetzt.

(US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013)

Es gibt Schulen für Kinder von Sikhs in Ghazni, Helmand, und Kabul. Obwohl mehr als ein Viertel der Sikh-Bevölkerung in Jalalabad lebt, gibt es dort keine Schule für sie. Die Regierung unterstützt Schulen der Sikhs mit eingeschränkter Finanzierung, inklusive Lehrern für den Grundschullehrplan. Ein paar Kinder von Sikhs besuchen internationale Privatschulen.

Die Hindu- und Sikh- Gemeinschaften erhalten keinen Gratisstrom für ihre Mandirs und Gurdwaras, sondern sie müssen höhere Raten, wie etwa für Geschäftslokale zahlen. Bis zum Ende 2012 hatte die Regierung mehrere Anfragen der beiden Gemeinschaften, die gleiche Behandlung wie Moscheen zu erhalten, nicht beantwortet.

(US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013)

Vor drei Jahrzehnten noch gab es 64 Glaubensstätten landesweit, heutzutage existieren nur noch neun.

(Pajhwok: "Afghan news, Sikh throng temples to celebrate Vaisakhi" vom 11. April 2013)

Anarkali Kaur Honaryar ist die erste weibliche Abgeordnete, die aus der kleinen Hindu- und Sikh-Gemeinde stammt. Sie bekam im Jahr 2009 eine internationale Anerkennung für ihre Arbeit im Bereich der Frauenrechte und wurde von Staatspräsident Hamid Karzai gebeten, an den Wahlen 2010 für das Parlamentsunterhaus teilzunehmen. Allerdings verlor sie, wurde aber von Karzai zur Repräsentantin des Oberhauses der Hindu- und Sikh-Gemeinde ernannt.

(New Indian Express: "Afghan¿s only Sikh MP recounts her struggle" vom 15. Februar 2013)

Baha'i:

AnhängerInnen des Baha'i-Glaubens praktizieren seit ungefähr 150 Jahren ihren Glauben in Afghanistan. Die Gemeinschaft ist hauptsächlich in Kabul und mit wenigen Baha'is in Kandahar vertreten. Es gibt keine klaren Zahlen über die Mitglieder der Baha'i-Gemeinschaft, da sie ihren Glauben nicht öffentlich praktizieren. Schätzungen zufolge besteht die Baha'i-Gemeinschaft aus etwa 2,000 Personen.

Im Mai 2007 befand das Generaldirektorat für Fatwas, dass der Glaube der Baha'i eine Abweichung vom Islam und eine Form der Blasphemie ist. Auch wurden alle Muslime, die zum Baha'i-Glauben konvertieren zu Abtrünnigen erklärt. Damit gefährdete es den rechtlichen Status der Gemeinschaft.

Lokale Baha'is bekunden ihren Glauben nicht öffentlich und versammeln sich auch aus Angst vor Diskriminierung, Verfolgung, Haft oder Tod nicht offen, um den Gottesdienst abzuhalten.

(USCIRF [U.S. Commission on International Religious Freedom], Annual Report - Afghanistan, vom 30. April 2013; USDOS [United States Department of States], International Religious Freedom Report for 2012, vom 20. Mai 2013; Freedom House, Freedom in the World 2013 - Afganistan, vom Jänner 2013)

Konversion:

Konversion wird als Apostasie betrachtet und mit dem Tode bestraft.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2013, Sitzung 19)

Ein Konvertit kann den Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion innerhalb von drei Tagen widerrufen, andernfalls kann ihm Tod durch Steinigung drohen, er kann enteignet und seine Ehe annulliert werden.

(International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20. Mai 2013)

Konvertiten riskieren ferner, von ihren eigenen Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen zu werden und ihre Arbeit zu verlieren. Wer vom Islam zum Christentum konvertiert, ist außerdem durch die Taliban gefährdet, die jeden mit dem Tode bedrohen, der sich zum Christentum bekehren lässt. Personen, die vermeintlich versuchen, andere zu einer Konversion zu bewegen, sind ebenfalls gefährdet, verhaftet und inhaftiert zu werden.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Dort, wo Apostasie nicht vor Gericht verhandelt wird - und das scheint die Mehrheit der Fälle zu sein -, erleidet der Konvertit häufig Verfolgung durch die eigene Familie und Gesellschaft, manchmal sogar den Tod durch Verwandte, die die Schande des Abfalls von der Familie abwaschen möchten. Konvertiten müssen damit rechnen, beschimpft und bloßgestellt oder geschlagen zu werden, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, ins Gefängnis zu kommen oder auch umgebracht zu werden.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13. Februar 2012)

Ein afghanischer Angestellter des IKRK wurde am 31. Mai 2010 infolge einer Fernsehreportage über afghanische Christen verhaftet und später der Apostasie angeklagt; aufgrund des Drucks der internationalen Gemeinschaft wurde der Konvertit von den afghanischen Behörden entlassen, woraufhin er das Land mit unbekanntem Ziel verließ.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13. Februar 2012)

Ethnische Minderheiten:

Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird in etwa wie folgt geschätzt: Paschtunen ca. 38 Prozent, Tadschiken ca. 25 Prozent, Hazara ca. 19 Prozent, Usbeken ca. 6 Prozent sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser an-deren Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die ca. eine Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, leiden in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da ihre Mitglieder aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so Gefahr laufen, Opfer einer diskriminieren-den Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 9f)

Tadschiken

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Der erste Vizepräsident von Präsident Hamid Karzai ist ein Tadschike. Der Verteidigungsminister ist ebenfalls ein Tadschike. Tadschiken sind bei den Sicherheitskräften deutlich überrepräsentiert. Paschtunen und Tadschiken sind auch die größten ethnischen Gruppen in der Provinz Kabul, wobei die Tadschiken in der Hauptstadt Kabul eine knappe Mehrheit bilden. Ein Großteil der Tadschiken gehört dem sunnitischen Glauben an. Ethnische Spannungen bestehen schon seit vielen Jahren in Afghanistan; im September 2012 wurden bei einem Zusammenstoß von Hazara und Tadschiken in Kabul 5 bis 6 Hazara getötet.

Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) berichtete im Dezember 2010, dass in Afghanistan seit den 1970er Jahren keine Volkszählung mehr durchgeführt wurde. Die verfügbaren Informationen zeigen jedoch, dass die Provinz Kabul durch ethnische Vielfalt gekennzeichnet ist und einen großen Anteil an tadschikischer Bevölkerung hat. Es konnten im Zeitraum 2010/2011 keine Berichte über Attacken von Taliban gegenüber Tadschiken in Kabul gefunden werden. In den Quellen wurden auch keine weiteren Informationen bezüglich der aktuellen Situation der Tadschiken, einschließlich reicher Tadschiken in Kabul, gefunden. Ebenso wurden keine Berichte in Bezug auf staatlichen Schutz für Tadschiken in Kabul gefunden.

Die Mehrheit der Tadschiken gehört der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Die zweitgrößte ethnische Gruppe in Afghanistan stellen die Tadschiken mit ca. 30 Prozent dar. Im Vergleich zu den übrigen Volksgruppen sind die Tadschiken in gewisser Weise nur vage definiert; nach landläufigem afghanischen Verständnis sind "Tadschiken" alle diejenigen, die weder den Paschtunen noch irgendeiner anderen nicht primär Persisch sprachigen Gruppe angehören. Tadschiken im engeren Sinne besiedeln ein geschlossenes Gebiet in den nordöstlichen Provinzen (Badakhshan, Takhar, Baghlan, Parwan, Kapisa und Kabul), dieses Siedlungsgebiet leitet nach Norden, jenseits des Amu-Darja, nach Tadschikistan über, wo sie mit knapper Mehrheit das namensgebende Staatsvolk bilden. Häufig werden auch die Persisch sprechenden Bewohner Nordwestafghanistans, insbesondere der Flussoase von Herat als Tadschiken bezeichnet, da sich ihre in der Hauptsache städtische Kultur aber deutlich von der Lebensweise der nordostafghanischen tadschikischen Bergbauern abhebt und viele Gemeinsamheiten mit dem angrenzenden nordöstlichen Iran aufweist, ist es durchaus gerechtfertigt, stattdessen die Bezeichnung "Farsiwan" (Persischsprecher) zu verwenden. Ebenfalls einen Sonderfall stellen die häufig als "Pamir-Tadschiken" bezeichneten Bewohner der höheren Hindukusch-Täler Badakhshans (Wakhi, Ishkashami, Zebaki etc.) dar; sie sprechen im Gegensatz zu den eigentlichen Tadschiken altertümliche nordostiranische Dialekte, die nur weitläufig mit dem Persischen verwandt sind und werden daher in der neueren Literatur als "Pamiri" zusammengefasst. Außerhalb dieser tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan siedeln Tadschiken inselhaft in weiten Teilen Afghanistans, namentlich in den größeren Städten, in der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Wie bereits angedeutet, leben die Tadschiken entweder als sesshafte Bauern, im Hochgebirge häufig mit Almwirtschaft und den damit verbundenen saisonalen vertikalen Wanderungen; in den Städten stellen sie das Gros der Handwerker, kleinen und mittleren Händler, darüber hinaus findet man sie häufig in mittleren Positionen der staatlichen Verwaltung, etwa im Bildungswesen. Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken keine Stammesorganisation; sie definieren sich auf lokaler Ebene zumeist nach Dorf- oder Talschaften, wie etwa die Panjsheri, Andarabi etc.

Gemäß Minority Rights Group [MRG] stellen ethnische Spannungen zwischen Hazara und Tadschiken weiterhin ein Hauptproblem in Afghanistan dar. Im September 2012 wurde eine Anzahl von Menschen getötet, als zwischen Mitgliedern der beiden Gemeinschaften in Kabul Gewalt ausbrach.

Gemäß Human Rights Watch schürte die ethnische Gewalt zwischen Tadschiken und Hazara in Kabul im September [2012] erneut die Ängste vor ansteigenden religiösen Konflikten, welche das benachbarten Pakistan geplagt haben, aber in Afghanistan bisher weitgehend abgewendet werden konnten.

Tadschiken sind bei den Sicherheitskräften deutlich überrepräsentiert.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Die Tadschiken sind der Kern der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, die oft Karzai und seinem inneren paschtunischen Zirkel gegenübersteht, aber trotzdem mit ihm an den Strukturen der Regierung arbeitet. Der erste Vizepräsident von Präsident Hamid Karzai ist Muhammad Fahim, ein Tadschike. Der Verteidigungsminister, Bismillah Khan Mohammedi, ist ebenfalls ein Tadschike.

Gemäß UNHCR können Einzelpersonen, welche zu einer der bundesweit größten ethnischen Gruppen gehören, in ihrem Wohnort eine ethnische Minderheit darstellen und in ihrer Heimat aufgrund ihrer ethnischen Herkunft bestimmten Herausforderungen ausgesetzt sein. Umgekehrt ist ein Mitglied einer ethnischen Gruppe, welche auf nationaler Ebene eine Minderheit darstellt, aufgrund der Ethnizität in Bereichen, wo diese ethnische Gruppe die lokale Mehrheit darstellt, nicht gefährdet.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: "Informationen zur Lage von Tadschiken in Kabul, welche dem Glauben der Sunniten angehören" vom 15. November 2013)

Hazara

Die Hazara unterscheiden sich von anderen Minderheiten in Afghanistan, da diese sowohl eine ethnische als auch aufgrund ihres schiitischen Glaubens eine religiöse Minderheit dar-stellen. Sie können aufgrund ihrer ostasiatischen Gesichtszüge leicht von anderen Minder-heiten unterschieden werden. Ihr deutlich anderes Aussehen in Kombination mit dem Praktizieren des Schiitentums hat sie über viele Jahrhunderte zu Angriffszielen gemacht.

Besonders zu Zeiten der Taliban-Herrschaft wurde die Minderheit der Hazara verfolgt. Ihre Lage hat sich zwar deutlich verbessert, jedoch sind sie in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die schiitische Minderheit der Hazara verbessert sich ökonomisch und politisch durch Bildung. In der Vergangenheit wurden die Hazaras von den Paschtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive weiblicher Hazara, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie, Medizin oder andere Bereiche ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden.

Einer der zwei Vizepräsidenten von Präsident Hamid Karzai ist Karim Khalil. Er stammt der Minderheit der Hazara ab.

(Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation des Bundesasylamtes vom September 2013)

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten (mehrheitlich schiitischen) Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Kuchi-Nomaden, die unter ungeklärten Boden- und Wasserrechten in besonderem Maße leiden. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da sie aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so die Gefahr laufen, Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 9f)

In diesem Sinne sind Angehörige der Hazara weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und Berichten zufolge Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban sowie andere regierungsfeindliche Kräfte. Andererseits verbessert sich die Minderheit der Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung: Viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie oder Medizin ein.

(Congressional Research Service vom 22. November 2013)

Hazara werden Berichten zufolge weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und gezielt durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit und körperliche Misshandlung unter Druck gesetzt. Hazara sind Berichten zufolge außerdem weiterhin Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013; US State Department, 2012 Country Reports on Human Rights Practices - Afghanistan, 19. April 2013,

http://www.refworld.org/docid/517e6e73f.html)

Geschlechtsspezifische Verfolgung:

Die Situation der Frauen war bereits vor dem Taliban-Regime durch sehr strenge Scharia-Auslegungen und archaisch-patriarchalische Ehrenkodizes geprägt. So war die Burka auch vor der Taliban-Herrschaft bei der ländlichen weiblichen Bevölkerung ein übliches Kleidungs-stück. Viele Frauen tragen sie noch immer, weil sie sich damit vor Übergriffen sicher fühlen. Während Frauenrechte in der Verfassung und teilweise im staatlichen Recht gestärkt werden konnten, liegt ihre Verwirklichung für den größten Teil der afghanischen Frauen noch in weiter Ferne.

Die Lage der Frauen unterscheidet sich je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark. In weiten Landesteilen erlaubt es die unbefriedigende Sicherheitslage den Frauen nicht, die mit Überwindung der Taliban und ihrer frauenverachtenden Vorschriften erwarteten Freiheiten wahrzunehmen. Die meisten sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und im Islam vorgegebenen Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern bestimmt wird und in dem kaum qualifizierte Anwältinnen oder Anwälte zur Verfügung stehen, in den seltensten Fällen möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage - oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt -, Frauenrechte zu schützen.

Frauen werden weiterhin im Familien-, Erb-, Zivilverfahrens- sowie im Strafrecht benachteiligt. Dies gilt vor allem hinsichtlich des Straftatbestands "Ehebruch", wonach selbst Opfer von Vergewaltigungen bestraft werden können. Fälle, in denen Frauen wegen "Ehebruchs" von Ehemännern oder anderen Familienmitgliedern umgebracht werden (so genannte "Ehren-morde"), kommen besonders in den paschtunischen Landesteilen vor. Im August 2010 hatten Taliban in der Provinz Kundus ein unverheiratetes Liebespaar wegen "Ehebruchs" öffentlich gesteinigt, was durch Präsident Karzai verurteilt wurde. Im August 2010 haben die Taliban in der Provinz Badghis eine Witwe wegen Ehebruchs gehängt, die vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes schwanger geworden war. Am 8. Dezember 2010 haben Taliban in der Provinz Takhar eine Frau wegen angeblichen Ehebruchs erschossen. Die AIHRC verurteilte die Tat.

Das durchschnittliche Heiratsalter von Mädchen liegt bei 15 Jahren, obwohl ein Mindestheiratsalter von 16 Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist. Zwangsheirat bereits im Kindesalter, "Austausch" weiblicher Familienangehöriger zur Beilegung von Stammesfehden sowie weit verbreitete häusliche Gewalt kennzeichnen die Situation der Frauen. Opfer sexueller Gewalt sind auch innerhalb der Familie stigmatisiert. Das Sexualdelikt wird in der Regel als "Entehrung" der gesamten Familie aufgefasst. Sexualverbrechen zur Anzeige zu bringen hat auf-grund des desolaten Zustands des Sicherheits- und Rechtssystems wenig Aussicht auf Er-folg. Der Versuch endet u.U. mit der Inhaftierung der Frau, sei es aufgrund unsachgemäßer Anwendung von Beweisvorschriften oder zum Schutz vor der eigenen Familie, die eher die Frau oder Tochter eingesperrt als ihr Ansehen beschädigt sehen will.

Viele Frauen sind wegen sogenannter Sexualdelikte inhaftiert, weil sie sich beispielsweise einer Zwangsheirat durch Flucht zu entziehen versuchten, vor einem gewalttätigen Ehemann flohen oder weil ihnen vorgeworfen wurde, ein uneheliches Kind geboren zu haben.

Internationale Aufmerksamkeit erregte im Frühjahr 2009 die Verabschiedung des schiitischen Personenstandsgesetzes durch das Parlament. Es enthielt zahlreiche Frauen diskriminierende Bestimmungen. Nach massiven Protesten unterzeichnete Präsident Karzai am 19. Juli 2009 eine überarbeitete Fassung des Gesetzes, die er als Dekret in Kraft setzte. Bislang ist das Gesetz vom Parlament nicht wieder aufgenommen worden. Die Zivilgesellschaft begrüßte die in Kraft getretene Fassung des Gesetzes mehrheitlich; mehr sei in Anbetracht der politischen Kräfteverhältnisse nicht zu erreichen. Das in Kraft getretene Gesetz stellt eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf dar. Gestrichen wurden unter anderem die höchst umstrittenen Passagen, die Regeln sollten, wie häufig die Eheleute einander zu Geschlechtsverkehr verpflichtet sind. Zudem wurden einige Textstellen getilgt, die die Ehe mit/unter Minderjährigen bestrafen und diese damit implizit anerkannten sowie ein Artikel abgeändert, der das Verlassen des Hauses durch die Frau an die Zustimmung des Mannes knüpfte.

Zahlreiche Bestimmungen stehen aber im Widerspruch zu völkerrechtlichen Verpflichtungen Afghanistans, vor allem zur Konvention zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen (CEDAW). Zwar erhält der Ehemann in der von Präsident Karzai in Kraft gesetzten Fassung kein "Vetorecht" mehr, wenn seine Frau das Haus verlassen möchte, doch darf die Frau nur zu "legalen Zwecken" ausgehen, und auch dies nur "in dem Maße, wie örtliche Gewohnheit es zulässt". Problematisch sind daneben unter anderem Bestimmungen zum Vormundschaftsrecht von Vater und Großvater, zur Einschränkung des Rechts der Frau zu arbeiten, zur Polygamie, zur finanziellen Kompensation für Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen, zur Verweigerung des Unterhalts durch den Mann bei Verweigerung "ehelicher Rechte" durch die Frau und zu Unterschieden im Erbrecht zwischen Männern und Frauen, v.a. in Bezug auf Immobilien.

Die Situation der Frau in Afghanistan wird in der Theorie durch die Verabschiedung des "Gesetzes zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen" (EVAWGesetz) ver-bessert, das am 19. Juli 2009 von Präsident Karzai unterzeichnet wurde. Das EVAWGesetz genießt nach seinem Schlussartikel Vorrang vor allen entgegenstehenden Normen. Es enthält zahlreiche Bestimmungen und hat zum Ziel, Gewalt gegen Frauen in allen Formen zu bekämpfen und zur Schaffung eines Bewusstseins von der Würde und den Rechten der Frau beizutragen. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden, die es nach einer UNAMA-Studie von Dezember 2010 zum Teil gar nicht kennen, weit entfernt.

Traditionell sind Mädchen und Frauen in der Region Herat in ihrer Bewegungs- und Handlungsfreiheit aufgrund eines ausgeprägt traditionellen Verhaltenskodex besonders stark ein-geschränkt. In dieser Region wird - mit abnehmender Tendenz - eine erhebliche Zahl von Selbstverbrennungen von Frauen verzeichnet. Überwiegend handelt es sich dabei um aus Iran zurückgekehrte Flüchtlingsfrauen, von denen angenommen wird, dass sie sich haupt-sächlich aus Verzweiflung wegen Zwangsverheiratung selbst verbrannt haben. Verlässliche Statistiken liegen nicht vor.

Frauen waren unter den Taliban (1996 bis 2001) von jeglicher Bildung ausgeschlossen. Die Alphabetisierungsrate bei Frauen liegt Schätzungen zufolge in der Größenordnung von 10 Prozent.

Nach Angaben von UNICEF können nur 18 Prozent der Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren lesen und schreiben. Für die wenigen hochqualifizierten Afghaninnen hat sich jedoch der Zugang zu adäquaten Tätigkeiten bei der Regierung verbessert. Die Entwicklungsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen bleiben durch die strenge Ausrichtung an Traditionen und fehlender Schulbildung weiterhin wesentlich eingeschränkt. Wiederholte Gasangriffe auf Mädchenschulen (zuletzt am 25. August 2010, Totja-Oberschule, Kabul - der fünfte mutmaßliche Gasangriff auf eine Mädchenschule in Kabul 2010; 2011 wurden keine derartigen Vorkommnisse bekannt) bestätigen, dass Schulbildung für Mädchen immer noch von einem Teil der Bevölkerung abgelehnt wird.

Im Juni 2008 wurde der mit Unterstützung von UNIFEM erarbeitete National Action Plan for Women of Afghanistan (NAPWA) von der Regierung gebilligt. NAPWA soll helfen, die Situation der Frauen in Afghanistan zu verbessern, insbesondere ihre Diskriminierung zu beenden, die Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu ermöglichen und ihnen volle und gleichberechtigte Beteiligung in allen Lebensbereichen (Wirtschaft, Gesundheit, Bildung) zu gewähren. Die staatlichen Institutionen sind jedoch bisher nicht fähig, die Vorgaben des NAPWA wirksam durchzusetzen. Oft liegt dies auch an den weiterhin bestehenden, den Forderungen des NAPWA entgegenstehenden kulturell verankerten Traditionen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 10. Jänner 2012, S 20ff, und vom 4. Juni 2013, Sitzung 12f)

Derzeit steht ein vom afghanischen Parlament verabschiedeter Gesetzesentwurf in der Kritik der EU, westlicher Regierungen und von Menschenrechtsorganisationen. Dieser Entwurf soll das afghanische Strafrecht dahingehend abändern, dass ein "Verbot der Befragung von Personen als Zeugen" vorgesehen wird. Davon betroffen sind Verwandte, Kinder, Ärzte und Anwälte der mutmaßlichen Täter. Opfer und Zeugen von häuslicher Gewalt sind somit zum Schweigen verurteilt. Präsident Karzai und sein Kabinett haben eine Überarbeitung der umstrittenen Passage angeordnet. Die neue Formulierung ist bisher nicht bekannt. Auch bei einer geplanten Änderung ist zu befürchten, dass die Position der Frauen weiter geschwächt wird, da über das Vernehmungsverbot hinaus ein sehr weitreichendes Zeugnisentschlagungsrecht vorgesehen ist. Da der Begriff der Familie nicht definiert ist, kann dies künftig dazu führen, dass die Bewohner des gesamten Dorfs vom Zeugnisentschlagungsrecht profitieren.

(derstandard.at: Afghanistan: "Geplantes Gesetz schränkt Rechte der Frauen drastisch ein" vom 5. Februar 2014; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Afghanistan: Neues Gesetz beschneidet Frauenrechte drastisch" vom 5. Februar 2014, Statement by EU High Representative Catherine Ashton on the Criminal Procedure Code in Afghanistan vom 10. Februar 2014, The Guardian "Hamid Karzai orders changes to draft law amid fears for Afghan women" vom 17. Februar 2014, The Guardian:

"Campaigners welcome Hamid Karzai's intervention on domestic abuse law" vom 17. Februar 2014)

In der Provinz Balkh ist die Lage der Frauen laut der Frauenbeauftragten der Regionalregierung zwar besser als in anderen Provinzen. Allerdings wird gerade hier v.a. in den letzten beiden Jahren von einer Welle von Selbstmorden von jungen Frauen berichtet. Die meisten schlucken Rattengift oder Pestizide. Als Grund werden Zwangsheiraten oder das Verbot, die Ausbildung fortzusetzen, angenommen.

(Neue Züricher Zeitung: "Verliebte junge Frauen schlucken Rattengift" vom 6. Februar 2014)

Diskriminierung aufgrund sexueller Identität

Formen bisexuellen, homosexuellen oder transsexuellen Lebens werden von der Gesellschaft abgelehnt.

Laut Artikel 247, Absatz eins, des afghanischen Strafgesetzbuches werden nebst unehelichem Geschlechtsverkehr auch solche Sexualpraktiken, die üblicherweise mit Homosexualität in Verbindung gebracht werden, mit langjähriger Haftstrafe sanktioniert. Neben der sozialen Ächtung Bisexueller, Homosexueller und Transsexueller verstärken Bestimmungen und Auslegung des islamischen Rechts (der Scharia, die z. T. von noch konservativeren vorislamischen Stammestraditionen beeinflusst wird) mit Androhungen von Strafen bis hin zur Todesstrafe den Druck auf die Betroffenen. Eine systematische Verfolgung durch staatliche Organe ist nicht festzustellen, was allerdings seine Gründe auch in der vollkommenen Tabuisierung des Themas haben kann. Über die Durchführung von Strafverfahren wegen homosexueller und transsexueller Handlungen liegen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 13)

Außereheliche Beziehungen:

In Fällen außerehelicher Beziehungen kann den Beteiligten die Todesstrafe oder auch eine Haftstrafe drohen: In Afghanistan sind außereheliche Beziehungen (insbesondere auch Ehebruch) sowohl im Strafgesetz als auch gemäß der Scharia verboten und gelten als ehrverletzend - vor allem für die Familie der Frau. Deshalb kann es auch zu Ehrenmorden an der Frau wie auch am Mann kommen. Alle vor- oder außerehelichen Beziehungen gelten in Afghanistan als Zina-Vergehen. Sowohl in der Scharia wie auch im afghanischen Strafgesetz gilt Zina als schweres Verbrechen und wird bestraft. Zina bezeichnet im Islam den Geschlechtsverkehr zwischen Menschen, die nicht verheiratet sind. Sowohl Frauen als auch Männer werden wegen Zina strafrechtlich verfolgt und zu langen Haftstrafen verurteilt. Gemäß der Scharia reicht die Bestrafung für Zina von Auspeitschungen bis hin zur Steinigung. In Afghanistan gibt es viele Vorfälle und Morde aufgrund von Ehrverletzungen, in einigen Regionen kommt es zu Steinigungen. Ob der außereheliche Geschlechtsverkehr freiwillig war oder nicht, ist meistens nicht von Bedeutung: Es wird kaum eine Differenzierung zwischen Vergewaltigung und einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gemacht.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 10. Juni 2013)

Justiz und (Sicherheits-)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig ein-gehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.

(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013)

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet.

Die Afghanische Nationale Polizei [ANP] gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35 Prozent der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen.

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 12f)

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus.

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Strafverfolgung, Strafbemessung und Strafvollstreckung:

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht erkennbar. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen.

Präsident Karzai verkündet in regelmäßigen Abständen zu besonderen Anlässen Amnestien, die insbesondere Frauen, Kinder und ältere Gefängnisinsassen betreffen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 11)

Haftbedingungen:

Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten werden von unterschiedlichen Organisationen verwaltet: Das "General Directorate of Prisons and Detention Centers" (GDPDC), ein Teil des Innenministeriums (MOI), ist verantwortlich für alle zivil geführten Gefängnisse sowohl für weibliche als auch männliche Häftlinge. Das MOI und das "Juvenile Rehabilitation Directorate" (JRD) sind verantwortlich für alle Jugendrehabilitationszentren und Zivilhaftanstalten. Die ANP (Afghan National Police) unter dem Innenministerium und dem NDS (National Directorate of Security) ist verantwortlich für Kurzhaftanstalten auf Provinz- und Bezirksebene. Das Verteidigungsministerium betreibt die nationalen Haftanstalten Afghanistans in Parwan und Pul-e-Charki.

(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)

Folter und Misshandlungen werden nach wie vor in den Gefängnissen in Afghanistan praktiziert und stellen ein ernstzunehmendes und weitverbreitetes Problem in den Haftanstalten Afghanistans dar.

(United Nations Assistance Mission in Afghanistan "Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghan Custody" vom Jänner 2013; Afghanistan Independent Human Rights Commission "Torture, Transfers, and Denial of Due Process" vom 17. März 2012; TAZ: "Kabul räumt erstmals Folter ein" vom 11. Februar 2013)

AIHRC und andere Beobachter berichteten, dass es in den Gefängnissen kein adäquates Essen oder Wasser gebe. Außerdem seien die Sanitäranlagen schlecht und es seien nicht genügend Decken vorhanden. Infektiöse Krankheiten seien verbreitet.

(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)

Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards. Sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel und Trinkwasser sowie Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet. Die begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten führen dazu, dass Gefangene in Untersuchungshaft und bereits verurteilte Gefangene nicht getrennt festgehalten werden. Im März 2012 führten etwa 100 Gefangene im Pul-e-Charkhi-Gefängnis wegen Misshandlungen einen Hungerstreik durch. Für Kinder verurteilter Mütter wurden spezielle Unterstützungszentren geschaffen.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 12f; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, Sitzung 3f.)

Todesstrafe:

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte (Mord, Entführung und gewisse Straftaten gegen die nationale Sicherheit) vorgesehen. Unter dem Einfluss der Scharia wird die Todesstrafe aber auch bei anderen Delikten verhängt (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen und kann nur mit Einwilligung des Präsidenten vollstreckt werden. Allgemein sind keine Bestrebungen seitens der Regierung zu erkennen, ein Moratorium zu erlassen oder die Todesstrafe gar abzuschaffen. Zuletzt wurde die Todesstrafe im November 2012 vollstreckt, als 14 wegen Vergewaltigung und Mordes Verurteilte exekutiert wurden. Landesweit sind momentan über 100 Personen zu Tode verurteilt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 16; vergleiche, Amnesty International, Amnesty Report 2013, vom 21. Mai 2013)

Gemäß Amnesty International wurden in Afghanistan am 20. und 21. November 2012 14 Gefangene hingerichtet. Der Oberste Gerichtshof soll zudem 30 Todesurteile bestätigt haben. Zehn Todesurteile wurden in Haftstrafen umgewandelt. Ende November 2012 befanden sich mehr als 250 Personen in Todeszellen.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 12f; Amnesty International, Report 2013, vom 23. Mai 2013. USDOS, Human Right Practices 2012, vom 19. April 2013, Sitzung 3)

Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden - eigentlich die "Kornkammer" - des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben zur Folge, dass ca. 1 Mio. oder 29,5 Prozent aller Kinder als akut unterernährt gelten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 18)

Medizinische Versorgung:

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit (die Anzahl der Gesundheitseinrichtungen hat sich seit 2002 vervierfacht) aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Dies führt dazu, dass Afghanistan weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate der Welt gehört. Die Lebenserwartung der Frauen liegt bei 51, Männer werden im Schnitt 48 Jahre alt.

Durch die überdurchschnittlich gute ärztliche Versorgung im French Medical Institute in Kabul können Kinder auch mit komplizierteren Krankheiten in Kabul behandelt werden. Afghanische Staatsangehörige mit guten Kontakten zum ausländischen Militär oder Botschaften, können sich unter Umständen auch in Militärkrankenhäusern der ausländischen Truppen behandeln lassen. Die Militärkrankenhäuser können Zivilisten (jeglicher Staatsangehörigkeit) allerdings nur in beschränktem Maße aufnehmen, da Betten für Mitglieder der internationalen Streitkräfte vorgehalten werden müssen.

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen stellt Afghanistan nach wie vor große Herausforderungen. Die wenigen Kliniken, die es in einigen größeren Städten gibt, sind klein und überfüllt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 18)

Während sich der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen für die städtische Bevölkerung verbessert hat, hat sich dieser für die ländliche Bevölkerung sowie für Nomaden verschlechtert. Insbesondere für Personen, welche in Gebieten unter der Kontrolle regierungsfeindlicher Gruppierungen leben, sind medizinische Einrichtungen schwer zu erreichen. 10 Prozent der Kinder sterben, bevor sie das 5. Lebensjahr erreichen und die Müttersterblichkeit gehört noch immer zu den weltweit höchsten.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, Sitzung 21)

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.

(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, Sitzung 16)

Rückkehrfragen:

Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, Sitzung 28)

Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der Schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich, in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik, die sich jedoch dabei stellt, ist, dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.

(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Kabul, vom 29. Mai 2012)

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fach-personal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.

(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, Sitzung 16)

Ausweichmöglichkeiten:

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, Sitzung 14)

Nach Ansicht von UNHCR besteht in umkämpften Gebieten keine interne Fluchtmöglichkeit. Da regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban, das Haqqani-Netzwerk oder Hekmatyars Hezb-e Islami über operationelle Kapazitäten verfügen, Personen im ganzen Land zu verfolgen, existiert für von diesen Gruppierungen bedrohte Personen auch in Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, keine Fluchtalternative. Die afghanische Regierung hat in zahlreichen Gebieten des Landes die effektive Kontrolle an regierungsfeindliche Gruppierungen verloren und ist dort daher nicht mehr schutzfähig. Betreffend der Verletzung sozialer Normen muss in Betracht gezogen werden, dass konservative Akteure auf allen Regierungsstufen Machtpositionen innehaben und das weite Segmente der afghanischen Gesellschaft konservative Wertvorstellungen vertreten. UNHCR schließt für alleinerziehende Frauen ohne nahe männliche Angehörige eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.

(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom August 2013, Sitzung 72 bis 78)

Dokumente:

Echte Dokumente unwahren Inhalts gibt es in erheblichem Umfang. So werden Pässe und Personenstandsurkunden von afghanischen Ministerien und Behörden offenkundig ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Ursachen sind ein nach 23 Jahren Bürgerkrieg lückenhaftes Registerwesen, mangelnde administrative Qualifikation sowie weit verbreitete Korruption.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, Sitzung 30)

Weniger als zehn Prozent der afghanischen Bevölkerung haben ein Geburtszertifikat. Auch besitzen die wenigsten Kinder eine Geburtsurkunde.

(United States Department of State, Trafficking in Persons Report 2012, vom 19. Juni 2012; UNICEF: "Children on the Move" vom Februar 2010)

Die Tazkira ist die übliche ID-Karte in Afghanistan. Dort sind persönliche und familienbezogene Informationen des Inhabers festgehalten wie Wohn- und Geburtsort, Beruf und Militärdienst. Es gibt keine weiteren Identitätskarten, mit denen die Angaben einer Tazkira zusätzlich legitimiert werden könnten. Das Immigration and Refugee Board of Canada (IRBC) geht davon aus, dass es kein Standardverfahren zur Verifizierung der Identität des Antragsstellers und zur Ausstellung der Tazkira gibt. Tazkiras werden für den Schul- oder Universitätseintritt oder für die Beantragung eines Reisepasses gebraucht. Viele beantragen eine Tazkira erst, wenn sie eine benötigen. UNHCR beschrieb, dass jeder Mann eine Tazkira haben sollte, für die Frauen ist die Beantragung freiwillig.

(Brooking Institution University of Bern: "Realizing National, Responsibility for the Protection of Internally Displaced Persons in Afghanistan: A Review of Relevant Laws, Policies, and Practices" vom November 2010; Immigration and Refugee Board of Canada:

"Afghanistan: The Issuance of Tazkira Certificates; Whether Individuals Can Obtain Tazkiras While Abroad" vom 16. Dezember 2011)

Risikogruppen:

In seinen "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asyl-suchender vom August 2013" geht UNHCR von folgenden "[m]öglicherweise gefährdete[n] Personenkreise[n] in Afghanistan" aus:

• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen

• Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen

• Männer und Burschen im wehrfähigen Alter

• Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden

• Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben

• Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstoßen

• Frauen

• Kinder

• Opfer von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind

• lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Personen (LGBTI)

• Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen

• an Blutfehden beteiligte Personen

• Familienangehörige von Geschäftsleuten und anderen wohlhabende Personen

Die Aufzählung ist nicht notwendigerweise abschließend. Je nach den spezifischen Umständen des Falls können auch Familienangehörige oder andere Mitglieder des Haushalts von Personen mit diesen Profilen aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person inter-nationalen Schutzes bedürfen.

Überdies können nach den genannten UNHCR-Richtlinien "Menschenrechtsverletzungen einzeln oder zusammen eine Verfolgung darstellen, wie etwa:

• die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte einschließlich der Einführung paralleler Justizstrukturen und der Verhängung ungesetzlicher Strafen sowie der Bedrohung und Einschüchterung der Zivilbevölkerung, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Einsatz von Erpressungen und illegalen Steuern

• Zwangsrekrutierung

• die Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation in Form von Ernährungsunsicherheit, Armut und Vernichtung von Lebensgrundlagen

• steigende organisierte Kriminalität und die Möglichkeit von lokalen Machthabern ("Warlords") und korrupten Beamten, in von der Regierung kontrollierten Gebieten straflos zu agieren

• die systematische Beschränkung des Zugangs zu Bildung und zu grundlegender Gesundheitsversorgung

• die systematische Beschränkung der Teilnahme am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen

Ad b) Zum den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 6. August 2013:

Abrufbar unter: http://www.refworld.org

Ad c) Siehe Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen aus der Verhandlung vom 12.09.2014 vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2. Beweiswürdigung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesasylamtes unter zentraler Berücksichtigung der darin enthaltenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, den eingebrachten Dokumenten, des bekämpften Bescheides, der Beschwerde sowie den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben.

2.1. Zum Vorbringen des BFs zu seiner Herkunft, der Ethnie, zum Wohnort des BF, zum Bildungsstand des BF:

Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und zur Religionszugehörigkeit, zur Herkunft und zu den Lebensumständen des BF im Herkunftsstaat und in Österreich stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem Bundesasylamt, in der Beschwerde, sowie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari und Hazargi. Hinsichtlich seines Vorbringens ist der Beschwerdeführer glaubhaft.

Des Weiteren stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auch auf das Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen aus der Verhandlung vom 12.09.2014, worin die Angaben des BFs, insbesondere die Ortskenntnisse des BFs, bestätigt wurden.

2.2. Zur derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan und der Heimatregion des BF:

Diese Feststellungen stützen sich auf die oben angeführten Quellen. Das Bundesverwaltungsgericht bediente sich hierbei einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprunges, um sich so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer machen zu können. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität dieser Aussagen, der die belangte Behörde weder mündlich noch schriftlich substantiiert entgegengetreten ist, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Zuverlässigkeit und Richtigkeit dieser Quellen zu zweifeln.

Das in der gegenständlichen mündlichen Verhandlung erstattete Gutachten zur Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen und der Heimatregion des BFs im Besonderen belegt zusätzlich die gleichbleibend sehr schlechte Sicherheitslage im Land und ergibt sich daraus, dass keine wesentliche Verbesserung in nächster Zeit zu erwarten ist.

Zur Gesamtheit der Feststelllungen stützt sich das Gericht somit gänzlich auf das Gutachten des mit ausgewiesener Fach- und Landeskunde ausgestatteten, beigezogenen länderkundigen Sachverständigen für Afghanistan, Univ.- Lekt. Dr. Sarajuddin Rasuly, dessen Gutachten in sich schlüssiges und plausibel war, sodass sich aus Sicht des Gerichtes keine Anhaltspunkte ergaben, am Ergebnis des Gutachtes zu zweifeln.

Zum beigezogenen Sachverständigen hält das Gericht fest, dass es sich bei ihm um eine Person handelt, die selbst afghanischer Herkunft ist, die afghanischen Verhältnisse zur Gänze belegen kann und seit Jahrzehnten als Gutachter von diversen Gerichten und Organisationen zu Fragen zur Situation Afghanistans beauftragt wurde. Daher liegen beim Gutachter aus Sicht des Gerichtes ausgezeichnete Fachkenntnisse zu Fragen, das Land Afghanistan betreffend, vor.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anzuwendendes Recht:

Mit 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, zuletzt geändert mit Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß Paragraph 6, des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 10 aus 2013,, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung der nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 33 aus 2013, idgF, geregelt. Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-VG, BGBl römisch eins 2012/87 in der Fassung BGBl römisch eins 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß Paragraphen 16, Absatz 6 und 18 Absatz 7, BFA-VG sind die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß Paragraph 75, Absatz 17, AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Bundesasylamt anhängigen Verfahren ab 01.01.2014 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Ende zu führen.

Gemäß Paragraph 75, Absatz 19, AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Absatz 20, zu Ende zu führen.

Gemäß Paragraph 15, AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Gemäß Paragraph 18, AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

3.2. Zu A)

Zu Spruchpunkt römisch eins. (Asyl):

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Antrag auf internationalen Schutz ist gem. Paragraph 3, Absatz 3, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (Ziffer 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund gesetzt hat (Ziffer 2). Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche z. B. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. es ist vielmehr zu prüfen, ob die Furcht objektiv nachvollziehbar ist, ob also die normative Maßfigur in derselben Situation wie der Asylwerber ebenfalls Furcht empfinden würde. Das UNHCR-Handbuch spricht davon, dass nicht nur die seelische Verfassung der entsprechenden Person über ihre Flüchtlingseigenschaft entscheidet, sondern dass diese seelische Verfassung durch objektive Tatsachen begründet sein muss vergleiche Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, 4. Auflage, K7 zu Paragraph 3, AsylG, 56f). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn die Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH 24.11.1999, 99/01/0280).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt vergleiche VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann vergleiche VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, Zl. 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat vergleiche VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, Zl. 99/20/0509 mwN.; 20.9.2004, Zl. 2001/20/0430; 17.10.2006, Zl. 2006/20/0120; 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).

Im gegenständlichen Fall sind die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund, nicht gegeben, weil es dem BF nicht gelungen ist eine Verfolgung glaubhaft zu machen. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich nämlich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Die Erstbehörde hat sich im gegenständlich angefochtenen Bescheid ausreichend mit der vorgebrachten Fluchtgeschichte auseinandergesetzt. Es wurde nachgefragt, ob der BF noch weitere Angaben zu seiner vorgebrachten Fluchtgeschichte, der Flucht aus Afghanistan wegen der vorgebrachten Grundstücksstreitigkeiten und der schlechten Lage, machen möchte, was verneint wurde. Dem BF wurde somit mehrfach Gelegenheit gegeben seine Fluchtgeschichte näher auszuführen, was weder im Verfahren vor dem Bundesasylamt erfolgte noch vor dem Bundesverwaltungsgericht. Der BF führte als Fluchtgrund im Wesentlichen die immer wieder vorgekommenen Grundstücksstreitigkeiten zwischen den Kuchis und den Hazaras an, brachte aber auch vor, dass er persönlich nie Angriffen ausgesetzt war oder verfolgt wurde. Er habe lediglich Angst gehabt, dass er getötet werden könne, falls er die Grundstücke nicht den Kuchis überlassen würde und mit dieser Angst wolle er nicht mehr in Afghanistan leben Die Familie habe darüber hinaus auch trotz dieser Auseinandersetzungen weiterhin im Heimatdorf des BF gelebt, sogar auch noch 6 bis 7 Monate vor der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht, wo der letzte telefonische Kontakt mit seiner Familie stattfand. Der BF konnte aber darüber hinaus eine aktuelle ihm drohende Gefahr der Verfolgung seiner Person, insbesondere auch nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppierung der Hazaras glaubhaft machen, die allgemeine fallweise Verfolgung von Hazaras - unter Berufung auf einen Fall von Tötung von 16 Hazaras im Monat Ramadan - wurde zwar vom BF im Verfahren thematisiert, aber ergab sich daraus keine individuelle konkrete Bedrohung für den BF selbst.

Schließlich sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

Wenn der BF im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorbringt, dass er sich im Fall der Rückkehr nach Afghanistan nicht mehr sicher fühle und sich weiterhin vor möglichen Bedrohungen fürchte, so ist festzuhalten, dass diese subjektive Furcht des BF für sich alleine genommen (noch) nicht ausreicht, um von einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK ausgehen zu können. Eine solche wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Der BF wird daher nicht- wie sich aus den Verfahrensergebnissen zeigte- aus besonderen, in seiner Person gelegenen, als auch an die GFK anknüpfenden Gründen verfolgt. Es hat sich darüber hinaus auch weder im Verfahren eine weitere konkrete Verfolgung des BF aus anderen Gründen ergeben noch wurde eine solche vom BF irgendwann vorgebracht.

Es ergaben sich auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und Zugehöriger der Religionsgemeinschaft der Schiiten aktuell alleine wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit und/oder wegen seiner Glaubensrichtung in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes - auf Basis des Ergebnisses der Länderberichte zur Situation der Hazaras in Afghanistan - handelt es sich hierbei aber um keine systematische, asylrelevante Verfolgung als Hazara. Weiters ist festzuhalten, dass der BF als Angehöriger der Glaubensrichtung der Schiiten ohnehin der Mehrheitsreligionsgemeinschaft in Afghanistan angehört. Es ist daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF aktuell alleine wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit und/oder wegen seiner Glaubensrichtung in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre, zumal es auch keine von Amts wegen aufzugreifenden weiteren Verfahrensergebnisse dazu gab.

Somit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, nicht vor. Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt nur dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine asylrelevante Verfolgung des BF liegt daher nicht vor.

Daher war die Beschwerde des BF gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, AsylG als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt römisch II (subsidiärer Schutz):

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Ziffer eins,), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Ziffer 2,), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückverweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des Paragraph 11, offen steht.

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/10/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, 98/01/0122, 25.1.2001, 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.2.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22.GO zu Paragraph 8, AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikel 3, EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560).

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Fall der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechts ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des Paragraph 8, Absatz , AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 17.9.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 die Frage, ob sichthaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen vergleiche VwGH 8.6.2000, 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig erschienen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde vergleiche VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028; sie dazu vor allem auch EGMR 20.7.2010, N. gg. Schweden, Zl 23505/09, RZ 52ff.; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff.)

Bei außerhalb staatlicher Verantwortung liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Ziffer 30240 /, 96 ;, 06.02.2001, Bensaid, Zl 44599/98; vergleiche auch VwGH 21.08.2001, Zl 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Artikel 3, EMRK in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vergleiche VwGH 21.08.2001, Zl 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl 2003/01/0059).

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zur Artikel 3, EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG gegeben sind:

Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt variiert, insgesamt aber die Sicherheitslage sehr prekär ist. Aus dem Gutachten des beigezogenen länderkundlichen Sachverständigen folgt weiters, dass insbesondere auch die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des BF sehr prekär ist und nach wie vor eine Bedrohung der Zivilbevölkerung durch das Taliban-regime vorliegt. Das BVwG hat bereits im mehrfachen Erkenntnissen ausgesprochen (W 151 1429925-1; W 151 1434292-1; W 151 1421671-2), dass nunmehr auch die Sicherheitslage in der Hauptstadt Kabul seit September 2014 nicht mehr gewährleitstet ist. Insgesamt geht das Gericht davon aus, dass auch trotz nunmehr erfolgter Parlamentswahlen und auch wegen des bevorstehenden Abzuges der ISAF-Truppen, die Lage in Afghanistan (und auch Kabul) als nicht sicher eingestuft werden muss. Es gibt weiterhin bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den regierungsfeindlichen Taliban und der Regierung, diese auch in Kabul und in anderen Landesteilen. Von diesen bewaffneten Konflikten ist ungewollt auch immer wieder die Zivilbevölkerung betroffen, aufgrund von Selbstmordattentaten kommt es auch zu Tötungen von Zivilpersonen. Auch wenn Ende 2014 einige tausend amerikanische Soldaten in Afghanistan verbleiben, so gewährleisten diese aus Sicht des erkennenden Gerichtes nicht ausreichend, dass damit die neue afghanische Regierung eine Zurückdrängung der Taliban erreichen kann.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zur Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalbe des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

Eine innerstaatliche Schutzalternative (Paragraph 8, Absatz 3, in Verbindung mit Paragraph 11, AsylG) würde dem BF unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen.

Das Gericht geht davon aus, dass der BF - selbst, wenn seine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan noch gegeben sein sollten- in Afghanistan und in Kabul im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine für ihn ausweglose Situation geraten würde, da ihm die notdürftigste Lebensgrundlage- auch aufgrund seines geringen Bildungsgrades - entzogen wäre. Im Beweisverfahren konnte auch nicht geklärt werden, ob die Familie des BF noch in Afghanistan lebt oder wie deren Lebensumstände nunmehr sind, hervorgekommen ist nur der Umstand, dass schon zum Zeitpunkt der Flucht des BF die finanzielle Lage der Familie des BF als eher angespannt betrachtet werden muss. Darüber hinaus geht das Gericht davon aus, dass- falls Anknüpfungspunkte gegeben wären- die Reintegration des BF mit der Folge der familiären und sozialen Unterstützung des Familienverbands für den BF aufgrund seiner langen Abwesenheit erschwert sein könnte und er daher auch aus diesem Grund in eine ausweglose Situation geraten könnte.

Die Rückkehr des BF nach Afghanistan erscheint daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar. Durch die Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in Rechten nach Artikel 3, EMRK verletzt zu werden.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt römisch III (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung)

Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Daher war gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu Spruchpunkt römisch IV des angefochtenen Bescheides (Paragraph 10, AsylG, Ausweisung):

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Statuts des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt.

Da im gegenständlichen Fall dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG nicht (mehr) vor.

Daher war die von der belangten Behörde in Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides angeordnete Ausweisung des BF gemäß Paragraph 28, Absatz , VwGVG ersatzlos zu beheben.

3.3 Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2014:W151.1429530.1.00