Die Provisorische Staatsregierung hat beschlossen: § 1. Strafbestimmungen, die in vorläufig noch in Geltung belassenen deutschen Gesetzen enthalten sind, werden von den Gerichten und Verwaltungsbehörden unter Bedachtnahme auf folgende Anordnungen angewendet. I. Abschnitt. Verwaltungsübertretungen. § 2. Als Verwaltungsübertretung [Art. römisch VI, Abs. (3), des Bundesgesetzes vom 21. Juli 1925, B. G. Bl. Nr. 273, zur Einführung der Bundesgesetze über das allgemeine Verwaltungsverfahren, über die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes und das Verwaltungsstrafverfahren sowie über das Vollstreckungsverfahren in der Verwaltung (Einführungsgesetz

Sub-Litera, z, u den Verwaltungsverfahrensgesetzen — E. G.- V. G.)] ist eine strafbare Handlung dann anzusehen, wenn sie bloß mit Haft oder einer Geldstrafe bis zum Höchstbetrage von 150 RM bedroht ist und in der Strafbestimmung auch nicht für schwerere Fälle oder für den Fall des Eintretens erschwerender oder besonders erschwerender Umstände eine strengere Strafe vorgesehen ist. II. Abschnitt. Gerichtlich strafbare Handlungen. § 3. (1) Über alle Handlungen, die mit einer strengeren Strafe als mit Haft oder einer Geldstrafe bis zu 150 RM bedroht sind, haben die Gerichte zu urteilen. Das gleiche gilt auch für die Handlungen, von denen nur schwerere Fälle oder die für den Fall des Eintretens erschwerender oder besonders erschwerender Umstände mit einer solchen Strafe bedroht sind. (2) Die Bestimmungen des Abs. (1) finden auf Zuwiderhandlungen gegen die staatlichen Abgabengesetze keine Anwendung. Auf Zuwiderhandlungen gegen Abgabengesetze der übrigen Gebietskörperschaften findet Abs. (1) dann keine Anwendung, wenn in diesen Gesetzen bestimmt ist, daß Zuwiderhandlungen nach den für die staatlichen Abgaben geltenden Vorschriften zu ahnden sind. Unterscheidung von Verbrechen, Vergehen und Übertretungen. § 4. (1) Von den in Paragraph 3, genannten strafbaren Handlungen haben zu gelten: a) als Verbrechen die, welche mit Todes- oder Zuchthausstrafe bedroht sind, b) als Vergehen die, welche mit Gefängnis ohne Ober- und Untergrenze oder mit Gefängnis von mehr als sechs Monaten bedroht sind, c) als Übertretungen alle übrigen. (2) Ist neben Haftstrafe Gefängnisstrafe, neben Gefängnisstrafe Zuchthausstrafe wahlweise oder für den Fall des Vorliegens erschwerender oder besonders erschwerender Umstände angedroht, so ist die Tat im ersten Falle als Vergehen, im zweiten als Verbrechen anzusehen. III. Abschnitt. Strafen. § 5. An die Stelle der in deutschen Rechtsvorschriften angedrohten Todesstrafe tritt die Strafe des lebenslangen schweren Kerkers. § 6. (1) Der Zuchthausstrafe entspricht die Strafe des schweren Kerkers (Paragraph 3, des Gesetzes vom 15. November 1867, R. G. Bl. Nr. 131, wodurch mehrere Bestimmungen des allgemeinen Strafgesetzes und anderer damit im Zusammenhange stehenden Anordnungen abgeändert werden). (2) Der Gefängnisstrafe entspricht, wenn Gefängnis schlechthin oder Gefängnis von mehr als sechs Monaten angedroht ist, die Strafe des strengen Arrestes (Paragraph 245, St. G.), sonst die Arreststrafe (Paragraph 244, St. G.). (3) Der Haftstrafe entsprechen Arrest und Hausarrest. § 7. (1) Bei der Bemessung einer Freiheitsstrafe hat das Gericht den Strafsatz der vorläufig in Geltung belassenen Strafvorschrift des Deutschen Reiches unter Bedachtnahme auf die charakteristischen Strafsätze des österreichischen Rechtes und nach Maßgabe der folgenden Vorschriften anzuwenden: a) Falls bei einer Gefängnisstrafe eine Mindest- oder Höchstdauer nicht angegeben ist, beträgt die Mindestdauer des Arrestes 24 Stunden, die Höchstdauer bei einfachem Arrest sechs Monate (Paragraph 247, St. G.), bei strengem Arrest drei Jahre; b) die Bestimmungen der Paragraphen 54,, 55, 55 a, 260 a und b, 261, 262, 266, 266 a St. G., § 265 a St. P. O., Art. römisch VI, des Gesetzes vom 5. Dezember 1918, St. G. Bl. Nr. 93, über die Vereinfachung der Strafrechtspflege (Strafprozeßnovelle vom Jahre 1918) sowie die Bestimmungen der Paragraphen 11, bis 14 des Bundesgesetzes vom 18. Juli 1928, B. G. Bl. Nr. 234, über die Behandlung junger Rechtsbrecher (Jugendgerichtsgesetz) finden Anwendung. (2) Für die Bemessung von Freiheitsstrafen bei Verwaltungsübertretungen gelten die Vorschriften der Paragraphen 10 und 11 des Bundesgesetzes vom 21. Juli 1925, B. G. Bl. Nr. 275, über die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes und das Verwaltungsstrafverfahren (Verwaltungsstrafgesetzes — römisch fünf. St. G.). § 8. (1) Das Ausmaß der von den Gerichten zu verhängenden Geldstrafen beträgt, wenn in der Vorschrift selbst kein Höchst- oder Mindestmaß bestimmt ist, mindestens 3 und höchstens 25.000 RM, sofern nicht Geldstrafe in unbeschränkter Höhe angedroht ist. In letzterem Falle beträgt die zulässige Höchstgrenze 100.000 RM. (2) Nebenstrafen anderer Art als Geldstrafen können nur in der Art und in dem Maße verhängt werden, als sie nach österreichischem Rechte zulässig wären [§ 7, Abs. (1)].. IV. Abschnitt. Schlußbestimmungen. § 9. Bestimmungen, denen zufolge ein Amt ermächtigt wird, eine der Ahndung durch die Gerichte unterliegende Handlung im eigenen

Wirkungsbereich mit Ordnungsstrafen zu belegen, und Bestimmungen, denen zufolge Verwaltungsbehörden gerichtliche Anordnungen aufheben können, treten außer Kraft. § 10. Die Bestimmungen des Gesetzes vom 23. Juli 1920, St. G. Bl. Nr. 373, über die bedingte Verurteilung finden Anwendung. § 11. (1) Strafsachen, die bei Wirksamkeitsbeginn dieses Gesetzes noch in erster Instanz anhängig sind, sind von der bisher zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem bisher zuständigen Gerichte zu Ende zu führen; bei der Strafbemessung sind die Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden. (2) Der Rechtszug geht an die jeweils übergeordnete Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde, für die Strafbemessung gilt die Vorschrift des Abs. (1). § 12. Artikel römisch eins, Paragraph 5,, der Allgemeinen Bestimmungen über die Anwendung von Strafvorschriften des Deutschen Reiches im Lande Österreich (Strafenanpassungsverordnung) vom 8. Juli 1938, Deutsches R. G. Bl. römisch eins S. 844 (G. Bl. f. d. L. Ö. Nr. 262/1938), wird aufgehoben. § 13. Mit der Vollziehung dieses Gesetzes sind das Staatsamt für Inneres und das Staatsamt für Justiz betraut.

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