BUNDESGESETZBLATT
FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

Jahrgang 2020

Ausgegeben am 8. April 2020

Teil II

140. Verordnung:

Nähere Regelung der Durchführung von gesellschaftsrechtlichen Versammlungen ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer und von Beschlussfassungen auf andere Weise

140. Verordnung der Bundesministerin für Justiz zur näheren Regelung der Durchführung von gesellschaftsrechtlichen Versammlungen ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer und von Beschlussfassungen auf andere Weise

(Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Verordnung – COVID-19-GesV)

Gemäß Paragraph eins, Absatz 2, des Bundesgesetzes betreffend besondere Maßnahmen im Gesellschaftsrecht aufgrund von COVID-19 (Gesellschaftsrechtliches COVID-19-Gesetz – COVID-19-GesG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 16 aus 2020, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 24 aus 2020,, wird verordnet:

Allgemeine Bestimmungen

Paragraph eins,

  1. Absatz einsEine Versammlung, bei der alle oder einzelne Teilnehmer nicht physisch anwesend sind, wird in dieser Verordnung als „virtuelle Versammlung“ bezeichnet.
  2. Absatz 2Unter dem Begriff „Gesellschaft“ sind in dieser Verordnung alle in Paragraph eins, Absatz eins, COVID-19-GesG aufgezählten Rechtsformen zu verstehen.
  3. Absatz 3Soweit in dieser Verordnung nichts Anderes bestimmt wird, sind für die Einberufung und die Durchführung einer virtuellen Versammlung dieselben gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Regelungen einzuhalten wie für eine sonstige Versammlung dieser Art.
  4. Absatz 4Durch diese Verordnung werden gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Regelungen, nach denen die Durchführung einer Versammlung ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer oder eine sonstige Art der Beschlussfassung bereits zulässig ist, nicht berührt.

Zulässigkeit virtueller Versammlungen

Paragraph 2,

  1. Absatz einsDie Durchführung einer virtuellen Versammlung ist zulässig, wenn eine Teilnahmemöglichkeit an der Versammlung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit besteht. Dabei muss es jedem Teilnehmer möglich sein, sich zu Wort zu melden und an Abstimmungen teilzunehmen.
  2. Absatz 2Falls einzelne, höchstens jedoch die Hälfte der Teilnehmer nicht über die technischen Mittel für eine akustische und optische Verbindung mit der virtuellen Versammlung verfügen oder diese Mittel nicht verwenden können oder wollen, so ist es auch ausreichend, wenn die betreffenden Teilnehmer nur akustisch mit der Versammlung verbunden sind.
  3. Absatz 3Die Entscheidung, ob eine virtuelle Versammlung durchgeführt werden soll und welche Verbindungstechnologie dabei zum Einsatz kommt, ist von jenem Organ oder Organmitglied zu treffen, das die betreffende Versammlung einberuft. Dabei sind sowohl die Interessen der Gesellschaft als auch die Interessen der Teilnehmer angemessen zu berücksichtigen.
  4. Absatz 4In der Einberufung der virtuellen Versammlung ist anzugeben, welche organisatorischen und technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an der virtuellen Versammlung bestehen.
  5. Absatz 5Wenn bei einer virtuellen Versammlung Anlass zu Zweifeln an der Identität eines Teilnehmers besteht, so hat die Gesellschaft seine Identität auf geeignete Weise zu überprüfen.
  6. Absatz 6Die Gesellschaft ist für den Einsatz von technischen Kommunikationsmitteln nur insoweit verantwortlich, als diese ihrer Sphäre zuzurechnen sind.

Sonderbestimmung für die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft

Paragraph 3,

  1. Absatz einsFür die virtuelle Durchführung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist es auch ausreichend, wenn eine Teilnahmemöglichkeit an der Versammlung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Verbindung in Echtzeit besteht, wobei der einzelne Aktionär dem Verlauf der Versammlung nur folgen kann, aber auf andere Weise in die Lage versetzt wird, während der Versammlung Wortmeldungen abzugeben und an Abstimmungen teilzunehmen. Für die Abgabe von Wortmeldungen (Fragen und Beschlussanträge) können während der Versammlung angemessene zeitliche Beschränkungen festgelegt werden. Paragraph 2, Absatz 2, gilt sinngemäß; ergänzend sind die Bestimmungen über die Fernteilnahme (Paragraph 102, Absatz 3, Ziffer 2, AktG) und die Fernabstimmung (Paragraph 102, Absatz 3, Ziffer 3, AktG und Paragraph 126, AktG) sinngemäß anzuwenden.
  2. Absatz 2Zusätzlich zur virtuellen Durchführung der Hauptversammlung kann auch eine Übertragung der Hauptversammlung (Paragraph 102, Absatz 4, AktG) und/oder eine Abstimmung per Brief (Paragraph 127, AktG) erfolgen, auch wenn dies nicht in der Satzung vorgesehen ist.
  3. Absatz 3Wenn die Informationen gemäß Paragraph 2, Absatz 4, in der Einberufung der Hauptversammlung der Gesellschaft noch nicht enthalten sind, so ist es ausreichend, wenn diese Informationen ab dem 21. Tag vor der Hauptversammlung gemäß Paragraph 108, Absatz 3 bis 5 AktG bereitgestellt werden und dies in der Einberufung angekündigt wird.
  4. Absatz 4Wenn die Hauptversammlung einer börsenotierten Gesellschaft, einer Gesellschaft im Sinn des Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AktG oder einer Gesellschaft mit mehr als 50 Aktionären übertragen wird (Paragraph 102, Absatz 4, AktG), so kann abweichend von Absatz eins, vorgesehen werden, dass die Stellung eines Beschlussantrags, die Stimmabgabe und die Erhebung eines Widerspruchs in der virtuellen Hauptversammlung nur durch einen besonderen Stimmrechtsvertreter erfolgen kann. Als besondere Stimmrechtsvertreter hat die Gesellschaft zumindest vier geeignete und von ihr unabhängige Personen vorzuschlagen, von denen zumindest zwei Rechtsanwälte oder Notare sein müssen. Die Kosten der besonderen Stimmrechtsvertreter trägt die Gesellschaft.
  5. Absatz 5Die Absatz eins bis 4 gelten für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mit der Maßgabe, dass, soweit von der Hauptversammlung und von Aktionären die Rede ist, an ihre Stelle die Versammlung des obersten Organs und die Mitglieder treten.

Sonderbestimmung für die Generalversammlung einer Genossenschaft oder eines Vereins

Paragraph 4,

  1. Absatz einsFür die virtuelle Durchführung der Generalversammlung einer Genossenschaft oder eines Vereins ist es auch ausreichend, wenn eine Teilnahmemöglichkeit an der Versammlung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Verbindung in Echtzeit besteht, wobei das einzelne Mitglied dem Verlauf der Versammlung nur folgen kann, aber auf andere Weise in die Lage versetzt wird, während der Versammlung Wortmeldungen abzugeben und an Abstimmungen teilzunehmen. Für die Abgabe von Wortmeldungen (Fragen und Beschlussanträge) können während der Versammlung angemessene zeitliche Beschränkungen festgelegt werden. Paragraph 2, Absatz 2, gilt sinngemäß.
  2. Absatz 2Falls auch eine virtuelle Durchführung der Generalversammlung nicht möglich oder zweckmäßig ist, kann der Vorstand – falls ein Aufsichtsrat vorhanden ist, mit dessen Zustimmung – für Angelegenheiten, die einer Beschlussfassung durch die Generalversammlung bedürfen, die Durchführung einer schriftlichen Abstimmung der Mitglieder anordnen, auch wenn dies in der Satzung nicht vorgesehen ist.
  3. Absatz 3Für die Ankündigung der schriftlichen Abstimmung gelten die Vorschriften über die Einladung zur Generalversammlung sinngemäß. Zusätzlich sind konkrete Beschlussanträge bekannt zu machen und es ist den Mitgliedern Gelegenheit zu geben, dazu bis zu 72 Stunden vor der Abstimmung schriftlich Stellung zu nehmen und schriftlich Fragen zu stellen. Die Fragen sind unverzüglich zu beantworten und zusammen mit den Antworten in gleicher Weise bekannt zu machen wie die schriftliche Abstimmung. Stellungnahmen der Mitglieder sind ebenso unverzüglich bekannt zu machen, wobei es dem Vorstand der Genossenschaft oder des Vereins freisteht, eine solche Stellungnahme seinerseits zu kommentieren.
  4. Absatz 4Für die eigentliche Abstimmung ist den Mitgliedern zusammen mit der Ankündigung ein Stimmzettel zur Verfügung zu stellen, den sie ausgefüllt mit ihrem Namen und dem Abstimmungswunsch spätestens am Tag der Abstimmung zur Post geben oder im Briefkasten der Genossenschaft oder des Vereins abgeben können, um wirksam von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen.
  5. Absatz 5Die Genossenschaft oder der Verein kann auch vorsehen, dass die schriftlichen Stellungnahmen und Fragen (Absatz 3,) sowie die schriftliche Stimmabgabe (Absatz 4,) auch in elektronischer Form erfolgen können, sofern dabei die Identität der Mitglieder zweifelsfrei festgestellt werden kann.
  6. Absatz 6Die vorstehenden Regelungen gelten auch für Delegiertenversammlungen sowie für andere Versammlungen einer Genossenschaft oder eines Vereins, an denen mehr als 30 Personen teilnahmeberechtigt sind.
  7. Absatz 7Die Absatz eins bis 6 gelten für kleine Versicherungsvereine mit der Maßgabe, dass soweit von der Generalversammlung die Rede ist, an ihre Stelle die Versammlung des obersten Organs tritt.

Inkrafttreten

Paragraph 5,

  1. Absatz einsDiese Verordnung tritt mit 22. März 2020 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
  2. Absatz 2Hat eine Aktiengesellschaft die Einberufung ihrer Hauptversammlung bereits vor der Kundmachung dieser Verordnung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, so reicht es abweichend von Paragraph 3, Absatz 3, auch aus, wenn die in Paragraph 2, Absatz 4, genannten Informationen ab dem 14. Tag vor der Hauptversammlung gemäß Paragraph 108, Absatz 3 bis 5 AktG bereitgestellt werden. Falls diese Informationen nicht auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden, sind sie den Aktionären auch ohne entsprechendes Verlangen unverzüglich zu übersenden.

Zadić